129 12 12MB
German Pages 2288 Year 2012
Assmann . Uwe H. Schneider (Hrsg.) . Wertpapierhandelsgesetz . Kommentar
.
Wertpapierhandelsgesetz Kommentar herausgegeben von
Prof. Dr. Heinz-Dieter Assmann Prof. Dr. Dr. h.c. Uwe H. Schneider bearbeitet von
Prof. Dr. Heinz-Dieter Assmann, LL.M. Universitätsprofessor in Tübingen
Dr. Doris Döhmel Referatsleiterin, Referat Prozesse/ Widerspruchsverfahren mit Schwerpunkt Wertpapieraufsicht/ Asset-Management bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht in Frankfurt/M.
Dr. Henning Hönsch Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt, Steuerberater PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Berlin
Prof. Dr. Ingo Koller Universitätsprofessor in Regensburg
Prof. Dr. Peter O. Mülbert Universitätsprofessor in Mainz, Direktor des Instituts für deutsches und internationales Recht des Spar-, Giro- und Kreditwesens an der Universität Mainz
Prof. Dr. Dr. h.c. Uwe H. Schneider Universitätsprofessor, Direktor des Instituts für deutsches und internationales Recht des Spar-, Giro- und Kreditwesens an der Universität Mainz
Prof. Dr. Rolf Sethe, LL.M. Universitätsprofessor in Zürich
Prof. Dr. Joachim Vogel Universitätsprofessor in Tübingen, Richter am OLG Stuttgart
6. neu bearbeitete und erweiterte Auflage
2012
Zitierempfehlung: Bearbeiter, in: Assmann/Uwe H. Schneider jHrsg.J, WpHG, 6. Aufl. 2012, § ... Rz....
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Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 info®otto-schmidt.de www.otto-schmidt.de
ISBN 978-3-504-40088-0 ©2.012 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
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Vorwort
Seit dem Erscheinen der 5. Auflage des Kommentars haben nicht weniger als 14 Gesetze Änderungen des Wertpapierhandelsrechts in Gestalt namentlich des Wertpapierhandelsgesetzes und der zu dessen Vorschriften ergangenen Verordnungen mit sich gebracht. Einige dieser Änderungen haben zu gravierenden Veränderungen bisheriger Regelungen geführt, andere haben den Anwendungsbereich des Gesetzes erweitert und wieder andere haben ganz neue Regelungsfelder in das Gesetz eingefügt. Über sämtliche Regelungsänderungen und Neuregelungen informieren die Ausführungen in Rz. 40 bis 58 der Einleitung. Die weitreichendsten Änderungen des WpHG verbinden sich mit der Änderung von § 25 WpHG und der Einführung neuer Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten für bislang nicht erfasste Transaktionen in § 25a WpHG (erläutert von Uwe H. Schneider) und den Änderungen von § 31 WpHG und § 12 WpDVerOV zur Verbesserung der Qualität der Anlageberatung und der damit einhergehenden Einfügung eines neuen § 34d WpHG (über den Einsatz von Mitarbeitern in der Anlageberatung, als Vertriebsbeauftragte oder als Compliance-Beauftragte, erläutert von Koller) durch das Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts vom 5.4.2011 (Einl. Rz. 52 f.). Hervorzuheben sind des Weiteren die Änderungen der §§ 30b, 34, 37a, 39, 43 und 47 WpHG (darunter vor allem der Wegfall der Verjährungsregel des § 37a WpHG, mit einer Übergangsregelung in § 43 WpHG) durch das Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung vom 31.7.2009 sowie Änderungen der §§ 37v, 37y und 39 WpHG durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz vom 25.5.2009. Kurz vor Drucklegung einzuarbeiten in den Kommentar waren schließlich noch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2010/78/EU vom 24. November 2010 im Hinblick auf die Errichtung des Europäischen Finanzaufsichtssystems (mit Änderungen vor allem des § 7 WpHG, der Einfügung eines neuen § 7a WpHG und Folgeänderungen in §§ 8, 29a, 30f, 32b, 36a, 37z und 40b WpHG) sowie das Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts (mit den in der Einl. Rz. 58 angeführten Änderungen der §§ 2, 2a, 6, 8, 17, 31, 38, 39 und 40b WpHG). Zu den wichtigsten Erweiterungen des Anwendungsbereichs der WpHG gehören die Unterwerfung der erlaubnispflichtigen Anlageverwaltung i.S. von § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 11 KWG unter die §§ 9, 31 bis 34 und 34b bis 36b WpHG durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Pfandbriefrechts vom 20.3.2009 und die Erstreckung der Meldepflichten von Geschäften in Finanzinstrumenten gegenüber der BaFin nach § 9 WpHG auf den Freiverkehr nach dem Gesetz zur Stärkung der Finanzmarkt- und der Versicherungsaufsicht vom 29.7.2009. Zu den neu in das Gesetz eingefügten Regelungsbereichen gehören das Verbot ungedeckter Leerverkäufe in Aktien und bestimmten Schuldtiteln (§§ 30–30j WpHG, Einl. Rz. 48, kommentiert von Mülbert) und die Vorschriften zur Überwachung von Ratingagenturen in § 17 WpHG. Letztere sind allerdings durch zwischenzeitliche Übertragung der Überwachungsaufgaben auf die Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA aufgrund der Verordnung (EU) Nr. 513/2011 V
Vorwort
vom 11.5.2011 (Einl. Rz. 46) weitgehend obsolet geworden und werden deshalb nicht näher kommentiert. Daneben hat das europäische System zur Beaufsichtigung der Finanzmärkte durch unmittelbar anwendbare EU-Verordnungen (Einl. Rz. 80 ff.) eine neue Architektur erfahren, die sich auch auf die Aufgaben der deutschen Aufsichtsbehörde auswirkt und bei den Erläuterungen zu den (im Übrigen auch durch Art. 6 des Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarkt- und der Versicherungsaufsicht vom 29.7.2009 – Einl. Rz. 44 – modifizierten) Bestimmungen über die Finanzdienstleistungsaufsicht durch die BaFin zu berücksichtigen war. Wiederum war am Ende der Arbeiten an dieser Auflage des Kommentars bereits die Verabschiedung neuer Rechtsakte absehbar, welche auch Änderungen des WpHG sowie weiterer der in diesem Gesetz erläuterten Vorschriften vorsehen. Anzuführen ist vor allem der RegE des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2010/73/EU und zur Änderung des Börsengesetzes vom 30.11.2011, der für das WpHG zudem nur weitgehend redaktionelle Folgeänderungen zu den Änderungen des WpPG enthält. Der Verabschiedungszeitpunkt war nicht vorhersehbar und sollte deshalb das Erscheinen des Werks nicht verzögern. Bereits absehbar sind auch weitreichende Änderungen des WpHG im Gefolge des schon von der EU-Kommission angenommenen Vorschlags für eine Verordnung über Insiderhandel und Marktmanipulationen (Marktmissbrauch) und für eine Richtlinie über strafrechtliche Sanktionen für Insiderhandel und Marktmanipulationen sowie der beabsichtigten, aber noch in der Konsultationsphase befindlichen Revision der Marktmissbrauchsrichtlinie. Neben Gesetzesänderungen war auch in dieser Auflage eine Fülle neuer Rechtsprechung deutscher Gerichte und des EuGH zu verarbeiten. Dies geschah auf die für die Benutzer dieses Kommentars gewohnte und – wie vielfach bekundet – auch geschätzte kritische und fundierte Weise. Besondere Aufmerksamkeit hat in dieser Auflage vor allem die Rechtsprechung des EuGH („Spector Photo Group“ vom 23.12.2009, § 14 Rz. 26, 61a) sowie des BGH („DaimlerChrysler“, darunter namentlich der Vorlagebeschluss vom 22.11.2010 zum EuGH, § 13 Rz. 25a f., 28a) zu Fragen des Insiderrechts und des Rechts der Ad-hoc-Publizität erfahren. Die ständigen Änderungen und Verwerfungen des privaten, öffentlichen und strafrechtlichen/ordnungswidrigkeitsrechtlichen Wertpapierhandelsrechts stellen die Kommentatoren des WpHG, der auf dessen Grundlage ergangenen Verordnungen und des unmittelbar anwendbaren europäischen Sekundärrechts vor stets neue Herausforderungen: Schon die Erfassung des geltenden Rechts ist angesichts der Fülle der Änderungen des WpHG, der einschlägigen Verordnungen und der Normen angrenzender Rechtsgebiete (wie etwa des KWG) eine Sisyphusarbeit geworden. Sodann muss mit der Kommentierung der geänderten oder neuen Bestimmungen vielfach Neuland betreten werden, dessen Bestellung immer mehr mit dem Spannungsverhältnis von Praxistauglichkeit, Praktikabilität und juristischer Methodik zu kämpfen hat. In diesem Zusammenhang ist vor allem auch die Gesetzesauslegung durch die Aufsichtsbehörde zu berücksichtigen, aber schon im Hinblick auf die Bedeutung der (nur relativ selten zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führenden) aufsichtsrechtlichen Gesetzesanwendung kritisch zu würdigen. Nicht zuletzt aber verlangt die Kommentierung der Bestimmungen des Wertpapierhandelsrechts mit dem Umstand umzugehen, dass die beständige Änderungen der einschlägigen Bestimmungen und die stetiVI
Bearbeiterverzeichnis
ge Vermehrung der Regelungsfelder mit dem Verlust einer Rechtsidee der Finanzmarkt- und Wertpapierhandelsregulierung einhergeht und die Gefahr einer arbiträren Gesetzesanwendung mit sich bringt. Die schon in den Vorauflagen enthaltene Ermunterung, den Autoren Hinweise, Anregungen und Kritik nicht vorzuenthalten, der wiederum dankenswerterweise zahlreiche Benutzer des Werkes gefolgt sind, sei auch an dieser Stelle wiederholt. Bei der Vorbereitung von Kommentaren wie dem vorliegenden haben viele helfende Hände mitgewirkt. Erneut ist es den Autoren überlassen, ihre individuellen Dankesschulden persönlich abzutragen. Anders verhält sich dies mit dem Dr. Birgitta Peters vom Verlag Dr. Otto Schmidt – auch an dieser Stelle – abzustattenden Dank. Ihr haben alle Autoren und Herausgeber gleichermaßen zu danken. Mehr noch als schon in den Auflagen zuvor hat sie mit ganz außergewöhnlichem persönlichem Einsatz und fachlicher Kompetenz die Kommentierungen begleitet und das Erscheinen des Kommentars befördert. Obschon nach außen nicht sichtbar, hat sie damit einen eigenen Beitrag für dieses Werk geleistet. Tübingen und Mainz, im Dezember 2011 Heinz-Dieter Assmann
Uwe H. Schneider
Es haben bearbeitet: Assmann
Einleitung, §§ 1–2b, 12–15, 17, 31f–32d, §§ 37d–37g (zusammen mit Mülbert)
Döhmel
§§ 3, 4 (bis Rz. 64), 4a–6, 7 (bis Rz. 22), 7a-9, 11, 16–16b, 30, 36a, 36c, 37i–37m, 42, 44
Hönsch
§§ 37n–37z, 45, 46
Koller
§§ 31–31e, 33–36, 36b, 37, 37a, 42d–43, 47
Mülbert
§§ 30a–30g, §§ 30h–30j, §§ 37d–37g (zusammen mit Assmann), §§ 42a–42c
Sven H. Schneider
Anh. § 22: § 32 Abs. 2–5 InvG
Uwe H. Schneider
§§ 21–29a, 41
Sethe
§§ 15a, 15b, 37b, 37c, 37h
Vogel
§§ 4 (ab Rz. 65), 7 (ab Rz. 23), 10, 20a, 20b, 38–40b
VII
Inhaltsverzeichnis Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Allgemeines Schrifttumsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XVII
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXI
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Abschnitt 1 Anwendungsbereich, Begriffsbestimmungen §1
Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
§2
Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
§ 2a
Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
149
§ 2b
Wahl des Herkunftsstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
176
Abschnitt 2 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
179
§3 §4
Organisation (aufgehoben) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben und Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
208 208
§ 4a
Befugnisse zur Sicherung des Finanzsystems . . . . . . . . . . . . . . .
245
§5
Wertpapierrat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
250
§6
Zusammenarbeit mit anderen Behörden im Inland . . . . . . . . . .
253
§7
Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen im Ausland . . . . . . .
260
§ 7a
Zusammenarbeit mit der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
280
§ 7b
Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission im Rahmen des Energiewirtschaftsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . .
286
§8
Verschwiegenheitspflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
288
§9
Meldepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
303
§ 10
Anzeige von Verdachtsfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
320
§ 11
Verpflichtung des Insolvenzverwalters. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
355
IX
Inhaltsverzeichnis
Abschnitt 3 Insiderüberwachung Seite
Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 12 Insiderpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
362 387
§ 13
Insiderinformation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
395
§ 14
Verbot von Insidergeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
441
§ 15
Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen an das Unternehmensregister. . . . . . . . . . . . . . .
540
§ 15a Mitteilung von Geschäften, Veröffentlichung und Übermittlung an das Unternehmensregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
669
§ 15b Führung von Insiderverzeichnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 16 Aufzeichnungspflichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
750 788
§ 16a Überwachung der Geschäfte der bei der Bundesanstalt Beschäftigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
790
§ 16b Aufbewahrung von Verbindungsdaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
792
Abschnitt 3a Ratingagenturen § 17
Überwachung von Ratingagenturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
795
§ 18
Strafverfahren bei Insidervergehen (aufgehoben) . . . . . . . . . . . .
802
§ 19
Internationale Zusammenarbeit (aufgehoben) . . . . . . . . . . . . . .
802
§ 20
Ausnahmen (aufgehoben). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
802
Abschnitt 4 Überwachung des Verbots der Marktmanipulation Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
803
§ 20a Verbot der Marktmanipulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
831
Anhang zu § 20a: Text der MaKonV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
973
§ 20b Überwachung (aufgehoben) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
978
X
Inhaltsverzeichnis
Abschnitt 5 Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Veränderungen des Stimmrechtsanteils an das Unternehmensregister Seite
Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 21
979
Mitteilungspflichten des Meldepflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . .
1007
§ 22 Zurechnung von Stimmrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang zu § 22: Kommentierung des § 32 Abs. 2–5 InvG . . . . . . . . . . .
1041 1099
§ 23
Nichtberücksichtigung von Stimmrechten . . . . . . . . . . . . . . . .
1115
§ 24
Mitteilung durch Konzernunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1134
§ 25
Mitteilungspflicht beim Halten von Finanzinstrumenten und sonstigen Instrumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1141
§ 25a Mitteilungspflichten beim Halten von weiteren Finanzinstrumenten und sonstigen Instrumenten . . . . . . . . . . . . . . . .
1164
§ 26
Veröffentlichungspflichten des Emittenten und Übermittlung an das Unternehmensregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1184
§ 26a Veröffentlichung der Gesamtzahl der Stimmrechte und Übermittlung an das Unternehmensregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1204
§ 27
Nachweis mitgeteilter Beteiligungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1208
§ 27a Mitteilungspflichten für Inhaber wesentlicher Beteiligungen . .
1212
§ 28
Rechtsverlust. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1222
§ 29
Richtlinien der Bundesanstalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1251
§ 29a Befreiungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1252
§ 30
1257
Handelstage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Abschnitt 5a Notwendige Informationen für die Wahrnehmung von Rechten aus Wertpapieren Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1258
§ 30a Pflichten der Emittenten gegenüber Wertpapierinhabern. . . . . .
1262
§ 30b Veröffentlichung von Mitteilungen und Übermittlung im Wege der Datenfernübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1275
§ 30c Änderungen der Rechtsgrundlage des Emittenten . . . . . . . . . . . § 30d Vorschriften für Emittenten aus der Europäischen Union und dem Europäischen Wirtschaftsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1289 1293
§ 30e Veröffentlichung zusätzlicher Angaben und Übermittlung an das Unternehmensregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1295
XI
Inhaltsverzeichnis Seite
§ 30f
Befreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1304
§ 30g Ausschluss der Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1308
Abschnitt 5b Leerverkäufe und Geschäfte in Derivaten Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1309
§ 30h Verbot ungedeckter Leerverkäufe in Aktien und bestimmten Schuldtiteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1313
Anhang zu § 30h: Text der LAnzV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1327
§ 30i
Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten für Inhaber von Netto-Leerverkaufspositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1329
Anhang 1 zu § 30i: BaFin Allgemeinverfügung Netto-Leerverkaufspositionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang 2 zu § 30i: BaFin FAQ-Liste Netto-Leerverkaufspositionen . . .
1341 1343
§ 30j
1347
Verbot von bestimmten Kreditderivaten . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Abschnitt 6 Verhaltenspflichten, Organisationspflichten, Transparenzpflichten Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 31 Allgemeine Verhaltensregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1360 1365
Anhang zu § 31: Text der WpDVerOV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1460
§ 31a Kunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1482
§ 31b Geschäfte mit geeigneten Gegenparteien. . . . . . . . . . . . . . . . . .
1495
§ 31c Bearbeitung von Kundenaufträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1496
§ 31d Zuwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1502
§ 31e Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen über ein anderes Wertpapierdienstleistungsunternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1525
§ 31f
Betrieb eines multilateralen Handelssystems . . . . . . . . . . . . . .
1527
§ 31g Vor- und Nachhandelstransparenz für multilaterale Handelssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1537
§ 31h Veröffentlichungspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach dem Handel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1545
Systematische Internalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1549
§ 32a Veröffentlichen von Quotes durch systematische Internalisierer
§ 32
1552
XII
Inhaltsverzeichnis Seite
§ 32b Bestimmung der standardmäßigen Marktgröße und Aufgaben der Bundesanstalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1558
§ 32c Ausführung von Kundenaufträgen durch systematische Internalisierer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1560
§ 32d Zugang zu Quotes, Geschäftsbedingungen bei systematischer Internalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1564
§ 33
Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1569
§ 33a Bestmögliche Ausführung von Kundenaufträgen . . . . . . . . . . . . § 33b Mitarbeiter und Mitarbeitergeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1607 1627
§ 34
Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht. . . . . . . . . . . . . . . .
1638
§ 34a Getrennte Vermögensverwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1656
§ 34b Analyse von Finanzinstrumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1665
Anhang zu § 34b: Text der FinAnV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1724
§ 34c Anzeigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1730
§ 34d Einsatz von Mitarbeitern in der Anlageberatung, als Vertriebsbeauftragte oder als Compliance-Beauftragte . . . . . . . . . . . . . . . Anhang zu § 34d: Text der WpHGMaAnzV. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1732 1747
§ 35
Überwachung der Meldepflichten und Verhaltensregeln . . . . . .
1754
§ 36
Prüfung der Meldepflichten und Verhaltensregeln . . . . . . . . . . .
1757
Anhang zu § 36: Text der WpDPV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1760
§ 36a Unternehmen, organisierte Märkte und multilaterale Handelssysteme mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum . . . . . . .
1770
§ 36b Werbung der Wertpapierdienstleistungsunternehmen . . . . . . . . § 36c Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen im Ausland (aufgehoben). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1776 1779
§ 37
Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1780
§ 37a Verjährung von Ersatzansprüchen (aufgehoben) . . . . . . . . . . . . .
1780
Abschnitt 7 Haftung für falsche und unterlassene Kapitalmarktinformationen § 37b Schadenersatz wegen unterlassener unverzüglicher Veröffentlichung von Insiderinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1781
§ 37c Schadenersatz wegen Veröffentlichung unwahrer Insiderinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1781
XIII
Inhaltsverzeichnis
Abschnitt 8 Finanztermingeschäfte Seite
§ 37d Information bei Finanztermingeschäften (aufgehoben) . . . . . . . Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1878 1878
§ 37e Ausschluss des Einwands nach § 762 des Bürgerlichen Gesetzbuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1894
Überwachung der Informationspflichten (aufgehoben). . . . . . . .
1898
§ 37g Verbotene Finanztermingeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
§ 37f
1898
Abschnitt 9 Schiedsvereinbarungen § 37h Schiedsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1904
Abschnitt 10 Märkte für Finanzinstrumente mit Sitz außerhalb der Europäischen Union Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 37i Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1931 1932
Anhang zu § 37i: Text der MarktAngV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1937
§ 37j
Versagung der Erlaubnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1939
§ 37k Aufhebung der Erlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1941
§ 37l
Untersagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1942
§ 37m Anzeige (aufgehoben) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1942
Abschnitt 11 Überwachung von Unternehmensabschlüssen, Veröffentlichung von Finanzberichten Unterabschnitt 1 Überwachung von Unternehmensabschlüssen Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1943
§ 37n Prüfung von Unternehmensabschlüssen und -berichten . . . . . .
1951
§ 37o Anordnung einer Prüfung der Rechnungslegung und Ermittlungsbefugnisse der Bundesanstalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1958
XIV
Inhaltsverzeichnis Seite
§ 37p Befugnisse der Bundesanstalt im Fall der Anerkennung einer Prüfstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1971
§ 37q Ergebnis der Prüfung von Bundesanstalt oder Prüfstelle . . . . . .
1976
§ 37r Mitteilungen an andere Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1986
§ 37s Internationale Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1989
§ 37t Widerspruchsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1991
§ 37u Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1997
Unterabschnitt 2 Veröffentlichung und Übermittlung von Finanzberichten an das Unternehmensregister § 37v Jahresfinanzbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2001
§ 37w Halbjahresfinanzbericht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2018
§ 37x Zwischenmitteilung der Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . .
2031
§ 37y Konzernabschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2039
§ 37z Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2042
Abschnitt 12 Straf- und Bußgeldvorschriften Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2047
§ 38
Strafvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2061
§ 39 § 40
Bußgeldvorschriften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuständige Verwaltungsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2111 2159
§ 40a Beteiligung der Bundesanstalt und Mitteilungen in Strafsachen
2164
§ 40b Bekanntmachung von Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2173
Abschnitt 13 Übergangsbestimmungen § 41
Übergangsregelung für Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2180
§ 42
Übergangsregelung für die Kostenerstattungspflicht nach § 11 .
2188
§ 42a Übergangsregelung für das Verbot ungedeckter Leerverkäufe in Aktien und bestimmten Schuldtiteln nach § 30h . . . . . . . . . . .
2189
XV
Inhaltsverzeichnis Seite
§ 42b Übergangsregelung für die Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten für Inhaber von Netto-Leerverkaufspositionen nach § 30i. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2190
§ 42c Übergangsregelung für das Verbot von Kreditderivaten nach § 30j . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2192
§ 42d Übergangsregelung für den Einsatz von Mitarbeitern nach § 34d
2193
§ 42e Übergangsregelung für wesentliche Anlegerinformationen . . . .
2194
§ 43
Übergangsregelung für die Verjährung von Ersatzansprüchen nach § 37a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2195
§ 44
Übergangsregelung für ausländische organisierte Märkte . . . . .
2195
§ 45
Anwendungsbestimmung zum Abschnitt 11 . . . . . . . . . . . . . . .
2196
§ 46
Anwendungsbestimmung für das TransparenzrichtlinieUmsetzungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2196
§ 47
Anwendungsbestimmung für § 34 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2198
Textanhang* . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2199
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2225
* Ausführliches Verzeichnis der abgedruckten Texte siehe zu Beginn des Textanhangs. XVI
Allgemeines Schrifttumsverzeichnis Ausführliche Schrifttumshinweise finden Sie auch zu Beginn der Kommentierungen.
Adler/Düring/Schmaltz Achenbach/Ransiek Assmann/Pötzsch/ Uwe H. Schneider Assmann/Schlitt/ von Kopp-Colomb Assmann/Schütze
Bankrechts-Handbuch Baumbach/Hopt Beck’scher BilanzKommentar Boos/Fischer/ Schulte-Mattler BuB Buck-Heeb Bürgers/Körber
Claussen Clouth/Lang
Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995 ff. Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, hrsg. von Achenbach und Ransiek, 2. Aufl. 2008 Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, hrsg. von Assmann, Pötzsch und Uwe H. Schneider, 2005 WpPG, VerkProspG, hrsg. von Assmann, Schlitt und von Kopp-Colomb, 2. Aufl. 2010 Handbuch des Kapitalanlagerechts, hrsg. von Assmann und Schütze, 3. Aufl. 2007 hrsg. von Schimansky, Bunte und Lwowski, 3. Aufl. 2007 Handelsgesetzbuch, begr. von Baumbach, bearb. von Hopt und Merkt, 34. Aufl. 2010 Handels- und Steuerbilanz, §§ 238 bis 339, 342 bis 342e HGB, hrsg. von Ellrott, Förschle, Kozikowski, Winkeljohann, 7. Aufl. 2010 Kreditwesengesetz, hrsg. von Boos, Fischer und Schulte-Mattler, 3. Aufl. 2008 Bankrecht und Bankpraxis, hrsg. von Hellner und Steuer, Loseblatt Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2011 Heidelberger Kommentar zum Aktiengesetz, hrsg. von Bürgers und Körber, 2. Aufl. 2011 Bank- und Börsenrecht für Studium und Praxis, 4. Aufl. 2008 MiFID-Praktikerhandbuch, hrsg. von Clouth und Lang, 2007
Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn Ellenberger/Schäfer/ Clouth/Lang
HGB, Band I (§§ 1–342e), 2. Aufl. 2008, Band II (§§ 343–475h), 2. Aufl. 2009 Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft, 3. Aufl. 2010
Fuchs
Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), 2009
Geibel/Süßmann
Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), hrsg. von Geibel und Süßmann, 2. Aufl. 2008 Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2009 Aktiengesetz, hrsg. von Hopt und Wiedemann, 4. Aufl. 1992 ff. Einführung in das Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2009
Groß Großkommentar Grunewald/Schlitt
XVII
Allgemeines Schrifttumsverzeichnis
Haarmann/Schüppen Habersack/Mülbert/Schlitt Habersack/Mülbert/Schlitt Heidel Hopt Hüffer
Frankfurter Kommentar zum WpÜG, hrsg. von Haarmann und Schüppen, 3. Aufl. 2008 Handbuch der Kapitalmarktinformation, hrsg. von Habersack, Mülbert und Schlitt, 2008 Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, hrsg. von Habersack, Mülbert und Schlitt, 2. Aufl. 2008 Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, hrsg. von Heidel, 3. Aufl. 2011 Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken, 1975 Aktiengesetz, 9. Aufl. 2010
Immenga/Mestmäcker
Wettbewerbsrecht, Kommentar, hrsg. von Immenga und Mestmäcker, 4. Aufl. 2007
Karlsruher Kommentar Ordnungswidrigkeitengesetz Kölner Kommentar
hrsg. von Senge, 3. Aufl. 2006
Kölner Kommentar Kölner Kommentar Kübler/Assmann Kümpel/Wittig Kümpel Kümpel/Hammen/Ekkenga Kümpel/Veil Langenbucher Leipziger Kommentar
Lenenbach Marsch-Barner/Schäfer Meyer-Goßner Möllers/Rotter Müller-Gugenberger/ Bieneck Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts Münchener Kommentar zum Aktiengesetz Palandt Park
Reischauer/Kleinhans
XVIII
Aktiengesetz, hrsg. von Zöllner, 2. Aufl. 1986 ff., hrsg. von Zöllner und Noack, 3. Aufl. 2004 ff. WpHG, hrsg. von Hirte und Möllers, 2007 WpÜG, hrsg. von Hirte und von Bülow, 2. Aufl. 2010 Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006 Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011 Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004 Kapitalmarktrecht, Loseblatt Wertpapierhandelsgesetz, 2. Aufl. 2006 Aktien- und Kapitalmarktrecht, 2008 Strafgesetzbuch, begr. von Jescheck/Ruß/Willms, hrsg. von Jähnke, Laufhütte und Odersky, 11. Aufl. 1992 ff., 12. Aufl. 2006 ff. Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2010 Handbuch börsennotierte AG, hrsg. von MarschBarner und Schäfer, 2. Aufl. 2009 Strafprozessordnung, begr. von Schwarz, bearb. von Meyer-Goßner, 53. Aufl. 2010 Ad-hoc-Publizität, hrsg. von Möllers und Rotter, 2003 Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl. 2011 Band 4, Aktiengesellschaft, hrsg. von HoffmannBecking, 3. Aufl. 2007 hrsg. von Kropff und Semler, 2. Aufl. 2000 ff., hrsg. von Goette und Habersack, 3. Aufl. 2008 ff. Bürgerliches Gesetzbuch, bearb. von Bassenge, Brudermüller u.a., 70. Aufl. 2011 Kapitalmarktstrafrecht, Kommentar, hrsg. von Park, 2. Aufl. 2008 Kreditwesengesetz (KWG), Loseblatt
Allgemeines Schrifttumsverzeichnis
Schäfer/Hamann Schäfer/Müller Schimanski/Bunte/ Lwowski Schlüter Schmidt, Karsten Schmidt, Karsten/Lutter, Marcus Schönke/Schröder Scholz
Schröder Schwark/Zimmer Schwintowski Sethe Staub Steinmeyer/Häger Szagunn/Haug/Ergenzinger
Wolff/Bachof/Stober
Kapitalmarktgesetze, Kommentar, hrsg. von Schäfer und Hamann, Loseblatt Haftung für fehlerhafte Wertpapierdienstleistungen, 1999 Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011 Börsenhandelsrecht, 2. Aufl. 2002 Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002 Aktiengesetz, hrsg. von Karsten Schmidt und Marcus Lutter, 2. Aufl. 2010 Strafgesetzbuch, bearb. von Lenckner u.a., 28. Aufl. 2010 Kommentar zum GmbHG, bearb. von Bitter u.a., Band I (§§ 1–34), 10. Aufl. 2006, Band II (§§ 35–52), 10. Aufl. 2007 und Band III (§§ 53–85, Nachtrag MoMiG), 10. Aufl. 2010 Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 2. Aufl. 2010 Kapitalmarktrechts-Kommentar, hrsg. von Schwark und Zimmer, 4. Aufl. 2010 Bankrecht, 3. Aufl. 2011 Anlegerschutz im Recht der Vermögensverwaltung, 2005 Handelsgesetzbuch, hrsg. von Canaris, Schilling und Ulmer, 4. Aufl. 1983 ff., 5. Aufl. 2008 ff. Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG), 2. Aufl. 2007 Gesetz über das Kreditwesen, begründet von Szagunn, neu bearbeitet von Haug und Ergenzinger, 6. Aufl. 1997 Verwaltungsrecht I, 12. Aufl. 2007
XIX
Abkürzungsverzeichnis
a.A. abgedr. abl. ABl. abw. AcP a.E. AEUV a.F. AfP AG AGB AGG AktG AMF Anh. Anm. AnSVG AO Art. Aufl. AuslInvestmG AußensteuerG Az.
anderer Ansicht abgedruckt ablehnend Amtsblatt abweichend Archiv für die civilistische Praxis am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte(r) Fassung Archiv für Presserecht Aktiengesellschaft, Die Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Aktiengesetz Autorité des marchés financiers Anhang Anmerkung Anlegerschutzverbesserungsgesetz Abgabenordnung Artikel Auflage Auslandinvestment-Gesetz Außensteuergesetz Aktenzeichen
BaFin BAG BAKred BAnz. BAWe BayPrG BB BBG BDSG Begr. BetrVG BFuP BGB BGBl. BGH BGHZ
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesarbeitsgericht Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen Bundesanzeiger Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel Bayerisches Pressegesetz Betriebs-Berater Bundesbeamtengesetz Bundesdatenschutzgesetz Begründung Betriebsverfassungsgesetz Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, Amtliche Sammlung (Band und Seite) Bilanzkontrollgesetz Bilanzkontroll-Umlageverordnung Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz Bundes-Immissionsschutzgesetz Bank- und Kapitalmarktrecht
BilKoG BilKoUmV BilMoG BImSchG BKR
XXI
Abkürzungsverzeichnis
BMF BÖGA BörsG BörsenZulG BörsZulVO BO FWB BRAO BR-Drucks. BRRG BSchuWG BT-Drucks. BuB BuW
Bundesministerium der Finanzen System der Börsengeschäftsabwicklung Börsengesetz Börsenzulassungs-Gesetz Börsenzulassungs-Verordnung Börsenordnung für die Frankfurter Wertpapierbörse Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesrats-Drucksache Beamtenrechtsrahmengesetz Bundesschuldenwesengesetz Bundestags-Drucksache Bankrecht und Bankpraxis, Loseblatt Betrieb und Wirtschaft
CCZ CESR CFL CR CCZ
Corporate Compliance Zeitschrift The Committee of European Securities Regulators Corporate Finance law Computer und Recht Corporate Compliance Zeitschrift
DB DBW DCGK DepotG
Der Betrieb Die Betriebswirtschaft Deutscher Corporate Governance Kodex Depotgesetz (Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren) Deutsche Gesellschaft für Ad-hoc-Publizität Diskussionsentwurf Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung Deutsches Richtergesetz Durchführungsrichtlinie Deutsche Rechnungslegungs Standards Deutsches Steuerrecht Deutsche Terminbörse Deutsches Verwaltungsblatt Durchführungs-Verordnung Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
DGAP DiskE DPR DRiG DRiL DRS DStR DTB DVBl. DVO DWiR, DZWIR EAEG EAEGÄndG E/B/J/S EBLR eds. EFTA EG EGAktG EGHGB EHUG Einl.
XXII
Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz Gesetzes zur Änderung des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn (s. Allgemeines Schrifttumsverzeichnis) European Business Law Review editors (Herausgeber) European Free Trade Association Europäische Gemeinschaft(en) Einführungsgesetz zum Aktiengesetz Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister Einleitung
Abkürzungsverzeichnis
endg. ErbStB Erl. E/S/C/L ESFS ESMA EU EuGH EuGHE EuGVO EuR EuZW EWGV EWiR EWR EWS f., ff. FB FESCO FFG FIMBRA FinAnV FinDAG FinDAGKostV
FMVAStärkG Fn. Forbes FRUG FS FSA GA GenG GesKR GewArch GG GmbH GmbHG GOBT GWB
endgültige Fassung (Teil des Aktenzeichens Europäischer Dokumente) Der Erbschaft-Steuer-Berater Erläuterung(en) Ellenberger/Schäfer/Clouth/Lang (s. Allgemeines Schrifttumsverzeichnis) European Financial Stability Facility European Securities and Markets Authority Europäische Union Europäischer Gerichtshof Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, Amtliche Sammlung (Jahr, Seite) Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung Europarecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht folgend, folgende Finanz Betrieb Forum of European Securities Commissions Finanzmarktförderungsgesetz Financial Intermediaries Managers and Brokers Regulatory Association Verordnung über die Analyse von Finanzinstrumenten Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz Verordnung über die Erhebung von Gebühren und die Umlegung von Kosten nach dem Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz Gesetz zur Stärkung der Finanzmarkt- und Versicherungsaufsicht Fußnote Forbes (Zeitschrift) Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz Festschrift Financial Services Authority Goltdammer’s Archiv für Strafrecht Gesetz betr. die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Gewerbearchiv Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
XXIII
Abkürzungsverzeichnis
GWG GWR
Geldwäschegesetz Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht
Hess. VGH HGB h.M. Hrsg.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Herausgeber
IDW IDW FN i.E. IFG IFRS IHR IMRO InstitutsVergV InvG IOS IOSCO IRG IRZ i.V.m. IW-Orders IWB
Institut der Wirtschaftsprüfer IDW-Fachnachrichten im Ergebnis Informationsfreiheitsgesetz International Financial Reporting Standards Insiderhandels-Richtlinien (Fassung Juni 1988) Investment Management Regulatory Organisation Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten Investmentgesetz Investment Overseas Services International Organization of Securities Commissions Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen Zeitschrift für Internationale Rechnungslegung in Verbindung mit Interessenwahrende Orders Internationale Wirtschaftsbriefe
JA JIBL JMBlNW jurisPR-BKR JuS JZ
Juristische Arbeitsblätter Journal of International Business Law Justizministerialblatt für Nordrhein-Westfalen Juris PraxisReport Bank und Kapitalmarktreport Juristische Schulung Juristenzeitung
KAGG KapMuG KG KGaA KK KölnKomm. KonTraG
KWG
Gesetz über die Kapitalanlagegesellschaften Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz Kammergericht (Berlin) Kommanditgesellschaft auf Aktien Karlsruher Kommentar Kölner Kommentar Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Internationale und kapitalmarktorientierte Rechnungslegung Gesetz über das Kreditwesen
LAnzV LAUTRO LG lit. LK LPartG
Leerverkaufs-Anzeigeverordnung Life Assurance and Unit Trust Regulatory Organisation Landgericht Buchstabe(n) Leipziger Kommentar Lebenspartnerschaftsgesetz
KoR
XXIV
Abkürzungsverzeichnis
MaComp
MoU MünchKomm. m.w.N.
Mindestanforderungen an Compliance und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG (BaFin-Rundschreiben) Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung Mindesanforderungen an das Risikomanagement (BaFin-Rundschreiben) Marktzugangsangabenverordnung Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente Mitteilungen in Strafsachen Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen Memoranda of Understanding Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen
n.F. NJW Nr. Nrn. NStZ NVwZ NWB NYSE NZI
neue(r) Fassung Neue Juristische Wochenschrift Nummer Nummern Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Wirtschafts-Briefe, Loseblattsammlung New York Stock Exchange Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung
ÖBA OGAW OLG Ordo OTC OWiG
Österreichisches Bankarchiv Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren Oberlandesgericht Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft Over the counter Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
PartGG
Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe (Partnerschaftsgesellschaftsgesetz) Dokument des Europäischen Parlaments Gesetz zur Fortentwicklung des Pfandbriefrechts Personal Investment Authority
MaKonV MaRisk MarktAngV MiFID MiStra MoRaKG
PE DOK PfandBFEG PIA RabelsZ RdF RefE RegE RIW Rspr. Rz.
Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Recht der Finanzinstrumente Referentenentwurf Regierungsentwurf Recht der internationalen Wirtschaft Rechtsprechung Randziffer
s. S. SAE SchiedsVZ
siehe; section Seite(n) Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen Die neue Zeitschrift für Schiedsverfahren
XXV
Abkürzungsverzeichnis
SchVerschrG/SchVG SchVGEG
SEC SEK SK SIB SJZ Slg.
Spstr. StGB StPO StuB StV StVG SYN SZW
TDSV TEHG TKG TranspRLDVO
TUG TVöD UBGG UmsetzungsG URV UWG UZwG
XXVI
Gesetz betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung Securities and Exchange Commission Dokument des Generalsekretariats der Europäischen Kommission Systematischer Kommentar Security and Investments Board Schweizerische Juristen-Zeitung Sammlung; Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts Erster Instanz, amtliche Sammlung von Gerichtsentscheidungen des EuGH (Teil I) und des Gerichts Erster Instanz (Teil II), hrsg. vom EuGH Spiegelstrich Strafgesetzbuch Strafprozessordnung Steuern und Bilanzen (Zeitschrift für Unternehmensteuerrecht und Rechnungslegung von Unternehmen) Strafverteidiger Straßenverkehrsgesetz Teil der EG-internen Identifikationsnummer von Dokumenten der Europäischen Gemeinschaft Schweizerische Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanzmarktrecht Telekommunikations-Datenschutzverordnung Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz Telekommunikationsgesetz Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2007/14/EG der Kommission vom 8. März 2007 mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Gesetz über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften Unternehmensregisterverordnung Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes
Abkürzungsverzeichnis
VAG
VerBAV VerkProspG VermAnlG VersR VGH vgl. VuR VVaG VwVfG VwVG WiB wistra WKBG WM WpAIV
Versicherungsaufsichtsgesetz (Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen) Veröffentlichungen des Bundesamtes für das Versicherungsund Bausparwesen Verkaufsprospektgesetz Vermögensanlagengesetz Versicherungsrecht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Verbraucher und Recht Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Verwaltungsverfahrensgesetz Verwaltungsvollstreckungsgesetz
WuB WuW
Wirtschaftsrechtliche Beratung Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht Wagniskapitalbeteiligungsgesetz Wertpapier-Mitteilungen Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung Wertpapierdienstleistungs-Prüfungsverordnung Wertpapierdienstleistungsrichtlinie Verordnung zur Konkretisierung der Verhaltensregeln und Organisationsanforderungen für Wertpapierdienstleistungsunternehmen Die Wirtschaftsprüfung Wertpapierhandelsgesetz Wertpapierhandelmeldeverordnung Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapierund Derivategeschäfte Wertpapierprospektgesetz Wertpapierprospektgebührenverordnung Wirtschaftsrecht und Praxis Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Verordnung über den Inhalt der Angebotsunterlage, die Gegenleistung bei Übernahmeangeboten und Pflichtangeboten und die Befreiung von der Verpflichtung zur Veröffentlichung und zur Abgabe eines Angebots Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht Wirtschaft und Wettbewerb
ZBB ZEuP ZfB ZfK ZfgKW/ZfgK ZfIR ZfR ZGR ZHR
Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Betriebswirtschaft Zeitung für kommunale Wirtschaft Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Zeitschrift für Immobilienrecht Zeitschrift für Finanzmarktrecht (Österreich) Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht
WpDPV WpDRiL WpDVerOV
WPg WpHG WpHMV WpMiVoG WpPG WpPGebV WPrax WpÜG WpÜG-AngVO/ WpÜG-AngebotsVO
XXVII
Abkürzungsverzeichnis
ZJS ZIP ZPO ZRP z.T. ZUR ZVglRWiss
XXVIII
Zeitschrift für das Juristische Studium Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik zum Teil Zeitschrift für Umweltrecht Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft
Einleitung Schrifttum: Assmann, Interessenkonflikte und „Inducements“ im Lichte der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID) und der MiFID-Durchführungsrichtlinie, ÖBA 55 (2007), 40; Assmann, Interessenkonflikte aufgrund von Zuwendungen, ZBB 2008, 21; Baur, Das neue Wertpapierhandelsrecht, Die Bank 1997, 346; Baur/Wagner, Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz – Neuerungen im Börsen- und Wertpapierhandelsrecht, Die Bank 2002, 530; Beck, Die Reform des Börsenrechts im Vierten Finanzmarktförderungsgesetz, BKR 2002, 662; Becker, Das neue Wertpapierhandelsgesetz, 1995; Bedkowski, Der neue Emittentenleitfaden der BaFin, BB 2009, 394; Beiersdorf/Buchheim, Verabschiedung des Gesetzes zur Umsetzung der EU-Transparenzrichtlinie (TUG), BB 2007, 99; Bosse, Wesentliche Neuerungen ab 2007 aufgrund des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz für börsennotierte Unternehmen, DB 2007, 39; Breuer, Neues Leben für den Finanzplatz Deutschland, Die Bank 1994, 444; Bürgers, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, BKR 2004, 424; Cahn, Grenzen des Markt- und Anlegerschutzes durch das WpHG, ZHR 162 (1998), 1; Diekmann/Merkner, Erhöhte Transparenzanforderungen im Aktien- und Kapitalmarktrecht – ein Überblick über den Regierungsentwurf zum Risikobegrenzungsgesetz, NZG 2007, 921; Diekmann/Sustmann, Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG), NZG 2004, 929; Dier/Fürhoff, Die geplante europäische Marktmissbrauchsrichtlinie, AG 2002, 604; Escher, Bankaufsichtsrechtliche Änderungen im KWG durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz, BKR 2002, 652; Fenchel, Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz – ein Überblick, DStR 2002, 1355; Fleischer, Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz, NJW 2002, 2977; Fleischer, Der deutsche „Bilanzeid“ nach § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB, ZIP 2007, 97; Fleischer, Finanzinvestoren im ordnungspolitischen Gesamtgefüge von Aktien-, Bankaufsichts- und Kapitalmarktrecht, ZGR 2008, 185; Fürhoff/Schuster, Entwicklung des Kapitalmarktaufsichtsrechts im Jahr 2002, BKR 2003, 134; Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2. Aufl. 2010; Großmann/Nikoleyczik, Praxisrelevante Änderungen des Wertpapierhandelsgesetzes – Die Auswirkungen des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes, DB 2002, 2031; Hagen-Eck/Wirsch, Gestaltung von Directors’ Dealings und die Pflichten nach § 15a WpHG – Einschließlich gesteigerter Anforderungen nach dem Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG), DB 2007, 504; Happ, Zum Regierungsentwurf eines Wertpapierhandelsgesetzes, JZ 1994, 240; Heldt/Ziemann, Sarbanes Oxley in Deutschland? Zur geplanten Einführung eines strafbewehrten „Bilanzeides“ nach dem Regierungsentwurf eines Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes, NZG 2006, 652; Holzborn/Israel, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, WM 2004, 1948; Hopt, Zum neuen Wertpapierhandelsgesetz, WM-Festgabe für Hellner, WM-Sonderheft 1994, 29; Hopt, Grundsatz- und Praxisprobleme nach dem Wertpapierhandelsgesetz, ZHR 159 (1995), 135; Hutter/Kaulamo, Das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz: Änderung der anlassabhängigen Publizität, NJW 2007, 471; Hutter/Kaulamo, Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz: Änderung der Regelpublizität und das neue Veröffentlichungsregime für Kapitalmarktinformation, NJW 2007, 550; von Ilberg/Neises, Die Richtlinien-Vorschläge der EU-Kommission zum „Einheitlichen Europäischen Prospekt“ und zum „Marktmissbrauch“ aus der Sicht der Praxis, WM 2002, 635; Jander/Zoberbier, Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz mit der Neuregelung des Insiderrechts, WiB 1994, 806; Jütten, Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz aus der Sicht der Kreditwirtschaft, Die Bank 1993, 601; Jütten, Finanzplatz Deutschland wird attraktiver, Die Bank 1994, 34; Jung, Die Auswirkungen der 6. KWG-Novelle auf Anlagevermittler, (Börsen-)Makler und Vermögensverwalter, BB 1998, 649; Jung/Schleicher, Regelungen für Finanzdienstleister – Die 6. KWG-Novelle, 1998; von Keussler, Vom Grauen zum Weißen Kapitalmarkt, Berlin 2001; Kasten, Das neue Kundenbild des § 31a WpHG, BKR 2007, 261; König, Das Risikobegrenzungsgesetz – offene und gelöste Fragen, BB 2008, 1910; Korff, Das Risikobegrenzungsgesetz und seine Auswirkungen auf das WpHG, AG 2008, 692; Kümpel, Die künftige Kapitalmarktaufsicht und die europäische Rechtsangleichung, WM 1994, 229; Kuthe, Änderungen des Kapitalmarktrechts durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, ZIP 2004, 883; Langenbucher (Hrsg.), Europarechtliche Bezüge des Privatrechts, 2. Aufl. 2008; Meixner, Neuerungen im Bankenaufsichts- und Kapitalmarktrecht, NJW 1998, 862; Mielk, Die wesentlichen Neuerungen der KWG-Novelle, WM 1997, 2220 (I.), 2237 (II.); Möller, Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz – Der Regierungsentwurf, WM 2001, 2405; Mülbert, An-
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Einleitung
legerschutz bei Zertifikaten, WM 2007, 1149; Müller/Oulds, Transparenz im europäischen Fremdkapitalmarkt, WM 2007, 573; Nießen, Die Harmonisierung der kapitalmarktrechtlichen Transparenzregeln durch das TUG, NZG 2007, 41; Noack, Neue Publizitätspflichten und Publizitätsmedien für Unternehmen – eine Bestandsaufnahme nach EHUG und TUG, WM 2007, 377; Pirner/Lebherz, Wie nach dem Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz publiziert werden muss, AG 2007, 19; Pötzsch, Der Diskussionsentwurf des Dritten Finanzmarktförderungsgesetzes, AG 1997, 193; Reuschle, Viertes Finanzmarktförderungsgesetz, 2002; Riepe, Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz, DStR 1994, 1236; Rodewald/Unger, Zusätzliche Transparenz für die europäischen Kapitalmärkte – Die Umsetzung der EU-Transparenzrichtlinie in Deutschland, BB 2206, 1917; Rozok, Tod der Vertriebsprovision oder Alles wie gehabt? Die Neuregelungen über Zuwendungen bei der Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie, BKR 2007, 217; Scharrenberg, Neue Rahmenbedingungen für das Wertpapiergeschäft, Sparkasse 1993, 484; Schlicht, Compliance nach Umsetzung der MiFID-Richtlinie – Wesentliche Änderungen oder gesetzliche Verankerung schon gelebter Praxis, BKR 2006, 469; Schlitt/Schäfer, Auswirkungen der Umsetzung der Transparenzrichtlinie und der Finanzmarktrichtlinie auf Aktien- und Equity-Linked-Emissionen, AG 2007, 227; Uwe H. Schneider/Brouwer, Kapitalmarktrechtliche Meldepflichten bei Finanzinstrumenten, AG 2008, 557; Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, 2005; Spindler, Kapitalmarktreform in Permanenz – Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, NJW 2004, 3449; Spindler/Kasten, Organisationsverpflichtungen nach der MiFID und ihre Umsetzung, AG 2006, 785; Spindler/ Kasten, Der neue Rechtsrahmen für den Finanzdienstleistungssektor – die MiFID und ihre Umsetzung, WM 2006, 1749 (I), 1797 (II); Spindler/Kasten, Änderungen des WpHG durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG), WM 2007, 1245; Strieder/Ammedick, Der Zwischenbericht als neues Instrument der Zwischenberichterstattung, DB 2007, 1368; Teuber, Finanzmarkt-Richtlinie (MiFID) – Auswirkungen auf Anlageberatung und Vermögensverwaltung im Überblick, BKR 2006, 429; Weber, Deutsches Kapitalmarktrecht im Umbruch, NJW 1994, 2849; Weber-Rey/Baltzer, Aufsichtsrechtliche Regelungen für Vermittler von Finanzanlagen und Vermögensverwalter nach der 6. KWG-Novelle, WM 1997, 2288; Weichert/Wenninger, Die Neuregelung der Erkundigungs- und Aufklärungspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen gem. Art. 19 RiL 2004/39/EG (MiFID) und Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, WM 2007, 627; Wiebke, Das neue Aufsichtsrecht für Finanzdienstleistungsunternehmen, DStR 1998, 491; Wiederhold/Pukallus, Zwischenberichterstattung nach dem Transparenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetz – Neue Anforderungen an kapitalmarktorientierte Unternehmen aus der Sicht der Corporate Governance, Der Konzern 2007, 264; Wilsing/Goslar, Der Regierungsentwurf des Risikobegrenzungsgesetzes – ein Überblick, DB 2007, 2467; Zingel, Die Verpflichtung zur bestmöglichen Ausführung von Kundenaufträgen nach dem Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, BKR 2007, 173.
Inhaltsübersicht I. Das Wertpapierhandelsgesetz: Eine neue Ära in der rechtlichen Ordnung des Kapitalmarkts . . . . . . . . . . 1. Entwicklungslinien des Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Von der rechtsform- und institutionenbezogenen zur marktbezogenen Regelung des Kapitalmarkts. . . . . . . II. Entstehung, Anwendung und Weiterentwicklung des Wertpapierhandelsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Entstehung des Wertpapierhandelsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Weiterentwicklung des Wertpapierhandelsgesetzes (Novellierungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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a) Bis zur Vorauflage (5. Auflage) in Kraft getretene Änderungen des WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Änderungen des WpHG nach Erscheinen der Vorauflage (5. Auflage). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsverordnung gemäß § 34d Abs. 6 WpHG. . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bevorstehende gesetzliche Änderungen des WpHG. . . . . . . . . . . . . 3. Komplementäre Maßnahmen . . . . .
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III. Zur Anwendung der Bestimmungen des Wertpapierhandelsgesetzes. 63 1. Normkonkretisierende Maßnahmen und anwendungsbezogene Verlautbarungen der Aufsichtsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
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Einleitung 2. Allgemeine Auslegungsregeln . . . . . 3. Das Wertpapierhandelsgesetz als „angeglichenes Recht“ . . . . . . . . . . .
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IV. Direkt anwendbares europäisches Recht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
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V. Einrichtung eines Europäischen Finanzaufsichtssystems . . . . . . . . . . 79
I. Das Wertpapierhandelsgesetz: Eine neue Ära in der rechtlichen Ordnung des Kapitalmarkts Mit der Verabschiedung des WpHG im Juli 1994 wurde eine neue Ära in der recht- 1 lichen Ordnung des deutschen Kapitalmarkts eingeleitet: Das WpHG etablierte auf breiter Ebene den bereits mit dem VerkProspG (von 1990) eingeleiteten Versuch, den Kapitalmarkt als solchen und nicht, wie zuvor, eine bestimmte Anlageart oder das Anlageangebot des in einer bestimmten Rechtsform organisierten Emittenten zum Gegenstand der gesetzgeberischen Regulierung des Markts für Risikokapital zu machen. Das WpHG löste damit ein Kapitalmarktrecht ab, dessen Regelungsperspektive als „rechtsform- und institutionenbezogen“ bezeichnet werden konnte: Kapitalmarktrecht war in Deutschland bis in die siebziger Jahre hinein gleichbedeutend mit denjenigen Regelungen, die sich auf Beteiligungen an Aktiengesellschaften und die bei der Emission entsprechender Beteiligungstitel mitwirkenden Institutionen bezogen. Seine Bestandteile waren dementsprechend das Aktienrecht, das Börsenrecht und Teile des Bankrechts. 1. Entwicklungslinien des Kapitalmarktrechts Der rechtsformbezogene Ansatz zur Regelung des Kapitalmarkts hat seine Wurzel in 2 dem Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzenden Industrialisierungsprozess. Das für diesen erforderliche Kapital wurde zu einem erheblichen Teil über die neu aufkommenden Aktiengesellschaften gesammelt. Die öffentliche Emission von Aktien erfolgte unter Einschaltung von und maßgeblicher Unterstützung durch Banken. Die Einrichtung von Börsen als Voraussetzung für die Handelbarkeit (Fungibilität) der Beteiligungen an Aktiengesellschaften erleichterte die Platzierung der Aktien. Den zahlreichen Schwindelgründungen, Vertriebsbetrügereien und Börsenskandalen glaubte der Gesetzgeber durch strengere Vorschriften für die Gründung von Aktiengesellschaften (2. Aktienrechtsnovelle von 1884), durch eine einheitliche Ordnung des Börsenwesens (Börsengesetz von 1896) und durch die Beaufsichtigung der Banken als Gründungs- und Emissionshelfer gerecht werden zu können. Verhielt sich die Entstehung von Kapitalmarktrecht in den anderen europäischen Ländern im Wesentlichen ähnlich, so begann sich die rechtliche Ordnung des Kapitalmarkts in einigen Ländern alsbald von der Ausrichtung auf die Aktiengesellschaft und die Aktie als Finanzierungsinstrument zu lösen. In Deutschland dagegen entwickelte sich Kapitalmarktrecht bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts hinein weiter aus der Verbindung von Aktien-, Börsen- und Bankrecht. Die deutsche Nachkriegswirtschaft gab zunächst wenig Anlass, dies als Mangel zu empfinden: Zum einen fehlte es an anlagefähigen Ersparnissen, und zum anderen begünstigte die Gesetzgebung die Selbstfinanzierung der Unternehmen.
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Die Folgen der tradierten rechts- und anlageformbezogenen Kapitalmarktordnung of- 4 fenbarten sich erst Anfang der siebziger Jahre. Der rechtlich geordnete („organisierte“) Kapitalmarkt steht nur Aktiengesellschaften offen. Immer weniger Unternehmen sind indes in der Rechtsform der AG organisiert. Das lässt sich vor allem darauf
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zurückführen, dass die AG (verstärkt durch die am Leitbild des Großunternehmens ausgerichtete Aktienrechtsreform von 1965) zu einer immer aufwendigeren Organisationsform und die Aktie zu einem immer aufwendigeren Finanzierungsinstrument wurde. Während sich so eine Entwicklung anbahnte, in der die Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen zunehmend zurückging, zeigte sich andererseits, dass es an anlagefähigem und anlagesuchendem Kapital derweilen nicht mangelte. Das machten sich Unternehmen zunutze, die dem Anleger Investitionsangebote unterbreiteten, welche erheblich höhere Renditen als etwa die Anlage in Aktien versprachen. Auf diese Weise entstand neben dem organisierten Aktien-Kapitalmarkt ein neues Kapitalmarktsegment. 5
Ohne den gesetzlichen Anforderungen ausgesetzt zu sein, wie sie die Inanspruchnahme des organisierten Kapitalmarkts mit sich bringt, fällt der Absatz der neuen Anlageprodukte leicht: Handelte es sich bei diesen zunächst um ausländische Investmentanteile, so konnte dieser Markt durch das im Gefolge des IOS-Skandals erlassene AuslInvestmG weitgehend ausgetrocknet werden. Damit verschwand zwar eine bestimmte Anlageform, nicht aber die zu ihrem Absatz eingesetzte Vertriebsmethode und der von IOS ganz offenbar richtig erkannte Anlagebedarf: Der Zusammenbruch von IOS war die Geburtsstunde steuerbegünstigter Kapitalanlagen in Form von Kommanditanteilen an Publikumskommanditgesellschaften. Obwohl betrügerische Vertriebsmethoden und spektakuläre Unternehmenszusammenbrüche sowie damit einhergehende Anlegerschäden sehr schnell die Regelungsbedürftigkeit dieses Kapitalmarktsegments deutlich machten, glaubte der Gesetzgeber auf spezielle gesetzliche Maßnahmen verzichten zu können: Der seinerzeit unterbreitete Entwurf eines Vermögensanlagegesetzes fand nicht die erforderliche parlamentarische Mehrheit. Dies und die Undurchsichtigkeit des neuen Markts haben ihm den Namen des „grauen“ (oder auch „unorganisierten“) Kapitalmarkts eingetragen.
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Damit war eine Zweiteilung des deutschen Kapitalmarkts begründet, die weltweit ohne Beispiel ist und bis heute fortbesteht. Dass sich der „graue“ Kapitalmarkt trotz der Untätigkeit des Gesetzgebers nicht im rechtsfreien Raum entwickeln würde, stand von vornherein fest. Doch war es erst die Rechtsprechung, die durch zahlreiche Maßnahmen richterlicher Rechtsfortbildung dafür sorgte, dass die einschlägigen bürgerlichrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Rechtsinstitute kapitalmarktlichen Regelungsbedürfnissen angepasst wurden und so den rechtlich gebotenen Kapitalanlegerschutz herbeiführen konnten.
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Obwohl die Rechtsprechung auf diese Weise den Anlegerschutz auf dem „grauen“ Kapitalmarkt weitgehend demjenigen auf dem organisierten Kapitalmarkt anzugleichen vermochte, verfügt sie doch nicht über die Mittel, die dem Gesetzgeber zur Modernisierung kapitalmarktrechtlicher Regelungen zur Verfügung stehen. Unter Vernachlässigung des Regelungsgefälles zwischen organisiertem und nicht organisiertem Kapitalmarkt und den daraus resultierenden Folgen für die Wettbewerbsverhältnisse der auf diesen Märkten agierenden Emittenten richtete sich die Aufmerksamkeit des Gesetzgebers in der jüngsten Vergangenheit ganz auf den organisierten Kapitalmarkt.
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Aber auch die bis dahin unbekannte Aktivität des Gesetzgebers auf dem Gebiet des Kapitalmarktrechts war weitgehend fremdinduziert: Teils war sie der Notwendigkeit geschuldet, kapitalmarktbezogene Richtlinien der EG in nationales Recht umzusetzen, teils stellte sie eine Reaktion auf die Vorwürfe des Auslands dar, der deutsche Finanzplatz sei rechtlich nur unzureichend geordnet. So oder so bewirkten die Maßnahmen der EG zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Kapitalmarkts sowie 4
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der drohende Reputationsverlust des Finanzplatzes Deutschland einen Mitte der achtziger Jahre einsetzenden Modernisierungsschub in Bezug auf den organisierten Kapitalmarkt. Ließen sich die einzelnen Maßnahmen zunächst noch leidlich in den rechts- und anlageformbezogenen deutschen Regelungsansatz einpassen, so geht das WpHG mit den in ihm statuierten Regelungen über diesen Rahmen hinaus. 2. Von der rechtsform- und institutionenbezogenen zur marktbezogenen Regelung des Kapitalmarkts Einen ersten Schritt in die Richtung einer marktbezogenen Regelung des Kapital- 9 markts brachte schon das VerkProspG, welches das erstmalige öffentliche Angebot von Wertpapieren, die nicht zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind, von der Veröffentlichung eines Prospekts abhängig macht. Dieses Gesetz beschränkte sich jedoch zunächst im Wesentlichen darauf, die Börsenzulassungspublizität zu einer veritablen Vertriebspublizität für börsengehandelte oder dem Börsenhandel zumindest zugängliche Wertpapiere auszuweiten. Zudem stand es im weiten Feld rechtsformbezogener Regelungen noch als singuläre Maßnahme da, die faktisch allein den Vertrieb von Aktien und Aktienderivaten erfasste. Das hat sich mit dem AnSVG vom 28.10.2004 (s. Rz. 29 f.), welches auch den Vertrieb von Anlagen des „grauen“ Kapitalmarkts der Prospektpflicht nach dem VerkProspG unterwarf (§§ 8f ff. VerkProspG), geändert1. Die den Vertrieb von Wertpapieren betreffenden Vorschriften des VerkProspG sind zwischenzeitlich allerdings, zusammen mit entsprechenden Bestimmungen des BörsG und der BörsZulVO, in das WpPG überführt worden. Eingeführt durch das Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 22.6.2005 regelt das WpPG die Prospektpublizität in Bezug auf alle Wertpapiere, die im Inland angeboten werden oder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen werden sollen (§§ 1, 3 Abs. 1, 3 WpPG). Dagegen ist das WpHG in seinem durch § 1 WpHG umrissenen Anwendungsbereich 10 bis heute auf den Markt für Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Derivate sowie Rechte auf Zeichnung von Wertpapieren und damit weitgehend auf den organisierten Kapitalmarkt beschränkt, weist aber schon mit seinen Maßnahmen zur Etablierung einer Kapitalmarktaufsicht und der Statuierung kapitalmarkt- und kundenbezogener Verhaltenspflichten von Finanzintermediären über diesen Rahmen hinaus. Zwar setzen die einzelnen Regelungen des Gesetzes tatbestandlich noch an fungiblen Kapitalanlagen („Finanzinstrumenten“ i.S. von § 1 Abs. 2b WpHG) an und vermögen damit die auf dem „grauen“ Kapitalmarkt angebotenen Anlageformen nicht zu erfassen, doch haben bereits die Novellierungen, die das WpHG mit dem Umsetzungsgesetz vom 22.10.1997 (s. Rz. 19) erfahren hat, und erst recht die Änderungen des WpHG durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz vom 21.6.2002 (s. Rz. 26) und das AnSVG vom 28.10.2004 (s. Rz. 29 f.), gezeigt, dass seine Erweiterung von einem Wertpapierhandelsgesetz zu einem Kapitalanlagegesetz lediglich eine Frage des rechtspolitischen Willens und der Zeit ist. In gleicher Weise, wie das WpHG als geeignet erscheint, auf das Marktsegment des „grauen“ Kapitalmarkts ausgedehnt zu werden2, wird man es als Zentrum einer 1 Hierzu und zum Folgenden s. Assmann, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 6 Rz. 2. 2 Assmann, Referat, 64. DJT – Abteilung Wirtschaftsrecht, Verhandlungen des 64. Deutschen Juristentages Berlin 2002, Bd. II/1, 2002, S. P 11, P 17 ff. Ein Teil des bisherigen „grauen“ Kapitalmarkts – wie etwa Dienstleistungen im Zusammenhang mit Warentermingeschäften, Devisen- und Devisentermingeschäften oder am Over-the-Counter-Markt gehandelten
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markt- und vertriebsbezogenen Kapitalmarktregelung betrachten dürfen, in welches vorhandene kapitalmarktrechtliche Regelungen nach und nach integriert werden könnten. So gesehen hat das WpHG alle Anlagen, zu einer umfassenden Kodifikation des deutschen Kapitalmarktrechts zu werden. Es ist deshalb nicht verfehlt, dem WpHG für die Entwicklung des modernen marktbezogenen Kapitalmarktrechts die Stellung und Bedeutung zuzuweisen, welche dem Börsengesetz von 1896 für die rechtsform- und institutionenbezogene Ordnung des organisierten Kapitalmarkts zukam. Die Novellierungen des WpHG durch Art. 2 des 4. FFG vom 21.6.2002, Art. 1 des AnSVG vom 28.10.2004 und Art. 1 des FRUG vom 16.7.2007 bestätigen diesen Befund (s. dazu Rz. 26, 29 f. und 36).
II. Entstehung, Anwendung und Weiterentwicklung des Wertpapierhandelsgesetzes 1. Die Entstehung des Wertpapierhandelsgesetzes 12
Als Art. 1 des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes verfasst (BGBl. I 1994, 1749), entstand das WpHG als Bestandteil und Herzstück dieser umfangreichen gesetzgeberischen Maßnahme zur Neugestaltung der rechtlichen Grundlagen des Finanzplatzes Deutschland im Allgemeinen und des deutschen organisierten Kapitalmarkts im Besonderen. Neben dem Ziel, die rechtlichen Rahmenbedingungen der Finanzmärkte so zu modernisieren, dass sie international wettbewerbsfähig bleiben und „ihre volkswirtschaftlichen Funktionen zu jeder Zeit erfüllen“1, diente das 2. FFG (und mit ihm das WpHG) aber auch dem Zweck, verschiedene Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Kapitalmarkts in nationales Recht umzusetzen.
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Eine umfassende Transformation europäischen Sekundärrechts beanspruchte das 2. FFG im Hinblick auf die zwischenzeitlich aufgehobene Richtlinie 88/627/EWG vom 12.12.1988 über die bei Erwerb und Veräußerung einer bedeutenden Beteiligung an Derivaten – wurde aufgrund der vom Umsetzungsgesetz vom 22.10.1997 (Rz. 19 ff.) veranlassten Änderungen des WpHG auch von diesem erfasst. Andere Finanzdienstleistungen, die sich nicht auf fungible Wertpapiere beziehen, sind jedoch nach wie vor einer Beaufsichtigung nach Maßgabe des WpHG (und des KWG) entzogen und unterliegen insbesondere nicht den Verhaltenspflichten aus §§ 31 ff. WpHG. An Anläufen und Argumenten, den Gesetzgeber zu bewegen, auch den grauen Kapitalmarkt ordnend zu erfassen, hat es nicht gefehlt: S. Entwurf eines Gesetzes über den Vertrieb von Anteilen an Vermögensanlagen, BTDrucks. 8/1405 v. 2.1.1978, S. 4; Gesetzentwurf des Bundesrates: Entwurf eines Gesetzes zur Ausübung der Tätigkeit als Finanzdienstleistungsvermittler sowie zur Einrichtung eines Beirats beim Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, BT-Drucks. 13/9721 v. 29.1.1998 (der auf die Initiative der Länder Niedersachsen und Saarland zurückging). S. auch Unterrichtung der Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zum „Grauen Kapitalmarkt“, BT-Drucks. 14/1633 v. 17.9.1999; Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (von Abgeordneten und der Fraktion der SPD, BT-Drucks. 12/5393), BT-Drucks. 12/5726 v. 21.9.1993; Hopt, Inwieweit empfiehlt sich eine allgemeine gesetzliche Regelung des Anlegerschutzes?, Gutachten G zum 51. Deutschen Juristentag, 1976, S. G 94 ff. Zum grauen Kapitalmarkt s. im Übrigen: Finanzplatz e.V., Grauer Kapitalmarkt und unseriöse Geschäftspraktiken, 1999; Hansen, Der Graue Kapitalmarkt und seine Auswirkungen, AG (Report) 1999, R 115; von Keussler, S. 168 ff. Zur beabsichtigten Erstreckung der §§ 31 ff. WpHG auf den Vertrieb bestimmter Anlagen des „grauen“ Kapitalmarkts durch das geplante Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts s. unten Rz. 58. 1 BT-Drucks. 12/6679 v. 27.1.1994, S. 33.
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einer börsennotierten Gesellschaft zu veröffentlichenden Informationen (sog. Beteiligungstransparenzrichtlinie1) sowie die Richtlinie 89/592/EWG vom 13.11.1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insidergeschäfte (sog. Insiderrichtlinie2)3. Sämtliche insoweit für erforderlich gehaltenen Umsetzungsmaßnahmen sind im WpHG enthalten. Darüber hinaus enthielt das WpHG bei seinem Erlass bereits eine partielle Umsetzung der Richtlinie 93/22/EWG vom 10.5.1993 über Wertpapierdienstleistungen (sog. Wertpapierdienstleistungsrichtlinie4; zur Restumsetzung der Richtlinie durch das sog. Umsetzungsgesetz 1997 s. unten Rz. 19 ff.). Obwohl solchermaßen in das Korsett EG-rechtlicher Anforderungen an die Harmoni- 14 sierung kapitalmarktrechtlicher Bestimmungen der Mitgliedstaaten gezwungen, bot sich dem deutschen Gesetzgeber noch hinreichend Spielraum für eigene Initiativen zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland und den beteiligten Kreisen hinreichend Stoff zur Auseinandersetzung über die zukünftige Gestalt und den rechtlichen Rahmen der deutschen Finanzmärkte. Eine wesentliche Leitlinie für den späteren Entwurf des 2. FFG lieferte in dieser Hinsicht die Verlautbarung „Konzept Finanzplatz Deutschland“ des Bundesministers der Finanzen vom 16.1.19925. Für die Gestaltung der kapitalmarktaufsichtsrechtlichen Bestimmungen erlangte darüber hinaus der Beschluss des Gemeinsamen Arbeitskreises der Börsenfachminister der Länder und des Bundesministers der Finanzen („Konzept des Bundes und der Länder für die künftige Struktur der Wertpapierhandelsaufsicht“) vom 25.1.1993 grundlegende Bedeutung. Vor diesem Hintergrund entstand schließlich ein Gesetz, das durch Maßnahmen
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– zur Sicherung des Vertrauens der Anleger in die Integrität des Marktes und der Marktteilnehmer, – zur Anpassung der Rahmenbedingungen im Börsenbereich an die Internationalisierung des Wertpapiergeschäfts, das Vordringen elektronischer Informations- und Handelssysteme sowie die damit eröffneten Möglichkeiten zur überregionalen Konzentration und – zur Deregulierung kapitalmarktrelevanter Bestimmungen des BörsG, des KAGG, des AktG und des DepotG die Funktions- und Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Finanzmärkte zu fördern und die Attraktivität des Finanzplatzes Deutschland zu steigern sucht6. Dabei schlugen sich die Maßnahmen zur Sicherung des Anlegervertrauens im Wesentlichen im WpHG nieder. In diesem fanden sich mit einzelnen Vorschriften über die internationale Zusammenarbeit nationaler Behörden zur Beaufsichtigung des Wertpapierhandels aber auch Regelungen, die auf die Internationalisierung des Wertpapiergeschäfts reagierten.
1 ABl. EG Nr. L 348 v. 17.12.1988, S. 62. 2 ABl. EG Nr. L 334 v. 18.11.1989, S. 30. 3 Die Umsetzung dieser Richtlinien erfolgte mit erheblicher Verspätung: Die Frist zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie war bereits zum 1.1.1991 und diejenige der Insiderrichtlinie zum 1.6.1992 abgelaufen. 4 ABl. EG Nr. L 141 v. 11.6.1993, S. 27. 5 Abgedruckt in WM 1992, 420. 6 Zur Zielsetzung des Gesetzes vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks. 12/6679 v. 21.1.1994, S. 33 f.), den Bericht des Finanzausschusses (BT-Drucks. 12/7918 v. 15.6.1994, S. 92) und den Bericht des Haushaltsausschusses (BT-Drucks. 12/7919 v. 15.6.1994, S. 1).
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Zur Entstehungsgeschichte des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes und zum Gang der Gesetzgebung ist auf die ausführliche Darstellung in der 5. Auflage Einleitung Rz. 16 ff. zu verweisen. 2. Die Weiterentwicklung des Wertpapierhandelsgesetzes (Novellierungen) 16
Seit seinem Erlass hat das WpHG mehrere Novellierungen erfahren. Diese werden nachfolgend untergliedert in solche bis zum Erscheinen der Vorauflage (5. Auflage) des Kommentars (Rz. 17 ff.) und solche nach Erscheinen der Vorauflage (5. Auflage) (Rz. 40 ff.). Für eine detaillierte Darstellung der Änderungen des Gesetzes bis zur Vorauflage ist auf die Erläuterungen in der Einleitung Rz. 21–84 der 5. Auflage des Kommentars zu verweisen. a) Bis zur Vorauflage (5. Auflage) in Kraft getretene Änderungen des WpHG
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– Eine erste, nur geringfügige Änderung des Gesetzes verband sich mit Art. 22 des Jahressteuer-Ergänzungsgesetzes 1996 vom 18.12.19951.
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– Weitere punktuelle Änderungen des WpHG folgten aus Art. 16 des Justizmitteilungsgesetzes vom 18.6.19972.
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– Eine weitreichende Novellierung des WpHG brachte demgegenüber Art. 2 des Umsetzungsgesetzes vom 22.10.19973. Das Gesetz diente in erster Linie der Restumsetzung der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Rz. 13) sowie der Umsetzung der Kapitaladäquanzrichtlinie 93/6/EWG vom 15.3.19934 und der BCCI-Folgerichtlinie 95/26/EG vom 29.6.19955, setzte darüber hinaus aber auch eine Reihe weiterer Maßnahmen zur Modernisierung und Stärkung des Finanzplatzes Deutschland in Gang6. Diese schlossen u.a. eine Ausdehnung der Aufsicht über die Kapitalausstattung und das Marktverhalten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen auf andere Finanzdienstleister ein; damit wurden auch Teile des „grauen“ Kapitalmarkts der staatlichen Beaufsichtigung unterworfen7. Zu den Neuerungen des Umsetzungsgesetzes gehörten des Weiteren verschiedene deregulierende Maßnahmen zur Entlastung von Emittenten und solchen Unternehmen, die Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen8. Der Aufsichtsbehörde bescherte das Umsetzungsgesetz eine Reihe neuer Aufgaben, deren Bewältigung das seinerzeitige BAWe gleichsam zur Einleitung einer zweiten Aufbauphase zwang. Ausführlich 5. Aufl. Einl. Rz. 24 ff.
1 Gesetz zur Ergänzung des Jahressteuergesetzes 1996 und zur Änderung anderer Gesetze (JStErgG 1996) (BGBl. I 1995, 1959, 1966). 2 Gesetz über Mitteilungen der Justiz von Amts wegen in Zivil- und Strafsachen (JuMiG) (BGBl. I 1997, 1430, 1437). 3 Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften (BGBl. I 1997, 2518, 2558) nebst Begleitgesetz (BGBl. I 1997, 2567). S. dazu auch: RegE, BR-Drucks. 963/96 und 964/96 v. 20.12.1996; Bundestags-Entschließung zu diesen Gesetzen v. 5.6.1997, BR-Drucks. 417/97 und 418/97 v. 13.6.1997; Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 13/7627 v. 13.5.1997. 4 ABl. EG Nr. L 141 v. 11.6.1993, S. 1. 5 ABl. EG Nr. L 168 v. 18.7.1995, S. 7. 6 S. Begr. RegE, BR-Drucks. 963/96 v. 20.12.1996, S. 57 f. 7 S. auch von Keussler, S. 41 ff., 118 ff. 8 Vgl. Begr. RegE, BR-Drucks. 963/96 v. 20.12.1996, S. 57 f.
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– Eine weitere Novellierung des WpHG von beträchtlicher Reichweite verband sich sodann mit dem 3. Finanzmarktförderungsgesetz (3. FFG) vom 24.3.19981. Die Änderungen hatten zum Ziel, den organisierten Kapitalmarkt durch Integration von Meldepflichten unterschiedlicher gesetzlicher Provenienz sowie durch Liberalisierungen und Deregulierungen für in- und ausländische Marktteilnehmer effizienter und kostengünstiger zu gestalten. Darüber hinaus sollte der Anlegerschutz durch verbesserte Möglichkeiten der Marktbeaufsichtigung gestärkt werden2. Lässt man diejenigen Maßnahmen beiseite, die der Deregulierung der Kapitalmarktregulierung und -beaufsichtigung dienten3, sind in Bezug auf das WpHG drei Reformbereiche hervorzuheben4: Die Harmonisierung der Mitteilungspflichten im Hinblick auf Veränderungen bedeutender Beteiligungen an börsennotierten Gesellschaften nach §§ 21 ff. WpHG und §§ 20, 21 AktG, die Verbesserung der wertpapierhandelsrechtlichen Marktbeaufsichtigung und die zeitliche Begrenzung der Haftung für fehlerhafte Information nach Maßgabe des neu eingefügten § 37a WpHG.
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– Nur geringe Änderungen des Gesetzes ergaben sich aus Art. 5 des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27.4.19985.
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– Die Änderungen, die das WpHG durch Art. 2 des Gesetzes zur Umsetzung der EG- 22 Einlagensicherungsrichtlinie und der EG-Anlegerentschädigungsrichtlinie vom 16.7.19986 erfuhr, waren ganz überwiegend redaktioneller Natur. Aufgrund von Art. 6b dieses Gesetzes wurde das WpHG jedoch am 9.9.19987 neu bekannt gemacht. – Lediglich gerinfügige Änderungen des WpHG enthielten Art. 3 Abs. 6 des Gesetzes zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes vom 21.12.20008 und Art. 93 der Siebenten Zuständigkeitsanpassungs-Verordnung vom 29.10.20019.
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– Die durch Art. 2 des Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Er- 24 werb von Wertpapieren und Unternehmensübernahmen vom 20.12.200110 veranlassten Änderungen des WpHG dienten überwiegend der Anpassung von Vorschriften des WpHG an das (durch Art. 1 des erstgenannten Gesetzes eingeführten) WpÜG. – Die Vorschriften des Art. 4 des Gesetzes über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht vom 22.4.200211 zur Änderung des WpHG enthielten keine mate1 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Drittes Finanzmarktförderungsgesetz) (BGBl. I 1998, 529, 536). S. dazu auch RegE, BR-Drucks. 605/97 v. 15.8.1997; Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 13/9874 v. 11.2.1998. Zur Übersicht Pötzsch, AG 1997, 198. 2 RegE, BR-Drucks. 605/97, S. 58; Pötzsch, AG 1997, 193 f.; Weisgerber, Die Bank 1998, 200. 3 Pötzsch, AG 1997, 199. 4 Ausführlicher 2. Aufl. Einl. Rz. 40 ff. 5 BGBl. I 1998, 786, 792. 6 BGBl. I 1998, 1842, 1847. 7 BGBl. I 1998, 2708. 8 Gesetz zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes, insbesondere zur Durchführung der EG-Richtlinie 98/78/EG vom 27.10.1998 über die zusätzliche Beaufsichtigung der einer Versicherungsgruppe angehörenden Versicherungsunternehmen sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro vom 21.12.2000, BGBl. I 2000, 1857, 1870. 9 BGBl. I 2001, 2785, 2804. 10 BGBl. I 2001, 3822, 3837. 11 BGBl. I 2002, 1310, 1327 ff.
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riellrechtlichen Änderungen des WpHG1 und beschränkten sich weitgehend darauf, die Bezeichnung der bisherigen Aufsichtsbehörde (Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel – BAWe) durch diejenige der neuen (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – BaFin) zu ersetzen. Hintergrund dieser Maßnahme war der Umstand, dass gemäß § 1 WpHG des Gesetzes über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Finanzdienstleistungsaufsichtgesetz – FinDAG), welches als Art. 1 des Gesetzes über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht erging, die früher vom BAWe wahrgenommenen Überwachungsaufgaben nach dem WpHG mit dem 1.5.2002 auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) übergegangen waren. Diese war zum vorgenannten Zeitpunkt im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen durch Zusammenlegung des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen (BAKred), des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen und des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel (BAWe) als bundesunmittelbare, rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts errichtet worden. Ziel der Zusammenlegung dieser Behörden war es, in Deutschland eine neue staatliche Aufsicht über Banken, Versicherungsunternehmen und Finanzdienstleistungsinstitute zu schaffen, die sektorübergreifend den gesamten Finanzmarkt umfasst2. Zur Errichtung einer Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde („European Securities and Markets Authority“ – ESMA) durch Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 vom 24.11.20103 s. unten Rz. 82. 26
– Weitreichende Änderungen4 hat das WpHG durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz (4. FFG) vom 21.6.20025 erfahren6. Eingebettet in gesetzliche Maßnahmen, die dem Ziel dienen, die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Finanzplatz Deutschland zu modernisieren und dem raschen Strukturwandel an den deutschen und internationalen Kapitalmärkten anzupassen7, enthält Art. 2 des 4. FFG eine Reihe von Bestimmungen, die das WpHG in bedeutenden Punkten ändern und seine Regelungen in vielerlei Richtung ausbauen. Zu den Schwerpunkten der Novellierung des WpHG durch das 4. FFG ist auf die Ausführungen in der 5. Aufl. Einl. Rz. 40 ff. zu verweisen.
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– Die Änderung des WpHG durch Art. 4 des Mineralölsteueränderungsgesetzes vom 23.7.20028 ist lediglich redaktioneller Natur. Das gilt auch für die durch Art. 70 der Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 25.11.20039 vorgenommene An-
1 Vgl. RegE, BR-Drucks. 636/01 v. 17.8.2001, S. 112. 2 RegE Gesetz über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht, BR-Drucks. 636/01 v. 17.8.2001, S. 1 = BT-Drucks. 14/7033 v. 5.10.2001. Die BaFin hat ihren Sitz in Bonn und in Frankfurt am Main (§ 1 Abs. 2 FinDAG). Für Klagen gegen die BaFin und in Verfahren nach dem OWiG gilt Frankfurt am Main als Sitz der Behörde (§ 1 Abs. 3 FinDAG). Der Geschäftsbereich „Wertpapieraufsicht/Asset-Management“ ist weiterhin in Frankfurt am Main angesiedelt; die Bankenaufsicht, einschließlich der institutionellen Beaufsichtigung der Wertpapierdienstleistungsinstitute, erfolgt durch den in Bonn ansässigen Geschäftsbereich „Bankenaufsicht“. S. zu dieser Aufgabenteilung auch 5. Aufl. § 1 Rz. 10. 3 ABl. EU Nr. L 331 v. 15.12.2010, S. 84. 4 Die weitere Änderung des WpHG durch Art. 4 Mineralölsteueränderungsgesetz vom 23.7.2002 (BGBl. I 2002, 2778) ist lediglich redaktioneller Natur. 5 BGBl. I 2002, 2010. 6 Zur Übersicht Baur/Wagner, Die Bank 2002, 530; Großmann, DB 2002, 2031; Fleischer, NJW 2002, 2977; Möller, WM 2001, 2405; Reuschle, Einf. Rz. 1 ff., insbes. 40 ff. 7 RegE 4. FFG, BR-Drucks. 936/01 (neu) v. 14.11.2001, S. 172. 8 BGBl. I 2002, 2778. 9 BGBl. I 2003, 2304, 2312.
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passung der Vorschriften des WpHG an die Umbenennung des Ministeriums für Wirtschaft und Technologie in das Ministerium für Wirtschaft. – Auch Art. 9 des Investmentmodernisierungsgesetzes vom 15.12.20031, das die 28 Einführung des neuen (das KAGG und das AuslInvestmG ersetzenden) InvG bezweckte, führte im Wesentlichen nur zu redaktionellen Anpassungen des WpHG an das neue Investmentrecht. – Art. 1 des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes (AnSVG) vom 28.10.20042, welches 29 – neben der Einführung einer Prospektpflicht für nicht wertpapiermäßig verbriefte Anlagen des „grauen“ Kapitalmarkts – vor allem der Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie vom 28.1.20033 sowie den zu dieser von der Kommission erlassenen Durchführungsrichtlinien4 dient, hat zu beträchtlichen und teils einschneidenden Änderungen des WpHG geführt. Hervorzuheben sind vor allem die Erweiterung des Anwendungsbereichs des WpHG durch den Begriff des Finanzinstruments in § 2b WpHG, weitreichende Änderungen des Insiderrechts, des Rechts der Ad-hocPublizität und des Verbots der Marktmanipulation sowie die Einführung der Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen nach Maßgabe des neuen § 15b WpHG. Zu Einzelheiten s. die Ausführungen in der 5. Aufl. Einl. Rz. 49 ff. Die auf das AnSVG zurückgehenden neuen Vorschriften des WpHG zum In- 30 siderhandelsverbot und zum Verbot der Marktmanipulation wurden ergänzt durch die in den Mitgliedstaaten der EG unmittelbar geltende Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 über Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme von Wertpapieren und Kursstabilisierungsmaßnahmen der Kommission vom 22.12.2003 zur Durchführung der Marktmissbrauchsrichtlinie5. Die VO legt (gemäß ihrem Art. 1) fest, welche Bedingungen Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen erfüllen müssen, um in den Genuss der in Art. 8 der Marktmissbrauchsrichtlinie vorgesehenen Ausnahmeregelung gelangen zu können. – Nicht unbeträchtliche Änderungen des WpHG gehen auf Art. 3 des BilKoG vom 15.12.20046 durch die Einfügung der §§ 37n–37u WpHG zurück. Diese Vorschrif1 BGBl. I 2003, 2676. 2 BGBl. I 2004, 2630 ff. Zu den über die Änderungen des WpHG hinausgehenden Reformen des Kapitalmarktrechts durch das AnSVG s. die Übersichten bei Bürgers, BKR 2004, 424; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929; Kuthe, ZIP 2004, 883; Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz; Spindler, NJW 2004, 3449 ff. 3 Richtlinie 2003/6/EG vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation, ABl. EG Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16 ff. 4 Richtlinie 2003/124/EG vom 22.12.2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG betreffend die Begriffsbestimmung und die Veröffentlichung von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation, ABl. EG Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 70; Richtlinie 2003/125/EG vom 22.12.2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG in Bezug auf die sachgerechte Darbietung von Anlageempfehlungen und die Offenlegung von Interessenkonflikten, ABl. EG Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 73; Richtlinie 2004/72/EG vom 29.4.2004 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG – Zulässige Marktpraktiken, Definition von Insider-Informationen in Bezug auf Warenderivate, Erstellung von Insider-Verzeichnissen, Meldung von Eigengeschäften und Meldung verdächtiger Transaktionen […], ABl. EG Nr. L 162 v. 30.4.2004, S. 70. S. auch Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 über Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme von Wertpapieren und Kursstabilisierungsmaßnahmen der Kommission vom 22.12.2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG, ABl. EG Nr. L 336 v. 23.12.2003, S. 33. 5 ABl. EG Nr. L 336 v. 23.12.2003, S. 33. 6 BGBl. I 2004, 3408, 3410 ff.
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ten sind, zusammen mit §§ 342b–342e HGB, wesentlicher Bestandteil des neuen Systems zur Überwachung der Einhaltung der Rechnungslegungsvorschriften durch börsenzugelassene Unternehmen (vgl. § 342b Abs. 2 Satz 2 HGB). 32
– Art. 10a des Gesetzes zur Neuordnung des Pfandbriefrechts vom 22.5.20051 hatte nur eine geringfügige Änderungen weniger Vorschriften des WpHG zur Folge.
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– Die Neunte Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31.10.20062 passte Gesetze und Verordnungen an neue sächliche Bezeichnungen der Bundesministerien an.
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– Auch das Gesetz zur Umsetzung der neu gefassten Bankrichtlinie und der neu gefassten Kapitaladäquanzrichtlinie vom 17.11.20063 brachte nur geringfügige, überwíegend redaktionelle Änderungen des WpHG mit sich.
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– Umfangreiche und gewichtige Änderungen des WpHG und der WpAIV verbanden sich dagegen mit dem Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 5.1.20074. Die von dem Gesetz ausgehenden Änderungen des WpHG sind im Zusammenhang mit dem ebenfalls der Umsetzung von Teilen der Transparenzrichtlinie5 (Rz. 13) dienenden Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) vom 10.11.20066 zu sehen: Mit der Einführung eines Unternehmensregisters schafft dieses vor allem das von der Richtlinie verlangte amtlich bestellte System zur zentralen Speicherung der namentlich aufgrund entsprechender Vorschriften des WpHG von Unternehmen zu erbringenden Kapitalmarktinformationen. Zusammen genommen realisieren das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz und das EHUG das von der Transparenzrichtlinie angestrebte neue Regime zur Publikation von Kapitalmarktinformationen, namentlich von Insiderinformationen, Mitteilungen über Geschäfte von Personen mit Führungsaufgaben und von Personen, die mit diesen in enger Beziehung stehen (so genannte Directors’ Dealings)7, Stimmrechtsanteilsänderungen, Finanzberichten und Angaben über jede Änderung der mit den Wertpapieren verbundenen Rechte (so genannte zusätzliche Angaben)8. Zugleich werden aber mit der Richtlinie und dem Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz zahlreiche 1 2 3 4
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BGBl. I 2005, 1373, 1390 f. BGBl. I 2006, 2407. BGBl. I 2006, 2606. Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz – TUG) vom 5.1.2007, BGBl. I 2007, 10. Richtlinie 2004/109/EG vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EG Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 38. Zur Durchführung der Richtlinie erging die Richtlinie 2007/14/EG, ABl. EG Nr. L 69 v. 8.3.2007, S. 27. Die Umsetzung der Durchführungsrichtlinie erfolgte durch Verordnung vom 13.3.2008 zur Umsetzung der Richtlinie 2007/14/EG der Kommission vom 8.3.2007 mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind (TranspRLDV), BGBl. I 2008, 408. BGBl. I 2006, 2553. Dazu insbesondere Hagen-Eck/Wirsch, DB 2007, 504. So die Aufzählung im RegE Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 16/2498 v. 4.9.2006, S. 1, 26.
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dieser Informationspflichten erst geschaffen oder neu gestaltet. Eine ausführliche Darstellung der Änderungen des WpHG durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz findet sich in der 5. Aufl. Einl. Rz. 62 ff.1. – Zumindest dem Umfang nach weitreichende Änderungen des WpHG gingen von 36 dem Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG) vom 16.7.2007 aus2. Bei der mit diesem Gesetz vorgenommenen Umsetzung sowohl der Finanzmarktrichtlinie3 als auch der Durchführungsrichtlinie4 zu derselben folgte der Gesetzgeber dem Prinzip der „Eins-zu-Eins-Umsetzung“5 und griff in vorhandene Regelungen nur insoweit ein, als die Umsetzung der Richtlinien dies verlangte. Die zahlreichen Unklarheiten und Ungereimtheiten der Richtlinien sind damit ungefiltert in die von der Änderung vor allem betroffenen WpHG, BörsG und KWG gelangt. Keiner Umsetzung bedurfte die zur Finanzmarktrichtlinie ergangene und in den Mitgliedstaaten der EU unmittelbar geltende Durchführungsverordnung6, doch hat sie sich im FRUG insoweit niedergeschlagen als Vorschriften mit demselben Regelungsgehalt im WpHG und im BörsG aufzuheben waren. In der Sache beschränken sich die von dem FRUG ausgehenden Änderungen des WpHG weitgehend auf die Einführung von Verhaltens-, Organisations- und Informationsanforderungen an Handelsplattformen (so genannte multilaterale Handelssysteme und systematische Internalisierer) sowie die Änderungen und die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vorschriften des 6. Abschnitts des WpHG betreffend Verhaltenspflichten, Organisationspflichten und Transparenzpflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Zu Einzelheiten s. die Ausführungen in der 5. Aufl. Einl. Rz. 73 ff. – Das Gesetz zur Änderung des Investmentgesetzes und zur Anpassung anderer 37 Vorschriften (Investmentänderungsgesetz) vom 21.12.20077 bezweckt vor allem die Rückführung des Investmentrechts (InvG) auf die Regelungsvorgaben der so genannten OGAW-Richtlinie 85/611/EWG8 und die Umsetzung der (der Durch1 Zu den Änderungen des WpHG durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz s. auch Beiersdorf/Buchheim, BB 2007, 99; Bosse, DB 2007, 39; Hutter/Kaulamo, NJW 1007, 471; Hutter/Kaulamo, NJW 2007, 550; Müller/Oulds, WM 2007, 573; Nießen, NZG 2007, 41; Noack, WM 2007, 377; Pirner/Lebherz, AG 2007, 19; Rodewald/Unger, BB 2006, 1917; Schlitt/Schäfer, AG 2007, 227. 2 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz – FRUG) vom 16.7.2007, BGBl. I 2007, 1330. Zu den Änderungen des WpHG durch das FRUG etwa Spindler/Kasten, WM 2007, 1245. 3 Richtlinie 2004/39/EG vom 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinie 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie/EG und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. EG Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1 (so genannte MiFID). 4 Richtlinie 2006/73/EG vom 10.8.2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie, ABl. EU Nr. L 241 v. 2.9.2006, S. 26. 5 RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028 v. 12.1.2007, S. 1, 52. 6 Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 der Kommission vom 10.8.2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG betreffend die Aufzeichnungspflichten für Wertpapierfirmen, die Meldung von Geschäften, die Markttransparenz, die Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel und bestimmte Begriffe im Sinne dieser Richtlinie, ABl. EU Nr. L 241 v. 2.9.2006, S. 1. 7 BGBl. I 2007, 3089. 8 ABl. EG Nr. 375 v. 31.12.1985, S. 3.
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führung dieser Richtlinie dienenden) Richtlinie 2007/16/EG1. Die damit verbundenen Änderungen des WpHG sind Folgeänderungen der Novellierung des Investmentgesetzes und damit v.a. auch des Umstands, dass in dessen Zuge auch die Kreditinstitutseigenschaft von Kapitalanlagegesellschaften abgeschafft wurde. 38
– Rein redaktionelle Veränderungen des WpHG gingen aus Art. 11 des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG (VDSG) vom 21.12.2007 hervor2.
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– Änderungen von Vorschriften über die Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten bei Veränderungen des Stimmrechtsanteils an börsennotierten Gesellschaften hat das Risikobegrenzungsgesetz vom 12.8.20083 mit sich gebracht. Zusammen mit dem Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen (MoRaKG) vom 12.8.20084 sollte es unerwünschte Aktivitäten von Finanzinvestoren erschweren und die Risiken von Transaktionen am Finanzmarkt für die von diesen betroffenen Unternehmen sowie die Stabilität des Finanzsystems einschränken5. Dazu setzt das (am 19.8.2008 in Kraft getretene und im Hinblick auf die Änderungen des WpHG mit Übergangsvorschriften nach § 41 Abs. 4a-4c WpHG versehene) Risikobegrenzungsgesetz vor allem auf eine Effektivierung der Transparenzvorschriften der §§ 21 ff. WpHG. b) Änderungen des WpHG nach Erscheinen der Vorauflage (5. Auflage)
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Auch nach Erscheinen der Vorauflage (5. Auflage) ist das WpHG durch verschiedene Gesetze geändert oder ergänzt worden. – Art. 35 des Jahressteuergesetzes 2009 vom 19.12.20086 brachte nicht mehr als eine marginale Änderung des § 46 Abs. 4 WpHG.
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– Gemäß Art. 3 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Pfandbriefrechts (PfandBFEG) vom 20.3.20097 wird durch Ergänzung von § 2 Abs. 3 WpHG um einen Satz 3 die erlaubnispflichtige Anlageverwaltung i.S. von § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 11 KWG der Finanzportfolioverwaltung hinsichtlich der §§ 9, 31 bis 34 und 34b bis 36b WpHG gleichgestellt. Dadurch soll sichergestellt werden, dass Finanzdienstleistungsinsti1 Richtlinie 2007/16/EG der Kommission vom 19.3.2007 zur Durchführung der Richtlinie 85/611/EWG des Rates zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) im Hinblick auf die Erläuterung gewisser Definitionen, ABl. EU Nr. L 79 v. 20.3.2007, S. 11. 2 BGBl. I 2007, 3198. 3 Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz), BGBl. I 2008, 1666. Zu diesem König, BB 2008, 1910. Zu einzelnen Aspekten der Änderung der §§ 21 ff. WpHG Uwe H. Schneider/Brouwer, AG 2008, 557; Korff, AG 2008, 681. 4 BGBl. I 2008, 1672. 5 Zu den Zielen des Gesetzes s. RegE Risikobegrenzungsgesetz, BT-Drucks. 16/7438 v. 7.12.2007, S. 1, 8. Zum RegE und der Diskussion seiner Vorschläge, s. etwa Diekmann/Merkner, NZG 2007, 921; Fleischer, ZGR 2008, 185 (196 ff.); König, BB 2008, 1910 (jeweils im Zusammenhang mit den verabschiedeten Änderungen); Möllers/Holzner, NZG 2008, 166; Timmann/Birkholz, BB 2007, 2749; Wilsing/Goslar, DB 2007, 2467. Maßgebliche Änderungen des Regierungsentwurfs gehen zurück auf die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 25.6.2008, BT-Drucks. 16/9778 v. 25.6.2008, S. 1. 6 BGBl. I 2008, 2794. 7 BGBl. I 2009, 607. Zur Änderung des WpHG durch das Gesetz s. auch RegE, BT-Drucks. 11/11130 v. 1.12.2008.
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tute mit der Erlaubnis zur Anlageverwaltung bei der Ausübung dieser Tätigkeit die Wohlverhaltens- und Organisationspflichten nach Abschnitt 6 des WpHG einhalten müssen und den Meldepflichten des § 9 WpHG unterliegen. Dass die Anlageverwaltung nicht als eine Wertpapierdienstleistung i.S. des § 2 Abs. 3 WpHG definiert, sondern ihr nur im Hinblick auf die Anwendung bestimmter Vorschriften des WpHG gleichgestellt wird, hat systematische Gründe, denn der Begriff der Wertpapierdienstleistungen soll weiterhin nur die durch das Europäische Gemeinschaftsrecht harmonisierten, in Anhang I Abschnitt A der Finanzmarktrichtlinie aufgeführte Tätigkeiten umfassen. Das hat vor allem zur Folge, dass Finanzdienstleistungsinstitute mit der Erlaubnis zur Anlageverwaltung keine Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach § 2 Abs. 4 WpHG darstellen, aber gleichwohl wie diese von der BaFin beaufsichtigt werden. Diesen Änderungen entsprechend wurden auch der Ordnungswidrigkeitstatbestand in § 39 Abs. 2 Nr. 10 WpHG geändert und dem § 39 WpHG ein neuer Abs. 2a und einer neuer Abs. 5 hinzugefügt. – Art. 13 Abs. 3 des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes vom 25.5.20091 ändert 42 §§ 37v, 37y und 39 WpHG: Sämtliche Änderungen sind Folgeänderung zur Durchsetzung der Pflicht von Abschlussprüfern, Abschlussprüferinnen und Abschlussprüfungsgesellschaften aus Drittstaaten i.S. von § 134 Abs. 1 Satz 1 WPO, sich nach Maßgabe von § 134 Abs. 1 WPO in das bei der Wirtschaftsprüferkammer geführte Berufsregister (§§ 37 Abs. 1, 38 Nr. 4 WPO) eintragen zu lassen. Die Eintragungsbescheinigung der Wirtschaftsprüferkammer oder die Bestätigung der Wirtschaftsprüferkammer über die Befreiung von der Eintragungsverpflichtung ist gemäß den neuen §§ 37v Abs. 2 Nr. 4, 37y Nr. 1 WpHG in den Jahresfinanzbericht aufzunehmen und der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Das Unterlassen der Offenlegung der Eintragungsbescheinigung über die Änderung stellt aufgrund der Ergänzungen von § 39 Abs. 2 Nrn. 24 und 25 WpHG eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit einem Bußgeld geahndet werden. – Mit den Änderungen von §§ 6 Abs. 2, 7 Abs. 1 Satz 1WpHG durch Art. 5 des Geset- 43 zes zur Änderung des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes und anderer Gesetze (EAEGuaÄndG) vom 25.6.20092 werden im Wesentlichen die Regelungen zur Zusammenarbeit der BaFin mit Stellen im Ausland der aufgrund von Zusammenschlüssen und Kooperationen von Wertpapier- und Warenterminbörsen veränderten europäischen Börsenlandschaft angepasst. Das eröffnet der BaFin vor allem auch die Zusammenarbeit mit Stellen, die für eine Überwachung von Waren und Warenmärkten zuständig sind, wie etwa Regulierungsbehörden für den Energiemarkt. Die Änderungen der §§ 20a Abs. 4, 38 Abs. 2 WpHG bezwecken, das Verbot der Marktmanipulation des § 20a Abs. 1 bis 3 WpHG dergestalt auf den Börsenoder Marktpreis von Waren, ausländischen Zahlungsmitteln und Emissionsberechtigungen (i.S. des § 3 Abs. 4 Satz 1 des Treibhausgasemissionshandelsgesetzes) zu erstrecken, dass Verstöße gegen das Verbot in einer dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG genügenden Weise bestraft werden können. – Art. 6 des Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarkt- und der Versicherungsaufsicht 44 (FMVAStärkG) vom 29.7.20093 dehnt die Meldepflichten von Geschäften in Fi1 BGBl. I 2009, 1102. Zur Änderung des WpHG durch das Gesetz s. auch RegE, BR-Drucks. 344/08 v. 23.5.2008. 2 BGBl. I 2009, 1529. Zur Änderung des WpHG durch das Gesetz s. auch RegE, BT-Drucks. 16/12255 v. 16.3.2009, sowie Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drucks. 170/09 v. 3.4.2009, und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks 16/13038 v. 14.5.2009. 3 BGBl. I 2009, 2305. Zur Änderung des WpHG durch das Gesetz s. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss), BT-Drucks. 16/13684 v. 1.7.2009.
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nanzinstrumenten gegenüber der BaFin nach § 9 WpHG auf den Freiverkehr aus, um sicherzustellen, dass die auch für den Freiverkehr geltenden Verbote von Insiderhandel und Marktmanipulation (§§ 14, 12 Satz 1 Nr. 1; § 20a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG) wirksamer überwacht werden können. Im Hinblick auf den Freiverkehr soll damit weitgehend und im Rahmen des nach der Finanzmarktrichtlinie Zulässigen die Rechtslage vor Inkrafttreten des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 16.7.2007 wiederhergestellt werden. Mit diesen Änderungen verbinden sich auch geringe Folgeänderungen des § 39 WpHG. 45
– Das Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung (SchVGEG) vom 31.7.20091 enthält Änderungen der §§ 30b, 34, 37a, 39, 43 und 47 WpHG. Die weitreichendste Änderung ist der Wegfall der Verjährungsregel des § 37a WpHG (mit Übergangsregelung in § 43 WpHG) und die damit verbundene Anpassung der Verjährung von Schadensersatzansprüchen wegen fehlerhafter Anlageberatung an die allgemeinen bürgerlichrechtlichen Verjährungsregeln. Nicht minder bedeutsam sind die Änderungen des § 34 WpHG (mit Übergangsregelung in § 44 WpHG) durch Einfügungen der Absätze 2a und 2b, obwohl diese in der Sache nur eine Konkretisierung der allgemeinen Aufzeichnungspflichten für Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach § 34 Abs. 1 WpHG enthalten. Der neue § 34 Abs. 2a WpHG verpflichtet ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen, über jede Anlageberatung bei einem Privatkunden ein schriftliches Protokoll nach näherer Maßgabe der Bestimmung anzufertigen; die Verletzung der Pflichten aus § 34 Abs. 2a WpHG stellt (aufgrund der Einfügung der Nrn. 19a, 19b und 19c in § 39 Abs. 2 WpHG) eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit dar. Eine Ausfertigung des Protokolls ist dem Kunden nach dem neuen § 34 Abs. 2b WpHG auf dessen Verlangen herauszugeben.
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– Den Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9.2009 über Ratingagenturen2 entsprechend, benennt Art. 1 des Ausführungsgesetzes zur EU-Ratingverordnung vom 14.6.20103 die BaFin als die in Deutschland zuständige Behörde für die Aufsicht über die Ratingagenturen und erfasst Verstöße gegen die in der EU-Ratingverordnung festgelegten Pflichten als bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeiten. Ersteres erfolgt durch die Einfügung eines neuen Abschnitts 3a „Ratingagenturen“ und den hierunter gefassten neuen § 17 WpHG, Letzteres durch die Einfügung der neuen Absätze 2b und 3a in § 39 WpHG. Die damit zunächst der BaFin (in Kooperation mit CESR) zugewiesene Zuständigkeit vor allem der Bearbeitung von Registrierungsanträgen nach §§ 14 ff. der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 (dazu § 17 Rz. 6, 8) ist zwischenzeitlich aufgrund der Verordnung (EU) Nr. 513/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.5.2011 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen4 (s. auch unten Rz. 78) auf die Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA (s. unten Rz. 82) als nunmehr ausschließlich zuständiger Behörde übergegangen (s. auch § 17 Rz. 10).
1 BGBl. I 2009, 2512. Zur Änderung des WpHG durch das Gesetz s. auch RegE, BT-Drucks. 16/12814 v. 20.4.2009; Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss), BT Drucks. 16/13672 v. 1.7.2009. 2 ABl. EU Nr. L 302 v. 17.11.2009, S. 1. 3 BGBl. I 2010, 786. Zur Änderung des WpHG durch das Gesetz s. auch RegE BR-Drucks. 33/10 v. 22.1.2010. 4 ABl. EU Nr. L 145 v. 31.5.2011, S. 30.
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– Das Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivatege- 47 schäfte (WpMiVoG) vom 21.7.20101 ist Teil des Versuchs der Bewältigung der Folgen der 2008 einsetzenden globalen Finanzkrise. Mit den in Art. 1 des Gesetzes vorgesehenen Änderungen des WpHG reagiert es vor allem auf den Umstand, dass die Finanzkrise „mit der Ausweitung der Turbulenzen auf die Märkte für Staatsanleihen von Mitgliedstaaten der EU und die Volatilität des Euro noch einmal eine neue Dimension“ erreichte, um durch „das gesetzliche Verbot bestimmter potenziell krisenverstärkender Transaktionen und eine verbesserte Transparenz“ den negativen Marktentwicklungen entgegenzutreten2. Dies geschieht im Wesentlichen dadurch, dass durch die Einfügung eines neuen 48 Abschnitts 5b „Verbot ungedeckter Leerverkäufe in Aktien und bestimmten Schuldtiteln“ und die unter diesem Titel neu in das WpHG eingefügten (durch Änderungen des § 39 WpHG bußgeldbewehrten und in §§ 42a-42c WpHG mit Übergangsbestimmungen versehenen) §§ 30–30j WpHG bestimmte Transaktionen, die für die Stabilität der Finanzmärkte als eine Bedrohung angesehen werden, verboten (§§ 30h, 30j WpHG) und die Inhaber von Netto-Leerverkaufspositionen bestimmten Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten (§ 30i WpHG) unterworfen werden. Neben dem Verbot ungedeckter Leerverkäufe durch den neuen § 30h WpHG wird mit dem neuen § 30j WpHG vor allem der Abschluss von bestimmten ungedeckten Kreditausfallversicherungen auf Verbindlichkeiten von EU-Mitgliedstaaten (sog. Credit Default Swaps, CDS), die nicht der Absicherung eines entsprechenden Kredits (etwa in Gestalt von Ansprüchen aus Anleihen) dienen, untersagt. Dem Gesetz vorausgegangen waren Allgemeinverfügungen der BaFin vom 49 18.5.2010 zum „Verbot ungedeckter Leerverkäufe in gewisse Aktien“, zum „Verbot ungedeckter Leerverkäufe in Schuldtiteln von Mitgliedsstaaten der EU, deren gesetzliche Währung der Euro ist, sowie in Aktien von zehn deutschen Unternehmen der Finanzbranche“ und zum „Verbot der Begründung oder des rechtsgeschäftlichen Eintritts in ein Kreditderivat, soweit keine nicht nur unwesentliche Risikoreduktion beim Sicherungsnehmer gegeben ist“3. Sämtliche Allgemeinverfügungen wurden nach dem Erlass des Gesetzes zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte mit Wirkung vom 27.7.2010 widerrufen. Das Gesetz gibt dem Inhalt dieser Allgemeinverfügungen eine sichere rechtliche Grundlage. – Aufgrund von Art. 7 des Gesetzes zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie 50 und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie vom 19.11.20104 wurde § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG neu gefasst und in § 2a Abs. 1 Nr. 10 WpHG eine geringfügige Streichung vorgenommen. Dadurch wird ein Gleichlauf zu den entsprechenden, in Art. 1 Ziff. 1 lit. a aa und bb sowie 4. lit. c des Umsetzungsgesetzes enthaltenen Änderungen von § 1 Abs. 1a und § 2 Abs. 6 KWG hergestellt. Ziel der auf diese Weise in das WpHG ausstrahlenden Neufassung von § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 KWG und gleichzeitiger Streichung des Satzes 3 dieser Bestimmung in ihrer alten Fas1 BGBl. I 2010, 945. 2 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP BT-Drucks. 17/1952 v. 8.6.2010, S. 1. 3 Sämtliche abzurufen über die Website der BaFin unter den Rubriken Aufsichtsrechtssuche/ Verfügungen/Wertpapieraufsicht oder über Google unter Eingabe der Stichworte: BaFin Allgemeinverfügung Leerverkäufe. 4 BGBl. I 2010, 1592. RegE, BT-Drucks. 17/1720 v. 17.5.2010.
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sung ist es, „Finanzdienstleistungsinstituten, die das Factoring, das Finanzierungsleasing oder das Sortengeschäft betreiben und daneben keine anderen Finanzdienstleistungen erbringen, in Zukunft auch das Eigengeschäft in Finanzinstrumenten (ohne Dienstleistungskomponente) zu ermöglichen, ohne dass sie deswegen einer zusätzlichen Erlaubnis bedürfen und einem weiteren Aufsichtsregime unterworfen werden“1. Das hat zur Folge, dass in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG zukünftig neben dem Eigenhandel auch bestimmte Eigengeschäfte als Wertpapierdienstleistungen erfasst werden. 51
– Umfangreiche Änderungen des WpHG und damit verbunden auch der Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung (WpDVerOV) und der Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung (WpAIV) gehen aus Art. 1, Art. 5 bzw. Art. 6 des Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts (Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz) vom 5.4.20112 hervor. Die Änderungen von WpHG und WpAIV sind Teil des Versuchs, das mit der Finanzkrise verlorene Vertrauen der Anleger in die Finanzmärkte zurückzugewinnen und damit den Finanzplatz Deutschland zu stärken. Die damit angestrebte Verbesserung des Anlegerschutzes wird weniger durch eine Ausweitung und Durchsetzung individueller Ansprüche zu erreichen versucht als durch eine an „öffentlichen Interessen“ ausgerichtete Stärkung des „öffentlichen Anlegerschutzes“ in Gestalt der Effektivierung der Aufsicht über den Markt und insbesondere die Marktteilnehmer und deren Verhalten3. Die einer Verbesserung des „öffentlichen Anlegerschutzes“ dienenden Änderungen von WpHG und WpAIV konzentrieren sich auf zwei Schwerpunkte:
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(1) Ein erster (Änderungen des § 31 WpHG, die Einfügung eines neuen § 34d WpHG, eine entsprechende Ergänzung der Bußgeldvorschriften des § 39 WpHG sowie Änderungen des § 12 WpDVerOV) umfassender Schwerpunkt liegt in der Gewährleistung einer anlegergerechten, d.h. ausschließlich an den Kundeninteressen orientierten Anlageberatung. Dem liegt die Annahme zugrunde, gerade in der Finanzkrise habe sich gezeigt, dass das Gebot der anlegergerechten Beratung in der Beratungspraxis nicht ausreichend zur Geltung komme; vielmehr habe sich in der öffentlichen Diskussion der Eindruck verfestigt, die Beratungsleistung der Institute sei wesentlich durch Vertriebsvorgaben und Provisionsinteressen beeinflusst, während Kundeninteressen nur eine untergeordnete Rolle spielten4.
53
Im Wesentlichen sind es drei Ansatzpunkte, mit denen der Falschberatung entgegengewirkt werden soll: Zum einen ist der Anleger, um ihn besser über Finanzprodukte zu informieren, zukünftig anhand eines kurzen und leicht verständlichen Informationsblatts über die wesentlichen Merkmale eines Finanzinstruments zu informieren (§ 31 Abs. 3 Satz 4 n.F. WpHG, § 5a WpDVerOV). Zum anderen werden der BaFin zusätzliche Möglichkeiten eingeräumt, um Verstöße gegen die Gebote der anlegergerechten Beratung und der Offenlegung von Provisionen als Ordnungswidrigkeiten zu ahnden; dazu gehört etwa die Möglichkeit, bei Verstößen gegen anlegerschützende Vorschriften, Wertpapierdienstleistungsunternehmen den Einsatz bestimmter Personen in der Anlageberatung für einen bestimmten Zeitraum untersagen zu können (§ 34d Abs. 4 WpHG). Schließlich sollen Berater, 1 RegE, BT-Drucks. 17/1720 v. 17.5.2010, S. 31. 2 BGBl. I 2011, 538. Zur Änderung des WpHG durch das Gesetz s. auch RegE, BT-Drucks 17/3628 v. 8.11.2010. 3 RegE, BT-Drucks 17/3628 v. 8.11.2010, S. 17. 4 RegE, BT-Drucks 17/3628 v. 8.11.2010, S. 1.
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Verantwortliche für Vertriebsvorgaben und die sog. Compliance-Funktion bei der BaFin registriert und ihre angemessene Qualifikation nachgewiesen werden, um auch in diesem Falle (nach § 34d Abs. 4 WpHG) bei mangelnder Qualifikation der Mitarbeiter deren Einsatz untersagen zu können. (2) Einen weiteren Schwerpunkt der Änderungen des WpHG und der WpAIV 54 durch das Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz stellt die Einführung neuer Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten für bislang nicht erfasste Transaktionen dar. Durch Änderungen des § 25 WpHG und die Einfügung eines neuen § 25a WpHG soll verhindert werden, dass weiterhin in intransparenter Weise große Stimmrechtspositionen aufgebaut werden können, ohne dass die BaFin, der Markt oder Emittenten darüber frühzeitig in Kenntnis gesetzt werden. Die neuen Meldevorschriften haben insbesondere Finanzinstrumente zum Gegenstand, die lediglich einen Zahlungsausgleich, jedoch kein Recht auf den Erwerb von Aktien vorsehen. Erfasst werden aber auch Stillhalterpositionen von Verkaufsoptionen, Rückforderungsansprüche des Darlehensgebers eines Wertpapierdarlehens und Rückkaufvereinbarungen bei Pensionsgeschäften darstellende sog. RepoGeschäfte (Sale and Repurchase Agreements). Den neuen Meldepflichten aus § 25a WpHG sind im Wesentlichen auch die (in der Einfügung eines neuen Absatzes 4 in § 17 WpAIV zum Ausdruck kommenden) Änderungen der WpAIV nach Maßgabe von Art. 6 des Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetzes geschuldet. – Bei den Änderungen, die §§ 22, 27a, 31, 33b WpHG durch das Gesetz zur Um- 55 setzung der Richtlinie 2009/65/EG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW-IV-Umsetzungsgesetz) vom 22.6.20111 erfahren haben, handelt es sich um rein redaktionelle Änderungen, welche den Namen der neuen Richtlinie 2009/65/EG an die Stelle der alten OGAW-Richtlinie 85/611/EWG vom 20.12.1985 setzen. – Weitere Änderungen des WpHG verbanden sich mit Art. 12 des Gesetzes zur An- 56 passung der Rechtsgrundlagen für die Fortentwicklung des Emissionshandels vom 21.7.2011 (marginale redaktionelle Änderungen in § 20a Abs. 4 Nr. 2 und § 38 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3)2 und dem Gesetz zur Neuregelung energierwirtschaftrechtlicher Vorschriften vom 26.7.2011 (Einfügung eines neuen § 7b WpHG über die Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission im Rahmen des Energiewirtschaftsgesetzes)3. – Zwischenzeitlich verabschiedet und verkündet wurde auch das Gesetz zur Umset- 57 zung der Richtlinie 2010/78/EU vom 24. November 2010 im Hinblick auf die Errichtung des Europäischen Finanzaufsichtssystems vom 4.12.2011 (BGBl. I 2011, 2427). Auf Empfehlung des Finanzausschusses (BT-Drucks. 17/7508 v. 26.10.2011, S. 1 ff.) hatte der Bundestag den Entwurf des Gesetzes (BT-Drucks. 17/6255 v. 22.6.2011, S. 1 ff.) am 27.10.2011 mit den Stimmen aller Fraktionen in geänderter Fassung angenommen. Die Schaffung des Europäischen Finanzaufsichtssystems (European System of Financial Supervision – ESFS) und die Errichtung der drei Europäischen Finanzaufsichtsbehörden (dazu unten Rz. 82) „sowie die Notwendigkeit, ein reibungslos funktionierendes Europäisches Finanzaufsichtssystem zu gewährleisten, machten auch Änderungen der EU-Richtlinien im Finanzmarkt1 BGBl. I 2011, 1126. 2 BGBl. I 2011, 1475 (1501). 3 BGBl. I 2011, 1554 (1593).
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bereich erforderlich“1. Sämtliche der erforderlichen Änderungen2 wurden mit der Richtlinie 2010/78/EU vorgenommen, die die Befugnisse der Europäischen Finanzaufsichtsbehörden und deren Zusammenarbeit mit den nationalen Aufsichtsbehörden im Europäischen Finanzaufsichtssystem näher bestimmt. Die Umsetzung dieser so genannten Omnibusrichtlinie I in das deutsche Recht erfolgt durch das Umsetzungsgesetz, dessen Verabschiedung im WpHG vor allem zu Änderungen der Regelungen des § 7 WpHG über die Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen im Ausland und zur Einfügung eines neuen § 7a WpHG über die Zusammenarbeit mit der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA (s. unten Rz. 82) führt und weitere Folgeänderungen in §§ 8, 29a, 30f, 32b, 36a, 37z, 40b WpHG mit sich bringt. 58
– Das am 27.10.2011 auf Empfehlung des Finanzausschusses3 angenommene Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts vom 6.12.2011 (BGBl. I 2011, 2481) dient vor allem der Verbesserung des Anlegerschutzes im Bereich des „grauen“ Kapitalmarkts durch die Verbreiterung der Informationsbasis für Anlageentscheidungen, eine „schärfere Produktregulierung“ sowie erhöhte Anforderungen an den Vertrieb von Kapitalanlagen. Die damit verbundenen aufsichtsrechtlichen Anforderungen sind weitreichend, die Eingriffe in das WpHG dagegen – rein mengenmäßig – eher gering. Durch Änderung des § 2 Abs. 2b WpHG werden Vermögensanlagen i.S. des (durch Art. 1 des Gesetzes zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts einzuführenden und an die Stelle des VerkProspG tretenden) Vermögensanlagengesetzes – mit Ausnahme von Anteilen an einer Genossenschaft i.S. von § 1 des Genossenschaftsgesetzes und den von Einlagenkreditinstituten ausgegebenen einfachen Namensschuldverschreibungen (wie etwa „Sparbriefe“) – zu den Finanzinstrumenten hinzugefügt. Das hat zur Folge, dass (nicht durch die neuen Ausnahmeregelungen in § 2a Abs. 1 Nr. 7 WpHG ausgenommene) Unternehmen, die Wertpapierdienstleistungen im Zusammenhang mit diesen Vermögensanlagen erbringen, als Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu qualifizieren sind und die Vorschriften der §§ 31 ff. WpHG zu beachten haben. Das wiederum bewirkt, „dass Wertpapierdienstleistungsunternehmen künftig auch bei der Anlageberatung und der Vermittlung von Vermögensanlagen im Sinne des Vermögensanlagengesetzes die Verhaltens- und Organisationspflichten des 6. Abschnitts des Wertpapierhandelsgesetzes“ und damit „insbesondere das Gebot der anlegergerechten Beratung, die Offenlegung von Provisionen und das Führen eines Beratungsprotokolls“ zu beachten haben4. Weitere, eher geringfügige Änderungen betreffen § 2a Abs. 1 WpHG, demzufolge bestimmte Unternehmen nicht als Wertpapierdienstleistungsunternehmen gelten, sowie § 6 Abs. 2 WpHG und § 8 Abs. 1 WpHG. Die Maßnahmen zur Beaufsichtigung von Ratingagenturen und zur Errichtung des Europäischen Finanzaufsichtssystems 1 RegE, BT-Drucks. 17/6255 v. 22.6.2011, S. 1. 2 Es handelt sich um Änderungen der Bankenrichtlinie (2006/48/EG), der Kapitaladäquanzrichtlinie (2006/49/EG), der Finanzkonglomeraterichtlinie (2002/87/EG), der Richtlinie über Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (2003/41/EG), der Marktmissbrauchsrichtlinie (2003/6/EG), der Finanzmarktrichtlinie (MiFID) (2004/39/EG), der Prospektrichtlinie (2003/71/EG), der Richtlinie über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen (98/26/EG), der Transparenzrichtlinie (2004/109/EG), der Geldwäscherichtlinie (2005/60/EG) sowie der OGAW-Richtlinie (2009/65/EG). 3 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 17/7453 v. 25.10.2011, S. 1 ff., zum RegE, BT-Drucks. 17/6051 v. 6.6.2011, S. 1 ff. 4 RegE, BR-Drucks. 209/11 v. 15.4.2011, S. 67.
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(Rz. 46, 57, 82) haben Folgeänderungen des § 17 WpHG über die Überwachung von Ratingagenturen sowie des § 39 WpHG (Aufhebung der Nummern 1–4 und 7–42 in Abs. 2b, Streichung des Abs. 3a) und des § 42b WpHG (Ergänzung um einen Abs. 3) mit sich gebracht. Die Einfügung eines neuen Abs. 2a in § 38 WpHG und eines neuen Abs. 2c in § 39 WpHG bewirkt, dass die in der Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie (Rz. 29) geregelten nationalen Sanktionsmöglichkeiten auch auf Verstöße gegen die Artt. 37 bis 42 der Verordnung (EU) Nr. 1031/2010 (EU-Versteigerungsverordnung) (ABl. EU Nr. L 302 v. 18.11.2010, S. 1) Anwendung finden. Unter den Änderungen des § 39 WpHG ist weiter hervorzuheben, dass aufgrund der Hinzufügung eines neuen Buchstaben c zu § 39 Abs. 2 Nr. 15a WpHG auch die unterlassene Bereitstellung der Vermögensanlagen-Informationsblätter nach Maßgabe eines neuen § 31 Abs. 3a Satz 4 i.V.m. Satz 1 WpHG im Rahmen der Anlageberatung bußgeldbewehrt sind. c) Rechtsverordnung gemäß § 34d Abs. 6 WpHG Der durch das Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz vom 5.4.2011 59 (Rz. 51) neu in das WpHG eingefügte § 34d WpHG (Rz. 52) regelt den Einsatz von Mitarbeitern in der Anlageberatung, als Vertriebsbeauftragte oder als ComplianceBeauftragte. Nach zukünftiger, am 1.11.2012 in Kraft tretender Bestimmung von § 34d Abs. 1 bis 5 WpHG (Art. 9 Abs. 4 des Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetzes) werden ab diesem Zeitpunkt bestimmte Mitarbeiter von Wertpapierdienstleistungsunternehmen nur dann mit bestimmten Tätigkeiten betraut werden dürfen, wenn sie sachkundig sind und über die erforderliche Zuverlässigkeit verfügen. Darüber hinaus werden diese Mitarbeiter der BaFin anzuzeigen sein. Und schließlich sind von diesem Zeitpunkt ab Kundenbeschwerden auf Grund der Tätigkeit eines Mitarbeiters in der Anlageberatung der BaFin anzuzeigen. Die Regelung von Einzelheiten überlässt die Vorschrift einer Rechtsverordnung: Nach § 34d Abs. 6 Satz 1 WpHG kann das BMF durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrats bedarf, die näheren Anforderungen an (1) den Inhalt, die Art, die Sprache, den Umfang und die Form der Anzeigen nach den Abs. 1, 2 oder 3, (2) die Sachkunde und die Zuverlässigkeit nach Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 sowie (3) den Inhalt der Datenbank nach Abs. 5 und die Dauer der Speicherung der Einträge einschließlich des jeweiligen Verfahrens regeln; eine weitere Regelungsermächtigung enthält § 34d Abs. 6 Satz 2 WpHG. Das BMF hat diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung gemäß dieser ihr in § 34d Abs. 6 Satz 3 WpHG eingeräumten Befugnis auf die BaFin übertragen, die ihrerseits die Rechtsverordnung inzwischen vorgelegt hat1. d) Bevorstehende gesetzliche Änderungen des WpHG Wiederum war bei Abschluss der Arbeiten an dieser Auflage des Kommentars die 60 Verabschiedung verschiedener Gesetze absehbar, die Veränderungen der Vorschriften des WpHG mit sich bringen würden, deren Verabschiedungszeitpunkt aber weder exakt bestimmbar noch sinnvollerweise abzuwarten war. Noch in der Umbruchphase des Kommentars hat der Bundestag am 27.10.2011 das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2010/78/EU vom 24. November 2010 im Hinblick auf die Errichtung des Europäischen Finanzaufsichtssystems (s. oben Rz. 57) sowie das Gesetz zur Novel-
1 WpHG-Mitarbeiteranzeigeverordnung vom 21.12.2011 (BGBl. I 2011, 3116) (Text im Anhang § 34d Rz. 43).
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lierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts (s. oben Rz. 58) verabschiedet. Beide Gesetze konnten noch an Ort und Stelle des Kommentars eingearbeitet werden. Vom Bundestag am 10.11.2011 angenommen wurde auch das Gesetz zur Änderung von Vorschriften über Verkündung und Bekanntmachungen sowie der Zivilprozessordnung, des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung1. Das Gesetz hat bloße redaktionelle Folgeänderungen in den §§ 29, 30b, 30i, 35, 37i, 37k, 37o, 37q und 42b WpHG zur Folge und bringt die Aufhebung von § 46 Abs. 4 WpHG mit sich2. 61
Anders verhält es sich dagegen mit dem Regierungsentwurf des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2010/73/EU und zur Änderung des Börsengesetzes vom 30.11.20113. Mit dem Umsetzungsgesetz soll die Richtlinie 2010/73/EU vom 24.11.2010 zur Änderung der Richtlinie 2003/71/EG betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind (ABl. EU Nr. L 327 v. 11.12.2010, S. 1) in nationales Recht umgesetzt werden. Die Änderungsrichtlinie ist aus der pflichtgemäßen Überprüfung der in ihr angeführten und geänderten Richtlinien hervorgegangen. In deren Rahmen wurden „im Zusammenhang mit dem Aktionsprogramm der Europäischen Kommision zur Verringerung der Verwaltungslasten in der Europäischen Union Bereiche identifiziert, die der Überarbeitung bedurften. So sollte zum einen der bürokratische Aufwand für Emittenten und Finanzintermediäre verringert werden. Zum anderen sollten die Klarheit und Effizienz bestimmter Regelungen erhöht und der Anlegerschutz verbessert werden“4. Zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie werden neben dem WpPG und dem BörsG auch Vorschriften des WpHG und der WpAiV angepasst werden. Diesbezügliche Änderungen sehen namentlich die Herstellung eines Gleichlaufs zwischen dem Begriff des qualifizierten Anlegers nach dem WpPG und jenem des professionellen Kunden nach dem WpHG sowie eine Reihe redaktoioneller Anpassungen an die geplanten Änderungen des WpPG vor. 3. Komplementäre Maßnahmen
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Darüber hinaus finden sich Gesetze, Verordnungen und Grundsätze, die das Wertpapierhandelsgesetz im Hinblick auf die Implementierung seiner Regelungen und die Überwachung der Einhaltung seiner Vorschriften durch die Aufsichtsbehörde ergänzen. Diesbezüglich sind insbesondere anzuführen: – Das Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz – FinDAG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 22.4.20025, zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 1.3.20116. – Das Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten (Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz – KapMuG) i.d.F. der Bekanntmachung vom
1 2 3 4
BR-Drucks. 747/11 v. 25.11.2011. S. im Einzelnen Art. 2 Nr. 44 RegE, BR-Drucks. 747/11 v. 25.11.2011, S. 8. Inzwischen wurde das Gesetz verkündet: Gesetz vom 22.12.2011 (BGBl. I 2011, 3044). RegE Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2010/73/EU und zur Änderung des Börsengesetzes vom 30.11.2011, S. 1 (A.). 5 BGBl. I 2002, 1310. 6 BGBl. I 2011, 288.
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16.8.20051, zuletzt geändert durch Gesetz zur Einführung einer Musterwiderrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge, zur Änderung der Vorschriften über das Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen und zur Änderung des Darlehensvermittlungsrechts vom 24.7.20102. – Die Verordnung zur Übertragung von Befugnissen zum Erlass von Rechtsverordnungen auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFinBefugV) vom 13.12.20023, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 26.6.20114. – Die Verordnung über die Satzung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 29.4.20025 und die auf dieser beruhende Satzung6. – Die Verordnung über die Erhebung von Gebühren und die Umlegung von Kosten nach dem Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAGKostV) vom 29.4.20027, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 8.6.20118. – Grundsätze für die Ausübung der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) über die BaFin9.
III. Zur Anwendung der Bestimmungen des Wertpapierhandelsgesetzes 1. Normkonkretisierende Maßnahmen und anwendungsbezogene Verlautbarungen der Aufsichtsbehörde Seit dem Erlass des WpHG ist die Anwendung seiner Bestimmungen von Unsicher- 63 heiten geprägt, die vor allem auf die Verwendung zahlreicher unbestimmter Rechtsbegriffe zurückgehen. Der BaFin, die angesichts dessen immer wieder zu autoritativen Stellungnahmen zur Auslegung oder zumindest zu der von ihr praktizierten Handhabung einzelner Bestimmungen aufgerufen wird, obliegt zwar die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des WpHG, doch ist die Behörde rechtlich nicht in der Lage, Gerichten oder Staatsanwaltschaften die Auslegung der einzelnen Bestimmungen des Gesetzes oder der von ihr selbst im Rahmen ihrer Verordnungskompetenzen erlassenen Verordnungen vorzugeben. Weder die in Richtlinien der BaFin10 zum Ausdruck kommende Normanwendung noch die mittels Schreiben der Behörde mitgeteilten Auslegungsentscheidungen der Aufsichtsbehörde vermögen die Gerichte zu binden. Im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten hat sich die BaFin jedoch bemüht, Rechtssicherheit bei der Anwendung der Bestimmungen des WpHG zu schaffen. Dabei bringen die diesbezüglichen Verlautbarungen der BaFin zumindest eine Selbstbindung der Behörde mit sich, indem sie den Beurteilungs1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
BGBl. I 2005, 2437. BGBl. I 2010, 977. BGBl. I 2003, 3. BGBl. I 2011, 1197. BGBl. I 2002, 1499. Ergangen aufgrund des § 5 Abs. 2 und 3 des FinDAG vom 22.4.2002 (BGBl. I 2002, 1310). Zuletzt geändert durch Art. 15 Abs. 87 des Gesetzes v. 5.2.2009, BGBl. I 2009, 160. BGBl. I 2002, 1504, 1847. Ergangen aufgrund des § 14 Abs. 2 Satz 1 und 2 und Abs. 3 des FinDAG vom 22.4.2002 (BGBl. I 2002, 1310) i.V.m. dem 2. Abschnitt des VwKostG vom 23.6.1970 (BGBl. I 1970, 821). BGBl. I 2011, 1054. Stand: 16.2.2010. Abrufbar von der Website der BaFin www.bafin.de unter den Rubriken: Die BaFin/Grundlagen. Vgl. die Erläuterungen in § 35 Rz. 6 m.w.N.
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spielraum derselben begrenzen1. Allseits bindendes Recht stellen dagegen die Verordnungen dar, welche das Finanzministeriums bzw. die BaFin (nach Maßgabe der BaFinBefugV vom 13.12.2002, s. oben Rz. 62) auf der Grundlage entsprechender Ermächtigungen im WpHG erlassen haben. 64
Zur Konkretisierung und Ergänzung der Bestimmungen des WpHG sind folgende Verordnungen in Kraft: – Die Verordnung über die Meldepflichten beim Handel mit Wertpapieren und Derivaten (Wertpapierhandel-Meldeverordnung – WpHMV) i.d.F. der Bekanntmachung vom 21.12.19952, zuletzt geändert durch die Dritte Verordnung zur Änderung der Wertpapierhandel-Meldeverordnung vom 18.12.20073. – Die Verordnung über die erforderlichen Angaben und vorzulegenden Unterlagen bei einem Erlaubnisantrag nach § 37i des Wertpapierhandelsgesetzes und einer Anzeige nach § 37m des Wertpapierhandelsgesetzes (Marktzugangsangabenverordnung – MarktAngV) i.d.F. der Fassung der Bekanntmachung vom 30.9.20044, zuletzt geändert durch Verordnung vom 24.10.20075. – Die Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige-, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten sowie der Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen nach dem Wertpapierhandelsgesetz (Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung – WpAIV) vom 13.12.20046, zuletzt geändert durch Gesetz vom 5.4.20117. – Die Verordnung über die Prüfung der Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach § 36 WpHG (Wertpapierdienstleistungs-Prüfungsverordnung – WpDPV) i.d.F. der Bekanntmachung vom 16.12.20048, zuletzt geändert durch Verordnung vom 24.10.20079.
1 S. § 35 Rz. 6. 2 BGBl. I 1995, 2094; BGBl. I 1996, 220. Ergangen aufgrund des § 9 Abs. 3 und 4 und des § 41 Abs. 1 des Wertpapierhandelsgesetzes vom 26.7.1994 (BGBl. I 1994, 1749) i.V.m. § 1 der Verordnung zur Übertragung der Befugnis zum Erlass von Rechtsverordnungen auf das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel vom 16.3.1995 (BGBl. I 1995, 390). 3 BGBl. I 2007, 3014. 4 BGBl. I 2004, 2576. Ergangen aufgrund des § 37i Abs. 1 Satz 3 und 4 und des § 37m Satz 3 und 4 WpHG in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2708), die durch Art. 2 Nr. 24 des Gesetzes vom 21.6.2002 (BGBl. I 2002, 2010) eingefügt worden sind, i.V.m. § 1 Nr. 1 der Verordnung zur Übertragung von Befugnissen zum Erlass von Rechtsverordnungen auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 13.12.2002 (BGBl. I 2003, 3). 5 BGBl. I 2007, 2498. 6 BGBl. I 2004, 3376. Ergangen aufgrund des § 10 Abs. 4 Satz 1, des § 15 Abs. 7 Satz 1, des § 15a Abs. 5 Satz 1 und des § 15b Abs. 2 Satz 1 WpHG in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2708), die durch Art. 1 des Gesetzes vom 28.10.2004 (BGBl. I 2004, 2630) eingefügt worden sind. 7 BGBl. I 2011, 538. 8 BGBl. I 2004, 3515. Ergangen aufgrund des § 36 Abs. 5 WpHG, der durch Art. 1 Nr. 15 des Gesetzes vom 28.10.2004 (BGBl. I 2004, 2630) neu gefasst worden ist, i.V.m. Art. 21 des Gesetzes vom 22.4.2002 (BGBl. I 2002, 1310) und i.V.m. § 1 Nr. 1 der Verordnung zur Übertragung von Befugnissen zum Erlass von Rechtsverordnungen auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 13.12.2002 (BGBl. I 2003, 3). 9 BGBl. I 2007, 2499.
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– Die Verordnung über die Analyse von Finanzinstrumenten (Finanzanalyseverordnung – FinAnV) vom 17.12.20041, zuletzt geändert durch Verordnung vom 20.7.20072. – Die Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Marktmanipulation (Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung – MaKonV) vom 1.3.20053. – Die Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2007/14/EG der Kommission vom 8.3.2007 mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind (Transparenzrichtlinie-Durchführungsverordnung – TranspRLDV) i.d.F. der Bekanntmachung vom 13.3.20084. – Die Verordnung zur Konkretisierung der Verhaltensregeln und Organisationsanforderungen für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (WertpapierdienstleistungsVerhaltens- und Organisationsverordnung – WpDVerOV) i.d.F. der Bekanntmachung vom 20.7.20075, zuletzt geändert durch Art. 5 der Verordnung vom 5.4.20116. Ein weiteres Instrument, die Bestimmungen des WpHG zu konkretisieren und Normanwendungssicherheit herbeizuführen, stellen Richtlinien dar, welche die BaFin in den gesetzlich vorgesehenen Fällen – d.h. nach Maßgabe von §§ 29 und 35 Abs. 4 WpHG – erlassen kann. Von dieser Möglichkeit hatte die BaFin in der Vergangenheit bereits Gebrauch gemacht (vgl. 4. Aufl. Rz. 63 und 5. Aufl. Rz. 88), doch sind sämtliche der bislang auf der Grundlage des WpHG zu Bestimmungen dieses Gesetzes ergangenen Richtlinien nicht mehr in Kraft: Sowohl die Richtlinie gemäß § 35 1 BGBl. I 2004, 3522. Ergangen aufgrund des § 34b Abs. 6 Satz 1 WpHG, der durch Art. 1 Nr. 13 des Gesetzes vom 28.10.2004 (BGBl. I 2004, 2630) eingefügt worden ist. 2 BGBl. I 2007, 1430. 3 BGBl. I 2005, 515. Ergangen aufgrund des § 20a Abs. 5 Satz 1 WpHG, der durch Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes vom 28.10.2004 (BGBl. I 2004, 2630) neu gefasst worden ist. 4 BGBl. I 2008, 408. Ergangen (1) aufgrund des § 22 Abs. 5, des § 23 Abs. 6 Nr. 2, des § 29a Abs. 4, des § 30f Abs. 3 und des § 37z Abs. 4 Satz 4 WpHG, von denen § 22 Abs. 5 durch Art. 1 Nr. 11 Buchstabe e, § 23 Abs. 6 Nr. 2 durch Art. 1 Nr. 12, § 29a Abs. 4 durch Art. 1 Nr. 17, § 30f Abs. 3 durch Art. 1 Nr. 19 und § 37z Abs. 4 Satz 4 durch Art. 1 Nr. 24 des Gesetzes vom 5.1.2007 (BGBl. I 2007, 10) eingefügt worden ist, (2) aufgrund des § 37w Abs. 6 Nr. 1 WpHG, der durch Art. 1 Nr. 24 des Gesetzes vom 5.1.2007 (BGBl. I 2007, 10) eingefügt worden ist, (3) aufgrund des § 30 Abs. 4 WpÜG, der durch Art. 10 Nr. 2 Buchstabe b des Gesetzes vom 5.1.2007 (BGBl. I 2007, 10) eingefügt worden ist, sowie (4) aufgrund des § 32 Abs. 5 Nr. 1 und 2 InvG, der durch Art. 7 Nr. 3 Buchstabe b des Gesetzes vom 5.1.2007 (BGBl. I 2007, 10) eingefügt worden ist. 5 BGBl. I 2007, 1432. Ergangen aufgrund des § 31 Abs. 11 Satz 1, des § 31a Abs. 8 Satz 1, des § 31b Abs. 2 Satz 1, des § 31c Abs. 3 Satz 1, des § 33 Abs. 4 Satz 1, des § 33a Abs. 9 Satz 1 und des § 34 Abs. 4 Satz 1 WpHG i.d.F. der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2708), von denen § 31 Abs. 11 durch Art. 1 Nr. 16 Buchstabe e, § 31a Abs. 8, § 31b Abs. 2 und § 31c Abs. 3 jeweils durch Art. 1 Nr. 17, § 33 Abs. 4 durch Art. 1 Nr. 20, § 33a Abs. 9 durch Art. 1 Nr. 21 und § 34 Abs. 4 durch Art. 1 Nr. 22 des Gesetzes vom 16.7.2007 (BGBl. I 2007, 1330) eingefügt worden sind. Die Verordnung dient der weiteren Umsetzung des Anhangs II der Richtlinie 2004/39/EG vom 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente (ABl. EU 2004 Nr. L 145, S. 1; 2005 Nr. L 45, S. 18), die durch die Richtlinie 2006/31/EG vom 5.4.2006 (ABl. EU 2006 Nr. L 114, S. 60) geändert worden ist, und der Richtlinie 2006/73/EG vom 10.8.2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie (ABl. EU 2004 Nr. L 241, S. 26). 6 BGBl. I 2011, 538.
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Abs. 6 WpHG zur Konkretisierung der §§ 31 und 32 WpHG für das Kommissionsgeschäft, den Eigenhandel für andere und das Vermittlungsgeschäft der Wertpapierdienstleistungsunternehmen i.d.F. der Bekanntmachung vom 23.8.20011 als auch die Richtlinie zur Konkretisierung der Organisationspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen gemäß § 33 Abs. 1 WpHG i.d.F. der Bekanntmachung vom 25.10.19992 sind durch Schreiben der BaFin vom 23.10.20073 aufgehoben worden. 66
Normkonkretisierend wirken darüber hinaus Allgemeinverfügungen der Aufsichtsbehörde, welche diese in gesetzlich dafür vorgesehenen Fällen erlassen kann. Von den ergangenen Allgemeinverfügungen haben nur noch die nachfolgend aufgeführten Bedeutung: – Die Allgemeinverfügung auf der Grundlage von § 36b Abs. 1 und Abs. 2 WpHG bezüglich der Werbung in Form des „cold calling“ vom 27.7.19994. Mit ihr wird Wertpapierdienstleistungsunternehmen die telefonische Kontaktaufnahme mit Kunden, zu denen nicht bereits eine Geschäftsbeziehung in Bezug auf Wertpapierdienst- und Wertpapiernebendienstleistungen besteht, untersagt, soweit sie nicht durch eine vorhergehende, nachvollziehbare Aufforderung des Angerufenen unmittelbar gegenüber dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen veranlasst worden ist. – Die Allgemeinverfügung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 5 WpAIV vom 13.7.2005 zu § 15a WpHG5. Mit ihr gestattet die BaFin Emittenten mit Sitz im Ausland Veröffentlichungen nach § 15a Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 WpHG nur in englischer Sprache vorzunehmen. – Die Allgemeinverfügung gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 WpAIV vom 13.7.20056. Sie erlaubt Emittenten mit Sitz im Ausland, Veröffentlichungen nach § 15 Abs. 1 Satz 1, 3 oder 4 bzw. Abs. 2 Satz 2 WpHG in englischer Sprache vorzunehmen. – Die Allgemeinverfügung nach § 31h Abs. 2 Satz 1 WpHG vom 30.5.2008. Mit ihr wird für Geschäfte, die die Voraussetzungen des Art. 28 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 erfüllen, eine verzögerte Veröffentlichung der Informationen nach § 31h Abs. 1 WpHG gestattet7.
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Bevorzugtes Instrument der BaFin, um ihre Auslegung von Vorschriften des WpHG und den diesen zu Grunde liegenden europarechtlichen Bestimmungen kundzutun, war das Rundschreiben. Einst in großer Zahl erlassen (s. noch 4. Aufl. Rz. 62), finden sich heute nur wenige für die Anwendung des WpHG einschlägige Schreiben. Obschon ihre mittelbare Wirkung auf die Rechtsprechung nicht zu vernachlässigen ist, haben normauslegende Rundschreiben – nicht anders als Richtlinien (s. oben Rz. 63) – für die Rechtsanwendung durch Gerichte keine Verbindlichkeit, sondern binden
1 BAnz. v. 4.9.2001, S. 19217 (Text 4. Aufl. § 35 Rz. 7). 2 BAnz. v. 6.11.1999, S. 18453 (Text 4. Aufl. § 35 Rz. 8). 3 S. Website BaFin www.bafin.de unter Startseite . Veröffentlichungssuche . Aufgehobene Veröffentlichungen . Aufgehobene Richtlinien. 4 BAnz. v. 12.8.1999, S. 13518. 5 Geschäftszeichen WA 22 – W 2320 – 2005/0007. S. www.bafin.de unter Startseite . Aufsichtsrecht . Verfügungen. 6 Geschäftszeichen WA 22 – W 2320 – 2005/0007. S. www.bafin.de unter Startseite . Aufsichtsrecht . Verfügungen. 7 Geschäftszeichen WA 11 – Wp 2002 – 2008/0006. S. www.bafin.de unter Startseite . Aufsichtsrecht . Verfügungen.
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nur die Verwaltung bei der Normanwendung. In Kraft und für die Anwendung der Vorschriften des WpHG von Bedeutung sind vor allem1: – Das Rundschreiben 11/2003 (WA) vom 18.12.2003 über das Meldewesen gemäß § 9 WpHG, insbesondere die Nutzung von Börsenschlüsseln der WM Tabelle G 32, die Darstellung von IW-, Groß- und Sammelorders und Hinweisen zur Meldepflicht von Kapitalanlagegesellschaften2. Davor sind zahlreiche weitere, jeweils Detailfragen betreffende Rundschreiben zum Meldewesen ergangen3. – Das Rundschreiben 9/2006 (WA) 18.12.2006 über Anforderungen an Prüfer für den Jahresabschluss nach § 28 KWG und für die Prüfung nach § 36 WpHG bei Finanzdienstleistungsinstituten und nicht verbandsgeprüften Kreditinstituten4. – Das Rundschreiben 12/2007 (WA) vom 21.12.2007 zur Umsetzung der MiFID5, mit welchem die BaFin darüber informiert, welche Änderungen die Umsetzung der MiFID für nach dem 1.1.2008 erfolgende Meldungen infolge des geänderten § 9 WpHG i.V.m. mit den Bestimmungen der überarbeiteten Fassung der WpHMV (s. oben Rz. 64) mit sich bringt. – Das Rundschreiben 5/2008 (WA) vom 20.3.2008 zur „Meldepflicht von Zweigniederlassungen europäischer Meldepflichtiger (branches) nach § 9 WpHG“6. – Das Rundschreiben 8/2008 (WA) vom 18.8.2008 zur „Überwachung von Mitarbeitergeschäften gemäß § 33b WpHG und § 25a KWG“7. – Das Rundschreiben 11/2009 (WA) vom 11.5.2009 zu den Übermittlungspflichten an das Unternehmensregister“8. – Das Rundschreiben 19/2009 (WA) vom 4.11.2009 „zur Meldepflicht von Freiverkehrsinstrumenten“9. – Das Rundschreiben 1/2010 (WA) vom 11.2.2010 „zur Auslegung der Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes über Informationen einschließlich Werbung von Wertpapierdienstleistungsunternehmen an Kunden“10. – Das Rundschreiben 4/2010 (WA) vom 7.6.2010 über „Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (MaComp)“11, in der Neufassung vom 14.6.201112. 1 Sämtliche der nachfolgend angeführten Rundschreiben sind auf der Website der BaFin zu finden: www.bafin.de unter Startseite . Veröffentlichungssuche . Suchoptionen: Rundschreiben/Wertpapieraufsicht. 2 Geschäftszeichen IT 4 – W 2110 – 65/2003. 3 Im Einzelnen: Rundschreiben 28/2002 (WA) vom 4.12.2002, Geschäftszeichen Z 11 – W 2110 – 45/2002; Rundschreiben 33/2003 vom 6.12.2002, Geschäftszeichen Z 11 – W 2110 – 47/2002; Rundschreiben 4/2003 (WA) vom 26.3.2003, Geschäftszeichen IT 4 – W 2110 – 19/2003; Rundschreiben 7/2003 (WA) vom 16.7.2003, Geschäftszeichen IT 4 – W 2110 – 36/2003. 4 Geschäftszeichen WA 37 – Wp 2001 – 2006. 5 Geschäftszeichen WA 14 – Wp 2001 – 2007/0110. 6 Geschäftszeichen WA 14 – Wp 2001 – 2008/0028. 7 Geschäftszeichen WA 31 – Wp 2200 – 2008/0028. 8 Geschäftszeichen WA 14 – Wp 2001 – 2009/0024. 9 Geschäftszeichen WA 14 – Wp 2001 – 2009/0081. 10 Geschäftszeichen WA 36 – Wp 2002 – 2008/0001. 11 Geschäftszeichen WA 31 – Wp 2002 – 2009/0010. 12 WA 31 – Wp 2002 – 2009/0010, abrufbar über den Ersteintrag bei Google-Eingabe: MaComp 14.6.2011.
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Des Weiteren legt sich die BaFin durch Auslegungsentscheidungen auf eine bestimmte Auslegung von Vorschriften des Aufsichtsrechts fest. Wiederum bindet die in diesen zum Ausdruck gebrachte Praxis der Aufsichtsbehörde nur die BaFin, nicht aber die Gerichte und die Strafverfolgungsbehörden. Für die Auslegung von Vorschriften des WpHG sind von Bedeutung1: – Das Informationsblatt vom 1.2.1998 betreffend Meldepflichten nach § 9 WpHG für Finanzdienstleistungsinstitute2. – Die Schreiben vom 20.12.2001 bzw. vom 25.6.2002 betreffend Mitteilungen nach § 9 WpHG für Geschäfte in Derivaten im System der Terminbörse Eurex3. – Die Bekanntgabe vom 18.7.2002 der Kriterien für die Befreiung von der Pflicht zur jährlichen Prüfung nach § 36 Abs. 1 WpHG (Neuregelung der Vorschrift des § 36 Abs. 1 Satz 2 WpHG)4. – Das Hinweisschreiben vom 6.2.2007 zu den Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten gemäß §§ 21 ff. WpHG5. – Die Auslegung einzelner Begriffe der §§ 31 Abs. 2 Satz 4, 34b Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) in Verbindung mit der Finanzanalyseverordnung (FinAnV) – Schreiben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 21.12.2007 zur Auslegung einzelner Begriffe der §§ 31 Abs. 2 Satz 4, 34b Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) in Verbindung mit der Verordnung über die Analyse von Finanzinstrumenten (Finanzanalyseverordnung – FinAnV)6. – Die Auslegungsentscheidung vom 29.1.2009 zur Änderung der Ermessenskriterien im Rahmen der Prüfungsbefreiung gemäß § 36 Abs. 1 Satz 3 WpHG7.
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Ungeachtet seiner Unverbindlichkeit für die Gerichte (die er mit Richtlinien, Rundschreiben und anderen Verlautbarungen der BaFin teilt) und der zwischenzeitlich eingetretenen Änderungen des WpHG kommt dem Emittentenleitfaden der BaFin (mit Stand vom 20.5.2009)8 eine erhebliche Bedeutung zu. Sie beruht vor allem auf dem Umstand, dass der Leitfaden von der Praxis als maßgebliche Orientierung genommen wird sowie die Verwaltungspraxis der Aufsichtsbehörde in Bezug auf die Bestimmungen des WpHG über Insiderhandel, Ad-hoc-Publizität, Directors’ Dealings, Marktmanipulation und Insiderverzeichnisse widerspiegelt.
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Leitfäden eigener Art sind auch die Merkblätter (früher: Informationsblätter, s. 4. Aufl. Rz. 62). Sie bieten allerdings weniger Hilfestellungen für die Auslegung einzelner Normen als eine Übersicht über einzelne Regelungsbereiche. Für die Vorschriften des WpHG ist unmittelbar relevant das Merkblatt vom 6.2.2007 mit Hinweisen zu den Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten gemäß §§ 21 ff. WpHG9. 1 Sämtliche Auslegungsentscheidungen sind abrufbar von der Website der BaFin unter www.bafin.de Startseite . Veröffentlichungssuche . Suchoptionen: Auslegungsentscheidungen/Wertpapieraufsicht. 2 S. www.bafin.de Startseite . Veröffentlichungssuche . Suchoptionen: Auslegungsentscheidungen/Wertpapieraufsicht unter Datum 1.2.1998. 3 Geschäftszeichen II 3 – W 2110 – 82/2001 bzw. Z 11 (II 3 – W 2110 – 82/2001). 4 Geschäftszeichen WA 32 – 2536-1/2002. 5 Geschäftszeichen WA 12 – Wirtschaftsstrafrechtirtschaftsstrafrecht 2001 – 2007/0004. 6 Geschäftszeichen WA 36 – Wp 2002 – 2007/0006. 7 Geschäftszeichen WA 32 – Wirtschaftsstrafrecht 2030 – 2008/0001. 8 S. www.bafin.de Startseite . Veröffentlichungssuche . Suchoptionen: Leitfäden/Wertpapieraufsicht. Dazu Bedkowski, BB 2209, 394. 9 S. www.bafin.de Startseite . Veröffentlichungssuche . Merkblätter/Wertpapieraufsicht unter Datum 6.2.2007.
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Zahlreiche Merkblätter beschäftigen sich mit Tatbeständen der §§ 1 ff. KWG – wie etwa das Finanzkommissionsgeschäft oder die Anlageberatung – und erlangen damit mittelbar auch Bedeutung für die Auslegung entsprechender Tatbestände des § 2 WpHG1. Aktuelle Informationen unter anderem zur Aufsichtspraxis bietet das seit Januar 2007 monatlich erscheinende BaFinJournal2. Darüber hinaus finden sich aufschlussreiche Hinweise zu verschiedenen Feldern der Aufsichtstätigkeit und Rechtsanwendung der BaFin auch in deren Jahresberichten3.
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2. Allgemeine Auslegungsregeln Im WpHG sind Vorschriften zusammengefasst, die nach herkömmlicher Rechtssys- 72 tematik teils dem öffentlichen Recht, teils dem Straf- und Ordnungswidrigkeitsrecht und teils dem Zivilrecht zuzuordnen sind. Dieser für die wirtschaftsrechtliche Gesetzgebung nicht untypische Befund zwingt zu einer differenzierten Normauslegung nach den für die jeweiligen Rechtsbereiche maßgeblichen Rechtsanwendungsregeln. Soweit es um die Auslegung einzelner Bestimmungen im Zusammenhang mit der Anwendung der in §§ 38 f. WpHG enthaltenen Straf- und Bußgeldvorschriften geht, ist namentlich das straf- und ordnungswidrigkeitsrechtliche Analogieverbot zu beachten (s. dazu auch Vor § 21 Rz. 47 f.4 Danach bildet der mögliche Wortsinn Ausgangspunkt und Grenze der Auslegung5. In dem so gesteckten Rahmen kann die Auslegung historische, systematische und teleologische Gesichtspunkte zur Geltung bringen6, muss diese indes, da es sich bei den Vorschriften des WpHG um sog. angeglichenes Recht handelt, nach Maßgabe gemeinschaftlicher Auslegungsregeln (s. unten Rz. 74 ff.) handhaben. Zur Auslegung namentlich der Vorschriften der §§ 21 ff. WpHG s. Vor § 21 Rz. 33 ff. Bislang nur wenig erörtert ist die Frage, ob die Wortlautgrenze der Auslegung, nament- 73 lich unter Berufung auf teleologische Erwägungen, überschritten werden darf, wenn es um zivilrechtliche Folgen des Verstoßes gegen straf- oder ordnungswidrigkeitsrechtlich sanktionierte Verhaltensge- oder -verbote des WpHG geht. Das wird von Cahn7 im Hinblick auf den diesbezüglichen Hauptanwendungsfall der Behandlung von Vorschriften des WpHG, die als Schutzgesetze i.S. von § 823 Abs. 2 BGB zu betrachten sind, bejaht, wobei eine gespaltene Gesetzesanwendung in Kauf genommen wird. Rechtspolitisch mag man dieser Auffassung zugute halten, dass der Gesetzgeber einzelne Verhaltensge- oder -verbote des WpHG durchaus konform den Vorgaben der umzusetzenden europäischen Richtlinien (s. oben Rz. 13, 19) auch zivilrechtlich hätte sanktionieren können, wodurch die einschlägigen Vorschriften der Rechtsfortbildung nach zivilrechtlichen Grundsätzen zugänglich gewesen wären. De lege lata ist die fragliche Ansicht indes nicht haltbar: Die sich über den Wortlaut eines strafrechtlichen 1 Die einschlägigen Merkblätter finden sich unter www.bafin.de Startseite . Veröffentlichungssuche . Merkblätter/Wertpapieraufsicht. 2 Abrufbar unter www.bafin.de Startseite . Veröffentlichungssuche . Mitteilungsblätter. Es ersetzt das Mitteilungsblatt „VerBaFin“ („Veröffentlichungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht“). 3 Abrufbar unter www.bafin.de Startseite . Veröffentlichungssuche . Jahresberichte. 4 BVerfGE 25, 269 und BVerfGE 92, 1, 12; s., statt Vieler, m.w.N. Eser, in: Schönke/Schröder, § 1 StGB Rz. 24 ff. und Rogall, in: KK OWIG, § 3 Rz. 51 ff. 5 Eser, in: Schönke/Schröder, § 1 StGB Rz. 37 f., 55. 6 Eser, in: Schönke/Schröder, § 1 StGB Rz. 39 ff.; allgemein zur Rangfolge ebd. Rz. 53. 7 Cahn, ZHR 162 (1998), 9 f.
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Schutzgesetzes hinwegsetzende zivilrechtliche Auslegung bedeutet de facto die richterrechtliche Ausweitung des dieser Bestimmung vom Gesetzgeber beigelegten Schutzbereichs. Zwar wird im deliktsrechtlichen Schrifttum heute verbreitet die Ansicht vertreten, zumindest „gesetzesvertretendes Richterrecht in Form relativ ‚fertiger‘, von Einzelsachverhalten gelöster Normen“ müsse als „Bezugsgegenstand des § 823 Abs. 2 BGB in Betracht kommen können“1, doch sind diese Voraussetzungen im Falle der Anwendung konkreter strafgesetzlicher Schutzgesetze offenkundig nicht gegeben. Hinzu kommt, dass der EuGH in seiner Entscheidung Grøngaard und Bang in einem obiter dictum der gespaltenen Richtlinienauslegung und damit auch der gespaltenen Auslegung nationalen Rechts eine Absage erteilt hat2. 3. Das Wertpapierhandelsgesetz als „angeglichenes Recht“ 74
Wie bereits an früherer Stelle (Rz. 72) erwähnt, ist bei der Auslegung sämtlicher Bestimmungen des WpHG zu beachten, dass es sich bei diesen um unionsrechtlich angeglichenes nationales Recht handelt, d.h. um Recht, das der nationale Gesetzgeber entsprechend unionssekundärrechtlichen Vorgaben erlassen hat. In diesem Sinne „angeglichenes Recht“ unterliegt nicht nur im Hinblick auf seine Änderung, sondern auch in Bezug auf seine Anwendung und Fortbildung einigen Besonderheiten. Dabei sind es weniger die kompetentiellen Sperren, die das Unionsrecht nationaler Gesetzgebungskompetenz auferlegt3, als die Rechtsanwendungsfragen, die besondere Hervorhebung verdienen.
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Das WpHG, dessen Normen nahezu durchweg angeglichenes Recht darstellen, enthält in nicht gerade geringem Maße Vorschriften mit unbestimmten, konkretisierungsbedürftigen Rechtsbegriffen. Soweit die anzuwendende Norm unmittelbar der Transformation einer Richtlinie in nationales Recht dient oder zumindest den Regelungsbereich einer solchen Richtlinie berührt, ist sie, im Rahmen und auf der Grundlage des nach den nationalen Auslegungsregeln Möglichen4, richtlinienkonform auszulegen5. 1 Mertens, in: MünchKomm. BGB, 3. Aufl. 1997, § 823 BGB Rz. 172 m.w.N. 2 EuGH v. 22.11.2005 – Rs. C-384/02, WM 2006, 612 (615 Rz. 28). Vgl. auch Vor § 21 Rz. 41 f. 3 Dazu etwa Hayder, RabelsZ 53 (1989), 655. 4 EuGH v. 5.10.2004 – verb. Rs. C-397/01 bis C-403/01, ZIP 2004, 2342 (2343), Rz. 115 ff. („Pfeiffer“). Das schließt die über den Wortlaut einer Vorschrift hinausgehende „richtlinienkonforme“ Rechtsfortbildung ein. S. BGH v. 26.11.2008 – VIII ZR 200/05 („Quelle-Folgeentscheidung“), NJW 2009, 427, Ls. 1: „soweit dies nötig und möglich ist“). 5 EuGH v. 10.4.1984 – Rs C-14/83 („von Colson“ und „Kamann“), EuGHE 1984, 1891 (1909); EuGH v. 10.4.1984 – Rs C-79/83 („Harz“), EuGHE 1984, 1921 (1942); EuGH v. 8.10.1987 – Rs C-80/86 („Kolpinghuis Nijmegen“), EuGHE 1987, 3969 (3986 f.); EuGH v. 4.2.1988 – Rs C-157/86 („Murphy“), EuGHE 1988, 673 (678 f.); EuGH v. 7.11.1989 – Rs C-125/88 („Nijmann“), EuGHE 1989, 3533 (3546); EuGH v. 13.11.1990 – Rs C-106/89 („Marleasing“), EuGHE 1990, 4135 (4158 ff.); EuGH v. 16.12.1993 – Rs C-334/92 („Wagner Miret“), EuGHE 1993, 6911 (6932); EuGH v. 14.7.1994 – Rs. C-91/92, EuGHE 1994, 3325 (3357) („Faccini Dori“); EuGH v. 27.6.2000 – Rs C-240 bis 244/98 („Océano“), EuGHE 2000, 4941 (4955); EuGH v. 13.7.2000 – Rs C-456/98 („Centrosteel“), EuGHE 2000, 1651; EuGH v. 15.5.2003 – Rs C-160/01 („Mau“), NJW 2003, 2371 (Rz. 34); EuGH v. 23.10.2003 – Rs C-408/01 („Adidas“), EuZW 2004, 54 (Rz. 21); EuGH v. 5.10.2004 – Rs C-397/01 bis C-403/01 („Pfeiffer“), NJW 2004, 3547 (Rz. 113–116); EuGH v. 4.7.2006 – Rs C-212/04 („Adeneler“), NJW 2006, 2465 (Rz. 110–112); EuGH v. 6.12.2005 – Rs C-461/03 („Gaston Schul Douane-expediteur“), Slg. 2005, I-10513 (Rz. 21); EuGH v. 10.1.2006 – Rs C-344/04 („IATA und ELFAA“), NJW 2006, 351 (Rz. 27); EuGH v. 17.4.2008 – Rs C-404/06 („Quelle“), NJW 2008, 1433 (Rz. 22). Zur richtlinienkonformen Auslegung nationalen Rechts s. den Überblick bei Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Kap. 4 Rz. 17 ff.; Langenbucher, in: Langenbucher (Hrsg.), § 1
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Zur Konkretisierung der Grenzen richtlinienkonformer Auslegung von mitgliedstaatlichen Rechts, das der Angleichung nationalen Rechts an Gemeinschaftsrecht dient, ist der BGH in seiner sog. Quelle-Folgeentscheidung von seiner Rechtsprechung abgerückt, der Wortlaut eines nationalen Gesetzes bilde eine absolute Grenze für die richtlinienkonforme Auslegung1. Um die Auslegungsgrenze des Gesetzeswortlauts zu überwinden, kommt zukünftig vor allem eine teleologische Reduktion der fraglichen Vorschrift in Betracht. Das setzt indes den Nachweis voraus, dass der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift die Richtlinie korrekt umzusetzen gedachte. Dabei muss sich der Wille der korrekten Richtlinienumsetzung auf die konkrete in Frage stehende Regelung beziehen, wohingegen ein genereller Wille zur Umsetzung der Richtlinie nicht als ausreichend zu betrachten ist2. Das wiederum verlangt eine Auslegung des Unionsrechts nach den hierfür maßgeb- 76 lichen unionsrechtlichen Auslegungsmethoden3: In deren Vordergrund steht die Wortlautauslegung. Sie führt allerdings gerade bei der Interpretation des Unionssekundärrechts selten zu klaren Ergebnissen, weil die Auslegung auf die Ermittlung der Wortbedeutung in dem insoweit rechtsdogmatisch noch wenig elaborierten Unionsrecht gerichtet ist und selbst dann nicht auf eine mitgliedstaatliche Begriffsbildung zurückgegriffen werden darf, wenn diese einem Regelungszusammenhang entstammt, welcher der fraglichen Richtlinie ganz offenbar als Regelungsvorbild oder -grundlage diente. Im Mittelpunkt der Auslegung des Unionssekundärrechts steht deshalb die systematisch-teleologische Auslegung4. Sie umfasst einerseits die Frage nach dem sich aus der Systematik des Vertrages, des Unionssekundärrechts und der jeweiligen Richtlinie ergebenden Sinn der Norm und andererseits diejenige nach dem Zweck der Vorschrift. So wie sich der EuGH im Zusammenhang mit der Auslegung des Unionsrechts 77 durchaus der Rechtsvergleichung (in Bezug auf die einzelnen mitgliedstaatlichen Regelungen) bedient, verlangt er eine solche auch bei der Auslegung angeglichenen nationalen Rechts durch den nationalen Rechtsanwender: Auch wenn die Herkunft des Regelungsmodells einer Richtlinie oder einzelner ihrer Vorschriften aus dem Rechtssystem bestimmter Mitgliedstaaten bei der Anwendung angeglichenen Rechts als unbeachtlich zu gelten hat5, ist bei der Auslegung angeglichenen Rechts doch die Art und Weise der Umsetzung und Auslegung einer Richtlinie durch die übrigen Mitgliedstaaten bzw. deren Gerichte mit zu berücksichtigen.
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Rz. 75 ff.; Roth, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. 2010, § 14. Ferner etwa Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994; Canaris, in: Koziol (Hrsg.), FS Bydlinski 2002, S. 47 ff.; Ehricke, RabelsZ 59 (1995), 598; Everling, ZGR 1992, 376 (382 ff.); Di Fabio, NJW 1990, 947 ff.; Götz, NJW 1992, 1849 ff.; Grundmann, ZEuP 1996, 399; Grundmann, JZ 1996, 274; Höpfner/Rüthers, AcP 209 (2009), 1 (25 ff.); Jarass, EuR 1991, 211 ff.; Lutter, JZ 1992, 593 (604 ff.); Roth, Die richtlinienkonforme Auslegung, EWS 2005, 385; Thüsing, ZIP 2004, 2301; Unberath, ZEuP 2005, 5 (6 ff. m.w.N.). BGH v. 26.11.2008 – VIII ZR 200/05 („Quelle-Folgeentscheidung“), NJW 2009, 427. Hierzu Gebauer, GPR 2009, 82; Herrler/Tomasic, ZIP 2009, 181; Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Kap. 4 Rz. 37 ff.; Gsell, JZ 2009, 522; Langenbucher, in: Langenbucher (Hrsg.), § 1 Rz. 90 f.; Lorenz, LMK 2009, 273611; Pfeiffer, NJW 2009, 412; Staudinger, JuS 2009, 309. Vgl. Pfeiffer, NJW 2009, 412 f. Zur Auslegung von Gemeinschaftsrecht s. etwa Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Kap. 4 Rz. 3 ff.; Langenbucher, in: Langenbucher (Hrsg.), § 1 Rz. 5 ff.; Nettesheim, in: Oppermann/Classen/Nettesheim (Hrsg.), Europarecht, 4. Aufl. 2009, § 9 Rz. 165 ff.; Henninger, Europäisches Privatrecht und Methode, 2009, S. 275 ff. Gebauer, in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Kap. 4 Rz. 7. Lutter, JZ 1992, 593 (601 f. m.w.N.).
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IV. Direkt anwendbares europäisches Recht 78
Werden die europäischen Richtlinien erst durch ihre Umsetzung durch den jeweiligen Mitgliedstaat zu nationalem Recht, so stellen europäische Verordnungen auch ohne weitere Rechts- oder Umsetzungsakte in allen Mitgliedsstaaten der EU unmittelbar geltendes Recht dar (Art. 288 Abs. 2 und Abs. 3 AEUV). Zusätzlich zu den Vorschriften des WpHG sind für die von diesem erfassten Regelungsbereiche folgende Verordnungen zu berücksichtigen: – Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 der Kommission vom 10.8.2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufzeichnungspflichten für Wertpapierfirmen, die Meldung von Geschäften, die Markttransparenz, die Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel und bestimmte Begriffe im Sinne dieser Richtlinie1. – Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9.2009 über Ratingagenturen2 sowie die Verordnung (EU) Nr. 513/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.5.2011 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen3. Durch die Letztere sind Teile der Regelung des § 17 WpHG obsolet geworden (s. § 17 Rz. 10 ff.). – Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/ 2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission4.
V. Einrichtung eines Europäischen Finanzaufsichtssystems 79
Die 2007 einsetzende Finanzkrise hat nicht nur Schwächen des nationalen, sondern auch des europäischen Aufsichtssystems offenbart5. Vor allem wurde offenkundig, dass die europäische Finanzmarktaufsicht trotz erheblicher Fortschritte bei der Finanzmarktintegration und einer zunehmenden Zahl grenzübergreifend tätiger Unternehmen noch immer national fragmentiert ist6. Um diese Schwäche zu beseitigen, sind seit Oktober 2008 auch Bestrebungen zur Weiterentwicklung der europäischen Finanzmarktaufsicht im Gange. Eingeleitet wurden sie dadurch, dass Kommissionspräsident Barroso im Oktober 2008 eine hochrangige Expertengruppe unter dem Vorsitz des ehemaligen geschäftsführenden Direktors des IWF Jacques de Larosière einsetzte und sie beauftragte, Empfehlungen zur Schaffung eines effizienten, integrierten
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ABl. EG Nr. L 241 v. 2.9.2006, S. 1. ABl. EU Nr. L 302 v. 17.11.2009, S. 1. ABl. EU Nr. L 145 v. 31.5.2011, S. 30. ABl. EU Nr. L 331 v. 15.12.2010, S. 84. So heißt es etwa in Erwägungsgrund 1 der Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Errichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken, ABl. EU Nr. L 331 v. 15.12.2010, S. 1: „Die Aufsichtsmodelle auf nationaler Ebene konnten mit der Globalisierung des Finanzsektors und mit der Realität der Integration und Verknüpfung der europäischen Finanzmärkte mit vielen grenzüberschreitend tätigen Finanzinstituten nicht Schritt halten. Die Krise brachte Mängel bei der Zusammenarbeit, bei der Koordinierung, bei der kohärenten Anwendung des Unionsrechts und einen Mangel an Vertrauen zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden zutage.“ 6 Vgl. Kommissionsvorschlag KOM(2009)499 v. 23.9.2009, S. 2 (1. Kontext des Vorschlags).
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und nachhaltigen Aufsichtsrahmens zu erarbeiten. Die Expertengruppe legte am 25.2.2009 ihren Bericht vor1. Die Empfehlungen der Larosière-Gruppe wurden im März 2009 von der Kommission 80 und dem Europäischen Rat gebilligt2. Aus ihnen sind vier in den Mitgliedstaaten der EU unmittelbar geltende Verordnungen hervorgegangen: – Eine der Verordnungen – die VO (EU) Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments 81 und des Rates vom 24.11.2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Errichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken – hat die Schaffung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (ESRB) zum Gegenstand3. Der Ausschuss soll „die potenziellen Risiken für die Finanzmarktstabilität, die sich aus makroökonomischen Entwicklungen und aus Entwicklungen innerhalb des Finanzsystems insgesamt ergeben, überwachen und bewerten“, um „frühzeitig vor sich abzeichnenden systemweiten Risiken warnen und erforderlichenfalls Empfehlungen für Maßnahmen zur Eindämmung dieser Risiken aussprechen“ zu können4. – Drei weitere Verordnungen haben die Einrichtung eines Europäischen Finanzauf- 82 sichtssystems (ESFS) zum Gegenstand, das sich aus einem Netz nationaler Finanzaufsichtsbehörden zusammensetzt, die mit den neuen Europäischen Aufsichtsbehörden („European Supervisory Authorities“/ESA) kooperieren. Ankerpunkte dieses neuen Aufsichtssystems sind drei neue europäische Aufsichtsbehörden, die durch die Zusammenführung und Umbildung der vorhandenen europäischen Aufsichtsausschüsse in eine Europäische Bankaufsichtsbehörde („European Banking Authority“/EBA mit Sitz in London)5, eine Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung („European Insurance and Occupational Pensions Authority“/EIOPA mit Sitz in Frankfurt am Main)6 und eine Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde („European Securities and Markets Authority“/ESMA mit Sitz in Paris)7 geschaffen wurden. Um ein reibungsloses 1 Der Bericht ist abrufbar unter http://ec.europa.eu/internal_market/finances/docs/de_laro siere_report_de.pdf. 2 Zum weiteren Verlauf der Umsetzung der Vorschläge s. etwa Begründung zum Kommissionsvorschlag zu einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die gemeinschaftliche Finanzaufsicht auf Makroebene und zur Einsetzung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken, KOM(2009)499 v. 23.9.2009, S. 2 (1. Kontext des Vorschlags) und Erwägungsgrund 3 ff. der Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Errichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken, ABl. EU Nr. L 331 v. 15.12.2010, S. 1 f. 3 ABl. EU Nr. L 331 v. 15.12.2010, S. 1. 4 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung einer Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde, KOM(2009)503 v. 23.9.2009, S. 2 (1. Kontext des Vorschlags). 5 Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission, ABl. EU Nr. L 331 v. 15.12.2010, S. 12. 6 Verordnung (EU) Nr. 1094/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/79/EG der Kommission, ABl. EU Nr. L 331 v. 15.12.2010, S. 48. 7 Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier-
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Funktionieren des Europäischen Finanzaufsichtssystems zu gewährleisten, waren Änderungen der Rechtsakte der Union im Tätigkeitsbereich der drei neuen europäischen Aufsichtsbehörden notwendig. Sie betrafen die Festlegung des Umfangs bestimmter Befugnisse der Behörden, die Integration bestimmter Befugnisse, die durch bestehende Rechtsakte der Union festgelegt sind, sowie Änderungen, die eine reibungslose und wirksame Funktionsweise der Behörden im Rahmen des Europäischen Finanzaufsichtssystems ermöglichen sollen, und wurden durch Richtlinie 2010/78/EU vom 24.11.20101 in die Wege geleitet. Die Richtlinie wurde durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2010/78/EU vom 24. November 2010 im Hinblick auf die Errichtung des Europäischen Finanzaufsichtssystems vom 4.12.2011 in deutsches Recht umgesetzt (s. dazu oben Rz. 57). 83
Das neue Europäische Finanzaufsichtssystem soll die Qualität und Kohärenz der nationalen Aufsicht verbessern und es damit nicht mehr dem Zufall überlassen, ob die nationalen Aufsichtsbehörden bei Aufsichtsentscheidungen für grenzübergreifend tätige Finanzmarktteilnehmer effektiv zusammenarbeiten und zur bestmöglichen Lösung gelangen. Ziel der Maßnahmen ist der Aufbau eines integriertes Netzes nationaler Aufsichtsbehörden und Aufsichtsbehörden der Union, in dem die laufende Beaufsichtigung auf nationaler Ebene verbleibt, aber eine kohärente Anwendung und Weiterentwicklung der europäischen Aufsichtsregeln gewährleistet wird. Nur in wenigen Fällen übernehmen die neuen europäischen Aufsichtsbehörden direkte Aufsichtsfunktionen, wie etwa die ESMA in Gestalt von Aufsichtsbefugnissen über Ratingagenturen (s. dazu § 17 Rz. 10). Zu den Aufgaben der ESMA und zu den Befugnissen der Behörde bei der Durchsetzung derselben im Einzelnen ist auf Art. 8 Abs. 1 bzw. Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde2 zu verweisen.
und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission, ABl. EU Nr. L 331 v. 15.12.2010, S. 84. 1 Richtlinie 2010/78/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 zur Änderung der Richtlinien 98/26/EG, 2002/87/EG, 2003/6/EG, 2003/41/EG, 2003/71/EG, 2004/39/EG, 2004/109/EG, 2005/60/EG, 2006/48/EG, 2006/49/EG und 2009/65/EG im Hinblick auf die Befugnisse der Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), der Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung) und der Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), ABl. EU Nr. L 331 v. 15.12.2010, S. 120. 2 Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapierund Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission, ABl. EU Nr. L 331 v. 15.12.2010, S. 84 (95 f.).
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Abschnitt 1 Anwendungsbereich, Begriffsbestimmungen §1 Anwendungsbereich (1) Dieses Gesetz ist anzuwenden auf die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen, den börslichen und außerbörslichen Handel mit Finanzinstrumenten, den Abschluss von Finanztermingeschäften, auf Finanzanalysen sowie auf Veränderungen der Stimmrechtsanteile von Aktionären an börsennotierten Gesellschaften. (2) Die Vorschriften des dritten und vierten Abschnitts sowie die §§ 30h, 30i, 34b und 34c sind auch anzuwenden auf Handlungen und Unterlassungen, die im Ausland vorgenommen werden, sofern sie Finanzinstrumente betreffen, die an einer inländischen Börse gehandelt werden. (3) Die Vorschriften des dritten und vierten Abschnitts sowie die §§ 34b und 34c sind nicht anzuwenden auf Geschäfte, die aus geld- oder währungspolitischen Gründen oder im Rahmen der öffentlichen Schuldenverwaltung von der Europäischen Zentralbank, dem Bund, einem seiner Sondervermögen, einem Land, der Deutschen Bundesbank, einem ausländischen Staat oder dessen Zentralbank oder einer anderen mit diesen Geschäften beauftragten Organisation oder mit für deren Rechnung handelnden Personen getätigt werden. In der Fassung des Gesetzes zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte vom 21.7.2010 (BGBl. I 2010, 945). Schrifttum: s. Einl.
Inhaltsübersicht I. Der Regelungsgehalt der Bestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. § 1 Abs. 1 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 1 Abs. 2 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . 3. § 1 Abs. 3 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Der „organisierte“ Markt als Kernpunkt der Regelung des WpHG . . . .
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III. Komplementarietät von WpHG und KWG: Operationale und institutionelle Regulierung . . . . . . . . . . .
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I. Der Regelungsgehalt der Bestimmung Die zuletzt durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte vom 21.7.2010 (WpMiVoG)1 in ihrem Abs. 2 geänderte Vorschrift (s. unten Rz. 4) umreißt den Anwendungsbereich des Gesetzes.
1 BGBl. I 2010, 945. S. auch Einl. Rz. 47 ff.
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§1
Anwendungsbereich
1. § 1 Abs. 1 WpHG 2
§ 1 Abs. 1 WpHG ist ohne eigenständigen Regelungsgehalt1, weil er keine Anwendungsvoraussetzungen für die nachfolgenden Vorschriften der Abschnitte 2 bis 11 des WpHG formuliert, die sich nicht aus diesen selbst (in Verbindung mit den Begriffsbestimmungen und Ausnahmeregelungen in §§ 2, 2a WpHG) ergeben2. In der Sache enthält § 1 Abs. 1 WpHG nicht mehr als eine Zusammenfassung der im WpHG enthaltenen Regelungsfelder, die sich teils einer abstrahierenden, teils einer konkreten Beschreibung bedient. Letzteres ist nur in dem Umfang der Fall, als sich einzelne Regelungsmaterien, wie etwa die Finanzanalyse, nicht der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen oder dem Handel mit Finanzinstrumenten zuordnen lassen. Vollständig gelungen ist dieser Versuch der Umschreibung des Anwendungsbereichs des WpHG gleichwohl nicht, denn nicht alle Regelungsbereiche des Gesetzes sind von teils abstrakten teils konkreten Bezeichnung der Regelungsfelder des WpHG erfasst3. Das gilt für alte Regelungsfelder, die – wie das Insiderrecht, die Ad-hoc-Publizität und die Meldepflicht bei Veränderung einer bedeutenden Beteiligung – allenfalls im Zusammenhang mit dem Handel von Finanzinstrumenten stehen, aber keinen solchen Handel darstellen, nicht anders als neu in das Gesetz gelangte Regelungsmaterien wie etwa die Vorschriften betreffend die Überwachung von Unternehmensabschlüssen und die Veröffentlichung von Finanzberichten (§§ 37n-37z WpHG). Zu den Änderungen, die § 1 Abs. 1 WpHG durch Art. 1 Nr. 2 AnSVG vom 28.10.2004 (Einl. Rz. 29) erfahren hat, s. näher 4. Aufl. des Kommentars § 1 Rz. 2.
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Ungeachtet des Umstands, dass § 1 Abs. 1 WpHG ein eigenständiger Regelungsgehalt fehlt, mag ihm doch in zwei Punkten eine klarstellende Funktion zukommen4: Zum einen macht er deutlich, dass das Gesetz, sofern sich aus den einzelnen Bestimmungen nichts anderes ergibt, grundsätzlich gleichermaßen auf den börslichen wie den außerbörslichen Handel mit Finanzinstrumenten anzuwenden ist. Dabei ist die Frage, ob ein außerhalb der Börse zwischen Privaten zustande gekommenes Geschäft als ein solches des außerbörslichen „Handels“ zu verstehen ist, im Lichte der jeweils betroffenen Vorschrift des WpHG zu beurteilen. Im Hinblick auf die Anwendung des Insiderrechts sind diesbezüglich Zweifel angemeldet worden, doch sind diese spätestens durch Art. 9 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie vom 28.1.20035 zerstreut worden, welcher keinen Zweifel daran lässt, dass auch sog. Face-to-face-Geschäfte vom Insiderhandelsverbot erfasst sind6. Zumindest für die der Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie dienenden Bestimmungen des WpHG unterfällt jedes außerbörsliche Geschäft mit Finanzinstrumenten dem Begriff des außerbörslichen Handels. Zum anderen lässt sich der Vorschrift des § 1 Abs. 1 WpHG (ex negativo) entnehmen, dass die Börsenaufsicht, einschließlich der diesbezüglichen Zuständigkeit der Länder für dieselbe, nicht in den Regelungsbereich des Gesetzes fällt7.
1 Ebenso Fuchs, in: Fuchs, § 1 WpHG Rz. 4; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 1 Rz. 2; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 1 WpHG Rz. 1; Zimmer, in: Schwark/ Zimmer, § 1 WpHG Rz. 11. 2 Ebenso Zimmer, in: Schwark/Zimmer, § 1 WpHG Rz. 11. 3 Auch Fuchs, in: Fuchs, § 1 WpHG Rz. 6; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 1 Rz. 2; Zimmer, in: Schwark/Zimmer, § 1 WpHG Rz. 12. 4 Ebenso Zimmer, in: Schwark/Zimmer, § 1 WpHG Rz. 13. 5 ABl. EG Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16 ff. 6 Zu Einzelheiten s. § 14 Rz. 42. 7 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 39.
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Assmann
Anwendungsbereich
§1
2. § 1 Abs. 2 WpHG § 1 Abs. 2 WpHG ist aufgrund von Art. 1 Nr. 2 AnSVG vom 28.10.2004 (Einl. Rz. 29) 4 in die Vorschrift eingefügt worden und dient der Umsetzung von Art. 10 der Marktmissbrauchsrichtlinie (Einl. Rz. 29). Das Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte vom 21.7.2010 (s. oben Rz. 1) hat die Regelung der Bestimmung über die §§ 34b und 34c WpHG auf die mit dem Gesetz neu in das WpHG eingefügten §§ 30h und 30i WpHG erstreckt (s. auch unten Rz. 4a). Im Gegensatz zu § 1 Abs. 1 WpHG weist Abs. 2 einen eigenständigen Regelungsgehalt auf. Er definiert den territorialen Anwendungsbereich1 der Vorschriften des 3. Abschnitts betreffend die Insiderüberwachung (§§ 12–16b WpHG), des 4. Abschnitts betreffend die Überwachung des Verbots der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), der §§ 34b und 34c WpHG betreffend die Analyse von Finanzinstrumenten sowie des Verbots ungedeckter Leerverkäufe in Aktien und bestimmten Schuldtiteln (§ 30h WpHG) und die Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten für Inhaber von NettoLeerverkaufspositionen (§ 30i WpHG). In der Sache hat § 1 Abs. 2 WpHG zur Folge, dass die angeführten Bestimmungen auch auf Handlungen (einschließlich des Unterlassens von Handlungen) anzuwenden sind, die zwar im Ausland vorgenommen wurden, aber Finanzinstrumente i.S. von § 2 Abs. 2b WpHG betreffen, die an einer inländischen Börse gehandelt werden. Da § 1 Abs. 2 WpHG die Anwendbarkeit nationalen Rechts auf grenzüberschreitende Sachverhalte regelt, kann die Vorschrift als einseitige Kollisionsnorm verstanden werden. Als Anknüpfung dient ihr der Umstand, dass sich auch im Ausland vorgenommene Handlungen oder Unterlassungen auf den inländischen Markt auswirken können, wenn diese Finanzinstrumente betreffen, die im Inland zum Handel an einer Börse zugelassen sind. Obwohl auch § 1 Abs. 2 WpHG dem sog. Auswirkungsprinzip folgt, hat die Vorschrift nicht die Generalität, in der § 130 Abs. 2 GWB alle im Ausland veranlassten, aber sich im Inland auswirkenden wettbewerbsbeschränkenden Handlungen den Vorschriften des GWB unterwirft; vielmehr bezieht sie sich nur auf die Anwendung der Vorschriften über den Insiderhandel und die Marktmanipulation sowie der §§ 30h, 30i, 34b und 34c WpHG und erklärt diese auch nur dann für anwendbar, wenn es um Handlungen und Unterlassungen im Ausland geht, welche Finanzinstrumente betreffen, die an einer inländischen Börse gehandelt werden. Inwieweit andere als die in § 1 Abs. 2 WpHG genannten Vorschriften des WpHG auf Fälle mit Auslandsberührung anzuwenden sind, ist den jeweiligen Vorschriften und den für sie maßgeblichen Kollisionsnormen zu entnehmen. Darüber hinaus lässt Abs. 2 anderweitige Beschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschriften des 3. und 4. Abschnitts des WpHG und der §§ 30h, 30i, 34b und 34c WpHG, „wie etwa im Falle des § 15 auf Emittenten börsenzugelassener Finanzinstrumente“, unberührt2. Die bereits in Rz. 1 angeführte Erstreckung der Regelung des § 1 Abs. 2 WpHG auf die durch das Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte vom 21.7.2010 (Rz. 1) neu in das WpHG aufgenommenen Vorschriften über das Verbot ungedeckter Leerverkäufe in Aktien und bestimmten Schuldtiteln (§ 30h WpHG) und die Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten für Inhaber von Nett-Leerverkaufspositionen (§ 30i WpHG) soll klarstellen, dass diese Regelungen im Rahmen ihres materiellen Anwendungsbereichs auch für im Ausland verwirklichte Handlungen und Unterlassungen gelten, sofern an einer inländischen Börse ge-
1 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 28. 2 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 29.
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§1
Anwendungsbereich
handelte Finanzinstrumente betroffen sind1. Nach der Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte dienen die Verbote bzw. Transparenzverpflichtungen aus §§ 30h und 30i WpHG, nicht anders als die in § 1 Abs. 2 WpHG erfassten Marktmissbrauchsvorschriften der Abschnitte 3 und 4, der Integrität des inländischen Börsenhandels2. 4b
Pflichtenkollisionen aufgrund des dem (nach § 1 Abs. 2 WpHG anwendbaren) inländischen Recht widersprechenden Rechts anderer Staaten sind schon deshalb praktisch nicht zu erwarten, weil die Anforderungen aus den in § 1 Abs. 2 WpHG in Bezug genommenen Vorschriften nur „Finanzinstrumente betreffen, die an einer inländischen Börse gehandelt werden“ und die im Bereich der Mitgliedstaaten der EU möglicherweise in Betracht kommenden kollidierenden Vorschriften angeglichenes Recht darstellen. Kommt es im Einzelfall gleichwohl zu einer Pflichtenkollision, etwa weil das Handeln oder Unterlassen Finanzinstrumente betreffen, die auch an einer Börse in einem Staat gehandelt werden, der kein Mitgliedstaat der EU ist, so sollte dies unter dem Gesichtspunkt der comitas und der Herbeiführung eines internationalen Entscheidungseinklangs zur Nichtanwendbarkeit des deutschen Rechts führen3, sofern eine echte Pflichtenkollision besteht (d.h. die Erfüllung einer sich aus der einen Rechtsordnung ergebenden Pflicht die Verletzung einer aus der anderen Rechtsordnung folgenden Pflicht darstellt), das tatbestandliche Handeln oder Unterlassen im Ausland nicht offenkundig der Umgehung inländischen Rechts dient und die Berücksichtigung des ausländischen Rechts nicht zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist (Art. 6 EGBGB). Weniger ergiebig4 sind dagegen die Versuche, die Einschränkung der Anwendung inländischen Rechts anhand der Gesichtspunkte vorzunehmen, wie sie zur Bestimmung der Grenzen des in § 130 Abs. 2 GWB verkörperten Auswirkungsprinzips herangezogen werden5, da hier (über die durchaus auch für den Umgang mit Pflichtenkollisionen relevanten allgemeinen völkerrechtlichen Grenzen dieses Prinzips6 hinaus) überwiegend Kriterien wie die Spürbarkeit7, die Unmittelbarkeit und die Abwägung der Interessen der betroffenen Staaten8 oder die Vorhersehbarkeit der Auswirkung zur Anwendung kommen, die für Behandlung von Pflichtenkollisionen, die nicht der Disposition des Einzelnen unterliegt und deren Auflösung vorhersehbar sein muss, unbrauchbar sind.
1 Begr. RegE Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte, BT-Drucks. 17/1952, S. 8. 2 Begr. RegE Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte, BT-Drucks. 17/1952, S. 7 f. 3 Zur kollisionsrechtlichen Bedeutung und Behandlung von Pflichtenkollisionen im Internationalen Privatrecht s. Kropholler, Internationales Privatrecht, 6. Aufl. 2006, § 6 I (S. 37) und § 21 II 2 (S. 150 f.). Zu den Gesichtspunkten der comitas und des (äußeren) Entscheidungseinklangs s. Kropholler, ebd., § 6 (S. 36 ff.); Rauscher, Internationales Privatrecht, 3. Aufl. 2009, Rz. 55 ff.; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 9. Aufl. 2004, S. 139 ff. 4 Gänzlich ablehnend Fuchs, in: Fuchs, § 1 WpHG Rz. 12; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 1 Rz. 13; Zimmer, in: Schwark/Zimmer, § 1 WpHG Rz. 15. 5 Holzborn/Israel, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, WM 2004, 1948 (1949); Spindler, Kapitalmarktreform in Permanenz – Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, NJW 2004, 3449 (zu II 1). 6 S. Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), Wettbewerbsrecht, Bd. II: GWB – Kommentar zum Deutschen Kartellrecht, 4. Aufl. 2007, § 130 Rz. 134 ff. 7 Holzborn/Israel, WM 2004, 1948 (1949); Spindler, NJW 2004, 3449 (zu II 1). 8 Holzborn/Israel, WM 2004, 1948 (1949).
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§1
3. § 1 Abs. 3 WpHG Wie § 1 Abs. 2 WpHG ist § 1 Abs. 3 WpHG aufgrund von Art. 1 Nr. 2 AnSVG vom 5 28.10.2004 (Einl. Rz. 29) in die Vorschrift eingefügt worden, und auch ihm kommt, wie § 1 Abs. 2 WpHG, ein selbständiger Regelungsgehalt zu. Er ersetzt die bis zu ihrer Änderung durch das AnSVG geltende Regelung in § 20 WpHG und in § 20b Abs. 7 WpHG und dehnt den Regelungsgehalt der aufgehobenen Vorschriften auf die Finanzanalysen betreffenden Bestimmungen in §§ 34b, 34c WpHG aus. Obwohl die für die in § 1 Abs. 3 WpHG angeführten Geschäfte in Betracht kommen- 6 den Institutionen und Verantwortlichen in Bezug auf die Durchführung der von ihnen beschlossenen Transaktionen nicht als Insider anzusehen sind und es regelmäßig schon an der Kausalität des Insiderwissens für das jeweilige Geschäft fehlen wird, nimmt die Bestimmung die fraglichen Geschäfte von vornherein aus dem Anwendungsbereich des Insiderrechts heraus. Dabei handelt es sich um Geschäfte von Trägern hoheitlicher Gewalt im Rahmen der ihnen zugewiesenen gesetzlichen Aufgaben sowie um die Geschäfte derjenigen, die für diese Träger hoheitlicher Gewalt tätig werden. Entsprechendes gilt für das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG) und die Regelungen über die Finanzanalyse (§§ 34b, 34c WpHG). Die Bestimmung des Kreises der freigestellten Institutionen hängt sehr von der Les- 7 art der Bestimmung im Hinblick auf die Frage ab, welche Organisationen als „andere mit diesen Geschäften beauftragte Organisationen“ zu gelten haben. Art. 2 Abs. 4 Satz 1 der EG-Insiderrichtlinie (Einl. Rz. 13), der in dem durch § 1 Abs. 3 WpHG ersetzten § 20 WpHG a.F. (vgl. Rz. 5) in nationales Recht umgesetzt wurde, meinte damit nur Organisationen, die von einem Staat mit der Wahrnehmung der freigestellten Geschäfte dieses Staates beauftragt werden und gestattete in seinem Satz 2 die Ausdehnung der Freistellung auf „die Gliedstaaten bzw. die diesen gleichzustellenden Gebietskörperschaften“ eines Staates. Ist aufgrund dessen schon fraglich, ob diese Vorschrift überhaupt die Ausweitung der Freistellung auf die Schuldenverwaltung der Gemeinden und Gemeindeverbände neben derjenigen für die Länder erlauben würde, so enthält § 1 Abs. 3 WpHG (und enthielt § 20 WpHG a.F.) jedenfalls keine entsprechende Erstreckung. Ähnliche Zweifel ergaben sich im Hinblick auf die Erfassung der Europäischen Zentralbank1, doch ist diese heute in § 1 Abs. 3 WpHG ausdrücklich erwähnt.
II. Der „organisierte“ Markt als Kernpunkt der Regelung des WpHG Auch nach der sukzessiven Erweiterung des Anwendungsbereichs des WpHG durch 8 das Umsetzungsgesetz von 1997 (Einl. Rz. 19), das 4. FFG von 2002 (Einl. Rz. 26), das AnSVG von 2004 (Einl. Rz. 29), das FRUG von 2007 (Einl. Rz. 36), das Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte von 2010 (Rz. 1, Einl. Rz. 47 ff.) und das Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz von 2011 (Einl. Rz. 51 ff.) liegt sein Schwerpunkt noch immer auf der Regelung und Beaufsichtigung des Marktes für wertpapiermäßig verbriefte Kapitalanlagen und damit auf dem „organisierten“ Kapitalmarkt (Einl. Rz. 4 ff., 9 f.). Gleichwohl wurde mit dem Umsetzungsgesetz von 1997 ein erster – wenngleich bescheidener – Schritt vollzogen, die kapitalmarktrechtlich orientierten Verhaltenspflichten der §§ 31 ff. WpHG auf einzelne Anlagen des „grauen“ Kapitalmarkts (Einl. Rz. 5) – wie etwa Warentermingeschäfte, Devisen und Devisentermingeschäfte oder im Over-the-Coun1 S. 3. Aufl. des Kommentars § 20 Rz. 3 und Becker, S. 72.
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ter-Markt gehandelte Derivate – und mit dem Vertrieb solcher Anlageinstrumente verbundenen Dienstleistungen und Marktteilnehmer zu übertragen (s. schon Einl. Rz. 11 und 19). Diese Entwicklung setzte sich mit dem Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz von 2007 in Gestalt der Aufnahme der Anlageberatung in den Kanon der Wertpapierdienstleistung, der Einführung von Verhaltens-, Organisations- und Informationsanforderungen für sog. multilaterale Handelssysteme und systematische Internalisierer, der Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vorschriften des 6. Abschnitts des WpHG betreffend Verhaltenspflichten, Organisationspflichten und Transparenzpflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen (s. Einl. Rz. 36; ausführlich 5. Aufl. des Kommentars Einl. Rz. 72, 74 ff.) und dem Anlegerschutzund Funktionsverbesserungsgesetz (Einl. Rz. 51 ff.) fort.
III. Komplementarietät von WpHG und KWG: Operationale und institutionelle Regulierung 9
Mehr noch als zum Zeitpunkt des Erlasses des WpHG ist mit der sukzessiven Erweiterung des Kreises der von ihm erfassten Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Wertpapierdienstleistungen die Komplementarietät von WpHG und KWG bei der Ordnung des deutschen Kapitalmarkts zutage getreten: Bezieht sich das WpHG auf die in § 1 angeführten Marktvorgänge und das Verhalten der Marktteilnehmer (operationale Regulierung), so enthält das KWG die Regelungen zur Beaufsichtigung von Risiken, die bei den vom WpHG erfassten Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Zusammenhang mit der Durchführung von Geschäften mit Finanzinstrumenten entstehen (institutionelle Regulierung).
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Bis zur Zusammenführung des BAWe und des BAKred (sowie des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen) zur BaFin (Einl. Rz. 25) entsprach der Trennung der Aufsichtsbehörden eine Arbeitsteilung, in welcher das BAWe Aufgaben der operationalen Marktbeaufsichtigung nach Maßgabe des WpHG und das BAKred Aufgaben der institutionellen Beaufsichtigung, d.h. der Beaufsichtigung der Wertpapierdienstleistungsinstitute, nach Maßgabe des KWG übernahmen (2. Aufl. des Kommentars Einl. Rz. 38, § 3 Rz. 15 ff., § 4 Rz. 4 ff.). Mit der Zusammenführung des BAWe und des BAKred sind die vorgenannten Aufsichtsaufgaben zwar auf eine Behörde – die BaFin – übergegangen, doch lebt die beschriebene Aufgabenteilung insoweit fort, als die Marktbeaufsichtigung nach dem WpHG durch den in Frankfurt angesiedelten Geschäftsbereich „Wertpapieraufsicht/Asset-Management“ und die institutionelle Aufsicht nach dem KWG durch den in Bonn angesiedelten Geschäftsbereich „Bankenaufsicht“ erfolgt. Die institutionelle Aufsicht umfasst etwa die Zulassung der fraglichen Unternehmen, die Überprüfung der persönlichen Zuverlässigkeit und fachlichen Eignung ihrer Geschäftsleiter, die Kontrolle ihrer Anteilseigner, die Überwachung ihrer wirtschaftlichen Lage und der übernommenen Risiken sowie die Verfolgung der von ihnen unerlaubt oder regelwidrig betriebenen Geschäfte.
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§2
Begriffsbestimmungen
§2 Begriffsbestimmungen (1) Wertpapiere im Sinne dieses Gesetzes sind, auch wenn keine Urkunden über sie ausgestellt sind, alle Gattungen von übertragbaren Wertpapieren mit Ausnahme von Zahlungsinstrumenten, die ihrer Art nach auf den Finanzmärkten handelbar sind, insbesondere 1. Aktien, 2. andere Anteile an in- oder ausländischen juristischen Personen, Personengesellschaften und sonstigen Unternehmen, soweit sie Aktien vergleichbar sind, sowie Zertifikate, die Aktien vertreten, 3. Schuldtitel, a) insbesondere Genussscheine und Inhaberschuldverschreibungen und Orderschuldverschreibungen sowie Zertifikate, die Schuldtitel vertreten, b) sonstige Wertpapiere, die zum Erwerb oder zur Veräußerung von Wertpapieren nach den Nummern 1 und 2 berechtigen oder zu einer Barzahlung führen, die in Abhängigkeit von Wertpapieren, von Währungen, Zinssätzen oder anderen Erträgen, von Waren, Indices oder Messgrößen bestimmt wird. Wertpapiere sind auch Anteile an Investmentvermögen, die von einer Kapitalanlagegesellschaft oder einer ausländischen Investmentgesellschaft ausgegeben werden. (1a) Geldmarktinstrumente im Sinne dieses Gesetzes sind alle Gattungen von Forderungen, die nicht unter Absatz 1 fallen und die üblicherweise auf dem Geldmarkt gehandelt werden, mit Ausnahme von Zahlungsinstrumenten. (2) Derivate im Sinne dieses Gesetzes sind 1. als Kauf, Tausch oder anderweitig ausgestaltete Festgeschäfte oder Optionsgeschäfte, die zeitlich verzögert zu erfüllen sind und deren Wert sich unmittelbar oder mittelbar vom Preis oder Maß eines Basiswertes ableitet (Termingeschäfte) mit Bezug auf die folgenden Basiswerte: a) Wertpapiere oder Geldmarktinstrumente, b) Devisen oder Rechnungseinheiten, c) Zinssätze oder andere Erträge, d) Indices der Basiswerte der Buchstaben a, b oder c, andere Finanzindices oder Finanzmessgrößen oder e) Derivate; 2. Termingeschäfte mit Bezug auf Waren, Frachtsätze, Emissionsberechtigungen, Klima- oder andere physikalische Variablen, Inflationsraten oder andere volkswirtschaftliche Variablen oder sonstige Vermögenswerte, Indices oder Messwerte als Basiswerte, sofern sie a) durch Barausgleich zu erfüllen sind oder einer Vertragspartei das Recht geben, einen Barausgleich zu verlangen, ohne dass dieses Recht durch Ausfall oder ein anderes Beendigungsereignis begründet ist, b) auf einem organisierten Markt oder in einem multilateralen Handelssystem geschlossen werden oder
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§2
Begriffsbestimmungen
c) nach Maßgabe des Artikels 38 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 der Kommission vom 10. August 2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufzeichnungspflichten für Wertpapierfirmen, die Meldung von Geschäften, die Markttransparenz, die Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel und bestimmte Begriffe im Sinne dieser Richtlinie (ABl. EU Nr. L 241 S. 1) Merkmale anderer Derivate aufweisen und nichtkommerziellen Zwecken dienen und nicht die Voraussetzungen des Artikels 38 Abs. 4 dieser Verordnung gegeben sind, und sofern sie keine Kassageschäfte im Sinne des Artikels 38 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 sind; 3. finanzielle Differenzgeschäfte; 4. als Kauf, Tausch oder anderweitig ausgestaltete Festgeschäfte oder Optionsgeschäfte, die zeitlich verzögert zu erfüllen sind und dem Transfer von Kreditrisiken dienen (Kreditderivate); 5. Termingeschäfte mit Bezug auf die in Artikel 39 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 genannten Basiswerte, sofern sie die Bedingungen der Nummer 2 erfüllen. (2a) (aufgehoben) (2b) Finanzinstrumente im Sinne dieses Gesetzes sind Wertpapiere im Sinne des Absatzes 1, Geldmarktinstrumente im Sinne des Absatzes 1a, Derivate im Sinne des Absatzes 2, Rechte auf Zeichnung von Wertpapieren und Vermögensanlagen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Vermögensanlagengesetzes mit Ausnahme von Anteilen an einer Genossenschaft im Sinne des § 1 des Genossenschaftsgesetzes sowie Namensschuldverschreibungen, die mit einer vereinbarten festen Laufzeit, einem unveränderlich vereinbarten festen positiven Zinssatz ausgestattet sind, bei denen das investierte Kapital ohne Anrechnung von Zinsen ungemindert zum Zeitpunkt der Fälligkeit zum vollen Nennwert zurückgezahlt wird, und die von einem Einlagenkreditinstitut im Sinne des § 1 Absatz 3d Satz 1 des Kreditwesengesetzes, dem eine Erlaubnis nach § 32 Absatz 1 des Kreditwesengesetzes erteilt worden ist, ausgegeben werden, wenn das darauf eingezahlte Kapital im Falle des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Instituts oder der Liquidation des Instituts nicht erst nach Befriedigung aller nicht nachrangigen Gläubiger zurückgezahlt wird. (2c) Waren im Sinne dieses Gesetzes sind fungible Wirtschaftsgüter, die geliefert werden können; dazu zählen auch Metalle, Erze und Legierungen, landwirtschaftliche Produkte und Energien wie Strom. (3) Wertpapierdienstleistungen im Sinne dieses Gesetzes sind 1. die Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten im eigenen Namen für fremde Rechnung (Finanzkommissionsgeschäft), 2. das kontinuierliche Anbieten des Kaufs oder Verkaufs von Finanzinstrumenten an einem organisierten Markt oder in einem multilateralen Handelssystem zu selbst gestellten Preisen, das häufige organisierte und systematische Betreiben von Handel für eigene Rechnung außerhalb eines organisierten Marktes oder eines multilateralen Handelssystems, indem ein für Dritte zugängliches System angeboten wird, um mit ihnen Geschäfte durchzuführen, oder die Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten für eigene Rechnung als Dienstleistung für andere (Eigenhandel),
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Assmann
§2
Begriffsbestimmungen
3. die Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten in fremdem Namen für fremde Rechnung (Abschlussvermittlung), 4. die Vermittlung von Geschäften über die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten (Anlagevermittlung), 5. die Übernahme von Finanzinstrumenten für eigenes Risiko zur Platzierung oder die Übernahme gleichwertiger Garantien (Emissionsgeschäft), 6. die Platzierung von Finanzinstrumenten ohne feste Übernahmeverpflichtung (Platzierungsgeschäft), 7. die Verwaltung einzelner oder mehrerer in Finanzinstrumenten angelegter Vermögen für andere mit Entscheidungsspielraum (Finanzportfolioverwaltung), 8. der Betrieb eines multilateralen Systems, das die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach festgelegten Bestimmungen in einer Weise zusammenbringt, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt (Betrieb eines multilateralen Handelssystems), 9. die Abgabe von persönlichen Empfehlungen an Kunden oder deren Vertreter, die sich auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten beziehen, sofern die Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet dargestellt wird und nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit bekannt gegeben wird (Anlageberatung). Als Wertpapierdienstleistung gilt auch die Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten für eigene Rechnung, die keine Dienstleistung für andere im Sinne des Satzes 1 Nr. 2 darstellt (Eigengeschäft). Der Finanzportfolioverwaltung gleichgestellt ist hinsichtlich der §§ 9, 31 bis 34 und 34b bis 36b dieses Gesetzes sowie der Artikel 7 und 8 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 die erlaubnispflichtige Anlageverwaltung nach § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 11 des Kreditwesengesetzes. (3a) Wertpapiernebendienstleistungen im Sinne dieses Gesetzes sind 1. die Verwahrung und die Verwaltung von Finanzinstrumenten für andere und damit verbundene Dienstleistungen (Depotgeschäft), 2. die Gewährung von Krediten oder Darlehen an andere für die Durchführung von Wertpapierdienstleistungen, sofern das Unternehmen, das den Kredit oder das Darlehen gewährt, an diesen Geschäften beteiligt ist, 3. die Beratung von Unternehmen über die Kapitalstruktur, die industrielle Strategie sowie die Beratung und das Angebot von Dienstleistungen bei Unternehmenskäufen und Unternehmenszusammenschlüssen, 4. Devisengeschäfte, die in Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungen stehen, 5. die Erstellung, Verbreitung oder Weitergabe von Finanzanalysen oder anderen Informationen über Finanzinstrumente oder deren Emittenten, die direkt oder indirekt eine Empfehlung für eine bestimmte Anlageentscheidung enthalten, 6. Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit dem Emissionsgeschäft stehen, 7. Dienstleistungen, die sich auf einen Basiswert im Sinne des Absatzes 2 Nr. 2 oder Nr. 5 beziehen und im Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen stehen.
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Begriffsbestimmungen
(4) Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Sinne dieses Gesetzes sind Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und nach § 53 Abs. 1 Satz 1 des Kreditwesengesetzes tätige Unternehmen, die Wertpapierdienstleistungen allein oder zusammen mit Wertpapiernebendienstleistungen gewerbsmäßig oder in einem Umfang erbringen, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. (5) Organisierter Markt im Sinne dieses Gesetzes ist ein im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum betriebenes oder verwaltetes, durch staatliche Stellen genehmigtes, geregeltes und überwachtes multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von dort zum Handel zugelassenen Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach festgelegten Bestimmungen in einer Weise zusammenbringt oder das Zusammenbringen fördert, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt. (6) Emittenten, für die die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, sind 1. Emittenten von Schuldtiteln mit einer Stückelung von weniger als 1.000 Euro oder dem am Ausgabetag entsprechenden Gegenwert in einer anderen Währung oder von Aktien, a) die ihren Sitz im Inland haben und deren Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt im Inland oder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen sind, oder b) die ihren Sitz in einem Staat haben, der weder Mitgliedstaat der Europäischen Union noch Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist (Drittstaat), und deren Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt im Inland oder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen sind, wenn das jährliche Dokument im Sinne des § 10 des Wertpapierprospektgesetzes bei der Bundesanstalt zu hinterlegen ist, 2. Emittenten, die keine Finanzinstrumente im Sinne der Nummer 1 begeben, wenn sie im Inland oder in einem Drittstaat ihren Sitz haben und ihre Finanzinstrumente zum Handel an einem organisierten Markt im Inland, nicht aber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen sind, 3. Emittenten, die keine Finanzinstrumente im Sinne der Nummer 1 begeben und nicht unter Nummer 2 fallen, a) wenn sie im Inland ihren Sitz haben und ihre Finanzinstrumente zum Handel an einem organisierten Markt auch oder ausschließlich in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem oder mehreren anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen sind oder b) wenn sie ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben und ihre Finanzinstrumente zum Handel an einem organisierten Markt auch oder ausschließlich im Inland zugelassen sind oder
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Begriffsbestimmungen
§2
c) wenn sie ihren Sitz in einem Drittstaat haben und ihre Finanzinstrumente zum Handel an einem organisierten Markt im Inland und in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem oder mehreren anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen sind, und sie die Bundesrepublik Deutschland nach Maßgabe des § 2b als Herkunftsstaat gewählt haben. Für Emittenten, die unter Buchstabe a fallen, aber keine Wahl getroffen haben, ist die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat; das Gleiche gilt für Emittenten, die unter Buchstabe c fallen, aber keine Wahl getroffen haben, wenn das jährliche Dokument im Sinne des § 10 des Wertpapierprospektgesetzes bei der Bundesanstalt zu hinterlegen ist. (7) Inlandsemittenten sind 1. Emittenten, für die die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, mit Ausnahme solcher Emittenten, deren Wertpapiere nicht im Inland, sondern lediglich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen sind, soweit sie in diesem anderen Staat Veröffentlichungs- und Mitteilungspflichten nach Maßgabe der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (ABl. EU Nr. L 390 S. 38) unterliegen, und 2. Emittenten, für die nicht die Bundesrepublik Deutschland, sondern ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union oder ein anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum der Herkunftsstaat ist, deren Wertpapiere aber nur im Inland zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. (8) Herkunftsmitgliedstaat im Sinne dieses Gesetzes ist 1. für ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen der Mitgliedstaat, in dem sich seine Hauptniederlassung befindet; 2. für einen organisierten Markt der Mitgliedstaat, in dem der organisierte Markt registriert oder zugelassen ist, oder, sofern er nach dem Recht dieses Mitgliedstaates keinen Sitz hat, der Mitgliedstaat, in dem sich die Hauptniederlassung des organisierten Marktes befindet. (9) Aufnahmemitgliedstaat im Sinne dieses Gesetzes ist 1. für ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen der Mitgliedstaat, in dem es eine Zweigniederlassung unterhält oder im Wege des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs tätig wird; 2. für einen organisierten Markt der Mitgliedstaat, in dem er geeignete Vorkehrungen bietet, um in diesem Mitgliedstaat niedergelassenen Marktteilnehmern den Zugang zum Handel über sein System zu erleichtern. (10) Systematischer Internalisierer im Sinne dieses Gesetzes ist ein Unternehmen, das nach Maßgabe des Artikels 21 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 häufig regelmäßig und auf organisierte und systematische Weise Eigenhandel außerhalb organisierter Märkte und multilateraler Handelssysteme betreibt.
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§2
Begriffsbestimmungen
In der Fassung des Gesetzes zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts vom 6.12.2011 (BGBl. I 2011, 2481) Schrifttum: Assmann, Irrungen und Wirrungen im Recht der Termingeschäfte, ZIP 2001, 2061; BaFin, Hinweise zur Erlaubnispflicht von Investmentclubs und ihrer Geschäftsführer nach § 32 KWG vom 9.6.2011, Gz. Q 31-QF 2100-2008/0003, www.bafin.de (Veröffentlichungen . Merkblätter); BaFin, Merkblatt Abschlussvermittlung („Merkblatt – Hinweise zum Tatbestand der Abschlussvermittlung“) vom 7.12.2009, www.bafin.de (Veröffentlichungen . Merkblätter); BaFin, Merkblatt Anlageberatung („Informationsblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Deutschen Bundesbank zum neuen Tatbestand der Anlageberatung“) vom 12.11.2001, www.bafin.de (Veröffentlichungen . Merkblätter); BaFin, Merkblatt Anlagevermittlung („Merkblatt – Hinweise zum Tatbestand der Anlagevermittlung“) vom 4.12.2009, www.bafin.de (Veröffentlichungen . Merkblätter); BaFin, Merkblatt Anlageverwaltung („Merkblatt – Hinweise zum Tatbestand der Anlageverwaltung“) vom 8.12.2009, www.bafin.de (Veröffentlichungen . Merkblätter); BaFin, Merkblatt Depotgeschäft („Merkblatt – Hinweise zum Tatbestand des Depotgeschäfts“) vom 9.9.2010, www.bafin.de (Veröffentlichungen . Merkblätter); BaFin, Merkblatt Eigenhandel und Eigengeschäft („Merkblatt – Hinweise zu den Tatbeständen des Eigenhandels und des Eigengeschäfts“) vom 22.3.2011, www.bafin.de (Veröffentlichungen . Merkblätter); BaFin, Merkblatt Emissionsgeschäft („Merkblatt – Hinweise zum Tatbestand des Emissionsgeschäfts“) vom 7.1.2009, www.bafin.de (Veröffentlichungen . Merkblätter); BaFin, Merkblatt Finanzkommissionsgeschäft („Merkblatt – Hinweise zum Tatbestand des Finanzkommissionsgeschäfts“) vom 18.3.2010, www.bafin.de (Veröffentlichungen . Merkblätter); BaFin, Merkblatt Finanzportfolioverwaltung („Merkblatt – Hinweise zum Tatbestand der Finanzportfolioverwaltung“) vom 3.1.2011, www.bafin.de (Veröffentlichungen . Merkblätter); BaFin, Merkblatt Platzierungsgeschäft („Merkblatt – Hinweise zum Tatbestand des Platzierungsgeschäfts“) vom 10.12.2009, www.bafin.de (Veröffentlichungen . Merkblätter); BaFin, Merkblatt Stromhandelsaktivitäten („Merkblatt – Hinweise zur Erlaubnispflicht von Geschäften im Zusammenhang mit Stromhandelsaktivitäten“) vom 13.2.2009, www.bafin.de (Veröffentlichungen . Merkblätter); Balzer, Umsetzung der MiFID: Ein neuer Rechtsrahmen für die Anlageberatung, ZBB 2007, 333; Baumbach/Hefermehl, Wechselgesetz und Scheckgesetz, 23. Aufl. 2008; Baur, Das neue Wertpapierhandelsrecht, Die Bank 1997, 346; Binder, Daytrading als Finanztermingeschäft i.S.d. § 2 Abs. 2a WpHG?, ZHR 169 (2005), 329; Bürgers, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, BKR 2004, 424; Casper, Das neue Recht der Termingeschäfte, WM 2003, 161; Diekmann/Sustmann, Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG), NZG 2004, 929; du Buisson, Die Reichweite der Erlaubnistatbestände Emissionsgeschäft und Eigenhandel für andere in § 1 Kreditwesengesetz (KWG), WM 2003, 1401; Duve/Keller, MiFID: Die neue Welt des Wertpapiergeschäfts, BB 2006, 2537; Eßer, Kollektive Anlagemodelle als Finanzportfolioverwaltung, WM 2008, 671; Fleckner, Die Lücke im Recht des Devisenterminhandels, WM 2003, 168; Fleckner, Finanztermingeschäfte in Devisen, ZBB 2005, 96; Gomber/Hirschberg, Ende oder Stärkung der konventionellen Börsen?, AG 2006, 777; Hirschberg, MiFID – ein neuer Rechtsrahmen für die Wertpapierhandelsplätze in Deutschland, AG 2006, 398; Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere, 12. Aufl. 1986; Jung, Die Auswirkungen der 6. KWG-Novelle auf Anlagevermittler, (Börsen-)Makler und Vermögensverwalter, BB 1998, 649; Kumpan, Die Regulierung außerbörslicher Wertpapierhandelssysteme im deutschen, europäischen und USamerikanischen Recht, 2006; Kuthe, Änderungen des Kapitalmarktrechts durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, ZIP 2004, 883; von Livonius/Bernau, Der neue Tatbestand der „Anlageverwaltung“ als erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung, WM 2009, 1216; Meixner, Neuerungen im Bankenaufsichts- und Kapitalmarktrecht, NJW 1998, 862; Melzer, Zum Begriff des Finanztermingeschäfts, BKR 2003, 366; Mielk, Die wesentlichen Neuerungen der KWG-Novelle, WM 1997, 2220 (I), 2237 (II); Müller-Deku, Daytrading zwischen Termin- und Differenzeinwand, WM 2000, 1029; Mutschler, Internalisierung der Auftragsausführung im Wertpapierhandel, 2007; Reiner, Derivative Finanzinstrumente im Recht, 2002; Ringe, Die Neuregelung des Internationalen Kapitalmarktpublizitätsrechts durch die Neufassung der Transparenzrichtlinie, AG 2007, 809; Samtleben, Das Börsentermingeschäft ist tot – es lebe das Finanztermingeschäft?, ZBB 2003, 69; Schäfer/Lang, Zur Reform des Rechts der Börsentermingeschäfte, BKR 2002, 197; Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, 2005; Spindler, Kapitalmarktreform in Permanenz – Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, NJW
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§2
Begriffsbestimmungen
2004, 3449; Spindler/Kasten, Der neue Rechtsrahmen für den Finanzdienstleistungssektor – die MiFID und ihre Umsetzung, WM 2006, 1749 (I), 1797 (II); Spindler/Kasten, Änderungen des WpHG durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG), WM 2007, 1245; Stefanski, Eigenhandel für andere, 2009; Waclawik, Erlaubnispflicht privater Family Offices nach Umsetzung der MiFID, ZIP 2007, 1341; Weber-Rey/Baltzer, Aufsichtsrechtliche Regelungen für Vermittler von Finanzanlagen und Vermögensverwalter nach der 6. KWG-Novelle, WM 1997, 2288; Wiebke, Das neue Aufsichtsrecht für Finanzdienstleistungsunternehmen, DStR 1998, 491; Zöllner, Wertpapierrecht, 14. Aufl. 1987. Zu weiterem Schrifttum s. Einl.
Inhaltsübersicht I. Gesetzessystematische Bedeutung der Vorschrift und Normentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Wertpapiere (§ 2 Abs. 1 WpHG) . . . .
4
1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wertpapiere nach § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gemeinsame Voraussetzungen und Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . b) Wertpapiere nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1–3 WpHG . . . . . . . . . aa) Aktien (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . bb) Aktien vergleichbare Anteile sowie Aktien vertretende Zertifikate (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . (1) Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Aktien vertretende Zertifikate . . . . . . . . . . . . . cc) Schuldtitel (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. a und b WpHG) . . . . (1) Allgemein: Schuldtitel . . . (2) Genussscheine. . . . . . . . . . (3) Inhaber- und Orderschuldverschreibungen. . . (4) Namensschuldverschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Schuldtitel vertretende Zertifikate . . . . . . . . . . . . . (6) Sonstige Wertpapiere i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. b WpHG (Optionsscheine). . . . . . . . . . . . . . . . c) Wertpapiere nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WpHG (Anteile an Investmentvermögen) . . . . . . . . . . . . . . .
4
33
III. Geldmarktinstrumente (§ 2 Abs. 1a WpHG) . . . . . . . . . . . . . .
35
IV. Derivate (§ 2 Abs. 2 WpHG) . . . . . . .
38
1. Normentwicklung und Übersicht . . 2. Elemente des Derivatebegriffs . . . . . 3. Die Derivate des § 2 Abs. 2 WpHG . a) Übergreifendes. . . . . . . . . . . . . . . .
38 43 45 45
7 7 13 14
b) Derivate i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG. . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Derivate i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 WpHG. . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Derivate i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 3 WpHG. . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Derivate i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 4 WpHG. . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Derivate i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 5 WpHG. . . . . . . . . . . . . . . . . .
46 49 53 54 56
V. § 2 Abs. 2a WpHG (aufgehoben) . . . 57 VI. Finanzinstrumente (§ 2 Abs. 2b WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 VII. Waren (§ 2 Abs. 2c WpHG) . . . . . . . . 61
15 15 19 20 20 22 23 28 29
30
VIII. Wertpapierdienstleistungen (§ 2 Abs. 3 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . 63 1. Systematische Stellung und Entwicklung der Vorschrift . . . . . . . 2. Übergreifendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die einzelnen Wertpapierdienstleistungen (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nrn.1–9 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . a) Finanzkommissionsgeschäft (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WpHG) . . b) Eigenhandel in Finanzinstrumenten und andere Geschäfte (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG) . . c) Abschlussvermittlung (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 WpHG) . . . . . d) Anlagevermittlung (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 WpHG) . . . . . . . . . . . e) Emissionsgeschäft (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 WpHG) . . . . . . . . . . . aa) Übernahme der Finanzinstrumente für eigenes Risiko zur Platzierung . . . . . . bb) Übernahme gleichwertiger Garantien . . . . . . . . . . . . . . . . f) Platzierungsgeschäft (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 WpHG) . . . . . . . . . . . g) Finanzportfolioverwaltung (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WpHG) . .
63 64
66 66 73 77 80 86 87 94 95 101
Assmann 47
§2
Begriffsbestimmungen
h) Betrieb eines multilateralen Handelssystems (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 WpHG). . . . . . . . . . . . 107 i) Anlageberatung (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 WpHG). . . . . . . . . . . . 111 4. Wertpapierdienstleistungen gleichgestellte Tätigkeit: Eigengeschäft (§ 2 Abs. 3 Satz 2 WpHG) . . . . . . . . . 120 5. Begrenzte Gleichstellung von Finanzportfolioverwaltung und Anlageverwaltung (§ 2 Abs. 3 Satz 3 WpHG). . . . . . . . . . . . . . . . . . 121a
X. Wertpapierdienstleistungsunternehmen (§ 2 Abs. 4 WpHG) . . . . . . . 139
IX. Wertpapiernebendienstleistungen (§ 2 Abs. 3a WpHG) . . . . . . . . . . . . . . 122
XI. Organisierter Markt (§ 2 Abs. 5 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . 158
1. Systematische Stellung der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die einzelnen Wertpapiernebendienstleistungen (§ 2 Abs. 3a Nrn. 1–7 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . a) Depotgeschäft (§ 2 Abs. 3a Nr. 1 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kredite für Wertpapierdienstund Wertpapiernebendienstleistungen (§ 2 Abs. 3a Nr. 2 WpHG) c) Unternehmensberatung (§ 2 Abs. 3a Nr. 3 WpHG) . . . . . . . d) Devisengeschäft (§ 2 Abs. 3a Nr. 4 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Anlageempfehlungen (§ 2 Abs. 3a Nr. 5 WpHG) . . . . . . . f) Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Emissionsgeschäft (§ 2 Abs. 3a Nr. 6 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Dienstleistungen nach § 2 Abs. 3a Nr. 7 WpHG . . . . . . . .
122
124 124 126 129
1. Systematische Stellung der Vorschrift und Normentwicklung . . . . 2. Erfasste Unternehmen . . . . . . . . . . . a) Gemeinsame Anforderungen an Wertpapierdienstleistungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kreditinstitute. . . . . . . . . . . . . . . . c) Finanzdienstleistungsinstitute . . d) Zweigstellen von Unternehmen mit Sitz im Ausland . . . . . . . . . . .
139 145 145 152 153 154
XII. Emittenten mit Herkunftsstaat Deutschland (§ 2 Abs. 6 WpHG) . . . 162 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Emittenten und Emittentengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 2 Abs. 6 Nr. 1 WpHG. . . . . . . . . b) § 2 Abs. 6 Nr. 2 WpHG. . . . . . . . . c) § 2 Abs. 6 Nr. 3 WpHG. . . . . . . . .
162 167 167 171 172
XIII. Inlandsemittenten (§ 2 Abs. 7 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . 175
131
XIV. Herkunftsmitgliedstaat (§ 2 Abs. 8 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . 178
132
XV. Aufnahmemitgliedstaat (§ 2 Abs. 9 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . 181 XVI. Systematischer Internalisierer (§ 2 Abs. 10 WpHG). . . . . . . . . . . . . . 184
137 138
I. Gesetzessystematische Bedeutung der Vorschrift und Normentwicklung 1
Die Vorschrift definiert die zur Bestimmung des Anwendungsbereichs des WpHG sowie seiner einzelnen Regelungen in den verschiedenen Abschnitten des WpHG maßgeblichen Begriffe. Ließ sich aufgrund der ursprünglichen Fassung des WpHG nach Maßgabe des Art. 1 des 2. Finanzmarktförderungsgesetzes (2. FFG, Einl. Rz. 12) noch feststellen, der Begriff des Wertpapiers bestimme als Schlüsselbegriff des WpHG dessen Regelungsreichweite (1. Aufl. des Kommentars Rz. 1), so konnte dieser Befund schon nach der Novellierung der Vorschrift durch das Umsetzungsgesetz 1997 (Einl. Rz. 19) infolge der Einbeziehung von Geldmarktinstrumenten (§ 2 Abs. 1a WpHG) und eines erweiterten Derivatebegriffs (§ 2 Abs. 2 WpHG) nur noch eingeschränkt aufrechterhalten werden. Heute dominiert der Begriff der Finanzinstrumente (§ 2 Abs. 2b WpHG), der seit seiner auf Art. 1 Nr. 2 Anlegerschutzverbesserungsgesetz 2004 (AnSVG, Einl. Rz. 29) zurückgehenden Einfügung den Oberbegriff für Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Derivate und Rechte auf Zeichnung von Wertpapie-
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Begriffsbestimmungen
§2
ren bildet und eines der wesentlichen Begriffsmerkmale von Wertpapierdienstleistungen (§ 2 Abs. 3 WpHG) darstellt. Die Geschichte der Vorschrift ist die Geschichte der (zumeist auf Impulse der in na- 2 tionales Recht umzusetzenden Richtlinien zurückzuführenden) Erweiterung des Anwendungsbereichs und der Regelungsfelder des WpHG sowie der Präzisierung zentraler Begriffe wie etwa den des Wertpapieres oder den des Derivats. Vor allem mit der Einfügung neuer oder der Überführung anderweitig normierter Regelungsfelder in das WpHG waren auch neue Begriffe zu umschreiben. Diese Entwicklung begann mit dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz von 2002 (4. FFG, Einl. Rz. 26) und der Einfügung der neuen Vorschriften über Directors’ Dealings (§ 15a WpHG), über die Kurs- und Marktpreismanipulation (§§ 20a und 20b WpHG), über Schadensersatz für den Fall fehlerhafter Ad-hoc-Meldungen (§§ 37b und 37c WpHG) und über die Finanzanalyse (§ 34b WpHG) sowie der (später wieder aufgehobenenen) Bestimmungen über Termingeschäfte in §§ 37d–37g in das Gesetz. Sie setzte sich fort mit dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz von 2004 (Einl. Rz. 29 f.), das mit der Einführung des Begriffs der Finanzinstrumente in § 2 Abs. 2b WpHG nicht nur einen Oberbegriff für die bisher schon erfassten Wertpapiere, Geldmarktinstrumente und Derivate schuf, sondern auch den Anwendungsbereich des WpHG erweiterte: zum einen, indem es Rechte zur Zeichnung von Wertpapieren und alle sonstigen Instrumente, die zum Handel an einem organisierten Markt im Inland oder in einem Mitgliedstaat der EU zugelassen waren oder für die ein Zulassungsantrag gestellt wurde, einbezog; und zum anderen, indem es den Begriff der Derivate in § 2 Abs. 2 WpHG um Devisentermingeschäfte erweiterte. Weitere Änderungen der Bestimmung gingen vom Transparenzrichtlinie-Umset- 3 zungsgesetz (TUG) vom Januar 2007 und dem Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG) vom Juli 2007 aus. Das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (Einl. Rz. 35) passte die Definition für Wertpapiere in § 1 Abs. 1 WpHG an die Anforderungen der (wiederum auf die Vorgaben der Finanzmarktrichtlinie1 verweisenden) Transparenzrichtlinie2 an. Darüber hinaus brachte die auf das TUG zurückgehende Einführung des Herkunftsstaatsprinzips in Bezug auf erweiterte kapitalmarktrechtliche Informationspflichten von Emittenten eine Ergänzung von § 2 WpHG um die Absätze 6 und 7 und die Beschreibung der Begriffe der „Emittenten, für die die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist“, und der „Inlandsemittenten“ mit sich. Die Änderungen des § 2 WpHG durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (Einl. Rz. 36) reichen von einer neuerlichen Erweiterung und Präzisierung des Wertpapierbegriffs sowie einer auf Anhang I Abschnitt C Ziff. 4–10 der Finanzmarktrichtlinie3 zurückgehenden Ausdehnung des Derivatebegriffs (§ 2 Abs. 2 WpHG) über die Streichung von § 2 Abs. 2a WpHG und die Überführung der Definition der Finanztermingeschäfte in § 37e Satz 2 WpHG bis hin zur Erweiterung des Kanons der Wertpapierdienstleistungen um das Betreiben eines multilateralen Handelssystems (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 WpHG) und die Anlageberatung (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 WpHG) sowie des Kanons der Wertpapiernebendienstleistungen u.a. um die Verwahrung und Verwaltung von Finanzinstrumenten (§ 2 Abs. 3b Nr. 1 WpHG) und um Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit dem Emissionsgeschäft i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 WpHG erbracht werden.
1 Richtlinie 2004/39/EG v. 21.4.2004, ABl. EG Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1. S. auch Einl. Rz. 36. 2 Richtlinie 2004/109/EG v. 15.12.2004, ABl. EG Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 38. 3 Richtlinie 2004/39/EG v. 21.4.2004, ABl. EG Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1.
Assmann 49
§2 3a
Begriffsbestimmungen
Nach Erscheinen der 5. Auflage wurde die Bestimmung dadurch geändert, dass das Gesetz zur Fortentwicklung des Pfandbriefrechts (PfandBFEG) vom März 2009 (Einl. Rz. 41) § 2 Abs. 3 WpHG um einen Satz 3 ergänzte und die erlaubnispflichtige Anlageverwaltung i.S. von § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 11 KWG der Finanzportfolioverwaltung hinsichtlich der §§ 9, 31 bis 34 und 34b bis 36b WpHG gleichstellte. Das soll sicherstellen, dass Finanzdienstleistungsinstitute mit der Erlaubnis zur Anlageverwaltung bei der Ausübung dieser Tätigkeit die Wohlverhaltens- und Organisationspflichten nach Abschnitt 6 des WpHG einhalten müssen und den Meldepflichten des § 9 WpHG unterliegen. Darüber hinaus wurde § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG durch das Gesetz zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie vom November 2010 (Einl. Rz. 50) neu gefasst. Auf diesem Wege und durch die damit einhergehende Streichung der Wörter „und Eigenhandel“ in § 2a Abs. 1 Nr. 10 WpHG wird ein Gleichlauf zu den entsprechenden, in Art. 1 Ziff. 1 lit. a aa und bb sowie 4. lit. c des Umsetzungsgesetzes enthaltenen Änderungen von § 1 Abs. 1a und § 2 Abs. 6 KWG hergestellt. Nach der durch das Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts vom 6.12.2011 (BGBl. I 2011, 2481, s. Einl. Rz. 58)1 in Art. 3 Ziff. 1 veranlassten Änderung des § 2 Abs. 2b WpHG werden Vermögensanlagen i.S. des § 1 Abs. 2 Vermögensanlagengesetzes (mit Ausnahme von Anteilen an einer Genossenschaft i.S. von § 1 des Genossenschaftsgesetzes sowie von einfachen Namensschuldverschreibungen, die von einem Einlagenkreditinstitut ausgegeben werden) zu den Finanzinstrumenten hinzugefügt. Dabei handelt es sich um Vermögensanlagen, die bislang als dem „grauen“ Kapitalmarkt zugehörige Anlageinstrumente nicht den Verhaltenspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach §§ 31 ff. WpHG unterfielen.
II. Wertpapiere (§ 2 Abs. 1 WpHG) 1. Übersicht 4
Der Wertpapierbegriff des § 2 Abs. 1 WpHG entspricht im Wesentlichen den Vorgaben in Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 der Finanzmarktrichtlinie (Rz. 3). Der in dieser Vorschrift zu findende Begriff der Wertpapiere stellt seinerseits eine Neufassung der Definition des Wertpapierbegriffs in Art. 1 Nr. 4 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Rz. 3) dar, die sich aber in der Sache weitgehend darauf beschränkt, den Wertpapierbegriff dieser Richtlinie präziser und klarer zu fassen. Dass die Definition des Wertpapierbegriffs in § 2 Abs. 1 WpHG im Hinblick auf den in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1–3 WpHG enthaltenen Katalog von Wertpapieren von dem entsprechenden Katalog der Finanzmarktrichtlinie abweicht, hat eine rein pragmatische Ursache: Aus verweistechnischen Gründen nahm das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (Einl. Rz. 35), welches der Umsetzung der ihrerseits auf die Finanzmarktrichtlinie verweisenden Transparenzrichtlinie diente, eine andere Aufzählung von Wertpapieren vor als dies die Finanzmarktrichtlinie tut2.
5
Auch wenn der Begriff des Wertpapiers nur ein Unterbegriff des allgemeineren Begriffs der Finanzinstrumente ist, dient er doch zahlreichen Bestimmungen des WpHG als Anknüpfungspunkt und Tatbestandsmerkmal und ist nicht zuletzt deshalb auch heute noch von erheblicher Bedeutung für die Bestimmung des Anwendungsbereichs des WpHG. Bei seiner Auslegung ist zu beachten, dass es dem WpHG
1 RegE, BR-Drucks. 209/11 v. 15.4.2011, S. 1 (BT-Drucks. 17/6051 v. 6.6.2011, S. 1). 2 Vgl. RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 30 re. Sp. zu Buchstabe a.
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als eigenständiger kapitalmarktrechtlicher und mithin wirtschaftsrechtlicher Kodifikation nicht um Fragen der Begründung, Übertragung und Geltendmachung von Rechten aus den Wertpapieren geht. Regelungsgegenstand des Gesetzes ist vielmehr die Ordnung der marktlichen Rahmenbedingungen des Zustandekommens von Finanzierungsbeziehungen zwischen Investoren und Unternehmen und die Beaufsichtigung der Einhaltung der hierzu aufgestellten Verhaltenspflichten der Vertragsparteien und der beteiligten Finanzintermediäre. Dementsprechend ist zur Definition des Wertpapierbegriffs auch nicht auf die Begriffsbestimmungen des Wertpapierrechts oder eines anderen Rechtsgebiets zurückzugreifen, vielmehr definiert das Gesetz – nicht anders als die Richtlinien, auf die die Begriffsbestimmung des WpHG zurückgeht – diesen Schlüsselbegriff eigenständig unter Berücksichtigung seiner speziellen Regelungsziele1. Das bedeutet zugleich, dass die Auslegung des Begriffs sowie seiner einzelnen Begriffselemente gesetzesspezifisch, ohne vorgängige Anleihen bei den Wertpapierbegriffen anderer Rechtsgebiete und richtlinienkonform (Einl. Rz. 75) zu erfolgen hat. Eine mit § 2 Abs. 1 WpHG weitgehend wortlautgleiche Begriffsbestimmung von Wertpapieren findet sich auch in § 1 Abs. 11 Satz 2 KWG. Da auch der Wertpapierbegriff des WpHG in erster Linie als Anknüpfungsmerkmal aufsichtsrechtlicher Vorschriften dient und die institutionelle Beaufsichtigung nach dem KWG und die operationale nach dem KWG komplementär zueinander verlaufen (s. § 1 Rz. 9), sind die sich aus angeglichenem Recht ergebenden Begriffe des Wertpapiers nach dem WpHG und dem KWG identisch auszulegen2. Die gesetzliche Definition des Wertpapierbegriffs umschreibt den Begriff nicht an- 6 hand abstrakter Begriffsmerkmale, sondern bedient sich einer Methode, welche, aufbauend auf einer katalogartigen Auflistung erfasster Beteiligungs- und Anlagetitel, typologische und abstrahierende Begriffsbildungselemente kombiniert: So lässt sich § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG etwa entnehmen, welche speziellen Papiere zu den Wertpapieren des WpHG gehören und welche nicht. Aber auch dabei bedient sich das Gesetz noch teilweise recht abstrakter Umschreibungen, wie etwa bei der Bestimmung der nach dem Gesetz nicht zu den Wertpapieren des WpHG gehörenden „Zahlungsinstrumente“. Abstrakte Merkmale finden sich auch noch in der in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1–3 WpHG enthaltenen und (wie sich aus der Verwendung des Terminus „insbesondere“ ergibt) nicht abschließenden3 Aufzählung von Papieren, die Wertpapiere im Sinne des Gesetzes sind. Angeführt werden hier etwa Aktien, Aktien vergleichbare Anteile an Unternehmen, Aktien vertretende Zertifikate, Schuldtitel in Gestalt von Genussscheinen, Inhaber- und Orderschuldverschreibungen sowie Schuldtitel vertretende Zertifikate und nicht zuletzt zum Erwerb oder zur Veräußerung von Wertpapieren berechtigende oder zu einer Barzahlung führende Wertpapiere. Darüber hinaus bestimmt § 2 Abs. 1 Satz 2 WpHG, dass Investmentanteile Wertpapiere im Sinne des Gesetzes darstellen. Der Auflistung erfasster Wertpapiere in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1–3 WpHG vorangestellt ist eine abstrakte Umschreibung von Wertpapieren, die drei Kriterien erkennen lässt, die zur Bestimmung der dem WpHG unterfallenden Wertpapiere heranzuziehen sind. Danach kommen als Wertpapiere i.S. 1 Vgl. auch Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 4; Roth, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 10 Rz. 14; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 8; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 11. 2 Ebenso Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 8; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 5; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 6. 3 Das war hinsichtlich der Fassung des Gesetzes vor seiner Änderung durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz streitig (vgl. Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 10), ist aber heute durch den Vorsatz „insbesondere“ zweifelsfrei. Vgl. nur Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 19; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 13.
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des WpHG nur solche Papiere in Betracht, die übertragbar, standardisiert („Gattungen von übertragbaren Wertpapieren“) und handelbar sind. Und weiter stellt das Gesetz klar, dass als Wertpapiere im Sinne des Gesetzes auch solche in Betracht kommen, für die keine Urkunden ausgestellt sind. 2. Wertpapiere nach § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG a) Gemeinsame Voraussetzungen und Ausnahmen 7
Als Wertpapiere i.S. des § 2 Abs. 1 WpHG kommen, der Begriffsbestimmung in Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 der Finanzmarktrichtlinie folgend, nur Gattungen von Wertpapieren oder – präziser – gattungsmäßig ausgestaltete Wertpapiere in Betracht1. Gemeint sind damit (verbriefte oder unverbriefte) Papiere, die standardisiert ausgestaltete private Rechte zum Gegenstand haben. Papieren, die individuell vereinbarte oder – unter „Berücksichtigung spezieller Kundenwünsche z.B. hinsichtlich Laufzeit, Volumen und Basispreis“2 – modifizierte Rechte zum Gegenstand haben, fehlt es an der erforderlichen Standardisierung.
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Des Weiteren werden nur solche Gattungen von Wertpapieren erfasst, die ihrer Art nach auf den Finanzmärkten handelbar sind. Das heißt zunächst nicht mehr als dass sie bei Abschluss des Übertragungsgeschäfts nach Art und Zahl der Stücke bestimmt werden können3. Indem das Gesetz von der Handelbarkeit der zu beurteilenden Papiere „auf den Finanzmärkten“4 spricht, werden auch solche Finanzinstrumente erfasst, die nicht an einem „organisierten Markt“ i.S. von § 2 Abs. 5 WpHG oder einem „geregelten Markt“ i.S. von Art. 4 Nr. 14 der Finanzmarktrichtlinie gehandelt werden. Tatsächlich wurde in einer früheren Fassung der Vorschrift die Handelbarkeit an einem Markt verlangt, „der von staatlich anerkannten Stellen geregelt und überwacht wird, regelmäßig stattfindet und für das Publikum unmittelbar oder mittelbar zugänglich ist“, doch wurde diese Voraussetzung schon im Zuge der Restumsetzung der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Einl. Rz. 13) durch das Umsetzungsgesetz 1997 (s. Einl. Rz. 19) aufgegeben (s. 4. Aufl. des Kommentars § 2 Rz. 9). Die freie Handelbarkeit, wie sie von Art. 35 der Durchführungsverordnung zur Finanzmarktrichtlinie (EG) Nr. 1287/20065 – näher umschrieben wird, ist damit nicht Voraussetzung der Wertpapiereigenschaft eines Papiers i.S. des WpHG, da eine solche nach Art. 40 Abs. 1 Satz 1 der Finanzmarktrichtlinie nur für solche Finanzinstrumente vorgesehen ist, die zum Handel an geregelten Märkten zugelassen werden sollen. Dementspre1 Auch Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 16, hält die aus Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 der Finanzmarktrichtlinie übernommene Formulierung des Gesetzes für „unglücklich“. Ähnlich der hier verwandten Formulierung meint er, es hätte formuliert werden sollen, „dass die betreffenden Wertpapiere einer Gattung gleichartiger Instrumente angehören müssen“ (Hervorhebung im Original). 2 Vgl. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 54. 3 Roth, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 10 Rz. 16; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 33. 4 § 1 Nr. 11 Satz 2 KWG definiert Wertpapiere als Papiere, die ihrer Art nach auf den „Kapitalmärkten“ handelbar sind, doch kommt der unterschiedlichen Bezeichnung keine Bedeutung zu: Entscheidend ist die Handelbarkeit, die begriffsnotwendig einen Markt voraussetzt, wohingegen die Bezeichnung dieses Markts als Kapitalmarkt oder (in der Sache weiter) als Finanzmarkt keine eingrenzende Funktion hat und damit ohne Bedeutung ist. 5 Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 der Kommission vom 10.8.2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufzeichnungspflichten für Wertpapierfirmen, die Meldung von Geschäften, die Markttransparenz, die Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel und bestimmte Begriffe im Sinne dieser Richtlinie, ABl. EG Nr. L 241 v. 2.9.2006, S. 1.
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chend ist auch der zum früheren Recht vertretenen Ansicht, das in Frage stehende Papier müsse „uneingeschränkt fungibel“ sein1, nicht zu folgen. Deshalb unterfallen auch Wertpapiere, die zwar umlauffähig, aber nicht zirkulationsfähig sind, dem Wertpapierbegriff des WpHG. Zu solchen Wertpapieren gehören etwa solche, deren Übertragung (wie bspw. im Falle von Namensschuldverschreibungen oder anderen Rektapapieren) nur durch Abtretung des im Wertpapier verkörperten Rechts nach zessionsrechtlichen Grundsätzen (§ 398 BGB) oder mit Zustimmung Dritter erfolgen kann2. Schon aus dem Umstand, dass es nicht auf die „freie“ Handelbarkeit eines Wertpapiers ankommt, folgt, dass die Vinkulierung3 von Wertpapieren – namentlich in Gestalt vinkulierter Aktien – oder zeitweise Umlaufhemmnisse wie Lock-Up-Vereinbarungen4 der Annahme der Handelbarkeit von Wertpapieren nicht entgegenstehen. Das heute im Satzteil vor der Aufzählung von Wertpapieren in § 2 Abs. 1 Satz 1 9 Nrn. 1–3 WpHG zu findende Merkmal der Handelbarkeit war in der Fassung des § 2 Abs. 1 WpHG, wie sie der 4. Aufl. zugrunde lag, an das Ende von Satz 1 der Bestimmung in Gestalt des Satzteils „… wenn sie an einem Markt gehandelt werden können“ angefügt. Geändert hat sich dadurch in der Sache nichts. Das gilt auch für die Spezifizierung des Marktes, an dem die Wertpapiere handelbar sein müssen, durch den heute in § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG verwandten Begriff der „Finanzmärkte“. Nach wie vor ist es hinreichend, dass die Wertpapiere überhaupt an einem Markt gehandelt werden können. Nicht Voraussetzung ist darüber hinaus, dass sich ein solcher Markt für die fraglichen Papiere tatsächlich bereits gebildet hat und diese tatsächlich gehandelt werden5; vielmehr genügt die Eignung, Gegenstand des Handels an einem Markt sein zu können. Schließlich sollen unter den Wertpapierbegriff des WpHG nur Gattungen von „über- 10 tragbaren“ Papieren fallen. Ob dem Merkmal eine eigenständige Bedeutung zukommt, ist zu bezweifeln, denn Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 der durch § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG umgesetzten Finanzmarktrichtlinie definiert übertragbare Wertpapiere mit dem Begriff der Handelbarkeit: „Übertragbare Wertpapiere“ sind nach dieser Bestimmung „die Gattungen von Wertpapieren, die auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden können…“. Das ist auch in der Sache folgerichtig, denn die Eigenschaft eines Wertpapiers, an Märkten handelbar zu sein, setzt zwangsläufig seine Übertragbarkeit voraus, wohingegen ein übertragbares Wertpapier nicht notwendigerweise auch ein handelbares sein muss6. Das Merkmal der Übertragbarkeit eines Wertpapiers geht mithin in dem selektiveren der Handelbarkeit auf. Dies lässt sich auch dem die Zulassung von Finanzinstrumenten zu geregelten Märkten betreffenden Art. 35 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1287/2006 (Rz. 8) entnehmen, der Wertpapiere für frei handelbar erklärt, „wenn sie zwischen den Parteien eines Geschäfts gehandelt und anschließend übertragen werden können und wenn alle Wertpapiere innerhalb der gleichen Kategorie 1 Beck, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 2 WpHG Rz. 4; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 32. Offen, die Argumente für und gegen einen engen bzw. weiten Begriff der Handelbarkeit darstellend, Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 8 f. m.w.N. 2 Anders noch 4. Aufl. des Kommentars § 2 Rz. 10 a.E. im Anschluss an Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 39. I.E. wie hier RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 54. 3 So i.E. auch Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 15; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 10. 4 Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 10. 5 Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 17; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 9. 6 So auch Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 11.
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wie das besagte Wertpapier fungibel sind“ und die Übertragbarkeit eines Wertpapiers mithin als Kriterium seiner Handelbarkeit behandelt. Eine „freie“ Übertragbarkeit der Papiere ist aber ebenso wenig Voraussetzung von Wertpapieren i.S. des WpHG wie die „freie“ Handelbarkeit (s. oben Rz. 8)1. 11
Als Wertpapiere i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG gelten auch solche, die nicht urkundlich verbrieft sind. Das kann allerdings nur in dem Umfang gelten als die Verbriefung für die Begründung mitgliedschaftlicher oder vermögensrechtlicher Rechte und Ansprüche (nach nationalem Recht) nicht – wie etwa bei Inhaber- und Orderschuldverschreibungen (dazu unten Rz. 24, 26) – konstitutive Voraussetzung ist.
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Keine Wertpapiere i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG sind kraft ausdrücklicher (Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 der Finanzmarktrichtlinie entsprechender) Bestimmung dieser Vorschrift Zahlungsinstrumente. Bei diesen handelt es sich etwa um Bargeld, Schecks oder andere liquide Mittel, die üblicherweise als Zahlungsinstrumente verwendet werden2. Nicht ausgenommen sind damit Wechsel, weil es sich bei diesen, obschon sie auch eine Zahlungsfunktion haben, nicht um liquide Zahlungsmittel handelt. b) Wertpapiere nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1–3 WpHG
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In nicht abschließender Aufzählung (s. oben Rz. 6) führt das Gesetz in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1–3 WpHG Gattungen von Beteiligungs- und Schuldtiteln an, die Wertpapiere i.S. des WpHG sind. Der Gesetzgeber folgt hierin zwar nicht in der Gestaltung (s. dazu oben Rz. 4), wohl aber in der Sache den Vorgaben in § 4 Nr. 18 der Finanzmarktrichtlinie. Ungeachtet ihrer Auflistung in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1–3 WpHG sind die dort genannten Beteiligungs- und Schuldtitel Wertpapiere i.S. des WpHG allerdings nur dann, wenn sie die an solche zustellenden allgemeinen Kriterien erfüllen, d.h. im Einzelfall standardisiert ausgestaltet und handelbar (und damit auch übertragbar) sind. aa) Aktien (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG)
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Wertpapiere i.S. des WpHG sind gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG Aktien. Die ausschließliche Erwähnung von Aktien in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WpHG geht zurück auf die Änderung des § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG durch Art. 1 Nr. 2 lit. a aa des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Einl. Rz. 35). Aktien sind der Prototyp handelbarer Wertpapiere des Kapitalmarkts. Dass sie gleichwohl eigens aufgeführt werden, hängt vor allem auch damit zusammen, dass in dem in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1–3 WpHG zu findenden Katalog der Wertpapiere auch Aktien vergleichbare Beteiligungspapiere und Aktien vertretende Zertifikate aufgeführt werden. Zu den Aktien zählen etwa Inhaberaktien, Namensaktien (§ 68 Abs. 1 AktG) und vinkulierte Namensaktien (§ 68 Abs. 2 AktG)3. Als Orderpapiere sind Namensaktien fungibel und
1 Anders wohl RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 54: Dort wird (linke Spalte, 1. Abs.) zwar anerkannt, dass die Finanzmarktrichtlinie nicht ausdrücklich bestimme, ob Papiere auch „frei übertragbar“ sein müssten, um Wertpapiere i.S. der Richtlinie zu sein, oder ob auch solche Papiere erfasst würden, die – wie Namensschuldverschreibungen – nur durch schriftliche Abtretung übertragen werden können, doch werden Namensschuldverschreibungen dann (linke Spalte, 4. Abs.) unter Hinweis auf die fehlende freie Übertragbarkeit aus dem Kreis der erfassten Wertpapiere ausgeschieden. 2 RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 54. 3 Ebenso Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 14; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 10; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 20.
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dementsprechend auch möglicher Gegenstand des Handels an den Börsen1 und anderen Handelsplätzen. Mangels rechtlicher Selbstständigkeit und damit auch Handelbarkeit gehören Aktien zugehörige Nebenpapiere, wie etwa Kuponbögen (nebst Erneuerungsschein) oder einzelne Kupons, nicht als solche zu den Wertpapieren2. bb) Aktien vergleichbare Anteile sowie Aktien vertretende Zertifikate (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG) (1) Anteile Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG zählen auch Beteiligungen an in- oder ausländischen juristischen Personen, Personengesellschaften und sonstigen Unternehmen, soweit sie Aktien vergleichbar sind, zu den Wertpapieren des WpHG. Die jetzige Fassung der Vorschrift geht zurück auf Art. 1 Nr. 2 lit. a des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Einl. Rz. 36).
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Schon nach früherer, in der 4. Aufl. erläuterten und durch das TUG (Rz. 3) nur unwe- 16 sentlich modifizierten Gesetzesfassung wurde davon ausgegangen, dass Wertpapiere als mit Aktien vergleichbar anzusehen sind, wenn sie – wie diese – Mitgliedschaftrechte verkörpern3. Dementsprechend galt die Organisationsform, die das Gebilde, auf das sich das Mitgliedschaftsrecht bezog, aufzuweisen hatte, als unerheblich. Damit kamen auch Geschäftsanteile an einer GmbH, Beteiligungen als Kommanditist an einer KG oder etwa (die zu den Rektapapieren zählenden) Kuxe grundsätzlich als „Aktien vergleichbare Wertpapiere“ in Betracht. Insoweit hat der durch das FRUG (Rz. 3) nach Maßgabe von Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 lit. a der Finanzmarktrichtlinie geänderte Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG, namentlich die Erwähnung von Anteilen an Personengesellschaften, lediglich klarstellende Funktion. Wurden GmbH-Anteile oder Kommanditanteile damit zwar grundsätzlich als Aktien vergleichbare Beteiligungen angesehen, so wurde ihre Wertpapiereigenschaft doch gleichwohl unter Hinweis auf die fehlende Fungibilität solcher Beteiligungstitel zurückgewiesen (4. Aufl. des Kommentars § 2 Rz. 16 i.V.m. Rz. 10; abweichend schon 5. Aufl. des Kommentars). Auf diesem Standpunkt steht auch noch heute die h.M.4. Diese Ansicht lässt sich aber nicht mehr ohne Weiteres aufrechterhalten: Selbst wenn man den Umstand, dass GmbH-Anteile nur durch Abtretungsvertrag in notarieller Form übertragen werden können (§ 15 Abs. 2 GmbHG), als eine Einschränkung der freien Handelbarkeit von GmbH-Anteilen betrachten wollte, stünde er doch der Handelbarkeit solcher Anteile nicht entgegen. Dagegen kann auch nicht eingewandt werden, es fehle bislang an einem Markt für solche Anteile, genügt doch die Eignung, Gegenstand des Handels an einem Markt sein zu können. Weiter steht außer Frage, dass die fehlende Verbriefung von GmbH-Anteilen in einer Urkunde nicht gegen ihre 1 Vgl. §§ 18, 19 Bedingungen für die Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse, abrufbar über die Website http://deutsche-boerse.com unter Stichwortsuche: Regelwerke. 2 Ebenso Beck, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 2 WpHG Rz. 5; Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 21; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 14. A.A. (außer für den Erneuerungsschein) Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 15. 3 4. Aufl. des Kommentars § 2 Rz. 16. Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 39; Beck, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 2 WpHG Rz. 7; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 14. Das Merkmal der Vergleichbarkeit mit Aktien geht zurück auf eine entsprechende Definition in Art. 1 Nr. 4 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Einl. Rz. 13) und wurde von Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 lit. a der Finanzmarktrichtlinie übernommen. 4 Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 23; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 19; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 9.14.
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Wertpapiereigenschaft spricht (s. Rz. 11). Für die Wertpapiereigenschaft von Anteilen an einer GmbH wird es deshalb entscheidend auf ihre Standardisierung ankommen, d.h. darauf, dass alle Anteile einer GmbH die gleiche Ausgestaltung aufweisen. Entsprechendes gilt für Kommanditbeteiligungen, bei denen zudem das Argument ihrer erschwerten Übertragbarkeit entfällt. Ein solcher weiter Wertpapierbegriff bringt diesen in die Nähe dessen, was im US-amerikanischen Recht als „security“ und damit als Auslöser der kapitalmarktrechtlichen Registrierungspflichten, Vertriebsanforderungen und marktbezogenen Verhaltenspflichten der „securities industry“ gilt und vor allem jede Art einer standardisierten Beteiligung am Erfolg eines Unternehmens erfasst. Auf diese Weise wird erreicht, dass die bislang entlang der Verkörperung einer Anlage in einem Wertpapier verlaufende, den deutschen Kapitalmarkt und das deutsche Kapitalmarktrecht kennzeichnende Trennlinie von „organisiertem“ und „grauem“ Kapitalmarkt im Interesse der Angleichung des Anlegerschutzes und im Interesse der Schaffung eines „level playing field“ unter den Emittenten und Marktintermediären aufgebrochen wird. 17
Folgt man der Begründung des Regierungsentwurfs des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Einl. Rz. 36) ist dies allerdings anders zu sehen, denn dieser zufolge soll eine Vergleichbarkeit mit Aktien sowohl die Verbriefung als auch eine Verkörperung in einer Art und Weise voraussetzen, die eine Anwendung der Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb möglich macht1. Danach wäre eine Vergleichbarkeit bei einem Eigentumswechsel im Wege der Abtretung des Anteils nicht gegeben. Anteile an geschlossenen Fonds könnten folglich keine Wertpapiere i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG darstellen2. Das würde auch für GmbH-Anteile gelten: Zwar hat das MoMiG3 2008 mit § 16 Abs. 3 GmbHG den gutgläubigen Erwerb von GmbH-Anteilen eingeführt, doch knüpft dieser nicht an eine Verkörperung der Anteile, sondern an die Eintragung des Veräußerers in eine ins Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste an4. Aber wie dem auch sei: Der an die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs aufgrund einer Anteilsverköperung anknüpfenden Ansicht, die eine Auslegung des mit § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG umgesetzen Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 lit. a der Finanzmarktrichtlinie darstellt, ist nicht zu folgen. Wenn die Verbriefung eines Papiers keine Voraussetzung seiner Wertpapiereigenschaft i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG ist und damit auch die Wertpapiereigenschaft von Aktien nicht von deren Verbriefung abhängt, so kann die Verbriefung auch bei anderen Beteiligungsformen nicht Voraussetzung von deren Wertpapiereigenschaft sein. Ebenso wenig ist erkennbar, weshalb gerade die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs eines Papiers eine essentielle Voraussetzung seiner Handelbarkeit sein soll, zumal bei Orderpapieren wie Namensaktien, die unzweifelhaft als Wertpapiere i.S. des WpHG anzusehen sind, die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs erheblich eingeschränkt ist.
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Aktien vergleichbare Anteile i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG sind Zwischenscheine (§ 8 Abs. 6 AktG)5, die, obschon sie den Berechtigten namentlich bezeichnen 1 RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 54. Auch Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 23 m.w.N.; Müller, in: Heidel, § 2 WpHG Rz. 3. 2 So ohnehin die h.M. Vgl., jeweils m.w.N., Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 23; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 15; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 9. 3 Art. 1 Nr. 15 des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10.2008, BGBl. I 2008, 2026. 4 Zur h.M., die GmbH-Anteile nicht als erfasst ansieht, s. schon oben zu Rz. 16. 5 Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 25; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 17. Zweifelnd Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 28, nach dem Zwischenscheine zu
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müssen (§ 10 Abs. 3 AktG), zu den Orderpapieren zählen und als standardisierte und handelbare Papiere zu betrachten sind (s. auch Rz. 19). (2) Aktien vertretende Zertifikate Nicht nur Aktien, sondern auch Aktien vertretende Zertifikate sind Wertpapiere i.S. 19 dieser Vorschrift. Sie können etwa ausgestellt werden, um die Handelbarkeit von Aktien zu erleichtern, sei es, weil diese auf den Namen lauten, oder sei es, weil für die Aktien keine Urkunden ausgestellt wurden. Auch Zertifikate über eine Vielzahl oder einen Bruchteil der bei einer Depotbank hinterlegten Aktien kommen als aktienvertretende Zertifikate in Frage. Bekanntestes Beispiele sind American Depositary Receipts (ADRs)1. Zwischenscheine (§ 8 Abs. 6 AktG) vertreten nicht Aktien, sondern werden zur vorläufigen Verbriefung des Mitgliedschaftsrechts erteilt, wenn Aktien aus rechtlichen Gründen noch nicht ausgegeben werden dürfen, etwa weil die vollständige Leistung des Nennbetrags und ggf. des Agios noch nicht erbracht ist oder die Satzung die Ausgabe von Namensaktien nicht vorsieht oder untersagt (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 1 AktG). Als mitgliedschaftsverbriefende Wertpapiere sind sie aber als aktiengleich i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG einzuordnen (Rz. 17). Keine Aktien vertretenden Zertifikate, sondern eine Form ihrer Verbriefung sind Sammel- oder Globalurkunden2. Nicht erfasst sind schließlich die im Anlagegeschäft als Zertifikate bezeichneten Anlageinstrumente: auch wenn sich der Preis dieser Zertifikate nach Aktien als „Underlyings“ richtet, vertreten sie die Aktien nicht3. cc) Schuldtitel (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. a und b WpHG) (1) Allgemein: Schuldtitel Wertpapiere i.S. des WpHG sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG Schuldtitel, wo- 20 bei in lit. a und lit. b in nicht abschließender Aufzählung – das wäre für die in lit. b aufgezählten Titel deutlicher geworden, wäre das Wort „insbesondere“ vor lit. a gezogen worden (also „3. Schuldtitel, insbesondere“) – Genussscheine, Inhaberschuldverschreibungen, Orderschuldverschreibungen, Zertifikate, die Schuldtitel vertreten, sowie sonstige Wertpapiere angeführt werden, die zum Erwerb oder zur Veräußerung von Wertpapieren nach den Nummern 1 und 2 berechtigen oder zu einer Barzahlung führen, die in Abhängigkeit von Wertpapieren, von Währungen, Zinssätzen oder anderen Erträgen, von Waren, Indices oder Messgrößen bestimmt wird. Die jetzige Fassung der Vorschrift geht zurück auf Art. 1 Nr. 2 lit. a des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Einl. Rz. 36), der seinerseits die bereits durch Art. 1 Nr. 2 lit. a cc des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Einl. Rz. 35) dem Inhalte nach geänderte Fassung weitgehend übernimmt. Mit letztgenannter Bestimmung wurde Art. 2 Abs. 1 lit. b der Transparenzrichtlinie (Einl. Rz. 13) umgesetzt, welcher Schuldtitel definiert als „Schuldverschreibungen oder andere übertragbare Forderungen in verden Aktien zu zählen sind. Nach Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 10, sind Zwischenscheine aktienvertretende Zertifikate. 1 Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 25; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 21; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 21. Näher zu ADRs und den vergleichbaren New York Registry Shares und Global Registered Shares s. Werlen, in: Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 37 Rz. 167 ff.; Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 220, zählt sie zu den aktienähnlichen Rechten. 2 Ebenso Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 23; auch Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 26; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 22. A.A. Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 10. 3 Ebenso Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 26.
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Begriffsbestimmungen
briefter Form, mit Ausnahme von Wertpapieren, die Aktien gleichzustellen sind oder die bei Umwandlung oder Ausübung der durch sie verbrieften Rechte zum Erwerb von Aktien oder Aktien gleichzustellenden Wertpapieren berechtigen“. Vor diesem Hintergrund sind unter dem Begriff der Schuldtitel, den das Gesetz in § 2 WpHG undefiniert lässt, standardisierte und handelbare (und damit auch übertragbare), schuldrechtlich begründete Ansprüche vermögensrechtlichen Inhalts zu verstehen1. Dabei handelt es sich bei den Erfordernissen der Standardisierung und der Handelbarkeit um allgemeine Anforderungen an Wertpapiere i.S. des WpHG (s. oben Rz. 13). Die Schuldtitel können, müssen aber nicht verbrieft sein; im Falle ihrer Verbriefung können sie als Inhaber-, Order- oder Rektapapiere ausgestaltet werden. 21
Seit Juli 1997 ist die Abtrennung und der selbstständige Handel von Anleihemänteln und Zinsscheinen zulässig („Bondstripping“)2. Deshalb wurden bis zur Änderung von § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz und das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (Einl. Rz. 35 bzw. 36) Zinsscheine – wegen ihrer rechtlich selbstständigen Handelbarkeit – teilweise als Schuldverschreibungen vergleichbare Wertpapiere betrachtet3; nach heutiger Gesetzesfassung sind sie den Schuldtiteln zuzuordnen4. Kein Schuldtitel ist die bürgerlich-rechtliche Anweisung5. Sofern die Anweisung durch den Angewiesenen nicht ausnahmsweise angenommen wurde (§ 784 BGB), fehlt es regelmäßig schon an einem Forderungsrecht des Anweisungsempfängers. Das Erfordernis der Annahme der regelmäßig individuellen Verhältnissen angepassten Anweisung als Voraussetzung der Begründung des Rechts des Anweisungsempfängers führt im Übrigen dazu, dass es sowohl an der Standardisierung wie der Handelbarkeit der Anweisung fehlt. Auch handelbare Emissionsberechtigungen nach dem Gesetz über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen (Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz – TEHG)6 sind keine Schuldtitel; im Übrigen stellt § 15 TEHG klar, dass sie keine Finanzinstrumente i.S. des § 1 Abs. 11 KWG oder § 2 Abs. 2b WpHG darstellen. (2) Genussscheine
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Zu den Schuldtiteln, die das Gesetz in beispielhaft aufzählt, gehören zunächst Genussscheine, d.h. Papiere, die Genussrechte zum Gegenstand haben. In §§ 160 Abs. 1 Nr. 6, 221 Abs. 3 und 4 AktG zwar erwähnt und damit als existent vorausgesetzt, aber nicht definiert, handelt es sich bei Genussrechten um (nicht mitgliedschaftsrechtlich begründete) vermögensrechtliche Ansprüche gegen eine Gesellschaft, wie sie typischerweise einem Gesellschafter zustehen7. Genussscheine können als Inhaber-, Order- oder Rektapapiere ausgestaltet sein und sind in den ersten beiden Formen Inha1 Ebenso Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 23. S. auch Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 27. 2 S. Kußmaul, BB 1998, 2083 ff.; Weiss, Die Bank 1997, 338. 3 4. Aufl. des Kommentars § 2 Rz. 17. Kritisch schon gegen die Vorstellung, es könne Schuldverschreibungen vergleichbare Wertpapiere geben, welche in der aktuellen Gesetzesfassung keine Grundlage mehr findet, Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 15, 30. 4 I.E. damit wie Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 11; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 30. 5 Ebenso Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 27; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 30. 6 Gesetz vom 8.7.2004 (BGBl. I 2004, 1578), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 21.7.2011 (BGBl. I 2011, 1475). 7 Vgl. BGH v. 5.10.1992 – II ZR 172/91, AG 1993, 125 (127); BGH v. 9.11.1992 – II ZR 230/92, AG 1993, 134 (135). S. auch Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 28; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 23.
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ber- oder Orderschuldverschreibungen. Spezielle Ausprägungen von Genussscheinen sind etwa Optionsgenussscheine, Wandelgenussscheine und Optionsgenussscheine mit Beifügung von Optionsscheinen1. (3) Inhaber- und Orderschuldverschreibungen Weiter erwähnt § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. a WpHG Inhaberschuldverschreibungen 23 und Orderschuldverschreibungen. Beide sind Schuldverschreibungen und haben dementsprechend das Versprechen einer Leistung zum Gegenstand. Der Unterscheidung von Aktien in Inhaber- und Namensaktien entspricht im Bereich der Schuldverschreibungen diejenige von Inhaberschuldverschreibung und Orderschuldverschreibung. Die in § 793 BGB geregelte Inhaberschuldverschreibung stellt den Grundtypus han- 24 delbarer Schuldverschreibungen dar. Nach dieser Bestimmung handelt es sich bei einer Schuldverschreibung auf den Inhaber um eine Urkunde, in der der Aussteller der Urkunde dem Inhaber derselben eine Leistung verspricht. Für das Entstehen der Verpflichtung ist zwingend die Errichtung der Urkunde (Form: § 126 BGB; § 793 Abs. 2 Satz 2 BGB: faksimilierte Unterschrift ausreichend) und der Abschluss eines Begebungsvertrags (d.h. die schuldrechtliche Einigung von Aussteller und erstem Nehmer über das Entstehen der Schuldverschreibung und dingliche Einigung nach §§ 929 ff. BGB, wobei nach Rechtsprechung und h.M., unter Berufung auf die sich aus § 794 BGB ergebende Rechtsscheinshaftung, ein fehlender oder unwirksamer Begebungsvertrag durch den Rechtsschein eines Begebungsvertrags ersetzt werden2) erforderlich. Der Umstand, dass § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG die Ausstellung einer Urkunde nicht zur Voraussetzung eines Wertpapiers i.S. des WpHG macht, kann das Urkundserfordernis des § 793 BGB nicht ersetzen3. Zu den Schuldverschreibungen auf den Inhaber gehören auf den Inhaber lautende 25 Anleihen sowohl des Bundes (Bundesanleihen), der Sondervermögen des Bundes, der Bundesländer und der öffentlich-rechtlichen Körperschaften als auch solche von Unternehmen4. Zur ersten Gruppe zählen kraft ihrer rechtlichen Qualifikation als Schuldverschreibungen (i.S. des § 793 Abs. 1 BGB) auch die (unverzinslichen) Schatzanweisungen5 des Bundes und der Länder. Zu den von den Unternehmen begebenen, auf den Inhaber lautenden Anleihen von Unternehmen gehören etwa Wandel- und Gewinnschuldverschreibungen (§ 221 AktG)6, Umtauschanleihen7, Nullkuponanlei-
1 Zu diesen Wertpapieren s. etwa Jaskulla, Die Einführung derivativer Finanzinstrumente an den deutschen Wertpapierbörsen, Frankfurt/M. 1995, S. 29 ff. 2 Vgl. Hüffer, in: MünchKomm. BGB, 5 Aufl. 2009, § 794 BGB Rz. 5. 3 A.A. Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 25. 4 Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 24; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 26. 5 RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 54, zählt sie zu den Geldmarktinstrumenten i.S. des § 2 Abs. 1a WpHG. Das österreichische Bundesgesetz über die Beaufsichtigung von Dienstleistungen (Wertpapieraufsichtsgesetz 2007 – WAG 2007) erwähnt Schatzanweisungen sogar in § 1 Nr. 5 ausdrücklich als Beispiel für Geldinstrumente. Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 24. 6 Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 28; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 24. 7 Schlitt/Kammerlohr, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 11 Rz. 1; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 24.
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hen (Zero Bonds1, Optionsanleihen2, Pfandbriefe3, Asset-Backed-Securities4, Anleihen mit variabler Verzinsung (Floating Rate Notes)5 sowie Finanzinnovationen, die Schuldverschreibungen mit Tausch- oder Erwerbsrechten oder Leistungsmerkmalen anderer Wertpapiere und Finanzinstrumente kombinieren, wie etwa als Aktienanleihen bezeichnete Schuldverschreibungen mit optionaler Aktienandienung6 oder Inhaberschuldverschreibungen mit abtrennbaren Zinsscheinen. Keine Inhaberschuldverschreibungen sind dagegen Schuldscheindarlehen sowie Namensschuldverschreibungen7. Zu Letzteren gehören etwa die als Rektapapiere ausgestalteten Kommunalobligationen, Sparbriefe, Sparkassenbriefe sowie Hypotheken-, Grund- und Rentenschuldbriefe8. 26
Orderschuldverschreibungen sind Urkunden, in denen der Aussteller der Urkunde verspricht, an eine in der Urkunde namentlich benannte Person oder deren Order eine Leistung zu erbringen. Wie bei Inhaberschuldverschreibungen ist für das wirksame Entstehen der Verpflichtung die Errichtung der Urkunde und der Abschluss eines Begebungsvertrags erforderlich (s. oben Rz. 24). Da Schuldverschreibungen nicht zu den geborenen Orderpapieren gehören, ist auch die Orderklausel zwingende Voraussetzung, um eine Schuldverschreibung zur Orderschuldverschreibung zu machen. Aufgrund der Orderklausel handelt es sich bei Orderschuldverschreibungen, trotz der Nennung einer bestimmten Person (als erster Nehmerin), um Orderpapiere und nicht um Rektapapiere. Dementsprechend werden Orderschuldverschreibungen durch Indossament und Übereignung der Urkunde (nach §§ 929 ff. BGB) übertragen. Forderungsberechtigt ist die in der Urkunde namentlich benannte Person der oder der durch eine ununterbrochene Indossamentenkette als Berechtigter ausgewiesene Indossatar. Die Umlauffähigkeit und Handelbarkeit einer Orderschuldverschreibung kann durch Blankoindossament erleichtert werden.
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Alle als Inhaberschuldverschreibungen ausgestalteten Papiere können auch Orderschuldverschreibungen sein, wenn als jeweils Berechtigter nicht der Inhaber der Urkunde, sondern die in der Urkunde angeführte Person benannt wird und das Papier an Order ausgestellt ist. Beispiele hierfür sind an Order gestellte Schuldverschreibungen und Schatzanweisungen des Bundes und der Länder. Orderschuldverschreibungen sind weiter etwa Verpflichtungsscheine, die von einem Kaufmann über die Leistung von Geld, Wertpapieren oder anderen vertretbaren Sachen an Order ausgestellt sind, ohne dass darin die Leistung von einer Gegenleistung abhängig gemacht wird (§ 363 Abs. 1 Satz 2 HGB).
1 D.h. Wandel- oder Umtauschanleihen ohne Kuponzahlung während der Laufzeit. Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 28; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 24. 2 Schlitt/Hemeling, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 10 Rz. 3; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 24. 3 Hagen, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 19 Rz. 1; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 24. 4 Geiger, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 18 Rz. 1 ff.; Jahn, in: Bankrechts-Handbuch, § 114a Rz. 1 ff.; Willburger, Asset Backed Securities im Zivil- und Steuerrecht, Köln 1997, S. 42; Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 28; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 24. 5 Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 28; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 24. 6 S. BGH v. 12.3.2002 – XI ZR 258/01, BGHZ 150, 164 = AG 2002, 346; Assmann, ZIP 2001, 2061 ff.; Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 28. 7 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 39. S. auch Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 30. 8 Roth, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 10 Rz. 16. Ebenso Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 30; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 31.
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(4) Namensschuldverschreibungen Namensschuldverschreibungen, d.h. auf jeweils eine bestimmte Person ausgestellte, 28 nicht an Order gestellte und damit als Rektapapiere zu behandelnde Schuldverschreibungen, sind in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. a WpHG nicht erwähnt. Da die in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. a WpHG genannten Schuldtitel nur beispielhaft aufgeführt werden, bedeutet dies allerdings nicht, dass Namensschuldverschreibungen per se aus dem Kreis der Schuldtitel und damit auch der Wertpapiere i.S. des WpHG auszuscheiden sind1. Dass sie als Rektapapiere nur durch (grundsätzlich formfreie, nach Maßgabe von § 398 BGB vorzunehmende) Abtretung der verbrieften Forderung und damit möglicherweise nicht „frei“ übertragen werden können, steht ihrer Handelbarkeit aber nicht zwingend entgegen, weil weder die freie Übertragbarkeit noch die freie Handelbarkeit Voraussetzungen des Wertpapierbegriffs des WpHG sind (s. oben Rz. 8, 10). Dagegen dürfte es Namensschuldverschreibungen typischerweise an der erforderlichen Standardisierung fehlen, denn die Ausgestaltung einer Schuldverschreibung als Rektapapier macht in der Regel nur bei einem fallspezifisch ausgestalteten, individualisierten und personenbezogenen Inhalt Sinn. (5) Schuldtitel vertretende Zertifikate So wie Aktien vertretende Zertifikate (s. oben Rz. 19) gehören auch Schuldtitel vertretende Zertifikate („Hinterlegungsscheine“2) zu den Wertpapieren i.S. des WpHG. Ihre jetzt in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. a WpHG zu findende ausdrückliche Erwähnung geht zurück auf die Änderung der Vorschrift durch Art. 1 Nr. 2 lit. a cc des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Einl. Rz. 35).
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(6) Sonstige Wertpapiere i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. b WpHG (Optionsscheine) Sowohl in der in der 4. Aufl. erläuterten Gesetzesfassung (in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 30 WpHG a.F.) als auch nach der Änderung derselben durch das TransparenzrichtlinieUmsetzungsgesetz (Einl. Rz. 35) – in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG – werden unter den eigens aufgeführten Wertpapieren i.S. des WpHG auch Optionsscheine genannt. In der Sache war dies überflüssig, weil es sich bei Optionsscheinen um Schuldverschreibungen handelt3. Auch nach der Änderung des § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (Einl. Rz. 36) zählen Optionsscheine gewiss zu den durch § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG erfassten Schuldtiteln. In dieser Vorschrift werden sie allerdings nicht mehr speziell angeführt, sondern – unter Rückgriff auf eine in Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 lit. c der Finanzmarktrichtlinie zu findende Definition – durch allgemeine Umschreibung ihrer Begriffsmerkmale in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. b WpHG in den Kreis der Wertpapiere i.S. des WpHG inkorporiert. Dieser Aufwand der allgemeinen Definition von Optionsscheinen mag dem Umstand 31 geschuldet sein, dass Optionsscheine eine Vielzahl von Ausgestaltungen aufweisen, die im Einzelfall Zweifel an der Wertpapiereigenschaft des jeweiligen Anlageinstruments wecken können, zumal wenn die Option nicht auf die Verpflichtung zur Lieferung oder Abnahme von Wertpapieren gerichtet ist. Die Unterschiede resultieren teils aus der jeweiligen inhaltlichen Ausgestaltung (insbesondere dem jeweiligen Options1 Anders RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 54; Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 30. 2 Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 lit. b der Finanzmarktrichtlinie. 3 Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 12 (Vermeidung von Unklarheiten); Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 24 (Bestreben nach anschaulicher Darstellung). I.E. auch Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 25, 28.
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gegenstand) und dem Ziel (Erwerb oder Veräußerung von Wertpapieren oder Geldzahlungen) des Optionsrechts, teils aus der beim Emittenten vorhandenen („covered warrants“) oder nicht vorhandenen („naked warrants“) Deckung des Optionsrechts durch den Optionsgegenstand (etwa Aktien), teils daraus, dass Optionsscheine selbstständig oder in Verbindung – aber abtrennbar und selbstständig handelbar – mit anderen Papieren („issue linked warrants“, etwa in Gestalt von Optionsanleihen, s. Rz. 25) begeben werden können. Sämtliche der diesbezüglichen Varianten unterfallen der Definition „sonstiger Wertpapiere“ in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. b WpHG, sofern die Option nach Maßgabe der allgemeinen Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG an Wertpapiere standardisiert und handelbar ist und nach Maßgabe der besonderen Anforderungen in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. b WpHG entweder den Erwerb oder die Veräußerung von Wertpapieren i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 WpHG zum Gegenstand hat oder auf die Zahlung eines Geldbetrags gerichtet ist, der in Abhängigkeit von Wertpapieren i.S. des WpHG, Währungen, Zinssätzen, anderen Erträgen als Zinssätze (die Finanzmarktrichtlinie spricht in Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 lit. c von Zinserträgen), Waren, Indices oder Messgrößen bestimmt wird. 32
Im Hinblick auf die in § 31 Abs. 7 WpHG eröffnete Ausnahme von der sich aus § 31 Abs. 5 WpHG ergebenden Pflicht eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens, vor der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen zur Ausführung von (ohne vorausgehende Anlageberatung zustande gekommenen) Kundenaufträgen von den Kunden Informationen über ihre Kenntnisse und Erfahrungen in Bezug auf Geschäfte mit bestimmten Arten von Finanzinstrumenten oder Wertpapierdienstleistungen einholen zu müssen, gelten „sonstige Wertpapiere“ i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. b WpHG – d.h. Optionsscheine – nach Art. 38 lit. a der Durchführungsrichtlinie (Richtlinie 2006/73/EG, Einl. Rz. 36) zur Finanzmarktrichtlinie nicht als nicht-komplexe Finanzinstrumente i.S. des § 31 Abs. 7 WpHG. Mit anderen Worten: Optionsscheine betreffende Kundenaufträge sind, auch wenn sie nicht auf vorhergehender Anlageberatung beruhen, sondern allein vom Kunden ausgehen, von Wertpapierdienstleistungsunternehmen stets unter Beachtung der Pflichten aus § 31 Abs. 5 WpHG zu erfüllen. c) Wertpapiere nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WpHG (Anteile an Investmentvermögen)
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Die von dem Umsetzungsgesetz 1997 (Einl. Rz. 19) veranlasste Ergänzung von § 2 Abs. 1 WpHG um Satz 2 stellte – den sich aus Art. 1 Nr. 1 i.V.m. Anhang B Nr. 1 lit. b der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Einl. Rz. 13) ergebenden Anforderungen entsprechend – klar, dass auch Investmentanteile Wertpapiere i.S. des WpHG sind. Sprach schon zuvor vieles dafür, die von einer Kapitalanlagegesellschaft oder einer ausländischen Investmentgesellschaft ausgegebenen Investmentanteile als Aktien und Schuldverschreibungen vergleichbare Wertpapiere sui generis zu betrachten1, so war die Frage der Wertpapiereigenschaft solcher Anteile damit gesetzlich unstreitig gestellt. Die Ersetzung des bisher verwandten Begriffs der Investmentanteile durch denjenigen der Anteile an Investmentvermögen geht auf die Änderung des Investmentrechts durch das Investmentmodernisierungsgesetz (Einl. Rz. 28) und das mit diesem eingeführte InvG zurück. Seitdem ist die Vorschrift unverändert geblieben. Mit ihr war bereits auch dem Erfordernis aus Anhang I Abschnitt C Nr. 3 der Finanz-
1 Begr. RegE Umsetzungsgesetz 1997, BR-Drucks. 963/66 (= BR-Drucks. 13/7142), S. 100. Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 31; Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 32; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 30.
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marktrichtlinie, nach dem Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen zu den Finanzinstrumenten zu zählen sind, Rechnung getragen. Anders als der in Anhang I Abschnitt C Nr. 1 verwandte Begriff der übertragbaren Wertpapiere, der in Art. 4 der Finanzmarktrichtlinie umschrieben ist, ist der in Anhang I Abschnitt C Nr. 3 angeführte Begriff der Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen in der Richtlinie undefiniert geblieben. Gleichwohl steht außer Frage, dass § 2 Abs. 1 Satz 2 WpHG sowohl Anteile im Sinne der OGAW-Richtlinie (Einl. Rz. 37) als auch Anteile an Investmentvermögen, die nicht unter die OGAW-Richtlinie fallen (d.h. an Investmentvermögen, das in andere Vermögensgegenstände als die in § 2 Abs. 4 InvG Genannten angelegt ist), umfasst1. Vor allem enthält § 2 Abs. 1 Satz 2 WpHG keine Beschränkung auf die Investition in Wertpapiere2. Anteile an geschlossenen Immobilienfonds sind durch § 2 Abs. 1 Satz 2 WpHG ebenso wenig erfasst wie andere Vermögensanlagen i.S. von § 8f VerkProspG3.
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III. Geldmarktinstrumente (§ 2 Abs. 1a WpHG) Mit dem Umsetzungsgesetz 1997 (Einl. Rz. 19) wurde der Anwendungsbereich (na- 35 mentlich der Abschnitte 2 und 5) des WpHG auf Geldmarktinstrumente erweitert. Der diese definierende neue § 2 Abs. 1a WpHG, dessen Parallelvorschrift § 1 Abs. 11 Satz 3 KWG war und ist, diente zugleich der Umsetzung von Art. 1 Nr. 5 und Abschnitt B Nr. 2 des Anhangs der EG-Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Einl. Rz. 13). Mit dem Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (Einl. Rz. 36) ist die Vorschrift nur unwesentlich geändert worden: Der Begriff der „Forderungen“ wurde durch denjenigen der „Gattungen von Forderungen“ ersetzt, um – entsprechend der Ergänzung des § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG durch den Begriff der „Gattungen von übertragbaren Wertpapieren“ – deutlich zu machen, dass auch unter Geldmarktinstrumente nur standardisierte (s. oben Rz. 6 und 7) Instrumente fallen4. Des Weiteren wurden, ebenfalls wie in § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG, Zahlungsinstrumente von den Geldmarktinstrumenten ausgenommen. Auch die Finanzmarktrichtlinie (s. oben Rz. 3) enthält, über die Erwähnung von Geldmarktinstrumenten und Finanzinstrumenten (in Anhang I Abschnitt C Nr. 2) hinaus, keine Definition dieser Instrumente. Nach § 2 Abs. 1a WpHG sind Geldmarktinstrumente alle üblicherweise auf dem 36 Geldmarkt gehandelten Forderungen, soweit sie nicht bereits unter die in § 2 Abs. 1 WpHG angeführten Wertpapiere fallen. Wie bei den in § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG erfassten Wertpapieren ist danach auch bei Geldmarktinstrumenten die Handelbarkeit der als solche in Betracht kommenden Instrumente erforderlich (s. oben Rz. 8 f.). Anders als bei den Wertpapieren nach § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG (s. oben Rz. 9) genügt indes die bloße Eignung eines Instruments, an einem Geldmarkt gehandelt zu werden, nicht, um als Geldmarktinstrument zu gelten. Vielmehr muss – der Formulierung in Art. 1 Nr. 5 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie entsprechend – hinzukommen, dass es sich um ein Instrument handelt, das üblicherweise auf dem Geldmarkt gehandelt wird. Damit werden nur solche Instrumente erfasst, für die ein Markt bereits besteht5. 1 Vgl. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 54. Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 30. 2 Vgl. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 54. 3 Vgl. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 54. Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 30. 4 RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 54. 5 Auch Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 36; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 32.
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Begriffsbestimmungen
Wie auch immer man den Geldmarkt, vor allem in Absetzung zum Kapitalmarkt, eingrenzen mag1, sind doch nahezu alle der hier in Betracht kommenden handelbaren Instrumente Schuldverschreibungen i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG und scheiden nach § 2 Abs. 1a WpHG („Forderungen, die nicht unter Absatz 1 fallen“) schon von daher aus dem Kreis von Geldmarktinstrumenten im Sinne dieser Vorschrift aus2. Das wäre nur anders zu sehen, wenn man den Begriff der Handelbarkeit i.S. des § 2 Abs. 1 WpHG enger fassen und Handelbarkeit für grundsätzlich „jedermann“ verlangen würde, denn fraglos sind die als Geldmarktinstrumente auf dem Geldmarkt in einem engeren Sinne (d.h. einem Markt, auf dem ausschließlich Kreditinstitute und Zentralbanken auftreten) in Frage kommenden Schuldverschreibungen kein jedermann zugängliches Handelsgut; weder die Finanzmarktrichtlinie noch das Gesetz gibt für diese Auslegung aber etwas her. Unter den Geldmarktinstrumenten, die nicht bereits durch § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG erfasst sind, dürften damit praktisch nur kurzfristige Schuldscheindarlehen oder Schatzwechsel fallen3. Schatzanweisungen aber zählen jedenfalls nicht zu den Geldmarktpapieren im Sinne dieser Bestimmung, weil sie Schuldverschreibungen (§ 793 Abs. 1 Satz 1 BGB) darstellen und damit bereits durch § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. a WpHG als Wertpapiere erfasst werden (s. oben Rz. 25)4. Bei Termingeldern, Tagesgeldern und kurzfristigen Sparbriefen handelt es sich dagegen um nicht für den Handel ausgelegte und von daher als Geldmarktinstrumente ausscheidende Geldanlageformen5.
IV. Derivate (§ 2 Abs. 2 WpHG) 1. Normentwicklung und Übersicht 38
Der Begriff der Derivate hat im Verlauf der Änderungen des WpHG eine gegenüber seiner ursprünglichen Fassung stetige und beträchtliche Ausdehnung erfahren. Das freilich ist nicht auf Mängel früherer Begriffsbestimmungen, sondern auf die beständige Fortentwicklung sog. Finanzinnovationen einerseits und das Bedürfnis, die Emission, den Handel und den Vertrieb derselben aufsichtsrechtlicher Kontrolle zu unterwerfen, andererseits zurückzuführen. Dementsprechend heißt es in Erwägungsgrund 4 der Finanzmarktrichtlinie (Rz. 3), deren Anhang I Abschnitt C Nrn. 4–10 durch Art. 1 Nr. 2 lit. c des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Einl. Rz. 36), auf den die aktuelle Fassung des § 2 Abs. 2 WpHG zurückgeht, umgesetzt wurde: „Es ist zweckmäßig, in die Liste der Finanzinstrumente bestimmte Waren- und sonstige De1 In einem weiteren Sinne wird man ihn, im Gegensatz zum Kapitalmarkt, als Markt für kurzfristige Kredite ansehen können, in einem engeren Sinne mag man ihn als Markt betrachten, auf dem – zum Zwecke des Liquiditätsausgleichs – zwischen Kreditinstituten oder zwischen Kreditinstituten und Zentralbank(en) kurzfristige Finanzmittel gehandelt werden. 2 Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 33, 38; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 32; Müller, in: Heidel, § 2 WpHG Rz. 8; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 17; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 31. 3 Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 38; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 32; Müller, in: Heidel, § 2 WpHG Rz. 8; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 17; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 38. 4 Ebenso Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 37; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 32 a.E. 5 S. auch Begr. RegE Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 963/66 (= BR-Drucks. 13/7142), S. 100; Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 38; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 32; Mielk, WM 1997, 2204; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 17; Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 221; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 39.
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rivate aufzunehmen, die so konzipiert sind und gehandelt werden, dass sie unter aufsichtsrechtlichen Aspekten traditionellen Finanzinstrumenten vergleichbar sind.“ Gegenüber der heutigen Fassung von § 2 Abs. 2 WpHG wirkt die ursprüngliche nach- 39 gerade bescheiden und unkompliziert. Sie lautete: „Derivate im Sinne dieses Gesetzes sind an einem inländischen oder ausländischen Markt im Sinne des Absatzes 1 gehandelte Rechte, deren Börsen- oder Marktpreis unmittelbar oder mittelbar von der Entwicklung des Börsen- oder Marktpreises von Wertpapieren oder ausländischen Zahlungsmitteln oder der Veränderung von Zinssätzen abhängt“. Bereits durch das Umsetzungsgesetz 1997 (Einl. Rz. 19) erfuhr der Begriff der Derivate nicht nur eine erhebliche Umgestaltung und Erweiterung, sondern brachte auch eine Aufspaltung des Begriffs in Devisentermingeschäfte einerseits und die seinerzeit in § 2 Abs. 2 Nr. 1 lit. a–d WpHG und bis zur Änderung durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (Einl. Rz. 36) in § 2 Abs. 2 Nrn. 1–4 WpHG erfassten Termingeschäfte andererseits. Diese Aufspaltung ist schon aufgrund der Neufassung der Vorschrift durch Art. 1 Nr. 2 des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes von Oktober 2004 (Einl. Rz. 29), auf welchem die Norm in ihrer jetzt geänderten Fassung aufbaut, aufgehoben worden. Damit einhergehend wurde eine Lücke in der Erfassung von Devisentermingeschäften geschlossen, die darin bestand, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 WpHG der geänderten Fassung nur an einem organisierten Markt gehandelte Devisentermingeschäfte erfasste1. Darüber hinaus wurden mit § 2 Abs. 2 Nr. 5 WpHG auch außerbörslich gehandelte Termingeschäfte erfasst, deren Preis unmittelbar oder mittelbar vom Preis von Devisen abhängt. Das diente vor allem der Ausweitung des durch das Recht der Finanztermingeschäfte nach §§ 37d ff. WpHG a.F. bezweckten Anlegerschutzes. Anknüpfungspunkt dieser Vorschriften waren Finanztermingeschäfte, deren Definition in § 2 Abs. 2a WpHG ihrerseits auf den Begriff der Derivate nach § 2 Abs. 2 WpHG zurückgriff. Die Erweiterung des Begriffs der Derivate, welche die auf das Finanzmarktrichtlinie- 40 Umsetzungsgesetz (Einl. Rz. 36) zurückgehende Neufassung des § 2 Abs. 2 WpHG mit sich bringt, beruht vor allem auf einer Ausweitung der so genannten Basiswerte, auf die sich die schon von der bisherigen Regelung erfassten Typen von Derivaten – Optionen, Terminkontrakte, Swaps und alle anderen Derivatekontrakte – beziehen, einerseits sowie der Aufnahme von Kreditderivaten und finanziellen Differenzgeschäften, denen Referenzwerte bzw. jedwede Bezugsobjekte zugrunde liegen können, andererseits. Zwangsläufig geht mit dieser Ausweitung des Begriffs der Derivate auch eine Ausweitung des Begriffs der Finanzinstrumente nach § 2 Abs. 2b WpHG einher. Das wiederum hat Auswirkungen auf die Vorschriften des WpHG, die unmittelbar (wie etwa das Insiderrecht, die Ad-hoc-Publizität, Mitteilungspflichten in Bezug auf Directors’ Dealings, das Verbot der Marktmanipulation, die Finanzanalyse oder die verbliebenen Vorschriften über Finanztermingeschäfte) oder (über den Begriff der Wertpapierdienstleistungen, Wertpapiernebendienstleistungen und der Wertpapierdienstleistungsunternehmen) mittelbar an den Begriff der Finanzinstrumente anknüpfen. Auf den Anwendungsbereich zahlreicher dieser Vorschriften bleibt die Erweiterung des Derivatebegriffs allerdings ohne irgendwelche oder doch zumindest ohne größere Folgen, weil sich diese Bestimmungen ganz oder zu einem erheblichen Teil nur auf solche Finanzinstrumente beziehen, die an organisierten Märkten zugelassen oder in den regulierten Markt oder den Freiverkehr einbezogen sind2 und bereits nach
1 Zu dieser Lücke im alten Recht s. Fleckner, WM 2003, 168 ff., und zur Neuregelung Fleckner, BKR 2005, 96 ff. 2 Vgl. etwa § 14 i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 WpHG für das Insiderrecht, § 15 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 6 und 7 WpHG für das Recht der Ad-hoc-Publizität, § 15a Abs. 1
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Begriffsbestimmungen
§ 2 Abs. 2b Satz 2 WpHG a.F. kraft (zumindest beantragter) Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt zu den Finanzinstrumenten zählten. 41
Die jetzige Fassung des § 2 Abs. 2 WpHG stellt die Umsetzung der in Anhang I Abschnitt C Nrn. 4–10 der Finanzmarktrichtlinie (Rz. 3) enthaltenen Vorgaben dar. Die entsprechenden Bestimmungen lauten: „Finanzinstrumente 1.-3. (…) 4. Optionen, Terminkontrakte, Swaps, Zinsausgleichsvereinbarungen und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Wertpapiere, Währungen, Zinssätze oder -erträge, oder andere Derivat-Instrumente, finanzielle Indizes oder Messgrößen, die effektiv geliefert oder bar abgerechnet werden können 5. Optionen, Terminkontrakte, Swaps, Termingeschäfte und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Waren, die bar abgerechnet werden müssen oder auf Wunsch einer der Parteien (anders als wegen eines zurechenbaren oder anderen Beendigungsgrunds) bar abgerechnet werden können 6. Optionen, Terminkontrakte, Swaps und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Waren, die effektiv geliefert werden können, vorausgesetzt, sie werden an einem geregelten Markt und/oder über ein MTF gehandelt 7. Optionen, Terminkontrakte, Swaps, Termingeschäfte und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Waren, die effektiv geliefert werden können, die sonst nicht in Abschnitt C Nummer 6 genannt sind und nicht kommerziellen Zwecken dienen, die die Merkmale anderer derivativer Finanzinstrumente aufweisen, wobei unter anderem berücksichtigt wird, ob Clearing und Abrechnung über anerkannte Clearingstellen erfolgen oder ob eine Margin-Einschussforderung besteht 8. derivative Instrumente für den Transfer von Kreditrisiken 9. Finanzielle Differenzgeschäfte 10. Optionen, Terminkontrakte, Swaps, Termingeschäfte und alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Klimavariablen, Frachtsätze, Emissionsberechtigungen, Inflationsraten und andere offizielle Wirtschaftsstatistiken, die bar abgerechnet werden müssen oder auf Wunsch einer der Parteien (anders als wegen eines zurechenbaren oder anderen Beendigungsgrunds) bar abgerechnet werden können, sowie alle anderen Derivatkontrakte in Bezug auf Vermögenswerte, Rechte, Obligationen, Indizes und Messwerte, die sonst nicht im vorliegenden Abschnitt C genannt sind und die die Merkmale anderer derivativer Finanzinstrumente aufweisen, wobei unter anderem berücksichtigt wird, ob sie auf einem geregelten Markt oder einem MTF gehandelt werden, ob Clearing und Abrechnung über anerkannte Clearingstellen erfolgen oder ob eine Margin-Einschussforderung besteht.“
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Andere Mitgliedstaaten, wie etwa Österreich1, haben diese Richtlinienvorgaben nahezu ohne jede Modifikation des Wortlauts in ihr jeweiliges Aufsichtsrecht übernommen. Der deutsche Gesetzgeber hat sich dagegen der Mühe unterzogen, die wortreiche, auf Wiederholungen angewiesene und das Prinzip der Auflistung nicht ohne weiteres zu erkennen gebende Aufzählung von Derivaten in Anhang I AbSatz 3 WpHG für Directors’ Dealings, § 20a Abs. 1 Satz 2 WpHG und § 34b Abs. 3 WpHG für die Analyse von Finanzinstrumenten. 1 § 1 Nr. 6 lit. d–j österreichisches Wertpapieraufsichtsgesetz 2007.
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schnitt C zu systematisieren und damit in eine noch halbwegs überschaubare Regelung zu überführen. Dabei folgt er der deutschen Regelungstradition, die Allgemeines vor die Klammer zieht und abstrakte Begriffe anstelle einer Auflistung konkreter Erscheinungsformen bevorzugt, und erreicht, indem er das bisherige Regelungsmuster fortführt, doch eine gewisse Regelungskontinuität. Am Anfang der Regelung des Derivatebegriffs in § 2 Abs. 2 WpHG steht in Nr. 1 die Umschreibung des Begriffs des Termingeschäfts als Oberbegriff für Festgeschäfte und Optionsgeschäfte in Bezug auf die sodann in in lit. a–d angeführten Basiswerte. In Nr. 2 werden den Derivaten u.a. in bestimmter Form zu erfüllende oder an bestimmten Märkten geschlossene Termingeschäfte in Bezug auf weitere Basiswerte (wie u.a. Waren) und bestimmte zusätzliche Formen der Erfüllung hinzugefügt. Nr. 3 und Nr. 4 fügen den Derivaten, entsprechend Anhang I Abschnitt C Nr. 9 und Nr. 10 der Finanzmarktrichtlinie finanzielle Differenzgeschäfte und Kreditderivate hinzu, und schließlich bezieht Nr. 5, der folgerichtig vor die Nrn. 3 und 4 gehört hätte oder gar in Nr. 2 zu integrieren gewesen wäre, unter den zusätzlichen Voraussetzungen von Nr. 2 Termingeschäfte in Bezug auf in § 39 der Durchführungsverordnung zur Finanzmarktrichtlinie (Rz. 8) angeführten Basiswerte in den Derivatebegriff ein. 2. Elemente des Derivatebegriffs § 2 Abs. 2 WpHG verzichtet auf eine allgemeine Definition von Derivaten, wie sie noch in der ursprünglichen Fassung des § 2 Abs. 2 WpHG (s. oben Rz. 39) zu finden war. Derivate waren dort umschrieben als handelbare „Rechte, deren Börsen- oder Marktpreis unmittelbar oder mittelbar von der Entwicklung des Börsen- oder Marktpreises von Wertpapieren oder ausländischen Zahlungsmitteln oder der Veränderung von Zinssätzen abhängt“. Abstrahiert man von den in dieser Definition angeführten Instrumenten, auf deren Börsen- oder Marktpreis sich die fraglichen Rechte beziehen sollen, so schält sich aus der Umschreibung das entscheidende Merkmal von Derivaten heraus: Es besteht darin, dass die Bewertung (und damit der Preis) des Rechts, das in der Zukunft oder über einen zukünftigen Zeitraum geltend gemacht werden kann oder zu erfüllen ist, aufgrund seiner inhaltlichen Ausgestaltung unmittelbar oder mittelbar von einem Basiswert (auch „Underlying“) abhängt, der seinerseits Preis- und Bewertungsschwankungen unterliegt1.
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Die Art des stipulierten Rechts ist für den Begriff des Derivats zweitrangig, solange dies nur den geschilderten Basiswertbezug aufweist, doch lassen sich je nach dem Inhalt des vereinbarten Rechts unterschiedliche Gattungen von Derivaten unterscheiden. Dabei ist die wichtigste hieraus folgende Unterscheidung die von Festgeschäften, Optionsgeschäften und Swaps: Um Festgeschäfte (auch als Terminkontrakte und im Falle der Standardisierung der Kontrakte als „Futures“, sonst als „Forward“ bezeichnet und abweichend von der Terminologie in § 2 Abs. 2 WpHG und der Definition in § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG auch Termingeschäfte2 genannt), handelt es sich, wenn der in Frage stehende Kontrakt die Parteien zur effektiven Erfüllung der vertragsgegenständlichen Leistung, etwa den Kauf/Verkauf eines bestimmten Wertpapiers, zu einem hinausgeschobenen Zeitpunkt zu einem im voraus bestimmten
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1 Ebenso Beck, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 2 WpHG Rz. 9; Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 39; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 20. 2 Termingeschäfte i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG sind sowohl Festgeschäfte wie Optionsgeschäfte; s. unten Rz. 47.
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Preis verpflichtet1. Optionsgeschäfte liegen dagegen vor, wenn eine der Vertragsparteien berechtigt, aber nicht verpflichtet ist, zu einem bestimmten Zeitpunkt oder über einen bestimmten Zeitraum und gegen eine vorausbestimmten Gegenleistung (Baisispreis) von der anderen Seite (dem Stillhalter) die Erfüllung der vereinbarten Leistung, etwa den Kauf (Put-Option) oder den Verkauf (Call-Option) eines bestimmten Wertpapiers, zu verlangen2. Swaps3 schließlich sind Vereinbarungen, in der Zukunft unterschiedliche Zahlungsströme über einen bestimmten Zeitraum zu bestimmten Zeitpunkten zu tauschen, wie etwa im Falle eines Währungsswaps4 der Tausch von Kapital und Kapitalzinsen in einer Währung gegen Kapital und Zinsen in einer anderen oder im Falle des Zinsswaps der Tausch unterschiedlicher Zinssätze (vielfach auch variabler gegen feste Zinssätze) auf einen bestimmten Nominalbetrag. 3. Die Derivate des § 2 Abs. 2 WpHG a) Übergreifendes 45
Das Gesetz enthält keine Aussage darüber, ob die in § 2 Abs. 2 WpHG angeführten Derivate verbrieft sein müssen oder nicht. Da die Verbriefung kein Merkmal der in § 2 Abs. 2 WpHG unter Derivaten erfassten Rechte ist, kommt ihr für den Derivatebegriff keine Bedeutung zu5. Hinzu kommt: Wenn schon im Falle von Wertpapieren die Verbriefung keine allgemeine Voraussetzung für Wertpapiere i.S. des § 2 Abs. 1 WpHG ist, so ist dies erst recht im Falle von Derivaten nicht zu verlangen. Gleiches gilt für die Merkmale der Handelbarkeit und der Standardisierung: Im Gesetz unerwähnt, kommt ihnen für den Derivatebegriff keine Bedeutung zu, so dass auch ein einzelnes, individuell ausgestaltetes Produkt ein Derivat i.S. von § 2 Abs. 2 WpHG sein kann6. Des Weiteren können die in Frage kommenden Geschäfte börslich oder außerbörslich zustande kommen. Die in § 2 Abs. 2 Nrn. 2 und 5 WpHG erfassten Derivate bilden einen abschließenden Katalog der nach Anhang I Abschnitt C Nrn. 7 und 10 der Finanzmarktrichtlinie und nach Erwägungsgrund 21 der Durchführungsverordnung zur Finanzmarktrichtlinie (Rz. 8) zu erfassenden Finanzinstrumente. b) Derivate i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG
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Derivate i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG sind Termingeschäfte in Bezug auf die in der Vorschrift in lit. a–e aufgeführten Basiswerte. Dabei kommt dem in § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG umschriebenen Begriff des Termingeschäfts eine für die Begriffsbestimmung von Derivaten in § 2 Abs. 2 WpHG zentrale Bedeutung zu, denn er ist als Tatbestandsmerkmal auch Anknüpfungspunkt der im Übrigen in § 2 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 5 WpHG aufgeführten Derivate. Mit den in § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG aufgeführten Derivaten werden die in Anhang I Abschnitt C Nr. 4 der Finanzmarktrichtlinie genannten Derivate erfasst. In der Sache entspricht § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG der früheren Regelung in § 2 Abs. 2 WpHG. 1 Vgl. etwa Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 45; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 37. 2 Vgl. etwa Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 44; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 37. 3 Ausführlich Jahn, in: Bankrechts-Handbuch, § 114 Rz. 2 ff. S. auch Kumpan, in: Schwark/ Zimmer, § 2 WpHG Rz. 38. 4 Davon zu unterscheiden der Devisenswap; s. Jahn, in: Bankrechts-Handbuch, § 114 Rz. 16. 5 So schon zur Urfassung des Derivatebegriffs in § 2 Abs. 2 WpHG Begr. RegE 2. FFG, BTDrucks. 12/6679, S. 39. Vgl. auch Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 38. 6 Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 38.
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Der auch zur Umschreibung weiterer Derivate in Nr. 1 definierte Begriff der Termin- 47 geschäfte umfasst Festgeschäfte und Optionsgeschäfte. Was Festgeschäfte und Optionsgeschäfte sind, wird in der Vorschrift nur rudimentär, nämlich im Hinblick auf das ihnen Gemeinsame, aber ohne das sie Trennende umschrieben. Dabei geht der Gesetzgeber offenbar von auch für den juristischen Sprachgebrauch verfestigten Begriffen im oben Rz. 44 wiedergegebenen Sinne aus. Dessen ungeachtet sind die in der Vorschrift erwähnten Merkmale der zeitlich verzögerten Erfüllung und der unmittelbaren oder mittelbaren Abhängigkeit des Werts des jeweiligen Geschäfts vom Preis oder Maß eines Basiswertes integrale Bestandteile sowohl des Begriffs des Festgeschäfts als auch desjenigen des Optionsgeschäfts1. Mag die Erwähnung des erstgenannten Merkmals damit mehr der Klarstellung dienen, so ist die Erwähnung des Letzteren aber erforderlich, um im Anschluss daran diejenigen Basiswerte anzuführen, die ein Geschäft zum Derivat i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG machen (dazu im Folgenden Rz. 48). Zugleich wird dadurch klargestellt, dass es für Termingeschäfte unerheblich ist, ob deren Preis unmittelbar oder mittelbar von einem der möglichen Basiswerte abhängt. Das hat etwa zur Folge, dass zu den Termingeschäften auch Optionen auf Indices (wie den DAX) gehören, die ihrerseits von der Wertentwicklung eines der in Frage kommenden Basiswerte (wie den in den DAX einbezogenen Wertpapieren) abhängen (s. dazu auch unten Rz. 48 zu lit. d); und weiter erfasst werden dadurch als Termingeschäfte auch Kontrakte über oder Optionen auf synthetische Anleihen, wie etwa Bund-Future-Kontrakte oder Bund-Future-Optionen, da auch deren Preis mittelbar von der Entwicklung des Preises von Wertpapieren in Gestalt von Bundesanleihen und von der Entwicklung von Zinssätzen abhängig ist. Das Recht, das Gegenstand des Festgeschäfts oder Optionsgeschäfts ist, kann ein solches aus einem Kaufvertrag, einem Tausch oder einem anderweitigen Vertragstyp (etwa Leihe) sein. Derivate i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG sind nur solche Termingeschäfte, deren Wert sich unmittelbar oder mittelbar vom Preis oder Maß eines der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 lit. a–e WpHG angeführten Basiswerte ableitet. – § 2 Abs. 2 Nr. 1 lit. a WpHG: Mit den Basiswerten Wertpapiere oder Geldmarktinstrumente sind Wertpapiere i.S. von § 2 Abs. 1 WpHG und Geldmarktinstrumente i.S. von § 2 Abs. 1a WpHG erfasst. Obwohl nicht ausdrücklich in Anhang I Abschnitt C Nr. 4 der Finanzmarktrichtlinie erwähnt, wird aus „Gründen der Klarstellung und Kontinuität“2 mit der bisherigen Regelung in § 2 Abs. 2 Nr. 2 WpHG a.F. an der ausdrücklichen Nennung der Geldmarktinstrumente in § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG als möglichem Basiswert festgehalten. – § 2 Abs. 2 Nr. 1 lit. b WpHG: Basiswerte sind weiter Devisen und andere Rechnungseinheiten. Während Devisen gemäß § 1 Abs. 11 Satz 1 KWG Finanzinstrumente i.S. des KWG darstellen, können Finanzinstrumente i.S. des WpHG gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 lit. b i.V.m. Abs. 2b nur Devisentermingeschäfte, d.h. Termingeschäfte mit Devisen als Basiswert sein. Als Devisen in diesem Sinne kommen hier nicht nur Devisen im engeren Sinne, d.h. gesetzliche Zahlungsmittel in fremder Währung in Betracht, sondern auch Devisen im weiteren Sinne, d.h. auf fremde Währung lautende Forderungen (etwa aus Wechsel, Schecks oder Zahlungsanweisungen)3, denn auch mit diesen als Basiswerten sind Termingeschäfte, bei denen es auf Handelbarkeit und Standardisierung nicht ankommt (s. oben Rz. 45), 1 S. auch Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 43; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 38. 2 RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 55. 3 Zum Devisenbegriff etwa Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 14.59; Schefold, in: Bankrechts-Handbuch, § 117 Rz. 2.
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denkbar1. Rechnungseinheiten – wie etwa vor der Einführung des Euro der ECU – sind Wertmaße und Verrechnungseinheiten, die keine gesetzlichen Zahlungsmittel darstellen. Sie sind in Anhang I Abschnitt C Nr. 4 der Finanzmarktrichtlinie nicht aufgeführt, sind aber wiederum aus „Gründen der Klarstellung und Kontinuität“ in § 2 Abs. 2 Nr. 1 lit. b WpHG aufgenommen worden. Sie waren zwar nicht in dem geänderten § 2 Abs. 2 Nr. 2 WpHG (a.F.), wohl aber in § 1 Abs. 11 Satz 3 KWG neben dem „Kurs von Devisen“ aufgeführt. Wie zuvor werden damit etwa Sonderziehungsrechte (d.h. Buchführungseinheiten des Internationalen Währungsfonds)2 oder Verrechnungseinheiten in Countertradegeschäften (wie etwa der sog. Barter)3 erfasst. Zu den Devisentermingeschäften4 gehören bspw. Devisenterminkontrakte (Kontrakte über die Lieferung eines Fremdwährungsbetrags zu einem bestimmten Erfüllungszeitpunkt), Devisenoptionsgeschäfte (d.h. das Recht, von einer Person zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu einem festgelegten Preis einen bestimmten Betrag in einer bestimmten Währung verlangen zu können)5, Währungsswaps und (die mit diesen nicht identischen) Devisenswaps (als Kombination eines Devisenkassageschäfts mit einem Devisentermingeschäft über identische oder unterschiedliche Währungen oder Rechnungseinheiten)6 sowie, als „Finanzinnovation“, Termingeschäfte über nicht lieferbare Devisen (NDFs = „non-deliverable foreign exchange transactions“)7. – § 2 Abs. 2 Nr. 1 lit. c WpHG: Wie schon nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 WpHG a.F. können Basiswerte von Termingeschäften nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG auch Zinssätze und andere Erträge sein. Die Zinssätze sind nicht ihrerseits auf bestimmte Bezugsgrößen beschränkt. Als Zinssatzbasiswerte kommen deshalb u.a. in Betracht: Geldmarktsätze an bestimmten Finanzplätzen, FIBOR, EONIA und EURIBOR oder Zinssätze der EZB und der Deutschen Bundesbank (wie der Diskontsatz, der Lombardsatz oder der Basiszinssatz i.S. von § 247 BGB)8. Im Einzelnen kommen als Zinsderivate insbesondere in Betracht: Zinsterminkontrakte, Zinsswaps, Terminsatzgeschäfte (Forward Rate Agreements), Zinsoptionen, Swap-Optionen (Swaptions) sowie die Zinssatzbegrenzungsgeschäfte in Gestalt von Caps, Floors, Corridors und Collars9. Zu den Erträgen gehören etwa im Allgemeinen Früchte i.S. von § 99 BGB und im Besonderen Gewinnanteile. – § 2 Abs. 2 Nr. 1 lit. d WpHG: Wie bereits an früherer Stelle (Rz. 47) angeführt, ist es für den Begriff der Termingeschäfte unerheblich, ob deren Preis unmittelbar oder mittelbar von einem der nach dem Gesetz in Betracht kommenden Basiswerte abhängt. Der Hinweis auf Indices als mögliche Basiswerte von Termingeschäften in § 2 Abs. 2 Nr. 1 lit. d WpHG wäre insoweit lediglich eine Klarstellung, enthielte er nicht zugleich auch eine Beschränkung, indem er nur solche In1 2 3 4 5 6 7 8 9
So i.E. auch Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 41. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 55. Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 222. Zu diesen näher Jahn, in: Bankrechts-Handbuch, § 114 Rz. 16 f.; Rudolf, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 19.167. Vgl. Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 14.61; Schefold, in: Bankrechts-Handbuch, § 116 Rz. 287 ff. Vgl. Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 14.61; Jahn, in: Bankrechts-Handbuch, § 14 Rz. 287 ff. Jahn, in: Bankrechts-Handbuch, § 114 Rz. 16 und 17. Ebenso Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 42. Ebenso Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 54; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 42.
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dices erfasst, die sich auf die in „Buchstaben a, b oder c“ angeführten Basiswerte oder „andere Finanzindices oder Finanzmessgrößen“ beziehen. Letztere eröffnen allerdings wieder ein denkbar weites Feld. Auf jeden Fall erfasst werden die zahlreichen bekannten Wertpapier-Indices, wie etwa der DAX, der MDAX, der SDAX, der TecDAX, der Euro-Stoxx 50, der S&P 500, der Dow Jones oder der Nikkei 2251. Termingeschäfte mit Indices als Basiswert sind damit etwa Optionen auf einen Aktienindex, bspw. DAX-Optionen. – § 2 Abs. 2 Nr. 1 lit. e WpHG: Basiswert können schließlich auch alle Arten der in § 2 Abs. 2 WpHG angeführten Derivate sein. Anzuführen ist hier etwa die verbreitete Swap-Option, mit welcher deren Käufer das Recht erwirbt, zu einem bestimmten Zeitpunkt mit dem Verkäufer der Option einen bestimmten Swap-Vertrag abzuschließen2. c) Derivate i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 WpHG Derivate i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 WpHG sind Termingeschäfte in Bezug auf die in der 49 Vorschrift aufgeführten Basiswerte, sofern sie eine der weiteren in § 2 Abs. 2 Nr. 2 lit. a–c WpHG angeführten Voraussetzungen erfüllen und keine Kassageschäfte i.S. von Art. 38 Abs. 2 der Durchführungsverordnung zur Finanzmarktrichtlinie (Rz. 8) – Verordnung (EG) 1287/2006 – sind. Nr. 2 dient der Erfassung der in Anhang I Abschnitt C Nrn. 5–7 und 10 der Finanzmarktrichtlinie angeführten Finanzinstrumente. § 2 Abs. 2 Nr. 2 WpHG erfasst Termingeschäfte, deren Basiswerte Waren, Frachtsätze, Emissionsberechtigungen, Klima- oder andere physikalische Variablen, Inflationsraten oder andere volkswirtschaftlichen Variablen oder sonstige Vermögenswerte, Indices oder Messwerte darstellen: – Dabei stellen die sich auf Waren als Basiswerte beziehenden Warentermingeschäfte die am meisten verbreiteten unter den durch § 2 Abs. 2 Nr. 2 WpHG erfassten Termingeschäften dar. § 2 Abs. 2 Nr. 2 WpHG entspricht insoweit § 2 Abs. 2 Nr. 4 WpHG a.F. Auf eine in dieser Vorschrift noch zu findende Erwähnung von Edelmetallen konnte verzichtet werden, da diese in der Definition von Waren in § 2 Abs. 2c WpHG mit umfasst sind. Nach dieser Bestimmung gehören zu den als „fungible Wirtschaftsgüter“ umschriebenen Waren (zum Warenbegriff unten Rz. 61 f.) kraft ausdrücklicher Erwähnung auch Metalle, Erze und Legierungen, landwirtschaftliche Produkte und Energien wie Strom3. – Bei Frachtsätzen handelt es sich um die im Güterverkehr zu Land, zu Wasser oder in der Luft von bestimmten Anbietern verlangten Entgelte (Frachttarife). Nicht erforderlich ist, dass es sich um amtlich festgesetzte Frachtsätze handelt4, wie etwa die vom Bundesminister für Verkehr nach dem Güterverkehrsgesetz in seiner bis Ende 1993 geltenden Fassung (auf der Grundlage entsprechender Vorschläge von Tarifkommissionen) für die Unternehmen im Wege der Rechtsverordnung verbindlich festgesetzten Sätze (§ 20a GüKG a.F.). 1 Ebenso Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 49; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 39. 2 Jahn, in: Bankrechts-Handbuch, § 114 Rz. 18, zugleich Rz. 19 ff. zu weiteren Optionen auf Derivate. 3 Zu Stromgeschäften als Finanzinstrumente in Gestalt von Termingeschäften i.S. von § 1 Abs. 11 Satz 4 Nr. 2 KWG als Parallelvorschrift zu § 2 Abs. 2 Nr. 2 WpHG s. BaFin, Merkblatt Stromhandelsaktivitäten, www.bafin.de. Dort auch ausdrücklich und übertragbar auf § 2 Abs. 2 Nr. 2 WpHG: „Strom ist eine Ware im Sinne des § 1 Abs. 11 KWG“. 4 Ebenso Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 45.
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Begriffsbestimmungen
– Emissionsberechtigungen sind Berechtigungen zur Emission von Schadstoffen und existieren derzeit nur als Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen, die in Deutschland nach dem auf der Emissionshandels-Richtlinie1 beruhenden Gesetz über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen (Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz – TEHG)2 zugeteilt werden. Der Umstand, dass sie nach § 15 TEHG selbst keine Finanzinstrumente i.S. des § 1 Abs. 11 KWG oder § 2 Abs. 2b WpHG darstellen (s. oben Rz. 21), schließt ihre Eigenschaft, Basiswert eines Derivats nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 WpHG sein zu können, nicht aus3. – Klimavariablen oder andere physikalische Variablen. Zu den Ersteren gehören etwa Messwerte im Hinblick auf die Veränderungen von Temperaturen, Sonnenscheindauer oder Niederschlagsmengen; die entsprechenden Termingeschäfte werden auch als „Wetterderivate“4 bezeichnet und dienen der wetterabhängigen Industrie (wie etwa Landwirtschaft und Tourismus) als Absicherung gegen Wetterrisiken. Zu den Letzteren zählen etwa Breite, Höhe, Tiefe, Durchmesser, Gewicht oder spezifische Härte eines Objekts. – Basiswerte sind weiter Inflationsraten, etwa die Inflationsraten einzelner Länder, oder andere volkswirtschaftlichen Variablen, wie etwa das Bruttoinlandsprodukts (BIP), das Bruttonationalprodukt (BNE, früher: Bruttosozialprodukt – BSP) oder die Arbeitslosenquote (ALQ). – Sonstige Vermögenswerte als Basiswerte sind alle Vermögenswerte, die nicht bereits von einem anderen der möglichen Basiswerte – wie etwa Waren – erfasst werden. Darunter fallen bspw. die in Anhang I Abschnitt C Nr. 10 der Finanzmarktrichtlinie angeführten Rechte und Obligationen. Entsprechendes gilt für alle sonstigen Indices, d.h. Veränderungen bestimmter Größen anzeigende (meist auf der Basis 100 aufbauende) Kennziffern, und sonstigen Messwerte, wie etwa die Messwerte der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz BadenWürttemberg in Bezug auf Luftqualität, Radioaktivität und Wasser. 51
Des Weiteren werden von § 2 Abs. 2 Nr. 2 WpHG nur solche Termingeschäfte in Bezug auf die in der Vorschrift angeführten Basiswerte erfasst, die eine der nachstehenden, sich aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 lit. a–c WpHG ergebenden zusätzlichen Voraussetzungen erfüllen. So muss ein Terminkontrakt bspw. über die zu einem zukünftigen Zeitpunkt fällige Lieferung etwa des Basiswerts einer Emissionsberechtigung mit hinausgeschobenem Erfüllungstermin5 mindestens eine der in § 2 Abs. 2 Nr. 2 lit. a–c WpHG angeführten Voraussetzungen erfüllen, um ein Derivat i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 WpHG zu sein. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Anforderungen: – Es handelt sich um ein Termingeschäft, das durch Barausgleich zu erfüllen ist oder zumindest einer Vertragspartei das Recht gibt, einen Barausgleich zu verlangen, ohne dass dieses Recht durch Ausfall oder ein anderes Beendigungsereignis begründet ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 lit. a WpHG). Der zu Beginn dieser Rz. angeführte Terminkontrakt über eine Emissionsberechtigung erfüllt diese Voraussetzung 1 Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.10.2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates, ABl. EG Nr. L 275 v. 25.10.2003, S. 32. 2 Gesetz vom 8.7.2004 (BGBl. I 2004, 1578), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 21.7.2011 (BGBl. I 2011, 1475). 3 Auch Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 45. 4 Näher zu diesen Rinker, Wetterderivate, 2008. 5 Beispiel nach RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 55.
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Assmann
Begriffsbestimmungen
§2
nicht, wenn er auf effektive Lieferung der Emissionsberechtigung gerichtet ist oder einen an Stelle der Lieferung zu zahlenden Betrag etwa nur für den Fall vorsieht, dass die Emissionsberechtigung einen bestimmten Preis überschreitet. – Es handelt sich um ein auf einem organisierten Markt i.S. des § 2 Abs. 5 WpHG oder in einem multilateralen Handelssystem i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 WpHG geschlossenes Termingeschäft. Ist der eingangs dieser Rz. angeführten Terminkontrakt über eine Emissionsberechtigung etwa an der European Energy Exchange (EEX) in Leipzig oder der Energy Exchange Austria (EXAA) in Wien – beides organisierte Märkte – zustande gekommenen, liegt ein Derivat i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 lit. b WpHG vor. – Es handelt sich um ein Termingeschäft, das nach Maßgabe des Art. 38 Abs. 1 der Durchführungsverordnung zur Finanzmarktrichtline (Rz. 8) Merkmale anderer Derivate aufweist und nichtkommerziellen Zwecken dient, sofern nicht die Voraussetzungen des Art. 38 Abs. 4 der Durchführungsverordnung gegeben sind. Art. 38 der Durchführungsverordnung lautet in den von § 2 Abs. 2 Nr. 2 lit. c WpHG in Bezug genommenen Absätzen 1 und 4: „(1) Im Sinne von Abschnitt C Punkt 7 in Anhang I der Richtlinie 2004/39/EG weist ein Kontrakt, der kein Kassageschäft im Sinne von Absatz 2 dieses Artikels ist und nicht unter Absatz 4 fällt, dann die Merkmale anderer derivativer Finanzinstrumente auf und dient nichtkommerziellen Zwecken, wenn die nachfolgend genannten Bedingungen erfüllt sind: a) Er erfüllt eines der nachfolgend genannten Kriterien: i)
er wird über ein Handelssystem in einem Drittland gehandelt, das eine einem geregelten Markt oder einem MTF ähnliche Aufgabe wahrnimmt;
ii) der Kontrakt ist ausdrücklich für den Handel an einem geregelten Markt, über ein MTF oder über ein gleichwertiges System in einem Drittland bestimmt oder er unterliegt den Regeln eines solchen Marktes oder Systems; iii) der Kontrakt wird ausdrücklich einem Kontrakt gleichgestellt, der auf einem geregelten Markt, über ein MTF oder über ein gleichwertiges System in einem Drittland gehandelt wird; b) der Kontrakt wird von einer Clearingstelle oder einer anderen Einrichtung mit denselben Aufgaben wie eine zentrale Gegenpartei verrechnet, oder es bestehen Vereinbarungen für die Zahlung oder die Bereitstellung einer Sicherheitsleistung in Bezug auf den Kontrakt; c) der Kontrakt ist so standardisiert, dass insbesondere der Preis, die Handelseinheit, der Liefertermin oder andere Bedingungen hauptsächlich durch Bezugnahme auf regelmäßig veröffentlichte Preise, Standardhandelseinheiten oder Standardliefertermine bestimmt werden.“ „(4) Ein Kontrakt wird dann im Sinne von Abschnitt C Punkt 7 in Anhang I der Richtlinie 2004/39/EG als kommerziellen Zwecken dienend angesehen und wird dann nicht im Sinne von Abschnitt C Punkte 7 und 10 dieses Anhangs mit den Merkmalen anderer derivativer Finanzinstrumente behaftet betrachtet, wenn er von einem Betreiber oder einem Verwalter eines Energieübertragungsnetzes, eines Energieausgleichsystems oder eines Rohrleitungsnetzes abgeschlossen wird und er für den Ausgleich des Energieangebots und der Energienachfrage zu einem bestimmten Moment unabdingbar ist.“
Assmann 73
§2 52
Begriffsbestimmungen
Um ein Derivat i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 WpHG zu sein, darf es sich bei dem Termingeschäft schließlich nicht um ein Kassageschäft i.S. von Art. 38 Abs. 2 der Durchführungsverordnung zur Finanzmarktrichtline (Rz. 8) handeln. Ein Kassageschäft i.S. dieses Artikels ist nach dessen Satz 1 „ein Verkaufsgeschäft für eine Ware, einen Vermögenswert oder ein Recht, dessen Bedingungen zufolge die Lieferung zu dem jeweils längeren der nachfolgend genannten Zeiträume erfolgt: a) zwei Handelstage; b) die Frist, die in der Regel vom Markt für diese Ware, diesen Vermögenswert oder dieses Recht als Standardlieferfrist akzeptiert wird.“ Nach Art. 38 Abs. 2 Satz 2 der Durchführungsverordnung handelt es sich bei dem Kontrakt „nicht um ein Kassageschäft, wenn unabhängig von seinen ausdrücklichen Bedingungen eine Absprache zwischen den Vertragsparteien besteht, der zufolge die Lieferung des Basiswerts verschoben und nicht in der im ersten Unterabsatz genannten Frist vorgenommen wird.“ Damit sind vor allem sog. Spotgeschäfte im Energiehandel als Kassageschäfte zu betrachten und scheiden damit aus dem Kreis der Derivate nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 WpHG aus1. d) Derivate i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 3 WpHG
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Derivate i.S. des WpHG sind nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 WpHG weiterhin finanzielle Differenzgeschäfte, die nach Anhang I Abschnitt C Nr. 9 der Finanzmarktrichtlinie zu den Finanzinstrumenten zu zählen sind. Bei den von der Vorschrift erfassten Differenzkontrakten, die besser unter dem Begriff der „Contracts for Difference – CFD“ bekannt sind, handelt es sich um Geschäfte mit unbegrenzter Laufzeit über die Differenz zwischen dem Kaufpreis und Verkaufspreis des Referenzwerts. Der Kontrakt kann sowohl auf steigende Kurse (und die Übernahme einer sog. „long position“) als auch auf fallende Kurse (und die Übernahme einer sog. „short position“) des fraglichen Werts eingegangen werden. Differenzkontrakte bieten die Möglichkeit, an den Preisveränderungen des Referenzwerts partizipieren zu können, ohne diese erwerben zu müssen. Statt des Erwerbspreises für den jeweiligen Referenzwert ist lediglich eine erheblich hinter dem Ersteren zurückbleibende Sicherheitsleistung („Margin“) zu hinterlegen. Die Vorschrift kennt weder eine Eingrenzung auf einen bestimmten Referenzwert noch eine solche auf einen bestimmten Handelsplatz, über den der Kontrakt zustande gekommen sein muss. e) Derivate i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 4 WpHG
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§ 2 Abs. 2 Nr. 4 WpHG erfasst Kreditderivate und definiert sie als Kauf, Tausch oder anderweitig ausgestaltete Festgeschäfte oder Optionsgeschäfte, die zeitlich verzögert zu erfüllen sind und dem Transfer von Kreditrisiken dienen. Mit dieser Vorschrift werden die Anhang I Abschnitt C Nr. 8 der Finanzmarktrichtlinie angeführten Finanzinstrumente erfasst, welche diese Bestimmung als „derivative Instrumente für den Transfer von Kreditrisiken“ umschreibt. Kreditderivate transferieren Kreditrisiken in der Weise, dass das Risiko des Gläubigers einer Leistung in Bezug auf die Erfüllung derselben durch den Schuldner isoliert und ganz oder teilweise auf den Vertragspartner des Kreditderivats (den Sicherungsgeber) übertragen wird. § 2 Abs. 2 Nr. 4 WpHG regelt die in Anhang I Abschnitt C Nr. 8 der Finanzmarktrichtlinie erfassten Kreditderivate. Kamen Instrumente zum Transfer von Kreditrisiken nach früherer Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 2 WpHG a.F. nur dann als Derivate in Frage, wenn die Risiken im Hinblick auf die Leistung des Schuldners aus Wertpapieren, Schuldverschreibungen oder Geldmarkinstrumenten flossen, so ist nach der neuen 1 Vgl. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 55.
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Assmann
§2
Begriffsbestimmungen
Regelung in § 2 Abs. 2 Nr. 4 WpHG ist ein solcher Bezug nicht mehr erforderlich, so dass sämtliche Kreditrisiken erfasst werden1. Die Gebräuchlichsten der unter § 2 Abs. 2 Nr. 4 WpHG fallenden Kreditderivaten2 55 sind die sog. Kreditsicherungs-Swaps („credit default swaps“)3 und GesamtrisikoSwaps („total return swaps“ oder „total rate of return swaps“)4. Bei dem Ersteren erhält der Sicherungsnehmer gegen einen einmaligen Betrag oder – häufiger – gegen periodische Zahlungen eine Ausgleichszahlung für den Fall, dass das definierte „Kreditereignis“ eintritt, d.h. der in Frage stehende Kredit notleidend wird. Das ähnelt mehr einer Versicherung als einem Derivat und vermag deshalb nur bei großzügiger Auslegung des Derivatebegriffs zu den Derivaten gezählt zu werden. Bei dem Gesamtrisiko-Swap handelt es sich um einen Tausch von Erträgen, bei dem der Sicherungsnehmer dem Sicherungsgeber periodisch alle Erträge aus dem Darlehen oder dem den Schuldner zur Leistung verpflichtenden Recht zahlt, während dieser im Gegenzug entsprechende periodische Gegenleistungen erbringt. Seltener sind die (den Gesamtrisiko-Swaps ähnelnden) Spannensicherungs-Swaps („credit swaps“)5 sowie die Risiko-Swaps (meist „credit swaps“)6 und Verbrieften Kreditderivate („credit linked notes“)7. f) Derivate i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 5 WpHG Nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 WpHG gehören – zusätzlich zu den in Anhang I Abschnitt C 56 Nr. 10 der Finanzmarktrichtlinie angeführten Derivatekontrakten – zu den Derivaten auch Termingeschäfte (s. oben Rz. 46 ff.) mit Bezug auf die in Art. 39 der Durchführungsverordnung zur Finanzmarktrichtlinie (Rz. 8) genannten Basiswerte, sofern sie die in § 2 Abs. 2 Nr. 2 WpHG angeführten Bedingungen erfüllen, d.h. eine der in § 2 Abs. 2 Nr. 2 lit. a–c WpHG angeführten Voraussetzungen vorliegt (s. oben Rz. 51) und es sich nicht um ein Kassageschäft i.S. von Art. 38 Abs. 2 der Durchführungsverordnung (s. oben Rz. 52) handelt. In Art. 39 der Durchführungsverordnung werden folgenden Basiswerte angeführt: „a) Telekommunikations-Bandbreite; b) Lagerkapazität für Waren; c) Übertragungs- oder Transportkapazität in Bezug auf Waren, sei es nun über Kabel, Rohrleitung oder auf sonstigem Wege; d) eine Erlaubnis, ein Kredit, eine Zulassung, ein Recht oder ein ähnlicher Vermögenswert, der bzw. die direkt mit der Lieferung, der Verteilung oder dem Ver-
1 Vgl. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 55. 2 Zu diesen etwa Jahn, in: Bankrechts-Handbuch, § 114 Rz. 24 ff.; Rudolf, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 19.221 ff. Vgl. auch Schäfer, in: Boos/Fischer/SchulteMattler, § 1 KWG Rz. 228 m.w.N. 3 Beispielhaft erwähnt in RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 55. S. Jahn, in: BankrechtsHandbuch, § 114 Rz. 25; Rudolf, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 19.229 ff. 4 Dazu Jahn, in: Bankrechts-Handbuch, § 114 Rz. 26; Rudolf, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 19.246 ff. 5 Dazu Jahn, in: Bankrechts-Handbuch, § 114 Rz. 27; Rudolf, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 19.250 ff. 6 S. Jahn, in: Bankrechts-Handbuch, § 114 Rz. 28. 7 Dazu Jahn, in: Bankrechts-Handbuch, § 114 Rz. 29; Rudolf, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 19.253 ff.
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§2
Begriffsbestimmungen
brauch von Energie in Verbindung stehen, die aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen wird; e) eine geologische, eine umweltbedingte oder eine sonstige physikalische Variable; f) ein sonstiger Vermögenswert oder ein sonstiges Recht fungibler Natur, bei dem es sich nicht um ein Recht auf Dienstleistung handelt, der bzw. das übertragbar ist; g) ein Index oder ein Maßstab, der mit dem Preis, dem Wert oder dem Volumen von Geschäften mit einem Vermögenswert, einem Recht, einer Dienstleistung oder einer Verpflichtung in Verbindung steht.“
V. § 2 Abs. 2a WpHG (aufgehoben) 57
Die Vorschrift, die eine Definition des Begriffs der Finanztermingeschäfte enthielt, wurde durch Art. 1 Nr. 2 lit. d Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 16.7.2006 (Einl. Rz. 36) aufgehoben. Sie war in das Gesetz gekommen, nachdem das 4. FFG (Einl. Rz. 26) das ursprünglich im BörsG (§§ 50–70 BörsG a.F. und in § 764 BGB a.F.) geregelte Recht der Termingeschäfte in das WpHG (§§ 37d–37g WpHG a.F.) überführte (s. 5. Aufl. des Kommentars Einl. Rz. 44; 4. Aufl. des Kommentars Vor § 37d Rz. 1 ff.). Dabei trat an die Stelle des Begriffs des Börsentermingeschäfts (§ 50 Abs. 1 BörsG a.F.)1 derjenige des Finanztermingeschäfts2. Dieser für den Anwendungsbereich der §§ 37d–37g WpHG maßgebliche Begriff wurde in § 2 Abs. 2 WpHG definiert. Nachdem die Regelung der Finanztermingeschäfte in §§ 37d und 37f WpHG durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (Einl. Rz. 36) aufgehoben wurde (s. 5. Aufl. des Kommentars Einl. Rz. 82) und die Definition nur noch für §§ 37e und 37g WpHG von Bedeutung ist, wurde sie aus der allgemeine Begriffsbestimmungen enthaltenden Vorschrift des § 2 WpHG herausgenommen und des Sachzusammenhangs halber in den § 37e WpHG hinzugefügten Satz 2 transferiert. Da Finanztermingeschäfte nach der im Wortlaut unverändert gebliebenen Definition Geschäfte mit Derivaten und Optionsscheinen umfasst, erweitert sich mit der Ausdehnung des Derivatebegriffs auch der Kreis von Finanztermingeschäften.
VI. Finanzinstrumente (§ 2 Abs. 2b WpHG) 58
Beim Begriff der Finanzinstrumente handelt es sich um einen durch Art. 1 Nr. 2 AnSVG (Einl. Rz. 29) eingeführten Begriff, unter dem – nicht zuletzt, um den Tatbestand zahlreicher Regelungen des WpHG zu vereinfachen – verschiedene Instrumente zusammengefasst wurden. In der Sache hat § 2 Abs. 2b WpHG durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (Einl. Rz. 36) keine Änderungen erfahren. Der ursprüngliche Satz 1 ist unberührt geblieben. Zusammen mit den Absätzen 1, 1a und 2 setzt er Art. 4 Abs. 1 Nr. 17 der Finanzmarktrichtlinie um. Da Anhang I Abschnitt C der Finanzmarktrichtlinie einen umfassenden Katalog von Finanzinstrumenten enthält, die in den vorgenannten Absätzen des § 2 WpHG umgesetzt wurden, konnte auf den „sonstige Finanzinstrumente“ einbeziehenden Satz 2 der Vorschrift verzichtet werden; er ist durch Art. 1 Nr. 2 lit. e des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes aufgehoben worden.
1 Hierzu und zum Reformbedarf Samtleben, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, 1997, S. 469 ff. 2 Zur Reichweite dieses Wechsels s. insbes. Samtleben, ZBB 2003, 69.
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Assmann
Begriffsbestimmungen
§2
Der Begriff der Finanzinstrumente findet sich in nahezu jeder Norm des WpHG und 59 bestimmt den Anwendungsbereich zahlreicher Vorschriften wesentlich mit: sei es mittelbar, vor allem im Hinblick auf die Verhaltens-, Organisations- und Meldepflichten des 6. Abschnitts des WpHG (§§ 31 ff. WpHG), über die Begriffe der Wertpapierdienstleistungen (§ 2 Abs. 3 WpHG), der Wertpapiernebendienstleistungen (§ 2 Abs. 3a WpHG), der Wertpapierdienstleistungsunternehmen (§ 2 Abs. 4 WpHG) und im Übrigen auch über die Begriffe des organisierten Marktes (§ 2 Abs. 5 WpHG), des Emittenten (§ 2 Abs. 6 WpHG) und des auf diesem aufbauenden Inlandsemittenten (§ 2 Abs. 7 WpHG); oder sei es unmittelbar, etwa als Tatbestandsmerkmal von Transaktionsmeldepflichten nach § 9 WpHG, des Insiderhandelsverbots (§ 14 Abs. 1 i.V.m. § 12 Satz 1 WpHG), der Ad-hoc-Publizität (§ 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG), der Mitteilungspflichten nach § 15a Abs. 1 WpHG (betreffend Directors’ Dealings) und § 25 Abs. 1 WpHG (beim Halten bestimmter Finanzinstrumente), des Verbots des Marktmanipulation (§ 20a Abs. 1 WpHG) oder der Haftung für falsche oder unterlassene Kapitalmarktinformation (§ 37b WpHG und § 37c WpHG). Da der Begriff der Finanzinstrumente jedoch seinerseits nur der Oberbegriff für Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Derivate und Rechte auf Zeichnung von Wertpapieren i.S. des WpHG ist, hängt die Anwendung der vorstehend angeführten Bestimmungen letztlich allein von der Definition der im Begriff der Finanzinstrumente zusammengefassten Instrumente ab. Indem § 2 Abs. 2b WpHG Wertpapiere i.S. des Absatzes 1, Geldmarktinstrumente i.S. 60 des Absatzes 1a und Derivate i.S. des Absatzes 2 zu Bestandteilen des Begriffs der Finanzinstrumente erklärt, verweist er auf an früherer Stelle des § 2 WpHG definierte Begriffe. Anders verhält es sich mit dem Begriff der Rechte auf Zeichnung von Wertpapieren. Dabei erfasst der Begriff der Zeichnung die auf vertraglich oder gesetzlich gewährten Rechten beruhende Erklärung des Berechtigten über die Ausübung eines Erwerbsrechts einschließlich eines Umtauschrechts1. Als Rechte auf Zeichnung kommen jedenfalls Bezugsrechte und Optionen auf Zeichnung junger Aktien nach Maßgabe von § 185 Abs. 1 AktG und §§ 202, 203 Abs. 1 AktG in Betracht2. Des Weiteren und im Hinblick auf die Bedeutung des Begriffs für die Bestimmung des Kreises der Insiderpapiere nach § 12 Abs. 1 WpHG sowie, hierauf aufbauend, den Anwendungsbereich der Insiderhandelsverbote nach § 14 Abs. 1 WpHG (vgl. § 12 Rz. 14) sind als Zeichnungsrechte darüber hinaus auch Bezugserklärungen zur Ausübung eines Bezugsrechts oder einer Option betreffend Aktien aus einer bedingten Kapitalerhöhung i.S. von § 198 Abs. 1 AktG (§ 198 Abs. 2 AktG: „Die Bezugserklärung hat die gleiche Wirkung wie eine Zeichnungserklärung“)3 zu verstehen sowie alle sonstigen Rechte über den Bezug (Erwerb) von Aktien, auf die sich eine Option bezieht. Damit werden namentlich Rechte zum Erwerb von Wertpapieren aufgrund von Optionsprogrammen für Mitarbeiter (v.a. Führungskräfte) erfasst4. Nicht anders zu behandeln sind auch die auf den Erwerb von Wertpapieren gerichteten Rechte aus Options- und Wandelanleihen5. 1 So i.E. auch Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 69; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 59. 2 Ebenso Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 69; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 59. 3 Auch Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 59. 4 Auch Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 59; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 113. 5 H.M. s. Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 69; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 59; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 38; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 114.
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§2
Begriffsbestimmungen
60a Mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Novellierung des Finanzanlagenvermittlerund Vermögensanlagenrechts (s. oben Rz. 3a und Einl. Rz. 58) kommen zu den bislang in § 2 Abs. 2b WpHG aufgeführten Finanzinstrumenten auch Vermögensanlagen i.S. des § 1 Abs. 2 des Vermögensanlagengesetzes (VermAnlG) mit Ausnahme von Anteilen an einer Genossenschaft i.S. des § 1 des GenG sowie von Einlagenkreditinstituten ausgegebene einfache Namensschuldverschreibungen hinzu. Als Vermögensanlagen werden in § 1 Abs. 2 VermAnlG aufgeführt: „nicht in Wertpapieren im Sinne des Wertpapierprospektgesetzes verbriefte 1. Anteile, die eine Beteiligung am Ergebnis eines Unternehmens gewähren, 2. Anteile an einem Vermögen, das der Emittent oder ein Dritter in eigenem Namen für fremde Rechnung hält oder verwaltet (Treuhandvermögen), 3. Anteile an sonstigen geschlossenen Fonds, 4. Genussrechte und 5. Namensschuldverschreibungen“. Bei diesen nunmehr als Finanzinstrumente geltenden Vermögensanlagen handelt es sich um Anlageformen, die bislang dem „grauen“ Kapitalmarkt zugehörten und nicht den Verhaltenspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach §§ 31 ff. WpHG unterfielen. Die Änderung hat mithin zur Folge, „dass Wertpapierdienstleistungsunternehmen künftig auch bei der Anlageberatung und der Vermittlung von Vermögensanlagen im Sinne des Vermögensanlagengesetzes die Verhaltens- und Organisationspflichten des sechsten Abschnitts des Wertpapierhandelsgesetzes“ und damit „insbesondere das Gebot der anlegergerechten Beratung, die Offenlegung von Provisionen und das Führen eines Beratungsprotokolls“ zu beachten haben1. Die Definition der Vermögensanlagen in § 1 Abs. 2 VermAnlG, auf welche der neue § 2 Abs. 2b WpHG verweist, „übernimmt weitgehend die bislang in dem aufzuhebenden § 8f Absatz 1 des Verkaufsprospektgesetzes enthaltene Umschreibung dieses Begriffs“, doch wird durch § 1 Abs. 2 Nr. 4 VermAnlG „nunmehr ausdrücklich klargestellt, dass auch Genussrechte unter den Begriff der Vermögensanlagen fallen“2. Neu hingegen ist, dass nach § 1 Abs. 2 Nr. 5 VermAnlG der Begriff der Vermögensanlage nunmehr auch Namensschuldverschreibungen umfasst3. Ausgenommen sind nach ausdrücklicher Bestimmung des § 2 Abs. 2b aber Namensschuldverschreibungen von Einlagenkreditinstituten, genauer Namensschuldverschreibungen, die mit einer vereinbarten festen Laufzeit, einem unveränderlich vereinbarten festen positiven Zinssatz ausgestattet sind, bei denen das investierte Kapital ohne Anrechnung von Zinsen ungemindert zum Zeitpunkt der Fälligkeit zum vollen Nennwert zurückgezahlt wird, und die von einem Einlagenkreditinstitut i.S. des § 1 Abs. 3d Satz 1 KWG, dem eine Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 des KWG erteilt worden ist, ausgegeben werden, sofern das darauf eingezahlte Kapital im Falle des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Instituts oder der Liquidation des Instituts nicht erst nach Befriedigung aller nicht nachrangigen Gläubiger zurückgezahlt wird. Bei den solchermaßen umschriebenen Namensschuldverschreibungen handelt es sich der Sache nach um nicht nachrangig ausgestaltete und einfach strukturierte sog. „Plain vanilla“ – Produkte. Mit der Herausnahme von Namensschuldverschreibungen von Einlagenkreditinstituten aus dem Begriff der Vermögensanlage und der Finanzinstrumente i.S. des § 2 Abs. 2b WpHG wird dem Umstand Rechnung getragen, dass diese Anlageform, zu der namentlich Sparbriefe gehören, weder von ihrer Struktur noch dem mit ihr verbundenen Anlagerisiko her den ansonsten als Finanzinstrumenten erfassten Vermögensanlagen vergleichbar sind. Der Ausnahme sollen aber nur solche einfach strukturierten Namensschuldverschreibungen unterfallen, „die mit einer festen Laufzeit und einem Festzins ausgestattet sind und die vollständige Rückzahlung des investierten Kapitals gewährleisten, sowie im Falle von Null-Kupon-Anleihen nur solche mit ‚Ka1 RegE, BT-Drucks. 17/6051 v. 6.6.2011, S. 41. 2 RegE, BT-Drucks. 17/6051 v. 6.6.2011, S. 32. 3 RegE, BT-Drucks. 17/6051 v. 6.6.2011, S. 32.
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Begriffsbestimmungen
§2
pitalgarantie‘, bei der eine negative Verzinsung ausgeschlossen ist. Ebenso sollen keine Namensschuldverschreibungen ausgenommen werden, in die ein Derivat oder andere derivative Elemente eingebettet sind. Solche Namensschuldverschreibungen unterliegen des Weiteren der Einlagensicherung“1. Schon gemäß § 2 Nr. 1 VermAnlG aus dem Anwendungsbereich der §§ 6 bis 26 VermAnlG ausgenommen, werden des Weiteren Anteile an einer Genossenschaft i.S. des § 1 GenG aus dem Kreis der als Vermögensanlagen (i.S. von § 1 Abs. 2 VermAnlG) erfassten Finanzinstrumente ausgeschlossen. Für die mit der Neufassung des § 2 Abs. 2b WpHG verbundene Erweiterung der Verhaltenspflichten der §§ 31 ff. WpHG auf bislang nicht erfasste, nicht wertpapiermäßig verbriefte Anlagen des „grauen“ Kapitalmarkts werden sowohl sachliche wie europarechtliche Gründe angeführt: „Gerade in der vergleichenden Betrachtung wird deutlich, dass hier Regelungsbedarf besteht: Während vergleichsweise risikoarme Produkte (etwa Bundesanleihen, Aktien von soliden Großunternehmen) bereits jetzt von den anlegerschützenden Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes erfasst werden, ist dies bei Anteilen an geschlossenen Fonds nicht der Fall. Bei Anteilen an geschlossenen Fonds, die in der Praxis als Konkurrenzprodukte zu anderen Finanzinstrumenten vertrieben werden, ist allerdings das Risiko für den Anleger im Vergleich als sehr hoch anzusehen: Geschlossene Fonds haben in der Regel eine hohe Mindestanlagesumme (oft ab 10 000 Euro) und eine lange Laufzeit (in der Regel 10 bis 20 Jahre). Während der langen Laufzeit ist es kaum möglich (im Gegensatz zu Anleihen und Aktien), die Anteile zu veräußern. Im ungünstigsten Fall drohen Anlegern sogar Nachschusspflichten. Auch europarechtlich ist diese Erweiterung des Finanzinstrumentebegriffs vor dem Hintergrund der Finanzmarktrichtlinie (MiFID) und der künftigen Richtlinie zu Managern alternativer Investmentfonds (AIFM) geboten“2.
VII. Waren (§ 2 Abs. 2c WpHG) Der aufgrund von Art. 1 Nr. 2 lit. e des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes 61 (Einl. Rz. 36) in das WpHG eingefügte § 2 Abs. 2c WpHG enthält eine Bestimmung des Begriffs der Ware, wie sie zunächst für das WpHG maßgeblich ist, doch sind keine Anhaltspunkte erkennbar, weshalb sie nicht auch für den im KWG zahlreich verwandten Begriff der Ware maßgeblich sein sollte. Im WpHG wird der Begriff der Ware zunächst in den Begriffsbestimmungen und Ausnahmen von denselben enthaltenden Normen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. b und Abs. 2 WpHG sowie des § 2a Abs. 1 Nr. 12 WpHG und sodann in den Regelungen der §§ 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 und 20a Abs. 4 WpHG gebraucht; in § 31a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 lit. g WpHG findet er sich in der Begriffsverbindung „Warenderivate“ wieder. Allgemein umschreibt § 2 Abs. 2c Halbsatz 1 WpHG Waren im Sinne dieses WpHG als 62 fungible Wirtschaftsgüter. Zumal § 2 Abs. 2c Halbsatz 2 WpHG ausdrücklich klarstellt, dass zu den Waren auch Energien wie Strom gehören, lässt sich der Warenbegriff des § 2c WpHG in Anlehnung an die entsprechende Begriffsbestimmung im Handelsrecht auch so fassen, dass Waren als handelbare bewegliche Sachen3 begriffen werden. Als handelbar sind solche Sachen weiterhin nur dann zu betrachten, wenn sie vertretbar sind, d.h. – in Anlehnung an § 91 BGB – nach Zahl, Maß oder Gewicht bestimmt werden können. Kraft ausdrücklicher Regelung in § 2 Abs. 2c Halbsatz 2 WpHG zählen dazu auch Metalle, Erze und Legierungen, landwirtschaftliche Produkte und Ener1 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 17/7453 v. 25.10.2011, S. 110. 2 RegE BT-Drucks. 17/6051 v. 6.6.2011, S. 41. 3 Vgl. Hopt, in: Baumbach/Hopt, Einl. vor § 373 HGB Rz. 8.
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Begriffsbestimmungen
gien wie Strom (s. dazu schon oben Rz. 56 Spstr. 1). In Art. 2 Nr. 1 der Finanzmarktrichtlinie-Durchführungsverordnung (Rz. 8), der § 2 Abs. 2c WpHG weitgehend entspricht, ist von Gütern fungibler Art die Rede, die „geliefert werden können“. Das entspricht vorstehender Umschreibung: Da der Begriff der Ware erkennbar nicht mit dem einer einzelnen Sache (Stück) identisch ist, denn dazu bedürfte es der Regelungen des Wertpapierhandelsgesetzes nicht, kann davon ausgegangen werden, dass – ohne an eine ganz bestimmte Sache (bestimmtes Stück) zu denken – nur geliefert werden kann, was im Allgemeinen (d.h. der Gattung nach) bestimmt werden kann.
VIII. Wertpapierdienstleistungen (§ 2 Abs. 3 WpHG) 1. Systematische Stellung und Entwicklung der Vorschrift 63
Der in § 2 Abs. 3 WpHG definierte Begriff der Wertpapierdienstleistungen ist – teils direkt, teils indirekt (etwa über den Begriff des Wertpapierdienstleistungsunternehmens) – Anknüpfungspunkt zahlreicher Bestimmungen des WpHG, namentlich der Meldepflichten nach § 9 WpHG und der Verhaltensregeln der §§ 31 ff. WpHG. In § 2 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 bis 9 WpHG der Vorschrift werden in einem abschließenden Katalog Geschäftstypen und Dienstleistungen aufgeführt, die Wertpapierdienstleistungen i.S. des WpHG darstellen; § 2 Abs. 3 Satz 2 WpHG bestimmt, dass Eigengeschäfte auch dann als Wertpapierdienstleistung gelten, wenn sie keine Dienstleistung für andere und damit keinen Eigenhandel i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG darstellen; § 2 Abs. 3 Satz 3 WpHG stellt die erlaubnispflichtige Anlageverwaltung i.S. von § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 11 KWG der Finanzportfolioverwaltung (i.S. von Satz 1 Nr. 7) hinsichtlich der §§ 9, 31 bis 34 und 34b bis 36b WpHG gleich.
63a Gegenüber seiner ursprünglichen Fassung wurde der Begriff der Wertpapierdienstleistungen zunächst durch Art. 2 Nr. 3 des Umsetzungsgesetzes 1997 (Einl. Rz. 19) zum Zwecke der (Rest-)Umsetzung der EG-Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Einl. Rz. 13) erweitert. Das geschah zum einen durch die Berücksichtigung neuer Geschäftstypen von Wertpapierdienstleistungen, wie etwa der Tätigkeit des Nachweismaklers in § 2 Abs. 3 Nr. 4 WpHG, und zum anderen durch die Ausweitung der erfassten Finanzinstrumente, sei es direkt aufgrund der Neuaufnahme von Geldmarktinstrumenten, oder sei es indirekt als Folge der Erstreckung des Wertpapierund Derivatebegriffs auf bislang nicht erfasste Instrumente. Als Folge der Einführung des Begriffs der Finanzinstrumente als Oberbegriff für Wertpapiere, Geldmarktinstrumente und Derivate in § 2 Abs. 2b WpHG durch das AnSVG (s. oben Rz. 58) sind die in § 2 Abs. 3 WpHG der durch das AnSVG geänderten Fassung noch verwandten letztgenannten Begriffe durch den Begriff des Finanzinstruments ersetzt worden. Art. 1 Nr. 2 lit. f des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Einl. Rz. 36), der Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Anhang I Abschnitt A Nrn. 1–8 der Finanzmarktrichtlinie (Rz. 3) umsetzt, hat den Kreis der in § 2 Abs. 3 WpHG aufgeführten Wertpapierdienstleistungen erweitert, Kurzbezeichnungen für die einzelnen Wertpapierdienstleistungen eingeführt und verschiedene redaktionelle Änderungen vorgenommen. Die (parallel zu den entsprechenden Begriffsbestimmungen im KWG erfolgende) Einführung von Kurzbezeichnungen hat vor allem den Zweck, die Führung des nach Art. 5 Abs. 3 der Finanzmarktrichtlinie einzurichtenden Registers der Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das Informationen über die von diesen jeweils erbrachten Dienstleistungen und Tätigkeiten enthalten wird, zu erleichtern1. Darüber hinaus wurde § 2 Abs. 3 WpHG ein neuer Satz 2 hinzugefügt. Aufgrund des Gesetzes zur Umsetzung 1 RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 56.
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Begriffsbestimmungen
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der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie vom November 2010 (Einl. Rz. 50) wurde § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG neu gefasst, um einen Gleichlauf zu den entsprechenden, in Art. 1 Ziff. 1 lit. a aa und bb sowie 4. lit. c des Umsetzungsgesetzes enthaltenen Änderungen von § 1 Abs. 1a und § 2 Abs. 6 KWG herzustellen (s. oben Rz. 3a). Und schließlich fügte das Gesetz zur Fortentwicklung des Pfandbriefrechts vom März 2009 (Einl. Rz. 41) § 2 Abs. 3 WpHG einen neuen Satz 3 hinzu, der die erlaubnispflichtige Anlageverwaltung i.S. von § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 11 KWG im Hinblick auf die Regelung der §§ 9, 31 bis 34 und 34b bis 36b WpHG der Finanzportfolioverwaltung gleichstellt (s. oben Rz. 3a). 2. Übergreifendes Durchgängig beziehen sich die in § 2 Abs. 3 WpHG erfassten Dienstleistungen auf 64 Finanzinstrumente i.S. von § 2 Abs. 2b WpHG. Da Wertpapierdienstleistungen nach § 2 Abs. 3 WpHG a.F. nur Leistungen in Bezug auf Wertpapiere, Geldmarktinstrumente und Derivate betrafen, war mit der Verwendung des weiteren Begriffs der Finanzinstrumente zugleich eine Ausweitung des Kreises von Wertpapierdienstleistungen verbunden. In der ursprünglichen Fassung von § 2 Abs. 3 WpHG galten als Wertpapierdienstleistungen nur solche Dienstleistungen, die ihrem Umfang nach einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordern. Diese Voraussetzung ist mit der Novellierung dieser Bestimmung durch das Umsetzungsgesetz 1997 (Einl. Rz. 19) in die Definition von Wertpapierdienstleistungsunternehmen in § 2 Abs. 4 überführt worden; zur Qualifikation als Wertpapierdienstleistungsunternehmen genügt es nach dieser Vorschrift allerdings, dass Wertpapierdienstleistungen (ggf. im Zusammenhang mit Wertpapiernebendienstleistungen) gewerbsmäßig erbracht werden (Rz. 148 f.). Wenn in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1–3 und Satz 2 WpHG an die Anschaffung oder Ver- 65 äußerung der dort aufgeführten Finanzinstrumente angeknüpft wird, so werden damit auch solche Geschäfte erfasst, die, wie bei der Wertpapierleihe, nicht zu einem Vollerwerb auf der einen und einem entsprechenden Rechtsverlust auf der anderen Seite führen, aber gleichwohl die Übertragung der mit den einzelnen Instrumenten verbundenen Rechte zum Gegenstand haben1. Unerheblich ist des Weiteren, auf welchem Markt der Vertrag über die Anschaffung oder Veräußerung des jeweiligen Finanzinstruments zustandekam und ausgeführt wurde; insbesondere auf die Ausführung des Geschäfts über einen organisierten Markt – namentlich eine Börse – kommt es mithin nicht an2. In der durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (Einl. Rz. 36) geänderten Formulierung von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1–3 WpHG heißt es auch nicht mehr „die Anschaffung und die Veräußerung“, vielmehr ist jetzt von „Anschaffung oder Veräußerung“ die Rede (Hervorhebung jeweils hinzugefügt). Damit ist klargestellt3, dass der jeweilige Tatbestand der Wertpapierdienstleistung vorliegt, wenn Finanzinstrumente entweder angeschafft oder veräußert werden.
1 Ebenso Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 78; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 62; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 45 f., 48. S. dazu auch unten Rz. 67. 2 S. Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 62; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 45; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 129. 3 In der Sache war dies schon früher unstreitig; vgl. Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 47.
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3. Die einzelnen Wertpapierdienstleistungen (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1–9 WpHG) a) Finanzkommissionsgeschäft (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WpHG) 66
§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WpHG geht auf Vorgaben von Art. 1 Nr. 1 i.V.m. Abschnitt A Nr. 1 des Anhangs der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Einl. Rz. 13) zurück und dient der Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Anhang I Abschnitt A Nr. 1 der Finanzmarktrichtlinie. Er hat durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (Einl. Rz. 36) nur eine klarstellende redaktionelle Änderung erfahren, indem die Formulierung „die Anschaffung und die Veräußerung“ durch die Formulierung „Anschaffung oder Veräußerung“ ersetzt wurde (s. schon Rz. 65). Weiter wurde die Kurzbezeichnung „Finanzkommissionsgeschäft“ hinzugefügt (dazu oben Rz. 63). Eine § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WpHG entsprechende Bestimmung findet sich in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG.
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Wertpapierdienstleistung nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WpHG, vom Gesetz als Finanzkommissionsgeschäft bezeichnet1, ist die Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten im eigenen Namen für fremde Rechnung (mittelbare Stellvertretung). Entscheidend ist, dass es sich bei dem fraglichen Geschäft um ein Kommissionsgeschäft i.S. der §§ 383 ff. HGB2 oder um ein diesem hinreichend ähnliches Geschäft (dazu näher Rz. 68) handelt. Das Kommissionsgeschäft kann sowohl die Anschaffung in Gestalt des Kaufs (Einkaufskommission) als auch die Veräußerung in Gestalt des Verkaufs (Verkaufskommission) des Kommissionsgegenstands – hier eines Finanzinstruments – betreffen und mit dem Recht oder ohne das Recht zum Selbsteintritt des Kommissionärs einhergehen3. Erfasst sind darüber hinaus auch Tauschgeschäfte oder der Bezug von Wertpapieren aus Emissionen4. Dabei liegt ein Handeln im eigenen Namen vor, wenn die Willenserklärung nicht erkennbar im Namen eines anderen (des Vertretenen) abgegeben wird (§ 164 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 1 S. dazu BaFin, Merkblatt Finanzkommissionsgeschäft, www.bafin.de. Das Merkblatt dient in erster Linie der Auslegung des Tatbestands des Finanzkommissionsgeschäfts in der Parallelvorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG, ist aber auch für die Auslegung desselben Tatbestandsmerkmals in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WpHG heranzuziehen. 2 Hierzu und zum Folgenden BVerwG v. 27.2.2008 – 6 C 12.07, ZIP 2008, 911 Rz. 47 und 912 Rz. 51; BVerwG v. 8.7.2009 – 8 C 4.09, ZIP 2009, 1899 (1901) Rz. 30. Sieht man von veröffentlichten Meinungsäußerungen von Mitarbeitern der BaFin (etwa Eßer, WM 2008, 671; Sahavi, ZIP 2005, 929; Voge, WM 2007, 1640) ab, entsprach dies der einhelligen Ansicht im Schrifttum. S. etwa Dreher, ZIP 2004, 2161; Fock, ZBB 2004, 365 (368); Frey, BKR 2005, 200 (201); Fülbier, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, 2. Aufl. 2004, § 1 KWG Rz. 57; Görner/ Dreher, ZIP 2005, 2139; Gstädtner/Elicker, BKR 2006, 437 (440 f.); Hammen, WM 2005, 813; Kümpel/Bruski, in: Bankrechts-Handbuch, § 104 Rz. 3; Oelkers, WM 2001, 340 (344 f.); Reischauer/Kleinhans, § 1 KWG Rz. 85; Roth, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 10 Rz. 31; Schmalenbach/Sester, WM 2005, 2025 (2030); Wolf, DB 2005, 1723 (1724); Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 132; Zerwas/Hanten, ZBB 2000, 44 (47). Dazu auch BaFin, Merkblatt Finanzkommissionsgeschäft, unter 1d, www.bafin.de: „Die neuere verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, die mit dem Wechsel der zuständigen Kammer beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main… eingeleitet und zuletzt durch die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts … bestätigt wurde, schränkt den gesetzlichen Tatbestand entgegen der früheren Praxis der [BaFin] und der älteren Rechtsprechung der Instanzgerichte weitgehend auf die handelsrechtliche Kommission im Sinne der §§ 383 ff. HGB ein“. 3 Zu Finanzkommissionsgeschäften im Effektengeschäft näher etwa Ekkenga, in: MünchKomm. HGB, 2. Aufl. 2009, Bd. 5 Effektengeschäfte, Rz. 82 ff.; Schelm, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 2.41 ff.; Kümpel/Bruski, in: Bankrechts-Handbuch, § 104 Rz. 2 f., 106 ff.; Roth, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 10 Rz. 43 ff. 4 Vgl. BaFin, Merkblatt Finanzkommissionsgeschäft, unter 1b, www.bafin.de. Dazu auch noch am Ende dieser Rz.
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BGB). Von einem Handeln auf fremde Rechnung ist auszugehen, wenn die wirtschaftlichen Vor- und Nachteile aus dem Geschäft zur Anschaffung oder Veräußerung der Finanzinstrumente den Auftraggeber (Kommittenten) treffen sollen. Dies wiederum hängt davon ab, ob der Handelnde (Kommissionär) nach der von ihm gemäß §§ 362 ff. BGB vorgenommenen und nach außen erkennbaren1 Tilgungsbestimmung das Geschäft zur Erfüllung eines Kommissionsvertrags mit dem Kommittenten vornimmt. Mangels eines Handelns für fremde Rechnung betreibt eine Kommanditgesellschaft, die die eingeworbenen Mittel ihrer Treugeberkommanditisten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung in Finanzinstrumenten anlegt, kein Finanzkommissionsgeschäft2. Für die Qualifikation eines Geschäfts als Finanztermingeschäft ist es unerheblich, auf welchem Markt der Kommissionsvertrag zustandekam und ausgeführt wurde (s. oben Rz. 65). So wie das Kommissionsgeschäft nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WpHG gegenüber demjenigen nach § 383 Abs. 1 HGB hinsichtlich des Kommissionsgegenstands eine Modifizierung erfahren hat und Finanzinstrumente statt „Waren oder Wertpapiere“ umfasst, ist nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WpHG auch eine Modifikation im Hinblick auf das Ausführungsgeschäft vorzunehmen: Anders als § 383 Abs. 1 HGB, der den Kauf oder den Verkauf des Kommissionsgegenstands verlangt, ist in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WpHG von der „Anschaffung oder Veräußerung“ von Finanzinstrumenten die Rede. Dementsprechend kommt es bei Finanzkommissionsgeschäften nicht zwingend auf den Erwerb des Eigentums an dem jeweiligen Finanzinstrument an. Vielmehr können – wie bereits vorstehend angeführt – auch auf Tausch oder Leihe (namentlich die Wertpapierleihe) von Finanzinstrumenten gerichtete Geschäfte Finanzkommissionsgeschäfte sein3. Wenn § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WpHG nur dem Rechtsbegriff der Kommission i.S. von 68 §§ 383 ff. HGB entsprechende Kommissionsgeschäfte erfasst, bedeutet dies im Übrigen nicht notwendigerweise, dass im einzelnen Fall alle Merkmale des Kommissionsgeschäfts nach §§ 383 ff. HGB gegeben sein müssen. Vielmehr ist es ausreichend, dass das zwischen dem Unternehmen und seinem Kunden abgeschlossene Rechtsgeschäft hinreichende Ähnlichkeit mit dem in §§ 383 ff. HGB geregelten Typus des Kommissionsgeschäfts aufweist, um noch diesem Typus zugeordnet werden zu können4. Dagegen ist eine im Interesse des Anlegerschutzes vorgenommene rein wirtschaftliche Betrachtungsweise bei der Auslegung des Merkmals „für fremde Rechnung“ von der Vorschrift nicht gedeckt. Die Vorschrift kann mithin nicht als allgemeiner Auffangtatbestand für Anlagemodelle verstanden werden, bei denen im Drittinteresse mit Finanzinstrumenten gehandelt wird, sondern ist als ein auf das Kommissionsgeschäft bezogener und dadurch begrenzter Tatbestand zu betrachten. Vorstehende Grundsätze hat das BVerwG in seinem Urteil vom 27.2.20085 im Hinblick auf die Erlaubnispflicht von kollektiven Anlagemodellen nach § 1 Satz 2 Nr. 4 1 Vgl. etwa Hopt, in: Baumbach/Hopt, § 383 HGB Rz. 16. 2 BGH v. 7.12.2009 – II ZR 15/08, ZIP 2010, 176 (177) Rz. 15. 3 BaFin, Merkblatt Finanzkommissionsgeschäft, unter 1b, www.bafin.de. Auch Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 78; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 62; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 49; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 129 mit lediglich terminologischen Eigenwilligkeiten. S. auch oben Rz. 65. 4 BVerwG v. 27.2.2008 – 6 C 12.07, ZIP 2008, 911 (912) Rz. 51; BVerwG v. 8.7.2009 – 8 C 4.09, ZIP 2009, 1899 (1901) Rz. 30; BGH v. 7.12.2009 – II ZR 15/08, ZIP 2010, 176 (177) Rz. 14. Folgend BaFin, Merkblatt Finanzkommissionsgeschäft, unter 1d, www.bafin.de. S. auch Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 66. 5 BVerwG v. 27 2. 2008 – 6 C 12.07, ZIP 2008, 911. Zu dieser Entscheidung etwa Unzicker, ZIP 2008, 919. Im Ergebnis entsprachen dem auch die Entscheidungen der Vorinstanzen: VGH Kassel v. 13.12.2006 – 6 UE 3083/05, ZIP 2007, 999, und VG Frankfurt/M. v.
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KWG i.V.m. § 32 KWG dargelegt, doch sind die entsprechenden Ausführungen des Gerichts einschließlich seiner Würdigung der europarechtlichen Grundlagen der vorgenannten Bestimmungen ohne Weiteres auf § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WpHG übertragbar1, denn bei der Einordnung der auf den Finanzmärkten angebotenen Dienstleistungen geht es über die Frage ihrer Erlaubnispflicht hinaus auch um die für erlaubnispflichtige Geschäfte maßgeblichen Verhaltenspflichten, namentlich etwa der nachgerade auf Kommissionsgeschäfte anwendbaren Pflicht zur getrennten Vermögensverwaltung nach § 34a WpHG. Das bedeutet, dass kollektive Anlageformen wie etwa geschlossene, u.a. in Finanzinstrumente investierende Fondsgesellschaften (namentlich in der Rechtsform der Publikumskommanditgesellschaft mit regelmäßiger Einschaltung eines Treuhandkommanditisten) oder die Schaffung von Portfolios und die Beteiligung von Anlegern an deren Erfolg in Gestalt von (als Namens- oder Inhaberschuldverschreibungen ausgestalteten) Indexzertifikaten keine Finanzkommissionsgeschäfte i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WpHG darstellen2. Da sich sämtliche kollektiven Anlagemodelle dadurch auszeichnen, dass die vom Fondsträger bei Anlegern eingesammelten Gelder nicht nur im eigenen Namen, sondern auch für eigene Rechnung anlegen, werden sie auch nicht etwa dadurch zu Finanzkommissionsgeschäften, dass den Anlegern – etwa über einen so genannten Anlageausschuss – ein gewisser Einfluss auf die Anlagepolitik der Fonds eingeräumt wird. 70
Das BVerwG hat sich in seiner vorstehend angeführten Entscheidung nicht unwesentlich auf den (dem Wortlaut des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WpHG entsprechenden) § 1 Satz 2 Nr. 4 KWG und die Klammerbezeichnung „Finanzkommissionsgeschäfte“ berufen. Um „im Interesse der Integrität des Marktes“ eine weitere Auslegung der vorgenannten Bestimmungen zu erlauben, sollte in diesen, nach Plänen des BMF, zukünftig (und unter Rückgriff auf eine Fassung von § 1 Satz 2 Nr. 4 KWG vor der 6. GWB-Novelle von 1998) die Klammerbezeichnung „Effektengeschäfte“ gewählt werden3. Dabei macht sich das Ministerium die Haltung der BaFin zu eigen, welche schon im Hinblick auf die geltende Fassung der Vorschriften ein Handeln „für andere“ annahm, wenn die materiellen Vorteile und Nachteile des Geschäfts nicht dem Vertragschließenden, sondern seinem Auftraggeber zugute kommen und zur Last fallen sollten, wenn also ein rechtlich eigenes, wirtschaftlich aber fremdes Geschäft vorliege. Das wäre indes weder sachgerecht gewesen noch hätte es die erwartete Erweiterung des Tatbestands der Finanzkommissions-Vorschriften des KWG und des WpHG mit sich gebracht (näher hierzu 5. Aufl. des Kommentars § 2 Rz. 70). Stattdessen hat das BMF im Juli 2008 den Plan verfolgt, den Tatbestand des Finanzkommissionsgeschäfts dergestalt zu erweitern, dass er nahezu alle kollektiven Anlagemodelle erfasst, der Erlaubnispflicht nach dem KWG unterstellt und den Vorschriften des WpHG über Wertpapierdienstleistungen bzw. Wertpapierdienstleistungsunternehmen unterworfen hätte4. Aber auch dieses Vorhaben wurde heftig kritisiert und nicht
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27.10.2005 – 1 E 1159/05, ZIP 2006, 415. Bestätigt durch BVerwG v. 8.7.2009 – 8 C 4.09, ZIP 2009, 1899. Daran lässt auch das BVerwG v. 27.2.2008 – 6 C 12.07, ZIP 2008, 911 (915) Rz. 38 keinen Zweifel: „Der Gesetzgeber ging also ersichtlich davon aus, dass mit dem Tatbestand des § 2 Abs. 3 Nr. 1 WpHG, dessen Wortlaut mit dem des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG a.F. weitgehend übereinstimmte, (nur) das Kommissionsgeschäft erfasst werden sollte“. Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 82; i.E. auch Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 63. S. dazu die Hinweise bei Lorenz, WM 2008, 1475 (1476 zu 3). Konsultationsschreiben des BMF GZ: VII BaFin 5 – WK 6130/07/0001. Dazu etwa Fingerhut/Voß, Die geplante Abschaffung des Finanzkommissionsgeschäfts – Sippenhaft im Aufsichtsrecht?, BB 2008, 1862.
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weiterverfolgt. Vielmehr wurde schließlich ein Vorschlag Gesetz, der den Katalog der Finanzinstrumente in § 1 Abs. 1a Satz 2 KWG um eine neue Nr. 11 und den Tatbestand der Anlageverwaltung erweiterte und durch eine Ergänzung von § 2 Abs. 3 WpHG um einen Satz 3 bewerkstelligte, dass Finanzdienstleistungsinstitute mit der Erlaubnis zur Anlageverwaltung bei der Ausübung dieser Tätigkeit die Verhaltensund Organisationspflichten nach Abschnitt 6 des WpHG einhalten müssen und den Meldepflichten des § 9 WpHG unterliegen1. Zu Einzelheiten zu dieser Änderung s. unten Rz. 121a ff. Aus den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts (oben Rz. 69) hat die BaFin „für die Praxis“ abgeleitet, der Tatbestand des Finanzkommissionsgeschäfts sei jedenfalls immer dann erfüllt, „wenn jemand einen anderen, dem gegenüber er auch weisungsbefugt ist, damit beauftragt, bestimmte Finanzinstrumente im eigenen Namen anzuschaffen bzw. zu veräußern, wobei die wirtschaftlichen Vor- und Nachteile dieses Geschäfts den Auftraggeber treffen und der Beauftragte verpflichtet ist, den Auftraggeber über die Ausführung des Geschäfts zu benachrichtigen, ihm über das Geschäft Rechenschaft abzulegen und das Eigentum an den angeschafften Finanzinstrumenten zu übertragen“2.
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Von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WpHG erfasst werden alle Kommissionsgeschäfte in Be- 71 zug auf die fraglichen Finanzinstrumente3, namentlich das Wertpapier- und Effektenkommissionsgeschäft (§§ 383 ff. HGB, Nrn. 1–8 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte4, sowie – im Hinblick auf die Einkaufskommission – §§ 18 ff. DepotG). Die Tätigkeit von Botenbanken und sog. Introducing Brokers im Geschäft mit Finanzinstrumenten (näher zur Qualifikation dieser Tätigkeit unten Rz. 83) wird von dem Begriff der Finanzkommissionsgeschäfte nicht erfasst5. Verspricht ein Unternehmen oder ein Unternehmenskonsortium dem Emittenten, die Emission der Finanzinstrumente durch Platzierung im eigenen Namen, aber für Rechnung des Emittenten zu übernehmen („Begebungsübernahme“ oder „Begebungskonsortium“), so handelt es sich nach nicht einhelliger Ansicht um ein Geschäft i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WpHG6, doch ist der Streit um die Qualifizierung solcher Geschäfte als Finanzkommissionsgeschäfte obsolet geworden, seit diese in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 WpHG als selbstständige Wertpapierdienstleistungen erfasst werden7. Der Vertrieb von Anteilen an Investmentvermögen, die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 WpHG 72 als Wertpapiere gelten, stellt, sofern er im Wege einer der in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1–6 WpHG erfassten Transaktionsformen erfolgt, eine Wertpapierdienstleistung dar. Keine Wertpapierdienstleistungen im Sinne dieser Vorschrift sind dagegen die 1 Art. 2 Nr. 2 und Art. 3 Nr. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Pfandbriefrechts (PfandBFEG) vom 20.3.2009 (BGBl. I 2009, 607). 2 BaFin, Merkblatt Finanzkommissionsgeschäft, unter 1d aa, www.bafin.de. 3 Dazu etwa Roth, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 10 Rz. 43 ff., 60 f. und § 11 Rz. 184 f. 4 Abgedruckt in: BuB 7. Teil, 1. Abschnitt, am Anfang. 5 Auch Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 64; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 133. 6 S. auch Begr. RegE Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 963/66 (= BR-Drucks. 13/7142), S. 101 zu § 2 Abs. 3 Nr. 5 WpHG, und Rz. 58. Wie hier Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 73. Ebenso zu § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 KWG Reischauer/Kleinhans, § 1 KWG Rz. 84, 151, 159; Fülbier, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, 2. Aufl. 2004, § 1 KWG Rz. 60. Zweifelnd Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 130. A.A. Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 64. 7 Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 80; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 64.
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der Ausführung eines Investmentprogramms und nicht der kommissionsweisen Erfüllung von Kundenaufträgen dienenden Anlagegeschäfte der Investmentgesellschaften (d.h. der von Kapitalanlagegesellschaften verwalteten Investmentfonds und der Investmentaktiengesellschaften) oder ihrer rechtlich selbstständigen Verwahr- oder Verwaltungsgesellschaften, auch wenn diese im eigenen Namen für gemeinschaftliche Rechnung der Anteilsinhaber (vgl. §§ 2 Abs. 2, 9 Abs. 1 InvG) vorgenommen werden1. Die Ansicht, Anlagegeschäfte von Investmentgesellschaften stellten keine Wertpapierdienstleistungen dar, weshalb Investmentgesellschaften auch keine Wertpapierdienstleistungsunternehmen sein könnten, entsprach unter der ursprünglichen Fassung des § 2 Abs. 3 WpHG der ganz herrschenden Ansicht2. Auch wenn diese Auffassung weitgehend ohne spezifische Auseinandersetzung mit den Merkmalen der einzelnen der in der ursprünglichen Fassung des § 2 Abs. 3 WpHG aufgeführten Gruppen von Wertpapierdienstleistungen geäußert wurde, so erfasste doch schon § 2 Abs. 3 Nr. 1 WpHG a.F. die in der (durch das Umsetzungsgesetz von 1997, Einl Rz. 19) novellierten Fassung des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WpHG spezifisch geregelten und lediglich auf Geldmarktinstrumente ausgedehnten Kommissionsgeschäfte. Es besteht deshalb auch unter § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WpHG in seiner heutigen Fassung kein Anlass, solche Anlagegeschäfte als Wertpapierdienstleistungen im Sinne dieser Bestimmung zu qualifizieren3. b) Eigenhandel in Finanzinstrumenten und andere Geschäfte (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG) 73
§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG geht auf die Umsetzung von Art. 1 Nr. 1 i.V.m. Abschnitt A Nr. 2 des Anhangs der EG-Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Einl. Rz. 13) zurück und dient der Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Anhang I Abschnitt A Nr. 3 der Finanzmarktrichtlinie. Durch Art. 1 Nr. 2 lit. f Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (Einl. Rz. 36) wurde der Wortlaut der Vorschrift geringfügig geändert, um mit der Formulierung „für eigene Rechnung als Dienstleistung für andere“ klarzustellen, dass lediglich der Eigenhandel, nicht aber die Eigengeschäfte eines Instituts Wertpapierdienstleistungen i.S. des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG darstellen. Die Eigengeschäfte werden aber in § 2 Abs. 3 Satz 2 WpHG Wertpapierdienstleistungen gleichgestellt. Weiter wurde die Kurzbezeichnung „Eigenhandel“ hinzugefügt (dazu oben Rz. 63). Durch Art. 7 Nr. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie vom November 2010 (Einl. Rz. 50) wurde § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG ergänzt, um (verbunden mit einer Streichung von § 2a Abs. 1 Nr. 10 WpHG) einen Gleichlauf zu den entsprechenden, in Art. 1 Ziff. 1 lit. a aa und bb sowie 4 lit. c des Umsetzungsgesetzes enthaltenen Änderungen von § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 und § 2 Abs. 6 KWG herzustellen (s. oben Rz. 3a, 63). Eine § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG entsprechende Bestimmung findet sich in § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 KWG.
73a Nach der im November 2010 durch Gesetz zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie vorgenommenen Ergänzun1 Ebenso Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 81; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 64; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 131. Zurückhaltender Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 50. 2 1. Aufl. Rz. 17, 21; Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum 2. FFG, BT-Drucks. 12/7918, Begründung S. 100; Baur, Investmentgesetze, 2. Aufl. 1997, Vor § 1 Rz. 56; Baur, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 2. Aufl. 1997, § 18 Rz. 112a. A.A. Köndgen, in: Bankrechts-Handbuch, 1. Aufl. 1997, § 133 Rz. 43. 3 Baur, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 20 Rz. 254.
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gen der Bestimmung (s. vorstehend Rz. 73 a.E.) erfasst diese nunmehr neben dem Eigenhandel mit Finanzinstrumenten in Gestalt der Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten für eigene Rechnung als Dienstleistung für andere (unten Rz. 74 ff.) weitere Geschäfte, die keine Dienstleistungskomponente aufweisen müssen und insoweit Eigengeschäfte darstellen: (1) das kontinuierliche Anbieten des Kaufs oder Verkaufs von Finanzinstrumenten an einem organisierten Markt oder in einem multilateralen Handelssystem zu selbst gestellten Preisen, und (2) das häufige organisierte und systematische Betreiben von Handel für eigene Rechnung außerhalb eines organisierten Marktes oder eines multilateralen Handelssystems, indem ein für Dritte zugängliches System angeboten wird, um mit ihnen Geschäfte durchzuführen. Dadurch soll ein Gleichlauf zu den entsprechenden, in Art. 1 Ziff. 1 lit. a aa und bb sowie 4. lit. c des vorstehend angeführten Umsetzungsgesetzes enthaltenen Änderungen von § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 KWG (bei gleichzeitiger Streichung des Satzes 3 dieser Vorschrift) und § 2 Abs. 6 KWG hergestellt werden1. Ziel dieser Änderungen des KWG ist es, „Finanzdienstleistungsinstituten, die das Factoring, das Finanzierungsleasing oder das Sortengeschäft betreiben und daneben keine anderen Finanzdienstleistungen erbringen“, zukünftig auch bestimmte Eigengeschäfte in Finanzinstrumenten zu ermöglichen, „ohne dass sie deswegen einer zusätzlichen Erlaubnis bedürfen und einem weiteren Aufsichtsregime unterworfen werden“2. Die in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG in den Alternativen 1 und 2 aufgeführten Geschäfte sind Wertpapierdienstleistungen, ohne dass bei ihnen, anders als beim Eigenhandel, eine Dienstleistungskomponente nachzuweisen wäre3, weshalb sie in der Sache Eigengeschäfte darstellen. Als Geschäft, das – ohne dass es für andere erbracht werden muss – eine Wertpapier- 73b dienstleistung darstellt, führt § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG in der 1. Alternative zunächst das kontinuierliche Anbieten des Kaufs oder Verkaufs von Finanzinstrumenten an einem organisierten Markt oder in einem multilateralen Handelssystem zu selbst gestellten Preisen an. Unter welchen Voraussetzungen es sich bei einem Markt um einen organisierten Markt handelt, ist § 2 Abs. 5 WpHG (Rz. 158 ff.) zu entnehmen. Der Begriff des multilateralen Handelssystems ist in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 WpHG (Rz. 107 ff.) definiert. Mit dem Merkmal des kontinuierlichen Anbietens des Kaufs oder Verkaufs von Finanzinstrumenten ist die ständige Bereitschaft zum Abschluss solcher Geschäfte gemeint, wie sie vor allem für die Rolle des Market Makers prägend ist4. Ihre Dienstleistung besteht regelmäßig in der Anzeige ihrer ständigen Bereitschaft, an organisierten Märkten oder multilateralen Handelssystemen, „durch An- und Verkauf von Finanzinstrumenten unter Einsatz des eigenen Kapitals zu selbst gestellten Kursen Geschäfte abzuschließen“5.
1 RegE BT-Drucks. 17/1720, S. 31. 2 RegE BT-Drucks. 17/1720, S. 31. Dort heißt es weiter: „Kreditinstitute, Anlagevermittler, Anlageberater, Betreiber eines multilateralen Handelssystems, Platzierungsgeschäftler, Abschlussvermittler, Eigenhändler (Eigengeschäft mit Dienstleistungskomponente), Drittstaateneinlagenvermittler und Anlageverwalter sind von dieser Neuregelung nicht betroffen.“ Zu Sinn und Zweck der der Änderung des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG zugrunde liegenden Neufassung des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 KWG s. auch BaFin, Merkblatt Eigenhandel und Eigengeschäft, www.bafin.de. 3 Vgl. BaFin, Merkblatt Eigenhandel und Eigengeschäft, unter 1, www.bafin.de. 4 S. dazu (in rechtsvergleichender Sicht) Stefanski, Eigenhandel. 5 Vgl. BaFin, Merkblatt Eigenhandel und Eigengeschäft, unter 1a cc, www.bafin.de, mit dem Hinweis auf den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission, BT-Drucks. 16/4028, S. 58.
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73c Ein weiteres Geschäft, das nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG eine Wertpapierdienstleistung darstellt, ohne dass es für andere erbracht werden muss, ist das in der 2. Alternative der Vorschrift angeführte häufige organisierte und systematische Betreiben von Handel für eigene Rechnung außerhalb eines organisierten Marktes oder eines multilateralen Handelssystems, indem ein für Dritte zugängliches System angeboten wird, um mit ihnen Geschäfte durchzuführen. Prototyp eines Unternehmens, das außerhalb organisierter Märkte und multilateraler Handelssysteme ein Dritten zugängliches Handelssystem unterhält und systematisch Eigengeschäfte betreibt, ist der in § 2 Abs. 10 WpHG (s. unten Rz. 184 ff.) umschriebene systematische Internalisierer. In der Sache werden damit Unternehmen erfasst, die auf der Grundlage einer bilateralen Handelsplattform Eigengeschäfte mit Finanzinstrumenten tätigen. Der tatbestandliche Anknüpfungspunkt dieser Form des Eigengeschäfts ist der Handel für eigene Rechnung, d.h. – nicht anders als es in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG zur Umschreibung des Eigenhandels heißt (s. unten Rz. 74) – die Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten für eigene Rechnung. Für eigene Rechnung wiederum bedeutet, dass das Unternehmen nicht für andere handelt, die das Preis- und Erfüllungsrisiko des jeweiligen Geschäfts tragen. Das Merkmal dient damit vor allem der Abgrenzung zum Finanzkommissionsgeschäft nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WpHG (Rz. 66 ff.). Dieser Handel muss des Weiteren in einem „für Dritte zugänglichen System“ erfolgen. Mit dem Begriff des Systems ist hier eine Verfahrensweise gemeint, die planmäßig und wiederkehrend zum Ziel des Zustandekommens solcher Geschäfte praktiziert wird. Das setzt nicht voraus, dass es sich um ein automatisiertes technisches Verfahren – etwa in Gestalt entsprechender elektronischer Geräte und Programme – handelt1. Dritten zugänglich ist das System, wenn Dritten die Möglichkeit eröffnet wird, über das System Geschäfte mit dem Unternehmen zu schließen, etwa indem „über das Internet einsehbare Kurse für bestimmte Finanzinstrumente gestellt werden, zu denen der Anbieter den Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten anbietet“2 oder indem sie ihrerseits dem Unternehmen Angebote unterbreiten. Der Handel muss darüber hinaus häufig organisiert und systematisch betrieben werden. Das ist – bereits im Erfordernis eines Dritten zugänglichen „Systems“ angelegt – dann der Fall, wenn der Handel planmäßig, mit sich wiederholenden Abläufen und nicht nur gelegentlich betrieben wird3. 74
Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG wird schließlich der Eigenhandel mit Finanzinstrumenten, d.h. die Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten für eigene Rechnung als Dienstleistung für andere, als Wertpapierdienstleistung erfasst. Darunter fallen sämtliche Transaktionen, bei denen der Händler, anders als beim Finanzkommissionsgeschäft (Rz. 66 ff.), nicht für Rechnung des Kunden, sondern für eigene Rechnung tätig wird und Händler und Kunde sich als Verkäufer und Käufer et vice versa gegenübertreten. Davon zu unterscheiden sind die Eigengeschäfte eines Händlers, wie sie etwa in den beiden ersten Varianten einer Wertpapierdienstleistung nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG (oben Rz. 73b und 73c) erfasst sind und mit denen 1 Vgl. BaFin, Merkblatt Eigenhandel und Eigengeschäft, unter 1b bb, www.bafin.de, mit dem Hinweis, dies folge schon daraus, dass die – nun gestrichene – Rückausnahme des § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 14 Buchst. b KWG a.F. ausweislich der Regierungsbegründung zu dieser Norm unter anderem den ‚systematischen Internalisierer‘ erfasse, für den es ausweislich Art. 21 Abs. 1b der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 der Kommission vom 10.8.2006 (ABl. EU Nr. L 241 v. 2.9.2006, S. 1) nicht kennzeichnend sei, dass er ein automatisiertes System verwende. 2 Vgl. BaFin, Merkblatt Eigenhandel und Eigengeschäft, unter 1b bb, www.bafin.de. 3 In der Sache ebenso BaFin, Merkblatt Eigenhandel und Eigengeschäft, unter 1b cc und dd, www.bafin.de.
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der Händler, ohne dass dem ein entsprechender Kundenauftrag zugrunde läge, Finanzinstrumente für sich kauft oder verkauft. Diese Geschäfte sind weder Geschäfte „für andere“, noch weisen sie einen Handelsbezug („Geschäft als Dienstleistung für einen Kunden“1) auf2. Im Einzelnen sind Eigenhandelsgeschäfte i.S. des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG nur 75 Geschäfte über Finanzinstrumente, d.h. nach § 2 Abs. 2b WpHG Wertpapiere i.S. von § 2 Abs. 1 WpHG, Geldmarktinstrumente i.S. von § 2 Abs. 1a WpHG, Derivate i.S. von § 2 Abs. 2 WpHG und Rechte auf Zeichnung von Wertpapieren. Als Geschäfte kommen weiterhin lediglich die Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten in Betracht, d.h. jedes auf einen abgeleiteten Erwerb zu Eigentum bzw. bei Rechten zur Inhaberschaft gerichtetes Rechtsgeschäft unter Lebenden, worunter auch Tauschgeschäfte oder der Bezug von Wertpapieren aus einer Emission zu verstehen ist3 (s. auch oben Rz. 67). Die Anschaffung oder Veräußerung erfolgt für eigene Rechnung, wenn der Erwerber oder Veräußerer nicht für andere handelt, sondern das Preis- und Erfüllungsrisiko des jeweiligen Geschäfts allein trägt (s. auch oben Rz. 73c). Schließlich muss die Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten als Dienstleistung für andere erfolgen. Entscheidend ist, dass das Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäft in Erfüllung einer Leistungspflicht aus einem (i.d.R. vertraglichen) Rechtsverhältnis mit einem Dritten erfolgt und dadurch einen Kundenbezug aufweist4. Auf die rechtliche Qualifizierung dieses Rechtsverhältnisses als Dienstvertrag i.S. von § 611 BGB oder als dienstvertragsähnlich kommt es dabei nicht an. Sind die übrigen Voraussetzungen gegeben, werden die Finanzinstrumente aber nicht als Dienstleistung für andere erbracht, so liegt regelmäßig ein die erste oder zweite Variante einer Wertpapierdienstleistung i.S. des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG erfüllendes Eigengeschäft (s. oben Rz. 73b und 73c) vor. Als Eigenhandelsgeschäfte erfasst werden damit namentlich die Effektengeschäfte in Gestalt der Festpreisgeschäfte nach Nr. 9 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte (s. oben Rz. 71)5. Wertpapierdienstleistungen im Sinne dieser Vorschrift sind auch die Geschäfte der sog. Market Maker, d.h. derjenigen, die Dritten gegenüber die Verpflichtung zur jederzeitigen Anschaffung und Veräußerung der in § 2 Abs. 3 Nr. 2 WpHG angeführten Finanzinstrumente übernehmen6, und die Aufgabegeschäfte der Börsenmakler7. Zur 1 Weber-Rey/Baltzer, WM 1997, 2289. Mit dem fehlenden Kundenbezug argumentiert auch RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 56. 2 Ebenso Roth, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 10 Rz. 55. Auch Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 84; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 65. 3 Vgl. BaFin, Merkblatt Eigenhandel und Eigengeschäft, unter 1c aa, www.bafin.de. 4 Vgl. BVerwG v. 27.2.2008 – 6 C 11/07, ZIP 2008, 911 (919) (Rz. 59: aufgrund eines Kundenauftrages tätig wird) m.w.N. S. auch Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 83; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 65; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 134. 5 BVerwG v. 27.2.2008 – 6 C 11/07, ZIP 2008, 911 (919) Rz. 59. S. auch Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 85; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 66; Roth, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 10 Rz. 54 ff.; Starke, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 17.192. 6 Begr. RegE Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 963/66 (= BR-Drucks. 13/7142), S. 101. Auch du Buisson, WM 2003, 1401 (1407 f.); Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 86; Jung, BB 1998, 649 (651); Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 67; Reischauer/Kleinhans, § 1 KWG Rz. 194; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 60; Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 133c; Zerwas/Hanten, ZBB 2000, 44 (48). A.A. Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 135. 7 Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 86; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 66; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 61. A.A. Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 135.
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Begriffsbestimmungen
Qualifikation der Tätigkeit von Botenbanken und sog. Introducing Brokers im Geschäft mit Finanzinstrumenten s. Rz. 83. 76
Anlagegeschäfte von Investmentgesellschaften lassen sich aus den bereits (Rz. 72) dargelegten Gründen auch nicht unter dem Gesichtspunkt des „Eigenhandels für Rechnung eines Sondervermögens“ als Wertpapierdienstleistungen qualifizieren1. c) Abschlussvermittlung (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 WpHG)
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§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 WpHG geht auf die Umsetzung von Art. 1 Nr. 1 i.V.m. Abschnitt A Nr. 1 des Anhangs der EG-Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Einl. Rz. 13) zurück und dient der Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Anhang I Abschnitt A Nr. 2 der Finanzmarktrichtlinie. Durch Art. 1 Nr. 2 lit. f Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (Einl. Rz. 36) hat der Wortlaut der Vorschrift eine nur geringfügige Änderung erfahren (s. oben Rz. 65). Weiter wurde die Kurzbezeichnung „Abschlussvermittlung“ hinzugefügt (dazu oben Rz. 63). Eine § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 WpHG entsprechende Bestimmung findet sich in § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 2 KWG.
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Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 WpHG stellt die Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten in fremdem Namen für fremde Rechnung eine Wertpapierdienstleistung dar2. Die Vorschrift erfasst damit sämtliche Fälle der Ausführung von Kundenaufträgen über Finanzinstrumente in offener Stellvertretung (i.S. des § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB)3. Darin liegt auch die Abgrenzung zum Finanzkommissionsgeschäft nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WpHG (oben Rz. 66 ff.), dem eine mittelbare Stellvertretung zugrunde liegt, d.h. eine eigene Willenserklärung im eigenen Namen für fremde Rechnung. Die offene Stellvertretung kann sich in der Weise kundtun, dass der Dienstleister seine Willenserklärung, die (in Abgrenzung zur Botenschaft und zum Anlagevermittler) eigene Willenserklärung ist, ausdrücklich im Namen des Kunden abgibt, doch kann sich auch aus den Umständen ergeben, dass er als Vertreter des Kunden handelt4. Ein Handeln für fremde Rechnung liegt vor, wenn die vom Dienstleister abgeschlossenen Geschäfte „auch wirtschaftlich den Kunden betreffen“, wovon im Falle der offenen Stellvertretung regelmäßig auszugehen ist5. Eher irreführend, weil nur einen Teilaspekt dieser Tätigkeit erfassend, ist die Bezeichnung der Geschäfte in offener Stellvertretung als Abschlussvermittlung, wie sie schon zuvor in § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 2 KWG für solche Geschäfte gebräuchlich war, doch war nur ein Schlagwort als Kurzbezeichnung zu finden und Prägnanteres bietet sich nicht an. Wer in organschaftlicher oder gesetzlicher Vertretung Finanzinstrumente für den Vertretenen erwirbt oder veräußert, handelt nicht als Abschlussvermittler: Die Abschlussvermittlung be-
1 A.A. Köndgen, in: Bankrechts-Handbuch, § 113 Rz. 44. 2 Vgl. BaFin, Merkblatt Abschlussvermittlung, www.bafin.de. Das Merkblatt dient in erster Linie der Auslegung des Tatbestands des Emissionsgeschäfts in der Parallelvorschrift des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 2 KWG, ist aber auch für die Auslegung desselben Tatbestandsmerkmals in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 WpHG heranzuziehen. 3 Vgl. BaFin, Merkblatt Abschlussvermittlung, unter 1a, www.bafin.de. Ganz h.M., etwa: Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 87; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 68; Müller, in: Heidel, § 2 WpHG Rz. 27; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 63; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 136. 4 BaFin, Merkblatt Abschlussvermittlung, unter 1a, www.bafin.de. 5 BaFin, Merkblatt Abschlussvermittlung, unter 1b, www.bafin.de. Dort findet sich auch der Hinweis, die Tätigkeit des Abschlussvermittlers entspreche der Tätigkeit eines Abschlussmaklers im Sinne des § 34c Gewerbeordnung, sofern dieser eine Partei bei Abschluss des Geschäfts vertrete.
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ruht hier nicht auf einem auf diese Geschäftsbesorgung gerichteten Rechtsgeschäft1, so dass den fraglichen Geschäften jeder Kundenbezug fehlt, wie er für Dienstleistungen charakteristisch ist. Als Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten kommt jedes auf einen abgeleiteten entgeltlichen Erwerb zu Eigentum bzw. bei Rechten zur Inhaberschaft gerichtete Rechtsgeschäft unter Lebenden einschließlich Tauschgeschäfte und den Bezug von Wertpapieren aus Emissionen in Betracht2. Eine Abschlussvermittlung in offener Stellvertretung liegt etwa dann vor, wenn ein 79 Unternehmen oder ein Unternehmenskonsortium die Platzierung von Finanzinstrumenten beim Publikum im Namen und für Rechnung des Emittenten oder – im Falle etwa von sog. Zweitplatzierungen – oder des Anbieters der Finanzinstrumente verspricht, ohne sich weiter gehend zur festen Übernahme eines Teils der Emission (Rz. 88) oder – wie bei sog. Geschäftsbesorgungsübernahmen der Fall (Rz. 89) – des nicht platzierten Rests der Emission zu verpflichten3. Kundenbezug hat diese Tätigkeit in doppelter Hinsicht: Einerseits gegenüber dem Emittenten oder dem Anbieter der Finanzinstrumente als Kapitalmarktteilnehmer und andererseits gegenüber den Anlegern, auch wenn der Emissionshelfer diesen gegenüber nur als den Rechtspflichten eines Emissionshelfers unterliegender Vertreter des Emittenten oder Anbieters der Finanzinstrumente entgegentritt; dass der Anleger der Auftraggeber des Wertpapierdienstleisters im Allgemeinen oder hier des Emissionshelfers im Besonderen ist, stellt kein (ungeschriebenes) Merkmal von Wertpapierdienstleistungen dar4. Weiter erfolgen die Geschäfte des Vermögensverwalters in Ausführung des Vermögensverwaltungsvertrags und dem in Deutschland vorherrschenden Vertretermodell5 in offener Stellvertretung des Kunden und stellen damit Geschäfte i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 WpHG dar6. Dem kommt indes keine besondere praktische Bedeutung zu, weil bereits die Vermögensverwaltung als solche eine Wertpapierdienstleistung i.S. des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WpHG darstellt. Für das Wertpapiergeschäft der Kreditinstitute hat die Abschlussvermittlung i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 WpHG keine nennenswerte Bedeutung, da die Wertpapiergeschäfte nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1–8 bzw. 9 WpHG der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte (s. oben Rz. 71) als § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bzw. Nr. 3 WpHG unterfallende Kommissionsgeschäfte oder Festgeschäfte getätigt werden. d) Anlagevermittlung (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 WpHG) § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 WpHG geht auf die Umsetzung von Art. 1 Nr. 1 i.V.m. Ab- 80 schnitt A Nr. 1 des Anhangs der EG-Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Einl. Rz. 13) zurück und dient der Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Anhang I Abschnitt A Nr. 1 der Finanzmarktrichtlinie. Aufgrund von Art. 1 Nr. 2 lit. f Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (Einl. Rz. 36) hat der Wortlaut der Vorschrift eine Änderung erfahren: Erfasste die Vorschrift in ihrer alten Fassung „die Vermittlung oder den Nachweis von Geschäften“, so erfasst sie nunmehr allein die Vermittlung von Anlagegeschäften. Damit soll deutlich gemacht werden, dass die reine Nachweistätigkeit ohne sonstige Vermittlungstätigkeit oder Anlageberatung keine Wert1 Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 137. I.E. auch Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 68. A.A. Fülbier, in: Boss/Fischer/Schulte-Mattler, 2. Aufl. 2004, § 1 KWG Rz. 124; Reischauer/Kleinhans, § 1 KWG Rz. 185. 2 Vgl. BaFin, Merkblatt Abschlussvermittlung, unter 1c, www.bafin.de. 3 A.A. Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 136. 4 A.A. aber wohl Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 144. 5 Dazu Schäfer, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 23 Rz. 9, 11. 6 Dazu Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 63.
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Begriffsbestimmungen
papierdienstleistung darstellt1. Weiter wurde die Kurzbezeichnung „Anlagevermittlung“ hinzugefügt (dazu oben Rz. 63). Hintergrund der Gesetzesänderung ist die Rechtsprechung des VGH Kassel zur Anwendung der mit der früheren Fassung des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 WpHG identischen früheren (und ebenfalls durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz aufgrund von dessen Art. 3 Nr. 2 lit a aa aaa geänderten) Fassung der Parallelvorschrift des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 KWG2. In seinem Beschluss vom 6.1.20063 hatte das Gericht befunden, dass die Erstreckung des Begriffes der Anlagevermittlung in § 1 Abs. 1a Nr. 1 KWG (a.F.) auf den Nachweis von Geschäften über die Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten nicht von der Richtlinie des Rates über Wertpapierdienstleistungen vom 10.5.1993 (93/22/EWG, s. Einl. Rz. 13) gedeckt sei und der Gesetzgeber es verabsäumt habe, klar zu erkennen zu geben, dass er mit der Nachweistätigkeit einen Sachverhalt regeln wollte, der nicht von der Richtlinie, die lediglich eine Mindestharmonisierung bezwecke und weitergehende mitgliedstaatliche Regelungen nicht ausschließe, erfasst worden sei. Der Gesetzgeber hat auf diese Rechtsprechung dadurch reagiert, dass er die Nachweistätigkeit aus der in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 WpHG geregelten Wertpapierdienstleistung herausnahm. Eine § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 WpHG entsprechende Bestimmung findet sich in § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 KWG. 81
Die vorstehend (Rz. 80) angeführte Rechtsprechung berücksichtigend, lässt sich von einer Anlagevermittlung4, d.h. der Vermittlung von Geschäften über die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten, im Anschluss an entsprechende Grundsätze des Maklerrechts (§§ 93 ff. HGB für den sog. Handelsmakler und §§ 652 ff. BGB für den sog. Zivilmakler) nur dann sprechen, wenn der Betroffene entweder mit beiden Parteien des beabsichtigten Geschäfts in Verbindung tritt und dadurch zum Vertragsschluss beiträgt oder zwei zu dem fraglichen Geschäft entschlossene Parteien zusammenführt5 und dabei eine Tätigkeit entfaltet, die über den bloßen Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss solcher Verträge (so die Umschreibung der Nachweismaklertätigkeit in § 34c Abs. 1 Nr. 1 und 1a GewO) hinausgeht. Das geschieht regelmäßig dadurch, dass der Vermittler zugleich als Bote mindestens einer Partei tätig wird und damit zum Zustandekommen des Geschäfts beiträgt. Unnötig eng (und von der Rechtsprechung sowie der Änderung der Vorschrift durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz, s. oben Rz. 80, nicht veranlasst) ist aber die Auslegung des Merkmals der Anlagevermittlung durch die BaFin, die Vermittlung im Sinne der Vorschrift erbringe, wer „als Bote des Anlegers“ dessen Willenserklärung, die auf die Anschaffung oder die Veräußerung von Finanzinstrumenten gerichtet sei, an denjenigen, mit dem der Anleger ein solches Geschäft abschließen wolle, weiterleite6, denn die Vermittlungstätigkeit in vorstehendem Sinne geht vielmehr regelmäßig von Personen aus, die auf der Grundlage entsprechender Verein1 RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 56. 2 VGH Kassel v. 6.1.2006 – 6 TG 985/05, ZIP 2006, 701; VGH Kassel v. 3.3.2006 – 6 TG 2789/05, ZBB 2006, 297. Zu den Entscheidungen Stüsser, ZBB 2006, 298; Linker, ZBB 2007, 187. 3 VGH Kassel v. 6.1.2006 – 6 TG 985/05, ZIP 2006, 701. 4 Vgl. BaFin, Merkblatt Anlagevermittlung, das der Auslegung des Tatbestands der Anlagevermittlung in der Parallelvorschrift des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 KWG dient, www.bafin. de. 5 Vgl. statt vieler Hopt, in: Baumbach/Hopt, § 93 HGB Rz. 13 m.w.N., zugleich zur Abgrenzung zwischen Vermittlung und bloßem Nachweis. Im Hinblick auf § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 WpHG: Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 90; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 69; Müller, in: Heidel, § 2 WpHG Rz. 28; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 66; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 139. 6 BaFin, Merkblatt Anlagevermittlung, unter 1b, www.bafin.de.
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barungen und ohne Vertretungsmacht für den Veräußerer und Vertreiber von Finanzinstrumenten auftreten. Diese Fälle sind von der Rechtsprechung des VGH Kassel (Rz. 80) nicht aus dem Bereich der Anlagevermittlung ausgeschlossen worden. Dass der VGH Kassel in seinem Beschluss vom 6.1.20061 die Tätigkeit der Antragstellerin nicht als bloße Nachweisvermittlung einordnete, ist nicht darauf zurückzuführen, dass sie im Rahmen ihres Betriebs eines Call-Centers Dienstleistungen für eine Vermögensverwaltungsgesellschaft erbrachte, sondern hat seinen Grund darin, dass ihre Tätigkeit im Wesentlichen darin bestand, nach vorangegangener Adressenselektion bei bestimmten Personen telefonisch abzufragen, ob Interesse an einer Vermögensverwaltung durch die MWB besteht, ohne über diesen Nachweis hinausgehende Beiträge zum Vertragsabschluss zu leisten. Dementsprechend liegt eine von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 WpHG nicht erfasste Nach- 81a weistätigkeit vor, wenn der Betreffende dem Auftraggeber lediglich Kenntnis von der Gelegenheit eines Vertragsabschlusses mit einer bestimmten Person über einen bestimmten Gegenstand verschafft, sich aber im Übrigen jeder weiteren Förderung des Vertragsschlusses enthält. Außer Frage steht im Übrigen, dass die Mittelsperson bei der Vermittlung der Geschäfte über die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten jeweils als Bote und nicht als Vertreter einer der Parteien, d.h. des Anlegers oder des Veräußerers von Finanzinstrumenten, tätig wird, da sie in diesem Falle die Abschlussvermittlung (Rz. 77 ff.) oder die Finanzportfolioverwaltung (Rz. 101 ff.) betriebe. Die Vermittlung muss unmittelbar auf Geschäfte gerichtet sein, welche die Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten (i.S. von § 2 Abs. 2b WpHG) zum Gegenstand haben. Nicht ausreichend ist es, wenn sich die Vermittlungstätigkeit auf „Unter- oder Zwischen-Tätigkeiten“ beschränkt, die nicht direkt zu dem Erwerb eines Finanzinstrumentes führen2. Nicht erfasst ist deshalb die Vermittlung von Vermittlern oder anderen Erbringern von Wertpapierdienstleistungen, auch wenn diese ihrerseits auf Finanzinstrumente gerichtet sind3. Desgleichen fehlt es an einer unmittelbar auf die Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten gerichteten Tätigkeit, wenn sich diese auf die Weiterleitung einer von einem Anleger unterzeichneten Beitrittserklärung zu einer Gesellschaft beschränkt, deren Gesellschaftszweck darin besteht, das Gesellschaftsvermögen gewinnbringend in Finanzinstrumente zu investieren4. Dagegen stellt die Tätigkeit von Börsenmak-
1 VGH Kassel v. 6.1.2006 – 6 TG 985/05, ZIP 2006, 701. 2 VGH Kassel v. 3.3.2006 – 6 TG 2789/05, ZBB 2006, 297. 3 Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 71; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 139. Anders BaFin mit Billigung VG Frankfurt/M. v. 17.3.2005 – 1 G 7060/04 (1), WM 2005, 1028; dagegen aber wieder VG Frankfurt/M. v. 21.10.2005 – 1 G 3155/05 (2), ZIP 2005, 2105: „Die Vermittlung des Beitritts zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Geschäftszweck die gemeinsame Anlage der eingezahlten Einlagen in Finanzinstrumente ist, stellt jedenfalls dann keine erlaubnispflichtige Anlagenvermittlung im Sinne des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 KWG dar, wenn die Anschaffung und Veräußerung der Finanzinstrumente nach dem Gesellschaftsvertrag einem Finanzportfolioverwalter übertragen werden soll, der von allen Gesellschaftern nach dem Ende der Zeichnungsfrist noch gewählt werden muss.“ 4 BaFin, Merkblatt Anlagevermittlung, unter 1a, www.bafin.de. Ohne Bedeutung sei es allerdings, ob es sich in diesem Fall bei der weitergeleiteten Willenserklärung um ein an den Veräußerer gerichtetes Angebot des Anlegers oder um die Annahme eines Angebotes des Veräußerers handle. Ebensowenig komme es darauf an, ob der Bote die Willenserklärung mündlich weitergebe oder dem möglichen Vertragspartner ein Schriftstück des Anlegers aushändige. Entscheidend sei, dass es um eine Willenserklärung des Anlegers gehe, die lediglich an den Vertragspartner übermittelt werde.
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Begriffsbestimmungen
lern eine Anlagevermittlungstätigkeit i.S. des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 WpHG dar1. Auch die Bereitstellung eines EDV-Systems, durch das auf die Anschaffung oder die Veräußerung von Finanzinstrumenten gerichtete Willenserklärungen an potentielle Vertragspartner weitergeleitet wird, stellt eine Anlagevermittlung dar, solange die Vertragspartner nicht nach einem festen Regelwerk zusammengeführt werden und ihnen jeder Entscheidungsspielraum genommen wird, ob sie im Einzelfall das Geschäft mit einem bestimmten Vertragspartner abschließen wollen2. Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten als Gegenstand der Vermittlungstätigkeit umfasst jedes auf einen abgeleiteten entgeltlichen Erwerb zu Eigentum (bei Rechten: Inhaberschaft) gerichtete Rechtsgeschäft unter Lebenden sowie Tauschgeschäfte und den Bezug von Wertpapieren aus Emissionen (s. oben Rz. 67 und 75). 82
Nicht unter § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 WpHG fällt der Abschluss von Geschäften, die vom Anlageberater aufgrund einer vorausgegangen Anlageberatung durchgeführt werden, denn diese beruhen nicht auf Vermittlung, sondern Beratung. Dabei unterscheidet sich Anlagevermittlung von der Anlageberatung dadurch, dass der Vermittler lediglich die richtige und vollständige Information des Anlegers in Bezug auf die vermittelte Anlage schuldet und sich jeder fachkundigen Bewertung und Beurteilung der Anlage im Hinblick auf die Anlageziele und die Risikotragungsfähigkeit des Anlegers enthalten kann (s. unten Rz. 113 f.). Ob ein auf die Anlagevermittlung oder Anlageberatung gerichteter Vertrag zustande kommt, richtet sich nach den Vereinbarungen der Parteien, die mangels ausdrücklicher Absprachen aufgrund des Auftretens der betreffenden Person und den dieser erkennbaren Erwartungen des Kunden zu ermitteln ist. Die Unterscheidung hat an Bedeutung verloren, nachdem die Anlageberatung aufgrund von Art. 1 Nr. 2 lit. f Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (Einl. Rz. 36) zu den Wertpapierdienstleistungen gehört (s. unten Rz. 111).
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Über solchen Abgrenzungsbedarf hinaus kann auch die Beantwortung der Frage, ob im Einzelfall überhaupt eine Vermittlungs- oder Nachweistätigkeit vorliegt, Schwierigkeiten bereiten: so etwa im Hinblick auf die Qualifikation der Tätigkeit der sog. Botenbanken, welche die an sie herangetragenen Aufträge in Bezug auf die Anschaffung oder Veräußerung der in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 WpHG erfassten Finanzinstrumente nicht selbst ausführen, sondern „als Boten“ an andere Kreditinstitute (i.d.R. Dachkreditinstitute) weiterleiten. Fraglos stellt eine bloße Botentätigkeit keine Vermittlung (ja nicht einmal den Nachweis) eines Geschäfts dar, doch kommt es zur Beurteilung einer Tätigkeit als Anlagevermittlung „nicht auf die Bezeichnung, sondern auf den materiellen Inhalt der Tätigkeit an“3. Diese beschränkt sich bei den Botenbanken regelmäßig nicht auf die bloße botenweise Weitergabe eines Auftrags an ein Unternehmen, das rechtlich als Vertragspartner des Auftraggebers zu qualifizieren ist. So sind es gerade die Botenbanken selbst, die durch ihr Geschäftsgebaren und ihre Geschäftsverbindungen eine Vertrauensstellung anstreben und erlangen, um diese für den Erhalt von Aufträgen über Geschäfte mit Finanzinstrumenten zu nutzen. Teil dieses Erscheinungsbildes von Botenbanken ist die (auf eine effiziente Auftragsausführung ausgerichtete) stehende Verbindung zu den geschäftsausführen1 Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 70; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 66; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 140. 2 BaFin, Merkblatt Anlagevermittlung, unter 1a, www.bafin.de. In letzterem Falle fehle es in der Regel an einer Weiterleitung einer Willenserklärung eines Vertragspartners an einen von diesem bestimmten Vertragspartner. Der Betreiber eines solchen Systems erbringt jedoch die Wertpapierdienstleistung des Betriebs eines multilateralen Handelssystems i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 WpHG. 3 Begr. RegE Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 963/66 (= BR-Drucks. 13/7142), S. 101.
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den Dachinstituten sowie die Gewissheit, dass die an das einzelne Kreditinstitut herangetragenen Aufträge unter Ausnützung dieser Verbindung – und insofern dem Kunden gegenüber vermittelnd – von dem Dachinstitut ausgeführt werden. Botenbanken sind deshalb als Anlagevermittler i.S. des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 WpHG zu betrachten1. Nach gleichen Gesichtspunkten sind die in vergleichbarer Weise operierenden sog. Introducing Brokers zu behandeln; auch sie stellen regelmäßig Vermittler dar2. Die Frage, ob die Träger der staatlicher Aufsicht unterliegenden Handelssysteme des 84 organisierten Marktes (Börsen) und diejenigen des nicht organisierten Markts die Abschlussvermittlung betreiben, ist durch den Wegfall des bloßen Nachweises von Geschäftsgelegenheiten als Wertpapierdienstleistung insofern neu zu beantworten, als davon ausgegangen wurde, dass diese Handelssysteme zumindest den Nachweis von Geschäftsgelegenheiten erbrächten3. Doch sah die h.M. zur Qualifikation solcher Handelssysteme als erlaubnispflichtige Anlagevermittlung i.S. von § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1 KWG in deren Tätigkeit ohnehin nicht nur die Nachweistätigkeit, sondern die Vermittlung von Anlagegeschäften4. Dass die Annahme, solche Handelssysteme betrieben Anlagevermittlung, zumindest für Börsen nicht zutreffend ist, weil nicht die Börsenträger, sondern die Börsenmakler (Skontroführer) die Geschäfte vermitteln und deren Verhalten der Börse jedenfalls nicht rechtsgeschäftlich zurechenbar ist5, hat die h.M. ebenso wenig zu beeindrucken vermocht wie der Hinweis, dass die Einordnung solcher Handelssysteme als Wertpapierdienstleistungen i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 WpHG in erster Linie darauf hinausläuft, diese den auf sie nicht zugeschnittenenen und passenden Verhaltens- und Organisationspflichten der §§ 31 ff. WpHG zu unterwerfen6. Dass solche Gegenargumente kein Gehör fanden, mag v.a. daran gegelegen haben, dass der Ansicht, die fraglichen Handelssysteme betrieben die Anlagevermittlung, offenkundig das Bestreben zugrunde lag, diese Handelssysteme im Interesse des Anlegerschutzes einer Erlaubnispflicht und der Beaufsichtigung zu unterwerfen. Wenig beeindruckt hat deshalb auch das Argument, dass die Börsenteilnehmer und nicht deren Kunden (d.h. die Anleger) Partei der an der Börse zustande kommenden Geschäfte und damit die mögliche Adressaten der mit solchen Geschäften gekoppelten wertpapierhandelsgesetzlichen Verhaltenspflichten sind, die Kunden aber gleichwohl hinreichend durch die Verhaltenspflichten der Börsenteil1 Ebenso Begr. RegE Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 963/66 (= BR-Drucks. 13/7142), S. 101. Auch Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 91; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 70; Müller, in: Heidel, § 2 WpHG Rz. 29. Zurückhaltender und Einzelfallprüfung verlangend Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 67. A.A. Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 141. 2 Begr. RegE Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 963/66 (= BR-Drucks. 13/7142), S. 101. Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 70; Müller, in: Heidel, § 2 WpHG Rz. 29. Differenzierend auch hier Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 67. 3 So namentlich Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 69; auch Beck, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 2 WpHG Rz. 29. Dagegen Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 142, mit dem zutreffenden Hinweis, an Börsen würden nicht Geschäftsgelegenheiten nachgewiesen, sondern (allerdings nicht i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 WpHG) vermittelt. 4 Cohn, ZBB 2002, 365 (371); Fülbier, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, 2. Aufl. 2004, § 1 KWG Rz. 122; Hammen, WM 2001, 929 (932). Entsprechend für Parallelvorschrift des WpHG Beck, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 2 WpHG Rz. 29; Müller, in: Heidel, § 2 WpHG Rz. 29. A.A. Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 142. 5 Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 142. 6 Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 69.
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nehmer als Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Vertragspartner der Kunden im Hinblick auf eine Wertpapierdienstleistung geschützt sind1. Nachdem Börsen ohnehin der staatlichen Börsenaufsicht unterliegen, sollte dem Anlegerschutzinteresse jedoch durch die Aufnahme des Betriebs von multilateralen Handelssystemen in den Katalog von Wertpapierdienstleistungen nach § 2 Abs. 3 Satz 1 WpHG und Finanzdienstleistungen nach § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1b KWG hinreichend Genüge getan worden sein, um den Weg zu der Erkenntnis frei zu machen, dass anonym arbeitende institutionalisierte Handelssysteme nicht Anlagevermittlern mit individuellen Kundenbeziehungen gleichzustellen sind. 85
Börsenbriefe, Börseninformationsdienste oder Kapitalanlagemagazine unterfallen nicht der Vermittlungs- oder Nachweistätigkeit i.S. des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 WpHG2: Auch wenn sie Anlagetipps geben oder Anlageempfehlungen aussprechen, führen sie weder zum Geschäft entschlossene Parteien zusammen, noch weisen sie die Identität abschlusswilliger Parteien nach. Ebenso wenig erfüllen sie den Tatbestand der Anlageberatung; s. dazu unten Rz. 116. Sie erfüllen vielmehr regelmäßig den Tatbestand der Anlageempfehlung als eine Wertpapiernebendienstleistung i.S. von § 2 Abs. 3a Nr. 5 WpHG (s. unten Rz. 135). e) Emissionsgeschäft (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 WpHG)
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Unter der Kurzbezeichnung „Emissionsgeschäft“ gilt als Wertpapierdienstleistung nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 WpHG3 die Übernahme von Finanzinstrumenten für eigenes Risiko zur Platzierung oder die Übernahme gleichwertiger Garantien4. Die Vorschrift geht auf das Umsetzungsgesetz 1997 (Einl. Rz. 19) zurück und diente der Umsetzung von Art. 1 Nr. 1 i.V.m. Abschnitt A Nr. 4 und Abschnitt B des Anhangs der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie. Die Finanzmarktrichtlinie hat keinen Änderungsbedarf hervorgerufen. Eine § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 WpHG entsprechende Bestimmung findet sich in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 KWG. aa) Übernahme der Finanzinstrumente für eigenes Risiko zur Platzierung
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Mit dem in der Vorschrift erstgenannten Geschäft, der Übernahme von Finanzinstrumenten für eigenes Risiko zur Platzierung, sind diejenigen Fälle gemeint, in denen sich ein Emittent zur Platzierung von Finanzinstrumenten eines anderen Unternehmens oder eines Konsortiums aus Drittunternehmen (sog. Übernahmekonsortium) bedient, welche die zu emittierenden Finanzinstrumente gegen Zahlung des (ggf. um einen Abschlag verringerten) Gegenwerts fest übernehmen, um sie auf eigenes Risiko5 beim 1 Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 69. 2 Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 70; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 70; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 139. 3 Nach Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 144, ist die Einbeziehung von Emissionsgeschäften in den Kreis von Wertpapierdienstleistungen verfehlt, weil sie keine Dienstleistungen gegenüber Anlegern, sondern gegenüber Emittenten zum Gegenstand hätten. 4 S. dazu BaFin, Merkblatt Emissionsgeschäft, www.bafin.de. Das Merkblatt dient in erster Linie der Auslegung des Tatbestands des Emissionsgeschäfts in der Parallelvorschrift des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 KWG, ist aber auch für die Auslegung desselben Tatbestandsmerkmals in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 WpHG heranzuziehen. 5 Die Übernahme des Absatzrisikos ist Merkmal des Emissionsgeschäfts. BaFin, Merkblatt – Hinweise zum Tatbestand des Emissionsgeschäfts vom 7.1.2009, unter 1b bb, www. bafin.de; Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 93 und 94 a.E.; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 71; Müller, in: Heidel, § 2 WpHG Rz. 30; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 72, 73; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 147.
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Publikum zu platzieren1. Dabei bezeichnet der Begriff des Platzierens die Unterbringung von Finanzinstrumenten beim Publikum („im Kapitalmarkt“ im Wege eines sog. public placement) oder in einem begrenzten Kreis von Personen (private placement) im Rahmen einer Emission auf der Grundlage einer Platzierungsabrede im Sinne einer Vereinbarung („Übernahmevertrag“), mit der der Emittent den oder die Platzierenden mit der Unterbringung der von ihm emittierten Finanzinstrumente bei den vorstehend bezeichneten Anleger beauftragt2. Bei dem Ermittenten, der die zu emittierenden Finanzinstrumente selbst im Wege einer sog. Eigenemission platziert, fehlt es an der Übernahme von Finanzinstrumenten und an einer Platzierungsabrede, so dass seine Tätigkeit nicht von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 WpHG erfasst wird3. Wer ausschließlich im Auftrag eines Erwerbers Finanzinstrumente aus einer Emission ankauft, ohne dass zwischen ihm und dem Emittenten oder einer Konsortialbank eine Platzierungsabrede besteht, erbringt hierdurch kein Emissionsgeschäft4. Bei demjenigen, der die Finanzinstrumente übernimmt, um sie für sich oder für andere zu halten, fehlt es an der auf einer Platzierungsabrede beruhenden Übernahme zur Platzierung; diese wird auch nicht dadurch ersetzt, dass sich der Betreffende später zur Platzierung der Finanzinstrumente entschließt5. Eine nur kurzfristige Halteperiode6 und die nachfolgende Unterbringung der Instrumente beim Publikum ist allerdings als Indiz dafür anzusehen, dass die für Emissionsgeschäfte kennzeichnende Platzierungsabsicht („Übernahme zur Platzierung“) vorlag und lediglich verdeckt werden sollte7. Kein Mittel zur Verhinderung von Umgehungsstrategien der vorstehend angeführten Art ist dagegen die Behandlung der Emission von zunächst in den Eigenbestand genommenen Finanzinstrumenten als Eigenhandel i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG8. Auch diejenigen, die allein oder mit anderen ein Unternehmen oder ein Konsortium bei ihrem Emissionsgeschäft unterstützen, ohne selbst durch eine Platzierungsabrede mit dem Emittenten verbunden zu sein („Seller“ oder „Selling Groups“), betreiben selbst dann kein Emissionsgeschäft9, wenn sie dabei ein gewisses Risiko übernehmen sollten (in der Regel fehlt es aber auch daran, s. unten Rz. 88 a.E.).
1 Zum Emissionsgeschäft und den Rechtsverhältnissen eines Emissionskonsortiums s. etwa Bosch, in: BuB, Rz. 10/1 ff. bzw. 10/26 ff.; Grundmann, in: Bankrechts-Handbuch, § 112 Rz. 1 ff. bzw. 66 ff.; Müller, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 15.81 ff. bzw. 15.316 ff. 2 BaFin, Merkblatt Emissionsgeschäft. unter 1b aa, www.bafin.de. 3 Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 74. 4 BaFin, Merkblatt – Hinweise zum Tatbestand des Emissionsgeschäfts vom 7.1.2009, unter 1b aa, www.bafin.de. 5 I.E. auch Müller, in: Heidel, § 2 WpHG Rz. 21, allerdings mit der Begründung, hier fehle es an einer bereits bei Übernahme vorliegenden „Platzierungsabsicht“. 6 Vor der Einführung der Abgeltungsteuer betreffend die Besteuerung ab 2009 waren Kursgewinne aus den Verkäufen von Aktien und Fonds, die nach einer Haltefrist von mehr als zwölf Monaten erzielt wurden, steuerfrei, doch lässt sich diese (anderen Zwecken dienende) Frist allenfalls als eine „Safe harbor“-Regel verwenden, was zur Folge hätte, dass Verkäufe der fraglichen Papiere zwölf Monate nach deren Erwerb nicht geeignet wären, eine Platzierungsabsicht zu indizieren. 7 Gegen solche, auf die Vermeidung von Folgepflichten aus Emissionsgeschäften gerichtete Überlegungen, Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 146. 8 Ablehnend gegen diesen Versuch des seinerzeitigen BAKred, Schreiben vom 30.8.2002, Az. VII (110531) 100, auch Beck, in: Schwark (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 2 WpHG Rz. 30; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 75; Schäfer, WM 2002, 361 (365). 9 Vgl. du Buisson, WM 2003, 1401 (1402); Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 75; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 74; Schäfer, WM 2002, 361 (363). S. auch unten Rz. 88 a.E.
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Da die Gesetzesformulierung keine diesbezügliche Einschränkung erkennen lässt, wird hierbei sowohl die Gesamtübernahme als auch die Übernahme nur eines Teils der zu emittierenden Finanzinstrumente erfasst, solange nur die Übernahme fest, d.h. unter Übernahme des Absatzrisikos („firm commitment underwriting“), und nicht bloß kommissionsweise, im Sinne einer sog. Begebungsübernahme („Begebungskonsortium“, „best effort underwriting“), erfolgt. Im letzteren Falle handelt es sich nicht um ein Geschäft i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 WpHG1, sondern um ein Geschäft sowohl i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WpHG (Rz. 71) als auch i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 WpHG (s. unten Rz. 98). Ebenfalls kein Emissionsgeschäft i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 WpHG erbringen sog. Seller oder Selling Groups, die ein Emissionskonsortium beim Absatz der zu platzierenden Wertpapiere unterstützen, selbst aber kein Absatzrisiko übernehmen2. In der Regel fehlt es hier schon an einer Platzierungsabrede mit dem Emittenten (s. oben Rz. 87 a.E.).
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Eine feste Übernahme liegt auch im Falle einer Geschäftsbesorgungsübernahme vor, bei dem das übernehmende Unternehmen oder Unternehmenskonsortium die Emission im Namen und für Rechnung des Emittenten verkauft, sich aber gleichzeitig dazu verpflichtet, den – etwa nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums – nicht verkauften Teil der Emission fest, d.h. in den eigenen Bestand, zu übernehmen. Das Risiko aus der Übernahme trägt auch hier das übernehmende Unternehmen bzw. Konsortium3.
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Erfasst wird auch diejenige Gestaltung, in der ein Unternehmen oder ein Konsortium wegen unsicherer Platzierungserwartungen nur einen Teil der Emission übernimmt und sich für den Rest der zu platzierenden Instrumente eine Übernahmeoption einräumen lässt (Optionsübernahme/Optionskonsortium)4. Inwieweit auch garantierte Übernahmen oder Garantiekonsortien einschlägig sind oder in die Gruppe der „Übernahme gleichwertiger Garantien“ (Rz. 94) fallen, hängt von ihrer Ausgestaltung ab. Diese geht regelmäßig dahin, dass sich ein Unternehmen/Konsortium verpflichtet, zu einem im Voraus festgelegten Kurs vom Emittenten oder von Dritten nicht absetzbare Stücke ganz oder teilweise zu übernehmen. Handelt es sich bei der Restübernahme um eine Übernahmeverpflichtung zur Platzierung, ist sie in die hier behandelte Kategorie von Wertpapierdienstleistungen einzustufen; wird lediglich eine Verpflichtung zur Abnahme eingegangen, liegt eher die Übernahme einer gleichwertigen Garantie (Rz. 94) vor. In beiden Varianten geht es jedenfalls darum, den Erfolg der Emission durch Risikoverlagerung auf Dritte zu gewährleisten.
1 Ebenso Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 95; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 75; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 73. 2 Vgl. du Buisson, WM 2003, 1401 (1402); Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 72; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 74; Schäfer, WM 2002, 361 (363). 3 So Begr. RegE Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 963/66 (= BR-Drucks. 13/7142), S. 101, mit dem Hinweis, dass bei einer Geschäftsbesorgungsübernahme ohne entsprechende Verpflichtung zur festen Übernahme der Restmenge ein Fall der Abschlussvermittlung nach dem seinerzeitigen § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 WpHG vorliegt. Auch BaFin, Merkblatt Emissionsgeschäft, unter 1b bb, www.bafin.de; Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 95; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 75; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 73; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 148. 4 BaFin, Merkblatt – Hinweise zum Tatbestand des Emissionsgeschäfts vom 7.1.2009, unter 1b bb, www.bafin.de; du Buisson, WM 2003, 1401 (1406); Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 95; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 75.
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Begriffsbestimmungen
§2
Unerheblich ist, ob es sich bei der übernommenen Emission um eine Erstemission, eine „weitere Übernahme“1 oder eine Nachfolgeemission etwa in Gestalt eines öffentlichen „resale“ einer bereits privat platzierten Emission handelt2.
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Erfolgt die Übernahme durch ein Konsortium und erfüllt sie im Übrigen die Voraussetzungen von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 WpHG, so betreibt nicht (nur) das (i.d.R. als Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu qualifizierende) Konsortium selbst, sondern jedes Konsortialmitglied ein Wertpapierdienstleistungsgeschäft3.
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Der Hauptanwendungsbereich dieser Geschäfte war bislang die Übernahme neuer 93 Aktien zur Platzierung beim Publikum durch ein Kreditinstitut oder ein Konsortium aus Kreditinstituten: In der Regel verpflichtet sich in einem solchen Fall das Kreditinstitut oder das Konsortium schon vor dem Kapitalerhöhungsbeschluss gegenüber der AG dazu, alle neuen Aktien zu zeichnen (§ 185 AktG) und sie – sofern kein Bezugsrechtsausschluss vorliegt – vor einer Platzierung beim Publikum den bezugsberechtigten Aktionären anzubieten (vgl. § 186 Abs. 5 AktG). Gründungsübernahmen durch Banken oder Bankenkonsortien erfüllen ebenfalls die Voraussetzungen von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 WpHG4. Da sie jedoch voraussetzen, dass die Übernehmer die Stellung der Gründer der AG (mit dem Risiko der Gründerhaftung nach § 46 AktG) einnehmen (§ 23 Abs. 2 AktG), war und ist ihre Bedeutung gering. bb) Übernahme gleichwertiger Garantien Eine der Übernahme von Finanzinstrumenten für eigenes Risiko zur Platzierung 94 gleichwertige Garantie ist mit jeder anderen Verpflichtung gegeben, durch die ein Unternehmen oder ein Unternehmenskonsortium das Risiko für den Erfolg der Emission übernimmt5. Verpflichtet sich ein Unternehmen oder ein Konsortium, zu einem im Voraus festgelegten Kurs vom Emittenten oder Dritten nicht absetzbare Stücke ganz oder teilweise zu übernehmen (garantierte Übernahmen oder Garantiekonsortien), so kann dies – je nach Ausgestaltung der Restübernahmeverpflichtung – eine Übernahme der Finanzinstrumente für eigenes Risiko zur Platzierung oder die Übernahme einer gleichwertigen Garantie sein (Rz. 90)6. Eine Garantie, die der Übernahme von Finanzinstrumenten für eigenes Risiko zur Platzierung gleichwertig ist, kann im Übrigen auch jede von einem Dritten übernommene Garantie sein, die eine Zahlungsverpflichtung für den Fall beinhaltet, dass ein bestimmter Platzierungserfolg nicht eintritt, ohne dass es darauf ankommt, ob der Garant auch die zu platzierenden Finanzinstrumente ganz oder teilweise übernommen hat.
1 Begr. RegE Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 963/66 (= BR-Drucks. 13/7142), S. 101, beispielsweise eine Übernahme im Rahmen einer Privatisierung anführend. 2 Grundlos anders BaFin, Merkblatt Emissionsgeschäft, unter 1a, www.bafin.de, wonach unter einer „Emission“ die erste Ausgabe einer bestimmten Anzahl von Wertpapieren durch einen Wertpapieraussteller (Emittenten) zu verstehen sei. 3 BaFin, Merkblatt Emissionsgeschäft, unter 1d, www.bafin.de; Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 94; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 71; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 77. 4 A.A. du Buisson, WM 2003, 1401 (1402); Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 73, mit dem Hinweis, hier fehle es an einer Platzierungsabrede, da es noch keinen Emittenten gäbe. 5 Vgl. auch Begr. RegE Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 963/66 (= BR-Drucks. 13/7142), S. 101. Auch Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 148. 6 Ebenso Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 77; du Buisson, WM 2003, 1401 (1404); Schlüter, S. 121; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 78. S. auch BaFin, Merkblatt Emissionsgeschäft, unter 1c, www.bafin.de.
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f) Platzierungsgeschäft (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 WpHG) 95
Durch Art. 1 Nr. 2 lit. f Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (Einl. Rz. 36) wurden Platzierungsgeschäfte ausdrücklich in den Kreis von Wertpapierdienstleistungen aufgenommen. Davor wurden sie als Unterfall der Abschlussvermittlung nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 WpHG behandelt1. Die Vorschrift dient der Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Anhang I Abschnitt A Nr. 7 der Finanzmarktrichtlinie. Eine entsprechende Bestimmung findet sich in § 1 Abs. 1a Nr. 1c KWG. Wie noch im Einzelnen (Rz. 96–100) zu erläutern ist, sind Platzierungsgeschäfte die im Rahmen einer Emission und auf der Grundlage einer Platzierungsabrede mit dem Emittenten und in (offener oder mittelbarer) Stellvertretung desselben vorgenommenen Veräußerungen von Finanzinstrumenten ohne feste Übernahmeverpflichtung.
95a Finanzinstrumente sind die in § 2 Abs. 2b WpHG angeführten Instrumente. Die Veräußerung von Finanzinstrumenten als Gegenstand des Platzierungsgeschäfts umfasst jedes auf einen abgeleiteten entgeltlichen Erwerb zu Eigentum (bei Rechten: Inhaberschaft) gerichtete Rechtsgeschäft unter Lebenden sowie Tauschgeschäfte (s. oben Rz. 67 und 75). Als Veräußerung kommen dabei sowohl Verpflichtungsgeschäfte wie Verfügungsgeschäfte in Betracht2. 96
§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 WpHG erfasst sämtliche Formen der Platzierung von Finanzinstrumenten, die – darin unterscheidet sich das Platzierungsgeschäft vom Emissionsgeschäft in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 WpHG – keine Verpflichtung zur festen Übernahme der Finanzinstrumente enthalten, sondern das Absatzrisiko beim Emittenten oder dem Anbieter der Finanzinstrumente belassen.
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Im Hinblick auf die Anwendung der Parallelvorschrift § 1 Abs. 1a Nr. 1c KWG umschreibt die BaFin die Platzierung als „die Unterbringung (der Verkauf) von Finanzinstrumenten im Kapitalmarkt oder an einen begrenzten Kreis von Personen oder (institutionellen) Anlegern im Rahmen einer Emission“ und folgert daraus, dass „zwischen dem Unternehmen, das die Platzierung vornimmt, und dem Emittenten oder solchen Unternehmen, die ihrerseits bereits in die Emission eingebunden sind, eine Platzierungsabrede bestehen muss“3. Dem kann weitgehend gefolgt werden: Das gilt zunächst für die Beschränkung auf Veräußerungsgeschäfte, d.h. den Ausschluss von Anschaffungsgeschäften sowie solcher Geschäfte, die nicht auf die Übertragung des Eigentums an den fraglichen Instrumenten unter Lebenden gerichtet sind. Keine Einwände bestehen v.a. dagegen, unter der Platzierung auch die Unterbringung von Finanzinstrumenten zu verstehen, die sich nicht an das Publikum, sondern nur einen begrenzten Kreis von Personen („private offering“) richtet; Letztere mag zwar vom Anwendungsbereich einiger Vorschriften des Anlegerschutzes (wie etwa der Prospektpublizität) ausgeschlossen sein, doch rechtfertigt dies noch nicht ihre gänzliche Herausnahme aus dem Begriff der Platzierung. Zu folgen ist auch der Ansicht, es müsse eine (direkt mit dem Emittenten getroffene oder mit einem anderen in die Platzierung eingeschalteten Unternehmen geschlossene) Platzierungsabrede vorliegen, um von einer Platzierung sprechen zu können, denn erfasst werden sollen nur solche Geschäfte in den fraglichen Finanzinstrumenten, die den planmäßigen 1 Vgl. BaFin, Merkblatt Platzierungsgeschäft, 1 (1. Abs.), www.bafin.de. Das Merkblatt dient in erster Linie der Auslegung des Tatbestands des Emissionsgeschäfts in der Parallelvorschrift des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1c KWG, ist aber auch für die Auslegung desselben Tatbestandsmerkmals in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 WpHG heranzuziehen. 2 Vgl. BaFin, Merkblatt Platzierungsgeschäft, 1a, www.bafin.de. 3 S. dazu BaFin, Merkblatt Platzierungsgeschäft, unter 1 (2. Abs.) und 1c, Hervorhebung hinzugefügt, www.bafin.de.
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Absatz derselben im Interesse des Emittenten zum Gegenstand haben und nicht nur gelegentlich für diesen oder im Wege des Eigengeschäfts vorgenommen werden. Soweit sich der Begriff der Platzierung nur auf Platzierungsmaßnahmen für den Emittenten – „Emissionen“ – bezieht und solche im Rahmen von Zweitplatzierungen („secondary offerings“) ausschliesst, ist er dagegen zu eng (s. dazu schon oben Rz. 91). Emissionen sind dagegen unbestritten auch Daueremissionen1. Die Vorschrift gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass als Platzierungsgeschäfte nur Geschäfte in Betracht kommen, die in offener Stellvertretung für den Emittenten oder Anbieter von Finanzinstrumenten vorgenommen werden2. Unter die Vorschrift fallen deshalb auch Geschäfte in mittelbarer Stellvertretung, solange nur das Absatzrisiko beim Emittenten oder Anbieter verbleibt (s. auch unten Rz. 100). Ebenso wenig wie das Emissionsgeschäft (Rz. 87) umfasst auch das Platzierungsgeschäft die Eigenemission, d.h. die Platzierung von Finanzinstrumenten durch den Emittenten oder Anbieter von Finanzinstrumenten selbst; ihr fehlt jeder Dienstleistungscharakter und Kundenbezug.
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Sofern die Platzierung im Namen und für Rechnung des Emittenten, d.h. in offener, 99 unmittelbarer Stellvertretung erfolgt, erfüllte diese Tätigkeit schon bisher3 und erfüllt sie auch weiter den Tatbestand der Abschlussvermittlung nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 WpHG (s. oben Rz. 79). Das impliziert freilich nicht, dass jede Abschlussvermittlung auch ein Platzierungsgeschäft ist, denn von einer Platzierung von Finanzinstrumenten lässt sich entsprechend den vorstehenden Ausführungen (Rz. 97) nur für den Fall der Erfüllung einer Verpflichtung zur planmäßigen und nicht nur auf die gelegentliche Vermittlung von Geschäften gerichtete Unterbringung von Finanzinstrumenten des Emittenten oder des Anbieters sprechen4. Auch sofern die Platzierung – wie bei der sog. Begebungsübernahme („Begebungs- 100 konsortium“, „best effort underwriting“), s. oben Rz. 88 – auf der Grundlage eines Kommissionsgeschäfts und damit im Wege der mittelbaren Stellvertretung erfolgt, handelt es sich sowohl um ein Platzierungsgeschäft i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 WpHG5 als auch um ein Finanzkommissionsgeschäft i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WpHG. Entscheidend für seine Einordnung als Platzierungsgeschäft ist der Umstand, dass es sich fraglos um ein Geschäft handelt, das der Emission von Finanzinstrumenten dient, ohne dass dem Emittenten bzw. dem diesem gleichzustellenden Anbieter das Risiko der Unterbringung der Instrumente abgenommen wird. g) Finanzportfolioverwaltung (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WpHG) Als Wertpapierdienstleistung gilt gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WpHG auch die mit der Kurzbezeichnung „Finanzportfolioverwaltung“ versehene Verwaltung einzelner 1 BaFin, Merkblatt Platzierungsgeschäft, unter 1c, www.bafin.de. 2 So auch Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 78; Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 123n. Anders BaFin, Merkblatt Platzierungsgeschäft, unter 1 (1. Abs.) und 1b, www.bafin.de, aber offenbar nur aus dem Grund, dass sie solche Geschäfte ausschließlich als Finanzkommissionsgeschäfte betrachtet, deren Merkmale sie fraglos – s. unten Rz. 100 – auch erfüllen. 3 RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 109. 4 Nach dem Merkblatt der BaFin zum Tatbestand des Platzierungsgeschäfts (Einl. Rz. 70), S. 1, ist unter einer Platzierung „die Unterbringung (Verkauf) von Finanzinstrumenten im Kapitalmarkt oder an einen begrenzten Kreis von Personen oder (institutionellen) Anlegern im Rahmen einer Emission“ zu verstehen. 5 Ebenso Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 123n.
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oder mehrerer in Finanzinstrumenten angelegter Vermögen für andere mit Entscheidungsspielraum. Die ehemals in § 2 Abs. 3 Nr. 6 WpHG geregelte Bestimmung ist durch die Einfügung der Platzierungsgeschäfte in den Kreis der Wertpapierdienstleistungen und die Ergänzung des § 2 Abs. 3 WpHG um einen Satz 2 in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WpHG gerückt. Die Vorschrift geht auf das Umsetzungsgesetz 1997 (Einl. Rz. 19) zurück und diente der Umsetzung von Art. 1 Nr. 1 i.V.m. Abschnitt A Nr. 4 und Abschnitt B des Anhangs der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie. Die Finanzmarktrichtlinie, welche die Finanzportfolioverwaltung in ihrem Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Anhang I Abschnitt A Nr. 4 unter der Bezeichnung „Portfolio-Verwaltung“ als Wertpapierdienstleistung aufführt, hat keinen sachlichen Änderungsbedarf hervorgerufen. Die geringe Änderung des Wortlauts, welche die Vorschrift durch Art. 1 Nr. 2 lit. f des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Einl. Rz. 36) durch die Aufnahme der Wörter „oder mehrerer“ erfahren hat, dient lediglich der Klarstellung; im Übrigen wurde lediglich die Kurzbezeichnung „Finanzportfolioverwaltung“ hinzugefügt (dazu oben Rz. 63). Eine § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WpHG entsprechende Bestimmung findet sich in § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG. 102 Zentrales Merkmal der Finanzportfolioverwaltung ist die Verwaltung fremder Vermögen, die in Finanzinstrumenten angelegt sind. Finanzinstrumente sind die in § 2 Abs. 2b WpHG angeführten Instrumente. Die Vorschrift setzt nicht voraus, dass das fremde Vermögen ausschließlich in Finanzinstrumenten angelegt ist; vielmehr reicht es aus, wenn das Anlageportfolio neben anderen Vermögensgegenständen auch Finanzinstrumente enthält1. Nicht erforderlich ist auch, dass das fremde Vermögen bereits bei der Übernahme der Verwaltung in Finanzinstrumenten angelegt war; auch die Übernahme von Geldvermögen, um sie in Finanzinstrumenten anzulegen, ist erfasst2. Ein so genanntes Family Office, das nur Portfoliostrukturentscheidungen („asset allocation“) fällt, betreibt Anlageberatung, aber keine Finanzportfolioverwaltung3. Das Merkmal der Verwaltung eines Vermögens erfüllt jede Tätigkeit, „die auf eine laufende Überwachung und Anlage von Vermögensobjekten“ gerichtet ist4. Das impliziert, dass es sich um eine Tätigkeit von einer gewissen Dauer handeln muss (dazu unten Rz. 104). Die Verwaltung ist von der Verwahrung der Finanzinstrumente, in die das Vermögen angelegt wurde, getrennt vorzunehmen; andernfalls erfüllt der Verwalter auch den Tatbestand des Depotgeschäfts (§ 2 Abs. 3a Nr. 1 WpHG, § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG) oder des Finanzkommissionsgeschäft (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WpHG; § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG). Weiter erforderlich ist, dass die Verwaltung der Vermögen für andere erfolgt. Dieses Merkmal dient der Abgrenzung zu Geschäften, die zur Verwaltung eigenen Vermögens in Gestalt seiner Anlage in Finanzinstrumenten vorgenommen werden. Um Letzteres auszuschließen genügt ein Tätigwerden, das nicht im eigenen Namen und für eigene Rechnung erfolgt5. Nicht von der Finanzportfiolio-
1 BaFin, Merkblatt Finanzportfolioverwaltung, unter 1b, www.bafin.de; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 79; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 150. 2 S. dazu BaFin, Merkblatt Finanzportfolioverwaltung, unter 1a („Der Tatbestand der Finanzportfolioverwaltung erfasst folglich auch Erstanlageentscheidungen“), www.bafin.de. Das Merkblatt dient in erster Linie der Auslegung des Tatbestands der Finanzportfolioverwaltung in der Parallelvorschrift des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG, ist aber auch für die Auslegung desselben Tatbestandsmerkmals in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WpHG heranzuziehen. Ebenso Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 79. In der Sache auch BVerwG v. 22.9.2005 – 6 C 29/03, ZIP 2005, 385 (387 f.). 3 Waclawik, ZIP 2007, 1341 (1343). 4 Auch BVerwG v. 22.9.2005 – 6 C 29/03, ZIP 2005, 385 (387). 5 BaFin, Merkblatt Finanzportfolioverwaltung, unter 1c, www.bafin.de.
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verwaltung erfasst sind damit kollektive Anlagemodelle, bei denen die zur Anlage gelangenden Mittel vom Vermögen derjenigen, die sie als Anleger aufbringen, rechtlich verselbstständigt und damit einem anderen Rechtsträger (wie einer Gemeinschaft, einer Gesamthand oder einer juristischen Person) zugeordnet werden1. Kollektive Anlageformen wie etwa geschlossene Fondsgesellschaften (namentlich in der Rechtsform der Publikumskommanditgesellschaft) oder die Beteiligung von Anlegern an einem Vermögen in Gestalt von Indexzertifikaten stellen damit mangels Tätigkeit „für andere“2 keine Finanzportfolioverwaltung dar3 (s. dazu aber auch Rz. 102a a.E.). Die Anzahl der zu verwaltenden und voneinander getrennten Vermögen spielt keine 102a Rolle. Die Vorschrift spricht, anders als zuvor, nicht nur von der „Verwaltung einzelner … Vermögen“, sondern klarstellend von der „Verwaltung einzelner oder mehrerer … Vermögen“ (s. oben Rz. 101). Das Merkmal dient der Abgrenzung der Finanzportfolioverwaltung v.a. von Kapitalanlagegesellschaften (s. dazu auch unten Rz. 105) und anderen Formen der Verwaltung „kollektiver“, d.h. durch mehrere Anleger zum Zwecke der Anlage aufgebrachter, rechtlich verselbstständigter Vermögen. Der Formulierung „einzelner Vermögen“ ist mithin nicht zu entnehmen, die einzelnen Kundenvermögen seien getrennt in einzelnen separierten Portfolios anzulegen, vielmehr erfasst sie auch die Sachverhalte, in denen die Vermögen verschiedener Kunden in einem Portfolio zusammengefasst werden4, ohne einem anderen Rechtsträger zugeordnet zu werden. Das hat das BVerwG in seinem Urteil vom 22.9.2004 auch in dem Fall als gegeben angesehen, in dem eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts von den eigens dazu beigetretenen Gesellschaftern über eine Treuhandgesellschaft Anlagebeträge entgegennimmt, diese in Finanzinstrumenten anlegt und vom Monatsgewinn 40 % erhält5. Dementsprechend können die Tätigkeiten eines Investmentclubs in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts sowie diejenige ihrer Geschäftsführer als Finanzportfolioverwaltung in Betracht kommen6 (s. auch unten Rz. 106). Das wirft freilich Schwierigkeiten der Abgrenzung zu den nicht dem Finanzportfolio unterfallenden kol-
1 A.A. Eßer, WM 2008, 671 ff. 2 BVerwG v. 27.2.2008 – 6 C 12/07, ZIP 2008, 911 (918) Rz. 58. Anders zuvor noch das Bestreben des BaFin-Mitarbeiters Eßer, WM 2008, 671, kollektive Anlagemodelle – für den Fall, dass man sie nicht, wie die BaFin, als Finanzkommissionsgeschäfte betrachten wolle – als der Finanzportfolioverwaltung unterfallend darzustellen. 3 Zum Versuch, kollektive Anlagemodelle als Finanzkommissionsgeschäfte zu qualifizieren, s. oben Rz. 69 f. 4 BVerwG v. 22.9.2005 – 6 C 29/03, ZIP 2005, 385 (387 m.w.N.). S. auch BVerwG v. 24.2.2010 – 8 C 10/09, ZIP 2010, 1170. 5 BVerwG v. 22.9.2005 – 6 C 29/03, ZIP 2005, 385 (Ls. und 387 ff.). Hierbei hat das Gericht den geschäftsführenden Gesellschafter der Gesellschaft als Finanzportfolioverwalter angesehen. 6 BaFin, Merkblatt Finanzportfolioverwaltung, unter 1 c. Ebenso auch BaFin, Hinweise zur Erlaubnispflicht von Investmentclubs und ihrer Geschäftsführer nach § 32 KWG vom 9.6.2011, www.bafin.de, unter 2. (Hervorh. hinzugefügt): „Die Tätigkeit der Investmentclubs und ihrer Geschäftsführer berührt eine Reihe von Tatbeständen des KWG, die im Zusammenspiel mit den Erheblichkeitsschwellen des § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 1a Satz 2 KWG die Erlaubnispflicht des einzelnen Investmentclubs und seiner Geschäftsführer auslösen können, namentlich je nach Ausgestaltung des Einzelfalls die Finanzportfolioverwaltung (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG) oder die Abschlussvermittlung (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 2 KWG), und – falls die Konten und Depots nicht auf den Investmentclub lauten – eventuell auch das Finanzkommissionsgeschäft (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG) oder das Depotgeschäft (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG).“ Ablehnend Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 103. S. auch Brogl, in: Reischauer/Kleinhans, § 1 KWG Rz. 189 ff.
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lektiven Anlagemodellen (s. oben Rz. 102) auf1. Dass diese nicht mehr auf der Grundlage der Annahme einer „beschränkten Rechtsfähigkeit“2 oder von Modellen der Vermögenszuordnung (juristische Person, Gesamthand) erfolgen kann, wird selbst vom BVerwG zugestanden3. Doch ist auch das von dem Gericht als entscheidend angesehene Argument, es handle sich „in der hier vorliegenden Vertragsgestaltung [einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts] um eine Zusammenführung einer unbestimmten Vielzahl von Anlegern …, die ohne weitergehende Verbindung untereinander jeweils Leistungen des Klägers entgegennehmen wollen“4, ohne Weiteres auf alle kollektiven Anlagemodelle zu übertragen. Der Unterschied kann deshalb nicht in der Rechtsform oder deren jeweiligem Vermögenszuordnungsmodell, sondern normzweckbezogen5 nur darin liegen, ob der Gesellschaftszweck der jeweiligen Anlagegesellschaft in einem konkreten Anlagemodell besteht oder die Anlage des von den Anlegern aufzubringenden Gesellschaftsvermögens eine Tätigkeit vorsieht, die – vergleichbar der Umschreibung der Anlageverwaltung § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 11 KWG (s. oben in dieser Rz.) – als Verwaltung von Vermögen mit Entscheidungsspielraum (s. Rz. 102b) anzusehen ist. 102b
Schließlich muss der Verwalter bei der Verwaltung des Finanzportfolios einen Entscheidungsspielraum haben. Darin unterscheidet sich die Vermögensverwaltung von der Anlageberatung und Anlagevermittlung6. Ein Entscheidungsspielraum bei Portfolioverwaltung ist solange gegeben, als nicht die Dispositionsbefugnis zu den einzelnen Geschäften – und sei es auch nur in Gestalt eines Zustimmungserfordernisses – beim Kunden verbleibt. Das ist in der Regel in der Weise verwirklicht, dass der Finanzportfolioverwalter die Befugnis erhält, ohne vorherige Rücksprache mit dem Vermögensinhaber – gegebenenfalls unter Beachtung bestimmter mit dem Anleger vereinbarter Anlagerichtlinien (s. auch Rz. 103) – nach eigenem Ermessen zu verwalten7. Damit wird klargestellt, dass es keine Vermögensverwaltung darstellt, wenn der Verwalter lediglich ausschließlich auf Weisung des Vermögensinhabers handelt, wobei einzelne und gelegentliche Weisungen an den Verwalter dessen Entscheidungsspielraum nicht beseitigen8. Das ist aber dann der Fall, wenn ein Zustimmungsvorbehalt des Vermögensinhabers vereinbart wurde und der Verwalter eine von ihm getroffene Anlageentscheidung nur dann umsetzen darf, nachdem der Vermögensinhaber (ausdrücklich oder konkludent) zugestimmt hat9. Hat sich der Vermögensinhaber nur ein Vetorecht einräumen lassen, so steht dies der Annahme eines Entscheidungsspielraums des Verwalters nicht entgegen: Das Auswahl- und Entscheidungsermessen verbleibt auch in diesem Falle beim Verwalter und wird auch in 1 Kritisch auch Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 82, allerdings noch bezogen auf die Frage der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts. 2 So tatsächlich noch BaFin, Merkblatt Finanzportfolioverwaltung, unter 1c, www.bafin.de. 3 BVerwG v. 22.9.2005 – 6 C 29/03, ZIP 2005, 385 (388). 4 BVerwG v. 22.9.2005 – 6 C 29/03, ZIP 2005, 385 (388). 5 Vgl. auch BGH v. 23.10.2001 – XI ZR 63/01, ZIP 2001, 2224 (2225), in Bezug auf die Anwendung von § 1 Abs. 1 VerbrKredG und die Annahme, unter „natürliche Person“ im Sinne dieser Vorschrift sei auch eine gesellschaftsrechtlich verbundene und in ihrer Verbindung rechtsfähige Gruppe von natürlichen Personen zu verstehen. 6 BaFin, Merkblatt Finanzportfolioverwaltung, unter 2e, www.bafin.de. Vgl. Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 81; Schäfer, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 23 Rz. 6 f.; BVerwG v. 22.9.2005 – 6 C 29/03, ZIP 2005, 385 (390). 7 BVerwG v. 22.9.2005 – 6 C 29/03, ZIP 2005, 385 (390). Vgl. auch BaFin, Merkblatt Finanzportfolioverwaltung, unter 1d, www.bafin.de. 8 BVerwG v. 22.9.2005 – 6 C 29/03, ZIP 2005, 385 (390). S. auch Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 101; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 81; Müller, in: Heidel, § 2 WpHG Rz. 34. 9 Ähnlich BaFin, Merkblatt Finanzportfolioverwaltung, unter 1d, www.bafin.de.
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dem Umfang umgesetzt als der Vermögensinhaber nicht widerspricht1. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass dies den Verwalter dazu zwingt, beabsichtigte Transaktionen an den Vermögensinhaber zu berichten. Kommt es, wie eingangs zum Begriff des Entscheidungsspielraums dargelegt, entscheidend darauf an, ob sich der Vermögensinhaber seiner Dispositionsbefugnis zu den einzelnen Geschäften zugunsten eines anderen begeben hat, so ist das Merkmal auch dann erfüllt, wenn der Vermögensverwalter sich – gleich in welchem Umfang – Dritter zur Erfüllung seiner Pflichten aus dem Vermögensverwaltungsvertrag bedient2. S. auch im Folgenden zur Vermögensverwaltung, Rz. 103. Hauptanwendungsfall der Finanzportfolioverwaltung ist die Vermögensverwaltung, 103 d.h. die Verwaltung des Vermögens eines Kunden durch Investition in Wertpapiere und andere Finanzinstrumente, wobei dem Verwalter bei den im Interesse des Kunden vorzunehmenden Entscheidungen über die Anlage des Vermögens ein Entscheidungsspielraum (s. oben Rz. 102b) zusteht3. Um Vermögensverwaltung handelt es sich aber auch dann, wenn – wie regelmäßig – zwischen dem Kunden und dem Verwalter Anlagerichtlinien vereinbart werden, solange diese nur dergestalt sind, dass dem Verwalter nach wie vor ein Entscheidungsspielraum verbleibt4. Das ist auch dann der Fall, wenn der Vermögensverwaltungsvertrag die Möglichkeit vorsieht, dass der Kunde seinerseits für den Verwalter bindende Weisungen über die Anlage einzelner Vermögensbestandteile oder den Erwerb oder die Veräußerung bestimmter Finanzinstrumente erteilen kann, dem Verwalter aber dessen ungeachtet noch ein Handlungsermessen belassen ist. Dagegen fehlt es an dem erforderlichen Entscheidungsspielraum, wenn der Vermögensverwalter Dispositionen über das Vermögen nur nach vorheriger Genehmigung des Anlegers treffen darf (s. oben Rz. 102b). Auch wenn der Anleger die Genehmigung regelmäßig, etwa absprachegemäß durch Stillschweigen, erteilt, bleibt allein er dispositionsbefugt. An einer Vermögensverwaltung mit Entscheidungsspielraum mangelt es auch bei der Verwaltung nach fixen, keinerlei Ermessen erlaubenden Vorgaben; das ist insbesondere bei der Indexfondsverwaltung der Fall, bei der die Vermögensanlage einen bestimmten Index abbilden muss5. Für die Qualifikation eines Vertragsverhältnisses als Vermögensverwaltung spielt es 104 keine Rolle, ob es in weiteren rechtlichen Einzelheiten nach dem sog. Treuhandmodell oder, wie in Deutschland nahezu durchweg, nach dem sog. Vertretermodell6 1 BaFin, Merkblatt Finanzportfolioverwaltung, unter 1d, www.bafin.de. S. auch Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 101; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 81; Waclawik, ZIP 2007, 1341 (1343). 2 Auch BVerwG v. 22.9.2005 – 6 C 29/03, ZIP 2005, 385 (390) mit dem Argument, aus Sicht des zu schützenden Anlegers mache es keinen Unterschied, ob der von ihm beauftragte Vermögensverwalter die konkrete Anlageentscheidung in vollem Umfang selbst treffe oder ob er seinen Entscheidungsspielraum nutze, dazu Dritte einzuschalten. Ferner BaFin, Merkblatt Finanzportfolioverwaltung, unter 1d, www.bafin.de; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 81. 3 Ausführlich zur Vermögensverwaltung etwa Schäfer, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 23 Rz. 1 ff.; Schäfer, in: Schwintowski/Schäfer, § 19 Rz. 1 ff.; Kienle, in: Bankrechts-Handbuch, § 111 Rz. 1 ff. 4 Ebenso Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 101; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 81; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 151. 5 Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 81; Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 101; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 81. 6 Zu diesen Modellen etwa, jeweils m.w.N., Kienle, in: Bankrechts-Handbuch, § 111 Rz. 9 f.; Schäfer, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 23 Rz. 8 ff.; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 80; Sethe, Anlegerschutz im Recht der Vermögensverwaltung, 2005, S. 549 ff., 577 ff.
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ausgestaltet ist1. Von „Verwaltung“ i.S. der Definition in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WpHG wird man zur Abgrenzung von der Anlageberatung, der Anlagevermittlung und bloßen Kommissionsgeschäften (etwa der Effektenkommission) im Übrigen nur sprechen können, wenn die Vermögenssorge des Beauftragten auf eine gewisse Dauer erfolgen soll und fortlaufend wahrgenommen wird2. Dagegen soll nach den Ausführungen der BaFin im Merkblatt Finanzportfolioverwaltung ein auf Dauer angelegtes Mandat des Vermögensverwalters nicht zwingend sein, so dass auch eine einmalige Verwaltungstätigkeit den Tatbestand erfüllen könne3. Die nur einmalige Anlage des Geldvermögens eines anderen ohne Folgetätigkeit des damit Betrauten und ohne damit einhergehende Wertpapierdienstleistung (wie etwa die Anlageberatung) ist in der Praxis indes nicht vorzufinden und stellt auch keine der Beaufsichtigung bedürfte Dienstleistung dar. Dementsprechend umschreibt auch das BVerwG das Merkmal der Verwaltung eines Vermögens als „laufende“ Überwachung und Anlage von Vermögensobjekten4. Allerdings ist zu verlangen, dass die jeweils angebotene Tätigkeit auf eine gewisse Dauer angelegt ist. 105 Die Tätigkeit von Kapitalanlagegesellschaften ist keine Finanzportfolioverwaltung, sondern eine spezielle und auch (im InvG) besonders geregelte Form der kollektiven Vermögensanlage (s. oben Rz. 102)5. Keine Vermögensverwaltung i.S. der Finanzportfolioverwaltung stellt auch die Testamentsvollstreckung dar6, da ihr jeder Kundenund Marktbezug fehlt. Finanzportfoliogeschäfte stellen hier allenfalls ein Akzidenz dar, deren Vornahme von der (an den besonderen erbrechtlichen Regeln ausgerichteten) Testamentsvollstreckung überlagert ist und Kraft des „privaten Amtes“ des Testamentsvollstreckers erfolgt. Dazu gehört, dass der Testamentsvollstrecker als „Partei kraft Amtes“ zwar im Interesse der Erben, aber kraft eigenen Rechts und im eigenen Namen tätig wird (§§ 2212, 2213 BGB). 106 Als von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WpHG erfasst wird auch die Tätigkeit von Geschäftsführern7 der regelmäßig in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts 1 Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 100; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 80; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 80; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 150. Anders noch Sethe, Anlegerschutz im Recht der Vermögensverwaltung, 2005, S. 717 ff., der aufgrund einer funktionalen Auslegung des Tatbestands die Vermögensverwaltung in Form des Treuhandmodells als Finanzkomissionsgeschäft einordnete und nur die Vermögensverwaltung in Form des Vertretermodells als Finanzportfolioverwaltung begriff. Diese Ansicht hat er aufgegeben, da der Gesetzgeber – als Reaktion auf die Rechtsprechung des BVerwG im GAMAG-Fall (BVerwG v. 27.2.2008 – 6 C 11/07, 6 C 12/07, BVerwGE 130, 262 = WM 2008, 1359) – der funktionalen Auslegung von § 1 Abs. 1 und Abs. 1a KWG eine Absage erteilt hat; Sethe, Die funktionale Auslegung des Bankaufsichtsrechts am Beispiel der Vermögensverwaltung im Treuhandmodell, in: FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 1239 ff. 2 BVerwG v. 22.9.2005 – 6 C 29/03, ZIP 2005, 385 (387); Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 100; Schäfer, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 23 Rz. 6; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 149; Kienle, in: Bankrechts-Handbuch, WpHG § 111 Rz. 1. 3 BaFin, Merkblatt Finanzportfolioverwaltung, unter 1a, www.bafin.de. 4 Auch BVerwG v. 22.9.2005 – 6 C 29/03, ZIP 2005, 385 (387). 5 Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 103; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 83; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 79; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 150. 6 Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 84; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 84; Schäfer/Gisberts, in: BuB Rz. 11/60 ff. 7 Als „Geschäftsführer“ sind nach BaFin, Hinweise zur Erlaubnispflicht von Investmentclubs und ihrer Geschäftsführer nach § 32 KWG vom 9.6.2011, www.bafin.de, unter 2. in Fn. 1, „sowohl ein als auch mehrere Geschäftsführer eines Investmentclubs sowie auch
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betriebenen Investmentclubs angesehen, sofern die Gesellschaft von den eigens dazu beigetretenen Gesellschaftern (etwa über eine Treuhandgesellschaft) Anlagebeträge entgegennimmt und die Verwaltung des in Wertpapieren, Geldmarktinstrumenten und Derivaten angelegten Gesamthandsvermögens der Gesellschaft mit einem Entscheidungsspielraum versehen ist1 (s. auch oben Rz. 102a). Daran fehlt es, wenn der Geschäftsführer eines Investmentclubs hinsichtlich der Anlagegeschäfte von den Weisungen oder der Zustimmung eines anderen Organs oder eines anderen Gremiums (etwa in Gestalt eines Anlageausschusses) abhängig ist. Nach einem Schreiben des seinerzeitigen BAKred vom 28.4.19982 setzt dies allerdings voraus, dass das Organ (zu dem auch ein Anlageausschuss i.S. von § 19 des DSW-Mustervertrags für Investmentclubs3 gehören soll) aus mindestens 10 % ehrenamtlich tätigen Mitgliedern der Gesellschaft, jedoch nicht weniger als drei Gesellschaftern besteht, die nicht der Geschäftsführung angehören; als Beleg der Eigenverantwortlichkeit der Gesellschaft(er) für die Anlagegeschäfte verlangt das BAKred darüber hinaus eine gesellschaftsvertragliche „Rotationsregelung“, die sicherstellt, dass alle Gesellschafter, die nicht der Geschäftsführung angehören, jedes Jahr über einen angemessenen Zeitraum Mitglied des Anlageausschusses sind. Eine nach § 32 KWG i.V.m. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung bzw. eine Wertpapierdienstleistung i.S. des § 2 Abs. 4 WpHG stellt die Geschäftsführung für Investmentclubs allerdings nur unter der Voraussetzung dar, dass sie gewerblich oder in einem Umfang erfolgt, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert; s. dazu unten Rz. 149. Entsprechendes gilt für den Vorstand des in der Form eines nicht rechtsfähigen Vereins geführten Investmentclubs4. Die Verwaltung des in Finanzinstrumenten angelegten Vermögens naher Angehöri- 106a ger mit Entscheidungsspielraum erfüllt, auch wenn sie unentgeltlich erfolgt, den Tatbestand der Finanzportfolioverwaltung. In teleologischer Reduktion des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WpHG, d.h. unter Berufung auf den Schutzzweck dieser Vorschrift und der Normen des WpHG, die an den von Nr. 7 erfassten Tatbestand anknüpfen, ist die vorgenannte Tätigkeit jedoch nicht als Finanzportfolioverwaltung anzusehen. Das lässt sich mit dem Argument begründen, der Schutzzweck der Vorschrift erlaube es, nicht marktorientiert erbrachte Verwaltungsdienste, die der Verwalter „nicht wie ein berufsmäßiger Verwalter am Markt gegenüber dem allgemeinen Anlagepublikum“ anbiete, sondern lediglich für den engsten Familienkreis erbringe, vom Tatbestand der
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Einzelbeauftragte“ erfasst, „die nur mit der Ausführung einzelner Geschäfte statt mit der Gesamtgeschäftsführung des Investmentclubs betraut werden“. Schreiben des BAKred vom 28.4.1998, Q 31 – 71.51 – 142/98. Bestätigt durch BVerwG v. 22.9.2005 – 6 C 29/03, ZIP 2005, 385, zu § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG. Frey, BKR 2005, 200; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 82. Kritisch Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 82. Ablehnend Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 152. S. auch oben Rz. 102b. Ohne diesbezügliche Hinweise BaFin, Hinweise zur Erlaubnispflicht von Investmentclubs und ihrer Geschäftsführer nach § 32 KWG vom 9.6.2011, www.bafin.de. Geschäftszeichen Q 31 – 71.51 – 142/98. Kritisch zur Begründung des Rundschreibens aber Sethe, Anlegerschutz im Recht der Vermögensverwaltung, 2005, S. 582 ff., der betont, dass das entscheidende Abgrenzungsmerkmal die Verwaltung „für andere“ sein müsse. Keine diesbezüglichen Hinweise bei BaFin, Hinweise zur Erlaubnispflicht von Investmentclubs und ihrer Geschäftsführer nach § 32 KWG vom 9.6.2011, www.bafin.de. Abrufbar unter http://www.dsw-info.de/uploads/media/Investmentclub-Gesellschaftsver trag_04.pdf. Schreiben des BAKred vom 28.4.1998, Q 31 – 71.51 – 142/98. Dazu keine Ausführungen in BaFin, Hinweise zur Erlaubnispflicht von Investmentclubs und ihrer Geschäftsführer nach § 32 KWG vom 9.6.2011, www.bafin.de.
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Finanzportfolioverwaltung auszunehmen1. Zum engsten Familienkreis sollen regelmäßig nur nahe Angehörige wie Ehegatten, Kinder und Enkelkinder sowie gleichgeschlechtliche Lebenspartner zu zählen sein2. Auch im Falle von Vermögensverwaltungsdiensten, die im Rahmen familiär begründeter und unentgeltlich erbrachter Vormundschafts-, Betreuungs- und Testamentsvollstreckungsverhältnisse erbracht werden, bildet nicht das marktorientierte professionelle Angebot der Finanzportfolioverwaltung die Grundlage, weshalb es auch gerechtfertigt ist, diese Form der Vermögensverwaltung den einschlägigen zivil- und namentlich familienrechtlichen Vorschriften zu unterstellen, statt sie der Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG und Beaufsichtigung nach den für die Finanzportfolioverwaltung geltenden Bestimmungen des WpHG zu unterwerfen3. So genannte Family Offices, die sich mit der Verwaltung privater Großvermögen befassen und über die Verwaltung des in Finanzinstrumenten angelegten Vermögens naher Angehöriger im vorstehenden Sinne hinausgehen, weisen eine solche Vielfalt von Organisationsformen und Dienstleistungen auf, dass es einer Differenzierung nach dem Einzefall bedarf, wobei jedoch in der Regel eine Einordnung als Finanzportfolioverwaltung und ausnahmsweise, insbesondere bei der Beschränkung auf Portfoliostrukturentscheidungen (s. oben Rz. 102), als Anlageberatung (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 WpHG, Rz. 111 ff.) in Betracht kommt4. h) Betrieb eines multilateralen Handelssystems (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 WpHG) 107 Durch Art. 1 Nr. 2 lit. f des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Einl. Rz. 36) wurde der Betrieb eines multilateralen Handelssystems erstmals in den Kreis von Wertpapierdienstleistungen aufgenommen5. Die Vorschrift dient der Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 15 i.V.m. Anhang I Abschnitt A Nr. 8 der Finanzmarktrichtlinie. Eine entsprechende Bestimmung findet sich in § 1 Abs. 1a Nr. 1b KWG. 108 Die Einführung der neuen Wertpapierdienstleistung „Betrieb eines multilateralen Handelssystems“ geht zurück auf das in Erwägungsgrund 5 der Finanzmarktrichtlinie zum Ausdruck gebrachte Ziel derselben, „die Ausführung von Geschäften mit Finanzinstrumenten – unabhängig von den für den Abschluss dieser Geschäfte verwendeten Handelsmethoden – umfassend zu regeln, damit bei der Ausführung der entsprechenden Anlegeraufträge eine hohe Qualität gewährleistet ist und die Integrität und Gesamteffizienz des Finanzsystems gewahrt werden“. Hierzu wird es in Erwägungsgrund 5 als erforderlich angesehen, „einer aufkommenden neuen Generation von Systemen des organisierten Handels neben den geregelten Märkten Rechnung zu tragen, die Pflichten unterworfen werden sollten, die auch weiterhin ein wirksames und ordnungsgemäßes Funktionieren der Finanzmärkte gewährleisten.“ Der Schaffung eines angemessenen Rechtsrahmens für diese Handelssysteme soll vor allem die in Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Anhang I Abschnitt A Nr. 8 der Finanzmarktrichtlinie vorgenommene Einführung einer neuen Wertpapierdienstleistung dienen, die sich auf den Betrieb von multilateralen Handelssystemen (Multilateral Trading Facilities – MTF) bezieht. Neben dem schon in der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie hinsichtlich einiger Bedingungen für ihren Betrieb erfassten und in 1 BaFin, Merkblatt Finanzportfolioverwaltung, unter 1e, www.bafin.de, in Bezug auf § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG und die mit der Erfassung der Finanzportfolioverwaltung als Finanzdienstleistung verbundene Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG. 2 BaFin, Merkblatt Finanzportfolioverwaltung, unter 1e, www.bafin.de. 3 So i.E. auch BaFin, Merkblatt Finanzportfolioverwaltung, unter 1e, www.bafin.de. 4 Vgl. Waclawik, ZIP 2007, 1341 ff. 5 Zur Regulierung außerbörslicher Handelssysteme wie multilateraler Handelssysteme im europäischen, deutschen und US-amerikanischen Recht s. Kumpan, Regulierung.
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Art. 4 Abs. 1 Nr. 14 der Finanzmarktrichtlinie definierten geregelten Markt und der Tätigkeit der so genannten systematischen Internalisierer (Art. 4 Abs. 1 Nr. 7 der Finanzmarktrichtlinie) bildet der Betrieb eines multilateralen Handelssystems die dritte Säule der von der Finanzmarktrichtlinie erfasssten Grundformen des Handels mit Finanzinstrumenten1. Wie sich aus Erwägungsgrund 6 der Finanzmarktrichtlinie ergibt, erfüllen geregelte Märkte und multilaterale Handelssysteme zusammen die Funktion des organisierten Handels. Bei beiden handelt es sich – ungeachtet des Umstands, dass allein das Letztere den Begriff in seiner Bezeichnung führt – um multilaterale Handelssysteme im Sinne der Zusammenführung der Parteien eines Geschäfts über Finanzinstrumente. Dagegen handelt es sich bei der systematischen Internalisierung um eine bilaterale Handelsform, bei welcher der systematische Internalisierer selbst die Rolle einer Gegenpartei übernimmt, indem sie für eigene Rechnung durch Ausführung von Kundenaufträgen außerhalb eines geregelten Marktes oder eines multilateralen Handelssystems tätig wird. Multilaterale Handelssysteme sind keine Börsen (i.S. des § 2 Abs. 1 BörsG), sondern privat betriebene Handelseinrichtungen2. Schon an dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass Börsenträger oder Betreiber eines organisierten Markts, die neben dem Betrieb eines multilateralen Handelssystems keine anderen Wertpapierdienstleistungen i.S. des § 2 Abs. 3 Satz 1 WpHG erbringen, nach § 2a Abs. 1 Nr. 13 WpHG nicht als Wertpapierdienstleistungsunternehmen gelten. Nahezu wortgleich mit Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 der Finanzmarktrichtlinie umschreibt 109 § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 WpHG den Betrieb eines multilateralen Handelssystems als den Betrieb eines multilateralen Systems, das die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach festgelegten Bestimmungen in einer Weise zusammenbringt, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt. Erfasst werden damit nur Handelssysteme, d.h. Einrichtungen, die geeignet sind, die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten zusammenzubringen. Das sind nach Erwägungsgrund 6 Satz 3 der Finanzmarktrichtlinie Märkte, die entweder aus einem Regelwerk und einer Handelsplattform bestehen oder ausschließlich auf der Grundlage eines Regelwerks funktionieren3. Um einen ausschließlich aus einem Regelwerk bestehenden Markt handelt es sich, wenn er sich auf der Grundlage eines Regelwerks bildet, das lediglich Fragen etwa der Mitgliedschaft, der Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel, des Handels zwischen Mitgliedern, der Meldung von Geschäften und gegebenenfalls die Transparenzpflichten regelt, aber keine technischen Handelsfazilitäten zur Zusammenführung von Aufträgen4 bereithält. Dabei kann es sich bei diesem Markt um einen geregelten Markt oder ein multilaterales Handelssystem handeln. Zu einem multilateralen Handelssystem wird er dadurch, dass er darauf angelegt ist, die Parteien effektiv zu einem Vertrag zu führen, der nach den Regeln des Systems oder über dessen Protokolle oder interne Betriebsverfahren 1 Vgl. Duve/Keller, BB 2006, 2537; Spindler/Kasten, WM 2006, 1749 (1754). 2 Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 104; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 85. 3 Vgl. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 56: „Um von einem System im Sinne dieser Vorschrift zu sprechen, bedarf es zumindest eines Regelwerks über die Mitgliedschaft, die Handelsaufnahme von Finanzinstrumenten, den Handel zwischen den Mitgliedern, Meldungen über abgeschlossene Geschäfte und Transparenzpflichten; eine Handelsplattform im technischen Sinne ist nicht erforderlich“. 4 Nach Erwägungsgrund 6 Satz 4 der Finanzmarktrichtlinie müssen geregelte Märkte und MTF keine „technischen“ Systeme für das Zusammenführen von Aufträgen betreiben. S. auch RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 56. Vgl. Spindler/Kasten, WM 2006, 1749 (1754) („Technikneutralität“); Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 86.
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ausgeführt wird (Erwägungsgrund 6 Satz 9 der Finanzmarktrichtlinie). Darin liegt das Hauptabgrenzungsmerkmal zu geregelten Märkten, bei denen nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 14 der Finanzmarktrichtlinie schon die bloße Förderung der Zusammenführung genügt, ohne dass weitere Vorkehrungen für die Herbeiführung eines Vertragsschlusses nach Maßgabe der Regeln des Systems getroffen sein müssen1. 110 Die Zusammenführung der Parteien muss innerhalb des Systems und nach festgelegten Bestimmungen erfolgen, d.h. nach nicht der Abwandlung durch den Betreiber im Einzelfall zugänglichen, sog. „nichtdiskretionären“ Regeln2, und darf nicht nur gelegentlich erfolgen3. Das bedeutet, dass die Zusammenführung der Interessen der Parteien nach den Regeln des Systems oder mit Hilfe der Protokolle oder internen Betriebsverfahren des Systems (einschließlich der in Computersoftware enthaltenen Verfahren) und im System selbst erfolgen muss (Erwägungsgrund 6 Satz 7 der Finanzmarktrichtlinie). Weiter muss es sich bei den Handelssystemen um multilaterale handeln, d.h. um solche, bei denen sich der Betreiber des Systems auf die „risikolose“ Rolle4 desjenigen beschränkt, der die Parteien eines potentiellen Geschäfts über Finanzinstrumente – Verkäufer und Käufer – zusammenbringt und den Parteien im Übrigen den Handel untereinander ermöglicht. Deshalb handelt es sich nicht um multilaterale, sondern um bilaterale Handelssysteme, wenn deren Betreiber selbst Vertragspartei der über das System vermittelten Verträge werden sollen. Darüber hinaus werden nur solche Systeme erfasst, die eine Vielzahl von Personen und nicht nur eine beschränkte Zahl von Marktteilnehmern nach gleichen Regeln zum Vertragsschluss zusammenbringt, ohne dass es eines Auftrags zur einzelfallbezogenen Abschlussvermittlung bedarf5. Dazu gehört, dass die Interessen jener Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten so zusammengeführt werden, dass den Parteien kein Entscheidungsspielraum verbleibt, ob sie im Einzelfall das Geschäft mit einem bestimmten Vertragspartner eingehen wollen oder nicht6. Erforderlich ist darüber hinaus, dass es sich bei dem Geschäft, dessen Parteien zusammengebracht werden sollen, um den Kauf oder den Verkauf von Finanzinstrumenten handelt. Soweit darüber hinaus verlangt wird, dass das multilaterale Handelssystem darauf gerichtet ist, die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten zusammenzubringen, ist der Begriff „Interesse am Kauf und Verkauf“ in einem weiten Sinne zu verstehen und schließt nach Erwägungsgrund 6 Satz 6 der Finanzmarktrichtlinie Aufträge, Kursofferten und Interessenbekundungen ein.
1 Vgl. Spindler/Kasten, WM 2006, 1749 (1754) (echtes „Matching“ im System oder nach den Regeln des Systems erforderlich). 2 Erwägungsgrund 6 Satz 7 der Finanzmarktrichtlinie. Der Begriff „nichtdiskretionär“ bedeutet nach Erwägungsgrund 6 Satz 7 der Finanzmarktrichtlinie, dass Regeln des Betreibers des multilateralen Handelssystems diesem „keinerlei Ermessensspielraum im Hinblick auf die möglichen Wechselwirkungen zwischen Interessen einräumen“. 3 Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 87 („gewisse Kontinuität“), 90. 4 Art. 4 Abs. 1 Nr. 7 der Finanzmarktrichtlinie spricht von „risikoloser Gegenpartei“, die zwischen Käufer und Verkäufer steht. 5 So gesehen besteht kein Grund für die von Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 123l, angeführten verfassungsrechtliche Bedenken gegen dieses Merkmal. 6 Erwägungsgrund 6 Satz 8 der Finanzmarktrichtlinie. S. auch Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 89; Müller, in: Heidel, § 2 WpHG Rz. 36.
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i) Anlageberatung (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 WpHG) Ebenfalls erstmals in den Kreis von Wertpapierdienstleistungen aufgenommen wurde aufgrund von Art. 1 Nr. 2 lit. f des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Einl. Rz. 36) die vom Gesetz früher (in § 2 Abs. 3a Nr. 3 WpHG a.F.) als Wertpapiernebendienstleistung behandelte Anlageberatung. Die Vorschrift dient der Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 i.V.m. Anhang I Abschnitt A Nr. 5 der Finanzmarktrichtlinie. Eine entsprechende Bestimmung findet sich in § 1 Abs. 1a Nr. 1a KWG. Die Änderung hat – abweichend von der früheren Rechtslage (4. Aufl. des Kommentars § 2 Rz. 74) – vor allem zur Folge, dass §§ 31 ff. WpHG heute auch auf Unternehmen, die allein die Anlageberatung betreiben, anwendbar sind.
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Blieb die Anlageberatung als Wertpapiernebendienstleistung in § 2 Abs. 3a Nr. 3 WpHG a.F. mit der Formulierung „Beratung bei der Anlage von Finanzinstrumenten“ undefiniert, so umschreibt § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 WpHG die Anlageberatung – im Anschluss die Begriffsbestimmung der Anlageberatung in Art. 52 der Richtlinie 2006/73/EG zur Durchführung der Finanzmarktrichtlinie (Einl. Rz. 36) – als die Abgabe von persönlichen Empfehlungen an Kunden oder deren Vertreter, die sich auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten beziehen, sofern die Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet dargestellt wird und nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit bekannt gegeben wird (Anlageberatung). Zur Anwendung dieser Definition haben die BaFin und die Deutsche Bundesbank das als „Gemeinsames Informationsblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Deutschen Bundesbank zum neuen Tatbestand der Anlageberatung“ bezeichnete Merkblatt Anlageberatung herausgegeben1.
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Kernelement der Anlageberatung als Wertpapierdienstleistung ist die Abgabe einer 113 Empfehlung. Als Empfehlung ist dabei jede Erklärung anzusehen, die ein bestimmtes Verhalten – hier in Bezug auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten – als für den Adressaten vorteilhaft2 oder in seinem Interesse liegend3 darstellt. Die Definition der Anlageberatung in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 WpHG scheint die Darstellung eines Geschäfts als für den Anleger „geeignet“ genügen zu lassen, doch handelt es sich bei dem Kriterium der Eignung um ein solches, das im Zusammenhang mit der Beantwortung der Frage heranzuziehen ist, ob es sich bei der Empfehlung um eine persönliche handelt. Bloße Informationen etwa über einzelne Finanzinstrumente, mögliche Renditen oder die rechtlichen und steuerlichen Implikationen einer bestimmten Anlage beinhalten keine Empfehlung, solange sich damit nicht konkrete Anlagevorschläge verbinden. Die Empfehlung kann aus eigener Initiative des Empfehlenden oder aufgrund einer entsprechenden Veranlassung des Kunden erfolgen4. Das Gesetz stellt mithin nicht darauf ab, ob die Empfehlung auf der Grundlage entsprechender vertraglicher Verpflichtungen aus einem ausdrücklich oder still-
1 S. dazu BaFin, Merkblatt Anlageberatung, www.bafin.de. Das Merkblatt dient in erster Linie der Auslegung des Tatbestands der Anlageberatung in der Parallelvorschrift des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1a KWG, ist aber auch für die Auslegung desselben Tatbestandsmerkmals in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 WpHG heranzuziehen. 2 S. dazu die Hinweise in § 14 Rz. 119. 3 So die Formulierung der BaFin, Merkblatt Anlageberatung, S. 1 unter 2, www.bafin.de; Balzer, ZBB 2007, 333 (335); Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 94. 4 BaFin, Merkblatt Anlageberatung, S. 2 unter 3. a.E., www.bafin.de.
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schweigend1 zustande gekommenen und auf die Anlageberatung gerichteten Vertrag (Beratungsvertrag) erteilt wurde oder, unabhängig von solchen vertraglichen Verpflichtungen, auf Initiative des Empfehlenden erfolgte. Entscheidend ist, wie sich die Erklärung aus der Sicht des Erklärungsempfängers (d.h. des Kunden bzw. des Vertreters des Kunden) darstellt (objektiver Empfängerhorizont). Dabei spielen das Auftreten der Erklärenden einerseits und die dadurch hervorgerufenen oder dem Erklärenden erkennbaren berechtigten Erwartungen der Kunden bzw. der Vertreter der Kunden, wie sie der Unterscheidung zwischen Anlageberater und Anlagevermittler zugrunde liegen, eine nicht unerhebliche Rolle: Von demjenigen, der – als Anlagevermittler – im Lager des Emittenten steht und dessen Produkte vertreibt, darf nicht mehr als richtige und vollständige Information in Bezug auf die vermittelte Anlage erwartet werden2. Das schließt allerdings nicht aus, dass der Anlagevermittler im Einzelfall – namentlich wenn das Erfordernis der persönlichen Empfehlung (s. Rz. 114) gegeben ist – diese Rolle überschreitet, d.h. über Informationen hinaus auch Empfehlungen abgibt. Unerheblich ist schließlich, ob der Empfehlung gefolgt wurde oder nicht. 114 Weiter ist erforderlich, dass es sich bei der Empfehlung um eine persönliche, d.h. im Wortlaut des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 WpHG „an Kunden oder deren Vertreter“ gerichtete Empfehlung handelt. Dabei sind als Kunden alle für Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten und damit auch als Adressaten einer Empfehlung in Betracht kommenden natürlichen oder juristischen Personen (vgl. Art. 4 Abs. 1 Nr. 10 Finanzmarktrichtlinie), mithin auch potentielle Kunden, zu verstehen3; Art. 52 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2006/73/EG zur Durchführung der Finanzmarktrichtlinie (Einl. Rz. 36) spricht explizit von einer „Empfehlung, die an eine Person in ihrer Eigenschaft als Anleger oder potenzieller Anleger“ (Hervorhebung hinzugefügt) gerichtet ist. Eine Einschränkung des Kundenkreises im Hinblick etwa auf Kleinanleger oder ein Ausschluss etwa von institutionellen oder professionellen Kunden lässt sich der Bestimmung nicht entnehmen. Unerheblich ist deshalb, ob der Kunde über einschlägige Fachkenntnisse und Anlageerfahrungen verfügt. Um eine persönliche Empfehlung handelt es sich auch dann, wenn diese gegenüber den Vertretern der Kunden abgegeben wird, wobei als Vertreter nicht nur solche im rechtsgeschäftlichen Sinne zu verstehen sind, sondern alle Personen, die – wie namentlich Repräsentanten oder
1 Zu eng RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 56, wonach die Empfehlung „auf Initiative des Empfehlenden oder auf ausdrücklichen Wunsch des Kunden erfolgt“ sein könne (Hervorhebung hinzugefügt). 2 Ständige Rspr. Etwa BGH v. 25.11.1981 – IVa ZR 286/80, ZIP 1982, 169 = WM 1982, 90; BGH v. 13.5.1993 – III ZR 25/92, ZIP 1993, 997 = WM 1993, 1238 (1239); BGH v. 13.1.2000 – III ZR 62/99, ZIP 2000, 355 (356) = WM 2000, 426; BGH v. 12.2.2004 – III ZR 359/02, ZIP 2004, 1055 (1057); BGH v. 12.7.2007 – III ZR 145/06, ZIP 2007, 1864, Rz. 8; BGH v. 5.3.2009 – III ZR 17/08, WM 2009, 739 (740) Rz. 11; BGH v. 17.2.2011 – III ZR 144/10, WM 2011, 505 (510) Rz. 9. Aus dem Schrifttum etwa v. Heymann, Bankenhaftung bei Immobilienanlagen, 15. Aufl. 2001, S. 21 f., 24 ff., und v. Heymann/Edelmann, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 4 Rz. 2 ff., 22. Zu den Schwierigkeiten der Trennung von Anlageberatung und Anlagevermittlung insbes. BGH v. 13.5.1993 – III ZR 25/92, ZIP 1993, 997 = WM 1993, 1238 (1239): „Stellung und Aufgaben eines Anlagevermittlers und Anlageberaters sind unterschiedlich. Dabei sind Überschneidungen möglich. Der jeweilige Pflichtenumfang kann nicht allgemein bestimmt werden, sondern nur anhand der Besonderheiten des Einzelfalls“. Aus dem Schrifttum etwa Assmann, Negativberichterstattung als Gegenstand der Nachforschungs- und Hinweispflichten von Anlageberatern und Anlagevermittlern, ZIP 2002, 637 (638 ff.). 3 Vgl. Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 123e.
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Sachwalter – „im Lager“ des Kunden stehen1 und Einfluss auf dessen Anlageentscheidung haben. Um eine an die Kunden oder deren Vertreter gerichtete persönliche Empfehlung han- 115 delt es sich nach konkretisierender Maßgabe der Definition der Anlageempfehlung allerdings nur dann, wenn die Empfehlung entweder auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt wird oder als für den Anleger geeignet dargestellt wird. Die Empfehlung ist auf die Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt, wenn eine solche tatsächlich vorgenommen wurde. Ausreichend hierfür ist es, wenn die Prüfung auf – von wem auch immer veranlassten – Informationen beruht, die der Kunde dem Empfehlenden in wenigstens allgemeiner Form über seine zumindest finanziellen Verhältnisse erteilt hat und der Empfänger dieser Informationen daraufhin Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten empfiehlt2; die Einhaltung eines gewissen Verfahrens oder die Beschaffung bestimmter Informationen, wie sie sich in der Folge aus § 31d WpHG ergeben können, ist bei der Qualifizierung einer Tätigkeit als Anlageberatung nicht erforderlich3. Aber auch ohne Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers handelt es sich um eine persönliche Empfehlung, wenn die Empfehlung als für den Anleger geeignet dargestellt wird. Das ist unabhängig davon, ob die persönlichen Verhältnisse des Anlegers tatsächlich geprüft wurden, immer dann der Fall, wenn Kunden oder ihre Vertreter aufgrund der Umstände des Einzelfalls davon ausgehen müssen, die abgegebene Empfehlung beruhe auf einer Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Anlegers. Zu den Umständen des Einzelfalls, die hierauf schließen lassen, gehört etwa schon der Vorgang, dass der Empfehlende vor Abgabe der Empfehlungen Informationen über die persönlichen Verhältnisse und Anlageziele des Anlegers erhielt, weil er durch die Entgegennahme der Informationen und die Abgabe der Empfehlung ohne Vorbehalt der unterlassenen Prüfung der Frage, ob die Empfehlung auch anlegergerecht sei, zurechenbar den Anschein erweckt hat, die Empfehlung unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Anlegers abgegeben zu haben. Schon mangels persönlicher Beratung scheiden Anlagetipps, auch wenn sie ihren 116 Adressaten nicht über entindividualisierte Informationsverbreitungskanäle (s. Rz. 117), sondern durch individuelle Kommunikationsformen (wie etwa persönlich gehaltene Postsendungen oder E-Mails) erreichen, aus der Anlageberatung aus. Einem Kunden oder seinem Vertreter unaufgefordert zugehende Anlagetipps berechtigen den Kunden nicht zu der Erwartung, diese seien aufgrund der Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse abgegeben worden. Das gilt auch für Publikationen wie Börsenbriefe, Börseninformationsdienste oder Kapitalanlagemagazine4, gleich ob sie unverlangt oder aufgrund einer Nachfrage oder eines Abonnements zum Kunden oder zu dessen Vertreter gelangen. In keinem der angeführten Fälle ist auch der Tatbestand der Vermittlungs- oder Nachweistätigkeit i.S. des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 WpHG erfüllt (s. oben Rz. 85). Dafür werden sie regelmäßig den Tatbestand der Anlageempfehlung als eine Wertpapiernebendienstleistung i.S. von § 2 Abs. 3a Nr. 5 WpHG erfüllen (s. unten Rz. 135). An der tatsächlichen oder vorgeblichen Berücksichtigung persönlicher Verhältnisse des Anlegers fehlt es des Weiteren bei Finanzanalysen, seien es solche i.S. von § 34b Abs. 1 Satz 1 WpHG oder seien es solche, die sich einen solchen Anschein 1 2 3 4
BaFin, Merkblatt Anlageberatung, S. 2 unter 3, www.bafin.de. In der Sache wie BaFin, Merkblatt Anlageberatung, S. 2 unter 4, www.bafin.de. Vgl. Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 123 f. Vgl. Balzer, ZBB 2007, 333 (335); Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 107; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 95; Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 123 f.
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§2
Begriffsbestimmungen
geben. Auch wenn sie einem Kunden oder seinem Vertreter persönlich zugänglich gemacht werden und sich aus ihnen die Empfehlung des Erwerbs eines bestimmten Finanzinstruments ergibt, beruhen diese doch erkennbar ausschließlich auf der Analyse eines Emittenten oder eines Finanzinstruments. Anders verhält es sich, wenn eine für den Kunden als Berater tätige und mit seinen Verhältnissen vertraute Person diesem oder seinem Vertreter eine Finanzanalyse mit Erklärungen zugänglich macht, die sich als Empfehlung darstellen. Soweit Finanzanalysen einen Kunden oder seinen Vertreter nur im Wege von Veröffentlichungen erreichen, fehlt es sowohl an einer persönlichen Empfehlung als auch an der für die Anlageberatung erforderlichen Form der Kommunikation der Empfehlung (s. Rz. 117)1. Schließlich fehlt es an einer persönlichen Empfehlung auch bei Veranstaltungen (etwa sog. Roadshows), bei denen einem ausgewählten Kreis von interessierten Anlegern, deren genauere finanzielle Verhältnisse den Veranstaltern unbekannt sind, bestimmte Finanzprodukte vorgestellt und zur Anlage empfohlen werden. Selbst wenn in diesen Fällen dem Veranstalter die finanziellen Verhältnisse des einzelnen Anlegers (aufgrund anderweitiger Verbindungen) zumindest rudimentär bekannt sein sollten, kann der Kunde oder sein Vertreter von der gegenüber allen Teilnehmern ausgesprochenen Empfehlung nicht erwarten, diese habe seine persönlichen Verhältnisse berücksichtigt. Sind solche Veranstaltungen öffentlich, werden die Empfehlungen in einer entindividualisierten Form kommuniziert, die eine Anlaberatung ausschließt (s. Rz. 117). Erkennbar als Werbemaßnahmen zu identifizierende Erklärungen sind weder in der Lage, den Eindruck einer persönlichen Empfehlung zu wecken, noch gelangen sie in der Regel in der gebotenen individuellen Kommunikationsform zum Kunden oder zu seinen Vertretern. 117 Empfehlungen erfüllen im Übrigen nur dann die Voraussetzungen einer Anlageberatung, wenn sie auf dem Weg individueller Kommunikationsformen zu den Kunden oder ihren Vertretern gelangen. § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 WpHG formuliert dies negativ und verlangt, dass die Empfehlungen nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit bekannt gegeben werden. Positiv gewendet heißt dies: Die Bekanntgabe von Empfehlungen über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit erfüllt nicht den Tatbestand der Anlageberatung. Dabei handelt es sich in der Sache um ein weiteres, das Erfordernis persönlicher Empfehlungen konkretisierendes Merkmal, denn im Wege der Massenkommunikation verbreitete Empfehlungen können schlechterdings weder unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des einzelnen Anlegers erfolgt sein noch können sie einen diesbezüglichen schützenswerten Eindruck hervorrufen. Die Bekanntgabe einer Empfehlung über Informationsverbreitungskanäle oder für die Öffentlichkeit ist jede Form der Kundgabe, die „geeignet und bestimmt ist, die Allgemeinheit, also einen individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, zu erreichen“2. Von der Anlageberatung ausgeschlossen werden damit insbesondere Empfehlungen, die über die Presse, Hörfunk und Fernsehen, Internet oder Wege öffentlicher Veranstaltungen verbreitet werden3. Nicht ausgeschlossen sind dagegen gleich lautende Empfehlungen, die im Wege individueller Kommunikationsformen – wie Postsendungen, FAX, E-Mails oder Telefon – an einzelne Kunden oder Kundenvertreter oder einen bestimmten Personenkreis kommuniziert werden, der nach den persönlichen Verhältnissen der in ihn einbezogenen Personen gebildet wird4.
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BaFin, Merkblatt Anlageberatung, S. 3 unter 5 a.E., www.bafin.de. BaFin, Merkblatt Anlageberatung, S. 3 unter 5, www.bafin.de. Vgl. BaFin, Merkblatt Anlageberatung, S. 3 unter 5, www.bafin.de. Im Anschluss an BaFin, Merkblatt Anlageberatung, S. 3 unter 5, www.bafin.de.
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Begriffsbestimmungen
Um die Anlageberatung i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 WpHG zu begründen, müssen 118 sich die Empfehlungen schließlich auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten beziehen. Geschäfte im Sinne dieser Vorschrift sind alle Rechtsgeschäfte, welche „die Anschaffung oder die Veräußerung von Finanzinstrumenten“ zum Gegenstand haben1. Nach Maßgabe von Art. 52 Abs. 2 lit. a der Richtlinie 2006/73/EG zur Durchführung der Finanzmarktrichtlinie (Einl. Rz. 36) sind dies in erster Linie der Kauf, der Verkauf, die Zeichnung, der Tausch, der Rückkauf oder die Übernahme eines bestimmten Finanzinstruments. Erfasst wird darüber hinaus auch gemäß Art. 52 Abs. 2 lit. a bzw. b der Durchführungsrichtlinie die Empfehlung zum „Halten“ (also der Nichtveräußerung) eines bestimmten Finanzinstruments, sowie die Ausübung bzw. Nichtausübung eines mit einem bestimmten Finanzinstrument einhergehenden Rechts betreffend den Kauf, den Verkauf, die Zeichnung, den Tausch oder den Rückkauf eines Finanzinstruments2. Die Empfehlung muss Finanzinstrumente i.S. von § 2 Abs. 2b WpHG betreffen. Die Empfehlung lediglich bspw. eines Kreditinstituts, eines Vermittlers, eines Beraters oder eines Vermögensverwalters (d.h. die Nachweismakelei)3 oder von Verhaltensregeln bei Anlagegeschäften kann damit keine Anlageberatung darstellen. Die empfohlenen Geschäfte müssen schließlich bestimmte Finanzinstrumente betreffen, d.h. diese müssen so konkret benannt4 sein, dass die Empfehlung – ungeachtet einer eventuell noch zu treffenden Auswahl unter mehreren empfohlenen Anlagen (dazu sogleich) – unmittelbar in ein Anlagegeschäft der vorbezeichneten Art umgesetzt werden kann. Um die Empfehlung bestimmter Finanzinstrumente handelt es sich auch dann, wenn der Empfehlende dem Kunden oder dem Kundenvertreter mehrere konkrete Empfehlungen gibt und die Auswahl aus denselben dem Kunden oder dem Kundenvertreter überlässt5. Dagegen liegt keine konkrete Empfehlung vor, wenn sich diese darauf beschränkt, dem Kunden oder dem Kundenvertreter Geschäfte in bestimmten Gattungen, Arten oder Klassen von Finanzinstrumenten zu empfehlen. Die Anforderung einer konkreten, unmittelbar umsetzbaren Empfehlung ist mithin nicht erfüllt, wenn der Empfehlende beispielsweise lediglich die Anschaffung von Aktien von DAX-30-Unternehmen, von Wertpapieren chinesischer Emittenten, von Genussscheinen, von Chemiewerten, von Aktienanleihen, von Optionen oder von Schuldverschreibungen empfiehlt. Auch wenn die Zahl der aufgrund solcher Empfehlungen in Betracht kommenden Finanzinstrumente gering ist, erfordert diese mehr als ein bloßes Auswahlverhalten des Kunden oder des Kundenvertreters zwischen mehreren empfohlenen Anlagen, so dass solche Empfehlungen nicht unmittelbar umsetzbar sind und damit keine Empfehlung eines bestimmten Finanzinstruments darstellen6. Erfasst wird damit auch die Empfehlung etwa der Anschaffung, des Haltens oder des Verkaufs konkreter Investmentanteilen. Das gilt auch für die Beratung, die sich ausschließlich auf Geschäfte betreffend Investmentanteile beschränkt. Für sie wurde jedoch in § 2a Abs. 1 Nr. 7 lit. d WpHG, dem § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 8 KWG entspricht, eine Ausnahme geschaffen.
1 Im Anschluss an BaFin, Merkblatt Anlageberatung, S. 1 unter 2, www.bafin.de. 2 Vgl. auch BaFin, Merkblatt Anlageberatung, S. 1 unter 2, www.bafin.de, und RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 56. 3 Vgl. BaFin, Merkblatt Anlageberatung, S. 2 unter 2 a.E., www.bafin.de. 4 So BaFin, Merkblatt Anlageberatung, S. 2 unter 2, www.bafin.de. Vgl. auch Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 112; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 97. 5 So BaFin, Merkblatt Anlageberatung, S. 2 unter 2, www.bafin.de. 6 Weiter dagegen Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 123d.
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4. Wertpapierdienstleistungen gleichgestellte Tätigkeit: Eigengeschäft (§ 2 Abs. 3 Satz 2 WpHG) 120 Nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Anhang I Abschnitt A Nr. 3 der Finanzmarktrichtlinie stellt der „Handel für eigene Rechnung“ eine Wertpapierdienstleistung dar. Die Richtlinie differenziert mithin nicht danach, ob der Handel für eigene Rechnung als Dienstleistung für andere i.S. der Regelung des Eigenhandels in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG erfolgt oder ob ihm in seiner Gestalt bloßer, von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG nicht erfasster (s. oben Rz. 74) Eigengeschäfte jeglicher Kundenbezug fehlt. Im Hinblick auf die Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie wird dem dadurch Rechnung getragen, dass die keinerlei Dienstleistungsmerkmale aufweisende Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten für eigene Rechnung – das Eigengeschäft – in dem aufgrund von Art. 1 Nr. 2 lit. f des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Einl. Rz. 36) neu in das Gesetz gelangten § 2 Abs. 3 Satz 2 WpHG einer Wertpapierdienstleistung gleichgestellt wird; in der Sprache des Gesetzes „gilt“ der Eigenhandel als Wertpapierdienstleistung. Der Vorschrift entsprach bis zu den Änderungen des KWG durch das Gesetz zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie vom 19.11.2010 (s. Einl. Rz. 50) § 1 Abs. 1a Satz 3 KWG im Hinblick auf Finanzdienstleistungen, doch wurde die in dieser Bestimmung formulierte, § 2 Abs. 3 Satz 2 WpHG gleichlautende Fiktion durch die Schaffung eines besonderen Erlaubnisvorbehalts für das Eigengeschäft in Finanzinstrumenten ohne Dienstleistungskomponente in § 32 Abs. 1a KWG ersetzt1. 121 Da die Finanzmarktrichtlinie und in der Folge auch das WpHG mehrere Ausnahmetatbestände kennen, die – wie in § 2a Abs. 1 Nrn. 8–10 und 12 – auch bestimmte Formen der Eigengeschäfte erfassen, wird im RegE FRUG2 die Vermutung geäußert, es werde nur wenige Unternehmen geben, die allein aufgrund der Einbeziehung des Eigengeschäfts in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, dass § 2 Abs. 3 Satz 2 WpHG zwar der ordnungsgemäßen Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie dienlich, im Übrigen aber nur von geringer Bedeutung ist. 5. Begrenzte Gleichstellung von Finanzportfolioverwaltung und Anlageverwaltung (§ 2 Abs. 3 Satz 3 WpHG) 121a
Wie bereits an früherer Stelle (Rz. 68 f.) zum Hintergrund der Vorschrift dargelegt, ist das BVerwG3 dem Versuch der BaFin, den Tatbestand des Finanzkommissionsgeschäfts i.S. von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG und § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WpHG durch eine wirtschaftliche Betrachtungsweise bei der Auslegung des Merkmals „für fremde Rechnung“ dergestalt auszuweiten, dass sie auch die kollektiven Anlagemodelle erfasst, bei denen im Drittinteresse mit Finanzinstrumenten gehandelt wird, mit dem Hinweis entgegengetreten, Finanzkommissionsgeschäfte seien nur solche Rechtsgeschäfte, die eine hinreichende Ähnlichkeit mit dem in §§ 383 ff. HGB geregelten und durch das Handeln für fremde Rechnung gekennzeichneten Typus des Kommissionsgeschäfts aufwiesen (s. oben Rz. 68)4. Nach verschiedenen Anläufen, das auch vom BVerwG nicht geleugnete Bedürfnis zum Schutz der Anleger5 bei kollektiven Anlagemodellen zu verwirklichen, hat der Gesetzgeber durch die Schaffung 1 2 3 4
Vgl. RegE BT-Drucks. 17/1720, S. 31. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 56. S. die Nachweise oben Rz. 69. Zur Entscheidung des BVerwG als Hintergrund der Gesetzesänderungen s. RegE PfandBFEG, BT-Drucks. 16/11130, S. 1, 43. 5 BVerwG v. 27.2.2008 – 6 C 12/07, ZIP 2008, 911 (913) Rz. 26, (916) Rz. 47.
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eines neuen Tatbestands einer Finanzdienstleistung in § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 11 KWG reagiert: den Tatbestand der Anlageverwaltung, durch den u.a. auch eine solche kollektive Kapitalanlageform erfasst und einer Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG unterworfen werden soll, wie sie der Entscheidung des BVerwG vom 27.2.2008 zugrunde lag1. Komplementär hierzu wurde § 2 Abs. 3 WpHG um einen Satz 3 erweitert, der Finanzdienstleistungsinstitute mit der Erlaubnis zur Anlageverwaltung bei der Ausübung dieser Tätigkeit den Verhaltens- und Organisationspflichten nach Abschnitt 6 des WpHG, den Meldepflichten des § 9 WpHG und Art. 7 und 8 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 unterwirft2. Die Übertragung der für alle Wertpapierdienstleistungen gleichermaßen geltenden 121b Verhaltens- und Organisationspflichten des WpHG sowie der speziell für die Finanzportfolioverwaltung einschlägigen Bestimmungen dieses Gesetzes auf Finanzdienstleistungsinstitute mit der Erlaubnis zur Anlageverwaltung erfolgt rechtstechnisch dergestalt, dass § 2 Abs. 3 Satz 3 WpHG die erlaubnispflichtige Anlageverwaltung nach § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 11 KWG der Finanzportfolioverwaltung hinsichtlich der §§ 9, 31 bis 34 und 34b bis 36b WpHG sowie der Art. 7 und 8 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 (s. oben Rz. 8) gleichstellt. Dass die Anlageverwaltung nicht in den Katalog der Wertpapierdienstleistungen aufgenommen wird, beruht auf „systematischen“ Erwägungen: Der Begriff der Anlageverwaltung soll weiterhin nur die durch das Europäische Gemeinschaftsrecht harmonisierten Tätigkeiten, wie sie in Anhang I Abschnitt A der Finanzmarktrichtlinie (s. oben Rz. 3 und Einl. Rz. 36) aufgeführt sind, umfassen3. Das Vorgehen des Gesetzgebers hat die weitere Konsequenz, dass Finanzdienstleistungsinstitute mit der Erlaubnis zur Anlageverwaltung nach § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 11 KWG damit nicht zugleich zu Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach § 2 Abs. 4 WpHG werden, sondern als Finanzdienstleistungsinstitute nur die in § 2 Abs. 3 Satz 3 WpHG genannten Bestimmungen des WpHG zu beachten haben und auch nur insoweit der Beaufsichtigung nach Maßgabe der Vorschriften des WpHG unterliegen. Die entsprechende Anwendung dieser Bestimmungen des WpHG auf die die Anlageverwaltung betreibenden Finanzdienstleistungsunternehmen setzt voraus, dass die jeweilige Vorschrift auf die Tätigkeit des Dienstleisters übertragbar ist und von diesem auch tatsächlich erfüllt werden kann4. Da die Anlageverwaltung i.S. von § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 11 KWG keine von der europäischen Finanzmarktrichtlinie erfasste Tätigkeit ist, es sich bei Anlageverwaltern vielmehr um „Organismen für gemeinsame Anlagen“ nach Art. 2 Abs. 1 lit. h der Finanzmarktrichtlinie handelt, die von den europäisch harmonisierten Wertpapierdienstleistungen ausgenommen sind, hat dies allerdings auch zur Folge, dass eine grenzüberschreitende Anlageverwaltung auf der Grundlage eines europäischen Passes nicht möglich ist5. Vor allem im Hinblick darauf, dass auf die Anlageverwaltung nur die in § 2 Abs. 3 Satz 3 WpHG angeführten Bestimmungen des WpHG anzuwenden 1 Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Pfandbriefrechts (PfandBFEG) vom 20.3.2009, BGBl. I 2009, 607. 2 Art. 3 Nr. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Pfandbriefrechts (PfandBFEG) vom 20.3.2009, BGBl. I 2009, 607. 3 RegE PfandBFEG, BT-Drucks. 16/11130, S. 1, 47. Ebd. S. 43 wird allerdings zu Recht darauf hingewiesen, dass dies dem nationalen Gesetzgeber nicht verbietet, „für diesen Bereich einen rechtlichen Rahmen zu bestimmen und über die Festlegungen der Richtlinie hinauszugehen“. 4 RegE PfandBFEG, BT-Drucks. 16/11130, S. 1, 47. So sollen etwa kundenbezogene Informationspflichten des sechsten Abschnitts nur dann anwendbar sein, wenn der Anleger das Produkt direkt vom Anlageverwalter oder einem diesem zurechenbaren Dritten erwirbt. 5 RegE PfandBFEG, BT-Drucks. 16/11130, S. 1, 43.
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sind, kommt dem Umstand besondere Bedeutung zu, dass der Tatbestand der Anlageverwaltung als subsidiär zu den Wertpapierdienstleistungstatbeständen des § 2 Abs. 3 Satz 1 WpHG anzusehen ist und dementsprechend nur Dienste erfasst, die nicht bereits unter einen anderen Tatbestand des § 1 Abs. 1 und Abs. 1a KWG fallen oder durch das Investmentgesetz geregelt sind1. 121c
Voraussetzung der begrenzten Gleichstellung von Finanzportfolioverwaltung und Anlageverwaltung nach § 2 Abs. 3 Satz 3 WpHG und der Anwendbarkeit der §§ 9, 31 bis 34 und 34b bis 36b WpHG sowie der Art. 7 und 8 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 ist die Anlageverwaltung nach § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 11 KWG, d.h. „die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten für eine Gemeinschaft von Anlegern, die natürliche Personen sind, mit Entscheidungsspielraum bei der Auswahl der Finanzinstrumente, sofern dies ein Schwerpunkt des angebotenen Produktes ist und zu dem Zweck erfolgt, dass diese Anleger an der Wertentwicklung der erworbenen Finanzinstrumente teilnehmen“. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist zu prüfen, ob eine der Ausnahmen des § 2 Abs. 6 KWG eingreift. Ist dies der Fall, liegt auch keine Anlageverwaltung nach § 2 Abs. 3 Satz 3 WpHG vor. Darüber hinaus kann eine Freistellung nach § 2 Abs. 4 KWG gegeben sein; in diesem Falle ist § 2 Abs. 3 Satz 3 WpHG nicht anwendbar. Weiter zu beachten ist die sich auch auf die Anwendung des § 2 Abs. 3 Satz 3 WpHG auswirkende Übergangsvorschrift des § 64l KWG.
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§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 11 KWG verlangt zunächst ein Handeln in Gestalt der Anschaffung und der Veräußerung von Finanzinstrumenten für eine Gemeinschaft von Anlegern, die natürliche Personen sind. Ganz im Sinne der vom BVerwG im Hinblick auf die Beurteilung bestimmter Dienstleistungen als Finanzkommissionsgeschäft abgelehnten wirtschaftlichen Betrachtungsweise der BaFin soll ein solches Handeln immer dann vorliegen, „wenn die materiellen Vor- und Nachteile der Geschäfte über die Anschaffung oder die Veräußerung von Finanzinstrumenten nicht dem Abschließenden, sondern den Anlegern zugute kommen oder zur Last fallen sollen, die Anleger also das Risiko der Geschäfte tragen und sich die Tätigkeit als Dienstleistung für die Anleger darstellt, denen die Teilhabe am Ergebnis versprochen wird“2. Dementsprechend setzt der Begriff der Gemeinschaft auch nicht mehr voraus als eine Mehrheit von natürlichen Personen, d.h. mindestens zwei Anleger3, deren Vermögen gebündelt ist und damit ein der Anlage zuzuführendes Portfolio darstellt. Richten sich die Dienste an institutionelle Investoren oder ist unter den Anlegern eine juristische Person oder eine rechtsfähige Gesamthandsgemeinschaft beteiligt, so fehlt es dem insoweit klaren Wortlaut der Vorschrift nach an der Voraussetzung einer Gemeinschaft an natürlichen Personen, auch wenn die fraglichen Organismen als Anleger beteiligt sind4. Der Wortlaut erlaubt es auch nicht, Gesellschaften, an denen nur natürliche Personen beteiligt sind als hinreichende „mittelbare“ Beteiligung von natürlichen Personen zu erfassen5. Ebenso wenig mit dem Wortlaut der Vorschrift zu 1 BaFin, Merkblatt Anlageverwaltung, unter 3, www.bafin.de. 2 RegE PfandBFEG, BT-Drucks. 16/11130, S. 1, 43. 3 RegE PfandBFEG, BT-Drucks. 16/11130, S. 1, 43; BaFin, Merkblatt Anlageverwaltung, unter 2b, www.bafin.de; Brogl, in: Reischauer/Kleinhans, § 1 KWG Rz. 211t; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 102; von Livonius/Bernau, WM 2009, 1216 (1219). 4 So auch deutlich RegE PfandBFEG, BT-Drucks. 16/11130, S. 1, 43: Damit solle „klargestellt werden, dass die Herstellung eines adäquaten Regulierungsrahmens zum Schutz von privaten Anlegern das alleinige Ziel dieser Regelung“ sei. 5 Das legt allerdings die Begründung des RegE PfandBFEG, BT-Drucks. 16/11130, S. 1, 43, nahe, der zufolge der Begriff der Anleger alle natürlichen Personen umfasst, „die unmittelbar
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vereinbaren ist die Annahme, wenn einmal eine Gemeinschaft von Anlegern, die natürliche Personen sind, begründet sei, schade es nicht, wenn juristische Personen oder Gesellschaften zur Gemeinschaft hinzukämen1. Diese Auslegung der Bestimmung beruht auf der durchaus einleuchtenden Überlegung, es reiche aus, wenn natürliche Personen die originäre Zielgruppe des angebotenen Produktes seien, doch fehlt es auch hierfür an einem Anhaltspunkt im Wortlaut. Dabei leuchtet die Regelung, wie sie sich bei der gebotenen Wortlautbindung ergibt, in der Sache keineswegs ein: Ist nur eine Person beteiligt, die nicht natürliche Person ist, entfällt auch zulasten der übrigen natürlichen und schutzbedürftigen Personen der angestrebte Anlegerschutz. Darüber hinaus ist die Versagung des mit der Unterwerfung der Anlageverwaltung unter die Erlaubnispflicht und Beaufsichtigung nach dem KWG und bestimmten Vorschriften des WpHG angestrebten Anlegerschutzes gegenüber Gesellschaften eher einem verfehlten Verständnis von Anlegerschutz als Verbraucherschutz geschuldet. Dessen ungeachtet ist der „autonom“, d.h. allein auf den Sinn und Zweck dieser Bestimmung hin auszulegende Begriff der Gemeinschaft weder mit dem identisch, welcher den §§ 741 ff. BGB zugrunde liegt, noch verlangt er eine gesellschaftsrechtliche Verbundenheit zwischen den Anlegern2. Andererseits schließt er eine Gemeinschaft im Sinne vorstehender Bestimmungen oder eine gesellschaftsrechtliche Verbindung zwischen den natürlichen Personen nicht aus und soll dementsprechend insbesondere auch die Angebote umfassen, „die sich an das breite Publikum richten und bei denen Anleger über ihre Einbindung in gesellschaftsrechtliche Modelle, z.B. Treuhandkommanditmodelle, oder die Ausgabe von Genussrechten oder Schuldverschreibungen zusammengefasst werden, um deren gepoolte Gelder in Finanzinstrumente anzulegen“3. Dem Zweck des Anlegerschutzes entsprechend impliziert der Begriff des Anlegers, dass er der Gemeinschaft durch das öffentliche marktbezogene Anbieten der Leistung des Anlageverwalters beigetreten ist. Auf gesetzliche Weise oder ohne solche Ansprache gebildete Gemeinschaften sind deshalb nicht als Gemeinschaft von Anlegern i.S. von § 3 Abs. 3 Satz 3 WpHG zu betrachten. Welches rechtliche Verhältnis zwischen Gemeinschaft und Anlageverwalter besteht, ist für die Qualifikation eines Dienstes als Anlagevermittlung unerheblich4. Gegenstand des Handels muss die Anschaffung und die Veräußerung von Finanz- 121e instrumenten sein. Es besteht Einigkeit, dass der Wortlaut des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 11 KWG sich nicht nur auf solche Produkte bezieht, die – kumulativ – sowohl die Anschaffung als auch die Veräußerung von Finanzinstrumenten vorsehen, es vielmehr ausreicht, wenn „die Finanzinstrumente entweder angeschafft oder veräußert werden“5. Desgleichen ist es nicht erforderlich, dass ausschließlich Finanzinstrumente angeschafft und veräußert werden sollen, weshalb es genügt, wenn sich die Anschaffung und Veräußerung auch auf Finanzinstrumente erstreckt6. Erfasst
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oder mittelbar … an der Wertentwicklung der Finanzinstrumente partizipieren“. Sollten damit wirklich mittelbare Beteiligungen natürlicher Personen über nicht-natürliche Personen gemeint sein, hätte dies im Gesetzeswortlaut seinen Niederschlag finden müssen. BaFin, Merkblatt Anlageverwaltung, unter 2b, www.bafin.de; folgend Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 102. RegE PfandBFEG, BT-Drucks. 16/11130, S. 1, 43; BaFin, Merkblatt Anlageverwaltung, unter 2b, www.bafin.de. RegE PfandBFEG, BT-Drucks. 16/11130, S. 1, 43. Ebenso Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 102. BaFin, Merkblatt Anlageverwaltung, unter 2a, www.bafin.de, vor dem Hintergrund einer entsprechenden Klarstellung von Schäfer, in: Boos/Schulte/Mattler, § 1 KWG Rz. 61, zum gleich formulierten Tatbestand des Finanzkommissionsgeschäfts nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG. BaFin, Merkblatt Anlageverwaltung, unter 2a, www.bafin.de.
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wird des Weiteren jedes auf einen abgeleiteten Erwerb zu Eigentum bzw. bei Rechten zur Inhaberschaft gerichtetes Rechtsgeschäft unter Lebenden in Bezug auf Finanzinstrumente i.S. von § 1 Abs. 11 KWG, worunter auch Tauschgeschäfte oder der Bezug von Wertpapieren aus einer Emission zu verstehen ist1. Unter das Merkmal der Anschaffung und Veräußerung fallen sowohl Verpflichtungs- als auch Verfügungsgeschäfte in Bezug auf die Finanzinstrumente2. Um eine Anschaffung von Finanzinstrumenten handelt es sich auch dann, wenn der Dienstleister bereits in seinem Eigentum stehende Finanzinstrumente dem „Produkt“ i.S. des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 11 KWG zuordnet3. Gleiches gilt, falls es nach dem den Anlegern bekannt gemachten Vorhaben nur über Instrumente, die selbst keine Finanzinstrumente darstellen, in Finanzinstrumente investiert werden soll4. Zwar legt der Begriff der Anlageverwaltung aufgrund seines Wortbestandteils „Verwaltung“ (nicht anders als bei der Finanzportfolioverwaltung, s. oben Rz. 102 und 104) eine gewisse Dauer der Tätigkeit der Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten nahe5, doch muss es schon im Interesse des angestrebten Anlegerschutzes genügen, dass die Dienstleistung auf die fortlaufende Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten und nicht die bloß einmalige Geldanlage gerichtet ist, weshalb es auf die spätere tatsächliche Häufigkeit des Handels oder gar die Umschlagshäufigkeit des Portfolios nicht ankommt6. Fehlt es an einem laufenden aktiven Handel, so mag dies eine Vertragsverletzung darstellen, rechtfertigt es aber nicht, den Anlegern den mit dem Angebot der Wahrnehmung einer Anlageverwaltung gebotenen Anlegerschutz nach Maßgabe der nach § 2 Abs. 3 Satz 3 WpHG anwendbaren Bestimmungen zu versagen. Ergänzend verlangt § 2 Abs. 3 Satz 3 WpHG, dass die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten einen Schwerpunkt der angebotenen Dienstleistung oder des angebotenen Produkts darstellt. Daran fehlt es, wenn die Anschaffung oder die Veräußerung von Finanzinstrumenten lediglich eine Nebentätigkeit im Zusammenhang mit anderen (Finanz- oder Wertpapier-)Dienstleistungen darstellt und auch nicht im Mittelpunkt der Werbung für das Angebot steht7. Des Weiteren ist dies nicht der Fall, wenn Gelder einer Gemeinschaft natürlicher Personen angelegt werden, die Liquiditätsreserven darstellen, in bestimmten Projektphasen noch nicht bestimmungsgemäß verwandt werden können oder Absicherungszwecken dienen8. 121f
Eine weitere Eingrenzung ergibt sich daraus, dass die Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten darüber hinaus noch zu dem Zweck erfolgen muss, die Anleger durch An- und Verkauf an der Wertentwicklung der Finanzinstrumente teilneh1 2 3 4 5 6
S. auch oben Rz. 67. BaFin, Merkblatt Anlageverwaltung, unter 2a, www.bafin.de. BaFin, Merkblatt Anlageverwaltung, unter 2a, www.bafin.de. BaFin, Merkblatt Anlageverwaltung, unter 2a, www.bafin.de. BaFin, Merkblatt Anlageverwaltung, unter 2a, www.bafin.de. So auch von Livonius/Bernau, WM 2009, 1216 (1218). I.E. ebenso Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 103. Wenn von Livonius/Bernau, WM 2009, 1216 (1218), zu bedenken geben, im RegE PfandBFEG, BT-Drucks. 16/11130, S. 1, 43, sei von einem „laufend aktiv[en]“ Handel mit Finanzinstrumenten die Rede, so ist diese Äußerung im Zusammenhang mit dem Fall zu sehen, dass nach „den Verkaufsunterlagen nur im Einzelnen konkret festgelegte Finanzinstrumente angeschafft und veräußert werden dürfen, ohne laufend aktiv mit den Finanzinstrumenten zu handeln“ (Hervorhebung hinzugefügt). Bei dieser Formulierung geht es ersichtlich nur darum, ein Beispiel für den Ausschluss eines Entscheidungsspielraums anzuführen, nicht aber darum, den laufenden aktiven Handel zu einem Tatbestandsmerkmal zu erheben. 7 RegE PfandBFEG, BT-Drucks. 16/11130, S. 1, 43; BaFin, Merkblatt Anlageverwaltung, unter 2c, www.bafin.de. 8 RegE PfandBFEG, BT-Drucks. 16/11130, S. 1, 43; BaFin, Merkblatt Anlageverwaltung, unter 2c, www.bafin.de.
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men zu lassen. Das soll nach der „vom Gesetzgeber zugrunde gelegten wirtschaftlichen Betrachtungsweise“ dann der Fall sein, wenn die materiellen Vor- und Nachteile der Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten den Anlegern (zumindest auch) zugute kommen oder ihnen zur Last fallen sollen“1. Zusammen mit dem Schwerpunkt-Erfordernis bedeutet dies, dass nur solche Tätigkeiten unter die Anlageverwaltung fallen, die sich unternehmerischer Beteiligungen enthalten und allein durch die Bildung und Umschichtung eines Portfolios einen Wertzuwachs zu erreichen suchen. Schon deshalb betreiben Unternehmen, die sich mit nicht börsengehandelten Einlagen an anderen Unternehmen beteiligen (auch: „Private Equity Funds“, „Venture-Capital“-Gesellschaften, Kapitalbeteiligungsunternehmen, Wagnisbeteiligungsgesellschaften) und dabei auch unternehmerischen Einfluss auf die Zielgesellschaft nehmen, keine Anlagenverwaltung2. Ihnen geht es vielmehr um Wertsteigerung der Anlage durch unternehmerisches Investment und nicht um die Partizipation an der Wertsteigerung eines durch Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten gebildeten Portfolios. Ob die Wertentwicklung auf einem nach dem Grundsatz der Risikomischung zusammengestellten Portfolio erfolgt oder nicht, ist unerheblich3. Schließlich muss bei der Auswahl der anzuschaffenden und zu veräußernden Finanzinstrumente ein Entscheidungsspielraum bestehen. Das Merkmal entspricht demjenigen zur Kennzeichnung der Finanzportfolioverwaltung in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 WpHG und ist wie dieses auszulegen (s. dazu oben Rz. 102b). An einem Entscheidungsspielraum fehlt es insbesondere, wenn der Verwalter die Anlagegelder in vorweg bestimmte Finanzinstrumente zu investieren hat4. Die Tätigkeit von Kapitalanlagegesellschaften und Investmentaktiengesellschaften 121g ist vom Investmentgesetz als dem spezielleren Gesetz geregelt und damit von § 2 Abs. 3 Satz 3 WpHG nicht erfasst5. Soweit die Vermögensverwaltung naher Angehöriger und so genannter Family Offices (s. Rz. 106a) nicht bereits unter die Anlageberatung oder Finanzportfolioverwaltung fällt, werden sie mangels marktbezogener Ansprache von Anlegern für die Anlageverwaltung und der Bildung einer Gemeinschaft von Anlegern (s. oben Rz. 121d a.E.) auch nicht die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 Satz 3 WpHG erfüllen. Umgekehrt stellt die erlaubnisfreie Tätigkeit solcher Dienste auch keine Anlageverwaltung dar6. § 2 Abs. 3 Satz 3 WpHG stellt die Anlageverwaltung hinsichtlich der Anwendung der 121h in der Bestimmung angeführten Vorschriften des WpHG gleich. Solchermaßen auf die Anlageverwaltung anwendbare Vorschriften sind §§ 9, 31 bis 34 und 34b bis 36b WpHG sowie Art. 7 und 8 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 Anwendung. Art. 7 und Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 lauten: Artikel 7 – Aufzeichnung von Kundenaufträgen und Handelsentscheidungen Eine Wertpapierfirma hat zu jedem von einem Kunden eingegangenen Auftrag und für jede Handelsentscheidung betreffend die Erbringung einer PortfolioverwaltungsDienstleistung unverzüglich eine Aufzeichnung der folgenden Angaben zu erstellen, 1 BaFin, Merkblatt Anlageverwaltung, unter 2e, www.bafin.de. 2 So auch RegE PfandBFEG, BT-Drucks. 16/11130, S. 1, 43/44; BaFin, Merkblatt Anlageverwaltung, unter 2c. 3 BaFin, Merkblatt Anlageverwaltung, unter 2e, www.bafin.de. 4 So auch RegE PfandBFEG, BT-Drucks. 16/11130, S. 1, 43/44; BaFin, Merkblatt Anlageverwaltung, unter 2c, www.bafin.de. 5 Vgl. RegE PfandBFEG, BT-Drucks. 16/11130, S. 1, 43. 6 BaFin, Merkblatt Anlageverwaltung, unter 2e, www.bafin.de.
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sofern sie sich auf den besagten Auftrag bzw. auf die besagte Handelsentscheidung beziehen: a) Name oder sonstige Bezeichnung des Kunden; b) Name oder sonstige Bezeichnung jeder relevanten Person, die im Auftrag des Kunden handelt; c) die Angaben, die unter den Ziffern 4 und 6 sowie unter 16 bis 19 der Tabelle 1 in Anhang I genannt sind; d) Art des Auftrags, falls es sich nicht um einen Kauf-/Verkaufsauftrag handelt; e) Auftragstyp; f) sonstige Details, Bedingungen oder spezifische Anweisungen des Kunden betreffend die Art und Weise der Ausführung des Kundenauftrags; g) Datum sowie genauer Zeitpunkt des Eingangs des Kundenauftrags bei der Wertpapierfirma bzw. der Entscheidung über den Handel mit diesem Kundenauftrag. Artikel 8 – Aufzeichnung von Geschäften (1) Unverzüglich nach der Ausführung eines Kundenauftrags oder im Falle von Wertpapierfirmen, die Aufträge an eine andere Person zwecks Ausführung weiterleiten, unverzüglich nach Erhalt der Bestätigung des ausgeführten Auftrags müssen die Wertpapierfirmen die Aufzeichnung der folgenden Angaben zu dem betreffenden Geschäft vornehmen: a) Name oder sonstige Bezeichnung des Kunden; b) die Angaben, die unter den Ziffern 2, 3, 4, 6 und unter den Ziffern 16 bis 21 der Tabelle 1 in Anhang I genannt sind; c) das Gesamtentgelt, das das Produkt aus Stückpreis und Quantität ist; d) Art des Geschäfts, falls es sich nicht um einen Kauf-/Verkaufsauftrag handelt; e) die natürliche Person, die das Geschäft ausgeführt hat bzw. für die Ausführung zuständig ist. (2) Übermittelt eine Wertpapierfirma einer anderen Person einen Auftrag zur Ausführung, so zeichnet die Wertpapierfirma unverzüglich nach der Übermittlung die folgenden Angaben auf: a) Name oder sonstige Bezeichnung des Kunden, dessen Auftrag übermittelt wurde; b) Name oder sonstige Bezeichnung der Person, an die der Auftrag übermittelt wurde; c) die Bedingungen des übermittelten Auftrags; d) das Datum und den genauen Zeitpunkt der Übermittlung.
IX. Wertpapiernebendienstleistungen (§ 2 Abs. 3a WpHG) 1. Systematische Stellung der Vorschrift 122 Der Ausgangsfassung des Gesetzes war der Begriff der Wertpapiernebendienstleistungen unbekannt. Mit dem Umsetzungsgesetz 1997 (Einl. Rz. 19) wurden die Verhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungsunternehmen in Abschnitt 6 (§§ 31 ff.) des WpHG auch auf die Erbringung solcher Dienstleistungen ausgerichtet, die typischer-
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weise im Zusammenhang mit einer Wertpapierdienstleistung stehen. Das Gesetz bezeichnete diese Dienstleistungen als Wertpapiernebendienstleistungen und definierte sie in § 2 Abs. 3a Nrn. 1–4 WpHG a.F. Mit der Erweiterung des Anwendungsbereichs der §§ 31 ff. WpHG sowie der Umschreibung der Wertpapiernebendienstleistungen in § 2 Abs. 3a WpHG machte der Gesetzgeber von der in Art. 11 Abs. 1 Satz 3 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Einl. Rz. 13) eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, den Anwendungsbereich der nach Art. 11 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie zu erlassenden und im Abschnitt 6 des WpHG niedergelegten Wohlverhaltensregeln auf Wertpapiernebendienstleistungen i.S. von Abschnitt C des Anhangs der Richtlinie zu erstrecken. Mit Art. 1 Nr. 2 lit. g des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Einl. Rz. 36) wurde der Kreis der Nebendienstleistungen erweitert und modifiziert. Die Streichung der in § 2 Abs. 3a Nr. 3 WpHG a.F. als Wertpapiernebendienstleistung behandelten Anlageberatung ist eine Folgeänderung der Klassifizierung der Anlageberatung als Wertpapierdienstleistung (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 WpHG; s. oben Rz. 111). Die Änderungen von § 2 Abs. 3a WpHG dienen der Umsetzung von Anhang I Abschnitt B der Finanzmarktrichtlinie. Wenngleich es sich bei den Wertpapiernebendienstleistungen nach § 2 Abs. 3a WpHG 123 um Dienstleistungen handelt, die typischerweise zusammen mit Wertpapierdienstleistungen (§ 2 Abs. 3 WpHG) erbracht werden, stellt es doch kein begrifflich-tatbestandliches Merkmal von Wertpapiernebendienstleistungen dar, dass diese in einem einzelgeschäftsbezogenen inneren Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungen stehen1. Ein solcher Zusammenhang ist nur erforderlich, soweit das Gesetz ihn im Hinblick auf einzelne Wertpapiernebendienstleistung – wie in § 2 Abs. 3a Nrn. 4, 6 und 7 WpHG – ausdrücklich verlangt oder – wie in § 2 Abs. 3a Nr. 2 WpHG – voraussetzt2. Unternehmen, die ausschließlich Wertpapiernebendienstleistungen erbringen, sind nach der Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 4 WpHG keine Wertpapierdienstleistungsunternehmen, so dass die für Wertpapierdienstleistungsunternehmen geltenden Vorschriften, namentlich diejenigen in §§ 31 ff. WpHG, auf die Dienstleistungen dieser Unternehmen keine Anwendung finden. Ist ein Unternehmen dagegen ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen i.S. von § 2 Abs. 4 WpHG, so finden die für diese maßgeblichen Vorschriften auch dann Anwendung, wenn das Unternehmen gegenüber einem Kunden allein Wertpapiernebendienstleistungen erbringt (näher Rz. 146). 2. Die einzelnen Wertpapiernebendienstleistungen (§ 2 Abs. 3a Nrn. 1–7 WpHG) a) Depotgeschäft (§ 2 Abs. 3a Nr. 1 WpHG) Nach § 2 Abs. 3a Nr. 1 WpHG stellen die mit der Kurzbezeichnung Depotgeschäft 124 versehene Verwahrung und Verwaltung von Finanzinstrumenten für andere und damit verbundene Dienstleistungen eine Wertpapiernebendienstleistung dar. Die Vorschrift geht auf das Umsetzungsgesetz 1997 (Einl. Rz. 19) zurück (ausführlich 4. Aufl. des Kommentars § 2 Rz. 71) und ist durch Art. 1 Nr. 2 lit. g des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Einl. Rz. 36) dahingehend geändert worden. Abgesehen
1 Begr. RegE Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 963/66 (= BR-Drucks. 13/7142), S. 102; Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 117; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 105; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 88. 2 Begr. RegE Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 963/66 (= BR-Drucks. 13/7142), S. 102; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 105; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 88. Anders, unter Verkennung von Regel und Ausnahme, Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 160.
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von der Ersetzung des Begriffs der Wertpapiere durch denjenigen der Finanzinstrumente bestand die Änderung im Wegfall der bisherigen Einschränkung der Vorschrift auf die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren für andere, „sofern nicht das DepotG anzuwenden ist“. Der Sinn dieser Einschränkung bestand darin, dass die dem DepotG unterliegende Geschäftstätigkeit der Beaufsichtigung durch das ehemalige BAKred unterfiel (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG a.F.) und so eine Doppelaufsicht von BAKred (nach den Bestimmungen des KWG) und seinerzeitigem BAWe (im Hinblick auf die Einhaltung der Verhaltensregeln aus §§ 31 ff., 35 WpHG a.F.) vermieden werden sollte. Der Beaufsichtigung durch das BAWe unterlagen damit praktisch nur diejenigen Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die Depotgeschäfte als Wertpapiernebendienstleistungen betrieben, ohne Kreditinstitute zu sein (§ 1 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 5 KWG a.F.). Mit der Zusammenlegung des BAKred, des BAWe und des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen zu einer Aufsichtsbehörde (s. Einl. Rz. 25) hat die Einschränkung ihre Bedeutung verloren und ist nunmehr korrigiert worden. Mit § 2 Abs. 3a Nr. 1 WpHG wird Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Anhang I Abschnitt B Nr. 1 der Finanzmarktrichtlinie umgesetzt. Eine § 2 Abs. 3a Nr. 1 WpHG entsprechende Bestimmung findet sich in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 KWG. 125 Eine Wertpapiernebendienstleistung i.S. des § 2 Abs. 3a Nr. 1 WpHG liegt vor, wenn das Unternehmen entweder die Verwahrung oder die Verwaltung von Finanzinstrumenten für andere erbringt, d.h. zumindest eine dieser Dienstleistungen1. Die Vorschrift fügt den Merkmalen „Verwahrung und Verwaltung von Finanzinstrumenten für andere“ den Zusatz „und damit verbundene Dienstleistungen“ hinzu, doch kommt diesem keine einschränkende oder erweiternde Funktion zu; der Zusatz bewirkt, dass verbundene Dienstleistungen Teil der in § 2 Abs. 3a Nr. 1 WpHG erfassten Wertpapiernebendienstleistung sind und ihre Erbringung den gleichen Vorschriften unterliegt wie die Verwahrung oder Verwaltung der Finanzinstrumente als solche. Verwahrung i.S. der Bestimmung ist die Gewährung von Raum und Übernahme der Obhut, wobei bei bloßer Raumgewährung ohne Obhut lediglich die Raummiete (etwa ein so genannter Savevertrag) oder die Raumleihe in Betracht kommt2. Im Hinblick auf die Verwahrung kommen sämtliche Formen der Verwahrung von Finanzinstrumenten in Betracht, namentlich die vom Depotgesetz für die Verwahrung von Wertpapieren vorgesehenen Verwahrarten in Gestalt der Sonderverwahrung (§ 2 DepotG) einschließlich der Drittverwahrung (§ 3 DepotG) sowie der Sammelverwahrung i.S. von §§ 5 ff. DepotG (Girosammelverwahrung und Haussammelverwahrung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 DepotG und Drittverwahrung i.S. von § 5 Abs. 1 Satz 2 i.V m. § 3 Abs. 1 Satz 1 DepotG)3. An der Verwahrung von Finanzinstrumenten fehlt es, wenn dem Unternehmen die Finanzinstrumente in einem verschlossenen Behältnis übergeben werden und es keine Kenntnis von den Finanzinstrumenten hat. In diesem Fall liegt keine Wertpapiernebendienstleistung, sondern ein auf das Behältnis als bewegliche Sache bezogenes, rein bürgerlichrechtliches Verwahrgeschäft i.S. von §§ 688 ff. BGB vor. Für die Verwahrung von Wertpapieren nach dem Depotgesetz folgt dies schon aus § 1 Abs. 2 DepotG. Die Verwaltung von Finanzinstrumenten liegt vor, wenn sich das Unternehmen aufgrund vertraglicher Vereinbarungen neben oder zu der Verwahrung von Finanzinstrumenten verpflichtet hat, die Rechte aus (i.d.R. verwahrten) Finanzinstrumenten wahrzunehmen und alle im Übrigen damit 1 BaFin, Merkblatt Depotgeschäft, unter 1b, www.bafin.de: „Die beiden Tatbestandsmerkmale „Verwahrung“ und „Verwaltung“ stehen alternativ zueinander; jede Variante begründet für sich allein das Depotgeschäft“. 2 BaFin, Merkblatt Depotgeschäft, unter 1b aa, www.bafin.de. 3 BaFin, Merkblatt Depotgeschäft, unter 1b aa mit Einzelheiten zu den Verwahrarten, www.bafin.de.
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zusammenhängenden Handlungen – etwa Überwachungsaufgaben – vorzunehmen. Im Einzelnen gehören dazu vor allem die Inkassotätigkeit, Benachrichtigungs- und Prüfungspflichten und gebenenfalls auch die Ausübung des Auftragsstimmrechts sowie die Einziehung des Gegenwerts bei Fälligkeit, wobei auch Ausübung nur einzelner dieser Verwaltungstätigkeiten den Tatbestand der Verwaltung erfüllt1. Mit dem Merkmal „für andere“ bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass es sich hierbei um eine Dienstleistung für einen Kunden handeln muss, die Verwahrung und Verwaltung eigener Finanzinstrumente dagegen keine Wertpapiernebendienstleistung zu begründen vermag2. Anderer und Kunde können auch der Emittent der Finanzinstrumente3 oder die Mitglieder des engsten Familienverbundes sein. Im letzten Falle sieht die BaFin allerdings „grundsätzlich“ keine Verwaltung für andere, sofern die Verwaltung unentgeltlich erfolgt4. Darüber hinaus schließt die BaFin auch Wertpapierdarlehen und Wertpapierpensionsgeschäfte (Wertpapiere, die in Pension genommen werden, sog. Repurchase Agreements), aus dem Anwendungsbereich des Depotgeschäfts aus5: Zum einen betrieben die Wertpapierdarlehensnehmer oder -pensionsnehmer nicht das Depotgeschäft, auch wenn § 15 Abs. 3 DepotG die Formvorschrift des § 15 Abs. 2 DepotG sinngemäß gelten lasse. Zum anderen schlössen sich Darlehen und Verwahrung aus: Darlehensweise erlangte Wertpapiere würden nicht für andere verwahrt und/oder verwaltet, sondern im eigenen Interesse. Finanzinstrumente sind die in § 2 Abs. 2b WpHG angeführten Instrumente. b) Kredite für Wertpapierdienst- und Wertpapiernebendienstleistungen (§ 2 Abs. 3a Nr. 2 WpHG) Nach § 2 Abs. 3a WpHG stellt auch die Gewährung von Krediten oder Darlehen an 126 andere für die Durchführung von Wertpapierdienstleistungen eine Wertpapiernebendienstleistung dar, sofern das Unternehmen, das den Kredit oder das Darlehen gewährt, an diesen Geschäften beteiligt ist. Die Bestimmung geht auf das Umsetzungsgesetz 1997 (Einl. Rz. 19) zurück und diente seinerzeit der Umsetzung von Art. 11 Satz 3 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie sowie des Abschnitts C Nr. 3 von deren Anhang (Einl. Rz. 13). Die Vorschrift ist durch Art. 1 Nr. 2 lit. g des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Einl. Rz. 36) zum Zwecke der adäquaten Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Anhang I Abschnitt B Nr. 2 der Finanzmarktrichtlinie geringfügig geändert worden. Die Vorschrift setzt die Gewährung von Krediten oder Darlehen voraus. Dabei darf 127 der Begriff des Kredits als der weitere (und den des Darlehens mit einschließend) angesehen werden, denn er umfasst sowohl die Gewährung eines Geldbetrags (d.h. eines Darlehens i.S. von § 488 Abs. 1 Satz 1 BGB) als auch die Stundung oder die zeitlich hinausgeschobene Zahlung eines Geldbetrags. Ein Sachdarlehen ist kein Kredit oder Darlehen nach § 2 Abs. 3a Nr. 2 WpHG, so dass die Wertpapierleihe als Kredit-
1 BaFin, Merkblatt Depotgeschäft, unter 1b bb, www.bafin.de: „Verwalten ist im weitesten Sinne die laufende Wahrnehmung der Rechte aus dem Wertpapier“. 2 So auch BaFin, Merkblatt Depotgeschäft, unter 1c, www.bafin.de: „‚Für andere‘ erfasst jede Form der Verwahrung oder Verwaltung für jede Person oder Personenmehrheit außer dem eigenen Unternehmen, es sei denn, sie erfolgt, einschließlich des Abschlusses des Depotvertrags, in offener Stellvertretung“. 3 Vgl. BaFin, Merkblatt Depotgeschäft, unter 1c, www.bafin.de. 4 Vgl. BaFin, Merkblatt Depotgeschäft, unter 1c, www.bafin.de. 5 BaFin, Merkblatt Depotgeschäft, unter 1c, www.bafin.de.
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geschäft im Sinne dieser Vorschrift ausscheidet1. Wieder wird mit dem Merkmale der Gewährung von Krediten oder Darlehen an andere verlangt, dass es sich bei derselben um eine kundenbezogene Dienstleistung handelt. Diese fehlt bei der Kreditvergabe an konzerneingebundene Unternehmen. Der Kredit oder das Darlehen müssen des Weiteren für die Durchführung von Wertpapierdienstleistungen gewährt werden. Dadurch wird unmissverständlich2 zum Ausdruck gebracht, dass damit alle Kosten gemeint sind, welche die Durchführung einer Wertpapierdienstleistung mit sich bringt. Das werden in der Regel die Geldmittel sein, die zum Erwerb eines Finanzinstruments erforderlich sind, doch können Gegenstand der Finanzierung auch die im Falle etwa des Platzierungsgeschäfts zu zahlenden Provisionen sein. 128 Schließlich werden von § 2 Abs. 3a Nr. 2 WpHG nur solche Kredite oder Darlehen erfasst, die ein Unternehmen zur Durchführung von Wertpapierdienstleistungen gewährt, an denen es selbst beteiligt ist. Nach der durch Art. 1 Nr. 2 lit. g des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Einl. Rz. 36) geänderten früheren Fassung der Vorschrift musste das Darlehen oder der Kredit von einem Unternehmen gewährt werden, das die finanzierte Wertpapierdienstleistung durchführt. Schon unter dem bisherigen Wortlaut der Vorschrift war unter Bezugnahme auf Abschnitt C Nr. 3 des Anhangs der Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie anerkannt, dass die Vorschrift nicht ausschließt, eine Wertpapiernebendienstleistung auch dann anzunehmen, wenn das den Kredit oder das Darlehen gewährende Unternehmen an der Durchführung der Wertpapiernebendienstleistungen lediglich beteiligt ist, es also nicht allein ausführt3. Der (unter Übernahme der Formulierung in Anhang I Abschnitt B Nr. 2 der Finanzmarktrichtlinie) geänderte Wortlaut der Vorschrift lässt hieran keinen Zweifel mehr. Der Wortlaut der Bestimmung lässt im Übrigen nicht erkennen, dass der Kredit- oder Darlehensnehmer mit dem Vertragspartner oder Begünstigten aus dem kredit- oder darlehensfinanzierten Wertpapierdienstleistungsgeschäft identisch sein muss4. c) Unternehmensberatung (§ 2 Abs. 3a Nr. 3 WpHG) 129 Nach § 2 Abs. 3a Nr. 3 WpHG gehört zu den Wertpapiernebendienstleistungen die Beratung von Unternehmen über die Kapitalstruktur, die industrielle Strategie sowie die Beratung und das Angebot von Dienstleistungen bei Unternehmenskäufen und Unternehmenszusammenschlüssen. Diese Dienstleistungen sind erstmals mit der Änderung des § 2 Abs. 3a WpHG durch Art. 1 Nr. 2 lit. g des FinanzmarktrichtlinieUmsetzungsgesetzes (Einl. Rz. 36) in den Kreis der Wertpapiernebendienstleistungen aufgenommen worden. Die Streichung der zuvor in § 2 Abs. 3a Nr. 3 WpHG als Wertpapiernebendienstleistung aufgeführten Anlageberatung war dem Umstand geschuldet, dass diese aufgrund von Art. 1 Nr. 2 lit. f des Finanzmarktrichtlinie-Umset1 Begr. RegE Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 963/66 (= BR-Drucks. 13/7142), S. 102. Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 122; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 107; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 92; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 161. 2 A.A. („missverständlich“) und zu Unrecht auf Dienstleistungen verengend, die den Erwerb von Finanzinstrumenten zum Gegenstand haben, Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 161. 3 Näher 4. Aufl. des Kommentars § 2 Rz. 73. Auch Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 107; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 161. 4 Ebenso Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 107; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 161 (unter Hinweis auf die geringe praktische Bedeutung des Auseinanderfallens von Kreditnehmer und Kunde der Wertpapierdienstleistung).
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zungsgesetzes (Einl. Rz. 36) gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 WpHG zu den Wertpapierdienstleistungen gehört (s. oben Rz. 122). Die Änderung von § 2 Abs. 3a Nr. 3 WpHG diente der Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Anhang I Abschnitt B Nr. 3 der Finanzmarktrichtlinie. Der Vorschrift entspricht die Finanzunternehmen betreffende Bestimmung des § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 KWG. § 2 Abs. 3a Nr. 3 WpHG erfasst nur allgemeine Beratungsleistungen für Unterneh- 130 men. Die Abgabe von Empfehlungen zur Vornahme von Geschäften mit bestimmten Finanzinstrumenten, welche die individuellen Verhältnisse des beratenen Unternehmens berücksichtigt, unterfällt der Anlageberatung i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 WpHG und stellt keine Wertpapiernebendienstleistung nach § 2 Abs. 3a Nr. 3 WpHG dar. Die Beratung kann sich auf die Kapitalstruktur, d.h. die Zu sammensetzung der dem Unternehmen zur Verfügung stehenden Finanzmittel durch verschiedene Formen und Zwischenformen von Eigen- oder Fremdkapital (bilanzielle Zusammensetzung des Kapitals), beziehen, oder die industrielle Strategie zum Gegenstand haben. Letzteres umfasst nicht nur Fragen der planvollen Verfolgung von Vorhaben in Bezug auf die industrielle Fertigung von Produkten oder Entwicklung von Dienstleistungen durch Mechanisierung und Automatisierung bzw. Standardisierung, sondern auch – allgemeiner – die produkt-, fertigungs- und marktbezogene Entwicklung des Unternehmens unter Einbeziehung von Überlegungen zur Standortwahl und Standortveränderung, und schließt selbst die Beratung des Unternehmens im Hinblick auf seine Organisation nicht aus, da diese die Stellung des Unternehmens als Marktteilnehmer beeinflusst. Weiter erfasst wird die Beratung und das Angebot von Dienstleistungen bei Unternehmenskäufen und Unternehmenszusammenschlüssen, soweit es sich dabei nicht nur um eine solche der (speziellen, v.a. standesrechtlichen Verhaltenspflichten unterworfenen) Rechtsberatung handelt. d) Devisengeschäft (§ 2 Abs. 3a Nr. 4 WpHG) Als Wertpapiernebendienstleistungen galten bis zur Neufassung der – auf Änderungen des WpHG durch das Umsetzungsgesetz 1997 (Einl. Rz. 19) zurückgehenden – Vorschrift durch Art. 1 Nr. 2 lit. g des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Einl. Rz. 36) alle in § 2 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 WpHG a.F. genannten Tätigkeiten, soweit sie Devisengeschäfte zum Gegenstand hatten und im Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungen standen. Den Vorgaben der Finanzmarktrichtlinie in Anhang I Abschnitt B Nr. 4 folgend, ist mit der Änderung der Bestimmung durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz die Beschränkung der Devisengeschäfte auf bestimmte Wertpapierdienstleistungen gestrichen worden, so dass nunmehr alle Devisengeschäfte, die in Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungen i.S. von § 2 Abs. 3 WpHG erbracht werden, als Wertpapiernebendienstleistung erfasst werden. Erforderlich ist ein sachlicher Zusammenhang mit einer Wertpapierdienstleistung1, nicht nur ein bloß zeitlicher. Wegen der auf das Anlegerschutzverbesserungsgesetz von 2004 zurückgehenden Einbeziehung von Devisentermingeschäften in den Derivatebegriff (s. oben Rz. 2, 39, 48), die Erfassung von Derivaten als Finanztermingeschäfte (§ 2 Abs. 2b WpHG) und der auf diese bezogenen Dienste als Wertpapierdienstleistungen in § 2 Abs. 3 WpHG ist die Bedeutung von § 2 Abs. 3a Nr. 4 WpHG zurückgegangen und besteht im Wesentlichen nur noch darin, Devisenkassageschäf-
1 Auch Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 109; Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 126, der – konkretisierend, aber unnötig verengend – einen „direkten“ und „einzelfallgeschäftsbezogenen“ Zusammenhang mit der Erbringung einer Dienstleistung verlangt.
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te (Geschäfte in Gestalt des Tauschs von Devisen mit einem Erfüllungszeitpunkt von zwei Tagen nach Geschäftsabschluss) zu erfassen1. e) Anlageempfehlungen (§ 2 Abs. 3a Nr. 5 WpHG) 132 Die Vorschrift ist aufgrund von Art. 1 Nr. 2 lit. g des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Einl. Rz. 36) in das Gesetz aufgenommen worden, setzt Anhang I Abschnitt B Nr. 5 der Finanzmarktrichtlinie um und erfasst als Wertpapiernebendienstleistung die Erstellung, Verbreitung oder Weitergabe von Finanzanalysen oder anderen Informationen über Finanzinstrumente oder deren Emittenten, die direkt oder indirekt eine Empfehlungen für eine bestimmte Anlageentscheidung enthalten. 133 Nach dem weiten Wortlaut der Vorschrift werden im Wesentlichen alle Anlageempfehlungen erfasst, die nicht die Voraussetzungen der Anlageberatung nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 WpHG erfüllen, weil sie erkennbar nicht unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände desjenigen erstellt wurden, zu dessen Kenntnis sie gelangen. Die Erwähnung von Finanzanalysen betrifft nur einen Sonderfall von Informationen über Emittenten oder Finanzinstrumente, deren Erstellung, Verbreitung oder Weitergabe eine Wertpapiernebendienstleistung darstellt, wenn die fraglichen Informationen nur explizit oder implizit eine direkt oder indirekt umsetzbare Empfehlungen für eine bestimmte Anlageentscheidung enthalten. Die an die fraglichen Informationen zu stellenden Anforderungen sind aber weitgehend denjenigen nachgebildet, die eine Finanzanalyse i.S. des § 34b WpHG ausmachen. 134 Damit erfasst die Vorschrift in ihrer allgemeineren Alternative alle Informationen über Emittenten von Finanzinstrumenten oder über Finanzinstrumente selbst. Unter Information ist jede Mitteilung von inneren oder äußeren Tatsachen zu verstehen, zu denen auch Vorhaben, Pläne, Absichten und Werturteile des Informanten, Dritter sowie desjenigen, über den informiert wird, zählen. Diese Informationen über den Emittenten oder über Finanzinstrumente haben weder vollständig zu sein noch brauchen sie eine bestimmte Aussagefähigkeit erreichen noch müssen sie nach bestimmten Regeln erworben oder aufbereitet worden sein. Darin unterscheiden sie sich von Finanzanalysen, die im Rahmen einer Berufs- und Geschäftstätigkeit vorgenommen und mit Sachkunde und Gewissenhaftigkeit erstellt und dargeboten werden müssen (§ 34b Abs. 1 Sätze 1 und 2 WpHG; näher § 34b Rz. 37 f.). Entscheidend ist vielmehr, dass sie direkt oder indirekt die Empfehlung einer bestimmten Anlageentscheidung enthalten. Nicht die Information, sondern die Empfehlung muss mithin bestimmt sein. Anders als bei der Anlageberatung muss sich die Empfehlung nicht auf bestimmte Finanzinstrumente beziehen, sondern nur auf eine bestimmte Anlageentscheidung, weshalb von dieser nicht zu verlangen ist, dass sie von dem Anleger unmittelbar in eine Anlageentscheidung umgesetzt werden kann. Hier ist es vielmehr ausreichend, dass die Empfehlung – was auch in dem Merkmal „direkt oder indirekt“ zum Ausdruck kommt – eine deutliche Handlungsanweisung zu ihrer Umsetzung enthält. Ausreichend ist deshalb etwa, wenn die Information den Erwerb von deutschen Chemiewerten oder von Papieren eines der Emittenten, auf die sich die Informationen bezogen, anrät. Soweit in Bezug auf Finanzanalysen verlangt wird, dass sich die Handlungsanweisung auf bestimmte Finanzinstrumente oder Emittenten bezieht, wird es aber auch diesbezüglich für ausreichend angesehen, dass erkennbar wird, auf welche Finanzinstrumente oder Emittenten sich die Empfehlung bezieht (s. 1 Vgl. Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 126; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 109; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 165.
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unten § 34b Rz. 17). Die Empfehlung muss des Weiteren mit der Information einhergehen, d.h. sich aus dieser ergeben: sei es, indem demjenigen, dem die Information zur Kenntnis gelangt, eine bestimmte Anlageentscheidung direkt, d.h. ausdrücklich als für ihn vorteilhaft oder in seinem Interesse liegend dargestellt wird (zum Empfehlungsbegriff s. oben Rz. 113) oder sei es, dass sich eine solche Empfehlung indirekt1 aus den Umständen ergibt (vgl. § 34b Rz. 15 f.). Wird etwa über einen bestimmten Emittenten informiert, der als anderen überlegen dargestellt wird, dessen Papiere aber unterbewertet seien, so enthält dies, auch wenn es nicht ausdrücklich ausgesprochen wird, die Empfehlung zum Erwerb der Papiere des fraglichen Emittenten. Eine bloß im Ganzen günstige Beurteilung legt noch keine bestimmte Verhaltensweise nahe (s. auch § 34b Rz. 18). Ohne Information als Grundlage der Empfehlung liegt lediglich ein kapitalmarktrechtlich irrelevanter Anlagetipp („Tipp des Tages: Siemens kaufen“) oder Werbung vor. Um nicht jede (auch private) Form der Kommunikation einer Anlageempfehlung zur 135 Wertpapiernebendienstleistung zu machen, erfasst die Vorschrift nur die „Erstellung, Verbreitung oder Weitergabe“ von Informationen. Es braucht nur eine der angeführten Handlungsformen erfüllt zu sein, doch kommt im Hinblick auf die Verbreitung oder Weitergabe einer Information nicht jede beliebige Information in Betracht, sondern nur die Verbreitung oder Weitergabe einer im Sinne der Bestimmung „erstellten“ Information. Nur so können die Merkmale die ihnen zukommende Funktion der Einengung des Kreises der § 2 Abs. 3a Nr. 5 WpHG unterfallenden informationsgetragenen Anlageempfehlungen erfüllen; dass sie eine solche haben, ist schon dem Umstand zu entnehmen, dass sich die Vorschrift nicht auf die schiere Kommunikation (d.h. Verbreitung oder Weitergabe) von Informationen beschränkt. Eine Information ist, nicht anders als bei der Regelung des § 34b WpHG in Bezug auf die Finanzanalyse, als erstellt anzusehen, wenn sie „inhaltlich erarbeitet, äußerlich gestaltet oder inhaltlich wesentlich verändert oder in ihrem äußeren Erscheinungsbild wesentlich modifiziert wird“ (s. § 34b Rz. 27). Eine Information wird verbreitet i.S. von § 2 Abs. 3a Nr. 5 WpHG, wenn die erstellte Information einer Vielzahl von Personen zugänglich gemacht werden soll und wird2. Im Unterschied zu anderen Bestimmungen des WpHG – wie etwa der Finanzanalyse – ist hier von Verbreitung und nicht etwa (wie bei der Anlageberatung in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 WpHG) von Informationsverbreitung über Informationsverbreitungskanäle oder von Bekanntgabe für die Öffentlichkeit oder (wie etwa in § 34b WpHG für die Finanzanalyse) von öffentlicher Verbreitung die Rede. Von der Verbreitung einer Information i.S. von § 2 Abs. 3a Nr. 5 WpHG ist deshalb auch dann auszugehen, wenn sie nicht im Sinne der Mitteilung an einen unbestimmten Personenkreis öffentlich gemacht, sondern lediglich einem von vornherein bestimmten Personenkreis mitgeteilt wird. Eine Information wurde i.S. von § 2 Abs. 3a Nr. 5 WpHG weitergegeben, wenn eine von einem anderen erstellte Information samt Empfehlung durch einen beliebigen Kommunikationsakt desjenigen, der über die Information verfügt, eine dritte Person erreicht3 (vgl. § 34b Rz. 37 ff.). Die Form der Verbreitung oder Mitteilung der Information ist unerheblich; die Vorschrift enthält diesbezüglich keinerlei Einschränkung. Anlageempfehlungen i.S. von § 2 Abs. 3a Nr. 5 WpHG finden sich typischerweise in Börsenbriefen, Börseninformationsdiensten oder Kapitalanlagemagazinen.
1 Zu Beispielen für indirekte Handlungsanweisungen s. § 34b Rz. 16 Fn. 5. 2 Auch Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 110. 3 Ebenso Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 110.
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136 Neben den angeführten Informationen erfasst § 2 Abs. 3a WpHG auch Finanzanalysen, d.h. Analysen von Finanzinstrumenten i.S. von § 34b WpHG (zu den Voraussetzungen einer solchen Finanazanalyse s. die Erläuterungen zu § 34b WpHG). Diejenigen, die sie erstellen, verbreiten oder weitergeben unterliegen den für diese geltenden speziellen Verhaltensanforderungen aus §§ 34b f. WpHG sowie der Finanzanalyseverordnung (FinAnV, Text im Anhang zu § 34b Rz. 187), und zwar unabhängig davon, ob es sich bei ihnen um Wertpapierdienstleistungsunternehmen handelt oder nicht. Ob sie im Hinblick auf die Finanzanalyse weitergehenden Pflichten aus §§ 31 ff. WpHG unterliegen, hängt v.a. davon ab, ob sie neben der Finanzanalyse auch Wertpapierdienstleistungen erbringen, denn nur dann handelt es sich bei ihnen um Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Normadressaten der Verhaltenspflichten der so genannten Wohlverhaltensregeln (s. oben Rz. 123). Weitere Anforderungen stellt § 2 Abs. 3a WpHG an Finanzanalysen i.S. von § 34b WpHG nicht. f) Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Emissionsgeschäft (§ 2 Abs. 3a Nr. 6 WpHG) 137 Die Vorschrift ist aufgrund von Art. 1 Nr. 2 lit. g des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Einl. Rz. 36) in das Gesetz aufgenommen worden, setzt Anhang I Abschnitt B Nr. 6 der Finanzmarktrichtlinie um und erfasst als Wertpapiernebendienstleistung alle Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit dem Emissionsgeschäft stehen. Emissionsgeschäft ist nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 WpHG die Übernahme von Finanzinstrumenten für eigenes Risiko zur Platzierung oder die Übernahme gleichwertiger Garantien (s. oben Rz. 86 ff.). Erforderlich ist ein sachlicher Zusammenhang mit dem Emissionsgeschäft, nicht nur ein bloß zeitlicher. Die Dienstleistung muss nicht notwendigerweise gegenüber dem Emittenten erbracht werden. g) Dienstleistungen nach § 2 Abs. 3a Nr. 7 WpHG 138 Die Vorschrift ist aufgrund von Art. 1 Nr. 2 lit. g des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Einl. Rz. 36) in das Gesetz aufgenommen worden, setzt Anhang I Abschnitt B Nr. 7 der Finanzmarktrichtlinie um und erfasst als Wertpapiernebendienstleistung solche Dienstleistungen, die sich auf einen Basiswert i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 oder Nr. 5 WpHG beziehen und Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen wären, wenn sie sich auf ein Finanzinstrument i.S. von § 2 Abs. 2b WpHG beziehen würden1. Die jeweilige Dienstleistung muss in sachlichem Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen stehen. Als Beispiel für eine solche Dienstleistung führt der RegE FRUG so genannte (nicht als Termingeschäfte zu betrachtende) Spotgeschäfte in Waren an, die ein Unternehmen im Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungen in Bezug auf Warenderivate erbringt2. Das habe – dem Erwägungsgrund 21 der Durchführungsverordnung zur Finanzmarktrichtlinie (Rz. 8) entsprechend – zur Konsequenz, dass ein Unternehmen, welches für eine bestimmte Wertpapierdienstleistung in Bezug auf Warentermingeschäfte zugelassen sei, diese Dienstleistung in Bezug auf Spotgeschäfte ebenfalls mit dem so genannten Europäischen Pass grenzüberschreitend erbringen dürfe.
1 RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 57. 2 RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 57.
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X. Wertpapierdienstleistungsunternehmen (§ 2 Abs. 4 WpHG) 1. Systematische Stellung der Vorschrift und Normentwicklung Die Bedeutung des in § 2 Abs. 4 WpHG (entsprechend den Vorgaben in Art. 1 Nr. 2, 139 11 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, Einl. Rz. 13, welche den Terminus „Wertpapierfirma“ verwendet) definierten Begriffs der Wertpapierdienstleistungsunternehmen liegt vor allem darin, dass diese die Adressaten einer Vielzahl von Vorschriften des WpHG, namentlich – mit den in §§ 31b, 37 WpHG angeführten Ausnahmen – der in §§ 31, 31b-31e, 31h, 33, 33a, 33b, 34–34c, 36b WpHG geregelten Verhaltensund Organistionsvorschriften darstellen. Darüber hinaus unterliegen Wertpapierdienstleistungsunternehmen aber auch den Meldepflichten und Verhaltensanforderungen aus §§ 9, 10, 16 und 16b WpHG. Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach § 2 Abs. 4 WpHG ist allerdings nicht 140 jedes Unternehmen, das Wertpapierdienstleistungen allein oder zusammen mit Wertpapiernebendienstleistungen erbringt. Erfasst werden vielmehr nur solche Unternehmen, die, über die Leistung solcher Dienste hinaus, Kreditinstitute (i.S. der § 1 Abs. 1 i.Vm. § 2 Abs. 1 KWG) oder Finanzdienstleistungsinstitute (i.S. der § 1 Abs. 1a i.V.m. § 2 Abs. 6 KWG) sind oder – als Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen erbringende Zweigstellen eines Unternehmens mit Sitz im Ausland – gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG als Kreditinstitute oder Finanzdienstleistungsinstitute gelten. Schließlich muss hinzukommen, dass die Wertpapier- und Wertpapiernebendienstleistungen dieser Unternehmen gewerbsmäßig oder in einem Umfange erbracht werden, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Kapitalanlagegesellschaften und Investmentaktiengesellschaften etwa sind keine Wertpapierdienstleistungsunternehmen, weil sie weder zu den in § 2 Abs. 4 WpHG aufgeführten Unternehmen (Instituten) gehören noch Wertpapierdienstleistungen erbringen (s. Rz. 72, 102a, 105, 121g). Sie werden von der BaFin nach Maßgabe der Vorschriften des InvG beaufsichtigt (§ 5 Abs. 1 InvG). Allein Kapitalanlagegesellschaften können für Wertpapierdienstleistungsunternehmen geltenden Vorschriften des WpHG unterliegen, falls sie Dienst- und Nebendienstleistungen i.S. des § 7 Abs. 2 Nr. 1, 3 und 4 InvG erbringen. In diesem Fall gelten gemäß § 5 Abs. 3 InvG die §§ 31 bis 31b, § 31d sowie die §§ 33 bis 34a WpHG entsprechend. Zu Investmentclubs s. unten Rz. 151. Aus dieser Regelung ergibt sich im Klartext, dass Kreditinstitute – welche sich nach 141 §§ 1 Abs. 1, 53 Abs. 1 Satz 1 KWG über den Betrieb der Bankgeschäfte (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1–12 KWG) definieren, die ihrerseits nicht deckungsgleich mit Wertpapierdienstleistungen sind – nur dann als Wertpapierdienstleistungsunternehmen anzusehen sind, wenn sie Wertpapier- und Wertpapiernebendienstleistungen i.S. von § 2 Abs. 3 und Abs. 3a WpHG gewerbsmäßig oder in einem Umfange erbringen, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Dagegen definieren sich Finanzdienstleistungsinstitute dadurch, dass sie, ohne Kre- 142 ditinstitute (i.S. des § 1 Abs. 1 KWG) zu sein, Finanzdienstleistungen erbringen. Der Katalog der Finanzdienstleistungen in § 1 Abs. 1a Satz 2 Nrn. 1–8 KWG ist in großen Teilen identisch mit dem der Wertpapierdienstleistungen in § 2 Abs. 3 WpHG. Da ein Unternehmen Finanzdienstleistungsinstitut im Übrigen nur sein kann, wenn es Finanzdienstleistungen gewerbsmäßig oder in einem Umfange erbringt, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert (§ 1 Abs. 1a Satz 1 KWG), bedeutet dies, dass Finanzdienstleistungsinstitute praktisch – bei nur feinen
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Unterschieden – schon per se den Begriff des Wertpapierdienstleistungsunternehmens erfüllen. 143 Die auf den ersten Blick als kompliziert erscheinenden Querbezüge zwischen den für die Bestimmung des Anwendungsbereichs des WpHG maßgeblichen Begriffen des § 2 WpHG auf der einen und den Begrifflichkeiten des KWG auf der anderen Seite sowie die daraus resultierenden Unterschiede in Bezug auf den Kreis der von diesen jeweils erfassten Unternehmen sind dem Umstand unterschiedlicher Regelungsziele dieser Gesetze geschuldet: Regelt das KWG die institutionelle Aufsicht von Finanzintermediären, so ist das WpHG auf die Beaufsichtigung der Märkte und des Verhaltens eines weitaus größeren Kreises von Marktbeteiligten ausgerichtet, erfasst das Verhalten von Finanzintermediären andererseits aber nur in spezieller operationaler Hinsicht. 144 Die Definition der Wertpapierdienstleistungsunternehmen in § 2 Abs. 4 WpHG beruht auf einer Novellierung der Vorschrift durch das Umsetzungsgesetz 1997 (Einl. Rz. 19). Die Änderung war jedoch dergestalt, dass diejenigen Unternehmen, die nach der ursprünglichen Fassung des Begriffs Wertpapierdienstleistungsunternehmen waren, sich auch nach der Neuregelung als solche qualifizierten. Die Novellierung führte mithin lediglich zu einer Erweiterung des Kreises von Wertpapierdienstleistungsunternehmen (Einzelheiten 4. Aufl. des Kommentars § 2 Rz. 83). Die Vorschrift ist seither unverändert geblieben. 2. Erfasste Unternehmen a) Gemeinsame Anforderungen an Wertpapierdienstleistungsunternehmen 145 Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen erbringende Zweigstellen eines Unternehmens mit Sitz im Ausland (§ 53 Abs. 1 Satz 1 KWG) sind Wertpapierdienstleistungsunternehmen nur dann, wenn sie Wertpapierdienstleistungen, allein oder zusammen mit Wertpapiernebendienstleistungen, gewerbsmäßig oder in einem Umfang erbringen, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. 146 Damit werden zunächst nur solche Unternehmen erfasst, die Wertpapierdienstleistungen allein oder zusammen mit Wertpapiernebendienstleistungen erbringen. Notwendiges Merkmal von Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist folglich, dass sie Wertpapierdienstleistungen erbringen, während es unerheblich ist, ob damit auch Wertpapiernebendienstleistungen verbunden sind. Umgekehrt können Unternehmen, die ausschließlich Wertpapiernebendienstleistungen erbringen, keine Wertpapierdienstleistungsunternehmen sein1. Erbringt ein Unternehmen, das unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und aufgrund der Erfüllung der weiteren Anforderungen nach § 2 Abs. 4 WpHG als Wertpapierdienstleistungsunternehmen anzusehen ist, gegenüber einem (oder mehreren) einzelnen Kunden ausschließlich Wertpapiernebendienstleistungen, so unterliegt es im Hinblick auf diese Nebendienstleistungen indes ohne Einschränkung den für Wertpapierdienstleistungsunter-
1 BGH v. 19.1.2006 – III ZR 105/05, ZIP 2006, 382 (383) Rz. 10; RegE UmsetzungsgesetzG, BR-Drucks. 963/66 (= BR-Drucks. 13/7142), S. 102; Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 133 Fn. 281; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 114; Müller, in: Heidel, § 2 WpHG Rz. 48; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 101; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 170.
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nehmen geltenden Verhaltenspflichten des 6. Abschnitts (s. oben Rz. 139)1. Aus dem Merkmal „allein oder zusammen“ in § 2 Abs. 4 WpHG lassen sich im Übrigen keine Anforderungen an den Begriff der Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistung (in § 2 Abs. 3 und 3a WpHG) ableiten (Rz. 123)2. Vor der Novellierung des WpHG durch das Umsetzungsgesetz 1997 (s. oben Rz. 144) 147 konnten nur solche Unternehmen Wertpapierdienstleistungsunternehmen sein, die Wertpapierdienstleistungen in einem Umfang erbrachten, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erforderte (§ 2 Abs. 3 der durch das Umsetzungsgesetz geänderten Fassung des WpHG). Nach der (den Vorgaben von Art. 1 Nr. 2 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, Einl. Rz. 13, folgenden) Novellierung werden in § 2 Abs. 4 WpHG – neben den Unternehmen, die diese Voraussetzung erfüllen – aber auch solche Unternehmen als Wertpapierdienstleistungsunternehmen erfasst, welche die fraglichen Dienstleistungen zwar gewerbsmäßig, jedoch nicht in einem Umfange erbringen, welcher die Einrichtung eines kaufmännischen Geschäftsbetriebs verlangt. Diese Erweiterung des Begriffs des Wertpapierdienstleistungsunternehmens lässt sich neben dem Hinweis auf die Richtlinienvorgabe auch mit dem Argument begründen, dass es für den Publikumsschutz unerheblich sein muss, ob jemand, der auf dem Markt Dienste (i.S. von § 2 Abs. 3 WpHG) anbietet, Kaufmann ist oder nicht3; sie korrespondiert im Übrigen mit einer entsprechenden Fassung der Begriffe des Kreditinstituts und des Finanzdienstleistungsinstituts in § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1a Satz 1 KWG. Da sowohl § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 1a Satz 1 KWG als auch § 2 Abs. 4 WpHG den 148 Begriff „gewerbsmäßig“ im Zusammenhang mit der handelsrechtlichen Kategorie der Erforderlichkeit eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebs verwenden, ist bei der Beurteilung der Frage, wann eine gewerbsmäßige Tätigkeit vorliegt, der handelsrechtliche Gewerbebegriff zugrunde zu legen4. Gewerblich ist danach jede außengerichtete (marktorientierte), selbstständige, planmäßige, von der Absicht der Gewinnerzielung getragene Tätigkeit5, auch wenn der Betroffene oder das fragliche Unternehmen hierfür über keine Zulassung i.S. von § 32 Abs. 1 KWG verfügt6. Nicht gewerbsmäßig handelt der nur ehrenamtlich tätig werdende und keine Ver- 149 gütung seiner Tätigkeit erhaltende Geschäftsführer bzw. Vorstand eines als Gesellschaft bürgerlichen Rechts bzw. als nicht rechtsfähiger Verein geführten Investmentclubs7 (zur Qualifizierung von dessen Tätigkeit als „Wertpapierdienstleistung“ i.S. 1 So auch ausdrücklich Begr. RegE Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 963/66 (= BR-Drucks. 13/7142), S. 102; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 114. 2 Begr. RegE Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 963/66 (= BR-Drucks. 13/7142), S. 101 zu § 2 Abs. 3a WpHG, S. 102 zu § 2 Abs. 4 WpHG. 3 Begr. RegE Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 963/66 (= BR-Drucks. 13/7142), S. 102/3. 4 So in der Sache auch Begr. RegE Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 963/66 (= BR-Drucks. 13/7142), S. 62, in Bezug auf die Parallelvorschriften in § 1 Abs. 1, Abs. 1a KWG; Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 137; Mielk, WM 1997, 2201 f.; Weber-Rey/Baltzer, WM 1997, 2289. Offen, in der Sache aber ebenso Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 115, A.A. Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 171. 5 BGH v. 7.7.1960 – VIII ZR 215/59, BGHZ 33, 321 (324 ff.); BGH v. 10.5.1979 – VII ZR 97/78, BGHZ 74, 273 (276); Hopt, in: Baumbach/Hopt, § 1 HGB Rz. 12 ff. 6 Allgemein zur Erfassung auch gesetzeswidriger Tätigkeit Hopt, in: Baumbach/Hopt, § 1 HGB Rz. 12, 21; vgl. auch § 7 HGB. 7 BaFin, Hinweise zur Erlaubnispflicht von Investmentclubs und ihrer Geschäftsführer nach § 32 KWG vom 9.6.2011, www.bafin.de, unter 3. lit. d und 4.
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des § 2 Abs. 3 WpHG s. oben Rz. 106). Werden dem Geschäftsführer nur „die ihm bei der Verwaltung des Portfolios tatsächlich entstandenen Aufwendungen (z.B. für Auslagen, Porto, Fahrtkosten, Telekommunikation)“ ersetzt, so stellt dies keine Vergütung dar1. Anders verhält es sich dagegen, wenn der Geschäftsführer dem Investmentclub „seine eigene Arbeitszeit in Rechnung stellen oder anderweitig aus seiner Geschäftsführung einen Profit (beispielsweise Mietzins für seine eigenen, jedoch für die Zwecke des Investmentclubs eingesetzten Räumlichkeiten, Gebühr für eine von ihm entwickelte Handelssoftware) ziehen“ will, „der über seinen Anteil hinausgeht, der ihm wie jedem anderen Mitglied des Investmentclubs gemessen an seiner Kapitaleinlage zusteht“2. Mit anderen Worten „beendet jede Vergütung der Tätigkeit des Geschäftsführers, die über den Ersatz der für die Geschäftsführung tatsächlich entstandenen Aufwendungen hinausgeht, die Privatheit der Veranstaltung“3. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Tätigkeit von Investmentclubs und die Tätigkeit ihrer jeweiligen Geschäftsführer in einem Umfang erfolgt, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb i.S. des § 2 Abs. 4 WpHG erfordert, s. unten Rz. 151. 149a
Im Übrigen enthält das Merkblatt „BaFin, Hinweise zur Erlaubnispflicht von Investmentclubs und ihrer Geschäftsführer nach § 32 KWG vom 9.6.2011“4 eine Aufzählung von Bedingungen, unter denen Investmentclubs „grundsätzlich erlaubnisfrei“ betrieben werden können und damit auch keine u.a. die Finanzprotfolioverwaltung betreibende Wertpapierdienstleistungsunternehmen darstellen: „a) Die Anzahl der Mitglieder des Investmentclubs überschreitet nicht die Zahl 505. b) Die Summe der von allen – höchstens 50 – Mitgliedern eingezahlten Gelder (ohne die Gelder der wieder ausgeschiedenen Mitglieder) übersteigt nicht 500 000,00 t6. Kursgewinne oder -verluste und die von den Mitgliedern des Investmentclubs stehen gelassenen Gewinne fließen nicht in diese Berechnung ein. c) Inhaber der Konten und Depots ist der Investmentclub. d) Der Geschäftsführer lässt sich seine Tätigkeit nicht vergüten. e) Das einzelne Mitglied kann seine Mitgliedschaft in dem Investmentclub auf Basis der Clubstatuten jederzeit – auch ohne wichtigen Grund – kündigen; § 723 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bleibt unberührt.
1 BaFin, Hinweise zur Erlaubnispflicht von Investmentclubs und ihrer Geschäftsführer nach § 32 KWG vom 9.6.2011, www.bafin.de, unter 4. (Hervorhebung hinzugefügt). 2 BaFin, Hinweise zur Erlaubnispflicht von Investmentclubs und ihrer Geschäftsführer nach § 32 KWG vom 9.6.2011, www.bafin.de, unter 4. (Hervorhebung hinzugefügt). 3 BaFin, Hinweise zur Erlaubnispflicht von Investmentclubs und ihrer Geschäftsführer nach § 32 KWG vom 9.6.2011, www.bafin.de, unter 4. (Hervorhebung hinzugefügt). 4 BaFin, Hinweise zur Erlaubnispflicht von Investmentclubs und ihrer Geschäftsführer nach § 32 KWG vom 9.6.2011, www.bafin.de, unter 3. 5 S. zu dieser Voraussetzung den Hinweis in der nachfolgenden Fußnote. 6 Zu dieser und zu der vorstehend unter lit. a angeführten Bedingung fügt die BaFin, Hinweise zur Erlaubnispflicht von Investmentclubs und ihrer Geschäftsführer nach § 32 KWG vom 9.6.2011, www.bafin.de, unter 4. folgende Erläuterung hinzu: „Die Anzahl der Mitglieder darf die Zahl 50 und die Summe der eingezahlten Gelder den Betrag von 500 000,00 t (siehe bereits oben, Punkt 3 lit. a bzw. b) übersteigen, wenn die Gesellschafterversammlung einen nach § 32 Abs. 1 KWG zugelassenen Finanzportfolioverwalter mit der Verwaltung des Portfolios betraut. Dem Geschäftsführer darf dann jedoch kein Entscheidungsspielraum bei der Auswahl des Finanzportfolioverwalters eingeräumt werden.“
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f) Die dem Investmentclub zugrunde liegende Vereinbarung gewährleistet, dass jedes Mitglied die Namen und Anschriften der anderen Mitglieder des Investmentclubs erfährt. g) Die Clubstatuten sehen regelmäßige, mindestens jährliche Mitgliederversammlungen vor. h) Als private Veranstaltung stellt der Investmentclub keine abhängig Beschäftigten ein und setzt auch keine freien Mitarbeiter auf Entgeltbasis ein, die den Geschäftsführer bei der Verwaltung des Portfolios unterstützen.“ Auch zur Beurteilung der Frage, wann die Dienstleistungen einen in kaufmännischer 150 Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordern, ist auf die einschlägigen handelsrechtlichen Grundsätze zurückzugreifen. Dabei stellt § 2 Abs. 4 WpHG vor allem auf den Umfang ab, doch sind darüber hinaus auch die übrigen der zu §§ 2, 4 Abs. 1 HGB a.F. entwickelten und für die Auslegung des § 1 Abs. 2 HGB n.F. weiterhin maßgeblichen1 Kriterien zur Beurteilung der Erforderlichkeit der Einrichtung eines kaufmännischen Geschäftsbetriebs mit zu berücksichtigen. Danach kann, selbst bei geringem Geschäftsumfang, schon die Art der Geschäftstätigkeit einen Geschäftsbetrieb mit kaufmännischen Einrichtungen erforderlich machen2. Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen müssen nicht je für sich einen kaufmännische Einrichtungen erfordernden Umfang haben; ausreichend ist es, wenn sich dieser aus der Kumulation von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen ergibt3. Die Tätigkeit des nicht gewerbsmäßig, etwa weil nur ehrenamtlich wirkenden Geschäftsführers bzw. Vorstands eines als Gesellschaft bürgerlichen Rechts bzw. als nicht rechtsfähiger Verein geführten Investmentclubs (zur Qualifizierung dieser Tätigkeit als „Wertpapierdienstleistung“ i.S. des § 2 Abs. 3 WpHG s. Rz. 106; zur Frage der Gewerbsmäßigkeit der Tätigkeit s. Rz. 149) kann dementsprechend auch dann eine Wertpapierdienstleistung i.S. des § 2 Abs. 4 WpHG darstellen, wenn sie in einem Umfang erfolgt, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb i.S. des § 2 Abs. 4 WpHG erfordert. Das sollte nach dem gemeinsamen Standpunkt der seinerzeitigen Aufsichtsbehörden BAKred und BAWe dann nicht der Fall, wenn die betroffene Person nicht mehr als drei Portfolios oder ein Gesamtvolumen von 1 Mio. DM, das entspricht rd. 511 000 Euro, verwaltet4; s. dazu auch oben Rz. 149.
1 S. Begr. RegE Handelsrechtsreformgesetz, BT-Drucks. 13/8444 v. 29.8.1997, S. 47/48. Dagegen nur auf den Umfang abstellend Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 172; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 103 (grundsätzlich nur Umfang). 2 Vgl. etwa Hopt, in: Baumbach/Hopt, § 1 HGB Rz. 23. Für die Berücksichtigung auch der Art der Geschäftstätigkeit wie hier Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 138; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 116. 3 Ebenso Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 116. A.A. Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 173. 4 Schreiben des BAKred vom 2.6.1998, Az. VII 4 – 71.51 – 142/98, unter Aufgabe der im Schreiben des BAKred vom 28.4.1998, unter gleichem Az., angeführten engeren Grenzen. Das Merkblatt BaFin, Hinweise zur Erlaubnispflicht von Investmentclubs und ihrer Geschäftsführer nach § 32 KWG vom 9.6.2011, www.bafin.de, enthält dazu keine Ausführungen.
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b) Kreditinstitute 152 Zu den Unternehmen, die als Wertpapierdienstleistungsunternehmen in Frage kommen, gehören in erster Linie Kreditinstitute i.S. des § 1 Abs. 1 KWG (unter Berücksichtigung der Ausnahmeregelung in § 2 Abs. 1 KWG)1. Als solche gelten Unternehmen, die – gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert – mindestens eines der in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1–12 KWG angeführten Bankgeschäfte betreiben. Um als Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu gelten, reicht es aber nicht aus, dass sie neben Bankgeschäften auch Wertpapierdienstleistungen (allein oder zusammen mit Wertpapiernebendienstleistungen) erbringen; vielmehr ist erforderlich, dass diese Dienstleistungstätigkeit gewerbsmäßig (Rz. 147 f.) oder in einer Art und Weise erfolgt, die kaufmännische Einrichtungen verlangt (Rz. 150). c) Finanzdienstleistungsinstitute 153 Wertpapierdienstleistungsunternehmen können des Weiteren Finanzdienstleistungsinstitute i.S. von § 1 Abs. 1a KWG (unter Berücksichtigung der Ausnahmeregelung in § 2 Abs. 6 KWG) sein2. Finanzdienstleistungsinstitute sind Unternehmen, die, ohne Kreditinstitute (Rz. 152) zu sein, Finanzdienstleistungen (i.S. von § 1 Abs. 1a Satz 2 Nrn. 1–8 KWG) für andere gewerbsmäßig oder in einem Umfang erbringen, der einen in kaufmännischer Weise eineingerichtetengerichteten Geschäftsbetrieb erfordert (§ 1 Abs. 1a Satz 1 KWG). Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind Finanzdienstleistungsinstitute aber nur dann, wenn sie auch Wertpapierdienstleistungen gewerbsmäßig (Rz. 147 f.) oder in einer Art und Weise erbringen, die kaufmännische Einrichtungen verlangt (Rz. 150). d) Zweigstellen von Unternehmen mit Sitz im Ausland 154 Als Wertpapierdienstleistungsunternehmen kommt schließlich ein nach § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG tätiges Unternehmen in Betracht. Unternehmen in diesem Sinne ist die von einem anderen Unternehmen mit Sitz im Ausland unterhaltene inländische Zweigstelle, die Bankgeschäfte (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1–12 KWG) betreibt oder Finanzdienstleistungen (i.S. von § 1 Abs. 1a Satz 2 Nrn. 1–8 KWG) erbringt. Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG gilt in diesem Falle die Zweigstelle als Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsinstitut. Wertpapierdienstleistungsinstitut ist aber auch die Zweigstelle nur dann, wenn sie Wertpapierdienstleistungen gewerbsmäßig (Rz. 147 f.) oder in einem Umfange erbringt, der kaufmännische Einrichtungen verlangt (Rz. 150). Das ist wegen der weitgehenden Deckungsgleichheit von Finanzdienstleistungen und Wertpapierdienstleistungen regelmäßig bei solchen Zweigstellen der Fall, die sich gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG kraft der Erbringung von Finanzdienstleistungen als Finanzdienstleistungsinstitut qualifizieren. 155 Zweigstellen i.S. des § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG sind zunächst alle unselbstständigen, örtlich vom Hauptunternehmen getrennten, an dessen Geschäftstätigkeit mitwirkenden Betriebsstellen eines Unternehmens3. Auf Gegenstand und Betätigung des Hauptunternehmens kommt es nicht an. Die Eigenschaft als „Zweigstelle im In1 Was ein Kreditinstitut ist, bestimmt sich nach den Vorschriften des KWG; s. BVerwG v. 24.4.2002 – 6 C 2/02, WM 2002, 1919 (1922). 2 Was ein Finanzdienstleistungsinstitut ist, bestimmt sich nach den Vorschriften des KWG; s. BVerwG v. 24.4.2002 – 6 C 2/02, WM 2002, 1919 (1922). 3 Szagunn/Haug/Ergenzinger, § 53 KWG Rz. 6 mit weiteren Einzelheiten.
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land“ erlangt die fragliche Betriebsstelle bereits dadurch, dass wesentliche Teile von Bankgeschäften i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1–12 KWG im Inland durchgeführt werden1. Als Zweigstellen gelten unter den gleichen Voraussetzungen aber auch Einzelper- 156 sonen oder rechtlich selbstständige Unternehmen, wenn sie namens eines Unternehmens mit Sitz in einem anderen Staate in einem von diesem bestimmten Rahmen tätig werden2. Unterhält ein Unternehmen mit Sitz im Ausland mehrere inländische Zweigstellen i.S. des § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG, so ist ein jedes von diesen als Wertpapierdienstleistungsunternehmen anzusehen. Dass sie nicht, der Regelung in § 53 Abs. 1 Satz 2 KWG entsprechend, als ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen gelten, folgt aus der auf § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG beschränkten Verweisung in § 2 Abs. 4 WpHG. Probleme erwachsen den Betroffenen daraus nicht, weil die in Frage stehenden Pflichten nach dem WpHG (s. oben Rz. 139) dergestalt sind, dass sie, anders als es bei den von jeder Zweigstelle einzeln zu erfüllenden Pflichten nach dem KWG der Fall wäre, zu keiner Pflichtenverdopplung führen.
157
XI. Organisierter Markt (§ 2 Abs. 5 WpHG) Mit dem Begriff des organisierten Markts schränkt das Gesetz vielfach indirekt (über 158 die Definition weiterer Begriffe, wie etwa diejenigen des Emittenten, des Herkunftsstaats, des Inlandsemittenten oder des Aufnahmemitgliedstaats in § 2 Abs. 6–9 WpHG) oder direkt (wie etwa in § 9 Abs. 1 Satz 1, § 12 Satz 1 WpHG i.V.m. § 14, § 15a Abs. 1 Satz 2, § 20a Abs. 1, § 31g Abs. 1, § 31h Abs. 1, § 32, § 36a oder § 37i WpHG) den Anwendungsbereich von Vorschriften des WpHG ein. In der ursprünglichen Fassung des WpHG war er, ohne diese Kurzbezeichnung zu führen, in § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG zu finden. Seine Kurzbezeichnung, der sich dann auch die übrigen Vorschriften des WpHG bedienten, erhielt er erst durch das Umsetzungsgesetz 1997 (Einl. Rz. 19), welches den Begriff in § 2 Abs. 5 WpHG definierte. Die Definition entsprach derjenigen des „geregelten Marktes“ in Art. 1 Nr. 13 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Einl. Rz. 13). Die vom Sprachgebrauch der Richtlinie abweichende Bezeichnung „organisierter Markt“ war darauf zurückzuführen, dass der Begriff des „geregelten Marktes“ bereits zur Bezeichnung des seinerzeitigen zweiten Segments der öffentlich-rechtlich strukturierten börslichen Marktsegmente, dem „geregelten Markt“ (§§ 49 ff. BörsG a.F.), besetzt war und mögliche Irreführungen ausgeschlossen werden sollten3. Art. 1 Nr. 2 lit. h des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Einl. Rz. 36) hat die Definition des organisierten Marktes an den Wortlaut der von ihr umgesetzten Art. 4 Abs. 1 Nr. 14 der Finanzmarktrichtlinie angepasst. In der Sache handelt es sich bei einem organisierten Markt weitgehend um ein multilaterales Handelssystem i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 WpHG, das durch staatliche Stellen genehmigt, geregelt und überwacht wird. Von einem multilateralen Handelssystem unterscheidet sich das in § 2 Abs. 5 WpHG definierte multilaterale System eines organisierten Markts nur dadurch, dass es auch Systeme umfasst, welche auf 1 Vgl. Schreiben des BAKred vom 15.11.1984, Az. Abs. 2 – 173 – 5/84; Reischauer/Kleinhans, § 53 KWG Anm. 8: Bankgeschäfte dürfen nicht nur „nebenbei“ getätigt werden. 2 Vgl. Schreiben des BAKred vom 15.11.1984, Az. Abs. 2 – 173 – 5/84; vgl. auch Reischauer/ Kleinhans, § 53 KWG Anm. 5. 3 RegE Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 963/66 (= BR-Drucks. 13/7142), S. 103.
Assmann
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§2
Begriffsbestimmungen
die Förderung des Zusammenbringens einer Vielzahl von Personen gerichtet sind (s. oben Rz. 109); das in § 2 Abs. 5 WpHG definierte multilaterale System entspricht der Definition des geregelten Markts i.S. von Art. 4 Abs. 1 Nr. 14 der Finanzmarktrichtlinie. Im Übrigen muss das multilaterale System eines organisierten Markts alle Voraussetzungen eines multilateralen Handelssystems i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 WpHG erfüllen; s. dazu die Erläuterungen oben Rz. 109 f. Soweit das fragliche multilaterale System aus einem Regelwerk und einer Handelsplattform besteht (s. Rz. 109), muss das technische System der Letzteren nicht ausschließlich diesem System zugeordnet sein, d.h. es können mehrere, jeweils durch Regelwerke definierte organisierte Märkte auf derselben technischen Handelsplattform betrieben werden1. 160 Darüber hinaus werden nur solche multilaterale Systeme zur Zusammenführung der Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten erfasst, deren Betrieb oder Verwaltung der Genehmigung, Regelung und Überwachung durch eine staatliche Aufsichtsbehörde unterliegen. 161 Organisierte Märkte i.S. des § 2 Abs. 5 WpHG sind schließlich nur der staatlichen Aufsicht unterstehende multilaterale Systeme, die im Geltungsbereich der Finanzmarktrichtlinie betrieben oder verwaltet werden, d.h. im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. Die Vorschrift unterscheidet sich darin von der durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (Einl. Rz. 36) geänderten Regelung in §§ 2 Abs. 5, 37i WpHG a.F., nach der auch Märkte in Drittstaaten unter den ehedem rein materiell ausgestalteten Begriff der organisierten Märkte fallen konnten. § 44 WpHG enthält eine Übergangsregelung. Der regulierte Markt i.S. von § 32 BörsG, der am 1.11.2007 an die Stelle des amtlichen Markts und des geregelten Markts getreten ist, ist „organisierter Markt“ i.S. von § 2 Abs. 5 WpHG2. Gleiches gilt für die Terminbörse für Finanzderivate Eurex3. Kein organisierter Markt ist der Freiverkehr4. Eine Liste der organisierten Märkte i.S. des § 2 Abs. 5 WpHG (d.h. als „regulated markets“ oder „regulierte Märkte“ i.S. der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, s. Einl. Rz. 13) findet sich auf der Website der ESMA unter http:// mifiddatabase.esma.europa.eu/ über die Rubrik „Regulated Market“. Ein entsprechendes, von Art. 47 der Finanzmarktrichtlinie (Rz. 3) verlangtes Verzeichnis für die regulierten Märkte der Mitgliedstaaten der EU ist abgedruckt im ABl. EU Nr. C 348 v. 21.12.2010, S. 95.
1 RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 57. 2 Unstreitig, etwa: Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 149; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 120; (prospektiv) Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 181. Zu den Marktsegmenten des organisierten Kapitalmarkts s. Bröcker in: Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 6 Rz. 42 ff. 3 Unstreitig, etwa: Assmann, AG 1994, 237 (245); Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 149; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 120; Müller, in: Heidel, § 2 WpHG Rz. 50; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 106. 4 Unstreitig, etwa: Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 149; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 120; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 106; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2 Rz. 181. 5 Das jährlich zu veröffentlichende Verzeichnis ist auch abrufbar von der Website http:// ec.europa.eu/internal_market/securities/isd/index_de.htm.
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§2
Begriffsbestimmungen
XII. Emittenten mit Herkunftsstaat Deutschland (§ 2 Abs. 6 WpHG) 1. Allgemeines Mit dem Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom Januar 2007 (Einl. Rz. 35), welches der Umsetzung der Transparenzrichtlinie (Einl. Rz. 35) diente, ist die Bestimmung des Adressatenkreises kapitalmarktrechtlicher Informations- und Verhaltenspflichten auf das Herkunftslandprinzip umgestellt worden: Anknüpfungspunkt ist nicht mehr die Zulassung eines Emittenten an einer inländischen Börse, sondern der Sitz des Emittenten. Das soll insbesondere gewährleisten, dass grenzüberschreitend agierende Emittenten den gleichen Transparenzpflichten unterliegen, ohne sie im Fallen grenzüberschreitender Aktivitäten mehrfach in unterschiedlichen Mitgliedstaaten erfüllen zu müssen.
162
Dementsprechend wird in dem erstmals aufgrund von Art. 1 Nr. 2 lit. b Transparenz- 163 richtlinie-Umsetzungsgesetz (Einl. Rz. 35) in das WpHG gelangten und der Umsetzung von Art. 2 Abs. 1 lit. i der Transparenzrichtlinie (Einl. Rz. 35) dienenden § 2 Abs. 6 WpHG der Adressatenkreis zahlreicher Vorschriften des WpHG über den Begriff des Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, umschrieben: Mittelbar durch die Verwendung des – auf dem Begriff des Emittenten mit Herkunftsstaat Deutschland aufbauenden – Begriffs des Inlandsemittenten nach § 2 Abs. 7 WpHG (wie insbesondere in §§ 15 Abs. 1 Satz 1, 15a Abs. 4, 26 Abs. 1, 26a, 30e i.V.m. 30f, 37v–37x WpHG) und unmittelbar durch die Umschreibung des Adressatenkreises von Verhaltenspflichten durch Verwendung des Begriffs selbst, wie etwa in § 15a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, §§ 21 Abs. 1, 26 Abs. 1 und 27 WpHG (i.V.m. §§ 21 Abs. 1a und 2, 22 Abs. 1 und 2, 23 Abs. 1–4, 25 Abs. 1 und 25a Abs. 1 WpHG) sowie §§ 30a Abs. 1 und 2, 30b Abs. 1–3 und 30c WpHG. Ob ein Emittent ein solcher ist, dessen Herkunftsstaat Deutschland ist und ob er darüber hinaus als Inlandsemittent zu betrachten ist, lässt sich anhand der entsprechende Prüfungsschemata enthaltenden Schaubilder 1 und 2 (S. 140 und 143) ermitteln. Im Hinblick auf die Vorschriften des Abschnitts 5 betreffend Mitteilung, Veröffent- 164 lichung und Übermittlung von Veränderungen des Stimmrechtsanteils an das Unternehmensregister erfahren der Begriff der Emittenten, für die die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, sowie der auf diesem aufbauende Begriff des Inlandsemittenten durch § 21 Abs. 2 WpHG eine bereichsspezifische Einschränkung, indem nur solche Emittenten erfasst werden, deren Aktien zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. Emittent i.S. der Vorschrift ist im Anschluss an Art. 2 Abs. 1 lit. c der Transparenzrichtlinie „eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts, einschließlich eines Staates, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, wobei im Falle von Zertifikaten, die Wertpapiere vertreten, als Emittent der Emittent der vertretenen Wertpapiere gilt“.
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§ 2 Abs. 6 Nrn. 1, 2 und 3 WpHG, welche bestimmen, unter welchen Voraussetzungen die Bundesrepublik Deutschland für einen Emittenten der Herkunftsstaat ist, stehen zueinander in einem Ausschlussverhältnis; sie beziehen sich auf den Emittenten und nicht auf die jeweilige Emission1. Das bedeutet, dass der von § 2 Abs. 6 Nr. 1 WpHG erfasste Emittent von Aktien auch dann kein Wahlrecht nach § 2 Abs. 6 Nr. 3 WpHG haben kann, wenn er auch andere Finanzinstrumente als Aktien oder
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1 RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 31.
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Schaubild 1 zu Rz. 163: Deutschland als Herkunftsstaat
ja
Aktien o. Schuldtitel an inländischem organisierten Markt zugelassen
ja
Sitz im Inland
ja
von Aktien
Emittent
nein
ja
Aktien o. Schuldtitel an organisiertem Markt in anderem EU- oder EWR-Staat zugelassen
ja
von Schuldtiteln (Stückelung 1 Tsd. ¼)
ja
Emittent hat jährliches Dokument i.S. des § 10 WpPG bei BaFin zu hinterlegen
ja
Papiere an organisiertem Markt in anderem EUoder EWR-Staat zugelassen
ja
Sitz in Drittstaat
nein
Herkunftsstaat Deutschland
nein
nein
nein
ja
nur zum Handel an einem inländischen organisierten Markt zugelassen
ja
Sitz im Inland oder in Drittstaat
ja
nein
ja
Wahl von Deutschland als Herkunftsstaat
ja
Finanzinstrumente zum Handel an organisiertem Markt auch oder ausschließlich im Inland zugelassen
ja
Sitz in anderem EU- oder EWR-Staat
Herkunftsstaat Deutschland
Keine Wahl
Wahl von Deutschland als Herkunftsstaat
ja
Finanzinstrumente an organisiertem Markt auch oder ausschließlich in einem oder mehreren anderen EUStaaten oder in einem oder mehreren anderen EWRStaaten zugelassen
ja
Sitz im Inland
von anderen Finanzinstrumenten
ja
Sitz in Drittstaat
ja
ja
Emittent hat jährliches Dokument i.S. des § 10 WpPG bei BaFin zu hinterlegen
keine Wahl
Wahl von Deutschland als Herkunftsstaat
ja
Finanzinstrumente zum Handel an organisiertem Markt im Inland und in einem oder mehreren anderen EU- oder EWRStaaten zugelassen
nein
§2 Begriffsbestimmungen
§2
Begriffsbestimmungen
Schuldtitel emittiert. Aufgrund der emittentenbezogenen Ausrichtung des Herkunftsstaatsprinzips kann ein Emittent mithin nur einen Herkunftsstaat haben. Das illustrieren folgende Beispiele: „Sind etwa seine Aktien in Deutschland an einem organisierten Markt zugelassen, kann er beispielsweise für seine größer als 1000 Euro gestückelten Schuldtitel keinen anderen Herkunftsstaat als Deutschland wählen, weil er kein Wahlrecht mehr hat. Hat er umgekehrt beispielsweise zuerst für seine größer als 1000 Euro gestückelten Schuldtitel einen anderen Herkunftsstaat als Deutschland gewählt und lässt dann in Deutschland an einem organisierten Markt seine Aktien zu, ist die vorherige Wahl gegenstandslos. Deutschland ist Herkunftsstaat“1. Je nach emittiertem Finanzinstrument divergierende Herkunftsstaaten – etwa Deutschland für Aktien und Italien für Schuldtitel – kann es folglich nicht geben. 2. Emittenten und Emittentengruppen a) § 2 Abs. 6 Nr. 1 WpHG Die erste Gruppe von Emittenten, für die die Bundesrepublik Deutschland der Her- 167 kunftsstaat ist, ist in Anknüpfung die emittierten Wertpapiere umschrieben. § 2 Abs. 6 Nr. 1 WpHG, der Art. 2 Abs. 1 lit. i Ziff. i der Transparenzrichtlinie umsetzt, erfasst nämlich nur Emittenten von Schuldtiteln mit einer Stückelung von weniger als 1 Tsd. Euro oder dem am Ausgabetag entsprechenden Gegenwert in einer anderen Währung und die Emittenten von Aktien. Unter dem Begriff der Schuldtitel sind im Allgemeinen standardisierte und handelbare (und damit auch übertragbare), schuldrechtlich begründete Ansprüche vermögensrechtlichen Inhalts (s. oben Rz. 20) sowie die in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG beispielhaft angeführten Instrumente zu verstehen. Zum Begriff der Aktien, welche im Rahmen der Bestimmung des Begriffs der Wertpapiere in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG erwähnt sind, s. oben Rz. 14. Emittenten von Schuldtiteln oder Aktien im vorstehend ausgeführten Sinne sind 168 Emittenten, für die die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, allerdings nur, wenn sie darüber hinaus eine der in § 6 Abs. 1 Nr. 1 lit. a und b WpHG aufgezählten Voraussetzungen erfüllen: – Es handelt sich um Emittenten, die (1) ihren Sitz im Inland haben und (2) deren 169 Wertpapiere darüber hinaus zum Handel an einem organisierten Markt im Inland oder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen sind (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 lit. a WpHG). Zur Durchsetzung des auf das tatsächliche Herkunftsland eines Emittenten abstellende Herkunftslandprinzips (oben Rz. 162) ist als Sitz der effektive Verwaltungssitz des Unternehmens (und nicht etwa der Satzungssitz) anzusehen. Nach anderer Ansicht soll der Satzungssitz maßgeblich sein2. Wirklich überzeugende Gründe sind dafür bisher nicht angeführt worden: Die Annahme, aufgrund einer richtlinienkonformen Auslegung könne nur der Satzungssitz in Frage kommen, vermag nicht mehr anzuführen, als dass sekundärrechtliche Rechtsakte der EU in der Vergangenheit unter „Sitz“ immer den Satzungssitz gemeint hätten3. Ebensowenig zwingend ist es, die auf den statutarischen Sitz einer Gesellschaft abstellende Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit heranzuziehen, um daraus zu folgern, das müsse auch bei der 1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 50. 2 Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 155; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 122; Ringe, AG 2007, 809 (810 f.). 3 Ringe, AG 2007, 809 (811). Folgend Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 122.
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§2
Begriffsbestimmungen
Herkunftslandbestimmung der Anknüpfungspunkt sein. Zuzugestehen ist allerdings, dass die Anknüpfung an den effektiven Verwaltungssitz eine genuin internationalprivatrechtliche ist1. Organisierter Markt ist ein Markt i.S. von § 2 Abs. 5 WpHG (s. oben Rz. 158 ff.). 170 – Es handelt sich um Emittenten, die (1) ihren Sitz in einem Drittstaat haben, d.h. einem Staat, der weder Mitgliedstaat der Europäischen Union noch Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, und (2) deren Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt im Inland oder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen sind, wenn das jährliche Dokument i.S. des § 10 WpPG bei der BaFin zu hinterlegen ist. Zu den Begriffen des Sitzes und des organisierten Markts s. vorstehend Rz. 169. b) § 2 Abs. 6 Nr. 2 WpHG 171 Emittenten, für die die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, sind darüber hinaus auch Emittenten, die zwar Finanzinstrumente, aber keine solchen i.S. von § 2 Abs. 6 Nr. 1 WpHG (d.h. andere Finanztitel als Schuldtitel oder Aktien, s. oben Rz. 167) begeben, wenn sie im Inland oder in einem Drittstaat ihren Sitz haben und ihre Finanzinstrumente zum Handel an einem organisierten Markt im Inland, nicht aber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen sind. Zum Begriff des Drittstaats s. Rz. 170, zu demjenigen des organisierten Markts Rz. 169. Die Vorschrift betrifft – in partieller Umsetzung von Art. 2 Abs. 1 lit. i Ziff. ii der Transparenzrichtlinie – Emittenten, die zwar die Voraussetzungen des § 2 Abs. 6 Nr. 3 WpHG erfüllen, aber wegen ihres ausschließlichen Bezugs zum Inland oder einem Drittstaat keine Verbindung zu einem anderen Mitgliedstaat der EU oder einem Vertragsstaat des EWR haben und dementsprechend nicht die in dieser Bestimmung i.V.m. § 2b WpHG vorgesehene Wahlmöglichkeit haben2. c) § 2 Abs. 6 Nr. 3 WpHG 172 Die Vorschrift, die Art. 2 Abs. 1 lit. i Ziff. ii der Transparenzrichtlinie umsetzt, erfasst wiederum Emittenten, die andere als die in § 2 Abs. 6 Nr. 1 WpHG aufgeführten Finanztitel (d.h. andere Finanzinstrumente als Schuldtitel oder Aktien, s. oben Rz. 171) begeben, aber im Hinblick auf ihren Sitz oder die Zulassung ihrer Wertpapiere eine der in § 2 Abs. 6 Nr. 3 Satz 1 lit. a–c WpHG aufgeführten Verbindungen zum Inland und zu einem anderen Mitgliedstaat der EU oder einem Vertragsstaat des EWR aufweisen und so nicht unter § 2 Abs. 6 Nr. 2 WpHG fallen. 173 Sind die Voraussetzungen des § 2 Abs. 6 Nr. 3 Satz 1 WpHG erfüllt, ist für den jeweiligen Emittenten die Bundesrepublik Deutschland nur dann der Herkunftsstaat, wenn er Deutschland als Herkunftsstaat gewählt hat (§ 2 Abs. 6 Nr. 3 Satz 1 a.E. WpHG). 174 Nach § 2 Abs. 6 Nr. 3 Satz 2 Halbsatz 1 WpHG ist für Emittenten, die unter § 2 Abs. 6 Nr. 3 Satz 1 lit. a WpHG fallen (d.h. für Emittenten, die ihren Sitz im Inland haben und deren Finanzinstrumente zum Handel an einem organisierten Markt auch 1 Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 155. 2 Vgl. RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 30/31.
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§2
Begriffsbestimmungen
oder ausschließlich in mindestens einem Mitgliedstaat der EU oder in mindestens einem EWR-Vertragsstaat zugelassen sind), aber keine Wahl getroffen haben, die Bundesrepublik Deutschland auch ohne eine solche Wahl der Herkunftsstaat. Gleiches gilt nach § 2 Abs. 6 Nr. 3 Satz 2 Halbsatz 2 WpHG für Emittenten, die unter § 2 Abs. 6 Nr. 3 Satz 1 lit. c WpHG fallen (d.h. Emittenten mit Sitz in einem Drittstaat, deren Finanzinstrumente aber zum Handel an einem organisierten Markt im Inland und in mindestens einem Mitgliedstaat der EU oder in mindestens einem EWR-Vertragsstaat zugelassen sind), aber keine Wahl getroffen haben, sofern das jährliche Dokument i.S. des § 10 WpPG bei der Bundesanstalt zu hinterlegen ist. Weitere Voraussetzungen der Wahl regelt § 2b WpHG.
XIII. Inlandsemittenten (§ 2 Abs. 7 WpHG) Ebenfalls Teil des mit der Transparenzrichtlinie und dem Transparenzrichtlinie-Um- 175 setzungsgesetz (Einl. Rz. 35) umgesetzten Systems, das die Adressaten kapitalmarktrechtliche Verhaltens- und Informationspflichten nach dem Herkunftslandprinzip bestimmt, ist die Spezifizierung des Adressatenkreises namentlich von Informationspflichten unter dem Begriff des Inlandsemittenten. Der in § 2 Abs. 7 WpHG definierte Begriff dient v.a. den §§ 15 Abs. 1 Satz 1, 15a Abs. 4, 26 Abs. 1, 26a, 30e i.V.m. 30f und 37v -37x WpHG als personeller Anknüpfungspunkt. § 2 Abs. 7 WpHG dient der Umsetzung von Art. 21 Abs. 3 der Transparenzrichtlinie und ist aufgrund von Art. 1 Nr. 2 lit. b Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (Einl. Rz. 35) erstmals in das WpHG gelangt. Ob ein Emittent als Inlandsemittent zu betrachten ist, lässt sich anhand von Schaubild 2 ermitteln, welches ein entsprechendes Prüfungsschema enthält. Deutschland ist Herkunftsstaat des Emittenten nein
ja Zulassung von Finanzinstrumenten jedenfalls auch in Deutschland
nein
Zulassung von Wertpapieren lediglich in einem anderen EU-Staat oder EWR-Staat
nein
Zulassung von Finanzinstrumenten in mehreren EU- oder EWR-Staaten
ja ja
Anderer EU-Staat oder EWR-Staat ist Herkunftsstaat
ja
Keine Veröffentlichungs- und Mitteilungspflichten nach Maßgabe der Richtlinie 2004/109/EG
ja
Zulassung der Wertpapiere nur in Deutschland ja
ja Inlandsemittent
Schaubild 2 zu Rz. 175: Inlandsemittent
Das Gesetz kennt zwei Formen von Inlandsemittenten: Nach § 2 Abs. 7 Nr. 1 WpHG ist Inlandsemittent jeder Emittent, für den Deutschland der Herkunftsstaat ist und Assmann
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§2
Begriffsbestimmungen
nimmt davon lediglich Emittenten aus, deren Wertpapiere nicht im Inland, sondern lediglich in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder einem anderen Vertragsstaat des EWR zugelassen sind, vorausgesetzt die Emittenten unterliegen in diesem Staat Veröffentlichungs- und Mitteilungspflichten nach Maßgabe der Transparenzrichtlinie (Einl. Rz. 35). Der letztgenannte Vorbehalt dient der Vermeidung von Regelungs- und Aufsichtslücken1. Gleichsam spiegelbildlich zur Regelung in Nr. 1 können nach § 2 Abs. 7 Nr. 2 WpHG Inlandsemittenten aber auch solche Emittenten sein, für die zwar nicht Deutschland, sondern ein anderer Mitgliedstaat der EU oder ein anderer Vertragsstaat des EWR der Herkunftsstaat ist, deren Wertpapiere dafür aber ausschließlich im Inland zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. 177 Im Hinblick auf die Vorschriften des Abschnitts 5 betreffend Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Veränderungen des Stimmrechtsanteils an das Unternehmensregister erfährt der Begriff des Inlandsemittenten durch § 21 Abs. 2 WpHG eine bereichsspezifische Einschränkung, indem nur solche Emittenten erfasst werden, deren Aktien zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind.
XIV. Herkunftsmitgliedstaat (§ 2 Abs. 8 WpHG) 178 Die Vorschrift ist durch Art. 1 Nr. 2 lit. i des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Einl. Rz. 36) in das Gesetz gelangt und dient der Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 Nr. 20 der Finanzmarktrichtlinie (Rz. 3). Der Begriff des Herkunftsmitgliedstaats ist Bestandteil der Regelungen in § 9 Abs. 3, § 31a Abs. 4 Nr. 2 und § 36a Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 WpHG. Das Gesetz verwendet den Begriff des Herkunftsmitgliedstaats im Hinblick auf Wertpapierdienstleistungsunternehmen einerseits und organisierte Märkte andererseits. 179 Für ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist nach § 2 Abs. 8 Nr. 1 WpHG Herkunftsmitgliedstaat der Mitgliedstaat der EU, in dem sich seine Hauptniederlassung befindet. Die Vorschrift dient der Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 Nr. 20 lit. a der Finanzmarktrichtlinie. Die in dieser Bestimmung unter den Nrn. i–iii für den Herkunftsmitgliedstaat von Wertpapierdienstleistungsunternehmen („Wertpapierfirmen“) angegebenen, nach natürlichen und juristischen Personen unterscheidenden Anknüpfungspunkte versteht der deutsche Gesetzgeber als Alternativen, die in dem Begriff der Hauptniederlassung aufgehoben seien2. Der Begriff der Hauptniederlassung ist weder in der Richtlinie noch in dem Umsetzungsgesetz noch in einem anderen deutschen Gesetz definiert: §§ 13–13h HGB erwähnen ihn zwar, umschreiben ihn aber nicht; entsprechendes gilt von dem in § 29 HGB für Kaufleute angeführten „Ort seiner Handelsniederlassung“. Deshalb ist der Begriff der Hauptniederlassung nach den allgemeinen Regeln des Handelsrechts und des internationalen Handelsund Gesellschaftsrechts als der „effektive“ oder „tatsächliche“ Sitz des Unternehmens anzusehen3. Das ist der Ort, von dem aus die Geschäfte dauerhaft geleitet oder an dem, mit anderen Worten, die maßgeblichen Entscheidungen getroffen werden4. Der Begriff der Hauptniederlassung ist nicht identisch mit dem des Satzungssitzes,
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Vgl. RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 31. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 57. A.A. Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 125. Vgl. Hopt, in: Baumbach/Hopt, § 13 HGB Rz. 1, § 106 HGB Rz. 8; Roth, in: Koller/Roth/ Morck, 7. Aufl. 2011, § 13 HGB Rz. 5, § 13d HGB Rz. 4.
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Begriffsbestimmungen
weshalb zur Bestimmung der Hauptniederlassung auch nicht auf den satzungsmäßigen Sitz der Gesellschaft abgestellt werden kann. Für einen organisierten Markt ist nach § 2 Abs. 8 Nr. 2 WpHG Herkunftsmitgliedstaat 180 der Mitgliedstaat, in dem der organisierte Markt registriert oder zugelassen ist, oder, sofern er nach dem Recht dieses Mitgliedstaates keinen Sitz hat, der Mitgliedstaat, in dem sich die Hauptniederlassung des organisierten Marktes befindet. Hauptanknüpfungspunkt für die Bestimmung des Herkunftsstaates eines organisierten Marktes ist damit der Staat, in welchem der Markt die Zulassung erhalten hat oder in dem er registriert wurde. Nur falls sich „hieraus nach den rechtlichen Bestimmungen dieses Staates nicht der juristische Sitz des organisierten Marktes ergibt, bestimmt sich der Herkunftsstaat“ hilfsweise nach der Hauptniederlassung des Betreibers des organisierten Markts; zur Bestimmung der Hauptniederlassung s. oben Rz. 179.
XV. Aufnahmemitgliedstaat (§ 2 Abs. 9 WpHG) Die Vorschrift ist durch Art. 1 Nr. 2 lit. i des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungs- 181 gesetzes (Einl. Rz. 36) in das Gesetz gelangt und dient der Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 Nr. 21 der Finanzmarktrichtlinie (Rz. 3). Der Begriff des Aufnahmemitgliedstaats ist Bestandteil der Regelung § 7 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 WpHG betreffend die Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen im Ausland. Das Gesetz verwendet den Begriff des Herkunftsmitgliedstaats im Hinblick auf Wertpapierdienstleistungsunternehmen einerseits und organisierte Märkte andererseits. Für ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist nach § 2 Abs. 9 Nr. 1 WpHG Auf- 182 nahmemitgliedstaat jeder Mitgliedstaat der EU, in dem es eine Zweigniederlassung unterhält oder im Wege des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs tätig wird. Aufnahmemitgliedstaat ist damit jedes Land, das „Zielland der Wertpapierdienstleistung“1 eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens ist. Das ist in der zweiten der in § 2 Abs. 9 Nr. 1 WpHG genannten Alternative das Land, in dem das Wertpapierdienstleistungsunternehmen durch das Angebot oder die Durchführung einer Wertpapierdienstleistung tätig wird. Kraft einer unwiderleglichen Vermutung ist dies nach der ersten der in § 2 Abs. 9 Nr. 1 WpHG genannten Alternative aber auch das Land, in dem das Wertpapierdienstleistungsunternehmen eine Zweigniederlassung unterhält. In Anlehnung an den in §§ 13 ff. HGB gesetzlich nicht definierten Zweigniederlassungsbegriff ist dies die Niederlassung des Wertpapierdienstleistungsunternehmens, an der dieses und/oder seine Leute, teils abhängig von der Hauptniederlassung, teils unabhängig von derselben, wirken. Typische Merkmale einer von der Hauptniederlassung getrennten Zweigniederlassung sind die räumliche Selbstständigkeit, die sachliche Gleichartigkeit der (aber nicht notwendigerweise aller) Geschäfte, eine gewisse Dauer des parallelen Geschäftsbetriebs, ähnliche Geschäftseinrichtungen und die Einsetzungen eines Leiters des räumlich getrennten Geschäftsbetriebs mit der Befugnis zu selbstständigem Handeln in nicht ganz unwesentlichem Umfang2. Für einen organisierten Markt ist nach § 2 Abs. 8 Nr. 2 WpHG Aufnahmemitgliedstaat jeder Mitgliedstaat, in dem geeignete Vorkehrungen bestehen, um in diesem Mitgliedstaat niedergelassenen Marktteilnehmern den Zugang zum Handel über sein 1 RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 57. 2 Vgl. Hopt, in: Baumbach/Hopt, § 13 HGB Rz. 3; Roth, in: Koller/Roth/Morck, 7. Aufl. 2011, § 13 HGB Rz. 6.
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System zu erleichtern. Das ist mit anderen Worten jeder Mitgliedstaat, in dem das Wertpapierdienstleistungsunternehmen den in diesem Markt mit – das folgt aus der Verwendung des Begriffs „niedergelassener“ Marktteilnehmer – einer gewissen Dauerhaftigkeit tätig werdenden Marktteilnehmern eine „Zugangsmöglichkeit zu dem Handelssystem des organisierten Marktes“1 anbietet.
XVI. Systematischer Internalisierer (§ 2 Abs. 10 WpHG) 184 Die Vorschrift ist durch Art. 1 Nr. 2 lit. i des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Einl. Rz. 36) in das Gesetz gelangt und bestimmt die Adressaten der aufgrund von Art. 1 Nr. 18 des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes in das WpHG eingefügten Regelungen der §§ 32–32d WpHG über die systematische Internalisierung und systematische Internalisierer. In diesen Vorschriften finden sich Sondervorschriften für systematische Internalisierer, insbesondere hinsichtlich Handelstransparenz und Ausführung von Kundenaufträgen2. Diese Vorschriften wurden erforderlich, weil systematische Internalisierer als lediglich bilaterale Handelsplattformen keine Börsen darstellen und dementsprechend auch nicht der für Börsen oder multilaterale Handelssysteme (Rz. 107 ff.) geltenden Regulierung unterliegen3. 185 Systematischer Internalisierer i.S. des WpHG ist nach § 2 Abs. 10 WpHG ein Unternehmen, das nach Maßgabe des Art. 21 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 (Rz. 8) häufig regelmäßig und auf organisierte und systematische Weise Eigenhandel außerhalb organisierter Märkte und multilateraler Handelssysteme betreibt. Die Definition des systematischen Internalisierers in § 2 Abs. 10 WpHG folgt weitgehend derjenigen in Art. 4 Nr. 7 der Finanzmarktrichtlinie4, demzufolge es sich bei einem systematischen Internalisierer um eine „Wertpapierfirma“ handelt, die in organisierter und systematischer Weise häufig regelmäßig Handel für eigene Rechnung durch Ausführung von Kundenaufträgen außerhalb eines geregelten Marktes oder eines MTF treibt“. Zur Beantwortung der Frage, wann die Ausführung von Kundenaufträgen für eigene Rechnung außerhalb eines geregelten Marktes oder eines multilateralen Handelssystems „organisiert, häufig und systematisch“ erfolgt, finden sich entsprechende Hinweise in Art. 21 der Durchführungsverordnung zur Finanzmarktrichtlinie (Rz. 8), darunter (in Art. 21 Abs. 1 der Durchführungsverordnung) vor allem Kriterien, die „anzeigen, dass sie [die Wertpapierfirma, d. Verf.] diese Tätigkeit organisiert, häufig und systematisch ausführt“. Die in Art. 21 der Durchführungsverordnung enthaltenen Bestimmungen zur Festlegung, ob eine Wertpapierfirma ein systematischer Internalisierer (i.S. von Art. 4 Nr. 7 der Finanzmarktrichtlinie) ist, übernimmt die Definition des systematischen Internalisierers in § 2 Abs. 10 WpHG in der Weise, dass sie auf Art. 21 der Durchführungsverordnung zur Finanzmarktrichtlinie Bezug nimmt; Art. 21 der Durchführungsverordnung findet damit im Rahmen des § 2 Abs. 10 WpHG entsprechende Anwendung. 186 Als systematische Internalisierung kommen nur Unternehmen in Bezug auf die von ihnen im Eigenhandel getätigten Geschäfte, d.h. die Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten für eigene Rechnung als Dienstleistung für andere (§ 2 1 RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 57. 2 Zur (systematischen) Internalisierung und zu Internalisierungssystemen s. Stefanski, Eigenhandel. 3 Vgl. Spindler/Kasten, WM 2006, 1755; Spindler/Kasten, WM 2007, 1247 m.w.N. 4 RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 57. Ausführlich zur Definition Kumpan, Regulierung, S. 285 ff.
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Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG, Rz. 73 ff.), in Betracht. Darüber hinaus muss der Eigenhandel außerhalb organisierter Märkte (§ 2 Abs. 5 WpHG) und multilateraler Handelssysteme (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 WpHG) betrieben werden, darf sich also vor allem nicht der börslichen Märkte bedienen. Nicht zuletzt aufgrund der Verweisung des § 2 Abs. 10 WpHG auf Art. 21 der Durchführungsverordnung zur Finanzmarktrichtlinie, welcher nur für „Wertpapierfirmen“ gilt, kommen als systematische Internalisierer i.S. des § 2 Abs. 10 WpHG nur Wertpapierfirmen, d.h. nach Terminologie des WpHG und der Definition der Wertpapierfirma in Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzmarktrichtlinie nur Wertpapierdienstleistungsunternehmen (vgl. Rz. 139) in Betracht. Die Formulierung, der Eigenhandel außerhalb organisierter Märkte und multilateraler Handelssysteme müsse, um eine systematische Internalisierung darzustellen, „häufig regelmäßig und auf organisierte und systematische Weise“ stattfinden, ist im Hinblick auf das Kriterium „häufig regelmäßig“ verwirrend. Da der Gesetzgeber hierbei in der Sache der Definition des Art. 4 Nr. 7 der Finanzmarktrichtlinie folgt, ist § 2 Abs. 10 WpHG so zu lesen, dass die fragliche Tätigkeit, um als systematische Internalisierung zu gelten, „organisiert, häufig und systematisch“ erfolgen muss. Bei der Auslegung dieser Merkmale ist dem sowohl in § 2 Abs. 10 WpHG selbst als auch in Art. 4 Nr. 7 der Finanzmarktrichtlinie in Bezug genommenen Art. 21 Abs. 1 lit. a–c der Durchführungsverordnung zur Finanzmarktrichtlinie zu folgen1. Dieser legt in lit. a–c Kriterien fest, die – wenn das Wertpapierdienstleistungsunternehmen sie allesamt (also kumulativ) erfüllt – eine gesetzliche Vermutung dafür erbringen, dass die als systematische Internalisierung in Betracht kommende Tätigkeit „organisiert, häufig und systematisch“ erfolgt.
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– Nach Art. 21 Abs. 1 lit. a der Durchführungsverordnung zur Finanzmarktrichtlinie 188 ist es zunächst erforderlich, dass die fragliche Tätigkeit im Geschäftsmodell des jeweiligen Wertpapierdienstleistungsunternehmens eine wesentliche kommerzielle Rolle2 spielt und gemäß nichtdiskretionärer Regeln und Verfahren ausgeübt wird. Nach den nicht sonderlich präzisen3, aber doch die Richtung angebenden Ausführungen in Erwägungsgrund 15 der Durchführungsverordnung zur Finanzmarktrichtlinie soll die Tätigkeit im Geschäftsmodell eine wesentliche Rolle einnehmen, wenn sie „eine bedeutende Einnahmequelle oder aber eine wichtige Kostenquelle“ darstellt. Konkretisiert heißt es weiter: „Bei der Bewertung der Bedeutung in diesem Sinne sollte in jedem Falle dem Umfang Rechnung getragen werden, in dem die Tätigkeit gesondert durchgeführt oder organisiert wird, sowie dem Geldwert der Tätigkeit, die sich sowohl nach ihrer Bedeutung im Verhältnis zur Gesamtgeschäftstätigkeit der Wertpapierfirma als auch nach ihrer Gesamttätigkeit auf dem von ihr in Bezug auf die betreffende Aktie bearbeiteten Markt richten sollte. Es sollte möglich sein, eine Tätigkeit als eine bedeutende Einnahmenquelle für eine Wertpapierfirma anzusehen, wenn lediglich ein oder zwei der erwähnten Faktoren in einem spezifischen Falle zutreffen“4. Die Tätigkeit wird gemäß nichtdiskretionärer Regeln und Verfahren ausgeübt, wenn sie für alle Internalisierungsfälle geltenden und nicht im Einzelfall nach dem Ermessen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens der Änderung unterliegenden Regeln und Verfahren folgt. Das schließt eine alle zukünfti1 Ebenso Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 167; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 129. 2 Kritisch zu diesem Merkmal Hirschberg, AG 2006, 401. Befürwortend Fuchs, in: Fuchs, § 2 WpHG Rz. 167. 3 Vgl. Gomber/Hirschberg, AG 2006, 780. 4 Die grammatikalischen Mängel des Textes finden sich im Original.
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gen Fälle der Internalisierung betreffende Änderung der Regeln und Verfahren nicht aus. 189 – Nach Art. 21 Abs. 1 lit. b der Durchführungsverordnung zur Finanzmarktrichtlinie ist es weiter erforderlich, dass die fragliche Tätigkeit von Personal bzw. mittels eines automatisierten technischen Systems ausgeführt wird, das zu diesem Zweck vorgesehen ist, und zwar unabhängig davon, ob sich das Personal ausschließlich diesem Zweck widmet bzw. das System ausschließlich darauf abgestimmt ist. 190 – Nach Art. 21 Abs. 1 lit. c der Durchführungsverordnung zur Finanzmarktrichtlinie muss die Tätigkeit den Kunden auf regelmäßiger oder kontinuierlicher Basis zur Verfügung stehen. Das ist ausgeschlossen, wenn es im Ermessen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens liegt, ob es Kundenaufträge im Einzelfall im Wege der systematischen Internalisierung ausführt oder nicht (vgl. auch Art. 21 Abs. 3 lit. a der Durchführungsverordnung). Nicht erfüllt wird das Kriterium vom so genannten Over the Counter-Handel (OTC-Handel)1, der nur fallweise im Zusammenhang mit großvolumigen Transaktionen zustandekommt und auch nach Art und Umfang nicht standardisierte Produkte einschließt. 191 Entsprechend den Bestimmungen in Art. 21 Abs. 2 der Durchführungsverordnung zur Finanzmarktrichtlinie ist ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen nicht mehr als systematischer Internalisierer in Bezug auf eine oder mehrere Aktien anzusehen, wenn es die Tätigkeit der systematischen Internalisierung im Hinblick auf die Aktie bzw. Aktien nicht mehr ausübt und darüber hinaus seine Absicht der Einstellung der Tätigkeit zuvor über die gleichen „Veröffentlichungskanäle“ angekündigt hat, die es für die Veröffentlichung der Kursofferten verwendet. Sollte dies nicht möglich sein, genügt die Ankündigung über einen „Veröffentlichungskanal“, der seinen Kunden und anderen Marktteilnehmern gleichermaßen zur Verfügung steht. 192 Für Eigenhandel betreibende systematische Internalisierer – gilt der besondere Ausschlussgrund des Art. 21 Abs. 3 der Durchführungsverordnung zur Finanzmarktrichtlinie, wonach keine organisierte, häufige und systematische Ausführung vorliegt, wenn (1) die Tätigkeit bilateral ad hoc und unregelmäßig mit Gegenparteien im Großkundenhandel ausgeführt wird und Teil einer Geschäftsbeziehung ist, die selbst wiederum von Geschäften charakterisiert wird, die über die Standardmarktgröße (dazu § 32 Rz. 5) hinausgehen, und (2) die Geschäfte auf andere Art und Weise ausgeführt werden als durch den Einsatz der Systeme, die das Wertpapierdienstleistungsunternehmen üblicherweise für solche Geschäfte einsetzt, die es in seiner Eigenschaft als systematischer Internalisierer abschließt. Da nach § 2 Abs. 10 WpHG systematischer Internalisierer nur sein kann, wer in der in dieser Bestimmung bezeichneten Weise „Eigenhandel außerhalb organisierter Märkte und multilateraler Handelssysteme“ betreibt, gilt der besondere Ausnahmegrund faktisch für alle von § 2 Abs. 10 WpHG erfassten Wertpapierdienstleistungsunternehmen.
1 Ebenso Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 130. Zur Unterscheidung von Internalisierung und OTC-Handel s. Mutschler, S. 195 ff.
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Ausnahmen
§ 2a Ausnahmen (1) Als Wertpapierdienstleistungsunternehmen gelten nicht 1. Unternehmen, die Wertpapierdienstleistungen im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 ausschließlich für ihr Mutterunternehmen oder ihre Tochter- oder Schwesterunternehmen im Sinne des § 1 Abs. 6 und 7 des Kreditwesengesetzes erbringen, 2. Unternehmen, deren Wertpapierdienstleistung für andere ausschließlich in der Verwaltung eines Systems von Arbeitnehmerbeteiligungen an den eigenen oder an mit ihnen verbundenen Unternehmen besteht, 3. Unternehmen, die ausschließlich Wertpapierdienstleistungen sowohl nach Nummer 1 als auch nach Nummer 2 erbringen, 4. private und öffentlich-rechtliche Versicherungsunternehmen, 5. die öffentliche Schuldenverwaltung des Bundes, eines seiner Sondervermögen, eines Landes, eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, die Deutsche Bundesbank und andere Mitglieder des Europäischen Systems der Zentralbanken sowie die Zentralbanken der anderen Vertragsstaaten, 6. Angehörige freier Berufe, die Wertpapierdienstleistungen nur gelegentlich im Rahmen eines Mandatsverhältnisses als Freiberufler erbringen und einer Berufskammer in der Form der Körperschaft des öffentlichen Rechts angehören, deren Berufsrecht die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen nicht ausschließt, 7. Unternehmen, die als Wertpapierdienstleistung für andere ausschließlich die Anlageberatung und die Anlagevermittlung zwischen Kunden und a) Instituten im Sinne des Kreditwesengesetzes, b) Instituten oder Finanzunternehmen mit Sitz in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums, die die Voraussetzungen nach § 53b Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 7 des Kreditwesengesetzes erfüllen, c) Unternehmen, die aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 53c des Kreditwesengesetzes gleichgestellt oder freigestellt sind, d) Kapitalanlagegesellschaften, Investmentaktiengesellschaften oder ausländischen Investmentgesellschaften, oder e) Anbietern oder Emittenten von Vermögensanlagen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Vermögensanlagengesetzes betreiben, sofern sich diese Wertpapierdienstleistungen auf Anteile an Investmentvermögen, die von einer inländischen Kapitalanlagegesellschaft oder Investmentaktiengesellschaft im Sinne der §§ 96 bis 111a des Investmentgesetzes ausgegeben werden, oder auf ausländische Investmentanteile, die nach dem Investmentgesetz öffentlich vertrieben werden dürfen, oder auf Vermögensanlagen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Vermögensanlagengesetzes beschränken und die Unternehmen nicht befugt sind, sich bei der Erbringung dieser Finanzdienstleistungen Eigentum oder Besitz an Geldern oder Anteilen von Kunden zu verschaffen, es sei denn, das Unternehmen beantragt und erhält eine entsprechende Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 des Kreditwesengesetzes; Anteile an Sondervermögen mit zusätzlichen Risiken nach § 112 des Investmentgesetzes gelten nicht als Anteile an Investmentvermögen im Sinne dieser Vorschrift, Assmann
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§ 2a
Ausnahmen
8. Unternehmen, deren Wertpapierdienstleistung ausschließlich in der Erbringung einer oder mehrerer der folgenden Dienstleistungen besteht: a) Eigengeschäfte an inländischen Börsen oder in multilateralen Handelssystemen im Inland, an oder in denen Derivate gehandelt werden (Derivatemärkte), und an Kassamärkten nur zur Absicherung dieser Positionen, b) Eigenhandel, Finanzkommissionsgeschäft oder Abschlussvermittlung an Derivatemärkten nur für andere Mitglieder dieser Märkte, c) Preisstellung als Market Maker im Sinne des § 23 Abs. 4 im Rahmen des Eigenhandels für andere Mitglieder dieser Derivatemärkte, sofern für die Erfüllung der Verträge, die diese Unternehmen an diesen Märkten oder in diesen Handelssystemen schließen, Clearingmitglieder derselben Märkte oder Handelssysteme haften, 9. Unternehmen, die Eigengeschäfte in Finanzinstrumenten betreiben oder Wertpapierdienstleistungen in Bezug auf Derivate im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 und 5 erbringen, sofern a) sie nicht Teil einer Unternehmensgruppe sind, deren Haupttätigkeit in der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen oder Bankgeschäften im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2, 8 oder 11 des Kreditwesengesetzes besteht, b) diese Wertpapierdienstleistungen auf Ebene der Unternehmensgruppe von untergeordneter Bedeutung im Verhältnis zur Haupttätigkeit sind und c) die Wertpapierdienstleistungen in Bezug auf Derivate im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 und 5 nur für Kunden ihrer Haupttätigkeit im sachlichen Zusammenhang mit Geschäften der Haupttätigkeit erbracht werden, 10. Unternehmen, die als einzige Wertpapierdienstleistung Eigengeschäfte betreiben, sofern sie nicht a) an einem organisierten Markt oder in einem multilateralen Handelssystem kontinuierlich den Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten im Wege des Eigenhandels zu selbst gestellten Preisen anbieten oder b) in organisierter und systematischer Weise häufig für eigene Rechnung außerhalb eines organisierten Marktes oder eines multilateralen Handelssystems Handel treiben, indem sie ein für Dritte zugängliches System anbieten, um mit ihnen Geschäfte durchzuführen, 11. Unternehmen, die als Wertpapierdienstleistung ausschließlich die Anlageberatung im Rahmen einer anderen beruflichen Tätigkeit erbringen, ohne sich die Anlageberatung gesondert vergüten zu lassen, 12. Unternehmen, soweit sie als Haupttätigkeit Eigengeschäfte und Eigenhandel mit Waren oder Derivaten im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 in Bezug auf Waren betreiben, sofern sie nicht einer Unternehmensgruppe angehören, deren Haupttätigkeit in der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen oder dem Betreiben von Bankgeschäften im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2, 8 oder 11 des Kreditwesengesetzes besteht, 13. Börsenträger oder Betreiber organisierter Märkte, die neben dem Betrieb eines multilateralen Handelssystems keine anderen Wertpapierdienstleistungen im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 erbringen, und
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§ 2a
Ausnahmen
14. Unternehmen, die das Platzierungsgeschäft ausschließlich für Anbieter oder für Emittenten von Vermögensanlagen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Vermögensanlagengesetzes erbringen. (2) Ein Unternehmen, das als vertraglich gebundener Vermittler im Sinne des § 2 Abs. 10 Satz 1 des Kreditwesengesetzes als Wertpapierdienstleistung nur die Abschlussvermittlung, Anlagevermittlung, das Platzieren von Finanzinstrumenten ohne feste Übernahmeverpflichtung oder Anlageberatung erbringt, gilt nicht als Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Seine Tätigkeit wird dem Institut oder Unternehmen zugerechnet, für dessen Rechnung und unter dessen Haftung es seine Tätigkeit erbringt. (3) (aufgehoben) In der Fassung des Gesetzes zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts vom 6.12.2011 (BGBl. I 2011, 2481). Schrifttum: BaFin, Merkblatt Locals („Hinweise zur Bereichsausnahme für ‚Locals‘“) vom 8.11.2010, www.bafin.de (Veröffentlichungen . Merkblätter); BaFin, Merkblatt öffentliche Schuldenverwaltung („Merkblatt – Hinweise zur Bereichsausnahme für die öffentliche Schuldenverwaltung“) vom 12.11.2010, www.bafin.de (Veröffentlichungen . Merkblätter); BaFin, Merkblatt System von Arbeitnehmerbeteiligungen („Merkblatt – Hinweise zur Bereichsausnahme für die Verwaltung eines Systems von Arbeitnehmerbeteiligungen“) vom 26.11.2010, www.bafin.de (Veröffentlichungen . Merkblätter); BaFin, Merkblatt Versicherungsunternehmen („Merkblatt – Hinweise zur Bereichsausnahme für Versicherungsunternehmen“) vom 15.11.2010, www.bafin.de (Veröffentlichungen . Merkblätter). S. auch § 2 und Einl.
Inhaltsübersicht I. Bedeutung und Entwicklung der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Die Ausnahmetatbestände des § 2a Abs. 1 WpHG . . . . . . . . . . . . . . .
3
1. Wertpapierdienstleistungen innerhalb des Konzerns (§ 2a Abs. 1 Nr. 1 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mutterunternehmen . . . . . . . . . . . d) Tochterunternehmen . . . . . . . . . . e) Schwesterunternehmen . . . . . . . . 2. Verwaltung von Arbeitnehmerbeteiligungen (§ 2a Abs. 1 Nr. 2 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kumulative Erbringung von Wertpapierdienstleistungen (§ 2a Abs. 1 Nr. 3 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Versicherungsunternehmen (§ 2a Abs. 1 Nr. 4 WpHG) . . . . . . . . . 5. Öffentliche Schuldenverwaltung und Zentralbanken (§ 2a Abs. 1 Nr. 5 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3 3 5 6 15 16
17
21 22
24
6. Gelegentliche Wertpapierdienstleistungen der Angehörigen freier Berufe (§ 2a Abs. 1 Nr. 6 WpHG) . . . 7. Ausschließlich Anteile an Investmentvermögen betreffende Anlageberatung und Anlagevermittlung (§ 2a Abs. 1 Nr. 7 WpHG) . . . . . . . . . 8. Geschäfte sog. Locals an Derivatemärkten (§ 2a Abs. 1 Nr. 8 WpHG) . 9. Eigengeschäfte und derivatbezogene Wertpapierdienstleistungen als Nebengeschäfte (§ 2a Abs. 1 Nr. 9 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Eigengeschäfte als einzige Wertpapierdienstleistung (§ 2a Abs. 1 Nr. 10 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Anlageberatung im Rahmen einer anderen beruflichen Tätigkeit (§ 2a Abs. 1 Nr. 11 WpHG) . . . . . . . . 12. Eigengeschäfte und Eigenhandel mit Waren oder Derivaten als Haupttätigkeit (§ 2a Abs. 1 Nr. 12 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 2a 13. Ausschließlicher Betrieb eines multilateralen Handelssystems (§ 2a Abs. 1 Nr. 13 WpHG) . . . . . . . . . . . . 14. Platzierungsgeschäft für Anbieter oder Emittenten von Vermögensanlagen (§ 2a Abs. 1 Nr. 14 WpHG) . III. Vertraglich gebundene Vermittler (§ 2a Abs. 2 WpHG) . . . . . . . . . . . . . .
Ausnahmen
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1. Übersicht und Normentwicklung. . 57 2. Die freigestellten Unternehmen und Tätigkeiten (§ 2a Abs. 2 Satz 1 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 3. Zurechnung (§ 2a Abs. 2 Satz 2 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
57
IV. § 2a Abs. 3 WpHG (a.F.) (aufgehoben) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
55
I. Bedeutung und Entwicklung der Vorschrift 1
§ 2a WpHG nimmt gewisse natürliche und juristische Personen in bestimmten Tätigkeitsfeldern von vornherein aus dem Anwendungsbereich von Vorschriften aus, deren Adressaten Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind. Rechtstechnisch geschieht dies dadurch, dass die Betroffenen nicht als Wertpapierdienstleistungsunternehmen behandelt werden. Die Bedeutung der Ausnahmeregelung liegt vor allem darin, dass die für Wertpapierdienstleistungen geltenden Verhaltens- und Organisationspflichten namentlich der §§ 31 ff. WpHG auf die der Ausnahmeregelung unterfallenden Unternehmen keine Anwendung finden. In der Sache rechtfertigen sich die Ausnahmeregelungen namentlich dadurch, dass es für den mit §§ 31 ff. WpHG angestrebten Anlegerschutz nicht als erforderlich angesehen wird, die fraglichen Unternehmen diesen Bestimmungen zu unterwerfen. Dafür ist es aber erforderlich, dass diejenigen, welche die Ausnahmebestimmungen in Anspruch nehmen, die Voraussetzungen für diese Ausnahmen auf Dauer erfüllen (Erwägungsgrund 16 der Finanzmarktrichtlinie, Einl. Rz. 36).
2
Vor der Einfügung des § 2a WpHG durch das Umsetzungsgesetz 1997 (Einl. Rz. 19) fanden sich einige Ausnahmeregelungen in § 37 Abs. 1 WpHG a.F. Durch Art. 2 Nr. 4 des Umsetzungsgesetzes 1997, welches der Umsetzung von Art. 2 Abs. 2 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Einl. Rz. 13) nebst den dazugehörigen Erwägungsgründen (16–23) diente, wurden sie in § 2a WpHG überführt. Dessen ungeachtet verblieben in § 37 WpHG Ausnahmeregelungen zu §§ 31 ff. WpHG, die sich allerdings darauf beschränkten, bestimmte Unternehmen von einzelnen der in diesen Vorschriften enthaltenen Verhaltenspflichten zu befreien; daran hat sich bis heute nichts geändert. § 2a WpHG hat dann durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz vom 28.10.2004 (Einl. Rz. 29) einige geringfügige Änderungen erfahren. Umfangreichere Modifikationen und Erweiterungen des § 2a WpHG gingen sodann mit dem Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (Einl. Rz. 36) nach Maßgabe von dessen Art. 1 Nr. 3 einher. Die Änderungen der Vorschrift durch Art. 3 Nr. 1a des Investmentänderungsgesetzes vom 21.12.2007 (Einl. Rz. 37) waren Folgeänderungen der Novellierung des Investmentgesetzes. Auch die letzte Änderung des § 2a WpHG durch Art. 7 Nr. 2 des Gesetzes zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie vom 19.11.2010 (BGBl. I 2010, 1592) ist nur redaktioneller Art (s. Einl. Rz. 50). Eine § 2a WpHG vergleichbare Vorschrift findet sich in § 2 KWG, demzufolge bestimmte Kreditinstitute, Unternehmen und Personen nicht als Kreditinstitute oder Finanzdienstleistungsinstitute gelten.
2a
Das Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts vom 6.12.2011 (BGBl. I 2011, 2481, s. Einl. Rz. 58) ändert § 2a WpHG – neben redaktionellen Anpassungen – in zwei Punkten: Zum einen ergänzt das Gesetz § 2a Abs. 1 Nr. 7 WpHG um einen Buchstaben „e) Anbietern oder Emittenten von Vermögensanlagen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Vermögensanlagengesetzes“. Damit 152 Assmann
§ 2a
Ausnahmen
zusammenhängend wird in dem Satzteil, welcher nunmehr dem neuen Buchstaben e) folgt, nach den Wörtern „die nach dem Investmentgesetz öffentlich vertrieben werden dürfen“, die Wörter „oder auf Vermögensanlagen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Vermögensanlagengesetzes“ eingefügt (zum Grund dieser Änderung s. unten Rz. 32 a.E.). Zum anderen tritt an die Stelle der aufgehobenen Nr. 14 des § 2a Abs. 1 WpHG (s. unten Rz. 56) eine neue Nr. 14, derzufolge die Unternehmen, die das Platzierungsgeschäft ausschließlich für Anbieter oder für Emittenten von Vermögensanlagen im Sinne des § 1 Abs. 2 des VermAnlG erbringen, nicht als Wertpapierdienstleistungsunternehmen gelten.
II. Die Ausnahmetatbestände des § 2a Abs. 1 WpHG 1. Wertpapierdienstleistungen innerhalb des Konzerns (§ 2a Abs. 1 Nr. 1 WpHG) a) Allgemeines Die auf das Umsetzungsgesetz 1997 (Einl. Rz. 19) und die Umsetzung von Art. 2 3 Abs. 2 lit. b der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Einl. Rz. 13; vgl. auch Erwägungsgrund 17 der Richtlinie) zurückgehende Vorschrift hat durch Art. 1 Nr. 3 des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Einl. Rz. 36) eine lediglich redaktionelle Änderung erfahren. Dass heute nicht mehr nur von Wertpapierdienstleistungen, sondern von solchen „im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1“ die Rede ist, ist dem Umstand geschuldet, dass der Eigenhandel, der keinerlei Merkmale der Dienstleistung für andere aufweist, nach (dem aufgrund von Art. 1 Nr. 2 des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes in das Gesetz gelangten) § 2 Abs. 3 Satz 2 WpHG Wertpapierdienstleistungen i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 WpHG gleichgestellt wird (s. § 2 Rz. 120). Auf den in § 2 Abs. 3 Satz 2 WpHG geregelten Eigenhandel findet der sich auf Ausnahmen zu „Wertpapierdienstleistungen im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1“ beschränkende § 2a Abs. 1 Nr. 1 WpHG damit keine Anwendung. Die Vorschrift wird den Anforderungen aus Art. 2 Abs. 1 lit. b der Finanzmarktrichtlinie gerecht. Ihr entspricht § 2 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 6 Satz 1 Nr. 5 KWG. Mit der Vorschrift, derzufolge Unternehmen, die Wertpapierdienstleistungen i.S. des 4 § 2 Abs. 3 Satz 1 WpHG ausschließlich für ihr Mutterunternehmen oder ihre Tochter- oder Schwesterunternehmen i.S. des § 1 Abs. 6 und Abs. 7 des KWG erbringen, nicht als Wertpapierdienstleistungsunternehmen gelten, sollen bestimmte Wertpapierdienstleistungen innerhalb eines Konzerns von der Anwendung vor allem der §§ 31 ff. WpHG freigestellt werden. Unternehmen, die neben den in § 2a Abs. 1 Nr. 1 WpHG freigestellten Wertpapierdienstleistungen noch andere als die in § 2a Abs. 1 Nr. 2 WpHG genannten Wertpapierdienstleistungen erbringen, sind jedoch nicht freigestellt und gelten als Wertpapierdienstleistungsunternehmen (arg. § 2a Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2a Abs. 1 Nr. 3 WpHG; Rz. 25). b) Unternehmen Die Vorschrift verlangt ein Unternehmen, das Wertpapierdienstleistungen i.S. des § 2 Abs. 3 Satz 1 WpHG für ein anderes erbringt, das Mutterunternehmen oder Tochter- oder Schwesterunternehmen (i.S. des § 1 Abs. 6 und 7 KWG) des ersteren ist. Auf beiden Seiten der Wertpapierdienstleistung muss mithin ein Unternehmen beteiligt sein. Nicht anders als der in Bezug auf § 1 Abs. 1a, § 2 Abs. 6 KWG – darunter auch § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 5 KWG als Parallelvorschrift zu § 2a Abs. 1 Nr. 1 WpHG – maßgebliche Begriff des Unternehmens verlangt der hier zur Anwendung zu bringende
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Ausnahmen
Unternehmensbegriff „einen dauerhaften oder zumindest auf einen nicht unerheblichen Zeitraum hin ausgerichteten Geschäftsbetrieb, der planmäßig und organisatorisch selbstständig geführt wird“1. Diese Voraussetzung können sowohl natürliche Personen als auch Gesellschaften erfüllen, wobei es auf deren Rechtsform nicht ankommt. c) Mutterunternehmen 6
Mutterunternehmen sind kraft des Verweises in § 2a Abs. 1 Nr. 1 WpHG auf § 1 Abs. 6 KWG solche Unternehmen, die Mutterunternehmen i.S. des § 290 HGB sind oder die einen beherrschenden Einfluss (auf mindestens ein anderes Unternehmen) ausüben können2. Die infolge des Verweises des § 2a Abs. 1 Nr. 1 WpHG auf § 1 Abs. 6 KWG zur Anwendung kommende Regelung entspricht der Fassung des § 290 HGB vor seiner Änderung durch Art. 1 Nr. 36 des Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts vom 25.5.2009 (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG)3. In dieser alten Fassung des § 290 HGB konnte ein Unternehmen auf zweierlei Weise als Mutterunternehmen zu qualifizieren sein: zum einen, weil das Unternehmen ein anderes unter einheitliche Leitung stellte (§ 290 Abs. 1 HGB a.F., 5. Aufl. des Kommentars § 2a Rz. 7 ff.), und zum anderen, weil das Unternehmen einen der drei in § 290 Abs. 2 Nrn. 1–3 HGB a.F. genannten Tatbestände erfüllte, darunter denjenigen, dass das Unternehmen über die Mehrheit der Stimmrechte bei einem anderen Unternehmen verfügte (5. Aufl. des Kommentars § 2a Rz. 11 ff.). In seiner neuen Fassung kennt § 290 Abs. 1 HGB jedoch nur noch den Tatbestand des beherrschenden Einflusses als Qualifikationsmerkmal eines Mutterunternehmens. Deshalb ist der Verweis des § 1 Abs. 6 KWG auf Unternehmen mit einem beherrschenden Einfluss auf ein anderes Unternehmen in dem Verweis auf § 290 HGB aufgegangen und damit obsolet geworden.
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Nach § 290 Abs. 1 Satz 1 HGB ist ein Unternehmen Mutterunternehmen, wenn es auf ein anderes Unternehmen (Tochterunternehmen) unmittel- oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Dabei kommt es nach ausdrücklicher Bestimmung des § 1 Abs. 6 KWG in beiden Fällen weder auf die Rechtsform noch den Sitz des als Mutterunternehmen in Frage kommenden Unternehmens an, weshalb die Anknüpfung des § 290 Abs. 1 Satz 1 HGB an eine „Kapitalgesellschaft … mit Sitz im Inland“ keine Rolle spielt.
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Nach § 290 Abs. 2 HGB verfügt ein Unternehmen über einen beherrschenden Einfluss „stets“ – d.h. auf jeden Fall, aber nicht ausschließlich4 – dann, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:
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– Nr. 1: Dem Unternehmen steht bei einem anderen Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte der Gesellschafter zu. Die bloße Mehrheit der Stimmen nach Maßgabe der jeweiligen Hauptversammlungs- oder Gesellschafterpräsenz oder ei-
1 BVerwG v. 22.9.2005 – 6 C 29/03, NZG 2005, 265 (270). 2 Der Verweis auf § 1 Abs. 6 KWG und dessen Weiterverweis auf § 290 HGB geht auf die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Einl. Rz. 13) zurück, die in ihrem Art. 1 Nr. 11 zur Definition des Begriffs des Mutterunternehmens ihrerseits auf die durch § 290 HGB a.F. umgesetzten Art. 1 und 2 der 7. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie 83/349/EWG über den konsolidierten Abschluss, ABl. EG Nr. L 193 v. 18.7.1983, S. 1, verweist. 3 BGBl. I 2009, 1102. 4 Vgl. Merkt, in: Baumbach/Hopt, § 290 HGB Rz. 8.
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ne Anteilsmehrheit reicht dazu nicht aus1. Ob einem Unternehmen die Stimmrechtsmehrheit zusteht, bestimmt sich nach dem Verhältnis der Zahl der Stimmrechte, die es aus den ihm gehörenden Anteilen ausüben kann, zur Gesamtzahl aller Stimmrechte (§ 290 Abs. 4 Satz 1 HGB). Dabei sind von der Gesamtzahl aller Stimmrechte die Stimmrechte aus eigenen Anteilen abzuziehen, die dem Tochterunternehmen selbst, einem seiner Tochterunternehmen oder einer anderen Person für Rechnung dieser Unternehmen gehören (§ 290 Abs. 4 Satz 2 HGB). – Nr. 2: Dem Unternehmen steht bei einem anderen Unternehmen das Recht zu, die Mehrheit der Mitglieder des die Finanz- und Geschäftspolitik bestimmenden Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans zu bestellen oder abzuberufen, und es ist gleichzeitig Gesellschafter des anderen Unternehmens. In Bezug auf das Aufsichtsorgan ist mit der Mehrheit der Mitglieder die Gesamtzahl der Mitglieder des gesamten Organs und nicht nur die Mehrheit der gegebenenfalls von der Anteilseignerseite zu bestimmenden Mitglieder gemeint2. Wie bisher muss dieses Recht seinerseits rechtlich begründet und abgesichert sein und darf nicht nur auf faktischer Einräumung oder faktischen Umständen (etwa einer Präsenzmehrheit) beruhen3. Als Rechte des Unternehmens gelten auch die einem seiner Tochterunternehmen zustehenden Rechte und die den für Rechnung des Mutterunternehmens oder von Tochterunternehmen handelnden Personen zustehenden Rechte (§ 290 Abs. 3 Satz 1 HGB). Den Rechten, die einem Unternehmen an einem anderen Unternehmen zustehen, werden diejenigen Rechte hinzugerechnet, über die es oder ein Tochterunternehmen aufgrund einer Vereinbarung mit anderen Gesellschaftern dieses Unternehmens verfügen kann (§ 290 Abs. 3 Satz 2 HGB). Dabei sind allerdings solche Rechte in Abzug zu bringen, die (1) mit Anteilen verbunden sind, die von dem Mutterunternehmen oder von Tochterunternehmen für Rechnung einer anderen Person gehalten werden, oder (2) mit Anteilen verbunden sind, die als Sicherheit gehalten werden, sofern diese Rechte nach Weisung des Sicherungsgebers oder, wenn ein Kreditinstitut die Anteile als Sicherheit für ein Darlehen hält, im Interesse des Sicherungsgebers ausgeübt werden (§ 290 Abs. 3 Satz 3 HGB).
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– Nr. 3: Dem Unternehmen steht das Recht zu, die Finanz- und Geschäftspolitik aufgrund eines mit einem anderen Unternehmen geschlossenen Beherrschungsvertrages (§§ 18 Abs. 1 Satz 2, 291 Abs. 1 Satz 1, 308 ff. AktG) oder aufgrund einer Bestimmung in der Satzung des anderen Unternehmens zu bestimmen. Als Beherrschungsvertrag kommt, wie bisher, nicht nur ein Vertrag i.S. des § 291 Abs. 1 AktG mit einer AG oder KGaA, sondern auch mit jeder anderen Gesellschaftsform in Betracht4. Zur Beantwortung der Frage, ob einem Unternehmen ein Recht i.S. des § 290 Abs. 2 Nr. 3 HGB zusteht, ist die Regelung in § 290 Abs. 3 HGB heranzuziehen; s. dazu vorstehend Rz. 10.
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– Nr. 4: Das Unternehmen trägt bei wirtschaftlicher Betrachtung die Mehrheit der 12 Risiken und Chancen eines Unternehmens, das zur Erreichung eines eng begrenzten und genau definierten Ziels des Mutterunternehmens dient (Zweckgesellschaft). Dem fügt das Gesetz die Bestimmung hinzu, neben Unternehmen könnten Zweckgesellschaften auch sonstige juristische Personen des Privatrechts oder
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Adler/Düring/Schmaltz, § 290 HGB Rz. 34; Merkt, in: Baumbach/Hopt, § 290 HGB Rz. 9. Merkt, in: Baumbach/Hopt, § 290 HGB Rz. 10. Adler/Düring/Schmaltz, § 290 HGB Rz. 48; Merkt, in: Baumbach/Hopt, § 290 HGB Rz. 11. Adler/Düring/Schmaltz, § 290 HGB Rz. 55–57 m.w.N.
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unselbstständige Sondervermögen des Privatrechts sein, ausgenommen SpezialSondervermögen i.S. des § 2 Abs. 3 InvG. 13
Die in Nrn. 1 bis 3 angeführten Indikatoren der Ausübung beherrschenden Einflusses entsprechen im Wesentlichen § 290 Abs. 2 HGB a.F.; Nr. 4 hat kein Vorbild in der alten Regelung. Wie früher ist unerheblich, ob das als Mutterunternehmen in Frage kommende Unternehmen tatsächlich die in der Bestimmung angeführten Kontrollinstrumente nutzt und mit ihnen beherrschenden Einfluss ausübt, solange nur (der Vorschrift des § 17 AktG entsprechend1) die Möglichkeit der unmittelbaren oder mittelbaren beherrschenden Einflussnahme besteht2.
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Die in § 290 Abs. 2 HGB angeführten Fälle der Ausübung eines beherrschenden Einflusses sind, wie das Gesetz selbst mit dem Zusatz „stets“ deutlich macht, nicht abschließend (s. Rz. 8). In Anlehnung an die dem Begriff des beherrschenden Einflusses in § 17 AktG gegebene Auslegung kommen darüber hinaus alle Möglichkeiten der Einflussnahme auf ein anderes Unternehmen in Betracht, die nach ihrer Art dem Einflusspotential einer Mehrheitsbeteiligung entsprechen3. Schon bisher war fraglich, ob die jeweilige Möglichkeit der beherrschenden Einflussnahme vertraglich, gesellschaftsrechtlich4 oder auf eine andere Weise rechtlich vermittelt sein muss. Bei der Beantwortung dieser Frage ist weiterhin davon auszugehen, dass § 1 Abs. 6 KWG eine Umsetzung von Art. 1 Spstr. 7 der Konsolidierungsrichtlinie5 darstellt. Dieser Richtlinienvorschrift zufolge ist Mutterunternehmen i.S. der Richtlinie zum einen jedes Mutterunternehmen i.S. der seinerseits durch § 290 HGB umgesetzten Art. 1 Abs. 1 der Konsolidierungsrichtlinie. Richtet sich dieser Verweis auf eine Regelung, die auf rechtlich vermittelte Einflussnahme(möglichkeiten) abstellt, so definiert Art. 1 Spstr. 7 als Mutterunternehmen zum anderen aber auch jedes Unternehmen, das „tatsächlich“ einen beherrschenden Einfluss ausübt. Dabei handelt es sich um eine Mindestvorgabe, über die hinausgehend der deutsche Gesetzgeber die bloße tatsächliche Einflussnahmemöglichkeit genügen lässt. Eine richtlinienkonforme Auslegung des § 1 Abs. 6 KWG gelangt deshalb zu dem Befund, als Mutterunternehmen i.S. des § 1 Abs. 6 KWG auch jedes Unternehmen zu betrachten, welches aufgrund tatsächlicher Umstände („faktisch“) einen beherrschenden Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausüben kann6. Um nicht jedem potentiell fremder Einflussnahme ausgesetzten Unternehmen Ansprüche auf die Beachtung der Verhaltensregeln aus §§ 31 ff. WpHG durch das potentielle Mutterunternehmen zu nehmen, erscheint es sinnvoll, den Begriff des Mutterunternehmens kraft faktischen Einflusspotentials in Übereinstimmung mit den zu § 17 AktG entwickelten Grundsätzen dahin gehend
1 S. Hüffer, § 17 AktG Rz. 4; Koppensteiner, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2004, § 17 AktG Rz. 29. 2 Szagunn/Haug/Ergenzinger, § 1 KWG Rz. 104. 3 Hüffer, § 17 AktG Rz. 5 m.w.N. 4 Entsprechend den zu § 17 AktG entwickelten Grundsätzen, etwa: BGH v. 26.3.1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 (395 f.) = AG 1984, 181; Hüffer, § 17 AktG Rz. 8 f.; Adler/Düring/ Schmaltz, § 17 AktG Rz. 22 ff. 5 7. gesellschaftsrechtliche Richtlinie 83/349/EWG über den konsolidierten Abschluss, ABl. EG Nr. L 193 v. 18.7.1983, S. 1. 6 Ebenso Fuchs, in: Fuchs, § 2a WpHG Rz. 8; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2a WpHG Rz. 5; Szagunn/Haug/Ergenzinger, § 1 KWG Rz. 104: gemeint sei das „tatsächliche Können“; Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 1 KWG Rz. 208; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2a WpHG Rz. 12; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2a Rz. 9.
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Ausnahmen
einzugrenzen, dass die Einflussnahmemöglichkeit als beständig1 und umfassend2 zu betrachten ist3. d) Tochterunternehmen Tochterunternehmen sind kraft des Verweises in § 2a Abs. 1 Nr. 1 WpHG auf § 1 15 Abs. 7 KWG solche Unternehmen, die als Tochterunternehmen i.S. des § 290 HGB gelten oder auf die ein beherrschender Einfluss ausgeübt werden kann, ohne dass es auf die Rechtsform und den Sitz ankommt (§ 1 Abs. 7 Satz 1 KWG). Durch die Änderung des § 290 HGB durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (Rz. 6) reduziert sich die in § 1 Abs. 7 KWG angeführte Alternative zur Bestimmung der Eigenschaft eines Unternehmens, Tochtergesellschaft zu sein, auf das Kriterium der Ausübung beherrschenden Einflusses. Dementsprechend ist Tochterunternehmen jedes Unternehmen, auf das ein anderes Unternehmen unmittel- oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann (§ 290 Abs. 1 Satz 1 HGB). Dabei kommt es weder auf die Rechtsform und den Sitz des beherrschenden Unternehmens (§ 1 Abs. 6 KWG) noch auf die Rechtsform und den Sitz des Tochterunternehmens als das beherrschte Unternehmen (§ 1 Abs. 7 KWG) an. e) Schwesterunternehmen Schwesterunternehmen sind kraft des Verweises in § 2a Abs. 1 Nr. 1 WpHG auf § 1 Abs. 7 KWG solche Unternehmen, die ein gemeinsames Mutterunternehmen i.S. des § 1 Abs. 6 KWG haben (§ 1 Abs. 7 Satz 2 KWG).
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2. Verwaltung von Arbeitnehmerbeteiligungen (§ 2a Abs. 1 Nr. 2 WpHG) Unternehmen, deren Wertpapierdienstleistung ausschließlich in der Verwaltung ei- 17 nes Systems von Arbeitnehmerbeteiligungen an den eigenen oder an mit ihnen verbundenen Unternehmen besteht, gelten nach § 2a Abs. 1 Nr. 2 WpHG nicht als Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Die Bestimmung entspricht § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 6 KWG und dient der Umsetzung von Art. 2 Abs. 2 lit. d der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Einl. Rz. 13; vgl. auch Erwägungsgrund 19 der Richtlinie). Durch Art. 1 Nr. 3 des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes ist der Begriff der Wertpapierdienstleistung um den Zusatz „für andere“ ergänzt worden. Die Vorschrift wird den Anforderungen aus Art. 2 Abs. 1 lit. e der Finanzmarktrichtlinie gerecht. Die Vorschrift stellt zunächst dasjenige Unternehmen frei, das Wertpapierdienstleis- 18 tungen ausschließlich im Rahmen der Verwaltung eines Systems der Beteiligungen von Arbeitnehmern an demselben Unternehmen erbringt. Sie erfasst darüber hinaus aber auch ein Unternehmen, welches – neben dem vorgenannten Fall oder anstelle desselben – keine anderen Wertpapierdienstleistungen erbringt als solche, die in der Verwaltung eines Systems von Arbeitnehmerbeteiligungen an einem verbundenen Unternehmen bestehen, sofern sich diese Beteiligungen auf das verbundene Unternehmen selbst beziehen. Die Freistellung nach § 2a Abs. 1 Nr. 2 WpHG greift mithin 1 D.h. verlässlich, nicht aber notwendigerweise auch auf gewisse Dauer: Hüffer, § 17 AktG Rz. 7; Koppensteiner, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2004, § 17 AktG Rz. 25. 2 D.h. breit und nicht nur punktuell: h.M., etwa Hüffer, § 17 AktG Rz. 7 m.w.N. A.A. Koppensteiner, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2004, § 17 AktG Rz. 27 mit Nachweisen zur h.M. in Rz. 26. 3 Wie hier Fuchs, in: Fuchs, § 2a WpHG Rz. 8; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2a WpHG Rz. 5.
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dann nicht ein, wenn es um die Verwaltung der Beteiligungen von Arbeitnehmern geht, die sich nicht auf Unternehmen beziehen, in denen diese beschäftigt sind, und zwar auch dann nicht, wenn die Beteiligungen verbundene Unternehmen betreffen1. Zum Unternehmensbegriff s. Rz. 5. 19
Die Vorschrift spricht von der Verwaltung eines Systems von Arbeitnehmerbeteiligungen und meint damit die Verwaltung von planmäßig, organisiert und nach bestimmten Regeln zustande kommenden Arbeitnehmerbeteiligungen am Zielunternehmen2. Als Arbeitnehmerbeteiligungen kommen alle unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungen von Arbeitnehmern am Unternehmenserfolg in Betracht, darunter vor allem Belegschaftsaktien und Bezugsrechte an Arbeitnehmer (§ 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG).
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Der Ausnahmetatbestand des § 2a Abs. 1 Nr. 2 WpHG ist nur dann erfüllt, wenn das Unternehmen ausschließlich zur Verwaltung eines Systems von Beteiligungen an dem eigenen oder an mit ihm verbundenen Unternehmen für die jeweiligen Arbeitnehmer tätig wird3. Unternehmen, welche neben Wertpapierdienstleistungen, die der Verwaltung von Systemen von Arbeitnehmerbeteiligungen der vorstehend (Rz. 19) angeführten Art dienen, noch andere als die in § 2a Abs. 1 Nr. 1 WpHG angeführten Wertpapierdienstleistungen erbringen, sind nicht freigestellt und gelten als Wertpapierdienstleistungsunternehmen (§ 2a Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 2a Abs. 1 Nr. 3 WpHG; s. auch unten Rz. 21)4. Verbundene Unternehmen sind Unternehmen i.S. von § 15 AktG5. § 34c GewO wird vom Ausnahmetatbestand des § 2a Abs. 1 Nr. 2 WpHG nicht berührt6. 3. Kumulative Erbringung von Wertpapierdienstleistungen (§ 2a Abs. 1 Nr. 3 WpHG)
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Unternehmen, die ausschließlich Wertpapierdienstleistungen i.S. sowohl der Nr. 1 als auch der Nr. 2 erbringen, gelten nach § 2a Abs. 1 Nr. 3 WpHG nicht als Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Die über Art. 2 Nr. 4 des Umsetzungsgesetzes 1997 in das Gesetz gelangte und auch den Anforderungen aus Art. 2 Abs. 1 lit. f der Finanzmarktrichtlinie gerecht werdende Vorschrift entspricht § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 7 KWG und setzt Art. 2 Abs. 2 lit. e der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Einl. Rz. 13) um. Sie bestimmt, dass die Ausnahmevoraussetzungen der Nrn. 1 und 2 – je1 RegE Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 963/96 (= BT-Drucks. 13/7142), S. 103, 71: „Beteiligungen, die Arbeitnehmer an einem anderen Konzernunternehmen, bei dem sie nicht beschäftigt sind, oder an konzernfremden Unternehmen halten, werden nicht erfasst“. Auch Beck, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 2a WpHG Rz. 7; Reischauer/Kleinhans, § 2 KWG Rz. 56; Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 2 KWG Rz. 54; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2a WpHG Rz. 14. A.A. Fuchs, in: Fuchs, § 2a WpHG Rz. 12; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2a WpHG Rz. 7; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2a Rz. 13 (Beteiligungen von Arbeitnehmern des Tochterunternehmens am Mutterunternehmen sind erfasst). 2 Ähnlich Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2a WpHG Rz. 7 (gewisser Organisationsgrad); Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2a Rz. 12 („Beteiligungen von Arbeitnehmern aufgrund eines dahingehenden Konzepts und entsprechend in einer gewissen Vielzahl“). 3 RegE Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften, BT-Drucks. 13/7142, S. 71; BaFin, Merkblatt System von Arbeitnehmerbeteiligungen, unter 2a, www.bafin.de. 4 Vgl. BaFin, Merkblatt System von Arbeitnehmerbeteiligungen, unter 2a, www.bafin.de. 5 Ebenso Fuchs, in: Fuchs, § 2a WpHG Rz. 12; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2a WpHG Rz. 7. 6 RegE Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 963/96 (= BT-Drucks. 13/7142), S. 71; BaFin, Merkblatt System von Arbeitnehmerbeteiligungen, unter 2a, www.bafin.de.
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weils für sich und zusammengenommen – auch dann eingreifen, wenn ein Unternehmen gleichzeitig Wertpapierdienstleistungen i.S. von § 2a Abs. 1 Nr. 1 WpHG und i.S. von § 2a Abs. 1 Nr. 2 WpHG erbringt, darüber hinaus aber keine anderen Geschäfte oder Tätigkeiten ausübt, die Wertpapierdienstleistungen darstellen1. Zum Unternehmensbegriff s. Rz. 5. 4. Versicherungsunternehmen (§ 2a Abs. 1 Nr. 4 WpHG) Aufgrund der Regelung in § 2a Abs. 1 Nr. 4 WpHG gelten private und öffentlich- 22 rechtliche Versicherungsunternehmen nicht als Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Die Vorschrift entspricht § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 KWG und setzt, auf Art. 2 Nr. 4 des Umsetzungsgesetzes 1997 beruhend, Art. 2 Abs. 2 lit. a der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Einl. Rz. 13; vgl. auch Erwägungsgrund 16 der Richtlinie) um. Sie wird zugleich den Anforderungen aus Art. 2 Abs. 1 lit. a der Finanzmarktrichtlinie gerecht. Versicherungsunternehmen sind Unternehmen, die den Betrieb von Versicherungs- 23 geschäften zum Gegenstand haben und nicht Träger der Sozialversicherung sind (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 VAG)2. Ihre Herausnahme aus dem Kreis von Wertpapierdienstleistungsunternehmen und aus der Beaufsichtigung nach den Vorschriften des WpHG beruht auf dem Umstand, dass Versicherungsunternehmen bereits der Aufsicht nach den Vorschriften des Gesetzes über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz – VAG) unterliegen. Aus diesem Grund ist es auch gerechtfertigt, die ebenfalls im VAG erfassten Pensionsfonds i.S. des § 112 Abs. 1 VAG (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 VAG) und Versicherungs-Zweckgesellschaften i.S. des § 121g VAG (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 VAG) als von der Ausnahmebestimmung erfasst zu betrachten: Sie stellen zwar keine Versicherungsunternehmen dar, unterliegen aber wie diese der Aufsicht nach dem VAG3. Im Übrigen sind nur solche Unternehmen erfasst, die nach dem VAG zum Geschäftsbetrieb im Inland befugt sind4. 5. Öffentliche Schuldenverwaltung und Zentralbanken (§ 2a Abs. 1 Nr. 5 WpHG) Keine Wertpapierdienstleistungsunternehmen (und damit weder den Verhaltens- 24 pflichten aus §§ 31 ff. WpHG noch der diesbezüglichen Beaufsichtigung durch die BaFin unterworfen) sind nach § 2a Abs. 1 Nr. 5 WpHG die öffentliche Schuldenverwaltung des Bundes, eines seiner Sondervermögen, eines Landes, eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, die Deutsche Bundesbank und andere Mitglieder des Europäischen Systems der Zentralbanken sowie die Zentralbanken der anderen Vertragsstaaten5. Die Ausnahmevorschrift des § 2a Abs. 1 Nr. 5 WpHG gleicht derjenigen in § 37 Abs. 1 Nr. 2 der Ursprungsfassung des WpHG und diente 1 Begr. RegE Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 963/96 (= BT-Drucks. 13/7142), S. 103, 71. 2 BaFin, Merkblatt Versicherungsunternehmen, unter 1, www.bafin.de, mit dem Hinweis, das VAG sei als Bundesrecht auch dann die Grundlage für die Aufsicht, wenn sie nicht durch die Bundesanstalt, sondern durch die Länderaufsichtsbehörden ausgeübt werde. Das Merkblatt bezieht sich zwar auf die Parallelvorschrift des § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 4 KWG, ist aber auch für die Auslegung des Ausnahmetatbestands des § 2a Abs. 1 Nr. 4 WpHG heranzuziehen. 3 BaFin, Merkblatt Versicherungsunternehmen, unter 1, www.bafin.de. 4 BaFin, Merkblatt Versicherungsunternehmen, unter 2c, www.bafin.de. 5 S. Begr. RegE Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 963/96 (= BT-Drucks. 13/7142), S. 103, 71. Vgl. auch BaFin, Merkblatt öffentliche Schuldenverwaltung, www.bafin.de.
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§ 2a
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zunächst der (durch Art. 2 Nr. 4 des Umsetzungsgesetzes 1997 bewirkten) Umsetzung von Art. 2 Abs. 2 lit. f der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Einl. Rz. 13; vgl. auch Erwägungsgrund 20 der Richtlinie). Der Bestimmung entspricht § 2 Abs. 6 Satz 1 Nrn. 1 und 3 KWG. Um den Anforderungen von Art. 2 Abs. 1 lit. g der Finanzmarktrichtlinie zu genügen, bedurfte die Vorschrift keiner großen Änderungen. Durch Art. 1 Nr. 3 des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes wurde der Wortlaut lediglich an Art. 2 Abs. 1 lit. g der Finanzmarktrichtlinie angeglichen, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass zum 1.6.1998 das Europäische System der Zentralbanken geschaffen wurde. Inhaltlich stellt dies eine Klarstellung und keine Änderung der Vorschrift dar1. 6. Gelegentliche Wertpapierdienstleistungen der Angehörigen freier Berufe (§ 2a Abs. 1 Nr. 6 WpHG) 25
Nicht zu den Wertpapierdienstleistungsunternehmen zählen nach der Ausnahmebestimmung des § 2a Abs. 1 Nr. 6 WpHG Angehörige freier Berufe, die Wertpapierdienstleistungen nur gelegentlich im Rahmen eines Mandatsverhältnisses als Freiberufler erbringen und einer Berufskammer in der Form der Körperschaft des öffentlichen Rechts angehören, deren Berufsrecht die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen nicht ausschließt. Die Vorschrift entspricht § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 10 KWG und setzt Art. 2 Abs. 2 lit. c der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Einl. Rz. 13; vgl. auch Erwägungsgrund 18 der Richtlinie) um. Um den Anforderungen von Art. 2 Abs. 1 lit. j der Finanzmarktrichtlinie zu genügen, bedurfte auch diese Vorschrift keiner sachlichen Änderung. Die geringfügige Abwandlung des Wortlauts durch Art. 1 Nr. 3 des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes dient der Klarstellung, dass nur im Rahmen eines Mandatsverhältnisses Wertpapierdienstleistungen von Angehörigen freier Berufe ohne aufsichtsrechtliches Zulassungserfordernis erbracht werden dürfen (dazu unten Rz. 27). Weder die Wertpapierdienstleistungsnoch die Finanzmarktrichtlinie verlangen eine Beschränkung auf freiberufliche Tätigkeit, wie sie in der Bestimmung zu finden ist, doch stand weder die eine noch steht die andere der restriktiveren Fassung der Ausnahmevorschrift entgegen2.
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Angehörige freier Berufe sind Personen, die Dienste höherer Art höchstpersönlich zu erbringen haben. Darunter fallen auf jeden Fall die für den Anwendungsbereich des WpHG und dieser Ausnahmebestimmung in erster Linie in Frage kommenden Rechts- und Patentanwälte, Anwalts-Notare, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und (wenngleich in diesem Zusammenhang weniger bedeutsam) Architekten3. Eine Aufzählung freier Berufe findet sich in § 1 Abs. 2 PartGG.
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Die fraglichen Wertpapierdienstleistungen müssen im Zusammenhang mit der Berufsausübung des Freiberuflers anfallen und in einer sachlichen Verbindung gerade zu dieser Berufstätigkeit stehen4. Freigestellt werden diese Dienstleistungen nur dann, wenn sie nicht planmäßig erbracht werden, sondern nur gelegentlich und so, wie es ihre Berufsausübung gerade mit sich bringt. Auch wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, werden Wertpapierdienstleistungen eines Freiberuflers nur freigestellt,
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RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 57. Ebenso Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2a Rz. 18. Vgl. Hopt, in: Baumbach/Hopt, § 1 HGB Rz. 19. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 57/58; Fuchs, in: Fuchs, § 2a WpHG Rz. 18; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2a WpHG Rz. 11; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2a WpHG Rz. 20; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2a Rz. 19.
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wenn dieser selbst Mitglied einer Berufskammer ist und deren Berufsrecht (Standesregeln) Wertpapierdienstleistungen der fraglichen Art nicht ausschließt. 7. Ausschließlich Anteile an Investmentvermögen betreffende Anlageberatung und Anlagevermittlung (§ 2a Abs. 1 Nr. 7 WpHG) Nach der durch Art. 1 Nr. 3 lit. a des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes ge- 28 änderten Fassung des § 2a Abs. 1 Nr. 7 WpHG galt ein Unternehmen, dessen einzige Wertpapierdienstleistung darin bestand, Aufträge zum Erwerb oder zur Veräußerung von in der Vorschrift näher bestimmten Anteilen an Investmentvermögen an einen der in der Vorschriften angeführten Adressaten weiterzuleiten, nicht als Wertpapierdienstleistungsunternehmen, sofern es dem Unternehmen untersagt war, sich bei der Erbringung dieser Wertpapierdienstleistungen Eigentum oder Besitz an Geldern, Anteilscheinen oder Anteilen der Kunden zu verschaffen. Die Vorschrift entsprach § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 8 KWG a.F. und setzte Art. 2 Abs. 2 lit. g der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Einl. Rz. 13) um, bei welcher es sich (wie bei sämtlichen der in Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie angeführten Ausnahmen vom Anwendungsbereich derselben) um eine zwingende Bereichsausnahme handelte. Art. 3 Abs. 1 der Finanzmarktrichtlinie eine der seinerzeitigen Regelung entspre- 29 chende Ausnahme in das Ermessen der Mitgliedstaaten. Der deutsche Gesetzgeber hat hiervon in der Weise Gebrauch gemacht, dass er die seinerzeitige Ausnahmeregelung für die Weiterleitung von Aufträgen zum Erwerb oder zur Veräußerung von Anteilen an Investmentvermögen in der Sache aufrechterhielt, aber gegenüber der vorherigen Regelung teils präzisierte, teils an veränderte gesetzliche Randbedingungen anpasste. Vor allem hat der Gesetzgeber die Anknüpfung an den Begriff der „Weiterleitung“ von Aufträgen, welcher ausschließlich eine gar nicht als Wertpapierdienstleistung anzusehende Botentätigkeit zu erfassen schien1, aufgegeben und auch der Versuchung widerstanden, die von Art. 3 Abs. 1 (Spiegelstriche 2 und 3) der Finanzmarktrichtlinie verwandten und keineswegs klareren Begriffe der „Annahme und Übermittlung“ von Aufträgen zu übernehmen. Statt dessen wird nunmehr auf die ausschließliche Anlageberatung und die Anlagevermittlung zwischen Kunden und bestimmten Unternehmen in Bezug auf bestimmte Anteile an Investmentvermögen abgestellt. Damit wird an Dienstleistungen angeknüpft, die fraglos Wertpapierdienstleistungen darstellen. Beibehalten hat der deutsche Gesetzgeber auch die Beschränkung der Ausnahmeregelung auf Dienstleistungen in Bezug auf Anteile an Investmentvermögen, obwohl Art. 3 Abs. 1 (Spiegelstrich 2) der Finanzmarktrichtlinie eine Erweiterung auf Dienstleistungen in Bezug auf „übertragbare Wertpapiere“ erlaubt hätte. § 2a Abs. 1 Nr. 7 WpHG in der ihm durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz gegebenen Fassung hat durch Art. 3 Nr. 1a lit. a aa des Investmentänderungsgesetzes (Einl. Rz. 37) eine bloße redaktionelle Änderung erfahren: In § 2a Abs. 1 Nr. 7 lit. d WpHG wurde das Wort „Investmentgesellschaften“ durch die Wörter „Kapitalanlagegesellschaften, Investmentaktiengesellschaften oder ausländischen Investmentgesellschaften“ und in dem nachfolgenden Satzteil die Angabe „§ 111“ durch die Angabe „§ 111a“ ersetzt. Zu den Änderungen des § 2a Abs. 1 Nr. 7 WpHG, die das Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts mit sich brachte, s. die Hinweise oben Rz. 2a.
1 Dazu 4. Aufl. des Kommentars § 2a Rz. 33. Ebenso Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2a Rz. 20.
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Zum Unternehmensbegriff s. Rz. 5. Im Übrigen zerfällt die Ausnahmevorschrift regelungstechnisch in drei Teile, nämlich in Bestimmungen über die Art, die Parteien und den Gegenstand der Dienstleistung:
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Die von der Ausnahmevorschrift erfassten Arten von Wertpapierdienstleistungen sind die Anlageberatung und die Anlagevermittlung i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 bzw. Nr. 9 WpHG in Bezug auf Anteile an Investmentvermögen, wie sie in § 2a Abs. 1 Nr. 7 Halbsatz 1 WpHG nach lit. d näher beschrieben sind.
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Der Ausnahmebestimmung unterfallen sodann nur Wertpapierdienstleistungen zwischen bestimmten Parteien, nämlich zum einen die Anlageberatung gegenüber Anlegern und zum anderen Vermittlungsdienstleistungen zwischen Kunden und bestimmten Gegenparteien, wie sie in § 2a Abs. 1 Nr. 7 Halbsatz 1 lit. a–e WpHG aufgeführt sind. Es entspricht dem Begriff der Anlageberatung, dass es sich bei dieser nur um eine Wertpapierdienstleistung gegenüber Anlegern und nicht gegenüber denjenigen handeln kann, die – entsprechend der Aufzählung in § 2a Abs. 1 Nr. 7 Halbsatz 1 lit. a–e WpHG – Emittenten oder Vertreiber von Anlageprodukten darstellen. Als Anlagevermittlung wird von der Vorschrift nur die Vermittlungstätigkeit zwischen Kunden des Vermittlers einerseits und den in § 2a Abs. 1 Nr. 7 Halbsatz 1 lit. a–e WpHG genannten Gegenparteien erfasst. Auch hier sind unter Kunden Anleger zu verstehen, d.h. natürliche und juristische Personen, die als potentielle Anleger in Frage kommen (vgl. § 2 Rz. 114). Als Gegenparteien des zu vermittelnden Geschäfts kommen alternativ in Betracht: (1) Institute im Sinne des KWG. Das sind gemäß § 1 Abs. 1b KWG Kreditinstitute i.S. von § 1 Abs. 1 KWG und Finanzdienstleistungsinstitute i.S. von § 1 Abs. 1a KWG. (2) Institute (Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute) oder Finanzunternehmen (i.S. von § 1 Abs. 3 KWG) mit Sitz in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums, die die Voraussetzungen nach § 53b Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 7 KWG erfüllen. (3) Unternehmen, die aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 53c KWG gleichgestellt oder freigestellt sind. (4) Kapitalanlagegesellschaften (i.S. von § 6 InvG), Investmentaktiengesellschaften (i.S. von § 96 InvG) oder ausländische Investmentgesellschaften, d.h. auslandsansässige Gesellschaften, die Anteile über ausländische Investmentvermögen („ausländische Investmentanteile“, § 135 InvG) ausgeben. (5) Anbieter oder Emittenten von Vermögensanlagen i.S. des § 1 Abs. 2 VermAnlG. Diese Gegenpartei ist § 2a Abs. 1 Nr. 7 WpHG erst aufgrund des Gesetzes zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts hinzugefügt worden (s. Einl. Rz. 58 und oben Rz. 2a). Die Änderung ist dem Umstand geschuldet, dass das Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittlerund Vermögensanlagenrechts (Einl. Rz. 58, § 2 Rz. 3a, 60a) Finanzinstrumente i.S. des § 2 Abs. 2b WpHG um Vermögensanlagen i.S. des § 1 Abs. 2 VermAnlG (mit Ausnahme von Anteilen an einer Genossenschaft i.S. von § 1 des Genossenschaftsgesetzes sowie von einfachen Namensschuldverschreibungen, die von einem Einlagenkreditinstitut ausgegeben werden) ergänzt hat. Durch die Hinzufügung des neuen Buchstaben e und die Änderung des nachfolgenden Satzteils (um die Formulierung „oder auf Vermögensanlagen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Vermögensanlagengesetzes“1, s. oben Rz. 2a) sollen sog. freie Vermittler von Vermögensanlagen i.S. des § 1 Abs. 2
1 Im RegE, BT-Drucks. 17/6051 v. 6.6.2011, S. 17, war (in Art. 3 Nr. 2 lit. d) stattdessen die Formulierung „oder auf Vermögensanlagen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Vermögensanlagengesetzes, die nach dem Vermögensanlagengesetz im Inland öffentlich angeboten werden dürfen“ vorgesehen. Einer Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (BT-Drucks. 17/7453 v. 25.10.2011, S. 43, folgend, wurde die angeführte Formulierung Gesetz; zur Begründung s. ebd. S. 110).
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VermAnlG von der Qualifizierung als Wertpapierdienstleistungsunternehmen i.S. des WpHG ausgenommen werden, sofern sie die in § 2a Abs. 1 Nr. 7 WpHG genannten Voraussetzungen erfüllen. Auf diese Weise wird „der Status freier Vermittler von Vermögensanlagen in dieser Hinsicht beispielsweise demjenigen der freien Vermittler offener Fonds gleichgestellt“, ohne dass sie Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind und damit der Aufsicht durch die BaFin unterliegen1. Schließlich werden die von der Ausnahmevorschrift erfassten Wertpapierdienstleis- 33 tungen ihrem Gegenstand nach eingeschränkt. Auch dies geschieht auf dreifache Weise: (1) Erstens werden nur solche Beratungs- oder Vermittlungsdienstleistungen ausgenommen, die sich ausschließlich auf die in der Vorschrift angeführten Anlagegegenstände beziehen. (2) Zweitens müssen sich die Anlageberatung oder die Anlagevermittlung entweder auf Anteile an Investmentvermögen beziehen, die von einer inländischen Kapitalanlagegesellschaft oder Investmentaktiengesellschaft i.S. der §§ 96 bis 111a des Investmentgesetzes ausgegeben werden, oder sie müssen ausländische Investmentanteile, die nach dem Investmentgesetz (§§ 130 ff. bzw. 135 ff. InvG) öffentlich vertrieben werden dürfen, zum Gegenstand haben. Kraft ausdrücklicher Regelung in § 2a Abs. 1 Nr. 7 Halbsatz 2 WpHG ist die Anlageberatung und/ oder Anlagevermittlung in Bezug auf Anteile an Sondervermögen mit zusätzlichen Risiken nach § 112 InvG von der Ausnahmebestimmung ausgeschlossen. Wenn das Gesetz bestimmt, dass sich die auszunehmenden Wertpapierdienstleistungen auf diese Anlageprodukte „beschränken“ müssen, so heißt das, dass eine notwendige Voraussetzung der Ausnahmebestimmung entfällt, wenn das fragliche Wertpapierdienstleistungsunternehmen auch andere Anlageprodukte als die in dieser Bestimmung aufgeführten in die Anlageberatung oder Anlagevermittlung miteinbezieht2. Es ist mithin eine vorbehaltlose Spezialisierung auf die Beratung und/oder die Vermittlung der in § 2a Abs. 1 WpHG angeführten Investmentanteile erforderlich. (3) Drittens darf das die Anlageberatung und/oder die Anlagevermittlung betreibende Unternehmen nicht befugt sein, sich bei der Erbringung dieser Wertpapierdienstleistungen Eigentum oder Besitz an Geldern oder Anteilen von Kunden zu verschaffen, es sei denn, das Unternehmen beantragt und erhält eine entsprechende Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 KWG. 8. Geschäfte sog. Locals an Derivatemärkten (§ 2a Abs. 1 Nr. 8 WpHG) Die in § 2a Abs. 1 Nr. 8 WpHG geschaffene Ausnahme privilegiert Unternehmen, die ausschließlich bestimmte Wertpapierdienstleistungen für andere Mitglieder von Derivatemärkten im Inland erbringen und/oder an diesen Derivatemärkten bestimmte Eigengeschäfte in Derivaten tätigen, deren Risiken sie gegebenenfalls an inländischen Kassamärkten absichern. Der Regelung entspricht § 2 Abs. 1 Nr. 8 und Abs. 6 Satz 1 Nr. 9 KWG.
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Nach alter, durch Art. 1 Nr. 3 lit. a des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes geänderter Fassung der Vorschrift wurden Unternehmen, die Wertpapierdienstleistungen ausschließlich an einem organisierten Markt, an dem ausschließlich Derivate gehandelt werden, für andere Mitglieder dieses Marktes erbrachten und deren Verbindlichkeiten durch ein System zur Sicherung der Erfüllung der Geschäfte an diesem Markt abgedeckt war, nicht als Wertpapierdienstleistungsunternehmen be-
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1 RegE, BT-Drucks. 17/6051 v. 6.6.2011, S. 41. 2 Auch Fuchs, in: Fuchs, § 2a WpHG Rz. 24; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2a WpHG Rz. 13.
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handelt. Dieses in Umsetzung von Art. 2 Abs. 2 lit. j der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Einl. Rz. 13) geschaffene so genannte Terminbörsenprivileg wird mit der Vorschrift an die geänderten Vorgaben in Art. 2 Abs. 1 lit. l der Finanzmarktrichtlinie (Einl. Rz. 36) für die Tätigkeit der so genannten Locals („local firms“) angepasst. Bei diesen handelt es sich um Unternehmen, deren Tätigkeit ausschließlich darin besteht, als Mitglieder eines Derivatemarkts für eigene Rechnung oder für Rechnung anderer Mitglieder des Markts an diesem Markt – und gegebenenfalls, zur Absicherung der eingegangenen Positionen, auch am Kassamarkt – tätig zu werden1. Es besteht kein Bedarf, die Geschäfte der Locals der Aufsicht nach den Vorschriften des WpHG (und entsprechend auch des KWG) zu unterwerfen, solange sie nur als zugelassene Mitglieder eines organisierten Derivatemarktes tätig werden, auf diesem für eigene Rechnung oder für fremde Rechnung Dienstleistungen für andere zugelassene Mitglieder des Marktes erbringen und für die Erfüllung der Verträge Clearingmitglieder der Märkte oder Handelssysteme haften2. 36
Ausgenommen sind nur Unternehmen, die ausschließlich eine oder mehrere der in § 2a Abs. 1 Nr. 8 lit. a–c WpHG bezeichneten Wertpapierdienstleistungen erbringen, vorausgesetzt Clearingmitglieder derselben Märkte oder Handelssysteme haften für die Erfüllung der Verträge, welche die Unternehmen an diesen Märkten oder in diesen Handelssystemen schließen. Erbringt das Unternehmen noch andere als die in der Vorschrift angeführten Wertpapierdienstleistungen, so fällt es auch dann nicht unter die Ausnahmebestimmung, wenn zusätzliche Wertpapierdienstleistungen nur gelegentlich oder gar selten erbracht werden. Zum Unternehmensbegriff s. Rz. 5.
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Zu den die Ausnahme begründenden Wertpapierdienstleistungen gehören die Folgenden: (1) Eigengeschäfte einerseits an inländischen Börsen oder in multilateralen Handelssystemen im Inland, an bzw. in denen Derivate gehandelt werden (Derivatemärkte), und andererseits an Kassamärkten, allerdings nur zur Absicherung der durch die Geschäfte an den Derivatemärkten begründeten Positionen [lit. a)]. Eigengeschäfte sind Geschäfte eines Händlers, mit denen dieser, ohne dass dem ein entsprechender Kundenauftrag zu Grunde läge, Finanzinstrumente im eigenen Namen und für eigene Rechnung kauft oder verkauft (§ 2 Rz. 74, 120). Als Derivatemärkte werden neben inländischen Börsen auch erstmals alle inländischen multilateralen Handelssysteme (i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 WpHG) erfasst, an denen Derivate i.S. von § 2 Abs. 2 WpHG gehandelt werden. Kassamärkte i.S. dieser Vorschrift sind inländische Börsen und multilaterale Handelssysteme, an bzw. in denen „Geschäfte mit Finanzinstrumenten, die keine Derivate i.S. von § 2 Abs. 2 WpHG sind, mit sofortiger Erfüllung abgewickelt werden“ können3. (2) Dem Eigenhandel zugehörige Geschäfte, Finanzkommissionsgeschäfte oder die Abschlussvermittlung an Derivatemärkten, allerdings nicht für jeden Kunden, sondern nur für andere Mitglieder dieser Märkte. Schließlich (3) die Preisstellung als Market Maker i.S. des § 23 Abs. 4 WpHG, allerdings wiederum nur im Rahmen des Eigenhandels für andere Mitglieder dieser Derivatemärkte.
1 Vgl. auch Art. 2 Nr. 20 der Kapitaladäquanzrichtlinie 93/6/EWG vom 15.3.1993, ABl. EG Nr. L 141 v. 11.6.1993, S. 1. Auch BaFin, Merkblatt Locals, unter 1, www.bafin.de („Händler an einer Termin- oder Optionsbörse oder im Rahmen eines multilateralen Handelssystems, der nur für eigene Rechnung oder Rechnung anderer Teilnehmer dieses Marktes tätig wird“). 2 BaFin, Merkblatt Locals, unter 1, www.bafin.de. 3 RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 58.
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9. Eigengeschäfte und derivatbezogene Wertpapierdienstleistungen als Nebengeschäfte (§ 2a Abs. 1 Nr. 9 WpHG) Nach alter, durch Art. 1 Nr. 3 lit. a des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes 38 geänderter Fassung der Vorschrift galten Unternehmen, deren Haupttätigkeit darin bestand, Geschäfte über Rohwaren mit gleichartigen Unternehmen, mit den Erzeugern oder den gewerblichen Verwendern der Rohwaren zu tätigen, und die Wertpapierdienstleistungen nur für diese Gegenparteien und insoweit erbringen, als es für ihre Haupttätigkeit erforderlich ist, nicht als Wertpapierdienstleistungsunternehmen1. Die aktuelle Fassung der Vorschrift, die Art. 2 Abs. 1 lit. i der Finanzmarktrichtlinie (Einl. Rz. 36) umsetzt und eine Entsprechung in § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 11 KWG hat, hält den Grundgedanken der Ausnahmebestimmung – die Privilegierung von Unternehmen im Hinblick auf Wertpapierdienstleistungen, welche diese ausschließlich im Zusammenhang mit Warenproduktion oder -handel, gegenüber dem Vertragspartner und zum Zwecke der Realisierung des Geschäfts – aufrecht, erweitert aber den Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift über Rohwarengeschäfte hinaus. Die Ausnahmevorschrift des § 2a Abs. 1 Nr. 9 WpHG ist für alle Unternehmen einschlägig, „die als Nebengeschäft zu ihrer kapitalmarktfernen Haupttätigkeit Eigengeschäfte in Bezug auf Finanzinstrumente tätigen oder Wertpapierdienstleistungen in Bezug auf die in § 2 Abs. 2 Nr. 2 und 5 WpHG genannten Derivate erbringen“2. Wie sich aus der Eingangsformulierung des § 2a Abs. 1 Nr. 9 WpHG vor lit. a sowie un- 39 ter Hinzuziehung der Regelung in lit. c ergibt, kommen für diese Ausnahmevorschrift nur solche Unternehmen (zum Unternehmensbegriff s. Rz. 5) in Betracht, deren Haupttätigkeit keine Finanzmarktgeschäfte umfasst („kapitalmarktferne Haupttätigkeit“), die aber Eigengeschäfte in Finanzinstrumenten (Handel in Finanzinstrumenten im eigenen Namen und für eigene Rechnung) betreiben oder Wertpapierdienstleistungen für ihre Kunden in Bezug auf Derivate i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 und 5 WpHG erbringen, die im sachlichen Zusammenhang mit Geschäften der Haupttätigkeit erbracht werden. Das ist allerdings eine Lesart der Vorschrift, die sich erst aus dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der umzusetzenden Richtlinienbestimmung, aber nicht ohne Weiteres aus (dem insoweit missglückten) § 2a Abs. 1 Nr. 9 WpHG selbst erschließen lässt, lassen doch die Eingangsformulierung und der Wortlaut von lit. c die Auslegung zu, das Erfordernis des sachlichen Zusammenhangs der Finanzgeschäfte mit Geschäften der Haupttätigkeit betreffe nur Wertpapierdienstleistungen in Bezug auf Derivate i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 und 5 WpHG. Diese Befürchtung liegt offenbar auch der Begründung zum Regierungsentwurf des 40 Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes zu Grunde, in der es heißt: „Nach der Systematik der Bereichsausnahme [d.h. des § 2a Abs. 1 Nr. 9 WpHG] kann die erste Alternative [d.h. die Vornahme von Eigengeschäften in Finanzinstrumenten] sich nicht auf den Eigenhandel mit sämtlichen Finanzinstrumenten beziehen. Ansonsten würde die auf Kunden der Haupttätigkeit beschränkte zweite Alternative der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen in Bezug auf Derivate i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 und 5 WpHG insoweit leer laufen, da der Eigenhandel in Warenderivaten von beiden Alternativen erfasst wäre“3. Im Schrifttum ist zur Parallelvorschrift des § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 11 KWG, die ebenfalls auf Art. 1 Nr. 3 lit. a des Finanzmarktrichtlinie1 S. 4. Aufl. des Kommentars § 2a Rz. 39. Die Vorschrift setzte Art. 2 Abs. 2 lit. i der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (Einl. Rz. 13) um und entsprach § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 11 KWG (in seiner noch heute gültigen Fassung). 2 RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 58. 3 RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 58; die Klammerzusätze sind hinzugefügt.
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Umsetzungsgesetzes beruht, aber zutreffend ausgeführt worden, eine solche Auslegung der Vorschrift folge weder aus dem Wortlaut derselben noch fände sie eine Grundlage in der umzusetzenden Richtlinienvorschrift; zudem lasse sie offen, auf welche Finanzinstrumente sich die Ausnahme nun tatsächlich beziehe1. Die auch in dieser Kritik in Bezug genommene maßgebliche Vorschrift der Richtlinie – Art. 2 Abs. 1 lit. i – lautet: „Personen, die für eigene Rechnung mit Finanzinstrumenten handeln oder Wertpapierdienstleistungen in Bezug auf Warenderivate oder die in Anhang I Abschnitt C Nummer 10 aufgeführten Derivatkontrakte für die Kunden ihrer Haupttätigkeit erbringen, sofern dies auf Ebene der Unternehmensgruppe eine Nebentätigkeit zu ihrer Haupttätigkeit darstellt und diese Haupttätigkeit weder in der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen im Sinne der vorliegenden Richtlinie noch in der Erbringung von Bankdienstleistungen im Sinne der Richtlinie 2000/12/EG [über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute vom 20.3.2000, ABl. EG Nr. L 126 v. 26.5.2000, S. 1 ff., d. Verf.] besteht.“ Legt man diese Richtlinienbestimmung der Auslegung des § 2a Abs. 1 Nr. 9 WpHG zugrunde, so lässt sich dieser entnehmen, dass sich das Erfordernis des sachlichen Zusammenhangs von nichtfinanzieller Haupttätigkeit und finanziellem Nebengeschäft („Nebentätigkeit zu ihrer Haupttätigkeit“) auf beide bezieht. Den Bedenken, die in der angeführten Begründung zum Regierungsentwurf des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes angesprochen werden ist mithin in der Weise Rechnung zu tragen, dass sich die Eigengeschäfte eines Unternehmens in Finanzinstrumenten zwar auf alle Arten von Finanzinstrumenten beziehen können, es sich bei den Eigengeschäften aber um Nebengeschäfte handeln muss, die in einem sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit des Unternehmens stehen. 41
Darüber hinaus, müssen die Unternehmen, um nach § 2a Abs. 1 Nr. 9 WpHG nicht als Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu gelten, den in lit. a–c der Vorschrift angeführten Voraussetzungen genügen:
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– Nach § 2a Abs. 1 Nr. 9 lit. a WpHG ist es erforderlich, dass die Unternehmen nicht Teil einer Unternehmensgruppe sind, deren Haupttätigkeit in der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen oder Bankgeschäften i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2, 8 oder 11 KWG besteht. Das bedeutet im Klartext, dass Unternehmen, welche einer „Unternehmensgruppe angehören, die einen Schwerpunkt der Tätigkeit im Bereich der Einlagen-, Kredit-, Garantie- oder E-Geldgeschäfte oder der Wertpapierdienstleistungen hat“2, nicht in den Genuss der Bereichsausnahme des § 2a Abs. 1 Nr. 9 WpHG kommen kann. Der Begriff der Unternehmensgruppe ist dem deutschen Recht nicht geläufig und stellt eine eingedeutschte Ableitung aus dem Begriff „groups of companies“ dar, wie er in Ländern, die über kein kodifiziertes Konzernrecht deutscher Prägung verfügen, zur Bezeichnung der diesem funktional-äquivalenten Regeln verwandt wird. Zu einer Unternehmensgruppe gehören auf jeden Fall verbundene Unternehmen i.S. von § 15 AktG, doch ist, da der Gesetzgeber ansonsten ohne Weiteres – wie in § 2a Abs. 1 Nr. 2 WpHG – auf diesen Begriff hätte zurückgreifen können, offenbar auch an Verbidnungen über ein oder mehrere Gemeinschaftsunternehmen oder Unternehmenskooperationen gedacht, die auf keiner der in § 15 AktG angeführten Verbindungen beruhen, aber gleichwohl eine wechselseitige dauerhafte Ausrichtung der Geschäftstätigkeit der fraglichen Unternehmen von wettbewerbsrechtlicher Relevanz3 mit sich bringen. 1 Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 2 KWG Rz. 68d. 2 RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 58. 3 Von einer Unternehmensgruppe lässt sich hinsichtlich der Kooperation von Unternehmen nur reden, wenn diese zumindest so gefestigt und weit reichend ist, dass sie von kartell-
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Nur so lässt es sich verstehen, wenn die Begründung zum Regierungsentwurf des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes ausführt, der Begriff der Unternehmensgruppe sei „in diesem Zusammenhang weit zu verstehen“ und erfasse auch „die kommunalen Stromerzeuger und Stadtwerke, die sich zur Absicherung ihrer Preise im Rahmen ihrer normalen Wirtschaftstätigkeit als Energieversorger einer ‚kommunalen Beschaffungsgesellschaft‘“ bedienten1. Die engere Definition der „Gruppe“ in Art. 2 Nr. 5 der Durchführungsrichtlinie zur Finanzmarktrichtlinie2 (Einl. Rz. 36), steht dem nicht entgegen, denn sie bezieht sich ausschließlich auf Regelungen, die die Verhaltens- und Organisationspflichten von Wertpapierfirmen zum Gegenstand haben. – Nach § 2a Abs. 1 Nr. 9 lit. b WpHG müssen die Wertpapierdienstleistungen des 43 Weiteren auf Ebene der Unternehmensgruppe von untergeordneter Bedeutung im Verhältnis zur Haupttätigkeit sein3. Als Wertpapierdienstleistungen kommen hier nicht nur die in der Eingangsformulierung von § 2a Abs. 1 Nr. 9 WpHG vor lit. a als solche bezeichneten „Wertpapierdienstleistungen in Bezug auf Derivate im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 und 5“ in Betracht, sondern auch die dort aufgeführten Eigengeschäfte in Finanzinstrumenten: Zum einen gelten auch diese nach § 2 Abs. 3 Satz 2 WpHG als Wertpapierdienstleistungen, und zum anderen macht die Ausnahme des § 2a Abs. 1 Nr. 9 WpHG nur Sinn, wenn auch auch die Eigengeschäfte in Finanzinstrumente untergeordnete Nebengeschäfte in Bezug auf die Hauptgeschäfte des Unternehmens darstellen. Dürfen die Wertpapierdienstleistungen (und Bankgeschäfte) nach § 2a Abs. 1 Nr. 9 lit. a WpHG schon nicht Haupttätigkeit der Unternehmensgruppe sein, so dürfen sie nach § 2a Abs. 1 Nr. 9 lit. b WpHG im Hinblick auf die anderweitige Haupttätigkeit der Gruppe zudem nur von untergeordneter Bedeutung sein. Das Erfordernis der untergeordneten Bedeutung der Nebengeschäfte im Verhältnis zur Haupttätigkeit gilt im Übrigen auch dann, wenn das Unternehmen keiner Unternehmensgruppe angehört4. – Nach § 2a Abs. 1 Nr. 9 lit. c WpHG dürfen die Wertpapierdienstleistungen in Bezug auf Derivate i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 und 5 WpHG nur für Kunden ihrer Haupttätigkeit und im sachlichen Zusammenhang mit Geschäften der Haupttätigkeit erbracht werden. Hier sind nach dem Wortlaut der Vorschrift tatsächlich nur die in der Eingangsformulierung von § 2a Abs. 1 Nr. 9 WpHG vor lit. a angeführten „Wertpapierdienstleistungen in Bezug auf Derivate“ erwähnt, doch ist
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rechtlicher Erheblichkeit ist. Zu solchen Kooperationsformen in Gestalt etwa von Einkaufs- oder Verkaufskooperationen s. Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Bd. 2: GWB, 4. Aufl. 2007, § 1 GWB Rz. 263 ff. Vgl. auch Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2a WpHG Rz. 17. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 56. Art. 2 Nr. 5 lautet: „‚Gruppe‘: im Zusammenhang mit einer Wertpapierfirma die Gruppe, der diese Firma angehört, bestehend aus einer Muttergesellschaft, deren Tochtergesellschaften und den Gesellschaften, an denen die Muttergesellschaft oder ihre Tochtergesellschaften eine Beteiligung halten, sowie Unternehmen, die in der in Artikel 12 Absatz 1 der Siebenten Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom 13. Juni 1983 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrags über den konsolidierten Abschluss (2) bezeichneten Beziehung zueinander stehen“. Ebenso Fuchs, in: Fuchs, § 2a WpHG Rz. 29; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2a WpHG Rz. 16. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 56: „Auch nach Sinn und Zweck der Bereichsausnahme geht es nur um die Freistellung von Unternehmen, die selbst oder auf Ebene der Unternehmensgruppe einer kapitalmarktfernen Haupttätigkeit als Warenproduzent oder Warenhändler nachgehen und diese Geschäftsrisiken durch Eigengeschäfte absichern wollen“.
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dies aus den an früherer Stelle ausgeführten Gründen (Rz. 39 f.) im Wege der richtlinienkonformen Auslegung dahingehend zu korrigieren, dass auch die in der Eingangsformulierung angeführten Wertpapierdienstleistungen in Gestalt von Eigengeschäften in Finanzinstrumenten dieses Erfordernis erfüllen müssen, d.h. ein Zusammenhang dieser Nebengeschäfte mit der Haupttätigkeit des Unternehmens bestehen muss. Auch wenn es die Eigenart von Eigengeschäften ist, dass sie kein Geschäft „für einen anderen“ darstellen, also kein durch einen Kundenbezug gekennzeichnetes Rechtsgeschäft darstellen, heißt dies doch nicht, dass solche Geschäfte nicht im Zusammenhang mit bestimmten Geschäften mit bestimmten Kunden stehen könnten. Deshalb ist auch von Eigengeschäften in Finanzinstrumenten zu verlangen, dass sie jeweils in sachlichem Zusammenhang mit bestimmten Hauptgeschäften mit bestimmten Kunden stehen. Nach der Begründung zum Regierungsentwurf des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes ist bei Energieversorgungsunternehmen die Energieerzeugung, der Betrieb und Erhalt der Netzinfrastruktur sowie die Versorgung der Bevölkerung mit Energie als kapitalmarktferne Haupttätigkeit i.S. von § 2a Abs. 1 Nr. 9 WpHG anzusehen, zu der die Beschaffung und die Veräußerung von Energie, die Verwaltung von Energieportfolios sowie die Absicherung des Preisniveaus durch Finanzinstrumente regelmäßig in sachlichem Zusammenhang stehe. 45
Kommen sämtliche der in § 2a Abs. 1 WpHG aufgeführten Ausnahmen gemäß Satz 1 des Erwägungsgrunds 16 der Finanzmarktrichtlinie nur in Betracht, wenn die Ausnahmevoraussetzungen auf Dauer gegeben sind (s. oben Rz. 1), so wird dies in Satz 2 des Erwägungsgrunds 16 in Bezug auf die hier in Frage stehende Ausnahme mit folgender Formulierung verstärkend hervorgehoben: „Insbesondere sollte für Personen, deren Wertpapierdienstleistungen oder Anlagetätigkeiten vom Geltungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen sind, weil es sich dabei auf Ebene der Unternehmensgruppe um Nebentätigkeiten zu ihrer Haupttätigkeit handelt, die Ausnahmeregelung für Nebentätigkeiten nicht mehr gelten, wenn die betreffenden Dienstleistungen oder Tätigkeiten nicht mehr nur eine Nebentätigkeit zu ihrer Haupttätigkeit darstellen.“ Ein Unternehmen kann sich mithin dann nicht mehr auf die Ausnahme des § 2a Abs. 1 Nr. 9 WpHG berufen, wenn die finanziellen Nebengeschäfte bei ihm selbst oder, falls es einer Unternehmensgruppe zugehört, auf der Ebene der Unternehmensgruppe ihre gegenüber der Haupttätigkeit untergeordnete Bedeutung verloren haben oder gar zur Haupttätigkeit wurden. 10. Eigengeschäfte als einzige Wertpapierdienstleistung (§ 2a Abs. 1 Nr. 10 WpHG)
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Die Vorschrift, der § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 14 KWG entspricht, setzt Art. 2 Abs. 1 lit. d der Finanzmarktrichtlinie um. Nach der durch Art. 1 Nr. 3 lit. a des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes seinerzeit neu geschaffenen Bereichsausnahme galten Unternehmen, die als Wertpapierdienstleistungen ausschließlich Eigengeschäfte und Eigenhandel betreiben, nicht als Wertpapierdienstleistungsunternehmen, es sei denn, es griff eine der in lit. a und b angeführten Rückausnahmen, welche zwei Formen des Eigenhandels betreffen, ein. Durch Art. 7 Nr. 2 des Gesetzes zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie vom 19.11.2010 (Rz. 2) wurden im einleitenden Satzteil von § 2a Abs. 1 Nr. 10 die Wörter „und Eigenhandel“ gestrichen, um – zusammen mit einer Neufassung des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG – den Gleichlauf zu entsprechenden Änderungen in § 1 Abs. 1a und § 2 Abs. 6 KWG herzustellen (s. Einl. Rz. 50).
168 Assmann
§ 2a
Ausnahmen
Unternehmen, die keine anderen Wertpapierdienstleistungen erbringen als nur Ei- 47 gengeschäfte, sind durch § 2a Abs. 1 Nr. 10 WpHG grundsätzlich vom Anwendungsbereich des WpHG ausgeschlossen. Eigengeschäfte i.S. der Vorschrift sind Geschäfte i.S. des § 2 Abs. 3 Satz 2 WpHG, d.h. Geschäfte in Gestalt der Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten für eigene Rechnung, die – das ist das Eigengeschäfte kennzeichnende Merkmal – keine Dienstleistung für andere im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG darstellen und gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 WpHG als Wertpapierdienstleistung gelten. Zum Unternehmensbegriff s. Rz. 5. Von der Bereichsausnahme des § 2a Abs. 1 Nr. 10 WpHG gibt es zwei Rückausnahmen: Nach der ersten, in § 2a Abs. 1 Nr. 10 lit. a WpHG genannten, sind Unternehmen, die zwar als einzige Wertpapierdienstleistung Eigengeschäfte betreiben, aber an einem organisierten Markt oder in einem multilateralen Handelssystem kontinuierlich den Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten im Wege des Eigenhandels zu selbst gestellten Preisen anbieten, gleichwohl als Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu behandeln. Bei der in § 2a Abs. 1 Nr. 10 lit. a WpHG als Rückausnahme genannten Tätigkeit handelt es sich um die in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG in der 1. Alternative angeführten Geschäfte, wie insbesondere die von Market Makern oder multilateralen Handelssystemen (s. § 2 Rz. 73b). Sie sind deshalb stets Wertpapierdienstleistungen.
48
Entsprechendes gilt für die zweite Rückausnahme in Gestalt des § 2a Abs. 1 Nr. 10 49 lit. b WpHG. Nach dieser Vorschrift sind Unternehmen, die als einzige Wertpapierdienstleistung Eigengeschäfte vornehmen, gleichwohl Wertpapierdienstleistungsunternehmen, wenn sie in organisierter und systematischer Weise häufig für eigene Rechnung außerhalb eines organisierten Marktes oder eines multilateralen Handelssystems Handel treiben, indem sie ein für Dritte zugängliches System anbieten, um mit ihnen Geschäfte durchzuführen. In diesem Falle handelt es sich bei den die Rückausnahme begründenden Geschäften um solche i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG in der 2. Alternative. Erfasst werden damit vor allem systematische Internalisierer (vgl. § 2 Rz. 73c). 11. Anlageberatung im Rahmen einer anderen beruflichen Tätigkeit (§ 2a Abs. 1 Nr. 11 WpHG) Nicht als Wertpapierdienstleistungsunternehmen gelten nach § 2a Abs. 1 Nr. 11 WpHG Unternehmen, die als Wertpapierdienstleistung ausschließlich die Anlageberatung im Rahmen einer anderen beruflichen Tätigkeit erbringen, ohne sich die Anlageberatung gesondert vergüten zu lassen. Die aufgrund von Art. 1 Nr. 3 lit. a des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes erstmals in das Gesetz gelangte Bereichsausnahme dient der Umsetzung von Art. 2 Abs. 1 lit. j der Finanzmarktrichtlinie. Ihr entspricht § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 14 KWG.
50
Zum Unternehmensbegriff s. Rz. 5. Anlageberatung ist die in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 51 WpHG beschriebene Wertpapierdienstleistung. Daraus, dass die Anlageberatung im Rahmen einer anderen beruflichen Tätigkeit erbracht werden muss und nicht zusätzlich zu dieser vergütet werden darf, ist – schon um die Umgehung der für Wertpapierdienstleistungsunternehmen bzw. Finanzdienstleistungsinstitute geltenden Regeln des WpHG bzw. des KWG zu vermeiden – zu folgern, dass nicht jede neben einer anderen beruflichen Tätigkeit erbrachte Anlageberatung ausgenommen ist, sondern nur eine solche, die im Zusammenhang mit der jeweiligen beruflichen Tätigkeit wahrgenommen wird und dieser gegenüber eine untergeordnete Nebendienstleistung
Assmann
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§ 2a
Ausnahmen
darstellt. Die Ausnahme ist etwa für Unternehmen von Bedeutung, die ihre Kunden bei Unternehmenserwerbs- und Übernahmevorhaben und -geschäften (M&A-Geschäften) beraten und in diesem Zusammenhang aufgrund der Kenntnis der individuellen Verhältnisse des Kunden auch Anlagerat erteilen. Als eine die Bereichsausnahme ausschließende Vergütung kommt nicht nur eine solche durch den Kunden, sondern auch eine solche durch Dritte in Form einer direkten leistungsbezogenen Vergütung oder in Form anderweitiger Zuwendungen (wie etwa Boni) in Betracht1. 12. Eigengeschäfte und Eigenhandel mit Waren oder Derivaten als Haupttätigkeit (§ 2a Abs. 1 Nr. 12 WpHG) 52
Nach § 2a Abs. 1 Nr. 12 WpHG gelten Unternehmen dann nicht als Wertpapierdienstleistungsunternehmen, wenn deren Haupttätigkeit in Eigengeschäften und im Eigenhandel mit Waren oder Derivaten i.S. von § 2 Abs. 1 Nr. 2 WpHG in Bezug auf Waren besteht, sofern sie nicht einer Unternehmensgruppe angehören, deren Haupttätigkeit die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen oder das Betreiben von Bankgeschäften i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2, 8 oder 11 KWG darstellt. Die aufgrund von Art. 1 Nr. 3 lit. a des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Einl. Rz. 36) erstmals in das Gesetz gelangte Bereichsausnahme dient der Umsetzung von Art. 2 Abs. 1 lit. k der Finanzmarktrichtlinie. Ihr entspricht § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 13 KWG. § 2a Abs. 1 Nr. 12 WpHG wurde aufgrund von Art. 3 Nr. 1a lit. a bb des Investmentänderungsgesetzes (Einl. Rz. 37) das Wort „und“ angefügt.
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Die Bereichsausnahme kommt spezialisierten Waren- und Warenderivatehändlern zugute, d.h. Unternehmen, deren Haupttätigkeit der Handel auf eigene Rechnung mit Waren oder Warenderivaten ist, gleich ob es sich bei den Geschäften um Eigengeschäfte oder Eigenhandel handelt. Zum Unternehmensbegriff s. Rz. 5. Eigengeschäfte sind § 2 Abs. 3 Satz 2 WpHG die Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten für eigene Rechnung, die keine Dienstleistung für andere i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG darstellt; Eigenhandel ist nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG die Anschaffung oder Veräußerung von Finanzinstrumenten für eigene Rechnung als Dienstleistung für andere. Gehört das fragliche Unternehmen zu einer Unternehmensgruppe (zum Begriff s. oben Rz. 42) und besteht dessen Haupttätigkeit in der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen oder Einlagen-, Kredit-, Garantie- oder E-Geldgeschäften, kann es sich nicht auf die Ausnahme nach § 2a Abs. 1 Nr. 12 WpHG berufen.
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Nach den Ausführungen in der Begründung zum Regierungsentwurf des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes2 trägt die Bereichsausnahme des § 2a Abs. 1 Nr. 12 WpHG (zusammen mit der des § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 13 KWG) dem Umstand Rechnung, dass bei der Verabschiedung der Finanzmarktrichtlinie in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU keine einheitliche Ansicht über eine angemessene Regulierung spezialisierter Warenproduzenten und Warenderivatehändler, die Eigengeschäfte betreiben, miteinander Warentermingeschäfte abschließen oder solche Geschäfte mit oder für die gewerblichen Verwender dieser Waren erbringen, bestanden habe. Die Ausnahme bilde daher gemeinsam mit der Ausnahme nach Art. 2 Abs. 1 lit. i der Finanzmarktrichtlinie ein System zur Freistellung der Eigengeschäfte dieser Unternehmen und der Wertpapierdienstleistungen in Bezug auf Warenderivate für Marktteilnehmer dieses spezialisierten Handelssegments von den Anforderungen der Finanzmarktrichtlinie. Deren Zweckmäßigkeit werde von der Europäischen Kom1 Balzer, ZBB 2007, 333 (335); Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2a WpHG Rz. 20. 2 RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 59.
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§ 2a
Ausnahmen
mission nach Art. 65 Abs. 3 lit. a und d der Finanzmarktrichtlinie überprüft. Diese Prüfung erfasse auch die Ausnahmen von den Eigenkapitalanforderungen gemäß Art. 48 der Richtlinie 2006/49/EG vom 14.6.2006 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten1 – Kapitaladäquanzrichtlinie – und die Kriterien für eine Einordnung von bestimmten Terminkontrakten als Finanzinstrumente nach Art. 38 und 39 der Durchführungsverordnung zur Finanzmarktrichtlinie (Einl. Rz. 36). Bis zu einer Entscheidung über eine harmonisierte Regulierung auf europäischer Ebene sei daher eine relativ weite Auslegung der Bereichsausnahme unter Einbeziehung des Eigenhandels in Warenderivaten sinnvoll. 13. Ausschließlicher Betrieb eines multilateralen Handelssystems (§ 2a Abs. 1 Nr. 13 WpHG) Nicht als Wertpapierdienstleistungsunternehmen gelten schließlich nach § 2a Abs. 1 55 Nr. 13 WpHG Börsenträger oder Betreiber organisierter Märkte, die neben dem Betrieb eines multilateralen Handelssystems keine anderen Wertpapierdienstleistungen i.S. des § 2 Abs. 3 Satz 1 WpHG erbringen. Diese Bereichsausnahme hat ihren Grund darin, dass die gesetzlichen Pflichten der Börsenträger oder Betreiber organisierter Märkte abschließend im Börsengesetz geregelt sind. Die aufgrund von Art. 1 Nr. 3 lit. a des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Einl. Rz. 36) erstmals in das Gesetz gelangte Bereichsausnahme dient der Umsetzung von Art. 5 Abs. 2 der Finanzmarktrichtlinie. Der Vorschrift entspricht § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 16 KWG. In § 2a Abs. 1 Nr. 13 WpHG wurde aufgrund von Art. 3 Nr. 1a lit. a cc des Investmentänderungsgesetzes (Einl. Rz. 37) wegen der in lit. a dd angeordneten Aufhebung von § 2a Abs. 1 Nr. 14 WpHG das Komma am Ende durch einen Punkt ersetzt. 14. Platzierungsgeschäft für Anbieter oder Emittenten von Vermögensanlagen (§ 2a Abs. 1 Nr. 14 WpHG) Nach der ursprünglichen Fassung von Nr. 14 galten Unternehmen, die als Kapital- 56 anlagegesellschaft oder Investmentaktiengesellschaft nach dem Investmentgesetz die kollektive Vermögensverwaltung erbringen, nicht als Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Diese Ausnahme war aufgrund von Art. 1 Nr. 3 lit. a des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Einl. Rz. 36) in das Gesetz gelangt. Sie ist schon kurz danach durch Art. 3 Nr. 1a lit. a dd des Investmentänderungsgesetzes (Einl. Rz. 37) wieder aufgehoben worden, da Kapitalanlagegesellschaften oder Investmentaktiengesellschaften keine Wertpapierdienstleistungsunternehmen i.S. des § 2 Abs. 4 WpHG mehr darstellen. Das Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts (s. Einl. Rz. 58; s. auch oben Rz. 2a) hat § 2a Abs. 1 WpHG nunmehr um eine neue Nr. 14 ergänzt, nach der Unternehmen, die das Platzierungsgeschäft ausschließlich für Anbieter oder für Emittenten von Vermögensanlagen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Vermögensanlagengesetzes erbringen, nicht als Wertpapierdienstleistungen gelten. Die Änderung ist auf der Grundlage einer entsprechenden Beschlussempfehlung des Finanzausschusses Gesetz geworden. Zur Begründung führt der Ausschuss an2: „Durch die Erweiterung der Ausnahmetatbestände um § 2 Absatz 6 Nummer 19 KWG und § 2a Absatz 1 Nummer 14 WpHG wird sichergestellt, dass einige Dienstleistungen, die im Rahmen der Emission, Platzierung und Verwaltung von Vermögensanlagen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Vermögensanlagengesetzes typischerweise durch vom Anbieter oder Emittenten der Vermögensan1 ABl. EU Nr. L 177 v. 30.6.2006, S. 201. 2 Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BT-Drucks. 17/7453 v. 25.10.2011, S. 110.
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§ 2a
Ausnahmen
lagen eingeschaltete Dritte wie etwa Treuhandgesellschaften oder Vertriebspartnern erbracht werden, nicht zu einer Erlaubnispflicht als Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut führen und vom Anwendungsbereich des WpHG nicht erfasst werden. Eine Institutsaufsicht erscheint hier für den Anlegerschutz nicht erforderlich und würde zu einer unverhältnismäßigen Belastung zahlreicher Fondsanbieter führen. So dient die verbreitete Einschaltung einer Treuhandgesellschaft in der Regel der Vereinfachung des Verfahrens bei der Beteiligung, etwa an einer Kommanditgesellschaft. Vergleichbares gilt für die vom Anbieter oft angebotenen und als Emissionsgeschäft zu qualifizierenden Platzierungsgarantien. Die Ausnahmetatbestände sind eng auf Vermögensanlagen nach § 1 Absatz 2 des Vermögensanlagengesetzes beschränkt, um keine Umgehungsmöglichkeiten zu eröffnen. Dienstleistungen in Bezug auf sonstige Finanzinstrumente sind nicht erfasst. Bringt ein von dem Anbieter oder dem Emittenten von Vermögensanlagen beauftragter Dritter im Rahmen der Organisation des Vertriebs Vermögensanlagen bei Wertpapierdienstleistungsunternehmen oder gewerblichen Finanzanlagenvermittlern im Rahmen einer Emission zur weiteren Vermittlung an Anleger unter, ohne dabei eine feste Übernahmeverpflichtung zu übernehmen, erfüllt dies den Tatbestand des Platzierungsgeschäfts nach § 1 Absatz 1a Satz 2 KWG und § 2 Absatz 3 Nr. 6 WpHG. Die Einführung einer weiteren Ausnahme in § 2 Absatz 6 KWG und § 2a Absatz 1 WpHG für diese Konstellation ist daher erforderlich. Durch die Qualifizierung von Vermögensanlagen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Vermögensanlagengesetzes als Finanzinstrumente würden Zweitmarktfonds ggf. die Finanzportfolioverwaltung oder die Anlageverwaltung erbringen. Für diese Unternehmen ist daher eine Ausnahme unter § 2 Absatz 6 Satz 1 Nummer 20 vorgesehen.“
III. Vertraglich gebundene Vermittler (§ 2a Abs. 2 WpHG) 1. Übersicht und Normentwicklung 57
Schon nach § 2a Abs. 2 Satz 1 WpHG der durch Art. 1 Nr. 3 lit. b des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Einl. Rz. 36) geänderten Fassung der Vorschrift galt ein Unternehmen nicht als Wertpapierdienstleistungsunternehmen, wenn es Wertpapierdienstleistungen in Gestalt der sog. Abschlussvermittlung und der Anlagevermittlung ausschließlich für Rechnung und unter der Haftung eines Kreditinstituts oder Finanzdienstleistungsinstituts oder eines nach § 53b Abs. 1 Satz 1 oder § 53b Abs. 7 KWG tätigen Unternehmens oder unter der gesamtschuldnerischen Haftung solcher Institute oder Unternehmen ausübt, ohne andere Wertpapierdienstleistungen zu erbringen. Daran hat sich in der Sache auch nach der Neufassung der Vorschrift durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz nichts geändert: Wie schon die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie in ihrem Art. 1 Nr. 2 (Unterabsatz 5) räumt auch die Finanzmarktrichtlinie in Art. 4 Nr. 25 i.V.m. Art. 23 die Möglichkeit ein, „vertraglich gebundene Vermittler“ zuzulassen, ohne diese einer direkten Aufsicht zu unterstellen. Von dieser Möglichkeit hat der deutsche Gesetzgeber in § 2a Abs. 2 WpHG und § 2 Abs. 10 KWG weiterhin Gebrauch gemacht, wobei es sich bei der Letzteren nicht nur um eine § 2a Abs. 2 WpHG entsprechende Bestimmung des KWG, sondern auch um eine solche handelt, die den Begriff des vertraglich gebundenen Vermittlers definiert, auf den in § 2a Abs. 2 Satz 1 WpHG verwiesen wird. § 2 Satz 2 WpHG hat durch Art. 1 Nr. 3 lit. b des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes keine Änderung, sondern nur sprachliche Korrekturen erfahren.
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§ 2a
Ausnahmen
2. Die freigestellten Unternehmen und Tätigkeiten (§ 2a Abs. 2 Satz 1 WpHG) Mögliche Begünstigte der Ausnahmebestimmung des § 2a Abs. 10 WpHG sind ver- 58 traglich gebundene Vermittler i.S. des § 2 Abs. 10 Satz 1 KWG. Nach dieser aufgrund von Art. 3 Nr. 3 lit. g des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes in das KWG gelangten, Art. 4 Abs. 1 Nr. 25 der Finanzmarktrichtlinie (Einl. Rz. 36) umsetzenden Vorschrift handelt es sich bei einem vertraglich gebundenen Vermittler um ein „Unternehmen, das keine Bankgeschäfte i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 2 WpHG betreibt und als Finanzdienstleistungen nur die Anlage- oder Abschlussvermittlung, das Platzierungsgeschäft oder die Anlageberatung ausschließlich für Rechnung und unter der Haftung eines Einlagenkreditinstituts oder eines Wertpapierhandelsunternehmens, das seinen Sitz im Inland hat oder nach § 53b Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 7 im Inland tätig ist, erbringt.“ – Erfasst wird damit jedes rechtlich selbständige Unternehmen, das selbst keine 59 Bankgeschäfte der in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1–12 KWG aufgeführten Art betreibt und von den in § 1 Abs. 1a Satz 2 Nrn. 1–8 KWG genannten Finanzdienstleistungen nur die Anlage- oder Abschlussvermittlung (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bzw. 2 KWG; dem entspricht in Bezug auf Wertpapierdienstleistungen § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 bzw. Nr. 3 WpHG), das Platzierungsgeschäft (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1c KWG; dem entspricht in Bezug auf Wertpapierdienstleistungen § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 WpHG) oder die Anlageberatung (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a KWG; dem entspricht in Bezug auf Wertpapierdienstleistungen § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 WpHG) erbringt. Als Unternehmen kommt sowohl eine natürliche als auch eine juristische Person in Betracht (Art. 4 Abs. 1 Nr. 25 der Finanzmarktrichtlinie, Einl. Rz. 36)1. Die Tätigkeit des Unternehmens muss sich auf die angeführten Finanzdienstleistungen beschränken, kann aber im Einzelfall mehrere derselben oder alle umfassen. Erbringt das Unternehmen – obschon nur selten oder nur gelegentlich – auch andere als die angeführten Finanzdienstleistungen, vermag es sich nicht als vertraglich gebundener Vermittler zu qualifizieren. – Weiter darf dieses Unternehmen die in § 2 Abs. 10 Satz 1 KWG genannten, vorste- 60 hend (in Rz. 59) aufgeführten und in § 2a Abs. 2 Satz 1 WpHG (mit geringfügig anderem Wortlaut, aber ohne sachliche Abweichung) wiederholten Tätigkeiten nicht in eigenem Namen und für eigene Rechnung, sondern ausschließlich für Rechnung eines Einlagenkreditinstituts oder eines Wertpapierhandelsunternehmens erbringen, das seinen Sitz im Inland hat oder nach Maßgabe von § 53b Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 7 KWG im Inland tätig wird. Einlagenkreditinstitute sind nach § 1 Abs. 3d Satz 1 KWG Kreditinstitute, die Einlagen oder andere unbedingt rückzahlbare Gelder des Publikums (i.S. von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG) entgegennehmen und das Kreditgeschäft betreiben. Wertpapierhandelsunternehmen sind nach § 1 Abs. 3d Satz 2 KWG Institute, die keine Einlagenkreditinstitute sind und die Bankgeschäfte i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 (Finanzkommissionsgeschäft) oder Nr. 10 (Emissionsgeschäft) KWG betreiben oder Finanzdienstleistungen i.S. des § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1–4 KWG erbringen, es sei denn, die Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen beschränken sich auf Devisen oder Rechnungseinheiten. Vertraglich gebundener Vermittler kann das Unternehmen nur sein, wenn es ausschließlich für einen (der angeführten möglichen) Geschäftsherrn handelt, so dass, entgegen der 1 Es steht außer Frage, dass damit auch (rechtsfähige) Gesellschaften gemeint sind, die keine juristischen Personen darstellen. Vgl. auch Fuchs, in: Fuchs, § 2a WpHG Rz. 42; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2a WpHG Rz. 24. Zum Unternehmensbegriff s. im Übrigen oben Rz. 5.
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§ 2a
Ausnahmen
früheren Fassung des Gesetzes (s. 4. Aufl. des Kommentars § 2a Rz. 48), eine Mehrfachvertretung nicht mehr möglich ist1. Damit wird Art. 4 Abs. 1 Nr. 25 der Finanzmarktrichtlinie umgesetzt, derzufolge ein vertraglich gebundener Vermittler nur eine Person sein kann, „die unter unbeschränkter und vorbehaltsloser Haftung einer einzigen Wertpapierfirma, für die sie tätig ist, Wertpapier– und/oder Nebendienstleistungen für Kunden oder potenzielle Kunden erbringt“ (Hervorh. hinzugefügt). Klarstellend heißt es im Übrigen auch in Erwägungsgrund 36 zur Finanzmarktrichtlinie (Einl. Rz. 36), „Personen, die für mehr als eine Wertpapierfirma Wertpapierdienstleistungen erbringen, sollten nicht als vertraglich gebundener Vermittler, sondern als Wertpapierfirma gelten“. 61
Ein Tätigwerden des Vermittlers für Rechnung eines Einlagenkreditinstituts oder eines Wertpapierhandelsunternehmens soll nach dem zwischenzeitlich durch die KWG-Vermittlerverordnung vom 4.12.20072 ersetzten Rundschreiben der BaFin vom 2.7.19983 nur dann anzunehmen sein, wenn der Vermittler in die Vertriebsorganisation des Unternehmens eingeschaltet sei. Das allerdings trägt ohne Not organisationsrechtliche Elemente in einen rechtsgeschäftlichen Begriff4, denn eine solche Einschaltung, wie sie aus dem Vertragshändlerbegriff bekannt ist, ergibt sich regelmäßig bereits dadurch, dass der Vermittler ausschließlich für ein einziges Einlagenkreditinstitut oder ein Wertpapierhandelsunternehmen tätig werden muss; falls man darüber hinaus (aus nicht recht nachvollziehbaren Gründen) zusätzliche Formen der Eingliederung in das Unternehmen des Geschäftsherrn für geboten hält, sollte dies im Zusammenhang mit dem Ausschließlichkeitskriterium erfolgen.
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– Darüber hinaus verlangt § 2 Abs. 10 Satz 1 KWG in Umsetzung von Art. 23 Abs. 2 Satz 1 der Finanzmarktrichtlinie5, dass das Unternehmen die fraglichen Finanzdienstleistungen auch unter der Haftung des Einlagenkreditinstituts oder des Wertpapierhandelsunternehmens, für das es tätig wird, erbringt. Eine solche Haftung ergibt sich weder aus einer Bestimmung des KWG noch einer solchen des WpHG oder einer anderen Spezialbestimmung und kann deshalb allein aus den Vorschriften des Schuldrechts folgen6. Soweit der Vermittler in offener Stellvertretung seines Geschäftsherrn tätig wird, ist eine solche Zurechnung über § 278 BGB ohne weiteres möglich. Da § 2 Abs. 10 Satz 1 KWG aber nur ein Handeln „für Rechnung“ des Geschäftsherrn verlangt, scheitert eine solche Zurechnung, wenn der Vermittler in mittelbarer Stellvertretung handelt, d.h. die Geschäfte zwar für Rechnung des Geschäftsherrn, jedoch im eigenen Namen abschließt; in diesem Falle wird aus den abgeschlossenen Geschäften allein der Vertreter berechtigt und verpflichtet. Um zu gewährleisten, dass der Vermittler unter der Haftung des Einlagenkreditinstituts oder des Wertpapierhandelsunternehmens tätig wird, müssen diese entweder dafür Sorge tragen, dass der Vermittler in einer Weise auftritt, welche ihre 1 RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 93. 2 Verordnung über die vertraglich gebundenen Vermittler und das öffentliche Register nach § 2 Abs. 10 Satz 6 des Kreditwesengesetzes (KWGVermV) vom 4.12.2007 (BGBl. I 2007, 2785). 3 Rundschreiben 8/98 vom 2.7.1998, Az. VII.4.-71.61. 4 Bedenken hiergegen („keine Stütze im Gesetz“) auch schon unter der alten Fassung der Vorschrift bei Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2a Rz. 32. 5 Nach dieser Vorschrift haben die Mitgliedstaaten vorzuschreiben, „dass eine Wertpapierfirma, die beschließt, einen vertraglich gebundenen Vermittler heranzuziehen, für jedes Handeln oder Unterlassen des vertraglich gebundenen Vermittlers uneingeschränkt haftet, wenn er im Namen der Firma tätig ist“. 6 Auch Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2a WpHG Rz. 25.
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§ 2a
Ausnahmen
Haftung für das Verhalten des Vermittlers nach den geltenden schuldrechtlichen Bestimmungen begründet, oder sie müssen sicherstellen, dass sie aufgrund entsprechender einzelvertraglicher Gestaltungen (wie etwa durch Bürgschaft, Schuldübernahme oder Garantie) für Pflichtverletzungen gegenüber dem Kunden haften1. – Um nicht als Finanzdienstleistungsinstitut, sondern als Finanzunternehmen zu 63 gelten und den für Finanzdienstleistungsinstitute maßgeblichen Bestimmungen des KWG unterworfen zu sein, verlangt § 2 Abs. 10 Satz 1 KWG, dass das Einlagenkreditinstitut oder das Wertpapierhandelsunternehmen als das haftende Unternehmen gegeüber der BaFin eine entsprechend Anzeige abgibt2. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine Voraussetzung, die erfüllt sein muss, damit ein Unternehmen als vertraglich gebundener Vermittler i.S. sowohl des § 2 Abs. 10 Satz 1 KWG als auch des § 2a Abs. 2 WpHG qualifiziert werden kann. Ein vertraglich gebundener Vermittler i.S. des § 2 Abs. 10 Satz 1 KWG gilt nach § 2a 64 Abs. 2 WpHG dann nicht als Wertpapierdienstleistungsunternehmen, wenn er als Wertpapierdienstleistungen nur die Abschlussvermittlung, Anlagevermittlung, das Platzieren von Finanzinstrumenten ohne feste Übernahmeverpflichtung oder Anlageberatung erbringt. Damit werden Voraussetzungen formuliert, die der Sache nach bereits erfüllt sein müssen, damit ein Unternehmen nach § 2 Abs. 10 Satz 1 KWG als vertraglich gebundener Vermittler gelten kann, denn den in § 2a Abs. 2 WpHG angeführten Wertpapierdienstleistungen entsprechen die in § 2 Abs. 10 Satz 1 KWG zum Zwecke der Definition des vertraglich gebundenen Vermittlers angeführten Finanzdienstleistungenw (s. oben Rz. 59). Entgegen der früheren (auf die Abschluss- und die Anlagevermittlung beschränkten) Regelung (4. Aufl. des Kommentars § 2a Rz. 42, 49) zählen zu den Wertpapierdienstleistungen, die ein – die übrigen Voraussetzungen erfüllender – vertraglich gebundener Vermittler erbringen darf, ohne Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu sein, auch das Platzierungsgeschäft und die Anlageberatung, die zwischenzeitlich durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (Einl. Rz. 36) in den Kreis der Finanzdienstleistungen und der Wertpapierdienstleistungen aufgenommenen wurden (s. § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 WpHG und § 2 Rz. 95 bzw. § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 WpHG und § 2 Rz. 111), wobei das Platzierungsgeschäft allerdings schon zuvor (s. 4. Aufl. des Kommentars § 2 Rz. 58 f.) als Fall der Anlage- oder Abschlussvermittlung angesehen wurde und auch heute noch anzusehen ist (§ 2 Rz. 79). 3. Zurechnung (§ 2a Abs. 2 Satz 2 WpHG) Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 WpHG, der durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungs- 65 gesetz (Einl. Rz. 36) nur geringe sprachliche Korrekturen erhalten hat (s. oben Rz. 57), wird die Tätigkeit des vertraglich gebundenen Vermittlers dem Einlagenkreditinstitut oder dem Wertpapierhandelsunternehmen (s. oben Rz. 61, 63), für dessen Rechnung und unter dessen Haftung er seine Tätigkeit erbringt, zugerechnet. Diese Zurechnung hat zur Folge, dass das Einlagenkreditinstitut oder das Wertpapierhandelsunternehmen durch die Tätigkeit des vertraglich gebundenen Vermittlers möglicherweise selbst erst zum Wertpapierdienstleistungsunternehmen wird, auf jeden Fall aber, falls es bereits aus anderen Gründen ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen darstellt, die für die fraglichen Wertpapierdienstleistungen maßgeblichen Verhaltenspflichten
1 Vgl. Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 2 KWG Rz. 87; ähnlich zum früheren Recht schon Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2a WpHG Rz. 31. 2 Dazu ist ergangen die KWG-Vermittlerverordnung, oben Rz. 61.
Assmann
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§ 2b
Wahl des Herkunftsstaates
aus §§ 31 ff. WpHG einzuhalten hat1 bzw. zu gewährleisten, dass diese durch den Vermittler eingehalten werden2. Zu diesen kommen die sich aus § 25a Abs. 4 Satz 1 KWG ergebenden Pflichten hinzu: Nach dieser Bestimmung hat ein Einlagenkreditinstitut oder Wertpapierhandelsunternehmen, das sich eines vertraglich gebundenen Vermittlers bedient, „sicherzustellen, dass dieser zuverlässig und fachlich geeignet ist, bei der Erbringung der Finanzdienstleistungen die gesetzlichen Vorgaben erfüllt, Kunden vor Aufnahme der Geschäftsbeziehung über seinen Status nach § 2 Abs. 10 Satz 1 und 2 WpHG informiert und unverzüglich von der Beendigung dieses Status in Kenntnis setzt“. § 2a Abs. 2 Satz 2 WpHG stellt keine – § 31 oder § 278 BGB vergleichbare – zivilrechtliche Zurechnungsnorm dar.
IV. § 2a Abs. 3 WpHG (a.F.) (aufgehoben) 66
Der aufgrund von Art. 1 Nr. 3 lit. a des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (Einl. Rz. 36) in das Gesetz gelangte Absatz 3 mit dem Wortlaut „Für Unternehmen, denen eine Erlaubnis als Kapitalanlagegesellschaften oder Investmentaktiengesellschaften nach dem Investmentgesetz erteilt wurde, gelten ausschließlich die §§ 31, 31a, 31b, 31d, 33, 33a, 33b, 34 und 34a entsprechend, wenn sie Dienstleistungen i.S. des § 2 Abs. 3 Nr. 7, Nr. 9 oder Abs. 3a Nr. 1 erbringen“, ist schon kurz danach durch Art. 3 Nr. 1a lit. b des Investmentänderungsgesetzes (Einl. Rz. 37) wieder aufgeboben worden, da die Regelung in dem durch das Investmentänderungsgesetz neu gefassten § 5 Satz 2 InvG aufgeht.
§ 2b Wahl des Herkunftsstaates (1) Ein Emittent im Sinne des § 2 Abs. 6 Nr. 3 Buchstabe a bis c kann die Bundesrepublik Deutschland als Herkunftsstaat wählen, wenn er nicht innerhalb der letzten drei Jahre einen anderen Staat als Herkunftsstaat gewählt hat. Die Wahl ist mindestens drei Jahre gültig, es sei denn, die Finanzinstrumente des Emittenten sind an keinem organisierten Markt in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum mehr zum Handel zugelassen. Die Wahl ist zu veröffentlichen und dem Unternehmensregister im Sinne des § 8b des Handelsgesetzbuchs zur Speicherung zu übermitteln. Mit der Veröffentlichung wird die Wahl wirksam. (2) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen zur Veröffentlichung der Wahl des Herkunftsstaates treffen. In der Fassung des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 5.1.2007 (BGBl. I 2007, 10). Schrifttum: s. § 2 und Einl.
1 Begr. RegE Umsetzungsgesetz, BR-Drucks. 963/96, S. 103. Ebenso auch Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2a WpHG Rz. 26; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 2a Rz. 33. 2 Schäfer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 2 KWG Rz. 82.
176 Assmann
§ 2b
Wahl des Herkunftsstaates Inhaltsübersicht I. Systematische Stellung der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Wahl (§ 2b Abs. 1 WpHG) . . . . . . . . .
2
1. Beschränkung der Wahlmöglichkeit (§ 2b Abs. 1 Satz 1 WpHG) . . . . . . . .
2
2. Wirksamwerden der Wahl (§ 2b Abs. 1 Sätze 3 und 4 WpHG) . . . . . . 3. Gültigkeitsdauer der Wahl (§ 2b Abs. 1 Satz 2 WpHG) . . . . . . . . III. Verordnungsermächtigung (§ 2b Abs. 2 WpHG). . . . . . . . . . . . . .
3 5 6
I. Systematische Stellung der Vorschrift Mit dem Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG) vom 5.1.2007 (BGBl. I 2007, 1 10, Einl. Rz. 35), das der Umsetzung der Transparenzrichtlinie (Einl. Rz. 35) diente, ist die Bestimmung des Adressatenkreises kapitalmarktrechtlicher Informations- und Verhaltenspflichten von Emittenten auf das Herkunftslandsprinzip umgestellt worden (§ 2 Rz. 162): Anknüpfungspunkt ist nicht mehr die Zulassung eines Emittenten an einer inländischen Börse, sondern der Sitz des Emittenten und das sich im Wesentlichen nach diesem und den emittierten Finanzinstrumenten bestimmende Herkunftsland. Dementsprechend setzt die Anwendung zahlreicher Vorschriften des WpHG, die sich an Emittenten richten (s. § 2 Rz. 163), voraus, dass Deutschland deren Herkunftsland ist. Wann dies der Fall ist, richtet sich nach den in § 2 Abs. 6 WpHG enthaltenen Bestimmungen. Greifen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 6 Nr. 3 Satz 1 WpHG ein (s. § 2 Rz. 172), so ist für den jeweiligen Emittenten Deutschland nur dann der Herkunftsstaat, wenn er Deutschland als Herkunftsstaat gewählt hat (§ 2 Abs. 6 Nr. 3 Satz 1 WpHG a.E.)1. Weitere Voraussetzungen und Modalitäten dieser durch § 2 Abs. 6 Nr. 3 WpHG eröffneten Wahl regelt § 2b WpHG. Mit der Vorschrift wird Art. 2 Abs. 1 lit. i Nr. ii der Transparenzrichtlinie (Einl. Rz. 35) umgesetzt.
II. Wahl (§ 2b Abs. 1 WpHG) 1. Beschränkung der Wahlmöglichkeit (§ 2b Abs. 1 Satz 1 WpHG) Ein Emittent, der die Voraussetzungen des § 2 Abs. 6 Nr. 3 Satz 1 lit. a bis c WpHG 2 erfüllt und von daher Deutschland als Herkunftsstaat wählen kann, ist dazu nach § 2b Abs. 1 Satz 1 WpHG allerdings nur befugt, wenn er nicht innerhalb der letzten drei Jahre einen anderen Staat als Herkunftsstaat gewählt hat. Dadurch soll zweierlei ausgeschlossen werden: zum einen, dass der Emittent mit der Wahl Deutschlands gleichzeitig einen weiteren Staat wählt2, und zum anderen, dass es zu einem kurzfristigen und häufigen Wechsel des Herkunftsstaats eines Emittenten kommt3.
1 Zu den Fällen, in denen Deutschland auch für solche Emittenten das Herkunftsland ist, welche die Voraussetzungen des unter § 2 Abs. 6 Nr. 3 Satz 1 WpHG erfüllen und keine Wahl getroffen haben, s. § 2 Rz. 174. Dabei handelt es sich um Emittenten, welche die Voraussetzung des § 2 Abs. 6 Nr. 3 Satz 1 lit. a WpHG erfüllen, d.h. um solche, die ihren Sitz im Inland haben und deren Finanzinstrumente zum Handel an einem organisierten Markt auch oder ausschließlich in mindestens einem Mitgliedstaat der EU oder in mindestens einem EWR-Vertragsstaat zugelassen sind. 2 RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 31. Das entspricht den Vorgaben in Art. 2 Abs. 1 lit. i Ziff. ii Satz 2 der Transparenzrichtlinie (Einl. Rz. 35). 3 Fuchs, in: Fuchs, § 2b WpHG Rz. 5; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2b WpHG Rz. 1.
Assmann
177
§ 2b
Wahl des Herkunftsstaates
2. Wirksamwerden der Wahl (§ 2b Abs. 1 Sätze 3 und 4 WpHG) 3
Der Emittent muss seine Wahl veröffentlichen (§ 2b Abs. 1 Satz 3 WpHG). Mit der Veröffentlichung wird die Wahl wirksam (§ 2b Abs. 1 Satz 2 WpHG). Die Veröffentlichung richtet sich nach den Bestimmungen der Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnungsverordnung (§ 1 WpAIV) und ist nach Maßgabe von §§ 25, 3a WpAIV vorzunehmen.
4
Darüber hinaus muss der Emittent die Veröffentlichung dem Unternehmensregister i.S. des § 8b HGB zur Speicherung übermitteln (§ 2b Abs. 1 Satz 3 WpHG). 3. Gültigkeitsdauer der Wahl (§ 2b Abs. 1 Satz 2 WpHG)
5
Wählt der Emittenten Deutschland als Herkunftsstaat, so ist die Wahl nach § 2b Abs. 1 Satz 2 WpHG mindestens drei Jahre gültig. Dies gilt allerdings nicht für den Fall, dass die Finanzinstrumente des Emittenten an keinem organisierten Markt i.S. des § 2 Abs. 5 WpHG (§ 2 Rz. 158 ff.) in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum mehr zum Handel zugelassen sind1. In dem Moment, in dem dieser Umstand eintritt, wird die Wahl ungültig.
III. Verordnungsermächtigung (§ 2b Abs. 2 WpHG) 6
Nach § 2b Abs. 2 WpHG kann das Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen zur Veröffentlichung der Wahl des Herkunftsstaates treffen. Die Regelung schafft die Voraussetzungen, Durchführungsmaßnahmen der Europäischen Kommission zur Wahl des Herkunftsstaates nach Maßgabe von Art. 2 Abs. 3 lit. a und b der Transparenzrichtlinie (Einl. Rz. 35) auf dem Verordnungswege in nationales Recht umzusetzen. Für die Art der Veröffentlichung der Wahl finden sich Regelungsvorschläge in Art. 2 des Entwurfs der Durchführungsrichtlinie 2006/X/EG der Europäischen Kommission (Arbeitsdokument ESC/34/2005 Rev. 4), die in § 25 der Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung (WpAIV) aufgenommen wurden2.
1 Die sich aus § 2b Abs. 1 Satz 2 ergebende Regelung entspricht den Vorgaben in Art. 2 Abs. 1 lit. i Ziff. ii Satz 3 der Transparenzrichtlinie (Einl. Rz. 35). 2 RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 31.
178 Assmann
Abschnitt 2 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Vorbemerkung Inhaltsübersicht I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Struktur der Bundesanstalt, organisatorische Einbindung der Wertpapieraufsicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
1. Die einschlägigen Vorschriften des FinDAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bundesanstalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Selbständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sitz und Gerichtsstand . . . . . . . . . . . 5. Aufbau der Bundesanstalt. . . . . . . . .
3 4 5 8 11
III. Aufgaben der Bundesanstalt. . . . . . .
15
1. Die einschlägige Vorschrift des FinDAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mitwirkung Dritter (§ 4 Abs. 3 FinDAG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Aufgabenwahrnehmung nur im öffentlichen Interesse (§ 4 Abs. 4 FinDAG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Haftung bei Amtspflichtverletzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
c) Verfahren der Kostenumlage . . . . d) Umlagepflichtige bezüglich der Wertpapieraufsicht . . . . . . . . . . . . e) Erstattungspflicht der Kreditinstitute (§ 6 Abs. 2 Nr. 3a FinDAGKostV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Erstattungspflicht der börsenhandelnden Unternehmen (§ 6 Abs. 2 Nr. 3b FinDAGKostV) . . . g) Erstattungspflicht der Finanzdienstleistungsinstitute (§ 6 Abs. 2 Nr. 3c FinDAGKostV). . . . h) Erstattungspflicht der Emittenten (§ 6 Abs. 2 Nr. 3d FinDAGKostV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Erstattungspflicht für gesamtes Kalenderjahr . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Mindestbeträge . . . . . . . . . . . . . . . 6. Beitreibung der Kostenforderungen 7. Verordnung über die Erhebung von Gebühren und die Umlegung von Kosten nach dem Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAGKostV) . . . . . . . . . . . . . . . . .
IV. Kosten der Aufsicht. . . . . . . . . . . . . .
28
V. Zwangsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
1. Die einschlägigen Vorschriften des FinDAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. WpHG-Aufsicht – zwei Finanzierungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gebühren (§ 14 FinDAG) . . . . . . . . . 4. Gesonderte Erstattung (§ 15 FinDAG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Umlage (§ 16 FinDAG) . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliches zur Umlage . . . . b) Umzulegende Kosten . . . . . . . . . .
15 16 20
24
28 32 33 36 38 39 42
1. Die einschlägige Vorschrift des FinDAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zweck des Verwaltungszwangs . . . . 3. Voraussetzungen für die Anwendung von Verwaltungszwang . . . . . . 4. Inhalt des Verwaltungszwangs . . . . 5. Verfahren bei der Anwendung von Verwaltungszwang . . . . . . . . . . . . . . 6. Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43 45 46 50 51 54 56 57 58
59
60 61 65 68 73 81
I. Einleitung Der frühere § 3 WpHG enthielt den Gründungsakt und die wesentliche Struktur des früheren Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel. Durch das Gesetz über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht vom 22.4.2002 (BGBl. I 2002, 1310), zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 4.12.2011 (BGBl. I 2011, 2427), abgekürzt FinDAG, wurde mit Wirkung vom 1.5.2002 durch Zusammenlegung der ehemaligen Bundesaufsichtsämter für das Kredit-, das Versicherungswesen und für den Wert-
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1
Vor § 3
Struktur der Bundesanstalt
papierhandel die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht mit Sitz in Bonn und Frankfurt/M. errichtet. Zugleich wurde im FinDAG die grundsätzliche Struktur der Bundesanstalt geregelt, die als „Allfinanzaufsicht“ aufgestellt wurde und durch die drei Säulen der Aufsicht über Versicherungen, über Banken und Finanzdienstleistungsinstitute sowie über den Wertpapierhandel und die Investmentgesellschaften getragen wird. Durch Schaffung dieser für diese Anstalt erforderlichen organisationsrechtlichen Vorschriften in §§ 1, 2, 5 und 6 FinDAG wurden u.a. im WpHG die das ehemalige Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel betreffenden organisationsrechtlichen Vorschriften des § 3 WpHG a.F. gegenstandslos und aufgehoben. Gleiches gilt für allgemeine Regelungen bezüglich der Aufgabenwahrnehmung. Insoweit bedurfte es keiner besonderen Regelung im WpHG mehr, so dass auch § 4 Abs. 2 WpHG a.F. durch das FinDAG aufgehoben und durch die Vorschriften des § 4 Abs. 1 und 4 FinDAG ersetzt wurde. 2
Das materielle Aufsichtsrecht wurde durch das FinDAG nicht geändert. Einzig wurden Normen, die in allen drei Aufsichtsbereichen vergleichbar geregelt waren, wie in einem allgemeinen Teil, in das FinDAG aufgenommen und gelten nun aus dem FinDAG heraus auch für die Aufsicht nach dem WpHG. Das betrifft die Möglichkeit des Heranziehens Dritter zur Durchführung der Aufgaben, die Norm bezüglich der Zwangsmittel und die Regelungen zur Umlage der Aufsichtskosten. Entsprechend wurden auch die Regelungen der §§ 6 Abs. 1, 10 und 11 WpHG a.F. durch das FinDAG aufgehoben und durch die Vorschriften der §§ 4 Abs. 2, 3 und 14 bis 17 FinDAG ersetzt. Um hier einen Überblick über die Struktur der Bundesanstalt, die organisatorische Anbindung der Wertpapieraufsicht und das Zusammenspiel der Regelungen zwischen FinDAG und WpHG zu geben, werden im Folgenden die Vorschriften des FinDAG kommentiert, soweit sie für die Wertpapieraufsicht von Bedeutung sind.
2a
Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2010/78/EU wurden zudem in § 4 Abs. 2 FinDAG die notwendigen Anpassungen des FinDAG in Hinblick auf die Errichtung des Europäischen Finanzaufsichtssystems vorgenommen und die Befugnis zur Zusammenarbeit mit den europäischen Einrichtungen im Rahmen des Europäischen Finanzaufsichtssystems klargestellt. Des weiteren würde die rechtliche Stellung der Mitglieder des Direktoriums der Bundesanstalt in § 9 FinDAG angepasst.
II. Struktur der Bundesanstalt, organisatorische Einbindung der Wertpapieraufsicht 1. Die einschlägigen Vorschriften des FinDAG 3
Die durch das Gesetz über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht (FinDAG)1 geschaffene Struktur der Bundesanstalt wurde mit dem Aufsichtsstrukturmodernisierungsgesetz vom 28.3.20082 geändert, um die Banken- und Finanzaufsicht in Deutschland noch effektiver zu gestalten. Die einschlägigen Regelungen des FinDAG lauten: § 1 FinDAG Errichtung (1) Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen wird durch Zusammenlegung des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen, des Bundesaufsichts1 In der Fassung der Bekanntmachung vom 22.4.2002 (BGBl. I 2002, 1310), zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 4.12.2011 (BGBl. I 2011, 2427). 2 BGBl. I 2008, 493.
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Struktur der Bundesanstalt
amtes für das Versicherungswesen und des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel eine bundesunmittelbare, rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts zum 1. Mai 2002 errichtet. Sie trägt die Bezeichnung „Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht“ (Bundesanstalt). (2) Die Bundesanstalt hat ihren Sitz in Bonn und in Frankfurt am Main. (3) Für Klagen gegen die Bundesanstalt gilt Frankfurt am Main als Sitz der Behörde. In Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten gilt Frankfurt am Main als Sitz der Verwaltungsbehörde. Satz 1 ist auf Klagen aus dem Beamtenverhältnis und auf Rechtsstreitigkeiten, für die die Gerichte für Arbeitssachen zuständig sind, nicht anzuwenden. (4) … § 2 FinDAG Rechts- und Fachaufsicht Die Bundesanstalt untersteht der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesministeriums der Finanzen (Bundesministerium). § 5 FinDAG Organe und Satzung (1) Organe der Bundesanstalt sind das Direktorium, der Präsident oder die Präsidentin und der Verwaltungsrat. (2) … (3) … § 6 FinDAG Leitung (1) Die Bundesanstalt wird durch das Direktorium gesamtverantwortlich geleitet und verwaltet. Das Direktorium besteht aus einem Präsidenten oder einer Präsidentin sowie vier Exekutivdirektoren oder Exekutivdirektorinnen, von denen einer oder eine als Vizepräsidenten oder Vizepräsidentin ständiger Vertreter oder ständige Vertreterin des Präsidenten ist. … (2) Das Direktorium berät unter dem Vorsitz des Präsidenten oder der Präsidentin. … Das Direktorium regelt die innere Organisation der Bundesanstalt durch eine Geschäftsordnung. … (3) Der Präsident oder die Präsidentin bestimmen die strategische Ausrichtung der Bundesanstalt als Allfinanzaufsicht national und international. Im Rahmen dieser Vorgaben obliegt den Exekutivdirektoren und Exekutivdirektorinnen die Verantwortung für ihren Geschäftsbereich. (4) Zur Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgabe der Bundesanstalt werden vier Geschäftsbereiche eingerichtet: Querschnittsaufgaben/Innere Verwaltung, Bankenaufsicht, Versicherungsaufsicht und Wertpapieraufsicht. (5) Der Präsident oder die Präsidentin vertritt die Bundesanstalt gerichtlich und außergerichtlich. 2. Bundesanstalt Die Vorschrift des § 1 FinDAG enthält den grundlegenden organisatorischen Errichtungsakt für die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Wie die drei Vor-
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4
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Struktur der Bundesanstalt
gängerbehörden ist die Bundesanstalt im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Finanzen eingerichtet. Die Bundesanstalt trat unmittelbar in die bestehenden Rechte und Pflichten der drei früheren Bundesaufsichtsämter ein (§ 21 FinDAG). 3. Selbständigkeit 5
Die Bundesanstalt ist eine selbständige Anstalt des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit1. Sie untersteht der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesministeriums der Finanzen (BMF), das damit auch die Tätigkeit des Amtes parlamentarisch zu verantworten hat (vgl. § 2 FinDAG). Die Rechts- und Fachaufsicht des BMF gewährleistet die erforderliche Anbindung an die Kontrolle durch das Parlament. Für diese Aufsicht sind die „Grundsätze für die Ausübung der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesministeriums der Finanzen über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht“ vom 5.1.2005 maßgebend. Diese Grundsätze sind auf der Internetseite des BMF unter dem Suchbegriff „BaFin“ nachlesbar. Aus dieser Verantwortung und aus § 3 Abs. 1 Finanzverwaltungsgesetz („Der Bundesminister der Finanzen leitet die Bundesfinanzverwaltung“) folgt das Recht zu fachlichen Weisungen.
6
Die Selbständigkeit der Anstalt manifestiert sich darin, dass sie die ihr übertragenen Aufgaben in eigener Verantwortung durchführt und nicht etwa „im Auftrag“ des BMF. Der Status als Anstalt hat zudem die Lösung vom Bundeshaushalt mit sich gebracht, wodurch die Anstalt deutlich mehr Unabhängigkeit im budgetären, organisationsrechtlichen und personellen Bereich gewinnt.
7
Die Rechtsstellung der Mitglieder des Direktoriums ist in einem neuen § 9 FinDAG geregelt. Sie stehen in einem öffentlich-rechtlichen Anstellungsverhältnis, dessen Rahmenbedingungen sich aus den Regelungen in § 9 FinDAG ergeben. Für die übrigen Beamten ist oberste Dienstbehörde der Präsident, an den auch Dienstaufsichtsbeschwerden gegen die Bediensteten der Bundesanstalt zu richten sind. 4. Sitz und Gerichtsstand
8
Der Sitz der Anstalt ist gesetzlich mit Bonn und Frankfurt/M. festgelegt. Der Doppelsitz ist im Hinblick auf Frankfurt/M. dadurch motiviert, dass die wichtige Aufgabe der Wertpapieraufsicht gerade nicht von einer Außenstelle erbracht werden sollte. Mit der Einrichtung des Doppelsitzes sollen auch im Bereich der internationalen Tätigkeit Signale gesetzt werden, dass die Wertpapieraufsicht weiterhin im Zentrum des Wertpapierhandels in Deutschland, in Frankfurt/M., tätig ist. Ein Nachteil erwachse der Anstalt durch den Doppelsitz, der hinsichtlich Bonn durch das Berlin/ Bonn-Gesetz vom 28.4.1994 (BGBl. I 1994, 918) bedingt ist, für die Organisation – so die Begründung zu § 1 Abs. 2 FinDAG – und ihre Verwaltungsabläufe im Zeitalter der elektronischen Datenkommunikation und der Möglichkeit von Telefonkonferenzen nicht.
9
Bei verwaltungsrechtlichen Klagen, wie Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Feststellungsklagen, bei zivilrechtlichen Klagen gegen die Bundesanstalt sowie für Verfahren in Bußgeldsachen gilt gemäß § 1 Abs. 3 FinDAG Frankfurt/M. als Sitz der Behörde. Im Hinblick auf die Vorschriften der § 52 VwGO, §§ 18, 12 ZPO ist durch die Fiktion des § 1 Abs. 3 FinDAG eine eindeutige Zuständigkeitsregelung gegeben. Diese dient nicht nur der Verwaltungsökonomie, sondern auch den Interessen potentieller Klä1 Vgl. Begr. zu Art. 1 und zu § 1 FinDAG, BT-Drucks. 14/7033, S. 32.
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Struktur der Bundesanstalt
Vor § 3
ger. Für Entscheidungen über Einsprüche gegen Bußgeldbescheide des Amtes ist grundsätzlich das Amtsgericht Frankfurt/M. zuständig (§ 68 Abs. 1 OWiG). Eine Ausnahme besteht bezüglich der Einsprüche gegen Bußgeldbescheide aus dem Übernahme- und Bilanzkontrollrecht. Diese werden aufgrund einer Spezialzuweisung ebenso wie die Beschwerden gegen Entscheidungen aus dem Bereich der Überwachung von Unternehmensabschlüssen und gegen übernahmerechtliche Entscheidungen durch das OLG Frankfurt/M., Wertpapiererwerbs- und Übernahmesenat, entschieden (§ 37u WpHG und §§ 48 Abs. 4, 62, 67 WpÜG). Bezüglich arbeitsrechtlicher und beamtenrechtlicher Klagen kommt es mit Rücksicht auf den jeweiligen Dienst- oder Arbeitsort der Beschäftigten nicht auf die Bestimmung des Sitzes in Frankfurt/M. an (§ 1 Abs. 2 Satz 3 FinDAG). Maßgeblich für derartige Klagen ist die Regelung des § 172 Bundesbeamtengesetz oder das Arbeitsgerichtsgesetz. Bei Klagen aus Amtspflichtverletzungen gemäß § 839 BGB, Art. 34 GG besteht als weiterer Gerichtsstand alternativ der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung, d.h. der Ort, an dem der Tatbestand verwirklicht wurde (§ 32 ZPO).
10
5. Aufbau der Bundesanstalt Die Bundesanstalt wird seit dem 18.4.2008 von einem fünfköpfigen Direktorium1 geleitet. Unter der Leitung des Präsidenten und der vier Exekutivdirektoren ist die Bundesanstalt in vier Geschäftsbereiche und diese in Abteilungen und Referate gegliedert. Die Anstalt verfügte zum Ende des Jahres 2010 über einen Personalbestand von ca. 1900 Bediensteten2.
11
Um die Verantwortlichkeit gegenüber dem die Fach- und Rechtsaufsicht führenden 12 Bundesministerium der Finanzen eindeutig manifestieren zu können, wurde zunächst der Gedanke an ein kollegiales Leitungsorgan zugunsten der Präsidialverfassung verworfen. Um den Anforderungen an eine moderne Aufsicht mit ihren internationalen und nationalen Verflechtungen noch besser gerecht zu werden, wurde mit dem Aufsichtsstrukturmodernisierungsgesetz eine Umorganisation der Führungsstruktur der Bundesanstalt durchgeführt. Mit dem Gesetz wurden dem Präsidenten/Präsidentin Exekutivdirektoren/Exekutivdirektorinnen zur Seite gestellt. Deren Eigenverantwortung für ihren Bereich verbreitert die Entscheidungsbasis der Bundesanstalt. Das fachliche Know-how wird durch den jeweils verantwortlichen Exekutivdirektor in das Direktorium eingebracht. Die Anstalt wird so durch ein Direktorium gesamtverantwortlich geleitet (§ 6 Abs. 1 Satz 1 FinDAG). Das Direktorium berät unter dem Vorsitz des Präsidenten oder ggf. einer Präsidentin. Bei der Errichtung der Bundesanstalt blieben die drei ehemaligen Ämter sozusagen als tragende Säulen der Anstalt hinsichtlich der Wahrnehmung der Fachaufgaben bestehen. Sie werden als Geschäftsbereiche je einem Exekutivdirektor/einer Exekutivdirektorin3 zugeordnet. Damit aber das Ganze mehr als die Summe seiner Teile werde, wurden erhebliche organisatorische Veränderungen vorgenommen. So wurden aus den Säulen die Zentralverwaltung herausgenommen und zu einer neuen Großabteilung zusammengefasst, in der sich Bereiche wie Haushalt, Organisation, Per1 Vgl. auch Jahresbericht der Bundesanstalt für das Jahr 2007, S. 227; abzurufen im Internet unter www.bafin.de. 2 S. Internetpräsentation der Bundesanstalt unter www.bafin.de/Die BaFin/Organisation/ Mitarbeiter. 3 Vgl. hierzu auch die auf der Internetseite der Bundesanstalt veröffentlichten Daten der Exekutivdirektorin und Exekutivdirektoren unter www.bafin.de/Die BaFin/Die Leitung.
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Aufgaben der Bundesanstalt
sonalwesen und Controlling finden. Ferner wurde ein Querschnittsbereich mit fünf Abteilungen eingerichtet. Hier werden sozusagen vor die Klammer gezogen Bereiche wie „Risiko- und Finanzmarktanalyse“, „Verbraucher- und Anlegerschutz“, „Integrität des Finanzsystems“ „Geldwäscheprävention“ sowie „Querschnitt Risikomodellierung“. Aus diesen Bereichen und dem IT-Bereich wurde ein eigener Geschäftsbereich „Querschnittsaufgaben/Innere Verwaltung“ gebildet und einem weiteren Exekutivdirektor zugeordnet. Die Entscheidung über die strategische Ausrichtung bzw. die Grundsatzfragen der Bundesanstalt verbleibt beim Präsidenten, wie auch die Zuständigkeit für die Abteilung „Internationales“ und z.B. die Stabsstellen „Innenrevision“ und „Presse und Öffentlichkeitsarbeit“1. Weitere Details zur Organisation der Bundesanstalt sind in einem „Organisationsstatut für die Bundesanstalt für Finanzdienstleitungsaufsicht (OsBaFin)“ und in der „Geschäftsordnung des Direktoriums der Bundesanstalt für Finanzdienstleitungsaufsicht (GoDirBaFin)“ geregelt2. 14
Wichtigstes Gremium der Anstalt ist neben dem Direktorium ihr Verwaltungsrat, der die Geschäftsführung überwacht, diese bei der Aufgabenerfüllung unterstützt und den Haushalt feststellt. Er besteht aus sechs Angehörigen unterschiedlicher Ministerien, fünf Mitgliedern des Deutschen Bundestages sowie aus zehn Vertretern der überwachten Unternehmen. Einzelheiten zur Besetzung des Verwaltungsrates ergeben sich aus § 7 FinDAG. Das Direktorium der Bundesanstalt erstellt einen Entwurf des Haushaltsplans, der von diesem dem Verwaltungsrat vorzulegen ist (§ 12 FinDAG). Der Haushaltsplan wird vom Verwaltungsrat festgestellt. Nach Ende des Haushaltsjahres hat das Direktorium eine Rechnung über Einnahmen und Ausgaben der Bundesanstalt aufzustellen. Die Entlasung erteilt der Verwaltungsrat mit Zustimmung des BMF.
III. Aufgaben der Bundesanstalt 1. Die einschlägige Vorschrift des FinDAG 15
Mit Gründung der Bundesanstalt wurde die Frage der Aufgabenübertragung ausdrücklich im FinDAG und für alle Bereiche einheitlich geregelt. Zugleich wurden Regelungen über die Aufgabenwahrnehmung, die in allen drei Aufsichtsbereichen fixiert waren, einheitlich für die gesamte Bundesanstalt zusammengefasst. Diese Regelungen zur Aufgabenübertragung und -wahrnehmung sind nunmehr in § 4 FinDAG enthalten. Entsprechend konnte die Vorgängerregelung über die Aufgabenwahrnehmung in § 4 Abs. 2 WpHG a.F. aufgehoben werden, da sie durch § 4 Abs. 3 FinDAG ersetzt wurde. Entsprechend werden hier die auch für die Wertpapieraufsicht maßgeblichen Regelungen dargestellt. § 4 FinDAG Aufgaben und Zusammenarbeit (1) Die Bundesanstalt übernimmt die dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, dem Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen und dem Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel übertragenen Aufgaben. Sie nimmt darüber hinaus die ihr nach anderen Bestimmungen übertragenen Aufgaben einschließlich der Beratungs-
1 Vgl. Protokoll der 142. Sitzung des Bundestags am 14.2.2008 Anlage 6 (15043) Rz. D und § 1 Abs. 2 des Organisationsstatuts der Bundesanstalt. 2 Zu finden über die Veröffentlichungen unter www.bafin.de.
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Aufgaben der Bundesanstalt
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tätigkeit im Zusammenhang mit dem Aufbau und der Unterstützung ausländischer Aufsichtssysteme wahr. (2) Die Bundesanstalt arbeitet mit anderen Stellen und Personen im In- und Ausland nach Maßgabe der in Absatz 1 genannten Gesetze und Bestimmungen sowie nach Maßgabe 1. der Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Errichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 1), 2. der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses Nr. 2009/78/EG der Kommission (ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 12), 3. der Verordnung (EU) Nr. 1094/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses Nr. 2009/79/EG der Kommission (ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 48) und 4. der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses Nr. 2009/77/EG der Kommission (ABl. L 331 vom 15. Dezember 2010, S. 84) zusammen. (3) Bei der Durchführung ihrer Aufgaben kann sich die Bundesanstalt anderer Personen und Einrichtungen bedienen. (4) Die Bundesanstalt nimmt ihre Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahr. 2. Aufgaben Mit der Gründung der Bundesanstalt wurden ihr die Aufgaben der drei Vorgängerbe- 16 hörden übertragen. Zweck der Bundesanstalt ist die Wahrnehmung dieser Aufgaben. Zusätzliche Aufgaben wurden durch das FinDAG nicht zugewiesen. Hinsichtlich des damaligen Aufgabenkatalogs der drei Vorgängerbehörden kann auf die Gesetzesbegründung zum FinDAG verwiesen werden1. Bei diesen Aufgaben sollte es sich nicht um einem abgeschlossenen Katalog handeln. 17 Entsprechend regelte der Gesetzgeber in § 4 Abs. 1 Satz 2 FinDAG, dass die Bundesanstalt über die zum damaligen Zeitpunkt übertragenen Aufgaben hinaus die Aufgaben, die ihr nach anderen Bestimmungen übertragen werden, einschließlich der Beratungstätigkeit im Zusammenhang mit dem Aufbau und der Unterstützung ausländischer Aufsichtssysteme wahrnimmt. Diese internationale Tätigkeit bezieht sich insbesondere auf internationale Beratungsprojekte im Zusammenhang mit der
1 Begr. RegE FinDAG, BT-Drucks. 14/7033, S. 92 f.
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Aufgaben der Bundesanstalt
Erweiterung der Europäischen Union und mit Schaffung des Europäischen Finanzaufsichtssystems auch auf die Zusammenarbeit in diesem Rahmen. 18
Für den Bereich der Wertpapieraufsicht hat sich bezüglich der Aufgabenstellung seit dem Zeitpunkt der Gründung der Bundesanstalt vieles geändert. So signalisiert der Doppelname der Säule „Wertpapieraufsicht/Asset Management“ eine strukturelle Veränderung: Die zum ehemaligen Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen gehörende Investmentabteilung wurde kraft Sachzusammenhangs der Wertpapieraufsicht zugeordnet. Zudem wurde die Aufsicht über die Finanzdienstleistungsinstitute, außer den Wertpapierhandelsbanken, auch bezüglich der Zulassung der Institute und deren Solvenzaufsicht auf die Säule der Wertpapieraufsicht übertragen. Als neue gesetzliche Aufgaben wurde der Wertpapieraufsicht fast zeitgleich mit der Gründung der Bundesanstalt die Aufsicht nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz übertragen und im Laufe der folgenden Zeit die Aufsicht nach dem Verkaufsprospektgesetz bezüglich der sonstigen Vermögensanlagen, dem Wertpapierprospektgesetz1 und dem Bilanzkontrollgesetz zugeordnet. Zusammengefasst ist die Aufsichtssäule Wertpapieraufsicht/Asset Management im Wesentlichen zuständig für: 1. die Marktaufsicht nach dem WpHG nebst Wahrnehmung der Aufgaben nach dem Bilanzkontrollgesetz (BilKoG); 2. die Überwachung der Hinterlegung von Verkaufsprospekten gemäß VerkaufsprospektG; 3. die Wahrnehmung der Aufgaben nach dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG); 4. die Überwachung der Verpflichtungen nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG); 5. die Wahrnehmung der Aufgaben nach dem Investmentgesetz (InvG) und 6. die Beaufsichtigung der Finanzdienstleistungsunternehmen bezüglich der Regelungen des KWG.
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Die in § 4 Abs. 2 FinDAG aufgenommenen Regelungen zur Zusammenarbeit haben eine klarstellende Funktion. Das gilt auch für die Zusammenarbeit innerhalb des Europäischen Finanzaufsichtssystems mit den ESA2 und dem Europäischen Ausschuss für Systemrisiken und anderen Stellen, die in dieses System einbezogen sind3. Die Zusammenarbeit kann, wie zuvor auch schon, in unterschiedlicher Art und Weise stattfinden und unterschiedlichen Zwecken dienen. Die Art und Weise der Zusammenarbeit der Bundesanstalt wird in erster Linie durch die verschiedenen Regelungen der Aufsichtsgesetze bestimmt. Im WpHG handelt es sich vornehmlich um die Regelungen der §§ 6, 7 und 7a WpHG, aber auch spezielle Regelungen wie z.B. § 9 WpHG oder § 37s WpHG. Die Zusammenarbeit enthält den Informationsaustausch einschließlich Informationsbeschaffung und -weitergabe und die Zusammenarbeit zum Zwecke der Verwaltungsökonomie. Durch die Integration der drei ehemaligen Aufsichtsämter in die Anstalt entfiel die früher bestehende strenge Aufgabentrennung im Bereich der Organisation der Aufsicht, so dass es für den generel1 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz – WpPG). 2 Dazu auch § 7a Rz. 2 f. 3 Vgl. BT-Drucks. 17/6255, S. 35.
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Aufgaben der Bundesanstalt
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len Datenaustausch zwischen den Aufsichtssektoren keiner besonderen Regelung mehr bedurfte1. Entsprechend konnten diese Regelungen in § 6 Abs. 3 WpHG a.F. entfallen. 3. Mitwirkung Dritter (§ 4 Abs. 3 FinDAG) Bei der Durchführung Ihrer Aufgaben kann sich die Bundesanstalt anderer Personen 20 und Einrichtungen bedienen. „Andere Personen und Einrichtungen“ im Sinne dieser Vorschrift sind im Zweifel solche, die keinen Behördencharakter haben. Die Reichweite der Vorschrift bezieht sich auf alle Hilfsorgane und Erfüllungsgehilfen, deren Mitwirkung für eine zentralisierte, jedoch nicht in der Fläche vertretene Aufsichtsstruktur unerlässlich ist. Hierzu gehören insbesondere Prüfungsverbände der Sparkassen und genossenschaftlichen Institute oder Wirtschaftsprüfer2, die z.B. bei der Prüfung der Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach § 35 Abs. 1 WpHG hinzugezogen werden können. Bezüglich der Behörden des Bundes und der Länder bedarf es der Regelung in § 4 Abs. 3 WpHG nicht, denn im Hinblick auf Art. 35 GG („Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegenseitig Rechts- und Amtshilfe“) bedarf es deren ausdrücklicher Erwähnung im Gesetz nicht3. Die Bundesanstalt kann Amtshilfe nach Bedarf in Anspruch nehmen, wobei die Beistandsleistung der ersuchten Behörde nicht darauf hinauslaufen darf, dass die eigenen Hoheitsbefugnisse der Bundesanstalt faktisch übertragen werden. Damit ist eine langandauernde oder gar ständige Wahrnehmung von hoheitlichen Befugnissen durch eine andere Behörde nicht zulässig. Amtshilfe ist auch nur insoweit zulässig, als nicht das originäre Handeln der Bundesanstalt z.B. durch Erlass von Verwaltungsakten erforderlich ist. Für Amtshilfeersuchen zur Erfüllung von Aufgaben der Bundesanstalt kommen insbesondere folgende Behörden in Betracht: die obersten Wirtschafts- und Finanzbehörden des Bundes und der Länder, Einwohnermeldeämter und die Registergerichte.
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Andere Personen und Einrichtungen privater Natur, deren sich die Bundesanstalt bei 22 der Durchführung ihrer Aufgaben nach § 4 Abs. 3 FinDAG bedienen kann, sind nicht zur Mitwirkung oder Unterstützung der Bundesanstalt verpflichtet. Es sind insoweit Verträge oder Aufträge zivilrechtlicher Art erforderlich. Sinn der Vorschrift ist, die Kosten der Bundesanstalt aus verwaltungsökonomischen 23 Gründen so gering wie möglich zu halten. Teuere Spezialisten oder ständig angestellte Bedienstete zur Erledigung von punktuellen Sonderaufgaben brauchen so nicht vorgehalten zu werden. Teilweise ist die Einschaltung von Dritten ausdrücklich vorgesehen, wie z.B. bei der Einschaltung von Wirtschaftsprüfern, die u.a. die Durchführung von Prüfungen gemäß § 35 Abs. 1 WpHG („… den Bediensteten der Bundesanstalt sowie den von ihr beauftragten Personen …“) übernehmen können. Der Einsatz Dritter muss allerdings nicht ausdrücklich im Gesetz vorgesehen sein. § 4 Abs. 3 FinDAG gibt die Möglichkeit, jegliche Aufgabe der Bundesanstalt durch einen Dritten durchführen zu lassen, soweit das Amt nicht originär hoheitlich tätig werden muss.
1 Vgl. Begr. § 1 Abs. 1, BT-Drucks. 14/7033, S. 32. 2 Keine Schutzwirkung zugunsten Dritter aus Vertrag zwischen der Bundesanstalt und dem Wirtschaftsprüfer, vgl. BGH v. 7.5.2009 – III ZR 277/08, BGHZ 181, 12, Rz. 19 ff. 3 Reischauer/Kleinhans, § 8 KWG Rz. 2.
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Aufgaben der Bundesanstalt
4. Aufgabenwahrnehmung nur im öffentlichen Interesse (§ 4 Abs. 4 FinDAG) 24
Durch § 4 Abs. 4 FinDAG ist ausdrücklich geregelt, dass die Bundesanstalt nur im öffentlichen Interesse tätig wird. Die Regelung entspricht den früheren Regelungen in § 4 Abs. 2 WpHG a.F. sowie § 6 Abs. 4 KWG. Die Wahrnehmung der der Bundesanstalt nach dem WpHG oder sonstigen Gesetzen zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse erfolgt somit nicht im Interesse einzelner Wertpapierkunden oder von Gruppen von ihnen, sondern im Interesse der Vermeidung und Beseitigung von Missständen und der Durchsetzung der konkreten aufsichtsrechtlichen Vorschriften des Gesetzes. Als positives Ergebnis dieser Aufsicht stellt sich der ordnungsgemäß funktionierende Wertpapiermarkt insgesamt dar, von dem der Einzelkunde profitiert, ohne dass ihm jedoch ein konkreter Anspruch auf Vornahme von Handlungen seitens der Bundesanstalt gegeben ist1. Eine Klage gegen die Bundesanstalt auf Tätigwerden nach § 4 Abs. 4 FinDAG wäre nicht zulässig, da nach § 42 VwGO in einer verwaltungsrechtlichen Klage geltend gemacht werden muss, dass der Kläger durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder seine Unterlassung in seinen Rechten verletzt wurde. Bei ordnungsgemäßer Durchführung der Amtstätigkeit haften weder die Bundesanstalt noch ihre Bediensteten einem Geschädigten aus Amtspflichtverletzung oder aus anderen Gesichtspunkten. Vor Einführung einer entsprechenden Vorschrift in das KWG war die Rechtslage im Bereich der Bankenaufsicht durch Unsicherheit geprägt2.
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Die Wahrnehmung der Aufgaben durch die Bundesanstalt im öffentlichen Interesse ist mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht und mit dem Grundgesetz vereinbar, woraus beispielsweise folgt, dass Einzelpersonen keine Schadensersatzansprüche gegen die Bundesanstalt etwa wegen unzureichender Aufsichtswahrnehmung erheben können3.
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Der Umstand, dass die Wertpapierhandelsaufsicht allen am Wertpapiermarkt Handelnden zugute kommen und gerade auch den Schwächeren, d.h. insbesondere den Kleinanlegern, gegenüber ein Mindestmaß an Anlegerschutz gewährleisten soll, führt des Öfteren zu Enttäuschungen, wenn der Bundesanstalt Beschwerden über das Verhalten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen unterbreitet werden. Wenn solche Beschwerden nicht offensichtlich unbegründet sind, geht ihnen die Bundesanstalt nach und fordert dabei regelmäßig auch das betreffende Wertpapierdienstleistungsunternehmen zur Stellungnahme auf. Dieses Vorgehen bezieht sich auf die Sachverhaltsklärung im Rahmen der Aufsicht nach § 4 Abs. 1 Satz 1 WpHG, insb. 1 Zum Bereich der Versicherungsaufsicht vgl. VG Frankfurt/M. v. 28.3.2011 – 9 K 566/10.F, veröffentlicht in der hessischen Landesrechtssammlung unter www.lareda.hessenrecht. hessen.de. 2 Reischauer/Kleinhans, § 6 KWG Rz. 18 und Szagunn/Haug/Ergenzinger, § 6 KWG Rz. 13–15. 3 So zum Bankenaufsichtsrecht: BGH v. 20.1.2005 – III ZR 48/01, BGHZ 162, 49, nach EuGHVorlage, ob der Ausschluss der Amtshaftung in § 4 Abs. 4 FinDAG europarechtswidrig sei, was der EuGH verneinte, EuGH v. 12.10.2004 – Rs C-222/02, WM 2005, 365; dazu v. Danwitz, JZ 2005, 729; Hafke, WuB I L 3 Sonstiges (RL 94/19/EWG) 1.05; Jaskulla, BKR 2005, 231; Rohlfrig, WM 2005, 311; Sethe, Anlegerschutz im Recht der Vermögensverwaltung, S. 956 ff. m.w.N.; Sethe, Die Verfassungsmäßigkeit des Haftungsauschlusses für fehlerhafte Bankaufsicht, in: FS Hopt, S. 2549 ff., 2569; jüngst VG Frankfurt/M. v. 17.6.2010 – 1 K 823/10.F, veröffentlicht in juris. Zum Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz: OLG Frankfurt/M. v. 4.7.2003 – WpÜG 4/03, ZIP 2003, 1392 = AG 2003, 513, nachgehend BVerfG v. 2.4.2004 – 1 BvR 1620/03, NJW 2004, 3031 – Nichtannahmebeschluss; OLG Frankfurt/M. v. 9.10.2003 – WpÜG 2/02, ZIP 2003, 2254 und OLG Frankfurt/M. v. 27.5.2003 – WpÜG 1/03, ZIP 2003, 1297 = AG 2003, 516.
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Kosten der Aufsicht
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der Sachverhaltsaufklärung im Rahmen der Überwachung der Ge- und Verbote des WpHG (§ 4 Abs. 2 Satz 1 WpHG) und ggf. im Rahmen der Missstandsaufsicht gegenüber den Beaufsichtigten (§ 4 Abs. 1 Satz 2 WpHG). Trotz des häufig herangetragenen Wunsches der Beschwerdeführer ist es der Bundesanstalt nicht möglich, auf diesem Wege die von den Beschwerdeführern behaupteten oder tatsächlich bestehenden Rechte durchzusetzen. Privatrechtliche Ansprüche werden von der Bundesanstalt nicht geprüft. Die Durchsetzung individueller Ansprüche gehört nicht zu den Aufgaben der Bundesanstalt1. Der Umstand, dass die Aufsicht im öffentlichen Interesse erfolgt, führt dazu, dass die Bundesanstalt bei begründeten Beschwerden das Unternehmen auffordert, seine Geschäftspraxis zu ändern, anderenfalls eine Fortsetzung des beanstandeten Verhaltens als Missstand angesehen werden kann. Hiervon würde bei Beschwerden gegen Kreditinstitute der Bereich Bankaufsicht in Kenntnis gesetzt, für den der Sachverhalt im Hinblick auf die Zuverlässigkeit von Geschäftsleitern von Bedeutung sein kann. Die Beseitigung eines solchen Verhaltens kommt damit allen Wertpapierkunden – insbesondere dieses Instituts – zugute; dem Beschwerdeführer, dem unter Hinweis auf die Verschwiegenheitspflicht nach § 8 WpHG auch das Ergebnis der Untersuchung nicht mitgeteilt werden darf, kann nur anheim gestellt werden, seine (behaupteten) Ansprüche auf dem Rechtsweg durchzusetzen2. 5. Haftung bei Amtspflichtverletzungen Unberührt bleibt die Pflicht zu rechtmäßigem Verhalten in Bezug auf die von Aufsichtsmaßnahmen unmittelbar betroffenen Personen und Unternehmen.
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Die Wahrnehmung der Aufgaben und Befugnisse im öffentlichen Interesse stellt die Bundesanstalt nicht von Amtshaftungsansprüchen frei, die durch fehlerhaftes Verwaltungshandeln einem unmittelbar Betroffenen entstehen. Hierfür haftet die Bundesanstalt nach den allgemeinen Grundsätzen (§ 839 BGB, Art. 34 GG).
IV. Kosten der Aufsicht 1. Die einschlägigen Vorschriften des FinDAG Die Finanzierung der Aufsicht durch das frühere Bundesaufsichtsamt für den Wert- 28 papierhandel (BAWe) war durch eine Umlage der Aufsichtskosten sichergestellt, die durch eine gesonderte Erstattung von Prüfungskosten ergänzt wurde. Geregelt war die Erstattung der Aufsichtskosten in § 11 WpHG a.F. Mit der Gründung der Bundesanstalt durch das Finanzdienstleistungsaufsichtgesetz wurden die Regelungen zur Finanzierung der Aufsicht durch die Bundesanstalt vereinheitlicht und zusammen gefasst. § 11 WpHG a.F. konnte hierdurch gestrichen werden. Hinsichtlich der Kosten des früheren Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhan- 29 del, die bis zum 30.4.2002 angefallen waren, wurde in § 42 Abs. 2 WpHG eine Übergangsregelung geschaffen. Nach dieser sind die Regelungen des § 11 WpHG a.F. in seiner Fassung vor Inkrafttreten des FinDAG weiter anzuwenden. Aufgrund der heute geringen Relevanz der Übergangsregelung und der inhaltlichen Fortführung der Umlageberechnung von § 11 WpHG a.F. durch die Regelungen der Kostenumlage für die Bundesanstalt im FinDAG soll hier nicht näher auf die BAWe-Umlage eingegangen werden. 1 S. Begr. RegE FinDAG, BT-Drucks. 14/7033, S. 93. 2 Reischauer/Kleinhans, § 6 KWG Rz. 18 und Szagunn/Haug/Ergenzinger, § 6 KWG Rz. 13–15.
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Kosten der Aufsicht
Von praktischer Relevanz sind heute die Regelungen über die Finanzierung der Aufsichtskosten der Bundesanstalt. Die Finanzierung der Aufsicht basiert auf drei Pfeilern: 1. die Geltendmachung von Gebühren für einzelne gebührenpflichtige Amtshandlungen (§§ 14, 17b FinDAG), 2. die gesonderte Erstattung von Kosten (§§ 15, 17c FinDAG) und 3. die Umlage der Aufsichtskosten (§§ 16, 17d FinDAG). Die Regelungen sind in §§ 14 ff. FinDAG verankert und werden durch die FinDAGKostV ergänzt und ausgestaltet. An dieser Stelle wird zunächst auf die tragenden Regelungen in §§ 13 bis 16 FinDAG1 als Ausgangspunkt der Kostenregelung eingegangen. § 13 FinDAG Deckung der Kosten der Aufsicht (1) Die Bundesanstalt deckt ihre Kosten, einschließlich der Kosten, mit denen die Deutsche Bundesbank die Bundesanstalt nach § 15 Abs. 2 belastet, aus eigenen Einnahmen nach Maßgabe der §§ 14 bis 16 und den sonstigen eigenen Einnahmen … Bußgelder bleiben unberücksichtigt. (2) … § 14 FinDAG Gebühren für Amtshandlungen (1) Die Bundesanstalt kann für Amtshandlungen im Rahmen der ihr zugewiesenen Aufgaben Gebühren in Höhe von bis zu 500 000 Euro erheben, soweit nicht die für die Bundesanstalt geltenden Gesetze besondere Gebührenregelungen enthalten, nach § 15 eine gesonderte Erstattung von Kosten vorgesehen ist oder eine gesonderte Finanzierung nach Maßgabe der § 17a bis 17d stattfindet. (2) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung die gebührenpflichtigen Tatbestände und die Gebühren … näher zu bestimmen … (3) … § 15 FinDAG Gesonderte Erstattung (1) Die Kosten, die der Bundesanstalt entstehen 1. … 2. durch eine auf Grund des § 17 Absatz 4 und 5, § 35 Abs. 1 oder § 36 Abs. 4 des Wertpapierhandelsgesetzes vorgenommene Prüfung, 3. … … sind in den Fällen der Nummern … 2 … von dem betroffenen Unternehmen … der Bundesanstalt gesondert zu erstatten und ihr auf Verlangen vorzuschießen … (2) …
1 In der Fassung der Bekanntmachung vom 22.4.2002 (BGBl. I 2002, 1310), zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 4.12.2011 (BGBl. I 2011, 2427).
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Kosten der Aufsicht
§ 16 FinDAG Umlage (1) Soweit die Kosten der Bundesanstalt nicht durch Gebühren, gesonderte Erstattung nach § 15 oder sonstige Einnahmen gedeckt werden, sind sie unter Berücksichtigung von Fehlbeträgen, nicht eingegangenen Beträgen und Überschüssen der Vorjahre anteilig auf die Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen, Finanzdienstleistungsund Zahlungsinstitute, Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaften, Kapitalanlagegesellschaften, Investmentaktiengesellschaften, Unternehmen, die an einer inländischen Börse zur Teilnahme am Handel zugelassen sind, sowie Emittenten mit Sitz im Inland, deren Wertpapiere an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen oder mit ihrer Zustimmung in den Freiverkehr einbezogen sind, nach Maßgabe eines geeigneten Verteilungsschlüssels umzulegen und von der Bundesanstalt nach den Vorschriften des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes beizutreiben. (2) Das Nähere über die Erhebung der Umlage, insbesondere den Verteilungsschlüssel, den Stichtag, die Mindestveranlagung, das Umlageverfahren einschließlich eines geeigneten Schätzverfahrens bei nicht zweifelsfreier Datenlage, die Ausschlussfristen für die Vorlage von Nachweisen, Zahlungsfristen, die Höhe der Säumniszuschläge, die Festsetzung von Vorauszahlungen, die Verjährung und die Beitreibung bestimmt das Bundesministerium durch Rechtsverordnung … (3) … Die Bundesanstalt deckt ihre Ausgaben vollständig durch die Erhebung von Gebüh- 31 ren und Umlagen sowie die gesonderte Erstattung von Kosten (§ 13 FinDAG). Sie erhält keine Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt. Vielmehr zieht die Bundesanstalt zur Kostentragung die von ihr beaufsichtigten Unternehmen heran. Nachfolgend werden vorrangig diejenigen Regelungen kommentiert, die sich auf die Erstattung der Kosten beziehen, die durch die Aufsicht nach dem WpHG entstehen. 2. WpHG-Aufsicht – zwei Finanzierungsbereiche Die Finanzierung der Aufsicht nach dem WpHG wurde vor der Gründung der Bun- 32 desanstalt in einem Rechnungskreis durchgeführt, in dem alle umzulegenden Kosten nach einem bestimmten Verteilungsschlüssel auf alle Umlagepflichtigen verteilt wurde. Nach der Gründung der Bundesanstalt wurde durch die Zusammenlegung der drei Vorgängerbehörden ein großer Rechnungskreis geschaffen, dessen Kosten rechnerisch in mehreren Schritten letztlich auf die einzelnen Umlagepflichtigen aufgeteilt werden. Mit dem Bilanzkontrollgesetz wurde dann ein neuer Aufsichtsbereich in das WpHG eingegliedert (§§ 37n WpHG ff.). Das Bilanzkontrollgesetz sieht eine Aufsicht über die Rechnungslegung der börsennotierten Gesellschaften aber nicht allein durch die Bundesanstalt vor. Mit Errichtung der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) und der Übertragung der Zuständigkeit für die erste Stufe der Bilanzkontrolle auf diese, besteht ein zweistufiges Prüfungsverfahren, das zum Teil durch die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung und zum anderen Teil durch die Bundesanstalt durchgeführt wird. Auch diese zweistufige Aufsicht nach dem Bilanzkontrollgesetz wird durch eine Umlage finanziert, die durch Gebührenerhebungen und gesonderte Erstattungen von Prüfungskosten ergänzt wird. Da es sich hierbei sowohl um die Kosten der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung als auch um die Kosten der Bundesanstalt bezüglich der Aufgaben nach dem 11. Abschnitt des WpHG handelt, hat der Gesetzgeber für diese Kosten eine eigene Finanzierung vorgesehen. Für diese gesonderten Aufgaben nach dem 11. Abschnitt des WpHG bzw. nach § 342b HGB, wurde eine eigene Kostenerstattung vorgesehen, die unabhängig von der übrigen Kostenerstattung nach §§ 14 bis 16 FinDAG berechnet wird. Somit beDöhmel
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Vor § 3
Kosten der Aufsicht
steht ein zweiter Rechnungskreis. Die entsprechenden Regelungen hierzu finden sich in §§ 17a ff. FinDAG und ergänzend hierzu in einer Bilanzkontroll-Umlageverordnung (BilKoUmV)1 Wenn auch für dieses spezielle Aufgabengebiet eine eigene Kostenerstattung vorgesehen ist, so ist das Vorgehen bezüglich Gebühren, gesonderter Erstattung und Umlage2 doch ähnlich dem Vorgehen nach §§ 14 bis 16 FinDAG. Entsprechend kann hier bezüglich der grundsätzlichen Fragen auf die Regelungen der allgemeinen Finanzierung der Aufsichtstätigkeit, auf die Hinweise zur Bilanzkontrollumlage auf der Internetseite der Bundesanstalt3 und die Rechtsprechung4 hierzu verwiesen werden. 3. Gebühren (§ 14 FinDAG) 33
Ausgangspunkt der Gebührenerhebung für die Aufsichtstätigkeit ist § 14 FinDAG (bezüglich der Bilanzkontrolle § 17b FinDAG). Hiernach kann die Bundesanstalt für Amtshandlungen Gebühren in Höhe von bis zu 500 000 Euro erheben. Unter Gebühren werden in der Regel öffentlich-rechtliche Geldleistungen bezeichnet, die aus Anlass individuell zurechenbarer öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahmen auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken5. In der Regel werden Gebühren erhoben für die positive Bearbeitung eines Antrags durch die Behörde. Allerdings ist ein Antrag nicht Voraussetzung für eine Gebührenpflicht. Gebührenpflichtige Amtshandlungen können Aufsichtsmaßnahmen von Amts wegen sein, die sich auf einen konkret Beaufsichtigten oder dessen Tätigkeitsbereich beziehen. Zu denken ist hier z.B. an den Entzug einer Erlaubnis, der gebührenpflichtig sein kann.
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Näheres zu der relativ allgemeinen Regelung der Gebührenerhebung in § 14 FinDAG wird in der Verordnung über die Erhebung von Gebühren und die Umlegung von Kosten nach dem Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAGKostV) vom 29.4.20026 geregelt. Die FinDAGKostV enthält in §§ 1 bis 3 und in einem anliegenden Gebührenverzeichnis die maßgeblichen Bestimmungen über die gebührenpflichtigen Amtshandlungen und die Gebührenhöhen. Darüber hinaus regelt § 3 FinDAGKostV die Gebührenerhebung in besonderen Fällen, wie die Ablehnung, die Rücknahme oder den Widerruf einer Amtshandlung, die Rücknahme eines Antrags auf Vornahme einer Amtshandlung sowie die Zurückweisung eines Widerspruchs.
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Nach dem WpHG sind als Gebührentatbestände festgelegt: Amtshandlungen gemäß § 36 Abs. 1, § 37i Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 und 3, § 37q Abs. 2 und § 37z Abs. 4 Satz 1 WpHG (Nr. 5.1 bis 5.4 des FinDAGKostV-Gebührenverzeichnisses). Ferner fließen 1 BilKoUmV vom 9.5.2005 (BGBl. I 2005, 1259), zuletzt geändert durch Verordnung vom 21.11.2007 (BGBl. I 2007, 2606). 2 Zur Verfassungsmäßigkeit der Bilanzkontrollkosten-Umlage und deren Höchstbetragsregelung: VG Frankfurt/M. v. 11.10.2007 – 1 E 1477/07, veröffentlicht in juris. 3 Unter www.bafin.de/ Über die BaFin/Finanzierung. 4 Hinsichtlich der Zulässigkeit einer solchen Umlage als Sonderabgabe, deren Verfassungsmäßigkeit und der Zulässigkeit der Regelung eines Höchstbetrags für die BilanzkontrollUmlage vgl. VG Frankfurt/M. v. 11.1.2007 – 1 E 1477/07, veröffentlicht in der Entscheidungssammlung der hessischen Justiz unter http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/ Datenbanken/Landesrechtsprechung. 5 Vgl. BVerwG v. 25.8.1999 – 8 C 12.98, BVerwGE 109, 272; BVerwG v. 13.9.2006 – 6 C 10/06, NVwZ-RR 2007, 192, Rz. 41. 6 BGBl. I 2002, 1504, berichtigt BGBl. I 2002, 1847, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 8.6.2011 (BGBl. I 2011, 1054); Text in Rz. 59.
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Vor § 3
der Bundesanstalt im Bereich der Wertpapieraufsicht Gebühren aus dem Vollzug des Investmentgesetzes, des Verkaufsprospektgesetzes, des Wertpapierprospektgesetzes und des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes zu. 4. Gesonderte Erstattung (§ 15 FinDAG) Kosten relativ aufwändiger Tätigkeiten für ein einzelnes Unternehmen sind von die- 36 sem gesondert zu erstatten1. Derartig individuell zuordenbare Kosten werden nicht der Gesamtheit der Beaufsichtigten aufgebürdet. Es handelt sich hierbei überwiegend um die Kosten von Prüfungen2 bei einem beaufsichtigten Unternehmen. Im Bereich der Wertpapieraufsicht betrifft das die Kosten für außerplanmäßige Prüfungen3 nach § 35 Abs. 4 WpHG. Entsprechendes gilt für die Kosten einer Prüfung durch die Bundesanstalt oder deren Beauftragte nach § 36 Abs. 4 WpHG. Im Bereich der Bilanzkontrolle handelt es sich um die Kosten für die zweite Stufe der Prüfung nach § 37p Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG, wenn das Unternehmen seine Mitwirkung verweigert oder mit dem Ergebnis der Prüfung durch die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung nicht einverstanden ist und die Bundesanstalt nicht zugunsten des Unternehmens von dem Ergebnis der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung abweicht (§ 17c FinDAG). Im Falle der gesonderten Erstattung sind der Bundesanstalt für das Tätigwerden nicht 37 nur die Kosten ihrer eigenen, für die besondere Tätigkeit eingesetzten Mitarbeiter zu erstatten. Zu erstatten sind auch Personal- und Sachaufwendungen, die bei den Personen und Einrichtungen angefallen ist, derer sich die Bundesanstalt bedient, um ihre Aufgaben durchzuführen (§ 4 Abs. 3 FinDAG). Das sind insbesondere Wirtschaftsprüfer sowie Personal- und Sachaufwand der Deutschen Bundesbank (§ 17 Abs. 2 FinDAG). 5. Umlage (§ 16 FinDAG) Soweit die Kosten der Bundesanstalt nicht durch Gebühren oder durch die gesonderte Erstattung nach § 15 FinDAG oder sonstige Einnahmen gedeckt werden, sind sie anteilig auf die beaufsichtigten oder börsenzugelassenen Unternehmen und Emittenten umzulegen. Die Umlage ist die wichtigste Finanzierungsquelle der Bundesanstalt. Die finanzielle Belastung für die Betroffenen durch die Umlage ist in der Regel deutlich höher als die Belastung durch Gebühren oder die gesonderte Erstattung nach § 15 FinDAG.
1 Vgl. auch VG Frankfurt/M. v. 13.3.2007 – 1 E 3904/06, veröffentlicht in der Entscheidungssammlung der hessischen Justiz unter http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de. 2 Entsprechende Regelungen bestanden vor der Gründung der Bundesanstalt neben § 11 Abs. 4 WpHG a.F. auch in § 53 Abs. 3 KWG. Zur Vereinbarkeit der gesonderten Erstattung von Prüfungskosten nach § 51 Abs. 3 KWG vgl. BVerwG v. 4.5.1982 – 1 C 190/79, BVerwGE 65, 292. Prüfungskosten nach § 53 Abs. 3 KWG, die unmittelbar vor der Insolvenzeröffnung von der Gemeinschuldnerin gezahlt worden sind, unterliegen nicht der Insolvenzanfechtung nach §§ 129 ff. InsO, weil die getroffenen Maßnahmen dem Schutz der Gläubiger dienen und die damit verbundenen Kosten folglich nicht zu ihrer Benachteiligung führen; so KG Berlin v. 19.9.2000 – 7 U 1590/00, NZI 2000, 537. 3 Zur Kostenerstattung bei einer Prüfung nach § 44 KWG: VG Frankfurt/M. v. 13.3.2007 – 1 E 3904/06 und VG Frankfurt/M. v. 16.3.2005 – 1 G 3462/04, beide veröffentlicht in juris.
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Kosten der Aufsicht
a) Grundsätzliches zur Umlage 39
Das 2. FFG, in dessen Rahmen das WpHG normiert wurde, war in wesentlichen Teilen auch eine Reaktion auf die internationale Kritik an der wenig funktionsfähigen Aufsicht im Wertpapierhandel der Bundesrepublik Deutschland. Es gab deutliche Vorbehalte gegenüber dem deutschen Wertpapiermarkt, weil die praktisch fehlende Marktaufsicht insbesondere bei internationalen Wertpapierhandelshäusern zur Zurückhaltung und damit anscheinend auch zu geschäftlichen Beeinträchtigungen führte. Dies hat sich mit der Errichtung des (vormaligen) Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel und der konsequenten Durchführung der Überwachungsaufgaben deutlich zugunsten der Stärkung des Vertrauens und der Erhöhung der Attraktivität des Finanzplatzes Deutschland für in- und ausländische Anleger gewandelt. Insbesondere haben sich auch die Zutrittsmöglichkeiten der deutschen Marktteilnehmer in Bezug auf die US-amerikanischen Märkte verbessert. Diese Fortschritte liegen im Interesse aller Marktteilnehmer am Finanzplatz Deutschland, weshalb es – über den polizeirechtlichen Gedanken der auch vom Wertpapierhandel ausgehenden Gefahren für das Publikum (Verursacherprinzip) hinausgehend – im Sinne einer fördernden Aufsicht liegt, die Marktteilnehmer auch an den Kosten des (früheren) Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel zu beteiligen. Entsprechende Kostenmuster gab es in § 51 KWG und § 101 VAG1.
40
Nach Errichtung der Bundesanstalt gilt der Gesichtspunkt der Kostentragung durch die Beaufsichtigten in gleichem Maße fort. Um die Bundesanstalt jedoch aus der Verknüpfung mit dem Bundeshaushalt herauszulösen und sie damit finanziell deutlich unabhängiger aufzustellen, entfiel auch der frühere zehnprozentige Selbstbehalt des Bundes mit dem Ergebnis, dass die Beaufsichtigten die gesamten Kosten der Bundesanstalt zu tragen haben.
41
Es bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen eine solche Kostenumlage2. Es bestand zwar zunächst Unsicherheit, wie eine derartige Kostenumlage dogmatisch einzuordnen ist. Mit drei Parallelentscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.9.20063 ist diese Frage höchstrichterlich entschieden worden. Bei der Kostenumlage handelt es sich um eine zulässige nichtsteuerliche Abgabe in der Art einer Sonderabgabe. Die Voraussetzungen für eine solche Sonderabgabe zu Finanzierungszwecken sind auch erfüllt. Denn die Umlage verfolgt durch ihre Anknüpfung an die Beaufsichtigung der Marktteilnehmer einen Sachzweck, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht. Der Sachzweck besteht in der finanziellen Sicherstellung einer Aufsicht zur Reduzierung der mit der Ausübung der Tätigkeit verbundenen Gefahren4. Auch die Mittelverwendung für mehrere in sich homogene Gruppen ist rechtlich unbedenklich. Für die Beaufsichtigten entstehen durch die Beaufsichtigung besondere Vorteile, die über die jedermann zugute kommenden Vorteile der Einhaltung der Rechtsordnung hinausgehen. Diese bestehen z.B. in dem Vertrauenszugewinn, der es erleichtert, geschäftliche Verbindungen aufzubauen und zu entwickeln. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte 2009, dass die Umlage nach § 16 FinDAG nicht gegen 1 Vgl. auch Päve, Zur Finanzierung der Versicherungsaufsicht gemäß § 101 VAG, VW 1995, 1004. 2 Vgl. schon VG Frankfurt/M. v. 20.11.2000 – 9 E 4474, ZIP 2001, 605 bezüglich der Umlage nach § 11 WpHG a.F.; zur Bilanzkontrollkosten-Umlage: VG Frankfurt/M. v. 11.10.2007 – 1 E 1477/07, veröffentlicht in juris; zur KWG-Umlage z.B. BVerfG v. 27.2.2007 – 1 BvR 3140/06, WM 2007, 729. 3 Entscheidungen zum früheren § 51 Abs. 1 KWG: BVerwG v. 13.9.2006 – 6 C 10/06, BVerwG v. 13.9.2006 – 6 C 11/06, BVerwG v. 13.9.2006 – 6 C 12/06, z.B. NVwZ-RR 2007, 192. 4 BVerwG v. 13.9.2006 – 6 C 10/06, NVwZ-RR 2007, 192, Rz. 47.
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Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 105 GG und Art. 110 GG oder gegen Art. 3 Abs. 1 GG, Wahrung der finanzverfassungsrechtlichen Anforderungen an Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion verstößt1. b) Umzulegende Kosten Die Kosten sind nach § 5 FinDAGKostV (Text in Rz. 59) die Ausgaben eines Haus- 42 haltsjahres. Das sind alle tatsächlichen und finanziellen Aufwendungen eines Haushaltsjahres für Personal und Sachmittel, einschließlich der von der Bundesanstalt zu tragenden Versorgungslasten, Abschreibungen, Rückstellungen, Zuführungen zu einer Investitionsrücklage sowie sonstigen Aufwendungen, wie z.B. auch Amtshaftungskosten2. Sie werden nach den verschiedenen Aufsichtsbereichen ermittelt und der Umlage zugrunde gelegt, soweit sie nicht durch Gebühren, besondere Erstattung oder durch andere Einnahmen gedeckt sind. Bei den Einnahmen werden Buß- und Zwangsgelder nicht berücksichtigt. Die Zuordnung der Kosten zu den verschiedenen Aufsichtsbereichen macht die Einrichtung einer leistungsfähigen Kosten- und Leistungsrechnung erforderlich. c) Verfahren der Kostenumlage Da die Bundesanstalt ihre Ausgaben vollständig durch Gebühren, Umlagen und ge- 43 sonderte Erstattungen decken muss und keine Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt erhält, müssen die Aufsichtskosten in einem gestaffelten Verfahren auf die Umlagepflichtigen umgelegt werden. So erhebt die Bundesanstalt in jedem Jahr eine Vorauszahlung, um die Ausgaben des laufenden Jahres zu decken. Die Vorauszahlungen sind in zwei Raten zum 15. Januar und zum 15. Juli zu zahlen. Die Vorauszahlungen werden auf Basis des letzten abgerechneten Umlagejahres erhoben (§ 11 Abs. 1 FinDAGKostV, Text in Rz. 59). Nach Abschluss des Kalenderjahres werden dann die tatsächlich entstandenen Kos- 44 ten der Bundesanstalt ermittelt, die nicht durch anzurechnende Einnahmen gedeckt sind. Zudem wird der Aufwand der Bundesanstalt systematisch über eine Kostenund Leistungsrechnung den verschiedenen Aufsichtsbereichen zugeordnet. Entsprechend den in der FinDAGKostV festgelegten Schlüsseln werden diese Kosten im nächsten Schritt auf die einzelnen Gruppen von Umlagepflichtigen innerhalb des Aufsichtsbereiches3 und sodann auf die konkreten Umlagepflichtigen verteilt. Dieser für den Einzelnen ermittelte Betrag wird überdies mit den schon geleisteten Vorauszahlungen verrechnet. Während der Insolvenz eines Umlagepflichtigen sind die Umlagekosten Masseverbindlichkeiten, die gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen sind, wenn der Umlagetatbestand nach Eröffnung der Insolvenz erfüllt wurde4. Soweit es Schwierigkeiten bei der Zahlung der dann noch offenen Beträge gibt, werden die Beträge nach dem Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz beigetrieben (§ 16 Abs. 1 letzter Teilsatz FinDAG).
1 BVerfG v. 16.9.2009 – 2 BvR 852/07, BVerfGE 124, 235. 2 Vgl. VG Frankfurt/M. v. 30.9.2010 – 1 K 1059/10.F, WM 2010, 2357. 3 Vgl. hierzu auch den Jahresbericht der Bundesanstalt 2010, S. 268 f. Hiernach entfielen von den insgesamt rund 136 Mio. t 18 % auf den Bereich Wertpapierhandel. 4 Vgl. VG Frankfurt/M. v. 7.12.2006 – 1 E 1578/06; bestätigt durch Hess. VGH v. 3.9.2007 – 6 UZ 179/07, NVwZ-RR 2008, 295 und VG Frankfurt/M. v. 5.6.2008 – 1 K 845/08.F; bestätigt durch Hess. VGH v. 26.4.2010 – 6 A 1648/08, ZIP 2010, 1507.
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d) Umlagepflichtige bezüglich der Wertpapieraufsicht 45
Wie schon nach § 11 WpHG a.F. ist für den Bereich der Wertpapieraufsicht eine prozentuale Aufteilung der Aufsichtskosten auf die verschiedenen Gruppen1 von Umlagepflichtigen geregelt. § 6 Abs. 2 Nr. 3 FinDAGKostV (Text in Rz. 59) bestimmt, dass – 76 Prozent der Kosten Kreditinstitute und nach § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG tätige Unternehmen tragen, sofern sie Wertpapierdienstleistungen erbringen dürfen, – 5 Prozent der Kosten Unternehmen tragen, die an einer inländischen Börse zur Teilnahme am Handel zugelassen sind, – 9 Prozent der Kosten Finanzdienstleistungsinstitute tragen und – 10 Prozent der Kosten Emittenten mit Sitz im Inland tragen, deren Wertpapiere an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen oder mit ihrer Zustimmung in den Freiverkehr einbezogen sind. Hierbei sieht § 6 FinDAGKostV ein Stufenverhältnis zwischen den umlagepflichtigen Gruppen Kreditinstitute, Handelsteilnehmer an einer Börse und Finanzdienstleistungsinstitute vor. Umlagepflichtige dieser drei Gruppen können aber zudem auch börsennotierte Emittenten sein. Insoweit haben sie dann eine Umlage sowohl als Emittent als auch z.B. als Kreditinstitut oder an der Börse zum Handel zugelassenes Unternehmen zu zahlen. e) Erstattungspflicht der Kreditinstitute (§ 6 Abs. 2 Nr. 3a FinDAGKostV)
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Kreditinstitute und nach § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG tätige Unternehmen haben der Anstalt 76 Prozent der Kosten der Wertpapieraufsicht zu erstatten, wenn sie befugt sind, Wertpapierdienstleistungen i.S. von § 2 Abs. 3 Nr. 1, 2 oder 5 WpHG im Inland zu erbringen. Es kommt nicht darauf an, ob sie diese Wertpapierdienstleistungen tatsächlich erbringen, sondern es reicht aus, dass sie die hierfür erforderliche Erlaubnis besitzen. Als diejenigen, die das Effektengeschäft betreiben, ziehen die Kreditinstitute einen besonderen Nutzen aus der Erhöhung der Vertrauenswürdigkeit und der Transparenz der Märkte, denn sie sind maßgebend am Wertpapiergeschäft in Deutschland beteiligt. Dies wird auch aus den Provisionseinnahmen deutlich. Insofern ist ihre Beteiligung an den Kosten der Bundesanstalt für den Bereich der Wertpapieraufsicht mit 76 Prozent vertretbar und sachgerecht2. Wertpapierhandelsbanken, die an einer inländischen Börse zur Teilnahme am Handel zugelassen sind, sind aus dieser Umlagegruppe ausdrücklich ausgenommen und werden daher in der Gruppe der „Börsenmakler“ (§ 6 Abs. 2 Nr. 3b FinDAGKostV, Text in Rz. 59) mit berücksichtigt.
47
Der Erstattungsbetrag bemisst sich bei der Gruppe der Kreditinstitute nach dem Verhältnis des Umfanges der nach § 9 Abs. 1 WpHG gemeldeten Geschäfte in Wertpapieren und Derivaten des einzelnen Kreditinstituts zum Gesamtumfang der nach § 9 Abs. 1 WpHG gemeldeten Geschäfte dieser Gruppe (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 WpHG). Maßgeblich ist die Zahl der gemeldeten Geschäfte und nicht deren Volumen. Bei den nach § 9 WpHG gemeldeten Geschäften bleiben Storni außer Ansatz.
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Hierbei werden Geschäfte in Schuldverschreibungen nur zu einem Drittel und Zwischenkommissionsgeschäfte, soweit sie in dem nach der Anlage zur Wertpapierhan1 Zur Zulässigkeit der Aufteilung der Kostenumlage in verschiedene Gruppen und Bemessung der Umlage nach unterschiedlichen Verteilungsschlüsseln bezogen auf die frühere Regelung in § 51 Abs. 1 KWG: BVerwG v. 13.9.2006 – 6 C10/06, NVwZ-RR 2007, 192. 2 Vgl. auch Begr. RegE UmsetzungsG zu § 11 Abs. 1, BT-Drucks. 13/7142, S. 107.
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del-Meldeverordnung für Zwischenkommissionsgeschäfte1 vorgesehenen Feld gemeldet wurden, nur zu einem Anteil von drei Vierteln berücksichtigt. Derartige Geschäfte sind weniger insiderrelevant, so dass bei der Bundesanstalt weniger Überwachungskosten anfallen. Optionsscheine und Genussscheine fallen nicht unter den Begriff der Schuldverschreibung. Hinsichtlich der umlagepflichtigen Kreditinstitute nach § 6 Abs. 2 Nr. 3a FinDAGKostV ist auf die Regelung des KWG zurückzugreifen. Die Vorschrift des § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG erfasst Zweigstellen von Unternehmen, die selbst als Kreditinstitute gelten. Unternehmen, die nach § 53b Abs. 1 Satz 1 KWG tätig sind, und Unternehmen nach § 53 Abs. 7 KWG werden nicht zur Kostenumlage herangezogen.
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f) Erstattungspflicht der börsenhandelnden Unternehmen (§ 6 Abs. 2 Nr. 3b FinDAGKostV) Skontroführende Makler, Freimakler und andere Unternehmen, die an einer inländischen Börse zur Teilnahme am Handel zugelassen sind und nicht unter § 6 Abs. 2 Nr. 3a FinDAGKostV (Text in Rz. 59) fallen, zahlen 5 Prozent der Aufsichtskosten. Auch dieser Kreis profitiert entweder durch Eigengeschäfte oder durch Courtageeinnahmen von der Verbesserung der Marktbedingungen. Im Hinblick auf deren Anteil am Wertpapiergeschäft erscheint eine Kostenbeteiligung von 5 Prozent als angemessen.
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Der Erstattungsbetrag der Börsenmakler wird wie der der Kreditinstitute errechnet. g) Erstattungspflicht der Finanzdienstleistungsinstitute (§ 6 Abs. 2 Nr. 3c FinDAGKostV) Erstattungspflichtig sind Finanzdienstleistungsinstitute i.S. des § 1 Abs. 1a KWG 51 und nach § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG tätige Unternehmen, sofern diese Finanzdienstleistungsinstitute oder Unternehmen befugt sind, im Inland Wertpapierdienstleistungen i.S. des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, 4, 6 bis 9 oder Satz 2 WpHG zu erbringen und nicht unter Buchstabe a oder b fallen. Hinsichtlich der Finanzdienstleistungsinstitute und der nach § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG tätigen Unternehmen gilt ebenso wie bei den Kreditinstituten, dass sie lediglich befugt sein müssen, Wertpapierdienstleistungen im Inland zu erbringen. Es kommt nicht darauf an, ob sie dies tatsächlich tun. Auf diese Gruppe entfällt eine Quote von 9 Prozent. Da Finanzdienstleistungsinstitute keine Geschäfte betreiben, die nach § 9 WpHG meldepflichtig sind (Ausnahme: bei Vorliegen der Erlaubnis zum Betreiben des Eigenhandels), kann für die Errechnung des Erstattungsbetrages nicht auf derartige Zahlen zurückgegriffen werden, sondern man stellt bei dieser Gruppe grundsätzlich auf die Bilanzsumme des einzelnen Umlagepflichtigen im Verhältnis zum Gesamtbetrag der Bilanzsummen aller Umlagepflichtigen dieser Gruppe ab (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 4 FinDAGKostV, Text in Rz. 59). Maßgebend sind die Bilanzzahlen des Vorjahres. Abschließend abgerechnet wird aber im Folgejahr.
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Die Einschränkung des grundsätzlichen Abstellens auf die Bilanzsumme bezieht sich darauf, dass ggf. zur Berechnung der Bemessungsgrundlage eine geringere Bilanzsum-
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1 Zur Zulässigkeit der Einbeziehung der Zwischenkommissionsgeschäfte in die Umlageberechnung VG Frankfurt/M. v. 20.11.2000 – 9 E 4474/99 (2), ZIP 2001, 605.
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me zugrunde gelegt werden kann. § 8 Abs. 2 FinDAGKostV regelt fünf Fälle einer reduzieren Bemessungsgrundlage: – wenn sich die erlaubnispflichtige Tätigkeit nach § 2 Abs. 3 oder 6 Satz 2 KWG beurteilt, gilt der Bruchteil der Bilanzsumme, der dem Verhältnis der von diesen Instituten oder Unternehmen betriebenen, ihnen nicht eigentümlichen Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen zum Gesamtgeschäft entspricht (Nr. 2), – wenn zu mehr als einem Fünftel bank- oder finanzdienstleistungsfremde Geschäfte betrieben werden, gilt der Bruchteil der Bilanzsumme, der dem Verhältnis der erlaubnispflichtigen Geschäfte oder Finanzdienstleistungen zum Gesamtgeschäft entspricht (Nr. 3), – bei Einzelkaufleuten zählt die Bilanzsumme, vermindert um ein fiktives Geschäftsführergehalt, das auf die Höhe des Jahresüberschusses begrenzt ist (Nr. 3a), – wenn die Geschäftstätigkeit im Umlagejahr aufgenommen wird, gilt die Bilanzsumme, die in der nach § 32 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 und Satz 3 KWG i.V.m. § 23 Abs. 7 Nr. 1 der Anzeigenverordnung vor der Aufnahme der Geschäfte vorzulegende Planbilanz für das erste Geschäftsjahr ausgewiesen ist (Nr. 4), oder – wenn die Voraussetzungen für die Umlagepflicht nicht das ganze Jahr vorlagen, gilt ein Bruchteil der ermittelten Bilanzsumme. Der Bruchteil entspricht dabei dem Verhältnis der angefangenen Monate, in denen die Umlagepflicht bestand, zur Anzahl der Monate des Umlagejahres (Nr. 5). Die beiden erstgenannten Abweichungen werden von der Bundesanstalt nur auf Antrag des Umlagepflichtigen berücksichtigt, sofern die Voraussetzungen spätestens bis zum 1. Juni des auf das Umlagejahr folgenden Jahres durch Vorlage geeigneter Nachweise belegt werden. Derartige Tatsachen, die verspätet vorgetragen oder belegt werden, bleiben unberücksichtigt. In den beiden letztgenannten Fällen haben die beaufsichtigten Unternehmen die notwendigen Bilanzsummen durch Wirtschaftsprüfer bestätigen zu lassen und bis zum 30. Juni des dem Umlagejahr folgenden Jahres der Bundesanstalt mitzuteilen (§ 9 Abs. 1 FinDAGKostV). Anderenfalls schätzt die Bundesanstalt die erforderlichen Kennzahlen nach der in § 9 Abs. 2 FinDAGKostV beschriebenen Verfahrensweise. h) Erstattungspflicht der Emittenten (§ 6 Abs. 2 Nr. 3d FinDAGKostV) 54
Der Umstand, dass auch die Emittenten Vorteile aus der Aufsichtstätigkeit ziehen, weil ein verbessertes Ansehen des deutschen Marktes die Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung auf den heimischen Märkten zu vorteilhafteren Konditionen begünstigt und weil der bei weitem überwiegende Teil der Insiderinformationen und die gesamten Börsenzulassungsfolgepflichten, wie die Ad-hoc-Publizität, im Bereich der Emittenten entstehen und bei Missbrauch Aktivitäten der Bundesanstalt auslösen müssen, erscheint es gerechtfertigt, auch die Emittenten an der Kostenerstattung zu beteiligen, und zwar mit 10 Prozent. Da Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen bisweilen auch Emittenten sind, ein Umstand der auch bei den übrigen Gruppen der Erstattungspflichtigen auftreten kann, werden sie auch in der Gruppe der Emittenten veranlagt und zahlen zweimal. Von der Kostenpflicht sind nur solche Emittenten betroffen, die ihren Sitz im Inland haben. In den Fällen, in denen keine ausdrückliche Zustimmung des Emittenten zur Einbeziehung vorliegt, wird von einer stillschweigenden Zustimmung ausgegangen.
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Ihr Erstattungsbetrag bemisst sich gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 5 FinDAGKostV (Text in 55 Rz. 59) nach dem Verhältnis des Börsenumsatzes des Erstattungspflichtigen zum Gesamtbetrag der Börsenumsätze aller Erstattungspflichtigen dieser Gruppe. Die zur Berechnung erforderlichen Umsatzdaten werden aus den Meldungen nach § 9 Abs. 1 WpHG gewonnen. i) Erstattungspflicht für gesamtes Kalenderjahr Die Umlageverpflichtung besteht jeweils für das Jahr, in dem die Verpflichteten be- 56 fugt waren, die Wertpapierdienstleistungen im Inland zu erbringen, oder sie zur Teilnahme am Handel an einer inländischen Börse zugelassen waren oder die Wertpapiere des Emittenten an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen oder in den Freiverkehr mit Zustimmung des Emittenten einbezogen waren. Die Erstattungspflicht besteht auch dann, wenn die vorgenannten Voraussetzungen nicht während des ganzen Jahres vorlagen (§ 7 Abs. 1 Satz 2 FinDAGKostV, Text in Rz. 59). j) Mindestbeträge Der Mindestbetrag für alle Erstattungspflichtigen der Wertpapieraufsicht beträgt gemäß § 6 Abs. 3 Satz 4 FinDAGKostV (Text in Rz. 59) 250 Euro.
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6. Beitreibung der Kostenforderungen Hierbei handelt es sich um die Vollstreckung wegen Geldforderungen, die nach § 12 Abs. 2 FinDAGKostV (Text in Rz. 59) nach den Vorschriften des VwVG durchgesetzt werden. Die Vollstreckung erfolgt nach Maßgabe der §§ 1 bis 5 VwVG. Die Vollstreckung wird gegen den Vollstreckungsschuldner durch Vollstreckungsanordnung eingeleitet. Ein zusätzlicher vollstreckbarer Titel ist nicht erforderlich. Es wird ein von der Bundesanstalt erlassener Kostenbescheid vollstreckt1. Zuständig für die Durchführung der Vollstreckung ist das Hauptzollamt, in dessen Bezirk der Schuldner seinen Wohnsitz hat (§ 4b VwVG).
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7. Verordnung über die Erhebung von Gebühren und die Umlegung von Kosten nach dem Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAGKostV) Auszug aus der „Verordnung über die Erhebung von Gebühren und die Umlegung von Kosten nach dem Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAGKostV) vom 29. April 2002 (BGBl. I S. 1504, 1847), zuletzt geändert durch Art. 1 vom 8. Juni 2011 (BGBl. I S. 1054) der Verordnung“. Abschnitt 1 Kosten für Amtshandlungen §§ 1 bis 3 enthalten die gebührenrechtlichen Regelungen.
1 Reischauer/Kleinhans, § 50 KWG Rz. 5.
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Abschnitt 2 Umlage § 5 FinDAGKostV Ermittlung der Kosten für ein Umlagejahr; Trennung nach Aufsichtsbereichen und Gruppen; Umlagefähige Kosten (1) Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bundesanstalt) hat als Kosten im Sinne des § 16 des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes die Ausgaben eines Haushaltsjahres zu ermitteln. Dieses Haushaltsjahr ist Umlagejahr im Sinne dieser Verordnung. Zu den Kosten gehören auch die Zuführungen zu der Pensionsrücklage nach § 19 Abs. 2 des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes sowie die Zuführungen zu einer Investitionsrücklage nach § 12 Abs. 4 des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes. Umlagefähige Kosten sind die Kosten, die nach Abzug der in § 16 Abs. 1 des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes aufgeführten Einnahmen und nach Berücksichtigung von Fehlbeträgen, nicht eingegangenen Beträgen und Überschüssen der Vorjahre verbleiben. Zu den Einnahmen im Sinne des Satzes 4 gehören auch Entnahmen aus der Pensionsrücklage sowie aus einer Investitionsrücklage. Bußgelder bleiben unberücksichtigt. (2) Die Kosten sind für die folgenden Aufsichtsbereiche, die jeweils nach den maßgeblichen Aufsichtsgesetzen in die Zuständigkeit der Bundesanstalt fallen, getrennt zu ermitteln: 1. Kredit-, Finanzdienstleistungs-, Zahlungsdienste-, inländisches Investment- und Wagniskapitalbeteiligungswesen, 2. Versicherungswesen und 3. Wertpapierhandel. Innerhalb der Aufsichtsbereiche hat eine gesonderte Ermittlung nach Gruppen zu erfolgen, soweit die nachfolgenden Vorschriften dieses vorsehen. (3) … § 6 FinDAGKostV Umlagebetrag, Verteilungsschlüssel (1) Umlagebetrag ist der Anteil an den umlagefähigen Kosten, der innerhalb eines Aufsichtsbereichs oder einer Gruppe für einen Umlagepflichtigen ermittelt wird. Ein Umlagepflichtiger kann mehreren Aufsichtsbereichen oder Gruppen innerhalb eines Aufsichtsbereichs zugeordnet sein. (2) Die umlagefähigen Kosten sind zu tragen 1. für den Aufsichtsbereich des Kredit-, Finanzdienstleistungs-, Zahlungsdienste-, inländisches Investment- und Wagniskapitalbeteiligungswesen …, 2. für den Aufsichtsbereich Versicherungswesen …, 3. für den Aufsichtsbereich Wertpapierhandel durch folgende Gruppen: a) zu 76 Prozent durch Kreditinstitute und die nach § 53 Abs. 1 Satz 1 des Kreditwesengesetzes tätigen Unternehmen, sofern diese Kreditinstitute oder Unternehmen befugt sind, im Inland Wertpapierdienstleistungen im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 2 oder 5 des Wertpapierhandelsgesetzes zu erbringen; dies gilt nicht für an einer inländischen Börse zur Teilnahme am Handel zugelassene Wertpapierhandelsbanken, b) zu 5 Prozent durch Unternehmen, die an einer inländischen Börse zur Teilnahme am Handel zugelassen sind, soweit sie nicht unter Buchstabe a fallen, c) zu 9 Prozent durch Finanzdienstleistungsinstitute im Sinne des § 1 Abs. 1a des Kreditwesengesetzes und nach § 53 Abs. 1 Satz 1 des Kreditwesengesetzes täti200 Döhmel
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ge Unternehmen, sofern diese Finanzdienstleistungsinstitute oder Unternehmen befugt sind, im Inland Wertpapierdienstleistungen im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, 4, 6 bis 9 oder Satz 2 des Wertpapierhandelsgesetzes zu erbringen oder sofern auf sie § 2 Abs. 3 Satz 3 des Wertpapierhandelsgesetzes anzuwenden ist und sie nicht unter Buchstabe a oder b fallen, d) zu 10 Prozent durch Emittenten mit Sitz im Inland, deren Wertpapiere an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen oder mit ihrer Zustimmung in den Freiverkehr einbezogen sind. (3) … Der von jedem Umlagepflichtigen der Aufsichtsbereiche Versicherungswesen und Wertpapierhandel zu entrichtende Umlagebetrag beträgt mindestens 250 Euro. (4) … § 7 FinDAGKostV Umlagepflicht (1) bis (5) … (6) Umlagepflichtig für den Aufsichtsbereich Wertpapierhandel sind die Institute und Unternehmen, die den in § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 genannten Gruppen zuzuordnen sind. Die Umlagepflicht nach Satz 1 erstreckt sich auf die Umlagejahre, in denen ein Umlagepflichtiger die in § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 aufgeführten Voraussetzungen erfüllt. Für die Zuordnung zu einer Gruppe nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe a bis c ist maßgeblich, welcher Gruppe der Umlagepflichtige am letzten Tag des Umlagejahres angehört. Gehört er zu diesem Zeitpunkt keiner Gruppe mehr an, ist die jeweils zuletzt bestehende Erlaubnis oder Zulassung zur Teilnahme am Börsenhandel maßgebend. § 8 FinDAGKostV Bemessungsgrundlagen (1) Der Umlagebetrag wird bemessen: 1. … 2. … 3. in den Fällen des § 6 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a und b nach dem Verhältnis der Anzahl der nach § 9 Abs. 1 des Wertpapierhandelsgesetzes im Umlagejahr gemeldeten Geschäfte des einzelnen Umlagepflichtigen zur Gesamtzahl der gemeldeten Geschäfte aller Umlagepflichtigen der Gruppe, wobei Schuldverschreibungen nur zu einem Drittel und Zwischenkommissionsgeschäfte, soweit sie in dem nach der Anlage zur Wertpapierhandel-Meldeverordnung für Zwischenkommissionsgeschäfte vorgesehenen Feld gemeldet wurden, nur zu einem Anteil von drei Vierteln zu berücksichtigen sind; 4. in den Fällen des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe c, vorbehaltlich des Absatzes 2, nach dem Verhältnis der Bilanzsumme des einzelnen Umlagepflichtigen zum Gesamtbetrag der Bilanzsummen aller Umlagepflichtigen der Gruppe, wobei die festgestellte Bilanz maßgebend ist, die den jeweils maßgeblichen Rechnungslegungsvorschriften für das Geschäftsjahr genügt, das in dem Umlagejahr beendet wurde, welches dem Umlagejahr vorausgeht; 5. in den Fällen des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe d nach dem Verhältnis der nach § 9 Abs. 1 des Wertpapierhandelsgesetzes im Umlagejahr gemeldeten Umsätze der zum Handel zugelassenen oder in den Freiverkehr einbezogenen Wertpapiere des
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einzelnen Umlagepflichtigen zum Gesamtbetrag der gemeldeten Umsätze aller Umlagepflichtigen der Gruppe. (2) Als Bilanzsumme gilt abweichend von Absatz 1 Nr. 1 und 4: 1.
…
2.
bei Umlagepflichtigen nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 und nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe c, deren erlaubnispflichtige Tätigkeit sich nach § 2 Abs. 3 oder Abs. 6 Satz 2 des Kreditwesengesetzes beurteilt, der dem Verhältnis der von diesen Instituten oder Einrichtungen und Unternehmen betriebenen, ihnen nicht eigentümlichen Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen zum Gesamtgeschäft entsprechende Bruchteil der Bilanzsumme,
3.
bei Umlagepflichtigen nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 und nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe c, die zu mehr als einem Fünftel bank-, finanz- oder zahlungsdienstleistungsfremde Geschäfte betreiben, der dem Verhältnis der erlaubnispflichtigen Geschäfte oder Finanzdienstleistungen zum Gesamtgeschäft entsprechende Bruchteil der Bilanzsumme,
3a. bei Einzelkaufleuten, die nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 oder nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe c umlagepflichtig sind, die Bilanzsumme, vermindert um ein fiktives Geschäftsführergehalt, das auf die Höhe des Jahresüberschusses begrenzt ist, 4.
bei Umlagepflichtigen nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 sowie nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe c, die ihre Geschäftstätigkeit im Umlagejahr aufnehmen, die in der Planbilanz für das erste Geschäftsjahr ausgewiesene Bilanzsumme, welche nach § 32 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 und Satz 3 des Kreditwesengesetzes in Verbindung mit § 14 Abs. 7 Nr. 1 der Anzeigenverordnung oder nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes vorzulegen ist,
5.
bei Umlagepflichtigen nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 sowie nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe c, die nicht das ganze Jahr umlagepflichtig waren, ein Bruchteil der nach Absatz 1 Nr. 1 und 4 sowie den Nummern 1 bis 4 dieses Satzes ermittelten Bilanzsumme, wobei der Bruchteil dem Verhältnis entspricht, das besteht zwischen der Anzahl der angefangenen Monate, in denen die Umlagepflicht vorlag, und der Anzahl der Monate des Umlagejahres.
Die Abweichungen nach Satz 1 Nr. 1 bis 3a sind von der Bundesanstalt nur zu berücksichtigen, wenn der Umlagepflichtige dies vor dem 1. Juni des auf das Umlagejahr folgenden Jahres beantragt, die Voraussetzungen vorgetragen und diese durch Vorlage geeigneter Nachweise belegt hat; Tatsachen, die verspätet vorgetragen oder belegt werden, bleiben unberücksichtigt. Die Höhe des Geschäftsführergehalts im Sinne des Satzes 1 Nr. 3a ist durch eine Bescheinigung eines Wirtschaftsprüfers, eines vereidigten Buchprüfers oder einer Buchprüfungsgesellschaft zu belegen. (2a) … (3) … (4) Bei Umlagepflichtigen nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe d, deren Wertpapiere nicht an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen, sondern lediglich in den Freiverkehr einbezogen sind, beträgt der Bemessungsbetrag Null Euro; ihr Umlagebetrag entspricht dem Mindestumlagebetrag nach § 6 Abs. 3 Satz 3.
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Zwangsmittel
§ 11 FinDAGKostV Festsetzung des Umlagebetrages (1) Nach Feststellung der Jahresrechnung über die Einnahmen und Ausgaben des jeweiligen Umlagejahres durch den Verwaltungsrat hat die Bundesanstalt für jeden Umlagepflichtigen den von diesem zu entrichtenden Umlagebetrag zu ermitteln. (2) bis (3) … § 11a FinDAGKostV Festsetzung der Umlagevorauszahlung (1) Die Bundesanstalt hat eine Vorauszahlung auf den Umlagebetrag des Umlagejahres festzusetzen, sobald der für dieses Umlagejahr festgestellte Haushaltsplan vom Bundesministerium der Finanzen genehmigt ist. … (2) bis (5) …
V. Zwangsmittel 1. Die einschlägige Vorschrift des FinDAG Die Möglichkeiten des Verwaltungszwangs werden ergänzend zu den Regelungen im Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (VwVG) in § 17 FinDAG geregelt.
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§ 17 FinDAG Zwangsmittel Die Bundesanstalt kann ihre Verfügungen, die sie innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse trifft, mit Zwangsmitteln nach den Bestimmungen des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes durchsetzen. Dabei kann sie die Zwangsmittel für jeden Fall der Nichtbefolgung androhen. Sie kann auch Zwangsmittel gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts anwenden. Die Höhe des Zwangsgelds beträgt bis zu 250 000 Euro. 2. Zweck des Verwaltungszwangs Zweck des Verwaltungszwangs ist allein die Durchsetzung von öffentlich-recht- 61 lichen Ansprüchen einer Behörde gegenüber einem nicht leistungsbereiten Bürger, nicht aber dessen Bestrafung. Für die Bundesanstalt besteht aufgrund der Bestimmungen des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes (VwVG) die Möglichkeit, bei Nichtbefolgung seiner Verfügungen diese mit Zwangsmitteln durchzusetzen. Abweichend von den allgemeinen Regelungen im VwVG wurden in § 17 FinDAG für die Bundesanstalt spezielle Regelungen getroffen. § 17 FinDAG vereinheitlicht die früheren Vorschriften des Verwaltungszwangs, die zuvor im KWG (§ 50), im VAG (§ 145a) und im WpHG (§ 10) getrennt geregelt waren. Die neue Vorschrift entspricht bis auf das auf 250 000 Euro erhöhte Zwangsgeld wortgleich dem ehemaligen § 10 WpHG a.F. Die Ausübung von Verwaltungszwang ist auf die Erfüllung eines gesetzlich angeordneten Verhaltens, d.h. auf die Vornahme einer Handlung, auf Duldung oder Unterlassen gerichtet. Damit will Verwaltungszwang also ein bestimmtes Verhalten des Betroffenen in der Gegenwart oder für die Zukunft herbeiführen1. Mit Erreichen dieses gewünschten Verhaltens ist der Zweck des Verwaltungszwangs erfüllt und die Vollstreckung wird eingestellt. Im Gegensatz dazu steht das Bußgeld als Folge eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens, mit dem ein zurückliegendes verwaltungsmäßiges Fehlverhalten sanktioniert wird. Verwaltungszwang und Bußgelder 1 Szagunn/Haug/Ergenzinger, § 50 KWG Rz. 1.
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Vor § 3
Zwangsmittel
stehen unabhängig nebeneinander und können unabhängig voneinander verhängt werden1, da sie die beschriebenen unterschiedlichen Zweckrichtungen haben. 62
Zweck des Verwaltungszwangs ist, gegenüber dem Betroffenen ein angeordnetes Verhalten durchzusetzen, das ihm gegenüber durch einen entsprechenden Verwaltungsakt konkretisiert wird. Im WpHG handelt es sich bei dem angeordneten Verhalten vornehmlich um das Herbeiführen einer Handlung. Das sind beipielsweise die Durchsetzung von – Vorlegungspflichten in Bezug auf Unterlagen (§ 4 Abs. 3 WpHG; § 16b Abs. 1 Satz 1 WpHG; § 37f WpHG), – Auskunftspflichten (§ 4 Abs. 3 WpHG) – und die Verpflichtung zur Vornahme einer sonstigen Handlung (z.B. die Veröffentlichung von Finanzberichten nach §§ 37v ff. WpHG, aber auch § 4 Abs. 1 Satz 3 WpHG; § 4 Abs. 2 Satz 1 WpHG; § 37m WpHG). Das Herbeiführen einer Duldung oder eines Unterlassens kann z.B. gesehen werden – in der Pflicht zur Duldung des Betretens von Grundstücken und Geschäftsräumen (§ 4 Abs. 4 WpHG).
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Von diesen Pflichten können neben natürlichen und juristischen Personen des Privatrechts auch juristische Personen des öffentlichen Rechts betroffen sein, z.B. Landesbanken, die nach § 4 WpHG Auskünfte erteilen, oder Bundesländer, die Veränderungen von Stimmrechtsquoten melden und veröffentlichen müssen. § 17 VwVG eröffnet die Möglichkeit zu der in § 17 Satz 2 FinDAG getroffenen Regelung2.
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Hinsichtlich der Verwaltungsvollstreckung bezüglich öffentlich-rechtlicher Geldforderungen kann auf die Kommentierungen zu den §§ 1- 5 VwVG verwiesen werden3. Denn aus dem WpHG ergeben sich heute unmittelbar keine neuen Zahlungsverpflichtungen für die Beaufsichtigten mehr. Zahlungsverpflichtungen ergeben sich aus dem FinDAG und aus anderen spezialgesetzlichen Regelungen. Bezogen auf das WpHG wurden die Regelungen zur Kostenumlage, zur gesonderten Erstattung und zu den Gebühren bezüglich der Bundesanstalt vollumfänglich in das FinDAG übernommen. 3. Voraussetzungen für die Anwendung von Verwaltungszwang
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Voraussetzung für die zwangsweise Durchsetzung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen ist grundsätzlich, dass ein wirksamer Verwaltungsakt als Grundverfügung der Vollstreckung gegenüber dem Betroffenen bekannt gegeben wurde und der Adressat der Verfügung nicht oder nicht hinreichend4 nachkommt. Die Anwendung von Verwaltungszwang ohne vorangegangenen Verwaltungsakt ist unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 VwVG dann möglich, wenn der sofortige Vollzug zur Verhinderung strafbarer Handlungen oder zur Abwendung einer drohenden Gefahr notwendig ist und die Bundesanstalt innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse handelt.
1 Einhellige Auffassung, vgl. etwa Engelhardt/App, VwVG/VwZG Kommentar, 8. Aufl. 2008, § 13 VwVG Rz. 14. 2 Vgl. Begr. RegE 2. FFG zu § 10, BT-Drucks. 12/6679, S. 44. 3 Vgl. z.B. Engelhardt/App, VwVG/VwZG Kommentar, 8. Aufl. 2008; Sadler, VwVG/VwZG Kommentar, 7. Aufl. 2010. 4 Bezüglich der unvollständigen Auskunftserteilung VG Frankfurt/M. v. 11.1.2011 – 9 L 2966/10.F, veröffentlicht in juris.
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Zwangsmittel
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Zudem ist eine Vollstreckung nur bei vollstreckungsfähigen Verwaltungsakten mög- 66 lich. Das sind alle hinreichend bestimmten Verwaltungsakte, die von dem Betroffenen ein Handeln, Dulden oder Unterlassen fordern. Nicht vollstreckungsfähig sind feststellende oder gestaltende Verwaltungsakte wie z.B. Fehlerfeststellungen im Rahmen der Bilanzkontrolle oder die Aufhebung einer Erlaubnis nach § 37k WpHG. Bei feststellenden oder gestaltenden Verwaltungsakten ist eine Vollstreckung auch nicht notwendig, da deren Rechtsfolgen mit der sofortigen Vollziehbarkeit oder der Bestandskraft des Bescheides eintreten. Der Verwaltungsakt muss zudem vollziehbar sein. Das bedeutet, dass die Anwen- 67 dung von Verwaltungszwang grundsätzlich nur möglich ist, wenn der Verwaltungsakt entweder unanfechtbar ist oder sein sofortiger Vollzug angeordnet wurde oder wenn das Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hat. Unanfechtbar ist ein Verwaltungsakt, wenn bei ordnungsgemäßer Belehrung über den Rechtsbehelf innerhalb der Monatsfrist (§ 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO) oder bei unterlassener oder fehlerhafter Belehrung nach Ablauf der Jahresfrist (§§ 70 Abs. 2, 58 Abs. 2 VwGO) kein Widerspruch eingelegt wurde. Dann ist der Verwaltungsakt bestandskräftig und kann vollzogen werden. Ist ein Verwaltungsakt noch nicht bestandskräftig, kann die Durchsetzung mit Zwangsmitteln auch schon dann durchgesetzt werden, wenn die Bundesanstalt die sofortige Vollziehung des Verwaltungsakts nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat. Das kann im Bereich der Wertpapieraufsicht dann greifen, wenn es im öffentlichen Interesse liegt, dass ein Verwaltungsakt sofort und nicht erst nach Ausschöpfen aller Rechtsmittel durchgesetzt wird. Das ist beispielsweise möglich bei einer Untersagung von bestimmten Arten der Werbung nach § 36b WpHG. Häufig hat der Gesetzgeber allerdings im WpHG schon ausdrücklich geregelt, dass Rechtsmittel gegen Verwaltungsakte keine aufschiebende Wirkung haben und damit die Maßnahmen sofort vollstreckbar sind. Solche ausdrücklichen Regelungen sind zu finden in § 4 Abs. 7 WpHG für die Maßnahmen im Zusammenhang mit den Pflichten nach § 4 Abs. 1 bis 4 und 6 WpHG, in § 35 Abs. 3 WpHG für die Pflichten nach § 35 Abs. 1 und 2, § 36 Abs. 2 Satz 2 WpHG bezüglich des Verlangens, einen anderen Prüfer nach § 36 Abs. 2 Satz 1 WpHG zu bestellen, und in § 37t Abs. 2 WpHG für die Verwaltungsakte der Bilanzkontrolle. 4. Inhalt des Verwaltungszwangs Nach § 9 VwVG stehen der Bundesanstalt folgende Zwangsmittel zur Verfügung: Zwangsgeld, unmittelbarer Zwang oder die Ersatzvornahme.
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Von Bedeutung für die bisherige Verwaltungspraxis ist vor allem die Androhung und Festsetzung von Zwangsgeld. Die in § 17 Satz 3 FinDAG in Abweichung von § 11 Abs. 3 VwVG vorgesehene Höhe von 250 000 Euro trägt in dieser Höhe dem Umstand Rechnung, dass eine zu geringe Höhe letztlich die Maßnahmen der Bundesanstalt konterkarieren könnte, weil die Betroffenen geneigt sein könnten, in einer „Güterabwägung“ eher einen für sie vorteilhaften Gesetzesverstoß zu begehen als die Anordnungen der Bundesanstalt mangels entsprechender Durchsetzungskraft zu befolgen. Die Höhe des Zwangsgeldes berücksichtigt die Wirtschaftskraft vieler dem KWG oder dem VAG unterliegender Unternehmen1.
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Das Zwangsgeld ist das alleinige Zwangsmittel, wenn es um die Durchsetzung einer Duldung oder eines Unterlassens geht. Es ist auch das Mittel zur Durchsetzung von
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1 Vgl. Begr. FinDAG zu § 17 Abs. 2, BT-Drucks. 14/7033, S. 38.
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Handlungen, die nicht von einem beauftragten Dritten vorgenommen werden können1 oder bei denen es untunlich ist, einen Dritten mit der Ausführung zu beauftragen. Zwangsgeld als Beugungsmittel kann so oft angewandt werden, bis der Betroffene seine Verpflichtungen erfüllt (§ 13 Abs. 6 VwVG). 71
Als weitere Zwangsmaßnahme sieht das VwVG in §§ 9, 10 die Ersatzvornahme vor, die darin besteht, dass die Bundesanstalt die zu erzwingende vertretbare Handlung an Stelle des Verpflichteten durch einen Dritten ausführen lässt. Die Kosten der Ersatzvornahme hat der Handlungspflichtige zu tragen (§ 10 VwVG). Im Bereich der Wertpapieraufsicht kommt diese Alternative selten in Betracht, da es sich bei dem zu vollstreckenden Verhalten meist um Auskunfts- oder Vorlageersuchen handelt oder um die Aufforderung einen bestimmten, gesetzmäßigen Zustand zu schaffen. Derartige Ansprüche können nur mit Zwangsgeld durchgesetzt werden.
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Führt die Ersatzvornahme oder das Zwangsgeld nicht zum Ziel oder sind sie untunlich, so kann die Bundesanstalt den Pflichtigen zur Handlung, Duldung oder Unterlassung zwingen oder die Handlung selbst vornehmen. Untunlich sind Zwangsgeld und Ersatzvornahme z.B. dann, wenn deren Einsatz zwar Erfolg verspricht, der unmittelbare Zwang im konkreten Fall aber wirksamer ist. Unmittelbarer Zwang ist z.B. vorstellbar, wenn der Verpflichtete z.B. den Bediensteten der Bundesanstalt bei einer Prüfung nach § 35 WpHG den Zugang zum Geschäftslokal verweigert. Der Widerstand kann unter Hinzuziehung von Polizei in Amtshilfe gebrochen werden (§ 15 Abs. 2 VwVG). Der Einsatz von physischer Gewalt im Rahmen der Anwendung unmittelbaren Zwangs ist erst dann zulässig, wenn Ersatzvornahme oder Zwangsgeld nicht zum Ziele führen oder deren Einsatz untunlich ist (§ 12 VwVG). 5. Verfahren bei der Anwendung von Verwaltungszwang
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Der Einsatz von Verwaltungszwang ist an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden, d.h., das Zwangsmittel muss in angemessenem Verhältnis zu dem zu erreichenden Zweck stehen, und es darf nur das erforderliche Mittel angewendet werden. Die Allgemeinheit und die nicht leistungsbereiten Bürger sollen einer möglichst geringen Beeinträchtigung zur Zweckerreichung ausgesetzt werden.
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Bevor es zur Anwendung von Verwaltungszwang kommt, muss das Zwangsmittel, sofern es nicht sofort anwendbar ist, schriftlich angedroht werden. Diese Androhung muss sich auf ein bestimmtes Zwangsmittel beziehen. Es wäre unzulässig, mehrere Mittel zu benennen und sich die Wahl des Einsatzes letztlich vorzubehalten. Die Androhung kann entfallen, wenn nach § 6 Abs. 2 VwVG der sofortige Vollzug zur Verhinderung einer Tat, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht, oder zur Abwendung einer drohenden Gefahr notwendig ist und die Behörde hierbei innerhalb ihrer Befugnisse handelt. Einer vorherigen Anhörung nach § 28 VwVfG bedarf es nicht zwingend (§ 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG).
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Bei der Androhung des Zwangsmittels ist eine Frist für den Verpflichteten zu bestimmen, innerhalb deren der Vollzug dem Verpflichteten zugemutet werden kann (§ 13 Abs. 1 VwVG). Die Androhung kann mit dem Verwaltungsakt verbunden werden, durch den dem Betroffenen das dem Gesetz entsprechende Verhalten aufgegeben wird. Bei Anordnung des sofortigen Vollzuges oder wenn Rechtsbehelfen keine aufschiebende Wirkung zukommt, soll die Androhung mit dem entsprechenden Verwaltungsakt verbunden werden. Soweit die Bundesanstalt davon ausgeht, dass der 1 Vgl. auch VG Frankfurt/M. v. 11.1.2011 – 9 L 2966/10.F, veröffentlicht in juris.
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Pflichtige den zu vollziehenden Verwaltungsakt befolgt, wird regelmäßig von einer gleichzeitigen Androhung des Zwangsgeldes bei Erlass des Verwaltungsaktes abgesehen1. Die Androhung wird nach den Vorschriften des VwZG zugestellt. Die Festsetzung des Zwangsmittels erfolgt, wenn der Verpflichtete nicht innerhalb der in der Androhung bestimmten Frist seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachkommt (§ 14 VwVG). Hierbei wird das Zwangsmittel festgesetzt, dass zuvor angedroht worden ist. Die Festsetzung des Zwangsmittels ist ein eigenständiger Verwaltungsakt, der Voraussetzung der Anwendung des Zwangsmittels ist. Bei sofortigem Vollzug (§ 6 Abs. 2 VwVG) fällt die Festsetzung, wie auch schon die Androhung, weg.
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Die Anwendung des Zwangsmittels richtet sich nach der Festsetzung des Zwangs- 77 mittels (§ 15 VwVG). Leistet der Pflichtige bei der Ersatzvornahme oder bei unmittelbarem Zwang Widerstand, so kann dieser mit Gewalt gebrochen werden. Die Polizei ist hierbei zu Amtshilfe gegenüber der Bundesanstalt verpflichet. Wird ein festgesetztes Zwangsgeld nicht innerhalb der im Bescheid angegebenen Frist geleistet, so wird es als Geldforderung beigetrieben. Das bedeutet, dass eine Mahnung der Bundesanstalt frühestens nach Ablauf einer Woche nach Zugang des Leistungsbescheides unter Setzung einer Zahlungsfrist von einer weiteren Woche erfolgt. Danach ergeht eine Vollstreckungsanordnung (§ 3 VwVG). Vollstreckungsbehörden der Bundesfinanzverwaltung sind üblicherweise die zuständigen Hauptzollämter (§ 4 VwVG). Die Vollstreckung richtet sich nach den Vorschriften der Abgabenordnung (§ 5 VwVG). Ist das Zwangsgeld uneinbringlich, droht sogar bis zu zwei Wochen Ersatzzwangshaft (§ 16 VwVG). Der Vollzug des Zwangsmittels ist einzustellen, sobald sein Zweck erreicht ist, selbst wenn dies verspätet oder erst nach Fristsetzung für das Zwangsmittel erfolgt. In diesem Zusammenhang wird allerdings die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens nach § 39 Abs. 2 WpHG zu prüfen sein.
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Bei erfolgloser Anwendung des Zwangsmittels kann dieses so oft wiederholt werden 79 bis das gewünschte Verhalten erzwungen ist. Dabei kann das angedroht Zwangsmittel, insbesondere das Zwangsgeld, jedes mal erhöht und ggf. auch gewechselt werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist. Es steht im Ermessen der Bundesanstalt, in welcher Reihenfolge, Zeitfolge und Konsequenz sie die Zwangsmittel durchsetzt. Die genannte Höchstgrenze bezieht sich nur auf ein einzelnes Zwangsgeld. Hintergrund dieser Möglichkeiten ist, dass das zunächt angedrohte oder angewandte Zwangsmittel den Pflichtigen noch nicht zu einem gesetzeskonformen Handels anhalten konnte, so dass von der Notwendigkeit stärkerer Zwangsmittel ausgegangen werden muss. Wegen der Kosten von Amtshandlungen nach dem VwVG wird auf dessen § 19 verwiesen.
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6. Rechtsmittel Die Einlegung von Rechtsmitteln gegen die Androhung oder Festsetztung von Zwangsmitteln richtet sich nach § 18 VwVG. Es sind dieselben Rechtsmittel einzulegen, die gegen den Verwaltungsakt zulässig sind, dessen Durchsetzung erzwun-
1 Vgl. auch Engelhardt/App, VwVG/VwZG Kommentar, 8. Aufl. 2008, § 13 VwVG Rz. 10.
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§3
Organisation
gen werden soll1. Ist die Androhung mit dem zugrunde liegenden Verwaltungsakt verbunden, so erstreckt sich das Rechtsmittel zugleich auf diesen Verwaltungsakt, soweit dieser nicht bereits Gegenstand eines Rechtsmittel- oder gerichtlichen Verfahrens ist. Ist die Anordnung nicht mit dem zugrunde liegenden Verwaltungsakt verbunden und ist dieser unanfechtbar, kann eine Androhung nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird. Entsprechend kann bei einem Widerspruch gegen eine Festsetzung eines Zwangsmittels nur die Rechtswidrigkeit der Festsetzung beanstandet werden, nicht aber Einwendungen gegen den Grundverwaltungsakt oder die Androhung des Zwangsmittels. Wenn ein Zwangsmittel ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet wird, sind hiergegen die Rechtsmittel zulässig, die gegen Verwaltungsakte allgemein gegeben sind.
§3 Organisation (aufgehoben) § 3 WpHG wurde aufgehoben durch das Gesetz über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht vom 22.4.2002 (BGBl. I 2002, 1310). S. zur Organisation der Bundesanstalt Vor § 3 Rz. 3 ff., Komm. §§ 1, 2, 5 und 6 FinDAG.
§4 Aufgaben und Befugnisse (1) Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bundesanstalt) übt die Aufsicht nach den Vorschriften dieses Gesetzes aus. Sie hat im Rahmen der ihr zugewiesenen Aufgaben Missständen entgegenzuwirken, welche die ordnungsgemäße Durchführung des Handels mit Finanzinstrumenten oder von Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen beeinträchtigen oder erhebliche Nachteile für den Finanzmarkt bewirken können. Sie kann Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, diese Missstände zu beseitigen oder zu verhindern. (2) Die Bundesanstalt überwacht die Einhaltung der Verbote und Gebote dieses Gesetzes und kann Anordnungen treffen, die zu ihrer Durchsetzung geeignet und erforderlich sind. Sie kann den Handel mit einzelnen oder mehreren Finanzinstrumenten vorübergehend untersagen oder die Aussetzung des Handels in einzelnen oder mehreren Finanzinstrumenten an Märkten, an denen Finanzinstrumente gehandelt werden, anordnen, soweit dies zur Durchsetzung der Verbote und Gebote dieses Gesetzes oder zur Beseitigung oder Verhinderung von Missständen nach Absatz 1 geboten ist. (3) Die Bundesanstalt kann von jedermann Auskünfte, die Vorlage von Unterlagen und die Überlassung von Kopien verlangen sowie Personen laden und vernehmen, soweit dies auf Grund von Anhaltspunkten für die Überwachung der Einhaltung eines Verbots oder Gebots dieses Gesetzes erforderlich ist. Sie kann insbesondere die Angabe von Bestandsveränderungen in Finanzinstrumenten sowie Auskünfte über die 1 Szagunn/Haug/Ergenzinger, § 50 KWG Rz. 17.
208 Döhmel
§4
Aufgaben und Befugnisse
Identität weiterer Personen, insbesondere der Auftraggeber und der aus Geschäften berechtigten oder verpflichteten Personen, verlangen. Gesetzliche Auskunfts- oder Aussageverweigerungsrechte sowie gesetzliche Verschwiegenheitspflichten bleiben unberührt. (4) Während der üblichen Arbeitszeit ist Bediensteten der Bundesanstalt und den von ihr beauftragten Personen, soweit dies zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlich ist, das Betreten der Grundstücke und Geschäftsräume der nach Absatz 3 auskunftspflichtigen Personen zu gestatten. Das Betreten außerhalb dieser Zeit oder wenn die Geschäftsräume sich in einer Wohnung befinden, ist ohne Einverständnis nur zulässig und insoweit zu dulden, wie dies zur Verhütung von dringenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist und bei der auskunftspflichtigen Person Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen ein Verbot oder Gebot dieses Gesetzes vorliegen. Das Grundrecht des Artikels 13 des Grundgesetzes wird insoweit eingeschränkt. (5) Die Bundesanstalt hat Tatsachen, die den Verdacht einer Straftat nach § 38 begründen, der zuständigen Staatsanwaltschaft unverzüglich anzuzeigen. Sie kann die personenbezogenen Daten der Betroffenen, gegen die sich der Verdacht richtet oder die als Zeugen in Betracht kommen, der Staatsanwaltschaft übermitteln, soweit dies für Zwecke der Strafverfolgung erforderlich ist. Die Staatsanwaltschaft entscheidet über die Vornahme der erforderlichen Ermittlungsmaßnahmen, insbesondere über Durchsuchungen, nach den Vorschriften der Strafprozessordnung. Die Befugnisse der Bundesanstalt nach den Absätzen 2 bis 4 bleiben hiervon unberührt, soweit dies für die Vornahme von Verwaltungsmaßnahmen oder zur Erfüllung von Ersuchen ausländischer Stellen nach § 7 Abs. 2, Abs. 2b Satz 1 oder Abs. 7 erforderlich ist und soweit eine Gefährdung des Untersuchungszwecks von Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden oder der für Strafsachen zuständigen Gerichte nicht zu besorgen ist. (6) Die Bundesanstalt kann eine nach den Vorschriften dieses Gesetzes gebotene Veröffentlichung oder Mitteilung auf Kosten des Pflichtigen vornehmen, wenn die Veröffentlichungs- oder Mitteilungspflicht nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht in der vorgeschriebenen Weise erfüllt wird. (7) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen nach den Absätzen 1 bis 4 und 6 haben keine aufschiebende Wirkung. (8) Adressaten von Maßnahmen nach den Absätzen 2 bis 4, die von der Bundesanstalt wegen eines möglichen Verstoßes gegen ein Verbot nach § 14 oder nach § 20a vorgenommen werden, dürfen andere Personen als staatliche Stellen und solche, die auf Grund ihres Berufs einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen, von diesen Maßnahmen oder von einem daraufhin eingeleiteten Ermittlungsverfahren nicht in Kenntnis setzen. (9) Der zur Erteilung einer Auskunft Verpflichtete kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen der in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozessordnung bezeichneten Angehörigen der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde. Der Verpflichtete ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren und darauf hinzuweisen, dass es ihm nach dem Gesetz freistehe, jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. (10) Die Bundesanstalt darf ihr mitgeteilte personenbezogene Daten nur zur Erfüllung ihrer aufsichtlichen Aufgaben und für Zwecke der internationalen Zusammenarbeit nach Maßgabe des § 7 speichern, verändern und nutzen. Döhmel
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§4
Aufgaben und Befugnisse
(11) Die Bundesanstalt kann zur Erfüllung ihrer Aufgaben auch Wirtschaftsprüfer oder Sachverständige bei Ermittlungen oder Überprüfungen einsetzen. In der Fassung des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 16.7.2007 (BGBl. I 2007, 1330). Schrifttum: Bliesener, Aufsichtsrechtliche Verhaltenspflichten beim Wertpapierhandel, Diss. Hamburg 1997; Habetha, Verwaltungsrechtliche Rasterfahndung mit strafrechtlichen Konsequenzen? – Zur Einschränkung des Bankgeheimnisses durch § 16 WpHG –, WM 1996, 2133; Junker, Gewährleistungsaufsicht über Wertpapierdienstleistungsunternehmen, 2003; Mennicke, Sanktionen gegen Insiderhandel: eine rechtsvergleichende Untersuchung unter Berücksichtigung des US-amerikanischen und britischen Rechts, 1996; Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 54. Aufl. 2011; Ransiek, Zur prozessualen Durchsetzung des Insiderstrafrechts, DZWIR 1995, 53.
Vorbemerkung Durch die Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie in deutsches Recht im Rahmen des AnSVG wurde die Vorschrift des § 4 WpHG in erheblichem Maße umgestaltet, indem der nur redaktionell geänderte Absatz 1 durch Hinzufügung von neun weiteren Absätzen zur zentralen Eingriffsnorm – neben der allgemeinen Missstandsaufsicht – für die Verfolgung von Insiderhandeln und Marktmanipulation ausgebaut wurde. Zusätzlich wurde mit der Umsetzung der MiFID ein elfter Absatz angefügt. § 4 WpHG enthält zusätzlich die Regelungen der ehemaligen, aufgehobenen § 16 WpHG (Laufende Überwachung/Insider), § 17 WpHG (Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten), § 18 WpHG (Strafverfahren bei Insidervergehen), § 20b WpHG (Überwachung/Marktmanipulation) und § 29 WpHG (Auskunftsbefugnisse bei Veränderung von Stimmrechtsanteilen). Im Hinblick auf die umfänglichen Erläuterungen einerseits und den Umstand, dass ein Teil der Vorschrift von Prof. Vogel kommentiert wird, war eine klare Aufgliederung der Sach- und Verfasserbereiche zu treffen, die sich wie folgt darstellt: I.
Aufgaben der Bundesanstalt (Döhmel)
II. Eingriffsbefugnisse der Bundesanstalt (Döhmel) III. Rechtsschutz gegenüber der Bundesanstalt (Vogel)
Inhaltsübersicht I. Die Aufgaben der Bundesanstalt nach dem WpHG (Döhmel) . . . . . . . 1. Allgemeine Beschreibung . . . . . . . . . 2. Die Beaufsichtigten . . . . . . . . . . . . . . 3. Kompetenzverteilung bei der Aufsicht über den Börsenhandel . . . . . . 4. Allgemeine Verwaltungsmaßnahmen der Bundesanstalt . . . . . . . . II. Eingriffsbefugnisse der Bundesanstalt (Döhmel) . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . .
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1 1 4 6 8 14 14
2. Einschreiten bei Missständen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 WpHG). . . . 3. Allgemeine Überwachungspflicht (§ 4 Abs. 2 Satz 1 WpHG) . . . . . . . . . 4. Befugnis zu Maßnahmen zur Durchsetzung der Pflichterfüllung (§ 4 Abs. 2 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . 5. Aussetzung und Untersagung des Handels (§ 4 Abs. 2 Satz 2 WpHG) . 6. Ermächtigungen zur Sachverhaltsaufklärung durch die Bundesanstalt (§ 4 Abs. 3 und 4 einschließlich Abs. 9 WpHG) . . . . . . . .
15 20
21 23
28
§4
Aufgaben und Befugnisse
7. 8. 9.
10. 11. 12.
a) Erkenntnisquellen. . . . . . . . . . . . . b) Rechtliche Voraussetzungen der Eingriffsbefugnisse nach § 4 Abs. 3 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auskunftsverlangen . . . . . . . . . . . d) Auskunftsverweigerungsrecht. . . e) Personenidentität . . . . . . . . . . . . . f) Einblick in Konten und Depots . . g) Vorlage von Unterlagen und Kopien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Betreten von Grundstücken. . . . . i) Vernehmen von Personen . . . . . . Anzeige bei der Staatsanwaltschaft (§ 4 Abs. 5 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . Veröffentlichungsrecht (§ 4 Abs. 6 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keine aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage (§ 4 Abs. 7 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . Schweigepflicht (§ 4 Abs. 8 WpHG) Nutzung personenbezogener Daten (§ 4 Abs. 10 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . Hinzuziehung von Wirtschaftsprüfern oder Sachverständigen (§ 4 Abs. 11 WpHG) . . . . . . . . . . . . . .
28 29 34 38 39 42 46 49 52 53 57
58 59 63
64
III. Rechtsschutz gegenüber der Bundesanstalt (Vogel) . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Widerspruch und Anfechtungsklage (§§ 42 Abs. 1 Alt. 1, 68 ff. VwGO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fortsetzungsfeststellungsklage (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) . c) Widerspruch und Verpflichtungsklage (§§ 42 Abs. 1 Alt. 2, 68 ff. VwGO) . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Leistungs- und Feststellungsklage (§ 43 VwGO) . . . . . . . . . . . . e) Rechtsschutz gegen Rechtsverordnungen der Bundesanstalt . . . f) Rechtsschutz gemäß §§ 37t, 37u WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . 3. Rechtsschutz im Verwaltungsvollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . 4. Rechtsschutz im Straf- und Bußgeldverfahren . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsschutz durch staatliche Ersatzleistungen . . . . . . . . . . . . . . . .
65 65 72 73 80 81 83 84 86 87 88 91 94
I. Die Aufgaben der Bundesanstalt nach dem WpHG (Döhmel) 1. Allgemeine Beschreibung Die Vorschriften des § 4 Abs. 1–11 WpHG enthalten die Aufgabenzuweisung und 1 Eingriffsermächtigungen der Bundesanstalt im Rahmen des WpHG. Mit dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz wurde der urprünglich recht kurze § 4 WpHG deutlich erweitert. Die Norm wurde – neben Aufgabenzuweisung und Übertragung der Missstandsaufsicht – zu einer Generalbefugnisnorm ausgebaut. Diese Generalbefugnisnorm fasst die früheren Regelungen des § 4 WpHG mit den zuvor im gesamten WpHG verstreuten, häufig parallelen Regelungen von Einzelbefugnissen (früheren §§ 16, 18, 20b, 29 und 35 WpHG) zusammen. Mithin löst die Vorschrift die ehemaligen Parallelvorschriften ab. § 4 Abs. 2 Satz 1 WpHG setzt zudem Art. 12 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 lit. e der Marktmissbrauchsrichtlinie um und erfüllt die Anforderungen aus der MiFID und der EU-Transparenzrichtlinie. Deshalb wurden die Befugnisse der Bundesanstalt zum Tätigwerden auf sämtliche Ge- und Verbote des WpHG erweitert. Hieraus ergibt sich, dass die Norm einerseits die Ermächtigung für Maßnahmen nach § 4 WpHG gibt, insbesondere aufgrund der sich aus den Vorschriften des § 4 Abs. 2 ff. WpHG in Verbindung mit den Einzelvorschriften des WpHG ergebenden Regelungssachverhalten. Andererseits wird klargestellt, dass sich die Kompetenzen der Behörde auf den durch dieses Gesetz vorgezeichneten Rahmen beschränken, soweit ihr nicht durch andere Gesetze, wie z.B. das Wertpapierprospektgesetz und das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, weitere Kompetenzen zugewiesen sind. Dabei ist die Bundesanstalt nicht ständig in einer aktiven Rolle, sondern sie nimmt in verschiedenen Fällen Meldungen zunächst nur entgegen wie z.B. die Meldungen nach §§ 9, 15 Abs. 1, 21 Abs. 1 WpHG. Ob diese Entgegennahme bereits die Ausübung von Aufsicht darstellt oder nicht, ist nur von theoretischer Bedeutung. Denn Döhmel
211
§4
Aufgaben und Befugnisse
diese Tätigkeiten sind untrennbar mit der Aufsichtstätigkeit verbunden, da die eingehenden oder auch nicht eingehenden Meldungen, wie auch sonstige verfügbare Informationen, Voraussetzung für Aufsichtsaktivitäten der Bundesanstalt sind. 2
Die Aufsicht manifestiert sich in zwei Dimensionen. Zum einen hat sie die Aufgabe, unerwünschte oder verbotene Sachverhalte zu verhindern oder zu beseitigen (gewerbepolizeilicher Aspekt), zum anderen hat sie im Hinblick auf den grundlegenden Aufsichtssachverhalt im Rahmen des gesetzlich Möglichen auch einen fördernden Charakter. Der Wertpapierhandel, ein insbesondere im letzten Jahrzehnt sich ständig wandelnder, dynamischer Prozess von volkswirtschaftlich hervorragender Bedeutung, darf nicht durch kleinliche Vorschriftenauslegung gegängelt werden. Aufsicht ist kein Selbstzweck. Im Hinblick auf den Regelungssachverhalt ist deshalb eine wichtige Funktion der Aufsicht, an den Gesetzgeber mit geeigneten Vorschlägen heranzutreten, wenn Regelungsmechanismus und wirtschaftlicher Sachverhalt in unangemessener Weise auseinander laufen. Im Rahmen ihrer fördernden Aufgabe ist die Aufsicht aufgerufen, aus eigener Erkenntnis oder aufgrund entsprechender Anregungen zur Lösung von Konflikten oder zur Schaffung gangbarer Verhaltensmuster beizutragen.
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Während in der Bundesanstalt die Bereiche Banken- und Versicherungsaufsicht überwiegend für Zulassung und Solvenz zuständig sind, übt die Wertpapieraufsicht überwiegend Marktaufsicht1 aus. Die Marktaufsicht nach dem WpHG umfasst verschiedene Einzelbereiche. Die besonders Hervortretenden sind: 1. die Bekämpfung von Insidergeschäften; 2. die Überwachung der Verpflichtung zur Führung von Insiderverzeichnissen; 3. die Bekämpfung der Marktmanipulation; 4. die Kontrolle der Ad-hoc-Publizität; 5. die Überwachung der Pflicht zur Veröffentlichung und Mitteilung von Geschäften (directors’ dealings); 6. die Überwachung der Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten der Stimmrechtsanteile an börsennotierten Gesellschaften; 7. die Überwachung der Einhaltung der Verhaltensregeln; 8. die Überwachung des Erbringens von Wertpapiernebendienstleistungen im Zusammenhang mit den Verhaltensregeln; 9. Überwachung von Unternehmensabschlüssen und Veröffentlichung von Finanzberichten (§§ 37n ff. WpHG)2; 10. Leerverkäufe und Geschäfte in Derivate.
1 Umfassend zur Marktaufsicht, die über die Aufgaben nach dem WpHG hinausgeht, s. Vor § 3 Rz. 18 ff. 2 Auch die Regelungen der §§ 37n ff. WpHG werden von § 4 WpHG als Aufgabe der BaFin erfasst und soweit notwendig mit den Regularien von § 4 Abs. 1 und 2 WpHG durchgesetzt. Sonst könnten z.B. §§ 37v ff. WpHG nicht durchgesetzt werden. A.A. Zetzsche, in: Schwark/Zimmer, § 4 WpHG Rz. 27.
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2. Die Beaufsichtigten Die Struktur der Beaufsichtigten nach dem WpHG ist im Vergleich zu anderen Aufsichtsgebieten recht inhomogen. So werden neben den Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Emittenten börsennotierter Wertpapiere auch sonstige Marktteilnehmer überwacht. Das Spektrum der Beaufsichtigten reicht von den laufend überwachten Marktteilnehmern, wie den benannten Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Emittenten und sonstigen Unternehmen, die zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind, bis hin zu den fallbezogenen Beaufsichtigten, wie z.B. Inhaber bedeutender Stimmrechtsanteile einschließlich zugerechneter Stimmrechte, Finanzanalysten i.S. von § 34b WpHG oder die Marktteilnehmer in ihrer Gesamtheit, die dem Verbot von Insidergeschäften und Marktmanipulation unterliegen.
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Hinsichtlich der Einzelheiten der angesprochenen Aufsichtsbereiche und der jeweils Beaufsichtigten kann auf die Kommentierungen zu den jeweiligen Vorschriften verwiesen werden. Darüber hinaus ist der Kreis der Personen oder Unternehmen, die mit der Wertpapieraufsicht der Bundesanstalt in Berührung kommen, nicht auf diese Personen festgelegt. Im Rahmen der Sachverhaltsermittlungen oder Missstandsaufsicht können im Rahmen des Ermessens auch Dritte herangezogen werden. Die dargestellte Vielfalt der laufend Beaufsichtigten bzw. derer, die aus der Aufsicht Nutzen ziehen, spiegelt sich letztlich auch bei der Aufgliederung der Umlagepflichtigen bei der Umlage der Aufsichtskosten in den vier verschiedenen Gruppen (s. oben Vor § 3 Rz. 38 ff.) wider.
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3. Kompetenzverteilung bei der Aufsicht über den Börsenhandel Nach Errichtung des früheren Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel und 6 heute der Bundesanstalt gliedert sich die Aufsicht über den Börsenhandel in drei Ebenen: – die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht/Wertpapierhandelsaufsicht (§ 4 WpHG – börsliches und außerbörsliches Geschäft), – die Rechts- und Marktaufsicht durch die Börsenaufsichtsbehörden der Bundesländer (§§ 3, 4 und 6 BörsG – nur börsliches Geschäft) und – die Handelsüberwachungsstellen der Börsen (§ 7 BörsG – nur börsliches Geschäft). Die vorstehend angesprochenen Aufsichtskompetenzen der Bundesanstalt in börs- 7 licher Hinsicht beziehen sich auf die Überwachung betreffend Insiderhandeln und Marktmanipulation sowie ggf. in Bezug auf die Missstandsaufsicht nach § 4 Abs. 1 WpHG. Die Bundesanstalt übt darüber hinaus keine Börsenaufsicht aus, nicht im weitergehenden Bereich der Marktaufsicht an der Börse, und erst recht nicht im Bereich der weiteren Rechtsaufsicht über die Börse. Die Sicherstellung des ordnungsgemäßen Börsenhandels und die Überwachung der Feststellung der Börsenpreise ist Aufgabe der Börsenaufsichtsbehörden der Länder in Zusammenwirken mit den Handelsüberwachungsstellen der Börsen. Die in Deutschland etablierte Aufsichtsstruktur mit Hinweisen zur Kompetenzverteilung zeigt das nachfolgende Organigramm.
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Aufsicht über den Wertpapierhandel
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
Aufsicht Börslicher und außerbörslicher Handel
Wertpapierrat
Börsenaufsichtsbehörden der Länder
Aufsicht Börslicher Handel
– Untersuchung von Insiderdelikten und manipulativem Handeln – Überwachung der Ad-hoc-Publizität – Überwachung der Publizität bei der Veränderung bedeutender Stimmrechtsanteile – Directors‘ dealings – Veröffentlichungen – Überwachung der Wohlverhaltensregeln – Hinterlegung von Verkaufsprospekten bei Beteiligungsangeboten – Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz – Bilanzkontrollgesetz (ab 1.7.2005) – Wertpapierprospektgesetz (ab 1.7.2005) – Internationale Kooperation – Meldepflichten für Wertpapier- und Derivategeschäfte
– Rechtsaufsicht über die Börsen – Missstandsbekämpfung an den Börsen – Ermittlung bei Verstößen gegen Börsenregeln – Regelung der Rechte und Pflichten des Skontroführers – Aufsicht über Handelsüberwachungsstellen
Weisungsbefugnis
Handelsüberwachungsstellen an den Börsen
Überwachung Börslicher Handel
– Systematische Erfassung und Auswertung des Börsenhandels und der Geschäftsabwicklung – Überwachung der Preisfindung und der Handelsusancen – Engagementskontrolle bei skontroführenden Maklern
Quelle: Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)
4. Allgemeine Verwaltungsmaßnahmen der Bundesanstalt 8
Gemäß § 4 Abs. 1 WpHG übt die Bundesanstalt die Aufsicht im Bereich des Wertpapierhandels nach den Vorschriften des WpHG aus. Diese Aufgabe ist eine Aufsicht im weitesten Sinn des WpHG. Zur Auslegung der Grenzen der gesetzlichen Aufgabenstellung ist auch § 1 WpHG heranzuziehen. Insbesondere ist § 4 Abs. 1 Satz 1 WpHG nicht darauf zu reduzieren, dass die Bundesanstalt die Befugnis für Anordnungen hat, die notwendig sind, um die Ge- oder Verbote des WpHG durchzusetzen. Denn hierfür sieht Abs. 2 eine Ermächtigung vor. § 4 Abs. 1 Satz 1 WpHG ist eine gesetzliche Aufgabenstellung für die Bundesanstalt, die bei der Auslegung von WpHGNormen zu berücksichtigen ist. Zugleich kann die Bundesanstalt auf Basis von Abs. 1 Satz 1 alle erdenklichen Informationen einholen, die sie für ihre Tätigkeit benötigt. Die Bundesanstalt kann beispielsweise Kundenbeschwerden nachgehen und die dahinterstehenden Sachverhalte aufklären, sei es um festzustellen, dass nach dem vorliegenden Kenntnisstand keine Auffälligkeiten vorliegen oder doch Anhalts-
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punkte für die Überwachung der Normen des WpHG gegeben sind bzw. Missstandsmaßnahmen geprüft werden müssen. Die Befugnisse erstrecken sich aber auch auf die internationale Zusammenarbeit zur Einhaltung der Ge- und Verbote nach dem WpHG sowie entsprechender ausländischer Regelungen (§ 7 Abs. 1 WpHG). Insoweit enthält Abs. 1 die Aufgabenstellung der Bundesanstalt im Rahmen des WpHG und kann auf dieser Basis eine Reihe von schlicht hoheitlichen Maßnahmen zur Aufsicht nach dem WpHG ergreifen. Im Konkreten bedeutet das, dass die Bundesanstalt Marktentwicklungen beobachtet, Hinweisen nachgeht, die ggf. für Verstöße gegen die Regelungen des WpHG sprechen könnten, mit ausländischen Aufsichtsbehörden kooperiert etc. Hierbei sind zunächst z.B. Sachverhalte unterschiedlichster Ausprägung aufzuklären oder Informationen zu geben. Ggf. hat die Bundesanstalt im Weiteren von ihren Eingriffsbefugnissen nach § 4 WpHG Gebrauch zu machen.
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Die Maßnahmen der Bundesanstalt können sein: – der Erlass von Rechtsverordnungen; dies allerdings nur bei ausdrücklicher gesetzlicher Ermächtigung und entsprechender Subdelegation, wie dies durch die „Verordnung zur Übertragung von Befugnissen zum Erlass von Rechtsverordnungen auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht“ vom 13.12.2002 i.d.F. vom 21.4.2008 (BGBl. I 2008, 748) erfolgt ist, – schlichtes Verwaltungshandeln, wie etwa die „Aufstellung“ von Richtlinien gemäß §§ 35 Abs. 6, 29 WpHG oder Bekanntmachungen, Mitteilungen, Verlautbarungen (z.B. gemäß § 15 Abs. 4 WpHG) und Schreiben an die Verbände, – Bearbeitung von Kundenbeschwerden, die sich z.B. auf Sachverhalte nach §§ 31 ff. WpHG beziehen könnten, und – „Selbstvornahmen“ gemäß § 4 Abs. 6 WpHG. Im Rahmen der Aufgabenstellung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 WpHG kann die Bundesanstalt aber auch von allen Ermächtigungsgrundlagen Gebrauch machen, die das WpHG einräumt. Zu denken ist hier an die generellen Eingriffsbefugnisse, wie § 4 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 bis 4 WpHG, aber auch an die speziellen Eingriffsbefugnisse, wie z.B. §§ 35, 37o oder 37q WpHG. In diesem Rahmen wird die Bundesanstalt dann überwiegend im Rahmen von Verwaltungsakten einschließlich Allgemeinverfügungen tätig, wie z.B. nach § 36b WpHG. Verwaltungsakte dürften in der überwiegenden Anzahl von Fällen das adäquate Mittel des Tätigwerdens gegenüber jedem Einzelnen sein, sei es im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung, sei es im Rahmen der Pflichtendurchsetzung. Zweckmäßigerweise wird die Bundesanstalt, insbesondere wenn es gilt, negativen Tendenzen entgegenzutreten, sich mit entsprechenden Schreiben an die jeweiligen Verbände wenden.
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Bevor die Bundesanstalt gegen einen Beaufsichtigten belastende Verwaltungsakte erlässt, ist der Betroffene grundsätzlich anzuhören, soweit nicht besondere Umstände wie Gefahr im Verzug, Vollstreckungsmaßnahmen etc. vorliegen. Ein Verwaltungsakt ohne die erforderliche Anhörung ist anfechtbar, doch kann zur Heilung die Anhörung nachgeholt werden. Im Rahmen der Überwachung hat sich die Bundesanstalt an die verwaltungsrecht- 11 lichen Grundsätze zu halten. So hat der Gesetzgeber z.B. durch die Formulierung in § 4 Abs. 1 Satz 3 WpHG zum Ausdruck gebracht, dass Maßnahmen geeignet und „erforderlich“ sein müssen. Diese Formulierung bezieht sich zwar nur auf die Miss-
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standsbekämpfung. Als Ausdruck des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist er jedoch bei jedem Verwaltungshandeln mit Ermessen zu beachten. 12
Besondere Formvorschriften für den Erlass von Verwaltungsakten durch die Bundesanstalt sind nur selten geregelt. Neben die üblicherweise schriftliche Form tritt der Erlass in mündlicher Form oder in sonstiger Weise. Verwaltungsakte sind grundsätzlich zu begründen und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen (§ 59 VwGO). Dabei beginnt die Frist für die Einlegung eines Rechtsbehelfs nur zu laufen, wenn der Betroffene über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist belehrt worden ist.
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Erster Rechtsbehelf ist der binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes einzulegende Widerspruch. In diesem Widerspruchsverfahren überprüft die Bundesanstalt Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes. Das Verfahren endet mit einem Widerspruchsbescheid, mit dem der Beschwer entweder abgeholfen oder der Widerspruch zurückgewiesen wird. Bei Zurückweisung kann je nach Sachverhalt Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage erhoben werden. Widerspruch und Anfechtungsklage haben grundsätzlich aufschiebende Wirkung, es sei denn, die Bundesanstalt hat die sofortige Vollziehung angeordnet, weil die Durchführung der Maßnahme im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten liegt. Die aufschiebende Wirkung ist auch dann ausgeschlossen, wenn das Gesetz selbst die Maßnahme sofort vollziehbar macht (§ 4 Abs. 7 WpHG).
II. Eingriffsbefugnisse der Bundesanstalt (Döhmel) 1. Vorbemerkungen 14
Die u.a. in § 4 WpHG geregelten Eingriffsbefugnisse sind für die Tätigkeit der Bundesanstalt notwendig, um Maßnahmen ergreifen zu können, die einen der Marktteilnehmer unmittelbar belasten. Insofern sind die Ermächtigungsnormen insbesondere notwendig, um belastende Verwaltungsakte gegenüber Marktteilnehmern zu erlassen. Mit dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz wurde § 4 WpHG zu einer Generalbefugnisnorm ausgebaut und zuvor an verschiedenen Stellen im WpHG verstreuten, häufig parallelen Regelungen von Einzelbefugnissen (früheren §§ 16, 18, 20b, 29 und 35 WpHG) zusammengefasst. Bei dem Verständnis von § 4 WpHG ist zu berücksichtigen, dass die Eingriffsbefugnisse als Generalbefugnisnorm zur Überwachung von recht unterschiedlichen Teilgebieten der Wertpapieraufsicht eingesetzt werden. So werden die Möglichkeiten z.B. sowohl zur Überwachung der bedeutenden Stimmrechtsmeldungen, der Überwachung des Insider- und Marktmanipulationsverbots als auch der Überwachung der besonderen Verhaltenspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen genutzt. Zudem treten die Befugnisse aus der Generalbefugnisnorm neben die vereinzelt weiter fortbestehende speziellen Eingriffsbefugnisse1. 2. Einschreiten bei Missständen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 WpHG)
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Wirtschaftsaufsichtsgesetze wie das WpHG können ohne unbestimmte Rechtsbegriffe wie z.B. den des Missstandes nicht auskommen. Die wirtschaftlichen Sachverhalte sind so vielfältig und ändern sich ständig, so dass eine noch so weite Kasuistik in 1 Vgl. Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 12/6679, S. 40.
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kürzerer Zeit überholt sein dürfte. Bei Meidung unbestimmter Rechtsbegriffe müsste die Aufsicht gegenüber neu auftretenden Sachverhalten mangels konkreter Eingriffskompetenz Entwicklungen, die einen negativen oder schädlichen Charakter aufweisen, solange tatenlos zusehen, bis eine entsprechende Gesetzesänderung erfolgt wäre. Derartige Entwicklungen können mit dem auslegungsfähigen Missstandsbegriff zum Gegenstand aufsichtsrechtlicher Maßnahmen werden. Die Missstandsaufsicht tritt neben (vgl. Rz. 14) die besonderen Eingriffsbefugnisse. Das bedeutet, dass die Missstandsaufsicht insbesondere dann zum Tragen kommt, wenn es keine spezielleren Eingriffsmöglichkeiten gibt. Sie kann aber auch die rechtliche Grundlage zum Einschreiten gegen individuelle Regelwidrigkeiten bieten1. Missstand kann als nicht hinnehmbare Verhaltensweise oder als ein solcher Umstand2 verstanden werden. Im Rahmen des WpHG muss hierdurch die ordnungsmäßige Durchführung des Handels mit Finanzinstrumenten oder von Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen beeinträchtigt oder erhebliche Nachteile für den Finanzmarkt bewirken kann. Es kann sich aber auch um Sachverhalte handeln, in denen erhebliche Nachteile für den Finanzmarkt drohen. Unter „Finanzmarkt“ im Sinne dieser Vorschrift ist kein wirtschaftspolitischer Sachverhalt zu verstehen, sondern der (technische) Markt, auf dem Finanzinstrumente gehandelt werden3. Im Vergleich hierzu muss sich ein Missstand i.S. des KWG oder des VAG auf gesetzlich näher bestimmte Aspekte im Kredit- und Finanzdienstleistungswesen oder im Versicherungsbereich beziehen4.
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Die im WpHG enthaltene Formulierung, dass die Bundesanstalt „im Rahmen der ihr zugewiesenen Aufgaben“ Missständen entgegenzuwirken hat, meint bezüglich des Anwendungsgebiets nicht nur die konkret formulierten Regelungssachverhalte des WpHG, sondern unter Einbeziehung von § 1 WpHG („Dieses Gesetz ist anzuwenden auf den börslichen und außerbörslichen Handel mit Finanzinstrumenten usw. … “) alle Sachverhalte, die im Wertpapierhandel oder bei der Erbringung von Dienstleistungen entstehen können.
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Damit die Bundesanstalt Maßnahmen ergreifen kann, muss der Missstand nicht schon eingetreten sein. Denn die Bundesanstalt kann Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, Missstände zu beseitigen oder zu verhindern. Das heißt, sie kann auch präventiv gegen drohende Missstände vorgehen. Die Bundesanstalt wird im Rahmen der Missstandsaufsicht in der Regel durch einen Verwaltungsakt vorgehen. Das ist aber nicht zwingend, denkbar ist auch schlicht hoheitliches Handeln, z.B. Hinweise an die Bereichsöffentlichkeit. Missstände können bei mehreren Dienstleistern völlig heterogener Struktur eintre- 18 ten, aber sich auch z.B. bei einer Institutsgruppe manifestieren, etwa, wenn mehrere Dienstleister abgestimmt oder auch durch Einzelentschluss die Vorschriften der besonderen Verhaltensregeln (§§ 31 ff. WpHG) auf einem Niveau umsetzten, das dem 1 Bliesener, S. 117. 2 Anders als in § 83 Abs. 2 Satz 2 VAG ist der Missstand in § 4 WpHG nicht nur als Verhalten definiert. Wenn auch letztlich alle Umstände auf menschliches Verhalten zurückzuführen sind, so muss die Bundesanstalt auch in kritischen, nicht hinnehmbaren Marktsituationen reagieren können, ohne dass ein nicht hinnehmbares Verhalten einer konkreten Person dafür maßgeblich ist. Insoweit zeigt sich der Unterschied zwischen der Marktaufsicht und einer Unternehmensaufsicht. Für eine Beschränkung auf Verhaltensweisen: Zetzsche, in: Schwark/Zimmer, § 4 WpHG Rz. 20. 3 Vgl. Begr. RegE AnSVG zu § 4 Abs. 1 WpHG, BT-Drucks. 15/3174, S. 29. 4 Vgl. §§ 81 Abs. 1, 81c Abs. 1, 81d Abs. 1 VAG und § 6 Abs. 2 KWG.
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Sinn der gesetzlichen Regelung nur sehr eingeschränkt Rechnung trägt. Entsprechendes gilt auch für ein derartiges Verhalten eines einzelnen Instituts, wobei ein singuläres Fehlverhalten bei der Umsetzung des Gesetzes im Einzelfall nicht zwingend ein Missstand sein muss. Jedenfalls ist aber ein auf Dauer angelegtes Verhalten als Missstand zu werten, wenn es den Grundsätzen des WpHG widerspricht, auch wenn es auf einer Fehlinterpretation des WpHG beruht. Auf eine bestimmte Dauer oder Erheblichkeit des Verhaltens kommt es nicht an1. Ein Verstoß gegen zwingende gesetzliche Vorgaben des WpHG ist für die betroffene Tätigkeit nach höchstrichterlicher Rechtsprechung stets ein Missstand2. Ob ein Missstand i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 WpHG auch bei Verstößen gegen andere zwingende Rechtsvorschriften gegeben ist, ist bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden worden. Jedenfalls wird ein Missstand vorliegen, wenn ein Verstoß gegen die zwingenden Vorschriften einer auf Grundlage des WpHG erlassenen Verordnung vorliegt. Nach dem Willen des Gesetzgebers3 liegt die Vermutung eines Missstandes schon dann vor, wenn gegen eine von der Bundesanstalt erlassene Richtlinie verstoßen wird. Denn dann besteht die Vermutung, dass Verhaltensregeln verletzt wurden und damit ein Missstand im Sinne des WpHG vorliegt. Letztlich kommt es aber auf einen Gesetzesverstoß im eigentlichen Sinne nicht an. Denn fraglich ist allein, ob eine Situation oder ein Verhalten vorliegt, das die ordnungsmäßige Durchführung des Handels mit Finanzinstrumenten oder von Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen beeinträchtigt oder erhebliche Nachteile für den Finanzmarkt bewirken kann. Entsprechend kann auch eine Situation im Kapitalmarkt einen Missstand darstellen. Diese Frage stellte sich auch während der Finanzmarktkrise ab 2007 in Bezug auf die situationsverschärfend eingeschätzten Leerverkäufe. Da die Bundesanstalt zu der Einschätzung gelangte, dass die Leerverkäufe von bestimmten Finanzinstrumenten in dieser Situation zu gezielten transaktionsbezogenen Markmanipulationen genutzt werden konnten, erließ sie ein Verbot von bestimmten Leerverkäufen4. Die daraufhin in der Literatur geführte Diskussion, ob derartige Verfügungen auf Grundlage von § 4 Abs. 1 Satz 3 WpHG oder § 4 Abs. 2 Satz 2 WpHG hätte erlassen werden können, ist aus heutiger Sicht akademisch. Denn unabhängig davon, dass die Verfügungen bestandskräftig waren, stehen seit Mitte des Jahres 2010 mit § 4a WpHG besondere Eingriffsbefugnisse zur Sicherung des Finanzsystems zur Verfügung. Es kann insoweit auf die entsprechende Kommentierung verwiesen werden. 19
Von Bedeutung dürfte die Abgrenzung der von der Bundesanstalt auszuübenden Missstandsaufsicht nach WpHG gegenüber der Missstandsaufsicht der Börsenaufsichtsbehörde nach § 3 Abs. 4 BörsG sein. Denn beide Behörden haben Missständen im Wertpapierhandel entgegenzutreten, zu dem insbesondere auch der Börsenhandel zählt. Die Missstandskompetenz der Börsenaufsichtsbehörde greift ein, wenn börsenrechtliche Vorschriften oder Anordnungen verletzt werden oder sonstige Missstände vorliegen, welche die ordnungsmäßige Durchführung des Handels an der Börse oder die Börsengeschäftsabwicklung beeinträchtigen können. Damit ist für die Börsenaufsichtsbehörde eine Eingrenzung in Bezug auf den Börsenhandel als gesetzli1 So auch Schlette/Bouchon, in: Fuchs, § 4 WpHG Rz. 19. 2 BVerwG v. 13.4.2005 – 6 C 4/04, NZI 2005, 510 ff.; auch BVerwG v. 24.4.2002 – 6 C 2/02, WM 2002, 1919. 3 BT-Drucks 12/7918, S. 106. 4 Leerverkaufsverbotsverfügungen der Bundesanstalt vom 19.9.2008 und vom 21.9.2008 sowie vom 18.5.2010 nebst Verfügung zur Verlängerung des Leerverkaufsverbots; alle veröffentlicht auf der Internetseite der Bundesanstalt unter www.bafin.de. Inzwischen ist in § 30h WpHG ein gesetzliches Leerverkaufsverbot geregelt und alle Verfügungen sind widerrufen.
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chem Regelungsgegenstand erfolgt, während die Bundesanstalt die Einhaltung der Regelungen des WpHG zu überwachen hat. 3. Allgemeine Überwachungspflicht (§ 4 Abs. 2 Satz 1 WpHG) Über die Befugnisse der Missstandsaufsicht hinaus konstatiert § 4 Abs. 2 WpHG eine 20 Überwachungspflicht der Bundesanstalt bezüglich der Einhaltung der Ge- und Verbote des WpHG. Die Überwachung erstreckt sich auf das börsliche wie außerbörsliche Geschäft in Finanzinstrumenten. Die Überwachung erfolgt bezüglich des Verbots von Insiderhandel schwerpunktmäßig auf der Grundlage der systematischen Auswertung der Marktinformationen einschließlich der Meldungen über abgeschlossene Geschäfte nach § 9 Abs. 2 WpHG. Bei Manipulationsuntersuchungen sind es häufig Hinweise der Handelsüberwachungsstellen nach § 7 Abs. 5 BörsG auf die gegebene Orderlage, die Rückschlüsse auf manipulatives Verhalten ermöglichen. Die Bundesanstalt ist auf eine Zulieferung insoweit angewiesen, da sie selbst nicht über die Orderlage verfügt, was ein grundsätzliches Manko bei den Untersuchungen krimineller Handelsaktivitäten darstellt. 4. Befugnis zu Maßnahmen zur Durchsetzung der Pflichterfüllung (§ 4 Abs. 2 WpHG) Neben der allgemeinen Überwachungspflicht und der Ermächtigung zum Erlass von 21 Maßnahmen im Rahmen der Missstandsaufsicht wurde der Bundesanstalt auch die Ermächtigung übertragen, um Verstößen gegen die Ge- und Verbote des WpHG entgegenzuwirken. Hiermit ist das Aufdecken, aber auch das Verhindern von Verstößen gemeint. Die Regelung trägt u.a. dem Art. 12 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 der Marktmissbrauchsrichtlinie Rechnung, wonach die Bundesanstalt als zuständige Behörde mit allen Aufsichts- und Ermittlungsbefugnissen auszustatten ist, die zur Ausübung ihrer Tätigkeit erforderlich sind. Zugleich berücksichtigt § 4 Abs. 2 WpHG die von der EU-Transparenzrichtlinie und von der MiFID vorgesehene Schaffung einer zentralen Befugnisnorm1 zur Überwachung der Wohlverhaltens- und Zulassungsfolgepflichten. Die Befugnis in § 4 Abs. 2 Satz 1 Teilsatz 2 WpHG, alle Anordnungen zur Durchset- 22 zung der Ge- und Verbote des WpHG zu treffen, tritt neben die Ermächtigung zum Erlass von Maßnahmen im Rahmen der Missstandsaufsicht. Abweichend von der Regelung des § 4 Abs. 1 WpHG besteht die Ermächtigung zu Anordnungen, ohne dass im Einzelfall etwa die ordnungsgemäße Durchführung des Handels mit Finanzinstrumenten insgesamt bedroht sein müsste. Die teilweise bestehende Parallelität zur Missstandsaufsicht, im Sinne des Missstandes als Verstoß gegen die zwingenden Vorschriften, ist aus der Historie zu klären. Zum Zeitpunkt der ersten höchstrichterlichen Entscheidung zur Missstandsaufsicht waren die nunmehr spezielleren Regelungen des § 4 Abs. 2 WpHG noch nicht kodifiziert. Anordnungen, die zur Durchsetzung geeignet und erforderlich sind, können Verwaltungsakte aber auch sonstige Maßnahmen sein. So kann die Bundesanstalt zur Verhinderung von Marktmanipulationen z.B. auf aktuelle, unseriöse Geschäftspraktiken hinweisen und damit potentielle Geschäftspartner sensibilisieren2.
1 Vgl. Begr. AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 29. 2 Z.B. Hinweis der Bundesanstalt vom 26.7.2011 zu Telefaxen, die den Anschein erwecken, fehlgeleitet zu sein, und massiv Aktien zum Kauf empfehlen.
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5. Aussetzung und Untersagung des Handels (§ 4 Abs. 2 Satz 2 WpHG) 23
Die der Bundesanstalt in § 4 Abs. 2 Satz 2 WpHG eingeräumte Kompetenz, den Handel in einzelnen oder mehreren Finanzmarktinstrumenten vorübergehend zu untersagen oder die Aussetzung des Handels in einzelnen oder mehreren Finanzinstrumenten an Märkten, an denen die Instrumente gehandelt werden, anzuordnen, kommt in Betracht, wenn dies geboten ist – entweder zur Durchsetzung der Gebote oder Verbote des WpHG oder – zur Beseitigung oder Verhinderung von Missständen nach § 4 Abs. 1 WpHG sowie – auf Ersuchen einer ausländischen Aufsichtsbehörde nach § 7 Abs. 1 Satz 3 WpHG, sofern die Interessen der Anleger oder der ordnungsgemäße Handel an dem betreffenden Markt nicht erheblich gefährdet wird.
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Die Regelung setzte zunächst Art. 12 Abs. 2 lit. f der Marktmissbrauchsrichtlinie um. Hiernach ist nicht nur die zeitweilige Aussetzung des Handels an der Börse vorgesehen, sondern die Aussetzung jeglicher, auch außerbörslicher und privater Transaktionen mit den betroffenen Finanzinstrumenten. Im Rahmen der Umsetzung der Transparenzrichtlinie 2004/34/EG und der MiFID wurde diese Befugnis gemäß der Vorgabe in Art. 24 Abs. 4 lit. d und lit. e Transparenzrichtlinie sowie Art. 50 Abs. 2 lit. j und lit. k MiFID erweitert. Die Handelsaussetzung und der Ausschluss eines Finanzinstruments vom Handel kann heute auch zur Durchsetzung der Bestimmungen über die Tätigkeit der Wertpapierdienstleistungsunternehmen sowie zur Durchsetzung der übrigen Ge- und Verbote des WpHG angeordnet werden1.
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Wird nicht gegenüber jedermann ein Handelsverbot für ein bestimmtes Finanzinstrument ausgesprochen, sondern einer bestimmten Person oder einem Unternehmen für einen abgegrenzten Zeitraum Geschäfte bezüglich Finanzinstrumente untersagt, so kann eine solche Anordnung auch als präventive oder repressive Verwaltungsmaßnahme oder -sanktion dienen, wie sie in Art. 51 Abs. 1 MiFID vorgesehen ist2.
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Aussetzung ist im Börsenhandel üblicherweise eine kurze Unterbrechung, in der der Handel ausgesetzt wurde, also das mildere Mittel gegenüber einer auch nur vorübergehenden Handelsuntersagung, die das Verbot jeglicher weiterer Kursfeststellungen beinhaltet. Als nachhaltiger Eingriff in Rechtspositionen der betroffenen Marktteilnehmer kommen Aussetzung oder Untersagung des Handels aus Verhältnismäßigkeitsgründen regelmäßig nur in Ausnahmefällen in Betracht3. Bei einem entsprechenden Ersuchen einer ausländischen Wertpapieraufsicht nach § 7 Abs. 1 Satz 3 WpHG ist entsprechend der Gesetzeskonstruktion die Handelsaussetzung oder -untersagung der Regelfall, der nur bei erheblichen Gefahren für den deutschen Markt durchbrochen wird. Ziel dieses Vorgehens ist die Vermeidung von Umgehungsstrategien durch Geschäftsverlagerungen auf andere europäische Märkte und die Vermeidung von Marktverzerrungen, wenn an einem Markt der Handel in den Instrumenten ausgesetzt oder untersagt ist.
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§ 4 Abs. 2 Satz 2 WpHG enthält zugleich die Befugnis, auch gegenüber der Börsengeschäftsführung anzuordnen, dass der Handel in einem oder mehreren Finanzinstru1 Vgl. Begr. FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 60. 2 Vgl. Begr. FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 60. 3 Vgl. auch die Ausführungen zu den Leerverkaufsverboten der Bundesanstalt in der Finanzkrise in Rz. 18.
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menten vorübergehend auszusetzen ist. Die hier in Rede stehenden Maßnahmen stehen neben der Kompetenz der Börsengeschäftsführung nach § 25 Abs. 1 BörsG den Handel auszusetzen; sie lassen auch § 37 Abs. 3 des InvestmentG unberührt1. Es handelt sich hierbei nicht um eine Verlagerung von Kompetenzen der Börsengeschäftsführung auf die Bundesanstalt, sondern um eine aus wertpapieraufsichtsrechtlichen Gründen gesondert und parallel zu den Befugnissen der Börsengeschäftsführung bestehende Aufsichtskompetenz. Denkbar sind derartige Maßnahmen, wenn der Bundesanstalt Tatsachen bekannt würden, die auf beabsichtigte „Insideroder Manipulations-Attacken“ auf bestimmte Finanzinstrumente schließen lassen, die sich auf andere Weise nicht verhindern ließen. Daneben könnte ein Eingreifen in den Handel im Rahmen der Missstandsaufsicht geboten sein, wenn außerordentliche Marktlagen entstehen oder wenn beispielsweise eine Börse Allgemeine Geschäftsund Handelsbedingungen anwendete, nach denen institutionelle Handelsteilnehmer deutlich besser gestellt würden als private Anleger. 6. Ermächtigungen zur Sachverhaltsaufklärung durch die Bundesanstalt (§ 4 Abs. 3 und 4 einschließlich Abs. 9 WpHG) a) Erkenntnisquellen Bevor die Bundesanstalt von den Möglichkeiten der Erkenntnisgewinnung durch ho- 28 heitliche Maßnahmen, wie Auskunfts- oder Vorlageersuchen, Gebrauch macht, nutzt sie regelmäßig zunächst verschiedene andere Erkenntnisquellen. Überwiegend aus diesen Erkenntnisquellen ergeben sich sodann Anhaltspunkte für die Überwachung der Einhaltung der Ge- und Verbote des WpHG. Die Erkenntnisquellen richten sich nach dem jeweiligen Teilbereich des WpHG. So wertet sie die eingehenden Mitteilungen, Veröffentlichungen, Presseinformationen und Informationen aus Kreisen der Marktteilnehmer aus. Hinzu tritt als Ausgangspunkt für Insider- bzw. Marktmanipulationsuntersuchungen der Bundesanstalt auch die systematische Untersuchung von Kursbildung und Umsatzentwicklung und die Auswertung der Meldungen nach § 9 WpHG. Denn typischerweise stellen deutliche Kurs- und Umsatzveränderungen vor einer öffentlichen Bekanntgabe von wichtigen Unternehmensinformationen etwa nach § 15 WpHG Anhaltspunkte für Insidertransaktionen dar. Hinsichtlich der Überwachung von Wertpapierdienstleistungsunternehmen spielen auch die Berichte über die jährlichen Prüfungen eine gewichtige Rolle. Darüber hinaus geht die Bundesanstalt auch Hinweisen, Meldungen, Anzeigen oder sonstigen Informationen von Amts wegen nach, die sie von Dritten oder den Marktteilnehmern, von den Handelsüberwachungsstellen, anderen Aufsichtsbehörden oder zuständigen Stellen des Auslands erhält. Soweit sich aus dieser Informationslage Anhaltspunkte ergeben, wie Auffälligkeiten, Unklarheiten oder Entwicklungstendenzen, wird die Bundesanstalt dazu übergehen den Sachverhalt näher mit ihren Eingriffsbefugnissen aufzuklären. b) Rechtliche Voraussetzungen der Eingriffsbefugnisse nach § 4 Abs. 3 WpHG Möglichkeiten des näheren Aufklärens von potentiell aufsichtsrechtlich relevanten Sachverhalten bieten insbesondere die Regelungen in § 4 Abs. 3 und 4 WpHG. Besondere Relevanz hat die Berechtigung der Bundesanstalt nach § 4 Abs. 3 WpHG von jedermann Auskünfte, die Vorlage von Unterlagen und die Überlassung von Kopien zu
1 Vgl. Begr. RegE AnSVG zu § 4 Abs. 2 WpHG, BT-Drucks. 15/3174, S. 30.
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verlangen. Voraussetzung hierfür ist, dass dieses Tätigwerden aufgrund von Anhaltspunkten für die Überwachung der Ge- und Verbote des WpHG erforderlich ist. 30
Insofern ist bedeutsam, was Anhaltspunkte sind. Die Anhaltspunkte in § 4 Abs. 3 WpHG müssen sich darauf beziehen, dass sich hieraus ein Anlass zur Überwachung der Einhaltung eines Ge- oder Verbots aus dem WpHG ergibt. Insoweit ist die Bezugnahme der Anhaltspunkte in § 4 Abs. 3 WpHG vom Gesetzgeber anders gefasst als z.B. die Bezugnahme der Anhaltspunkte in §§ 16b Abs. 1 und 31f Abs. 3 WpHG (Anhaltspunkte für einen Verstoß nach §§ 14, 20a WpHG), in § 37o Abs. 1 WpHG (Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften) oder § 7 Abs. 5 WpHG (Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Verbote oder Gebote des WpHG). Das lässt sich unter Berücksichtigung der Gesetzeshistorie auch gut nachvollziehen, denn § 4 Abs. 3 WpHG sollte auch z.B. §§ 29 Abs. 1 und 35 Abs. 1 WpHG a.F. ersetzen. Beide Normen gingen davon aus, dass die Bundesanstalt Auskünfte und Unterlagen verlangen kann, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der in dem Abschnitte geregelten Pflichten erforderlich ist. Da der Gesetzgeber in Anbetracht der Notwendigkeit der Umsetzung europarechtlicher Vorgaben die Eingriffbefugnisse nicht reduzieren konnte und wollte, hat die Bezugnahme aus §§ 29 Abs. 1 und 35 Abs. 1 WpHG a.F. Eingang in den heutigen § 4 Abs. 3 WpHG gefunden. Auch Sinn und Zweck der Befugnis lassen das konsequent erscheinen. Denn wenn die Bundesanstalt die Aufgabe hat, die Einhaltung der Ge- und Verbote des WpHG zu überwachen, muss sie hierfür mit Befugnissen ausgestattet sein, nicht erst, wenn schon konkrete Anhaltspunkte für Verstöße vorliegen. Anhaltspunkte setzen einen Tatsachenkern voraus, der in seinen Grundzügen beweisbar ist. Es muss nachvollziehbar sein, dass die Bundesanstalt Nachfragebedarf hat, um überprüfen zu können, ob, inwieweit oder auf welche Weise den Pflichten des WpHG Folge geleistet wurde. Ein hinreichend konkreter Verdacht auf einen Verstoß gegen das WpHG oder gar ein Anfangsverdacht i.S. von § 152 Abs. 2 StPO muss hingegen nicht vorliegen, auch wenn in Einzelfällen die Schwelle des Verdachts auch erreicht werden kann1. Anhaltspunkte für die Überwachung der Einhaltung der Ge- oder Verbote des WpHG sind schon gegeben, wenn z.B. der Bundesanstalt unbekannt ist, was sich für eine Praxis bei Wertpapierdienstleistungsunternehmen bezüglich der Einhaltung von Verhaltenspflichten herausgebildet hat. Die Nutzung der Befugnisse muss sich an den verwaltungsrechtlichen Grundsätzen messen lassen. Das bedeutet, dass die verwaltungsrechtlichen Maßnahmen im Rahmen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit unter Beachtung sachlich nahe liegender Erkenntnisquellen abzustufen sind. Zu berücksichtigen sind ggf. auch weitere spezielle Ermächtigungsgrundlagen, wie z.B. in §§ 35 f., 36b WpHG.
31
Innerhalb des § 4 Abs. 3 WpHG besteht dabei kein Stufenverhältnis zwischen der Möglichkeit, Auskunft zu verlangen, und der Berechtigung, die Vorlage von Unterlagen oder Kopien zu verlangen2. Es handelt sich um gleichwertige Eingriffsmöglichkeiten. Die Bundesanstalt hat im Rahmen ihres Auswahlermessens zu prüfen, welche der Möglichkeiten erforderlich, geeignet und das mildeste Mittel ist oder ob ggf. auch eine Kombination von Auskunft und Vorlage von Unterlagen erforderlich ist. So kann bei einfachen Sachverhalten durchaus die Auskunft das geeignete Mittel sein, in einem anderen Fall muss sich die Bundesanstalt einen eigenen Eindruck durch das Einsehen in Unterlagen verschaffen. Eine Auskunft muss den Be1 Zetzsche, in: Schwark/Zimmer, § 4 WpHG Rz. 48; a.A. Schlette/Bouchon, in: Fuchs, § 4 WpHG Rz. 37. 2 So auch z.B. Zetzsche, in: Schwark/Zimmer, § 4 WpHG Rz. 47; a.A. Altenhain, in: KölnKomm. WpHG, § 4 Rz. 118.
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aufsichtigten nicht weniger belasten, als die Vorlage von Unterlagen, insbesondere wenn er sich die Kenntnis selbst erst wieder durch Einsicht in die Unterlagen verschaffen müsste. Es ist also eine Frage der Abwägung, welches Mittel ergriffen werden sollte. Im Zusammenhang mit dieser Sachverhaltsaufklärung entsteht gelegentlich die Fra- 32 ge, welcher Tätigkeit die Bundesanstalt aus dogmatischer Sicht nachgeht. Teilweise wird die Tätigkeit der Bundesanstalt mit der einer Staatsanwaltschaft verglichen. Eine solche Sichtweise würde die Tätigkeit der Bundesanstalt inhaltlich verkennen. Denn die Tätigkeit der Bundesanstalt nach § 4 Abs. 3 und 4 WpHG bezieht sich auf alle Bereiche der Wertpapieraufsicht und nicht nur auf die Überwachung des Verbots von Insiderhandel und Marktmanipulation. Zu denken ist hier beispielsweise an die Überwachung der bedeutenden Stimmrechtsanteile, der besonderen Verhaltenspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen etc. Bei diesen von der Bundesanstalt nach dem WpHG zu überwachenden Normen handelt es sich um verwaltungsrechtliche Gebote und Verbote. Hiervon wird schon in § 4 Abs. 2 WpHG ausgegangen. Und auch die Verbote von Insiderhandel und der Marktmanipulation sind nur teilweise strafrechtlich, teilweise aber auch bußgeldrechtlich sanktioniert. Entsprechend kann hinsichtlich der früher allein zur Überwachung des Verbots von Insiderhandel durch die Bundesanstalt geführten verfassungsrechtlichen Diskussion vollumfänglich auf die Vorauflagen dieser Kommentierung verwiesen werden1. Die geäußerten Bedenken, dass es durch die verwaltungsrechtliche Klärung der Einhaltung der Regelungen des WpHG zu Massenfahndungen im strafprozessualen Vorfeld kommen würde, haben sich nicht realisiert. Gemäß ihrer Aufgabe und den Befugnissen ist die Bundesanstalt also eine Verwaltungsbehörde. Entsprechend ist die Bundesanstalt im Rahmen des Verwaltungsrechts tätig, überprüft die Einhaltung der Vorschriften des WpHG und klärt kapitalmarktorientierte Sachverhalte im Rahmen der Überwachung des WpHG auf. Teilweise gehen Antragsteller davon aus, dass die Bundesanstalt im Rahmen der 33 Überwachung der Verbote von Insiderhandel und Marktmanipulation Untersuchungen bezüglich konkreter Personen durchführen würde. Auch das entspricht nicht der Tätigkeit der Bundesanstalt. Wenn die Bundesanstalt im Rahmen der Marktbeobachtung oder der Auswertung der verfügbaren Informationen problematische Konstellationen erkennt, die bevorzugt im Zusammenhang mit einem Verstoß gegen die Verbote der §§ 14, 20a WpHG stehen, analysiert sie zunächst den zugrundeliegenden Sachverhalt. Hierbei wird überprüft, ob sich anhand der verfügbaren Datenlage Auffälligkeiten zeigen, die Anhaltspunkte für die nähere Überwachung der Verbote bieten. Die Mittel der Analyse sind i.d.R. schlicht hoheitliche Maßnahmen – Sammlung von im Haus vorhandenen und von allgemein zugänglichen Informationen und deren Auswertung. In der Mehrzahl der jährlich analysierten Fälle sind keine solchen Auffälligkeiten festzustellen2. Soweit Auffälligkeiten aufgefunden werden, sind sie der Anlass, den Sachverhalt intensiver zu beleuchten, sprich: eine Untersuchung durchzuführen. Aber auch zu diesem Zeitpunkt steht weder fest, dass gegen das Verbot von Insiderhandel oder Marktmanipulation verstoßen wurde, noch wer ggf. gehandelt haben könnte3. Es gibt zu diesem Zeitpunkt nur Anhaltspunkte für die Überwachung der Einhaltung der Verbote. Zur Aufklärung des Sachverhalts und Abklärung der Anhaltspunkte nutzt die Bundesanstalt die ihr vom WpHG eingeräumten, 1 Vgl. Dreyling in der 4. Aufl. § 4 Rz. 37 ff. 2 Vgl. z.B. Jahresbericht der Bundesanstalt 2010, S. 193 ff. 3 Vgl. Jahresbericht der Bundesanstalt 2010, S. 196 ff.
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also verwaltungsrechtlichen Möglichkeiten, insbesondere des § 4 Abs. 3 und 4 WpHG. Auch im Rahmen dieses Untersuchungsschritts kann sich – sogar nicht selten – noch herausstellen, das sich die Anhaltspunkte ganz marktgerecht aufklären lassen, sich ein Verstoß nicht verifizieren lässt. Soweit sich hierbei aber Tatsachen ergeben, dass ein Verdacht einer Straftat nach § 38 WpHG vorliegt, hat die Bundesanstalt die Tatsachen an die Staatsanwaltschaft anzuzeigen. Oftmals ist aus Gründen der Sachverhaltsaufklärung sogar eine sehr frühzeitige Anzeige bei den Staatsanwaltschaften angezeigt, die dann ggf. ein Ermittlungsverfahren eröffnet. Soweit bei der Aufklärung des Sachverhalts durch die Bundesanstalt eine Person festgestellt werden kann, die gegen die Verbote nach §§ 14 oder 20a WpHG verstoßen hat, findet das regelmäßig in einem der letzten Schritte der Sachverhaltsaufklärung statt. Insoweit ist die teilweise geäußerte Anregung des Trennens von unbeteiligten und beteiligten Adressaten1 durch die Bundesanstalt gar nicht möglich. Denn wer beteiligter Adressat ist, wird – wenn überhaupt bei der Bundesanstalt – erst zu einem sehr späten Zeitpunkt bekannt. Das bedeutet, im Rahmen der Überwachung der Einhaltung der Verbote nach §§ 14, 20a WpHG durch die Bundesanstalt ist weder klar, ob gegen eines der Verbote verstoßen wurde – das soll ja erst aufgeklärt werden –, noch wer ggf. verstoßen haben könnte. Es gibt Anhaltspunkte, die die Überwachung der Einhaltung der Verbote erforderlich erscheinen lassen. Die Überwachung wird auch mit den üblichen Mitteln des Verwaltungsrechts durchgeführt. c) Auskunftsverlangen 34
§ 4 Abs. 3 WpHG enthält die Berechtigung der Bundesanstalt Auskünfte zu verlangen. Vor der Schaffung der Befugnisnorm in § 4 Abs. 3 WpHG gab es mehrere einzelne Befugnisnormen in den verschiedenen Abschnitten des WpHG, bei denen der Kreis der Verpflichteten unterschiedlich ausgestaltet war. Nach der heutigen Rechtslage ist „jedermann“ zur Auskunft gegenüber der Bundesanstalt verpflichtet. Es bedarf wohl keiner tiefergehenden dogmatischen Begründung, dass sich die Einholung von Auskünften von Dritten für die Bundesanstalt nach der Nähe der jeweiligen Personen zum aufzuklärenden Sachverhalt einerseits und zur daraus abzuleitenden Kenntnis des zu Befragenden zu richten hat. Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes bedarf gesonderter Wertung, die sich nicht an willkürlichen Eingebungen, sondern an untersuchungsbezogenen Sachverhalten auszurichten hat. Neben dieser Generalbefugnis Auskünfte von jedermann verlangen zu dürfen, finden sich im WpHG nur noch vereinzelt auf die einzelne Sachmaterie abgestimmte Ermächtigungen zu Auskunftsverlagen, wie z.B. in § 37o Abs. 4 WpHG für den Bereich der Bilanzkontrolle.
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Das Auskunftsersuchen muss wegen Anhaltspunkten für die Überwachung der Geoder Verbote des WpHG erforderlich sein. Zu den Anhaltspunkten kann auf die Rz. 30 verwiesen werden. Soweit nach der Antwort auf ein Auskunftsersuchen der Sachverhalt für die Bundesanstalt immer noch nicht hinreichend klar ist, können auch weitere Auskünfte verlangt werden oder flankierend Unterlagen angefordert werden. Notwendig ist nur die Erforderlichkeit für die Überwachung der Ge- oder Verbote des WpHG.
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Im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden ist ein Auskunftsersuchen auch unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 WpHG zur Erfüllung eines Ersuchens einer ausländischen Aufsichtbehörde zulässig. Der Bundesanstalt ist mittels und im Rahmen der Zusammenarbeit grundsätzlich auch die 1 Vgl. Zetzsche, in: Schwark/Zimmer, § 4 WpHG Rz. 10.
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Auskunftseinholung bei Unternehmen mit Sitz im Ausland möglich, die an einer inländischen Börse zur Teilnahme am Handel zugelassen sind und vom Ausland aus über einen Handelsbildschirm an einer inländischen Börse handeln1. Im Hinblick auf die Beaufsichtigung von Wertpapierdienstleistungen gegenüber Inlandskunden, unterstreicht zudem § 35 Abs. 2 WpHG die Möglichkeit eines Auskunfts- oder Vorlegeersuchens direkt gegenüber Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat. Fraglich ist hierbei, ob ein unmittelbar an einen ausländischen Marktteilnehmer gerichtetes Auskunftsersuchen ohne Einschaltung der „zuständigen Stellen“ i.S. von § 7 Abs. 1 WpHG zwangsweise durchsetzbar sein wird. Von der Befugnis, Auskunft zu verlangen, bleiben gesetzliche Auskunfts- und Aussageverweigerungsrechte sowie Verschwiegenheitspflichten unberührt, wie zum Beispiel diejenige eines Rechtsanwalts nach § 43a Abs. 2 BRAO oder des Abschlussprüfers nach § 323 HGB. Anders kann das in den verbliebenen spezielleren Befugnissen zu Auskunftsverlangen sein. So kann die Bundesanstalt nach § 37o Abs. 4 WpHG gerade auch von Abschlussprüfern von Unternehmen, deren Wertpapiere an einem inländischen regulierten Markt zugelassen sind, verlangen, Auskünfte zu erteilen und Unterlagen vorzulegen.
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d) Auskunftsverweigerungsrecht Die Möglichkeit der Bundesanstalt, von jedermann tatsächlich Auskünfte zu erlangen, wird begrenzt durch ein in § 4 Abs. 9 WpHG geregeltes Auskunftsverweigerungsrecht. Hiernach kann ein zur Auskunft Verpflichteter Auskünfte auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis Abs. 3 ZPO bezeichneten Angehörigen der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens aussetzen würde. Das Berufen auf das Auskunftsverweigerungsrecht bezüglich der Beantwortung konkret gestellter Fragen hat Auswirkungen auf die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung eines solchen Auskunftsersuchens. Es hat aber keine Auswirkungen auf die Frage der Rechtmäßigkeit des Auskunftsersuchens selbst. Letztlich sei auf die Regelung zur Belehrung über das Recht zur Auskunftsverweigerung in § 4 Abs. 9 WpHG verwiesen. Diese Belehrungspflicht wird ergänzt um den Hinweis, dass es dem Auskunftsverpflichteten freisteht, jederzeit, auch schon vor der Vernehmung, einen Rechtsanwalt zu befragen (vgl. § 136 Abs. 1 StPO).
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Das Auskunftsverweigerungsrecht bezieht sich entsprechend seinem Wortlaut und seiner Intention allein nur auf Auskunftsersuchen, nicht auch auf Vorlageersuchen2. Denn es handelt sich hierbei gerade nicht um eine Aussage und die Gefahr, sich mit seiner eigenen Aussage selbst zu belasten. e) Personenidentität Aus den Meldungen nach § 9 WpHG kennt die Bundesanstalt alle wesentlichen Merkmale der abgeschlossenen Geschäfte bis auf die Identität der Auftraggeber, es sei denn, es läge Eigenhandel von Kreditinstituten, Non-Clearern oder sonstiger zum
1 Vgl. Begr. RegE UmsetzungsG zu § 16 Abs. 1 WpHG, BT-Drucks. 13/7142, S. 108. 2 Vgl. VG Berlin v. 12.6.1978 zu § 44 KWG in Beckmann/Bauer, Bankenaufsichtsrecht Entscheidungssammlung, § 44 Nr. 19 S. 32 (3.) und VG Frankfurt v. 22.11.2004 – 1 G 4052/04 zum insoweit parallelen § 83 Abs. 6 VAG, veröffentlicht in der hessischen Entscheidungssammlung unter www.lareda.hessenrecht.de, dort Rz. 57.
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Börsenhandel zugelassener Unternehmen vor. Nach § 4 Abs. 3 Satz 2 WpHG kann die Bundesanstalt von den Auskunftspflichtigen zunächst – die Identität der Auftraggeber, – die Identität der berechtigten oder verpflichteten Personen und – Angaben über Bestandsveränderungen in Insiderpapieren verlangen. 40
Mit Identität ist die einwohnermelderechtliche Identität gemeint. Bei abweichenden Geburts- oder Familiennamen sind auch diese mitzuteilen. Bei Oder-Konten haben die zur Auskunft verpflichteten Unternehmen bei natürlichen Personen den Namen, das Geburtsdatum und die Anschrift festzustellen und diese Angaben aufzuzeichnen. Es ist daher durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass der konkrete Auftraggeber zweifelsfrei erfasst werden kann, z.B. durch Zuweisung verschiedener PIN-/ TAN-Nummern. Die Angabe von Geburtsdatum und Anschrift können der Bundesanstalt Rückschlüsse auf die Einschaltung z.B. eines Strohmanns geben, der beispielsweise als Sekundärinsider tätig wird. Entsprechendes gilt für die Benennung der möglicherweise hinter dem Geschäft stehenden Personen, die als Auftraggeber selbst nicht an der Durchführung des Geschäftes beteiligt sind.
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Bezüglich der Offenlegung der Identität von Auftraggebern und Depotbestandsveränderungen liegt eine Einschränkung des privatrechtlichen Bankgeheimnisses vor. In diesen Fällen muss das Interesse der Betroffenen an der Vertraulichkeit der Geschäfte hinter das Erfordernis zurücktreten, die Einhaltung des Verbots von Geschäften nach §§ 14 oder 20a WpHG zu überwachen. Ohne entsprechende Befugnisse der Bundesanstalt – die internationaler Standard sind – wäre eine Verfolgung von Verstößen nicht möglich1. f) Einblick in Konten und Depots
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Nach § 4 Abs. 3 WpHG ist die Bundesanstalt auch befugt, Angaben über Bestandsveränderungen in Finanzinstrumenten, d.h. Auskunft über Depotbestände, Käufe oder Verkäufe, zu verlangen. Die Abfrage bezieht sich auf das Depot der berechtigten oder verpflichteten Personen oder der Auftraggeber, welches die Finanzinstrumente/Insiderpapiere enthält, bei denen Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot vorliegen. Zeitliche Einschränkungen für Depotbestandsabfragen gibt es nicht (mehr). Die auf diese Weise ermittelten Bestandsdaten ermöglichen eine Einschätzung des üblichen Anlageverhaltens des Depotinhabers, so dass ein Abweichen hiervon ebenfalls ein Indiz für ein Insidergeschäft oder eine Manipulation darstellen kann. Die Abfrage des Anfangs- und Endbestandes des Depots dient einer Verdeutlichung, weil eine Beurteilung der Depotbestandsveränderungen voraussetzt, dass Anfangs- und Endbestand bekannt sind. Ferner kann die Bundesanstalt Einsicht in weitere bei der depotführenden Bank geführte Konten und Depots der Auftraggeber und berechtigten und verpflichteten Personen nehmen.
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Unter „Konten“ i.S. dieser Vorschrift sind dabei nur die zu dem jeweiligen Depot gehörigen Geld-Verrechnungskonten zu verstehen. Es kann auf Insidergeschäfte hindeuten, wenn in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem untersuchten Sachverhalt hohe Zahlungsein- oder -ausgänge zu verzeichnen sind. Es können in solchen Fällen auch Konten der Depotinhaber abgefragt werden. Wenn Depotinhaber und 1 Vgl. Begr. RegE 2. FFG zu § 16 Abs. 2 WpHG, BT-Drucks. 12/6679, S. 49 f.
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Auftraggeber nicht identisch sind und Letzterer das Verrechnungskonto des Depotinhabers mitnutzt, bliebe ansonsten eine Erkenntnislücke. Die Befugnis, Auskunft auch über den Zeitpunkt der Depoteröffnung und über weitere zur Verfügung über das Depot Bevollmächtigte zu verlangen, schließt Erkenntnislücken. Insbesondere der Eröffnungstermin kann ein Indiz für das Vorliegen von Insidergeschäften sein, wenn z.B. der Zeitpunkt der Depoteröffnung und der Zeitpunkt der verdächtigen Transaktion nahe beieinander liegen. Durch die Angabe weiterer Bevollmächtigter können schließlich Verbindungen zu weiteren Personen, die möglicherweise Kenntnis von der Insidertatsache gehabt haben, gezogen werden. Die Geschäfte, die über Wertpapierdienstleistungsunternehmen abgeschlossen wur- 44 den, werden ohne Rücksicht auf ihre Größenordnung abgefragt, d.h. von einer Aktie bis zu jeder beliebigen Größenordnung. Der häufig zu hörende Einwand, dass sich bei Kleinstgeschäften kein Insiderhandel lohne, dürfte zwar überwiegend zutreffen. Eine im Einzelfall möglicherweise wünschenswerte Differenzierung lässt sich aber kaum realisieren. Bei Aufträgen in wenig liquiden Nebenwerten kommt es bisweilen – auch noch über mehrere Börsen verteilt – zu recht kleinen Abschlüssen. Auch unterschiedliche Meldeansätze bei Kreditinstituten lassen keine Ausnahmeregelungen zu. Ein Teil der Kreditinstitute meldet kundenbezogen, d.h., kauft ein Kunde 200 Aktien, so meldet das eine Kreditinstitut unabhängig von den börslichen Schlussnoten den Kauf von 200 Aktien. Andere Kreditinstitute melden jedoch schlussnotenbezogen, indem sie die ihnen per Börsengeschäftsabwicklung von der Verkäuferseite zugeteilten vier Abschlüsse zu beispielsweise 50 Stück als vier Einzelgeschäfte desselben Kunden melden. Würden nach § 4 Abs. 2 WpHG nur Geschäfte in einer Größenordnung ab 100 Stück abgefragt, gäbe es relativ hohe Meldedefizite. Die Bundesanstalt erfragt üblicherweise Bestandsveränderungen für einen bestimmten Zeitraum, der sich aus registrierten Marktauffälligkeiten beispielsweise der involvierten Aktie herleitet. Ohne hier die rechtliche Grundsatzfrage einer Differenzierung bei den Abfragen unter strafgesetzlichen Aspekten des Insiderrechts näher vertiefen zu wollen, sei auf die Möglichkeiten der Staatsanwaltschaft hingewiesen, bei geringfügigen Geschäftsabschlüssen Verfahren wegen geringer Schuld einzustellen. Von der Möglichkeit zur Einsichtnahme betreffend Bestandsveränderungen in sämtlichen im Depot enthaltenen Insiderpapieren des Auftraggebers wird die Bundesanstalt grundsätzlich nur dann Gebrauch machen, wenn sich aufgrund der zusammengetragenen Informationen die Anhaltspunkte für einen Verstoß nach §§ 14 oder 20a WpHG verdichten. Die Bundesanstalt kann auf diese Weise im Verwaltungsverfahren ohne Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden klären, ob sich aus den nunmehr gegebenen Erkenntnissen ein konkreter Verdacht ergibt, der eine Abgabe des Verfahrens nach § 4 Abs. 5 Satz 1 WpHG an die Staatsanwaltschaft erforderlich macht. Die gewonnenen Erkenntnisse lassen Rückschlüsse auf das Anlageverhalten des Betroffenen zu, die ihn sowohl be- als auch entlasten können. Das hier vorgesehene Verfahren dürfte für den Betroffenen weniger belastend sein als die anderenfalls notwendigen Ermittlungsmaßnahmen durch die Staatsanwaltschaft. Die Untersuchungsmaßnahmen stehen insoweit in einem Stufenverhältnis, als die Bundesanstalt unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zunächst erst zu denjenigen Maßnahmen greifen wird, die hinsichtlich der Datensphäre den geringsten Eingriff darstellen. Von diesem Stufenverhältnis kann jedoch abgewichen werden, wenn sich aus den Erkenntnissen der Bundesanstalt bereits ein konkreter Verdacht ergibt, zu dessen endgültiger Verifizierung beispielsweise nur noch ein Einblick in das Depot oder Geldkonto des Verdächtigen ausreichen würde.
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g) Vorlage von Unterlagen und Kopien 46
Um sich einen vertieften Einblick zu verschaffen, zur Überprüfung von Vorgängen, zur eigenen Erkenntnisgewinnung oder auch zwecks besseren Verständnisses von Zusammenhängen, kann sich die Bundesanstalt Unterlagen vorlegen lassen. Die Berechtigung zur Vorlage von Unterlagen besteht wie auch die Berechtigung zum Auskunftsverlangen gegenüber jedermann. Hierdurch gewinnt sie Informationen und Einblicke in die einzelnen Geschäftsabläufe. Unterlagen sind jegliche Materialien, die sachbezogene Informationen enthalten können wie beispielsweise auch Tonbänder und Orderzettel. Zudem hat die Bundesanstalt so die Möglichkeit noch authentischere Einblicke in Abläufe oder frühere Einschätzungen der Marktteilnehmer zu gewinnen. Ferner kann sie die kostenfreie Überlassung von Kopien verlangen1.
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Als Unterlagen „aller Art“ wie in Art. 12 Abs. 2 lit. a der Marktmissbrauchsrichtlinie formuliert, sind im elektronischen Zeitalter auch Computerdateien zu verstehen, die der Bundesanstalt geöffnet zugänglich gemacht werden müssen2. Selbstverständlich wird die Bundesanstalt auch Einblick in die nach § 15b WpHG zu führenden Insiderverzeichnisse nehmen.
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Im Übrigen gelten für das Vorlageersuchen die gleichen Vorraussetzungen, wie für ein Auskunftsersuchen. D.h. das Vorlageersuchen ist zulässig, soweit dies aufgrund von Anhaltspunkten für die Überwachung der Einhaltung des WpHG erforderlich ist3 oder aber der Erfüllung eines Ersuchens einer ausländischen Aufsichtsbehörde nach § 7 WpHG dient. h) Betreten von Grundstücken
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Den Bediensteten der Bundesanstalt und den von ihr beauftragten Personen ist das Betreten der Grundstücke und Geschäftsräume der nach § 4 Abs. 3 WpHG auskunftspflichtigen Personen während der üblichen Arbeitszeit zu gestatten. § 4 Abs. 4 WpHG übernimmt4 die früher in §§ 16 Abs. 3, 20b Abs. 3 und 35 Abs. 1 WpHG a.F. enthaltenen Regelungen zum Betretungsrecht. Hierdurch wird der Bundesanstalt die Sachverhaltsklärung vor Ort ermöglicht. Das Betretungsrecht im Rahmen von Prüfungen vor Ort ist häufig ein effektiveres Instrumentarium für die Aufsicht als ggf. langwierige Auskunfts- und Vorlageersuchen. Es ist so realisierbar, möglichst authentische Einblicke in Unternehmensabläufe zu erhalten oder sich einen eigenen Eindruck von den Gegebenheiten eines Unternehmens, den Räumlichkeiten oder z.B. von Unterlagen zu verschaffen. Dies gilt auch dann, wenn bestimmte Tätigkeiten, wie Buchführungs- oder Archivierungsaufgaben, ausgelagert sind, da sich die Befugnisse gegen jedermann richten. Soweit der Pflichtige einer Aufforderung zur Zutrittsgewährung nicht nachkommt, handelt er nach § 39 Abs. 3 Nr. 2 WpHG ordnungswidrig.
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Die Befugnis zum Betreten von Geschäftsräumen und Grundstücken bezieht sich auf ein grundsätzliches Beretungsrecht von sowohl Geschäfts- als auch Wohnräumen. Insoweit wird das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung gemäß Art. 13 GG eingeschränkt, worauf nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG hinzuweisen ist. Das Betre1 2 3 4
Vgl. Begr. RegE AnSVG zu § 4 WpHG, BT-Drucks. 15/3174, S. 30. Vgl. 3. Aufl. des Kommentars, § 20b Rz. 27 und 28. Näheres in der Darstellung in Rz. 33. Abs. 4 übernimmt die früheren Regelungen und setzt zugleich Art. 12 Abs. 2 lit c der Marktmissbrauchsrichtlinie um, BT-Drucks 15/3174, S. 30.
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tungsrecht beinhaltet nach h.M. kein Durchsuchungsrecht1. Es liegt nahe, dass ein Durchsuchungsrecht in Einzelfällen zweckmäßig wäre. Es scheitert schon an den staatsanwaltschaftlichen Befugnissen2, aber teilweise auch an praktischen Erwägungen. Die Bundesanstalt selbst könnte zumindest größere Durchsuchungen unter personaltechnischen Realitäten nur unter Zuhilfenahme der Polizei bewältigen. Die Grenze der Befugnisse der Bundesanstalt ist die Nutzung des Betretungsrechts in Kombination mit einem Auskunfts- und Vorlageersuchen, ggf. auch Nutzung des Prüfungsrechts nach § 35 WpHG, welches jedoch eine andere Qualität hat, als ein Durchsuchungsrecht. Das Recht zum Betreten von Grundstücken wird ebenfalls beschränkt durch die Voraussetzung der Erforderlichkeit. D.h., dass die Maßnahme nur durchgeführt werden darf, soweit das zur Wahrnehmung der Aufgaben durch die Bundesanstalt nach dem WpHG erforderlich ist. Das Betreten der Grundstücke und Geschäftsräume außerhalb der üblichen Arbeitszeit oder wenn die Geschäftsräume sich in einer Wohnung befinden, ist ohne Einverständnis nur zulässig und insoweit zu dulden, wie dies zur Verhütung von dringenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist und bei der auskunftspflichtigen Person Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen ein Verbot oder Gebot des WpHG vorliegen. Das Betreten von Geschäftsräumen unter diesen Bedingungen dürfte praktisch kaum von der Bundesanstalt durchgeführt werden. Derartige Maßnahmen erfolgen in der Regel durch die Staatsanwaltschaft nach den Vorschriften der StPO, was effizienter sein dürfte.
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i) Vernehmen von Personen Die Bundesanstalt hat zudem die Befugnis in eigener Verantwortung Personen 52 vorzuladen und zu vernehmen. Begrenzt wird die Befugnis durch die Verhältnismäßigkeit. Die Maßnahme muss erforderlich sein. Voraussetzung für eine Vorladung und Vernehmung einer Person ist, dass Anhaltspunkte für die Überwachung der Einhaltung eines Ge- oder Verbots des WpHG vorliegen müssen oder ein entsprechendes Gesuchen einer ausländischen Aufsichtsbehörde nach § 7 WpHG vorliegt. Der Vorteil einer Vernehmung von Personen durch die Bundesanstalt liegt z.B. im unmittelbaren Eindruck von der Person und in der schnellen und effizienten Möglichkeit zu Rückfragen oder zu vertiefenden Fragen. 7. Anzeige bei der Staatsanwaltschaft (§ 4 Abs. 5 WpHG) Die Bundesanstalt hat Tatsachen, die den Verdacht einer Straftat nach § 38 WpHG 53 begründen, der zuständigen Staatsanwaltschaft unverzüglich anzuzeigen (§ 4 Abs. 5 WpHG). Mit der Verpflichtung zur Anzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft ist deutlich gemacht, dass sich die Tätigkeit der Bundesanstalt nicht als Ermittlungstätigkeit im strafrechtlichen Sinne darstellt, sondern als verwaltungsrechtliche Untersuchung, die auch mit verwaltungsrechtlichen Mitteln durchgeführt wird. Als zuständig wird diejenige Staatsanwaltschaft angesehen, in deren Bezirk das verdächtige Geschäft abgeschlossen wurde; im Börsenhandel ist es die entsprechende Wertpapierbörse oder die Börse, an denen entsprechende Derivate gehandelt werden. Kommen mehrere Börsenplätze in Betracht, richtet sich die Bundesanstalt im Zweifel nach der so genannten Heimatbörse. Im Hinblick auf die meist ebenfalls weiterzugebenden 1 Vgl. 3. Aufl. des Kommentars, § 20b Rz. 34: Zetzsche, in: Schwark/Zimmer, § 4 WpHG Rz. 62; Schlette/Bouchon, in: Fuchs, § 4 WpHG Rz. 81. 2 Zum verwaltungsrechtlichen Handeln der Bundesanstalt vgl. Rz. 32 f.
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personenbezogenen Daten wird der Vorgang strikt vertraulich an die Staatsanwaltschaft abgegeben (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 4 WpHG). Da das Verfahren danach ausschließlich in deren Händen liegt, obliegt ihr auch die Abwägung, inwieweit im Hinblick auf die jeweiligen Landespressegesetze die Öffentlichkeit über die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens zu unterrichten ist. Entsprechende Entscheidungen trifft die Staatsanwaltschaft autonom. 54
Die Bundesanstalt gibt Anhaltspunkte für einen Verdacht aus Effizienzgründen üblicherweise in einem frühen Stadium der Untersuchungen an die Staatsanwaltschaft ab, da diese die weiteren Untersuchungen mit den ihr zu Gebote stehenden Mitteln der StPO wie etwa Hausdurchsuchungen oder Beschlagnahme effizienter führen kann als die Bundesanstalt, die lediglich verwaltungsrechtliche Mittel einsetzen kann.
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Mit Übermittlung des Sachverhalts nebst eventueller personenbezogener Daten verdächtiger Personen oder von möglichen Zeugen endet das originäre Untersuchungsverfahren bei der Bundesanstalt. § 4 Abs. 5 WpHG sieht ausdrücklich vor, dass die Bundesanstalt bei der Anzeige die personenbezogenen Daten der Betroffenen, gegen die sich der Verdacht richtet oder die als Zeugen in Betracht kommen, der Staatsanwaltschaft übermitteln darf. Ab dem Zeitpunkt der Anzeige ist die Staatsanwaltschaft Herrin des Ermittlungsverfahrens (§ 4 Abs. 5 Satz 3 WpHG). Die Staatsanwaltschaft entscheidet im Folgenden über die erforderlichen Ermittlungsmaßnahmen. Das können neben Durchsuchungen alle Maßnahmen nach den Vorschriften der Strafprozessordnung sein. Ggf. zieht die Staatsanwaltschaft die Bundesanstalt im Rahmen der §§ 161, 163 StPO zu weiteren Untersuchungen oder nach § 40a Abs. 1 WpHG als Sachverständige heran, um deren Kompetenz im Bereich Wertpapieraufsicht mit nutzen zu können. Die Anzeigepflicht der Bundesanstalt korreliert mit der Hinweispflicht der Staatsanwaltschaft nach § 40a WpHG im Hinblick auf die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens.
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Aufgrund der unabhängig von strafrechtlichen Ermittlungskompetenzen der Staatsanwaltschaft weiterhin bestehenden Zuständigkeit der BaFin für Verwaltungsmaßnahmen nach § 4 WpHG ggf. i.V.m. § 7 WpHG und den ihr obliegenden Auskunftspflichten nach § 7 WpHG gegenüber ausländischen Stellen bleiben die diesbezüglichen Befugnisse der Bundesanstalt bestehen. Unabhängig davon kann die Bundesanstalt weiterhin Verwaltungsmaßnahmen nach § 4 Abs. 2 bis 4 WpHG, § 7 WpHG betreiben, sofern eine Gefährdung des Untersuchungszwecks der Strafverfolgungsbehörden oder der für Strafsachen zuständigen Gerichte nicht zu befürchten ist1. 8. Veröffentlichungsrecht (§ 4 Abs. 6 WpHG)
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Nach § 4 Abs. 6 WpHG hat die Bundesanstalt die Befugnis, auf Kosten von veröffentlichungs- oder mitteilungspflichtigen Personen selbst die für den Finanzmarkt erforderliche Transparenz herzustellen. Die Vorschrift des § 4 Abs. 6 WpHG setzt Art. 6 Abs. 7 der Marktmissbrauchsrichtlinie um und übernimmt damit den früheren § 29 Abs. 3 WpHG. Voraussetzung für eine solche Maßnahme ist, dass eine gesetzliche Veröffentlichungs- oder Mitteilungspflicht nach dem WpHG von dem Pflichtigen nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht in der vorgeschriebenen Weise erfüllt wird. Selbstredend ist zusätzliche Voraussetzung, dass die Bundesanstalt hinrei1 Vgl. Begr. RegE AnSVG zu § 4 WpHG, BT-Drucks. 12/3174, S. 30.
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chende und gesicherte Kenntnisse von den mitteilungs- oder veröffentlichungspflichtigen Informationen hat. Die Bundesanstalt kann so auf dem Wege einer Selbstvornahme auf Kosten der pflichtigen Personen jenseits des zeitlich aufwändigen Verfahrens des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes eine schnelle Information des Marktes bei sämtlichen Veröffentlichungs- und Mitteilungspflichten des WpHG erreichen. Die Veröffentlichung selbst durch die Bundesanstalt ist kein Verwaltungsakt. 9. Keine aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage (§ 4 Abs. 7 WpHG) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Maßnahmen der Bundesanstalt nach 58 § 4 Abs. 1 bis 4, 6 WpHG haben keine aufschiebende Wirkung (§ 4 Abs. 7 WpHG). Im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung und den Vertrauensschaden, den Verstöße gegen Ge- und Verbote des WpHG verursachen können, ist eine zügige Untersuchung dieser Angelegenheiten von hoher Bedeutung. Aus diesem Grunde ist es notwendig, dass die Maßnahmen der Bundesanstalt mit ihrem Erlass sofortige Wirkung entfalten. Dementsprechend muss den Aufforderungen der Bundesanstalt auch dann Genüge geleistet werden, wenn ein Widerspruch gegen eine der genannten Maßnahmen eingelegt wird. Die Entscheidung über den Widerspruch wird dann regelmäßig erst nach Abschluss der Maßnahme getroffen werden. Bei ernstlichen Zweifeln besteht aber die Möglichkeit, einen Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung bei der Behörde oder bei dem zuständigen Gericht zu stellen. 10. Schweigepflicht (§ 4 Abs. 8 WpHG) § 4 Abs. 8 WpHG bestimmt, dass die Adressaten von Maßnahmen nach § 4 Abs. 2 bis 4 WpHG grundsätzlich keine anderen Personen als staatliche Stellen von diesen Maßnahmen oder von einem daraufhin eingeleiteten Ermittlungsverfahren in Kenntnis setzen dürfen (vgl. auch § 11 Abs. 3 Geldwäschegesetz). Voraussetzung für diese Schweigepflicht ist, dass es sich um Maßnahmen der Bundesanstalt wegen eines möglichen Verstoßes gegen ein Verbot nach §§ 14 oder 20a WpHG handelt. Durch diese Regelung soll vermieden werden, dass die Sachverhaltsaufklärung durch die Bundesanstalt erschwert wird, weil die Betroffenen von bevorstehenden Sachverhaltsaufklärungen oder Ermittlungen vorzeitig erfahren und ggf. Verdunkelungshandlungen vornehmen oder sich untereinander abstimmen.
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Neben den staatlichen Stellen dürfen Personen unterrichtet werden, die aufgrund ihres Berufes einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Bei den beruflichen Geheimnisträgern ist insbesondere an Rechtsanwälte oder Wirtschaftsprüfer zu denken. Ziel der Ausnahme ist es, dem Adressaten die Ausübung seiner verfassungsmäßigen Rechte wie beispielsweise die Hinzuziehung eines Verteidigers (§ 137 StPO) zu ermöglichen.
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Insbesondere schließt diese gesetzliche Vertraulichkeitspflicht die Unterrichtung von Bankkunden unter dem Gesichtspunkt des (bank-)vertraglichen Treueverhältnisses aus1.
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Der reguläre Informationsfluss innerhalb eines von einer Maßnahme betroffenen Un- 62 ternehmens, wie etwa die Benachrichtigung der so genannten „Compliance-Stelle“, wird von der Vorschrift nicht umfasst, sofern das Unternehmen selbst der Adressat 1 Vgl. 3. Aufl. des Kommentars, § 20b Rz. 41.
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der Maßnahme ist1. Im Gegenschluss ist hieraus zu entnehmen, dass ein Angestellter eines Kreditinstitutes, der etwa ein Insidergeschäft in Wertpapieren für eigene Rechnung tätigt, keinesfalls die Compliance-Stelle unterrichten darf. Ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 4 Abs. 8 WpHG stellt gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 WpHG eine Ordnungswidrigkeit dar. 11. Nutzung personenbezogener Daten (§ 4 Abs. 10 WpHG) 63
Nach § 4 Abs. 10 WpHG darf die Bundesanstalt personenbezogene Daten, die ihr mitgeteilt wurden, speichern, verändern und nutzen, soweit dies zur Erfüllung ihrer aufsichtsrechtlichen Aufgaben und für Zwecke der internationalen Zusammenarbeit gemäß § 7 WpHG dient. Die frühere, in vormaligen § 17 Abs. 1 WpHG enthaltene Beschränkung, dass dies neben internationaler Zusammenarbeit nur für Zwecke der Prüfung, ob ein Verstoß gegen ein Verbot nach §§ 14 oder 20a WpHG vorliegt, erfolgen darf, ist entfallen. Nach § 3 BDSG handelt es sich bei personenbezogenen Daten um Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Inhaltlich handelt es sich hierbei beispielsweise um die Identität der Auftraggeber und der berechtigten oder verpflichteten Personen aus den Geschäften sowie die Angabe von Bestandsveränderungen beispielsweise in Insiderpapieren. Im Umkehrschluss ergibt sich aus dieser Regelung auch, dass personenbezogene Daten, bezüglich derer die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 3 WpHG nicht mehr gegeben sind, weil die Erforderlichkeit entfallen ist, nicht mehr gespeichert werden dürfen und somit nach BDSG zu löschen sind2. Die Weitergabe von personenbezogenen Daten im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit entspricht den Anforderungen von Art. 16 Abs. 2 der Marktmissbrauchsrichtlinie. 12. Hinzuziehung von Wirtschaftsprüfern oder Sachverständigen (§ 4 Abs. 11 WpHG)
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Nach § 4 Abs. 11 WpHG kann die Bundesanstalt zur Erfüllung ihrer Aufgaben auch Wirtschaftsprüfer oder Sachverständige bei Ermittlungen oder Überprüfungen einsetzen. Diese Regelung setzt Art. 50 Abs. 2 lit. m der MiFID um. In diesem Zusammenhang kann auf die parallele Regelung in § 4 Abs. 3 FinDAG verwiesen werden (s. Vor § 3 Rz. 20 ff.), die ergänzende Anwendung findet.
III. Rechtsschutz gegenüber der Bundesanstalt (Vogel) 1. Allgemeines 65
Abgesehen von § 4 Abs. 7 WpHG (s. oben Rz. 13 und noch unten Rz. 87), § 4 Abs. 4 FinDAG (s. noch unten Rz. 68 ff.) und §§ 37t, 37u WpHG (s. unten Rz. 86) enthält das WpHG keine besonderen Vorschriften über den Rechtsschutz gegen die Bundesanstalt. Deshalb richtet sich der Rechtsschutz nach den allgemeinen Vorschriften, zuoberst nach der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, sodann nach den einfach-gesetzlichen Vorschriften. Zudem ist für die eu1 Vgl. Begr. RegE AnSVG zu § 4 Abs. 8 WpHG, BT-Drucks. 15/3174, S. 31. 2 Vgl. Begr. RegE AnSVG zu § 4 WpHG, BT-Drucks. 15/3174, S. 31.
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roparechtskonforme Handhabung des Rechtsschutzes Art. 15 Marktmissbrauchsrichtlinie zu beachten, wonach die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass gegen Entscheidungen der zuständigen Behörde i.S. des Art. 11 Abs. 1 Marktmissbrauchsrichtlinie, in der Bundesrepublik Deutschland die Bundesanstalt, vor Gericht Rechtsmittel eingelegt werden können. Entsprechend der Vielfalt der Aufgaben und Befugnisse der Bundesanstalt nach dem 66 WpHG gestalten sich die Rechtsschutzmöglichkeiten gegen sie vielfältig, und es sind unterschiedliche Rechtsbehelfe gegeben, wenn die Bundesanstalt etwas tut oder unterlässt, im Einzelfall oder normsetzend oder aufsichts- oder bußgeldrechtlich tätig wird. Eher phänomenologisch kann nach den verschiedenen Rechtsschutzinteressenten und -interessen unterschieden werden: – Die institutionellen Akteure der Wertpapiermärkte, namentlich Emittenten und Wertpapierdienstleistungsunternehmen, haben ein vorrangiges Interesse an einer guten und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt; für sie steht Rechtsschutz nicht im Vordergrund. – Erst wenn sie zu unmittelbar Betroffenen von aufsichts- oder bußgeldrechtlichen eingreifenden Maßnahmen werden, besteht ein Rechtsschutz- als klassisches Eingriffsabwehr- oder -minimierungsinteresse. – Seit einiger Zeit drängen Anleger (vor allem wenn sie Schäden befürchten oder erlitten haben, aber auch sog. Berufsaktionäre) auf Rechtsschutz, sei es, dass sie von der Bundesanstalt ein aufsichtsrechtliches Tätigwerden begehren, sei es, dass sie Amts- und Staatshaftungsansprüche geltend machen, oder sei es, dass sie Auskünfte begehren, um diese in zivilrechtlichen Streitigkeiten zu verwenden, wobei neuerdings das Informationsfreiheitsgesetz als Anspruchsgrundlage herangezogen worden ist1. – Weiterhin zeichnet sich ab, dass Wettbewerber von Emittenten oder Wertpapierdienstleistungsunternehmen wettbewerbliche Interessen daran haben können, dass die Bundesanstalt gegen diese aufsichts- oder bußgeldrechtlich vorgeht2. Wie sich bereits aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ergibt, steht der Rechtsweg freilich nur natürlichen oder juristischen Personen offen, die eine abgeschlossene, andauernde oder ggf. auch nur unmittelbar bevorstehende Verletzung eigener Rechte als zumindest möglich geltend machen können3. Damit sind Popular- oder Verbandsklagen z.B. der Spitzenverbände der Kreditwirtschaft oder Anlegerschutzverbände ausgeschlossen. Die geltend gemachte Rechtsverletzung kann sich auf alle Individual1 Vgl. hierzu BVerwG v. 24.5.2011 – 7 C 6/10 („AVT“), ZIP 2011, 1313 (Bestätigung von VG Frankfurt/M. v. 20.3.2010 – 7 K 243/09.F); Hess. VGH v. 2.3.2010 – 6 A 1684/08, ESVGH 61, 62 = DÖV 2010, 568 = NVwZ 2010, 1112; Hess. VGH v. 30.4.2010 – 6 A 1341/09, DVBl. 2010, 1059 = DÖV 2010, 784 = NVwZ 2010, 1112; s. zuvor VG Frankfurt/M. v. 23.1.2008 – 7 E 1487/07 („Badenia“); VG Frankfurt/M. v. 23.1.2008 – 7 E 3280/06 („Porsche“), NVwZ 2008, 1384; VG Frankfurt/M. v. 12.3.2008 – 7 E 5426/06 („Phoenix“), ZIP 2008, 2138 und nachfolgend Hess. VGH v. 28.4.2010 – 6 A 1767/08, NVwZ 2010, 984; VG Frankfurt/M. v. 26.3.2010 – 7 K 243/09.F, Juris, sowie 7 K 1496/09.F, ZIP 2010, 1345; VG Frankfurt/M. v. 18.5.2010 – 7 K 1645/09.F; aus der Literatur s. Möllers/Wenninger, ZHR 170 (2006), 455 ff.; Gurlit, WM 2009, 773 ff. Näher § 8 Rz. 22 ff. 2 So ist im Rahmen der Übernahme der Continental AG durch die Schaeffler-Gruppe im Sommer 2008 ein Einschreiten der Bundesanstalt gefordert worden, u.a. weil die SchaefflerGruppe entgegen § 21 WpHG die Überschreitung der Schwellenwerte nicht mitgeteilt habe. 3 S. nur Sachs, in: Sachs (Hrsg.), 5. Aufl. 2009, Art. 19 GG Rz. 126 ff.
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rechte und rechtlich als schutzwürdig anerkannte Interessen beziehen, gleich, ob sie verfassungsrechtlich oder nur einfach-gesetzlich (oder auch nur rechtsgeschäftlich) begründet sind. Allerdings ist zudem erforderlich, dass die Verletzung eines subjektiv öffentlichen Rechts i.S. der sog. Schutznormtheorie geltend gemacht wird1. Die Rechtsordnung muss also die Person objektiv begünstigen, und die individuelle Begünstigung und deren Durchsetzbarkeit muss von der Rechtsordnung bezweckt sein. Den Kreis dieser Personen hat der Gesetzgeber für das WpHG aber im Grundsatz eng gezogen und insbesondere vom Tätigwerden oder Untätigbleiben der Bundesanstalt mitbetroffene Dritte ausgeschlossen: 68
Der Ausschluss des Drittschutzes bei der integrierten Finanzaufsicht ist in dem als Nachfolgevorschrift zu § 4 Abs. 2 WpHG a.F. am 1.5.2002 in Kraft getretenen § 4 Abs. 4 FinDAG geregelt, der lautet: „Die Bundesanstalt nimmt ihre Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahr.“ Sinn und Zweck der Vorschrift ist es zum einen, ein subjektiv-öffentliches Recht Drittbetroffener, insbesondere Anleger und Wettbewerber, auf Tätigwerden oder Untätigbleiben der Bundesanstalt auszuschließen. Zum anderen sollen Amts- und Staatshaftungsansprüche Drittbetroffener ausgeschlossen werden, wie sie zur früheren Kreditwesenaufsicht in der Rechtsprechung anerkannt gewesen waren (vgl. BGHZ 74, 144 [„Wetterstein“] und BGHZ 75, 120 [„Herstatt“])2. Vergleichbare Vorschriften fanden und finden sich namentlich in § 6 Abs. 4 KWG a.F., § 4 Abs. 2 WpÜG, § 3 Abs. 3 BörsG (für die Börsenaufsicht) und § 81 Abs. 1 Satz 3 VAG (für die Versicherungsaufsicht).
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Zur Begründung dieser Rechtslage wird teils mehr oder weniger offen der Schutz des Fiskus vor potenziell astronomischen Schadensersatzforderungen ins Feld geführt, teils darauf hingewiesen, dass, wären die Aufsichtsbehörden Ansprüchen Dritter ausgesetzt, dies auf eine erhebliche Komplizierung der aufsichtsrechtlichen Prozesse hinauslaufe und Erwägungen der Risikominimierung und Absicherung nochmals größere Bedeutung gewinnen würden3. Döhmel (Vor § 3 Rz. 24) argumentiert positiv, die Wahrnehmung der der Bundesanstalt nach dem WpHG zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse erfolge nicht im Interesse einzelner Wertpapierkunden oder von Gruppen von ihnen, sondern im Interesse der Vermeidung und Beseitigung von Missständen und der Durchsetzung der konkreten aufsichtsrechtlichen Vorschriften des Gesetzes. Als positives Ergebnis dieser Aufsicht stelle sich der ordnungsgemäß funktionierende Wertpapiermarkt insgesamt dar, von dem der Einzelkunde profitiere, ohne dass ihm jedoch ein konkreter Anspruch auf Vornahme von Handlungen seitens der Bundesanstalt gegeben ist. Der Umstand, dass die Aufsicht im öffentlichen Interesse erfolge, führe dazu, dass die Bundesanstalt bei begründeten Beschwerden das Unternehmen auffordere, seine Geschäftspraxis zu ändern, anderenfalls eine Fortsetzung des beanstandeten Verhaltens als Missstand angesehen werden könne. Die Beseitigung eines solchen Verhaltens komme damit allen Wertpapierkunden zugute.
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Gegen den Ausschluss des Drittschutzes brachte und bringt die Literatur europaund verfassungsrechtliche Bedenken vor4. Das europäische Richtlinienrecht betone 1 2 3 4
S. nur Sachs, in: Sachs (Hrsg.), 5. Aufl. 2009, Art. 19 GG Rz. 129 ff. m. umf. N. Vgl. BT-Drucks. 12/7918, S. 100 zu § 4 Abs. 2 WpHG a.F. Zetzsche, in: Schwark/Zimmer, § 4 WpHG Rz. 11. S. nur Fleischer, Gutachten F für den 64. DJT, 2002, S. F 54 f.; Papier, in: MünchKomm. BGB, Bd. 5, 5. Aufl. 2009, § 839 Rz. 255; je m.w.N.
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durchweg den Anlegerschutz, und aus Art. 15 Marktmissbrauchsrichtlinie folge, dass Rechtsschutz gegen alle „Entscheidungen“ der Bundesanstalt eröffnet werden müsse; damit seien jedenfalls alle Einzelfall-Entscheidungen gemeint, die Rechte Einzelner einschränkten. Alle Maßnahmen der Bundesanstalt, die grundrechtlich geschützte Positionen einschränkten, seien unmittelbar kraft Verfassungsrecht der gerichtlichen Überprüfung zugänglich. Die Aufsicht sei auch als Konkretisierung der staatlichen Schutzpflicht zugunsten des Eigentums (Art. 14 GG) zu verstehen; ein genereller Ausschluss des Drittschutzes könne nicht mehr als verfassungskonform angesehen werden. Diese Bedenken haben Gewicht. Jedoch ist aus Sicht der Praxis zu bedenken, dass 71 EuGH1 und auch BGH2 mittlerweile in Grundsatzentscheidungen ausgesprochen haben, es sei europa- und verfassungsrechtmäßig, bei der Bankenaufsicht den Drittschutz grundsätzlich auszuschließen. Dass die Wertpapierhandelsaufsicht abweichend zu beurteilen wäre, ist bislang noch nicht überzeugend dargetan, und jedenfalls ist eine abweichende Beurteilung durch EuGH und BGH nicht zu erwarten. Deshalb ist der durch § 4 Abs. 4 FinDAG angeordnete Ausschluss des Drittschutzes jedenfalls bei über den Einzelfall hinausgehenden (Regulierungs-) Maßnahmen der Bundesanstalt, namentlich Verordnungsgebung, bei Realakten, insbesondere bloßem Unterlassen, und im Übrigen bei der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung der Wahrnehmung von Beurteilungs- und Ermessensspielräumen hinzunehmen3. Gleiches gilt für drittbelastende Einzelfallmaßnahmen, es sei denn, sie stellten einen schweren und unerträglichen Grundrechtseingriff dar4. Vor diesem Hintergrund sind die – in tendenziell abnehmender Zahl – an die Bundes- 71a anstalt gerichteten Anlegerbeschwerden5, mit denen Marktteilnehmer wirkliche oder vermeintliche Missstände im Wertpapierhandel rügen, in aller Regel nicht als förmliche Rechtsbehelfe oder Rechtsmittel im Verwaltungsverfahren, sondern als Petitionen i.S. von Art. 17 GG zu behandeln. Die Bundesanstalt muss sich also mit ihnen befassen und dem Beschwerdeführer schriftlichen Bescheid über die Behandlung der Beschwerde geben, ohne dass hierfür eine weitergehende inhaltliche Begründung erforderlich ist. Beschwerden gegenüber einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen i.S. von § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 WpHG sind nicht an die Bundesanstalt adressiert und deshalb auch keine Petitionen; werden sie ab 1.11.2012 gemäß § 34d Abs. 1 Satz 4 WpHG an die Bundesanstalt weitergeleitet, muss diese zwar prüfen, ob Anlass besteht, Maßnahmen nach § 34d Abs. 4 WpHG zu ergreifen, nicht aber die Beschwerdeführer bescheiden.
1 EuGH v. 12.10.2004 – Rs. C-222/02 („Paul u.a. ./. Deutschland“), Slg. 2004 I-9425 = NJW 2004, 3479 = WM 2005, 365; dazu v. Danwitz, JZ 2005, 729; Hafke, WuB I L 3 Sonstiges (RL 94/19/EWG) 1.05; Jaskulla, BKR 2005, 231; Rohlfrig, WM 2005, 311; Sethe, Anlegerschutz im Recht der Vermögensverwaltung, S. 956 ff. m.w.N. 2 BGH v. 20.1.2005 – III ZR 48/01, BGHZ 162, 49 = NJW 2005, 742 = ZIP 2005, 287 = EuZW 2005, 186 = NVwZ 2005, 608 = VersR 2005, 1287 mit Anm. Bruns, EWiR 2005, 611; Danwitz, JZ 2005, 729; Hafke, WuB I L 3 Sonstiges (RL 94/19/EWG) 1.05; Schwintek, EWiR 2005, 793. 3 Vgl. Sachs, in: Sachs (Hrsg.), 5. Aufl. 2009, Art. 19 GG Rz. 132 m.N. 4 Giesberts, in: KölnKomm. WpHG, § 4 Rz. 98, 100. Offener gegenüber einem „verwaltungsrechtlichen Drittschutz“ Zetzsche, in: Schwark/Zimmer, § 4 WpHG Rz. 12 ff. 5 Hierzu Schlette/Bouchon, in: Fuchs, § 4 WpHG Rz. 15.
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2. Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren 72
Gegen aufsichtsrechtliches Tätigwerden oder Untätigbleiben der Bundesanstalt nach dem WpHG ist grundsätzlich der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet, wovon auch der Gesetzgeber ausgeht (s. § 4 Abs. 7 WpHG: „Widerspruch und Anfechtungsklage“). Denn die Aufsichtstätigkeit der Bundesanstalt (§ 4 Abs. 1 Satz 1 WpHG) ist materielle Verwaltung, gleich welcher Theorie hierzu gefolgt wird1: Nach der sog. Interessentheorie wird die Bundesanstalt (nur) im öffentlichen Interesse tätig (§ 4 Abs. 4 FinDAG); nach der sog. Subordinations- oder Subjektionstheorie ergehen insbesondere Anordnungen nach § 4 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2–4 WpHG im Über-Unterordnungsverhältnis, enthalten nämlich einseitig verbindliche Regelungen; und nach der sog. Zuordnungs- oder Sonderrechtstheorie berechtigen und verpflichten die Ermächtigungsvorschriften des WpHG die Bundesanstalt gerade als Trägerin hoheitlicher Gewalt in deren Ausübung. Deshalb stehen die verwaltungsverfahrens- und gerichtsrechtlichen Rechtsbehelfe im Mittelpunkt. a) Widerspruch und Anfechtungsklage (§§ 42 Abs. 1 Alt. 1, 68 ff. VwGO)
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Widerspruch und Anfechtungsklage sind nur statthaft, wenn sie eine Maßnahme der Bundesanstalt zum Gegenstand haben, die Verwaltungsakt i.S. von § 35 VwVfG ist, nämlich hoheitliche Maßnahme, die die Bundesanstalt als Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (§ 35 Satz 1 VwVfG), ggf. in Gestalt einer Allgemeinverfügung (§ 35 Satz 2 VwVfG). Zu den Einzelheiten s. die Kommentierungen zu § 35 VwVfG und die einschlägigen Verwaltungsrechtslehrbücher, z.B. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, § 9.
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Im WpHG kommen u.a. folgende Verwaltungsakte der Bundesanstalt in Betracht: – Anordnungen zur Durchsetzung der Verbote oder Gebote des WpHG gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 WpHG, wenn sie Einzelfälle mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen regeln; – Untersagung oder Aussetzung des Handels mit Finanzinstrumenten gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 WpHG. Es handelt sich um eine Allgemeinverfügung gemäß § 35 Satz 2 VwVfG2, die zwar an einen nur nach allgemeinen Merkmalen bestimmbaren Personenkreis adressiert ist, jedoch durch den Bezug auf ein bestimmtes Finanzinstrument (oder mehrere) und einen bestimmten Missstand, durch den räumlich-gegenständlichen Bezug auf diejenigen im Inland belegenen organisierten Märkte, auf denen das Finanzinstrument gehandelt wird, und durch die erforderliche zeitliche Begrenzung („vorübergehend“) einen hinreichenden Einzelfallbezug aufweist; – Auskunfts-, Vorlage- und Überlassungsverlangen und die Ladung einer Person zur Vernehmung gemäß § 4 Abs. 3 WpHG3. Zwar handelt es sich z.T. um behördliche Verfahrenshandlungen i.S. von § 44a Satz 1 VwGO, die an sich nur gleichzeitig mit Rechtsbehelfen gegen die Sachentscheidung angefochten werden können. Die selbständige Anfechtbarkeit ergibt sich jedoch aus § 44a Satz 2 Alt. 1 VwGO, 1 S. nur Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, § 3 Rz. 10 ff. m.N. 2 In diesem Sinne hat die Bundesanstalt das im Zuge der Weltfinanzkrise 2008 ergangene Verbot von Leerverkäufen der Aktien bestimmter Unternehmen der Finanzbranche durch (auf § 4 Abs. 1 WpHG gestützte) Allgemeinverfügung vom 19.9.2008 erlassen; s. hierzu Zimmer/Beisken, WM 2010, 485 ff. 3 Ebenso Böse, Wirtschaftsaufsicht und Strafverfolgung, 2005, S. 205 m.N.
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da die genannten Maßnahmen vollstreckt werden können (s. noch unten Rz. 88 f.), und auch aus Alt. 2, wenn sie gegenüber am Überwachungsverfahren nicht selbst Beteiligten ergehen; – Verlangen, das Betreten von Räumlichkeiten zu gestatten, gemäß § 4 Abs. 4 WpHG; das soeben zu § 44a VwGO Ausgeführte gilt hier entsprechend. Das schlichte Betreten dürfte demgegenüber nur Realakt sein; – Auskunfts- und Vorlageverlangen gegenüber Beschäftigten der Bundesanstalt gemäß § 16a Abs. 2 Satz 1 WpHG. Sie betreffen die Privatsphäre der Beschäftigten und deren privates wirtschaftliches Handeln und entfalten in diesem Sinne Außenwirkung, sind also nicht bloße Innenrechtshandlungen wie z.B. Organisationsakte der Bundesanstalt; – Nachweisverlangen nach § 27 WpHG; – Anordnungen von Prüfungen gemäß § 35 Abs. 1 WpHG und Auskunfts- sowie Vorlageverlangen gemäß § 35 Abs. 2 WpHG; – Verlangen, einen anderen Prüfer zu bestellen, gemäß § 36 Abs. 2 Satz 2 WpHG, und Bestimmungen über den Inhalt von Prüfungen gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 WpHG; – Untersagung bestimmter Arten der Werbung gemäß § 36b Abs. 1 WpHG; – Untersagung der Ausführung von Aufträgen in elektronischen Handelssystemen gemäß § 37l WpHG. Demgegenüber ist es nicht möglich, mit Widerspruch und Anfechtungsklage vorzugehen gegen Maßnahmen der Bundesanstalt, die
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– bloße Realakte ohne rechtliche Regelungswirkung sind. Dazu gehören u.a. Veröffentlichungen und Bekanntmachungen der Bundesanstalt, aber auch die Anzeige gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 WpHG, die zwar ggf. die faktische Konsequenz hat, dass eine Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren einleitet, aber ebenso wenig wie eine private Strafanzeige selbständig rechtlich anfechtbar ist; – bloße Innenrechtsakte sind. Dazu gehören nicht nur interne Organisationsakte der Bundesanstalt, sondern auch Maßnahmen der Zusammenarbeit der Bundesanstalt mit anderen Behörden im Inland (§ 6 WpHG) oder mit zuständigen Stellen im Ausland (§ 7 WpHG). Bloße Innenrechtsakte sind auch Verwaltungsvorschriften der Bundesanstalt, auch wenn sie mittelbar Außenwirkung entfalten wie bei norminterpretierenden, normkonkretisierenden oder ermessensleitenden Verwaltungsvorschriften wie z.B. Richtlinien i.S. von § 29 WpHG; – bloße Verfahrenshandlungen i.S. von § 44a Satz 1 VwGO sind, es sei denn, die Voraussetzungen des § 44a Satz 2 VwGO seien erfüllt (s. oben Rz. 74); – als Rechtsetzungsakte einzuordnen sind. Dazu gehören insbesondere Rechtsverordnungen der Bundesanstalt (s. noch unten Rz. 84 f.), aber auch die Anerkennung einer zulässigen Marktpraxis nach § 20a Abs. 2 WpHG (s. dort Rz. 168 ff.). Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO ist die Anfechtungsklage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen, d.h. eigenen Rechten betroffen zu sein (s. bereits oben Rz. 67 zu Art. 19 Abs. 4 GG). Dieses Erfordernis einer besonderen Anfechtungsbefugnis gilt im Widerspruchsverfahren entsprechend als Erfordernis einer besonderen Widerspruchsbefugnis1. 1 Allg. M.; vgl. Kothe, in: Redeker/von Oertzen, 15. Aufl. 2010, § 70 VwGO Rz. 11.
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Die Widerspruchs- bzw. Anfechtungsbefugnis ergibt sich für die Adressaten belastender Verwaltungsakte der Bundesanstalt bereits aus deren Adressatenstellung und Belastung in Verbindung mit der als möglich geltend gemachten Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts. Dann kommt es nicht darauf an, ob der Adressat selbst Verfahrensbeteiligter, insbesondere Betroffener eines Überwachungsverfahrens, oder sonst Verantwortlicher oder „Störer“ ist. Demgegenüber können belastete Nichtadressaten („Dritte“) nur dann widerspruchs- bzw. anfechtungsbefugt sein, wenn sie die Verletzung einer Rechtsnorm geltend machen, die ihnen ein subjektives öffentliches Recht vermittelt und in diesem Sinne drittschützend ist. Wegen § 4 Abs. 4 FinDAG (s. oben Rz. 68) vermitteln die Vorschriften des WpHG im Grundsatz keinen solchen Drittschutz1. Wenig geklärte, interessante und heikle Grenzfragen wirft insoweit freilich die Handelsuntersagung oder -aussetzung gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 WpHG auf. Da sie als Allgemeinverfügung ad incertas personas adressiert ist und grundrechtlich geschützte Positionen aus Art. 2, 12 und 14 GG betrifft, kann sie nicht mit der Begründung, es handele sich um eine Maßnahme lediglich im öffentlichen Interesse, als unanfechtbar eingeordnet werden. Widerspruchs- und anfechtungsbefugt sein dürfte jedenfalls die Geschäftsführung der Börsen bzw. Märkte sein, auf denen das betroffene Finanzinstrument gehandelt wird; zu denken ist aber auch an Kapitalmarktintermediäre und auch Anleger, mögen sie auch nicht förmliche Adressaten einer Anordnung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 WpHG sein2.
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Dass gegen Verwaltungsakte der Bundesanstalt ein Widerspruchsverfahren stattfindet und im anschließenden Anfechtungsprozess nach h.A. Sachurteilsvoraussetzung ist, wird in § 4 Abs. 7 WpHG vorausgesetzt und ergibt sich aus § 68 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, weil die Bundesanstalt – anders als das Bundesministerium der Finanzen – keine oberste Bundesbehörde ist3. – Der Widerspruch muss innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe schriftlich oder zur Niederschrift4 bei der Bundesanstalt eingelegt werden. Die Frist beginnt aber nur zu laufen, wenn eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung erfolgte; andernfalls gilt gemäß § 70 Abs. 2 VwGO die Ausschlussfrist des § 58 Abs. 2 VwGO. – Der Widerspruch hat gemäß § 4 Abs. 7 keine aufschiebende Wirkung, die gemäß § 80 Abs. 4, 5 VwGO wieder hergestellt werden kann, s. noch unten Rz. 87. – Im Widerspruchsverfahren wird nicht nur die Recht-, sondern auch die Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts geprüft. Die Bundesanstalt kann ge1 Krit. Zetzsche, in: Schwark/Zimmer, § 4 WpHG Rz. 14: „Vom Generalausschluss aller subjektiv-öffentlichen Rechte ist in den Gesetzesmaterialien nichts zu lesen“; der aaO gemachte Vorschlag, kollektive Sachwalter wie Depotbanken (§ 28 InvG), Treuhänder (§§ 7 ff. PfandBG) oder Gemeinsame Vertreter (§ 2 SchVG) als klagebefugt anzusehen, läuft aber auf eine dem Gesetzgeber vorbehaltene Verbands- oder Sammelklagebefugnis heraus. – Offener als hier gegenüber einem verwaltungsrechtlichen Drittschutz auch Schlette/Bouchon, in: Fuchs, § 4 WpHG Rz. 11. 2 Die oben Rz. 74 Fn. 2 erwähnte Allgemeinverfügung vom 19.9.2008 (Verbot bestimmter Leerverkäufe) nimmt von vornherein Aufgabegeschäfte durch Skontroführer und Geschäfte von Personen, die sich vertraglich verpflichtet haben, verbindliche Angebote zu stellen (z.B. Market Maker, Designated Sponsors) von dem Verbot aus und bestimmt im Übrigen, dass auf schriftlichen Antrag Ausnahmen zugelassen werden können. Das verschiebt den Rechtsschutz von der Anfechtung- hin zur Verpflichtungs- bzw. Bescheidungsklage. 3 Zum Begriff der obersten Bundesbehörde s. nur Kothe, in: Redeker/von Oertzen, 15. Aufl. 2010, § 68 VwGO Rz. 12 m.N. 4 Eine E-Mail genügt nicht den Formerfordernissen, da die Bundesanstalt derzeit aus technischen Gründen keine qualifizierten elektronischen Signaturen i.S. des § 3a Abs. 2 VwVfG und des Signaturgesetzes (SigG) empfangen und verarbeiten kann, mit deren Hilfe die Schriftform durch die elektronische Form ersetzt werden könnte. Die Einlegung eines Widerspruchs auf mündlichem, ggf. telefonischem Wege ist ebenfalls ausgeschlossen.
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mäß § 72 VwGO dem Widerspruch abhelfen. Andernfalls erlässt die Bundesanstalt selbst als Widerspruchsbehörde (§ 73 Abs. 1 Nr. 2 VwGO) einen Widerspruchsbescheid, der seinerseits mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen ist (§ 73 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Zum anschließenden Verfahren der Anfechtungsklage s. die Lehrbücher und Kommentare zur VwGO. – Zur Bezeichnung des Beklagten genügt jedenfalls die Angabe, die Klage richte sich gegen die Bundesanstalt (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO); im Hinblick auf die Rechtspersönlichkeit der Bundesanstalt (§ 1 Abs. 1 FinDAG) ist sie – nicht die Bundesrepublik Deutschland – die richtige Beklagte (vgl. auch § 18 Abs. 1 FinDAG). – § 1 Abs. 3 Satz 1 FinDAG bestimmt, dass für Klagen gegen die Bundesanstalt Frankfurt am Main als Sitz der Bundesanstalt gilt, so dass das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main örtlich zuständig ist (vgl. § 52 Nr. 2 VwGO)1. – Die Klage hat gemäß § 4 Abs. 7 WpHG keine aufschiebende Wirkung, s. noch unten Rz. 87.
79
b) Fortsetzungsfeststellungsklage (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO lässt es zu, im Wege der Klageänderung auf den Antrag 80 überzugehen, die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts festzustellen, wenn sich ein Verwaltungsakt durch Rücknahme oder anders erledigt. Diese sog. Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch dann möglich, wenn sich der Verwaltungsakt bereits vor Rechtshängigkeit erledigt hat2, z.B. wenn die von der Bundesanstalt verlangte Auskunft erteilt, die Urkunde vorgelegt oder das Betreten gestattet worden ist (vgl. § 4 Abs. 3, 4 WpHG), etwa um Zwangsmittel zu vermeiden (s. unten Rz. 88 f.). In diesen Fällen kommt eine Anfechtungsklage nicht mehr in Betracht; nach h.A. bedarf es dann auch nicht mehr zwingend der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens, und die diesbezüglichen Fristen sind nach h.A. nicht mehr zwingend einzuhalten3. Zulässig ist die Fortsetzungsfeststellungsklage aber nur, wenn neben der allgemeinen Anfechtungsbefugnis (s. oben Rz. 76 f.) zudem ein besonderes Feststellungsinteresse besteht4. Es kann sich aus konkreter Wiederholungsgefahr, aus einem Rehabilitationsinteresse, insbesondere mit Blick auf ein anhängiges Strafverfahren (im vorliegenden Zusammenhang gemäß § 38 WpHG) und daraus ergeben, dass in den Schutzbereich eines Grundrechts (z.B. aus Art. 13 GG im Falle des Betretens, § 4 Abs. 4 WpHG) eingegriffen worden ist. Tritt Erledigung nach Klageeinreichung ein, kann auch eine beabsichtigte Amtshaftungsklage ein Feststellungsinteresse begründen. c) Widerspruch und Verpflichtungsklage (§§ 42 Abs. 1 Alt. 2, 68 ff. VwGO) Unterlässt es die Bundesanstalt, einen Verwaltungsakt zu erlassen, so sind gegen die- 81 ses Unterlassen im Ausgangspunkt Widerspruch und Verpflichtungsklage statthaft (§ 42 Abs. 1 Alt. 2, 68 Abs. 2 VwGO). Allerdings setzen diese Rechtsschutzmöglichkeiten eine Widerspruchs- und Verpflichtungsbefugnis in dem Sinne voraus, dass der Widerspruchsführer bzw. Verpflichtungskläger ein eigenes subjektives öffentliches 1 Nach der Geschäftsverteilung 2011 (zugänglich über http://www.vg-frankfurt.justiz. hessen.de) ist dort die 9. Kammer für Finanzdienstleistungsaufsichtsrecht zuständig; für Fragen des IFG (auch bezüglich der BaFin) ist die 7. Kammer zuständig. 2 Statt aller Redeker, in: Redeker/von Oertzen, 15. Aufl. 2010, § 113 VwGO Rz. 35 m.N. 3 S. Redeker, in: Redeker/von Oertzen, 15. Aufl. 2010, § 113 VwGO Rz. 35 m.N. (auch zur Gegenauffassung). 4 S. – auch zum Folgenden – Redeker, in: Redeker/von Oertzen, 15. Aufl. 2010, § 113 VwGO Rz. 32 ff.
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Aufgaben und Befugnisse
Recht auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts geltend machen können muss (vgl. § 42 Abs. 2 VwGO), sei es auch nur als Recht auf rechtsfehlerfreie Ermessensausübung. An dieser Stelle wirkt sich § 4 Abs. 4 FinDAG im Grundsatz in der Weise aus, dass Marktteilnehmer im Ausgangspunkt kein subjektives öffentliches Recht haben, dass die Bundesanstalt Anordnungen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 WpHG zur Beseitigung von Missständen oder Anordnungen gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 WpHG zur Durchsetzung der Verbote und Gebote des WpHG trifft; erst recht gibt es kein subjektives öffentliches Recht darauf, dass gemäß § 4 Abs. 3 WpHG die Erteilung von Auskünften oder die Vorlage von Unterlagen verlangt werden können, auch wenn Marktteilnehmer – z.B. mit Blick auf Zivilrechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Insiderhandel oder Marktmanipulation – ein handfestes faktisches Interesse hieran haben. S. bereits oben Rz. 77 mit Fn. 1. Zur Frage, ob insoweit das Informationsfreiheitsgesetz angewendet werden kann, oben Rz. 66 in Fn. 1 und § 8 Rz. 22 ff. 82
Gleichwohl gibt es im WpHG Ausnahmefälle, in denen Widerspruch und Verpflichtungsklage möglich erscheinen, weil und soweit ausnahmsweise subjektive öffentliche Rechte bestimmter Marktteilnehmer auf Erlass eines sie begünstigenden Verwaltungsakts unter bestimmten Voraussetzungen anzuerkennen sind. Zu denken ist u.a. an die Weigerung der Bundesanstalt, – einem Emittenten mit Sitz im Ausland gemäß § 15 Abs. 4 Satz 4 WpHG zu gestatten, die Börsengeschäftsführung bzw. Bundesanstalt erst gleichzeitig mit der Veröffentlichung der Insiderinformation zu unterrichten; – die Nichtberücksichtigung bestimmter Stimmrechte gemäß § 23 Abs. 1, 2 WpHG zuzulassen; – einen Inlandsemittenten mit Sitz im Ausland gemäß § 29a WpHG von Veröffentlichungspflichten nach §§ 26 Abs. 1, 26a WpHG zu befreien; – von jährlichen Prüfungen gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 WpHG abzusehen; und – eine Erlaubnis für einen ausländischen organisierten Markt gemäß § 37i WpHG zu erteilen. Diese Vorschriften begünstigen bestimmte juristische oder natürliche Personen unter bestimmten tatbestandlichen Voraussetzungen, mögen sie auch Beurteilungsund Ermessensspielräume enthalten; die Ausnahmetatbestände sind vor dem grundrechtlichen Hintergrund der Art. 2, 12 und 14 GG zu sehen. Alles das spricht für ein subjektives öffentliches Recht zumindest auf fehlerfreie Ermessensausübung, das durch Widerspruch und Verpflichtungsklage durchgesetzt werden kann. d) Leistungs- und Feststellungsklage (§ 43 VwGO)
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Wird die Bundesanstalt anders als durch Verwaltungsakte tätig oder unterlässt sie ein Verhalten, das nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist, so kommt eine allgemeine Leistungs- oder eine Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO in Betracht, beispielsweise wenn der Betroffene gegen eine öffentliche Bekanntgabe einer unanfechtbaren Maßnahme gemäß § 40b WpHG vorgehen will, sofern die Entscheidung zur Bekanntgabe nicht bereits als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist. In derartigen Fällen ist allerdings das erforderliche Rechtsschutzinteresse unter Berücksichtigung des § 4 Abs. 4 FinDAG sorgfältig zu prüfen. Bei Leistungsklagen verlangt die h.A. eine § 42 Abs. 2 VwGO entsprechende mögliche Verletzung eigener Rechte, d.h. ein eigenes subjektives öffentliches Recht des Klägers darauf, dass die begehrte Leistung (Tun oder Unterlassen) erbracht werde. Bei Feststellungsklagen genügt ein berechtig-
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tes Interesse, nämlich ein schutzwürdiges Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch nur ideeller Art1. Zu denken ist schließlich an eine vorbeugende Unterlassungsklage, wenn die Bundesanstalt beabsichtigt, gegen einen Marktteilnehmer Maßnahmen zu ergreifen. Zwar muss in derartigen Fällen regelmäßig die Maßnahme abgewartet werden; jedoch ist nach h.A. eine vorbeugende Unterlassungsklage ausnahmsweise zulässig, wenn die Zuwiderhandlung gegen die drohende Maßnahme, insbesondere gegen einen drohenden Verwaltungsakt, straf- oder bußgeldbewehrt ist, wie dies im WpHG teilweise der Fall ist (vgl. § 39 Abs. 3 WpHG)2. e) Rechtsschutz gegen Rechtsverordnungen der Bundesanstalt Das WpHG ermächtigt an zahlreichen Stellen das Bundesministerium der Finanzen, 84 eine ihm gesetzlich zustehende Rechtsverordnungsermächtigung an die Bundesanstalt weiter zu übertragen. Hiervon hat das Bundesministerium der Finanzen durch die oben Rz. 9 erwähnte Verordnung zur Übertragung von Befugnissen zum Erlass von Rechtsverordnungen auf die Bundesanstalt vom 13.12.2002 (BGBl. I 2003, 3, zuletzt geändert durch Verordnung vom 26.6.2011, BGBl. I 2011, 1197 – BAFinBefugV) Gebrauch gemacht, und die Bundesanstalt hat mittlerweile zahlreiche Rechtsverordnungen erlassen, z.B. die (noch nach der Vorgängerinstitution BAW nach damaligem Recht erlassene) Wertpapierhandel-Meldeverordnung (WpHMV) vom 21.12.1995 (BGBl. I 1995, 2094)3, vgl. § 9 Abs. 3, 4 i.V.m. § 1 Nr. 1 BAFinBefugV. Rechtsschutz gegen derartige Rechtsverordnungen kann nicht von vornherein mit 85 dem Argument versagt werden, es handele sich um Rechtsetzung im ausschließlich öffentlichen Interesse; vielmehr können derartige Rechtsverordnungen belastende Verpflichtungen der Normadressaten begründen, die in grundrechtlich geschützte Positionen aus Art. 2, 12, 14 GG eingreifen können. Allerdings kommt kein verwaltungsgerichtliches Normenkontrollverfahren gemäß § 47 Abs. 1 VwGO in Betracht, da es sich um bundesrechtliche Rechtsverordnungen außerhalb des BauGB handelt; eine Analogie scheidet mangels planwidriger Regelungslücke aus. Dem Einwand, hier bestehe eine wegen Art. 19 Abs. 4 GG bedenkliche Rechtsschutzlücke4, hält die h.A. zum einen entgegen, dass formell (z.B. wegen Überschreitung der Verordnungsermächtigung) oder materiell (z.B. wegen Unverhältnismäßigkeit) rechtswidrige Rechtsverordnungen nichtig seien, was, sollte es entscheidungserheblich sein, implizit zu prüfen sei, wenn es zu Verfahren gegen konkrete auf die Rechtsverordnung gestützte Maßnahmen, z.B. verwaltungsgerichtliche Anfechtungsklagen, komme (Implizitprüfung). Zum anderen stehe subsidiär der Rechtsbehelf der Verfassungsbeschwerde gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG zur Verfügung. Dem wird von einer vordringenden Gegenauffassung entgegengehalten, dass Implizitprüfung und Verfassungsbeschwerde dem grundrechtlich geschützten Interesse an effektivem Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) nicht hinreichend gerecht würden; die Anhänger dieser Auffassung lassen eine auf Feststellung der Nichtigkeit einer Bundesrechtsverordnung gerichtete allgemeine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO zu.
1 2 3 4
S. nur von Nicolai, in: Redeker/von Oertzen, 15. Aufl. 2010, § 43 VwGO Rz. 20. S. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 12. Aufl. 2009, Rz. 361 m.N. Text im Anhang S. 2208. Vgl. zum Folgenden Rupp, NVwZ 2002, 286 ff. m.N.
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Aufgaben und Befugnisse
f) Rechtsschutz gemäß §§ 37t, 37u WpHG 86
§§ 37t, 37u WpHG enthalten besondere Vorschriften über den Rechtsschutz gegen Verfügungen der Bundesanstalt bei der Überwachung von Unternehmensabschlüssen (sog. Enforcement-Verfahren) gemäß §§ 37n ff. WpHG. Zu den Einzelheiten s. die dortige Kommentierung und das Kapitel „Rechtsschutz gegen Maßnahmen der BaFin im Enforcement-Verfahren“ im Emittentenleitfaden 2009, S. 219 ff. g) Einstweiliger Rechtsschutz
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In § 4 Abs. 7 WpHG, aber auch in §§ 35 Abs. 3, 36 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2, 37t Abs. 2 WpHG ordnet der Gesetzgeber an, dass Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben. In diesen Fällen kann einstweiliger Rechtsschutz durch Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 4, 5 VwGO bzw. bei § 37t Abs. 2 WpHG über § 37u Abs. 2 WpHG i.V.m. § 50 Abs. 3 WpÜG gewährt werden; zu den Einzelheiten s. die dortigen Kommentierungen. Der einstweilige Rechtsschutz nach § 123 VwGO ist hierzu subsidär (§ 123 Abs. 5 VwGO), kann aber z.B. in Bereichen in Betracht kommen, in denen in der Hauptsache Verpflichtungsklage zu erheben wäre (oben Rz. 81 f.). Hingegen kann der Bundesanstalt nicht über § 123 VwGO untersagt werden, einen (möglichen oder beabsichtigten) Verwaltungsakt wie z.B. eine Handelsuntersagung zu erlassen: Das Gesetz geht davon aus, dass einstweiliger Rechtsschutz erst nach Erlass des Verwaltungsakts über § 80 VwGO gewährt wird; erst dann steht fest, ob und in welcher Weise der Betroffene belastet wird; das qualifizierte Rechtsschutzinteresse, das ausnahmsweise einen derart weit vorgelagerten vorbeugenden Rechtsschutz tragen könnte, ist nicht bereits dadurch begründet, dass allein der Erlass eines belastenden Verwaltungsakts durch die Bundesanstalt geschäftsschädigend wirken kann1. 3. Rechtsschutz im Verwaltungsvollstreckungsverfahren
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Durch Art. 4 Nr. 10 FinDAG ist der frühere § 10 WpHG (s. hierzu 2. Aufl.) über Zwangsmittel aufgehoben worden. Die Vorschrift findet sich nunmehr in § 17 FinDAG. Dessen Satz 1 bestimmt, dass die Bundesanstalt ihre Verfügungen mit Zwangsmitteln nach dem VwVG durchsetzen kann, die sie nach Satz 2 für jeden Fall der Nichtbefolgung androhen kann – was bloß deklaratorisch ist, da das VwVG ohnehin gilt2. Satz 3 stellt klar, dass Zwangsmittel auch gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts angewendet werden dürfen. Satz 4 stellt einen erhöhten Zwangsgeldrahmen bis zu 250 000 Euro zur Verfügung. Im Rahmen des § 4 WpHG kann der Verwaltungszwang insbesondere zur Durchsetzung der als Verwaltungsakte ergehenden (s. oben Rz. 74) Auskunfts-, Vorlage- und Betretensverlangen nach § 4 Abs. 3, 4 WpHG eingesetzt werden. Da § 4 Abs. 7 WpHG die sofortige Vollziehbarkeit von Maßnahmen nach Abs. 1–4, 6 anordnet, ist deren Bestandskraft nicht erforderlich (§ 6 Abs. 1 VwVG).
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Unter den Zwangsmitteln spielt die Ersatzvornahme (§§ 9 Abs. 1 lit. a, 10 VwVG) bei § 4 Abs. 3, 4 WpHG keine praktisch bedeutsame Rolle, da Auskunft und Vorlage von Unterlagen ebenso wie das Gestatten des Betretens von Räumen unvertretbare Handlungen sind. In Betracht kommen vor allem Zwangsgelder (§§ 9 Abs. 1 lit. b, 11 VwVG), die wiederholt verhängt sowie gesteigert werden dürfen. Um die Betretens1 VG Frankfurt/M. v. 2.7.2004 – 9 G 3115/04. 2 S. Schäfer, 1. Aufl., § 10 WpHG Rz. 1.
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befugnis, aber auch die Vorlagepflicht durchzusetzen, kommt als ultima ratio auch unmittelbarer Zwang in Betracht (§§ 9 Abs. 1 lit. c, 12 VwVG). Allerdings dürfen die Bediensteten der Bundesanstalt ihn nicht selbst anwenden, da sie nicht zu den in § 6 UZwG genannten Vollzugsbeamten des Bundes gehören, sondern sie müssen sich der zuständigen (Vollzugs-)Polizei bedienen, die auf Verlangen der Bundesanstalt Amtshilfe zu leisten hat (§ 15 Abs. 2 Satz 2 VwVG). Im Übrigen ermächtigt § 4 Abs. 6 WpHG zur Selbstvornahme von Veröffentlichungen durch die Bundesanstalt auf Kosten des Veröffentlichungspflichtigen; das ist lex specialis zu § 12 VwVG, der die Selbstvornahme beim unmittelbaren Zwang als Zwangsmittel einordnet, so dass es insbesondere keiner Androhung usw. bedarf. Gegen Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung wird selbständiger Rechts- 90 schutz nach den allgemeinen Vorschriften gewährt1. Allerdings kann der Einwand, der vollstreckte Verwaltungsakt sei rechtswidrig, nach h.A. im Grundsatz nur im Rechtsschutzverfahren gegen diesen Verwaltungsakt geltend gemacht werden. Demgegenüber kann die Androhung eines Zwangsmittels, soweit sie eine selbständige Rechtsverletzung bewirkt, selbständig durch Widerspruch und Anfechtungsklage angegriffen werden. Erst recht gilt das für die Festsetzung von Zwangsgeldern und von Kosten, die bei der Ersatzvornahme entstanden sind. Demgegenüber ist unmittelbarer Zwang für sich gesehen Realakt, gegen den Widerspruch und Anfechtungsklage nicht statthaft sind; jedoch kommt eine Feststellungsklage in Betracht, wenn rechtswidriger, z.B. unverhältnismäßiger Zwang angewendet worden ist und z.B. Wiederholungsgefahr besteht. 4. Rechtsschutz im Straf- und Bußgeldverfahren Die Bundesanstalt ist nicht ermächtigt, strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen 91 vorzunehmen; diese sind vielmehr ausschließlich den Strafverfolgungsbehörden vorbehalten und richten sich nach den Vorschriften der Strafprozessordnung (§ 4 Abs. 5 Satz 3 WpHG). Daher richtet sich auch der Rechtsschutz insoweit nach den in der StPO (z.B. §§ 98, 304 ff.) und ggf. auch im EGGVG (§§ 23 ff.) vorgesehenen Rechtsbehelfen. Soweit die Bundesanstalt auch neben einem Strafverfahren Verwaltungsmaßnahmen vornehmen oder Ersuchen ausländischer Stellen erfüllen und hierzu von ihren Befugnissen nach § 4 Abs. 2–4 WpHG Gebrauch machen darf (§ 4 Abs. 5 Satz 4 WpHG), bleibt es aber beim Verwaltungsrechtsweg. Allerdings ist die Bundesanstalt nicht nur Aufsichts- und Überwachungsbehörde, 92 sondern zugleich zur Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten v.a. nach § 39 WpHG zuständige Verwaltungsbehörde (s. § 40 WpHG und die dortige Kommentierung). Gemäß § 46 Abs. 2 OWiG hat die Bundesanstalt insoweit grundsätzlich dieselben Rechte und Pflichten wie die Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von Straftaten. Insbesondere ist sie als Bußgeldbehörde i.S. von § 36 Abs. 1 Satz 1 OWiG zu bußgeldrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen mit Ausnahme u.a. der vorläufigen Festnahme und Verhaftung (s. § 46 Abs. 3 OWiG) und Einschränkungen u.a. bei der körperlichen Untersuchung (s. § 46 Abs. 4 OWiG) und Vorführung (s. § 46 Abs. 5 OWiG) ermächtigt. Gemäß § 62 OWiG steht insoweit der spezielle Rechtsbehelf des Antrags auf gerichtliche Entscheidung durch das gemäß § 68 OWiG zuständige Amtsgericht zur Verfügung; diese Regelung ist abschließend und sperrt den Rückgriff auf denkmögliche verwaltungsrechtliche Rechtsbehelfe2. 1 S. hierzu und zum Folgenden Erichsen/Rauschenberg, Jura 1998, 323 ff. 2 Allg. M.; s. nur Kurz, in: Karlsruher Kommentar OWiG, 3. Aufl. 2006, § 62 Rz. 1 m.N.
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Aufgaben und Befugnisse
Freilich kann sich das Problem stellen, dass die Bundesanstalt im Rahmen eines Überwachungsverfahrens nach § 4 Abs. 2 WpHG einen hinreichenden Tatverdacht für eine nach dem WpHG ahndbare Ordnungswidrigkeit gewinnt und sich nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet, die Ordnungswidrigkeit zu verfolgen, also (auch) ein Bußgeldverfahren einzuleiten. In derartigen Fällen dürfte a maiore ad minus aus § 4 Abs. 5 Satz 4 WpHG folgen, dass die Befugnisse zu Verwaltungsmaßnahmen nach § 4 Abs. 2–4 WpHG bestehen bleiben. Lädt nun die Bundesanstalt z.B. eine Person zur Vernehmung, so fragt sich, ob dies gestützt auf § 4 Abs. 3 Satz 1 WpHG als Verwaltungsmaßnahme oder gestützt auf § 46 Abs. 2 OWiG i.V.m. §§ 161 Abs. 1, 48 StPO als Ermittlungsmaßnahme im Bußgeldverfahren zu qualifizieren ist oder ob eine sog. doppelfunktionelle Maßnahme vorliegt. Die Problematik ist beim polizeilichen Einschreiten aus Anlass von Straftaten bekannt; dort kommt es darauf an, ob der Schwerpunkt der Maßnahme im Einzelfall auf dem präventiv-polizeilichen, also verwaltungs(verfahrens)rechtlichen, oder dem repressiv-strafverfolgenden, also straf(verfahrens)rechtlichen Vorgehen liegt1. Es liegt nahe, diese sog. Schwerpunkttheorie auf Maßnahmen der Bundesanstalt zu übertragen. Da der Schwerpunkt aus Sicht des Betroffenen und Rechtsschutz Suchenden nicht immer einfach zu bestimmen ist, dürfte es nahe liegen, in Zweifelsfällen nach dem Meistbegünstigungsprinzip alle in Betracht kommenden Rechtswege und -behelfe zuzulassen. 5. Rechtsschutz durch staatliche Ersatzleistungen
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§ 4 Abs. 4 FinDAG lässt eine Amts- und Staatshaftung nach § 839 BGB, Art. 34 GG unberührt, soweit es um Schäden geht, die der Adressat und unmittelbar Betroffene – sei es eine natürliche oder eine juristische Person (Unternehmen) – einer rechtswidrigen und schuldhaften Maßnahme der Bundesanstalt adäquat kausal erleidet2. Gegenüber diesen Personen ist die allgemeine Rechtsbeachtungspflicht drittschützend i.S. von § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB, was durch § 4 Abs. 4 FinDAG nicht ausgeschlossen werden kann und soll3.
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Bei rechtswidrigen, aber nicht schuldhaften Maßnahmen der Bundesanstalt kommt nach allgemeinen Regeln ein Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht; beispielsweise wäre bei einer rechtswidrigen Bekanntmachung nach § 40b WpHG an einen Anspruch auf Widerruf der Bekanntmachung zu denken. Bislang ungeklärt ist, ob Konstellationen in Betracht kommen, in denen die Bundesanstalt auch für rechtmäßige Maßnahmen unter eigentumsrechtlichen Gesichtspunkten (ausgleichspflichtige Inhaltsbestimmung oder enteignender Eingriff) ausgleichs- oder entschädigungspflichtig ist. So beinhaltet eine Handelsuntersagung (§ 4 Abs. 2 Satz 2 WpHG), auch wenn die betroffenen Instrumente bei den jeweiligen Inhabern verbleiben und die Untersagung zeitlich befristet ist, einen Eingriff in das Eigentumsrecht4, der sich je nach den Umständen im Einzelfall als Sonderopfer oder sonst unzumutbar auswirken könnte.
1 S. nur Wohlers, in: Systematischer Kommentar StPO, 27. Lfg. August 2002, § 163 Rz. 24 f. m.N. 2 BT-Drucks. 12/7918, S. 100 (zu § 4 Abs. 2 WpHG a.F.); Giesberts, in: KölnKomm. WpHG, § 4 Rz. 38. 3 S. BT-Drucks. 12/7918, S. 100 zu § 4 Abs. 2 WpHG a.F. 4 Die oben Rz. 74 Fn. 2 erwähnte Allgemeinverfügung vom 19.9.2008 (Verbot bestimmter Leerverkäufe) bezieht sich bemerkenswerter Weise nicht auf Positionen, die ein Marktteilnehmer vor Bekanntmachung der Verfügung eingegangen ist (Bestandsschutz).
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§ 4a
Befugnisse zur Sicherung des Finanzsystems
§ 4a Befugnisse zur Sicherung des Finanzsystems (1) Die Bundesanstalt kann im Benehmen mit der Deutschen Bundesbank Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, Missstände, die Nachteile für die Stabilität der Finanzmärkte bewirken oder das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte erschüttern können, zu beseitigen oder zu verhindern. Insbesondere kann die Bundesanstalt vorübergehend: 1. den Handel mit einzelnen oder mehreren Finanzinstrumenten untersagen, insbesondere a) ein Verbot von Geschäften in Derivaten anordnen, deren Wert sich unmittelbar oder mittelbar vom Preis von Aktien oder Schuldtiteln, die von Zentralregierungen, Regionalregierungen und örtlichen Gebietskörperschaften von Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren gesetzliche Währung der Euro ist, ausgegeben wurden, ableitet, soweit diese an einer inländischen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise in Struktur und Wirkung einem Leerverkauf in diesen Aktien oder Schuldtiteln entsprechen und nicht zur Reduktion eines bestehenden oder im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Geschäft in einem Derivat übernommenen Marktrisiko führen, wobei § 37 des Börsengesetzes insoweit nicht anzuwenden ist, oder b) ein Verbot des Erwerbs von Rechten aus Währungsderivaten im Sinne des § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe b, d oder e anordnen, deren Wert sich unmittelbar oder mittelbar vom Devisenpreis des Euro ableitet, soweit zu erwarten ist, dass der Marktwert dieser Rechte bei einem Kursrückgang des Euro steigt, und der Erwerb der Rechte nicht der Absicherung eigener bestehender oder erwarteter Währungsrisiken dienen, wobei das Verbot auch auf den rechtsgeschäftlichen Eintritt in solche Geschäfte erstreckt werden kann, oder 2. die Aussetzung des Handels in einzelnen oder mehreren Finanzinstrumenten an Märkten, an denen Finanzinstrumente gehandelt werden, anordnen. (2) Die Bundesanstalt kann anordnen, dass Personen, die Geschäfte in Finanzinstrumenten tätigen, ihre Positionen in diesen Finanzinstrumenten veröffentlichen und gleichzeitig der Bundesanstalt mitteilen müssen. Die Bundesanstalt kann Mitteilungen nach Satz 1 auf ihrer Internetseite öffentlich bekannt machen. (3) § 4 Absatz 3, 4, 6, 9 und 10 ist entsprechend anzuwenden. (4) Maßnahmen nach den Absätzen 1 bis 3 sind auf höchstens zwölf Monate zu befristen. Eine Verlängerung über diesen Zeitraum hinaus um bis zu zwölf weitere Monate ist zulässig. In diesem Falle legt das Bundesministerium der Finanzen dem Deutschen Bundestag innerhalb eines Monates nach erfolgter Verlängerung einen Bericht vor. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen nach den Absätzen 1 bis 3 haben keine aufschiebende Wirkung. In der Fassung des Gesetzes zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte vom 21.7.2010 (BGBl. I 2010, 945). Schrifttum: Baur, Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte vom 21.7.2010 (BGBl. I 2010, 945), jurisPR-BKR 9/2010; Beisken/Zimmer, Die Regulierung von Leerverkäufen de lege lata und de lege ferenda, WM 2010, 485; Harrer/Christ/
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§ 4a
Befugnisse zur Sicherung des Finanzsystems
Möllers, Nationale Alleingänge und die europäische Reaktion auf ein Verbot ungedeckter Leerverkäufe, NZG 2010, 1167; Ott/Liebscher, Die Regulierung der Finanzmärkte – Reformbedarf und Regelungsansätze des deutschen Gesetzgebers im Überblick, NZG 2010, 841; Walla, Kapitalmarktrechtliche Normsetzung durch Allgemeinverfügung?, DÖV 2010, 853.
Inhaltsübersicht I. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Missstandsaufsicht (§ 4a Abs. 1 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
V. Befristung und sofortige Vollziehbarkeit der Maßnahmen (§ 4a Abs. 4 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 VI. Verordnungsbefugnis . . . . . . . . . . . . 18
III. Veröffentlichungs- bzw. Mitteilungspflicht (§ 4a Abs. 2 WpHG) . . .
10
IV. Verweisung auf § 4 WpHG (§ 4a Abs. 3 WpHG) . . . . . . . . . . . . . .
13
I. Vorbemerkungen 1
Die Regelungen in § 4a WpHG ergänzen die bisherigen Eingriffsbefugnisse der Bundesanstalt bezüglich solcher Maßnahmen, die diese zu Gunsten der Stabilität der Finanzmärkte und des Vertrauens in die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte für erforderlich hält. Insoweit geht § 4a WpHG über den Anwendungsbereich des § 4 WpHG hinaus1 und ergänzt ihn für Krisenfälle.
2
Hintergrund der Regelungen ist die Finanzmarktkrise ab 2007, die nicht nur das Vertrauen in die Finanzmärkte erschüttert, sondern auch die Notwendigkeit der Änderung der Rahmenbedingungen des Finanzsystems einschließlich des Aufsichtsrechts zu erkennen gegeben hat2. Insoweit offenbarte sich die Notwendigkeit des Schutzes der Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte aufgrund ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung. Es wurde auch erkennbar, dass der Maßnahmenkatalog der Bundesanstalt in § 4 WpHG für diesen Schutz nicht ausreichend ist. Denn – so die Gesetzesbegründung3 – „Geschäfte in Finanzinstrumenten können unter bestimmten Konstellationen, selbst wenn diese an sich keine Verstöße gegen Ge- oder Verbote des Wertpapierhandelsgesetzes darstellen, hinsichtlich des Preises anderer Finanzinstrumente trendverstärkend wirken. Dies kann unter bestimmten Umständen zu einer erhöhten Anfälligkeit der Finanzmärkte etwa gegen spekulative Geschäfte führen und so Kernfunktionen der Märkte, z.B. die geregelte Kapitalallokation der Marktteilnehmer, gefährden. Je nach Umständen können so systemische Risiken für die gesamten Finanzmärkte entstehen, die sich auch auf die Finanzstabilität auswirken können. Neben den Auswirkungen für die betroffenen Kapitalmarktteilnehmer können solche Geschäfte in bestimmten Szenarien auch das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte erschüttern“.
II. Missstandsaufsicht (§ 4a Abs. 1 WpHG) 3
Die Bundesanstalt kann Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, bestimmte Missstände zu beseitigen oder zu verhindern. Es handelt sich hierbei um 1 Vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 17/1952, S. 8. 2 Zu den Ursachen der weltweiten Finanzkrise und der Regelungsansätze vgl. z.B. Liebscher/ Ott, NZG 2010, 841. 3 Vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 17/1952, S. 8.
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§ 4a
Befugnisse zur Sicherung des Finanzsystems
die Befugnis, Anordnungen zu erlassen, die sowohl bestehende Missstände beseitigen als auch das Entstehen der Missstände verhindern sollen. Entsprechend handelt es sich sowohl um Maßnahmen der Gefahrenabwehr als auch der Gefahrenprävention, wenn man hier den Missstand mit Gefahr gleichsetzt. Im Unterschied zu § 4 WpHG handelt es sich bei § 4a WpHG um Missstände, die 4 Nachteile für die Stabilität der Finanzmärkte bewirken oder das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte erschüttern können. Geschützt wird somit die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte aus ökonomischer Sicht aufgrund ihrer volkswirschaftlichen Bedeutung1. Unabhängig von dieser etwas anderen Ausrichtung des Missstandsbegriffs in § 4a WpHG im Vergleich zu § 4 WpHG ist im Übrigen die Parallelität zu § 4 WpHG augenscheinlich. Insoweit kann auch auf die dortige Kommentierung verwiesen werden. Wie schon in der Gesetzesbegründung2 ausgeführt, ergänzt § 4a WpHG den § 4 5 WpHG. Das bedeutet, eine Marktsituation kann u.U. nur einen Missstandsbegriff ausfüllen, kann ggf. aber auch beide Missstandstatbestände erfüllen. Die beiden Missstandsregelungen schließen sich nicht gegenseitig aus. Entsprechend ist es aus heutiger Sicht nur noch ein dogmatischer Streit3, ob die Allgemeinverfügungen der Bundesanstalt4 zur Beschränkung von Leerverkäufen in § 4 Abs. 1 WpHG eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage hatten. Die von der Bundesanstalt zur Missstandsabwehr oder Missstandsprävention ergriffe- 6 nen Maßnahmen müssen geeignet und erforderlich sein, um einen schon entstandenen Missstand zu beseitigen oder einen künftig zu befürchtenden Missstand zu verhindern. Ob für die Zukunft ein Missstand zu befürchten ist, der durch eine Maßnahme verhindert werden muss, ist letztlich eine Prognose der Bundesanstalt, die auf bestimmte Tatsachen, Entwicklungstendenzen etc. gegründet werden muss. Als Missstandsverfügungen sind verschiedenen Maßnahmen denkbar. Hierfür führt 7 § 4a Abs. 1 Satz 2 WpHG zwei Regelbeispiele auf, wobei das erste Regelbeispiel weitere Regelbeispiele enthält. Wie sich schon aus der Konstruktion der Regelbeispiele ergibt, sind diese nicht abschließend. So kann die Bundesanstalt nach den beiden Regelbeispielen den Handel mit einzelnen oder mehreren Finanzinstrumenten vorübergehend untersagen bzw. den Handel in einzelnen oder mehreren Finanzinstrumenten an Märkten aussetzen, an denen solche Finanzinstrumente gehandelt werden. Exemplarisch nennt die Regelung die Möglichkeit, bestimmte Derivategeschäfte zu untersagen, deren Wert sich unmittelbar oder mittelbar vom Preis von Aktien oder bestimmten Schuldtiteln von Staaten und bestimmten Gebietskörperschaften ableitet, sowie den Abschluss von Währungsderivaten auf den Euro zu untersagen, die keinen Absicherungszwecken dienen. Nach der Gesetzesbegründung5 kann mit diesen Befugnissen „insbesondere in Situationen, in denen die Nachrichtenlage nicht einheitlich erscheint, erst einmal Ruhe 1 2 3 4
Vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 17/1952, S. 8. Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 17/1952, S. 8. Vgl. z.B. Harrer/Christ/Möllers, NZG 2010, 1167; Zimmer/Beisken, WM 2010, 485. Die Allgemeinverfügungen der Bundesanstalt vom 19.9.2008, 21.9.2008, 17.12.2008 und 30.3.2009 (veröffentlicht auch auf der Homepage der Bundesanstalt: www.bafin.de) sind begründet mit den sonst zu erwartenden negativen Auswirkungen auf die Durchführung des ordnungsgemäßen Handels an hiesigen Märkten und der Verhinderung von Marktmanipulationen. 5 Vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 17/1952, S. 8.
Döhmel
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8
§ 4a
Befugnisse zur Sicherung des Finanzsystems
in die Märkte gebracht werden, so dass eine Marktstörung oder ein Marktversagen präventiv abgewendet werden kann. Durch die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten kann die Bundesanstalt passgenau und zeitlich befristet auf mögliche Gefahren für die Stabilität der Finanzmärkte reagieren und auch im Zuge weltweiter Finanzkrisen angemessen konzertierte Aktionen mit anderen Aufsichtsbehörden abstimmen. Zudem kann die Bundesanstalt bei Missständen, die durch neu entwickelte Finanzinstrumente erzeugt werden, flexibel reagieren“. „Eine Beschränkung des beispielhaft unter Satz 2 Nummer 1 Buchstabe b genannten Verbotes auf den Erwerb von Rechten, die bei einem Kursrückgang des Euro an Wert gewinnen, entspricht der Zielrichtung des Gesetzentwurfs, Spekulationen gegen den Euro im Bedarfsfall einzuschränken“1. Dabei stehen Geschäfte zur Reduktion und Absicherung von Risiken nicht im Fokus der Anordnungsbefugnis. 9
Die Bundesanstalt hat bei der Anordnung der Maßnahmen nach § 4a Abs. 1 WpHG das Benehmen mit der Bundesbank herzustellen. Das ist notwendig aufgrund des Bezugs zur Stabilität des Finanzsystems. „Die Notwendigkeit der Abstimmung mit der Deutschen Bundesbank und die Eingriffsschwelle, insbesondere hinsichtlich der Notwendigkeit von Nachteilen für die Finanzmärkte insgesamt, verdeutlichen, dass angesichts der Intensität des Eingriffs ein Gebrauch dieser Befugnisse lediglich in Ausnahmefällen geboten ist. Es handelt sich hierbei auch nicht um eine Verlagerung von Kompetenzen der Börsengeschäftsführung auf die Bundesanstalt, sondern um eine aus Gründen der Stabilität der Finanzmärkte gesondert und parallel zu den Befugnissen der Börsengeschäftsführung bestehende Aufsichtskompetenz. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Börsengeschäftsführungen insbesondere bei nicht an der Börse gehandelten Finanzinstrumenten keine Befugnisse haben“2.
III. Veröffentlichungs- bzw. Mitteilungspflicht (§ 4a Abs. 2 WpHG) 10
Die Regelung in § 4a Abs. 2 WpHG sieht die Ermächtigung der Bundesanstalt zur Anordnung einer Veröffentlichungs- und/oder Mitteilungspflicht an die Bundesanstalt hinsichtlich eingegangender Positionen in Finanzinstrumenten vor. Diese Veröffentlichungs- bzw. Mitteilungspflicht kommt sowohl als milderes Mittel als auch als flankierende Anordnung zu den Maßnahmen nach § 4a Abs. 1 WpHG in Betracht.
11
Die Bundesanstalt kann Maßnahmen nach § 4a Abs. 2 WpHG erlassen gegenüber bestimmten oder bestimmbaren Personen, die Geschäfte in Finanzinstrumenten tätigen. Gegenstand der Anordnung sind bestimmte oder ggf. alle Positionen dieser Personen in Finanzinstrumenten. Die Bundesanstalt kann verlangen, dass diese Personen ihre Positionen in den benannten Finanzinstrumenten veröffentlichen und gleichzeitig der Bundesanstalt mitteilen müssen. Hierbei kann die Bundesanstalt im Rahmen der Ermessensausübung eine Veröffentlichungs- bzw. Mitteilungspflicht anordnen, wenn die Positionen bestimmte Schwellenwerte überschreiten. Die Bundesanstalt ist zudem ermächtigt, Mitteilungen nach § 4a Satz 1 WpHG auch auf ihrer Internetseite öffentlich bekannt zu machen.
12
Die Nutzung und konkrete Ausgestaltung der Veröffentlichungs- bzw. Mitteilungspflicht bezüglich des Personenkreises, der Finanzinstrumente, der Positionshöhe etc. ist im Rahmen der Ermessensausübung festzulegen. Durch die Möglichkeit der An1 So die Begründung des Finanzausschusses, BT-Drucks. 17/2336, S. 13. 2 Vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 17/1952, S. 8.
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§ 4a
Befugnisse zur Sicherung des Finanzsystems
ordnung einer Veröffentlichungs- bzw. Mitteilungspflicht „kann die Bundesanstalt die Gefahren für die Stabilität der Finanzmärkte besser einschätzen. Gleichzeitig werden durch eine Veröffentlichung solcher Positionen die übrigen Marktteilnehmer in die Lage versetzt, das Marktgeschehen besser überblicken zu können. So können im Einzelfall ein erheblicher Preisdruck auf bestimmte Finanzinstrumente und die damit einhergehenden drohenden Nachteile für die Stabilität der Finanzmärkte verhindert oder gemindert werden“1. Zudem kann die Transparenz derartiger Positionen eine vertrauensbildende Maßnahme für den Kapitalmarkt sein.
IV. Verweisung auf § 4 WpHG (§ 4a Abs. 3 WpHG) § 4a Abs. 3 WpHG ermächtigt die Bundesanstalt auch im Falle von potentiellen 13 Missständen, die Nachteile für die Stabilität der Finanzmärkte bewirken oder das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte erschüttern können, von den Befugnissen nach § 4 Abs. 3, 4, 6, 9 und 10 WpHG entsprechend Gebrauch zu machen. Die Bundesanstalt wird also auch ermächtigt, Sachverhalte weiter aufzuklären, um Missstände i.S. des § 4a Abs. 1 WpHG zu verhindern. Zur Sachverhaltsaufklärung wird sie neben den sonstigen Möglichkeiten der Amtsermittlung die Ermächtigungen nach § 4 Abs. 3 und 4 WpHG nutzen. Zugleich steht den zur Auskunft Herangezogenen ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 4 Abs. 9 WpHG zu und die Bundesanstalt darf die personenbezogenen Daten nur im Rahmen von § 4 Abs. 10 WpHG nutzen. Eine Verweisung auf § 4 Abs. 5 und 8 WpHG ist nicht nötig. Denn wenn der Ver- 14 dacht einer Marktmanipulation oder des Insiderhandels im Raum stehen, greifen die Befugnisse nach § 4 WpHG in vollem Umfang. Auch eine Verweisung auf § 4 Abs. 7 WpHG erübrigt sich, weil in § 4a Abs. 4 Satz 3 WpHG eine entsprechende Regelung aufgenommen wurde.
V. Befristung und sofortige Vollziehbarkeit der Maßnahmen (§ 4a Abs. 4 WpHG) Maßnahmen der Bundesanstalt nach § 4a Abs. 1 bis 3 WpHG sind gemäß § 4a Abs. 4 WpHG auf höchstens zwölf Monate zu befristen. Diese Regelung wurde auf Anregung des Finanzausschusses2 aufgenommen, der dies aus Gründen der Verhältnismäßigkeit für angezeigt hielt. Innerhalb des Zeitraumes von zwölf Monaten sind mehrere Verlängerungen möglich, sofern diese Frist insgesamt nicht überschritten wird.
15
Eine Verlängerung über diesen Zeitraum hinaus ist für maximal zwölf weitere Mona- 16 te zulässig. Bei jeder Verlängerung handelt es sich jeweils um einen neuen Verwaltungsakt, für den jeweils die Anordnungsvoraussetzungen vorliegen müssen. Im Falle einer Verlängerung über 12 Monate hinaus, legt das Bundesministerium der Finanzen dem Deutschen Bundestag innerhalb eines Monates nach erfolgter Verlängerung einen Bericht vor. Nach den Vorstellungen des Finanzausschusses soll der Bericht die Hintergründe der Verlängerung darlegen, um gegebenenfalls eine gesetzliche Regelung zum Gegenstand der Anordnung herbeiführen zu können3. 1 Vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 17/1952, S. 8. 2 BT-Drucks. 17/2336, S. 5 und 13. 3 BT-Drucks. 17/2336, S. 13.
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§5 17
Wertpapierrat
Nach § 4a Abs. 4 Satz 3 WpHG haben Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung. Denn es handelt sich bei den Anordnungen zur Abwendung von Gefahren für die Stabilität der Finanzmärkte und für das Vertrauen in deren Funktionsfähigkeit um äußerst eilbedürftige Maßnahmen1.
VI. Verordnungsbefugnis 18
Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens2 war zunächst geplant, dem BMF eine Verordnungsbefugnis einzuräumen. Diese Befugnis sollte die Möglichkeit vorsehen, im Wege der Rechtsverordnung dauerhaft den Handel in Finanzinstrumenten zu untersagen oder als milderes Mittel oder flankierend Veröffentlichungs- und Mitteilungspflichten hinsichtlich Positionen in Finanzinstrumenten festzulegen, soweit Nachteile für die Stabilität der Finanzmärkte zu befürchten sind oder das Vertrauen der Marktteilnehmer in die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte erschüttert werden könnte. Aufgrund der Empfehlung des Finanzausschusses3 wurde dieser Regelungsentwurf gestrichen. Denn bei derartigen dauerhaften Regelungen handelt es sich um so gravierende Eingriffe, dass sie einer gesetzlichen Regelung vorbehalten sein sollten. Statt dessen wurde die Befristung der Maßnahmen auf zunächst 12 Monate und die Möglichkeit der Verlängerung auf 24 Monate vorgesehen. Im Fall der Verlängerung über 12 Monate hinaus muss dem Bundestag ein Bericht vorgelegt werden, damit gegebenenfalls eine gesetzliche Regelung getroffen werden kann (§ 4a Abs. 4 WpHG).
19
Letztlich müssen diese Befugnisse der Bundesanstalt zur Krisenintervention (Vermeidung von Nachteilen für die Stabilität in die Finanzmärkte und in das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte) nunmehr auch im Zusammenhang mit den Befugnissen der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities und Market Authority – ESMA) gesehen werden. Nach Art. 18 ESMA-VO4 kann die ESMA in Krisensituationen verschiedene Maßnahmen (vgl. § 7a Rz. 8) ergreifen. Aus heutiger Sicht ist für dauerhafte Handelsaussetzungen oder Transparenzanordnungen, die über die Befristung in § 4a Abs. 4 WpHG hinausgehen und im Wege der Verordnungsbefugnis erlassen werden müssten, wohl keine Notwendigkeit zu sehen.
§5 Wertpapierrat (1) Bei der Bundesanstalt wird ein Wertpapierrat gebildet. Er besteht aus Vertretern der Länder. Die Mitgliedschaft ist nicht personengebunden. Jedes Land entsendet einen Vertreter. An den Sitzungen können Vertreter der Bundesministerien der Finanzen, der Justiz und für Wirtschaft und Technologie sowie der Deutschen Bundesbank teilnehmen. Der Wertpapierrat kann Sachverständige insbesondere aus dem Bereich 1 2 3 4
Vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 17/1952, S. 8. Vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 17/1952, S. 8/9. BT-Drucks. 17/2336, S. 5. EU-Verordnung 1095/2010 vom 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission, ABl. EU Nr. L 331 v. 15.12.2010, S. 84 ff.
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§5
Wertpapierrat
der Börsen, der Marktteilnehmer, der Wirtschaft und der Wissenschaft anhören. Der Wertpapierrat gibt sich eine Geschäftsordnung. (2) Der Wertpapierrat wirkt bei der Aufsicht mit. Er berät die Bundesanstalt, insbesondere 1. bei dem Erlass von Rechtsverordnungen und der Aufstellung von Richtlinien für die Aufsichtstätigkeit der Bundesanstalt, 2. hinsichtlich der Auswirkungen von Aufsichtsfragen auf die Börsen- und Marktstrukturen sowie den Wettbewerb im Handel mit Finanzinstrumenten, 3. bei der Abgrenzung von Zuständigkeiten zwischen der Bundesanstalt und den Börsenaufsichtsbehörden sowie bei Fragen der Zusammenarbeit. Der Wertpapierrat kann bei der Bundesanstalt Vorschläge zur allgemeinen Weiterentwicklung der Aufsichtspraxis einbringen. Die Bundesanstalt berichtet dem Wertpapierrat mindestens einmal jährlich über die Aufsichtstätigkeit, die Weiterentwicklung der Aufsichtspraxis sowie über die internationale Zusammenarbeit. (3) Der Wertpapierrat wird mindestens einmal jährlich vom Präsidenten der Bundesanstalt einberufen. Er ist ferner auf Verlangen von einem Drittel seiner Mitglieder einzuberufen. Jedes Mitglied hat das Recht, Beratungsvorschläge einzubringen. In der Fassung der Neunten Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31.10.2006 (BGBl. I 2006, 2407).
Inhaltsübersicht I. Die Intention des Gesetzgebers . . . .
1
II. Die Aufgaben des Wertpapierrates .
3
III. Die Mitglieder des Wertpapierrates und sonstige Teilnehmer . . . . . . . . .
7
IV. Die Einberufung und die Geschäftsordnung des Wertpapierrates . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
I. Die Intention des Gesetzgebers Die Einrichtung des Wertpapierrates bei der Bundesanstalt trägt einerseits den historisch gewachsenen Zuständigkeiten der Bundesländer im Bereich der Börsenaufsicht Rechnung1, andererseits können auch Länder ohne Wertpapierbörse durch ihre Mitwirkung im Wertpapierrat ihre börsenrechtlichen und -politischen Intentionen einbringen. Dies rechtfertigt sich aus dem bundesweiten Wirken der Börsen als kapitalmarktbezogener Mechanismus zur Generierung von Eigenkapital bzw. zur Aufnahme und Platzierung von Schuldtiteln.
1
Die Erfahrungen und der Sachverstand insbesondere der Börsenländer sollen auf diese Weise institutionalisiert und für die Aufsichtstätigkeit der Bundesanstalt nutzbar gemacht werden. Zwar handelt es sich bei den Kompetenzen der Bundesanstalt größtenteils um Aufgabenfelder, die auf der Umsetzung von EG-Recht beruhen und die nicht Gegenstand der Aufsicht der Länder nach den Vorschriften des Börsengesetzes sind. Gleichwohl besteht in vielerlei Hinsicht, insbesondere im Bereich der Insiderüberwachung und der Überwachung von Marktmanipulationen, ein sachlich enger Zusammenhang mit der traditionellen Aufsichtstätigkeit der Länder über ihre Wert-
2
1 Vgl. Begr. RegE 2. FFG zu § 5 Abs. 1 WpHG, BT-Drucks. 12/6679, S. 40.
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§5
Wertpapierrat
papierbörsen, so dass deren Erfahrungen und die bei der Aufsichtstätigkeit gewonnenen Erkenntnisse auch für die Tätigkeit der Bundesanstalt nutzbar gemacht werden sollen. Die Einbeziehung von Vertretern aller Länder, nicht nur der Börsenländer, ist notwendig, da die Aufsichtstätigkeit der Bundesanstalt über die an den Börsen abgeschlossenen Wertpapiergeschäfte hinausgeht und damit auch diejenigen Länder berührt, in denen nur außerbörsliche Wertpapierdienstleistungen angeboten und durchgeführt werden. So erstrecken sich insbesondere präventive Maßnahmen und Ermittlungen in Insiderangelegenheiten, der Marktmanipulation, die Überwachung der Transparenzpflichten auch auf die Nicht-Börsenländer. Die beiden letzten Änderungen der Norm hatten ausschließlich redaktionellen Charakter.
II. Die Aufgaben des Wertpapierrates 3
Die Aufgaben des Wertpapierrates bestehen in der „Mitwirkung bei der Aufsicht“. Diese Mitwirkung besteht in der Beratung der Bundesanstalt und im Einbringen von Vorschlägen in den in § 5 Abs. 2 WpHG aufgeführten Bereichen, die für die Tätigkeit der Bundesanstalt von besonderer Bedeutung sind. Der Katalog ist nicht abschließend. Die Mitwirkung erstreckt sich aus der Systematik heraus nur auf die Aufsicht nach dem WpHG, nicht auf die gesamte Aufsicht der Bundsanstalt. Vorschläge und Beschlüsse des Wertpapierrates sind für die Bundesanstalt nicht bindend. Eine weitergehende tatsächliche Mitwirkung bei der Ausübung der Aufsicht wäre eine mit Art. 87 Abs. 3 GG nicht zu vereinbarende Mischverwaltung1.
4
Nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 WpHG berät der Wertpapierrat bei dem Erlass von Rechtsverordnungen und der Aufstellung von Richtlinien für die Aufsichtstätigkeit der Bundesanstalt. Eine Nichtbeachtung des Gebotes der Beratung ist für das Wirksamwerden der Rechtsverordnung ohne Bedeutung, denn zum einen ist die Bundesanstalt an den Rat der Länder nicht gebunden2, zum anderen müsste die Auswirkung eines Beratungsmangels ausdrücklich in die Formvorschriften für den Erlass der Rechtsverordnung aufgenommen werden. Insofern kann die Nichtbeachtung des Beratungsgebotes allenfalls politische Auswirkungen haben.
5
Des Weiteren berät der Wertpapierrat hinsichtlich der Auswirkungen von Aufsichtsfragen auf die Börsen- und Marktstrukturen sowie den Wettbewerb im Handel mit Finanzinstrumenten. Hierbei kann es nicht um eine Beratung bezüglich konkreter Einzelfälle gehen sondern um die Ausrichtung langfristiger Aufsichtsstrategien. Abstimmungen unter den Bundesländern zu Sachthemen des Wertpapierrates haben nur Orientierungsfunktion, denn jedes Land ist legitimiert, seinen eigenen Standpunkt darzustellen.
6
Letztlich erwähnt § 5 Abs. 2 Nr. 3 WpHG die Beratung bei der Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen der Bundesanstalt und den Börsenaufsichtsbehörden. Eine Abgrenzung der Zuständigkeiten ergibt sich schon aus den gesetzlichen Regelungen des BörsG und des WpHG. Insoweit verbleiben für die Beratung nur darüber hinausgehende praktische Einzelfragen.
1 Vgl. Begr. RegE 2. FFG zu § 5 Abs. 2, BT-Drucks. 12/6679, S. 40 f. 2 Beck, in: Schwark/Zimmer, § 5 WpHG Rz. 3.
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§6
Zusammenarbeit mit anderen Behörden im Inland
III. Die Mitglieder des Wertpapierrates und sonstige Teilnehmer „Geborene“ Mitglieder sind die Bundesländer, repräsentiert durch ihren jeweiligen 7 Vertreter. Nur diese sind – soweit abgestimmt wird – abstimmungsberechtigt. Alle übrigen Teilnehmer seitens der genannten Ministerien und übrigen Behörden sind Gäste. Gleiches gilt für Sachverständige, die nach § 5 Abs. 1 Satz 6 WpHG vom Wertpapierrat gehört werden können und die gleichfalls nicht abstimmungsberechtigt sind1. Als Vertreter der Bundesländer können nur Personen benannt werden, die dienstlich mit Kapitalmarktfragen befasst sind. Die Benennung Dritter, z.B. eines Universitätsprofessors für Volks- oder Betriebswirtschaft, ist nicht zulässig. Dies würde der Absicht des Gesetzgebers widersprechen, sich im Rahmen der Mitwirkung beim Wertpapierrat die besonderen Kenntnisse gerade der Verwaltungsbehörden zunutze zu machen. Am Wertpapierrat nimmt weiterhin teil der Präsident der Bundesanstalt bzw. von ihm benannte Vertreter. Gastrecht haben zudem Vertreter des Fach- und Rechtsaufsicht führenden Bundesfinanzministeriums, sowie Vertreter des Bundesjustizministeriums, des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie und der Deutschen Bundesbank. Der Wertpapierrat kann zudem Sachverständige hören.
8
IV. Die Einberufung und die Geschäftsordnung des Wertpapierrates Der Präsident der Bundesanstalt beruft den Wertpapierrat mindestens einmal jähr- 9 lich ein. Besondere Förmlichkeiten sind hierzu nicht vorgesehen. Auf Verlangen eines Drittels seiner Mitglieder kann der Wertpapierrat auch zu weiteren Sitzungen einberufen werden. Die einzelnen Länder können Beratungsvorschläge einbringen und auf diese Weise zur Weiterentwicklung der Aufsichtspraxis beitragen. In der Sitzung berichtet der Präsident der Bundesanstalt dem Wertpapierrat über die Aufsichtstätigkeit, die Weiterentwicklung der Aufsichtspraxis sowie über die internationale Zusammenarbeit. Der letztgenannte Aspekt ist für die Länder insofern von besonderer Bedeutung, da die Bundesanstalt im internationalen Bereich auch börsenaufsichtsrechtliche Kompetenzen wahrnimmt (§ 7 Abs. 1 WpHG). Das Nähere zur Sitzung des Wertpapierrates, wie z.B. Organisation und Verfahren, regelt eine unveröffentlichte Geschäftsordnung.
§6 Zusammenarbeit mit anderen Behörden im Inland (1) Die Börsenaufsichtsbehörden werden im Wege der Organleihe für die Bundesanstalt bei der Durchführung von eilbedürftigen Maßnahmen im Rahmen der Überwachung der Verbote von Insidergeschäften nach § 14 und des Verbots der Marktmanipulation nach § 20a an den ihrer Aufsicht unterliegenden Börsen tätig. Das Nähere regelt ein Verwaltungsabkommen zwischen dem Bund und den börsenaufsichtsführenden Ländern. (2) Die Bundesanstalt, die Deutsche Bundesbank im Rahmen ihrer Tätigkeit nach Maßgabe des Kreditwesengesetzes, das Bundeskartellamt, die Börsenaufsichtsbehör-
1 Vgl. Cary, in: KölnKomm. WpHG, § 5 Rz. 12.
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10
§6
Zusammenarbeit mit anderen Behörden im Inland
den, die Handelsüberwachungsstellen, im Rahmen ihrer Tätigkeiten nach Maßgabe des Energiewirtschaftsgesetzes die Bundesnetzagentur und die Landeskartellbehörden sowie die für die Aufsicht über Versicherungsvermittler und die Unternehmen im Sinne des § 2a Absatz 1 Nummer 7 zuständigen Stellen haben einander Beobachtungen und Feststellungen einschließlich personenbezogener Daten mitzuteilen, die für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich sind. (3) Die Bundesanstalt darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben die nach § 2 Abs. 10, §§ 2c, 24 Abs. 1 Nr. 1, 2, 5, 7 und 10 und Abs. 3, § 25a Abs. 2, § 32 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 2 und 6 Buchstabe a und b des Kreditwesengesetzes bei der Deutschen Bundesbank gespeicherten Daten im automatisierten Verfahren abrufen. Die Deutsche Bundesbank hat für Zwecke der Datenschutzkontrolle den Zeitpunkt, die Angaben, welche die Feststellung der aufgerufenen Datensätze ermöglichen, sowie die für den Abruf verantwortliche Person zu protokollieren. Die protokollierten Daten dürfen nur für Zwecke der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsmäßigen Betriebs der Datenverarbeitungsanlage verwendet werden. Die Protokolldaten sind am Ende des auf die Speicherung folgenden Kalenderjahres zu löschen. (4) Öffentliche Stellen haben bei der Veröffentlichung von Statistiken, die zu einer erheblichen Einwirkung auf die Finanzmärkte geeignet sind, sachgerecht und transparent vorzugehen. Insbesondere muss dabei gewährleistet sein, dass hierbei keine Informationsvorsprünge Dritter erzeugt werden können. In der Fassung des Gesetzes zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts vom 6.12.2011 (BGBl. I 2011, 2481). Schrifttum: Kümpel, Die Organleihe im Rahmen der neuen Kapitalmarktaufsicht, in: WMFestgabe für Hellner, 1994, S. 35.
Inhaltsübersicht I. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . .
1
II. Die Mitwirkung der Börsenaufsichtsbehörden bei der Insiderverfolgung und bei der Untersuchung von Marktmanipulation (§ 6 Abs. 1 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
III. Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden (§ 6 Abs. 2 WpHG) . . . . . .
4
IV. Verwendung von Daten der Deutschen Bundesbank nach § 14 Abs. 1 KWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
V. Verfahren des automatisierten Datenabrufs von Daten bei der Deutschen Bundesbank (§ 6 Abs. 3 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 VI. Veröffentlichung von Statistiken (§ 6 Abs. 4 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . 17
I. Entstehungsgeschichte 1
Mit dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz vom 28.10.2004 wurde die Vorschrift überarbeitet. Die früheren Absätze 2 bis 4 traten nach Aufhebung des Absatzes 1 a.F. in überarbeiteter Form an die Stelle der Absätze 1 bis 3. Zugleich wurde mit dem Absatz 4 Art. 6 Abs. 8 der Marktmissbrauchsrichtlinie umgesetzt. Die Änderungen in § 6 Abs. 3 WpHG im Jahr 2006 haben die Änderungen des KWG nachvollzogen. Mit dem Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz wurde § 6 Abs. 2 WpHG in Umsetzung von Art. 49 der Finanzmarktrichtlinie geändert. Durch das Gesetz zur Ände-
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§6
Zusammenarbeit mit anderen Behörden im Inland
rung des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes vom 25.6.2009 wurde zudem die Bundesnetzagentur in den Kreis der informationsaustauschenden Behörden einbezogen. Mit dem Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften wurden neben der Bundesnetzagentur auch die Landeskartellbehörden im Rahmen der Tätigkeit nach Maßgabe des Energiewirtschaftsgesetzes in den Informationsaustausch mit einbezogen.
II. Die Mitwirkung der Börsenaufsichtsbehörden bei der Insiderverfolgung und bei der Untersuchung von Marktmanipulation (§ 6 Abs. 1 WpHG) § 6 Abs. 1 WpHG regelt eine Organleihe der zuständigen Börsenaufsichtsbehörden 2 bei eilbedürftigen Maßnahmen für die Überwachung der Verbote nach §§ 14, 20a WpHG an den ihrer Aufsicht unterliegenden Börsen. Die Regelung ist vor allem verständlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass bei Bund und Ländern bei der Schaffung dieses Gesetzes und insbesondere bei der Konzeption dieser Vorschrift keine genaueren Vorstellungen darüber gegeben waren und mangels gesetzlicher Regelung der Insiderverfolgung bis dato auch nicht gegeben sein konnten, wie die Insiderverfolgung – und seit 2002 auch die Marktmanipulation – im Einzelnen vonstatten gehen würde. Sie entspringt dem Bedürfnis nach weitestgehender Sicherung der Zugriffsmöglichkeiten und einer gewissen Skepsis, ob und wie die Handelsüberwachungsstellen an den Börsen funktionieren würden. Diese Regelung hat bislang keine praktische Bedeutung erlangt, ein Verwaltungsabkommen wurde bisher nicht abgeschlossen. Nach nunmehr etlichen Jahren Insiderverfolgung hat es bisher keinen Bedarf zur Anwendung dieser Vorschrift gegeben. Da es aber nicht unwahrscheinlich ist, dass die Regelungen unter den sich ständig ändernden Rahmenbedingungen doch noch Bedeutung erlangen könnten, scheint eine Streichung der Regelungen nicht angezeigt. Aus Gründen der rechtshistorischen Entwicklung wird nachfolgend die amtliche Begründung zu § 6 Abs. 1 WpHG abgedruckt, die in ihrer Ausführlichkeit weitere Kommentierungen überflüssig macht. Die Verwaltungszuständigkeiten von Bund und Ländern sind in den Art. 83 ff. GG er- 3 schöpfend geregelt und grundsätzlich nicht abdingbar. Diese Bestimmungen gehen von der Unterscheidung zwischen Bundes- und Landesverwaltung aus. Dabei gilt, dass der Verwaltungsträger, dem durch eine Kompetenznorm des Grundgesetzes Verwaltungsaufgaben zugewiesen worden sind, diese Verwaltungsaufgaben auch durch eigene Einrichtungen und durch die dazu gehörenden personellen und sachlichen Mittel wahrnimmt. Die Organleihe ist eine verfassungsrechtlich zulässige Organisationsform, mit der sich das (frühere) Bundesaufsichtsamt bestehender Einrichtungen der Börsenländer bedienen kann. Für das Abgehen von dem „Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung“ im Wege der Organleihe bedarf es jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts1 eines besonderen sachlichen Grundes, der im vorliegenden Fall gegeben ist. Die Heranziehung der Börsenaufsichtsbehörden der Länder bei der Durchführung von eilbedürftigen Maßnahmen und Anordnungen in Insiderangelegenheiten erstreckt sich auf einen inhaltlich begrenzten Tätigkeitsbereich. Es handelt sich lediglich um den die Wertpapierbörsen betreffenden Teilausschnitt aus den gesamten Überwachungsaufgaben des (früheren) Bundesaufsichtsamtes. Damit wird an die historisch bestehenden Kompetenzen der Länder im Börsenbereich angeknüpft. Für die Einbeziehung der Börsenaufsichtsbehörden im We1 BVerfG v. 12.11.1983 – 2 BvL 23/81, BVerfGE 63, 42.
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§6
Zusammenarbeit mit anderen Behörden im Inland
ge der Organleihe sprechen sachliche und verwaltungsökonomische Überlegungen sowie Effizienzgesichtspunkte. Die „Tatortnähe“ der Börsenaufsichtsbehörden ermöglicht in Eilfällen eine schnelle Feststellung von aufsichtsrelevanten Tatbeständen. Die nähere Ausgestaltung der Organleihe bleibt einem Verwaltungsabkommen zwischen dem Bund und den börsenaufsichtsführenden Ländern vorbehalten. Die den Ländern durch die Organleihe entstehenden Kosten hat der Bund zu erstatten1.
III. Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden (§ 6 Abs. 2 WpHG) 4
§ 6 Abs. 2 WpHG regelt die Verpflichtung der Bundesanstalt und bestimmter weiterer inländischer Aufsichtsbehörden zum gegenseitigen Informationsaustausch. Entsprechende Regelungen sind auch in den Gesetzen zu finden, die die Tätigkeit der benannten Behörden regeln2. Die Regelung sah zunächst nur einen Informationsaustausch zwischen den Vorgängerbehörden der Bundesanstalt, den Börsenaufsichtsbehörden und der Bundesbank vor. Durch die Integration der drei ehemaligen Aufsichtsämter in die Bundesanstalt entfiel einerseits die zuvor bestehende strenge Aufgabentrennung zwischen den Aufsichtsbereichen, so dass es für den Datenaustausch zwischen den Aufsichtssektoren keiner besonderen Regelungen mehr bedarf3. Mit dem Aufgabenzuwachs der Wertpapieraufsicht ist andererseits der Kreis der Aufsichtsbehörden gewachsen, die in den Informationsaustausch einbezogen sind. Heute sind das Bundeskartellamt, die Börsenaufsichtsbehörden, die Handelsüberwachungsstellen und die für die Aufsicht über Versicherungsvermittler und über Unternehmen nach § 2a Abs. 1 Nr. 7 WpHG zuständigen Stellen mit ihrem gesamtem Zuständigkeitsbereich in den Informationsaustausch einbezogen. Beschränkt ist der Informationsaustausch mit der Bundesbank auf ihre Tätigkeit im Rahmen des Kreditwesengesetzes, mit der Bundesnetzagentur auf ihre Tätigkeit im Rahmen des Energiewirtschaftsgesetzes. Die Informationen sind nach § 6 Abs. 2 WpHG unaufgefordert der in den Informationsaustausch einbezogenen Behörde mitzuteilen, wenn erkennbar ist, dass sie für deren Tätigkeit erforderlich ist. Soweit eine Behörde bei einer der anderen benannten Behörden Informationen anfordert, greifen die Regelungen des § 6 Abs. 2 WpHG gleichfalls. Nach einer anfänglichen Gewöhnungsphase hat sich das Informationsprozedere eingespielt und zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden in der Handhabung dieser Rechtspflicht entwickelt.
5
Unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten war eine Ergänzung, dass auch personenbezogene Daten i.S. von § 3 Abs. 1 des BDSG mitgeteilt werden dürfen, erforderlich und für die Durchführung der Amtsaufgaben unbedingt nötig, da zahlreiche Sachverhalte, die aufzuklären sind, von natürlichen Personen verwirklicht werden. Es handelt sich um die Schaffung einer bereichsspezifischen Regelung für die Ermittlung personenbezogener Daten im Bereich der Aufsichtsbehörden, die den Grundsätzen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.12.1983 zum Volkszählungsgesetz Rechnung trägt4.
1 Vgl. Begr. RegE 2. FFG zu § 6 Abs. 2 WpHG, BT-Drucks. 12/6679, S. 41. 2 Vgl. z.B. § 7 Abs. 5 Satz 4 WpHG, § 8 BörsG, § 50c Abs. 2 GWB und § 7 Abs. 3 KWG. Zur dogmatischen Einordnung der Verpflichtung zum Informationsaustausch vgl. BaWürt. VGH v. 30.11.2010 – 1 S 1120/10, VBlBW 2011, 153 ff. 3 Vgl. Begr. RegE FinDAG zu § 1 Abs. 1, BT-Drucks. 14/7033, S. 32. 4 BVerfG v. 15.12.1983 – 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83, BVerfGE 65, 1 ff. Vgl. Begr. RegE UmsetzungsG § 6 Abs. 3 WpHG, BT-Drucks. 13/7142, S. 104.
256 Döhmel
§6
Zusammenarbeit mit anderen Behörden im Inland
Die Einbeziehung des Bundeskartellamtes in den Informationsverbund ist darin be- 6 gründet, dass Ereignisse bei Emittenten, die kartellrechtliche Relevanz aufweisen, regelmäßig z.B. auch Insidertatsachen darstellen. Da das Kartellamt bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen bereits im Vorfeld beispielsweise eines Unternehmenszusammenschlusses tätig wird, kann durch Mitteilung dieser Behörde zuverlässig in Erfahrung gebracht werden, zu welchem Zeitpunkt die mögliche Insidertatsache beim Emittenten bereits gegeben war. Deshalb ist ein auf diese Weise institutionalisierter und rechtlich abgesicherter Informationsaustausch mit dem Bundeskartellamt für effektive Wertpapieraufsicht, wie z.B. Insideruntersuchungen, erforderlich. Die Mitwirkung der Deutschen Bundesbank im Rahmen des gesetzlichen Informati- 7 onsverbundes nach dem WpHG beschränkt sich auf solche Beobachtungen und Feststellungen, die sie im Rahmen ihrer Tätigkeit nach Maßgabe des KWG macht. Hier ist insbesondere an § 24 KWG (Erfüllung der Anzeigepflichten) und § 26 KWG (Vorlage von Jahresabschluss, Lagebericht und Prüfungsberichten) zu denken. So könnten sich beispielsweise aus dem Prüfungsbericht Hinweise auf ein Insidergeschäft oder eine Marktmanipulation ergeben. In diesem Zusammenhang ist auf § 7 KWG zu verweisen, der die Zusammenarbeit regelt. Nach § 7 Abs. 3 KWG teilt die Deutsche Bundesbank der Bundesanstalt Beobachtungen und Feststellungen mit, die für die Erfüllung deren Aufgaben von Bedeutung sein können, ohne dass es dabei eine Einschränkung hinsichtlich personenbezogener Daten gibt (§ 7 Abs. 4 KWG)1. Durch die Änderungen des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes einschließlich des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2010/78/EU sind in den Informationsverbund die für die Aufsicht über Versicherungsvermitler und über Unternehmen nach § 2a Abs. 1 Nr. 7 WpHG zuständigen Stellen aufgenommen worden. Das sind insbesondere die Gewerbeämter. Zur Klarstellung der bestehenden Rechtslage wurden zudem auch die Handelsüberwachungsstellen ausdrücklich in den Katalog aufgenommen. Die Änderungen dienen der Umsetzung von Art. 49 der Finanzmarktrichtlinie2.
8
Die Einbeziehung der Bundesnetzagentur in den Informationsaustausch greift einen Vorschlag der Monopolkommission in einem Sondergutachten „Strom und Gas 2007: Wettbewerbsdefizite und zögerliche Regulierung“ auf3. Es soll eine vertiefte Zusammenarbeit der zuständigen Aufsichtsbehörden bei der Aufsicht über den Energiehandel erreicht werden. Das war nötig geworden aufgrund der Entwicklungen an den Energiebörsen und ergänzt die in § 7 WpHG vorgesehende Zusammenarbeit auch mit Energieregulierungsbehörden im Ausland. In die Zusammenarbeit aufgenommen wurden auch die Landeskartellbehörden. Neben der Umsetzung europarechtlicher Vorgaben dient diese Einbeziehung der Vermeidung von Bürokratieaufwand4. Sowohl die Zusammenarbeit mit der Bundesnetzagentur als auch mit den Landeskartellbehörden ist auf deren Tätigkeit im Rahmen des Energiewirtschaftsgesetzes beschränkt.
9
1 Die „Richtlinie zur Durchführung und Qualitätssicherung der laufenden Überwachung der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute durch die Deutsche Bundesbank gemäß § 7 Abs. 2 KWG vom 21. Februar 2008“ ist zu finden auf der Homepage der Bundesanstalt unter www.bafin.de. 2 Vgl. Begr. RegE FRUG § 6 Abs. 2 WpHG, BT-Drucks. 16/4028, S. 60. 3 Vgl. BR-Drucks. 170/09 (B), S. 6; BT-Drucks. 16/13024, S. 2, 6. 4 Vgl. BR-Drucks. 343/11, S. 252: Umsetzung von Art. 40 Abs. 7 der Richtlinie 2009/72/EG und Art. 44 Abs. 7 der Richtlinie 2009/73/EG. In diesem Zusammenhang vgl. auch § 7b WpHG.
Döhmel
257
§6 10
Zusammenarbeit mit anderen Behörden im Inland
Der Informationsaustausch der genannten Institutionen steht unter dem Vorbehalt, dass die Mitteilungen für die Erfüllung der Aufgaben der jeweiligen Behörde erforderlich sind. Damit wird einem allgemeinen Datentransfer Einhalt geboten. Somit dürfen der Deutschen Bundesbank keine Informationen beispielsweise aus der Untersuchung von Insidergeschäften zugehen, an denen Kreditinstitute oder Finanzdienstleistungsinstitute nicht mitgewirkt haben.
IV. Verwendung von Daten der Deutschen Bundesbank nach § 14 Abs. 1 KWG 11
Die Bundesanstalt kann zudem auf die nach § 14 Abs. 1 KWG bei der Deutschen Bundesbank vorhandenen Daten zugreifen. Ein entsprechendes Auskunftsrecht sah schon die alte Fassung von § 6 Abs. 4 WpHG vor dem Jahr 2002 vor. Nach Einrichtung der Bundesanstalt als „Allfinanzaufsicht“ verfügt diese über die Daten nach § 14 Abs. 1 KWG aus eigener Kompetenz. Da es keines gesonderten Auskunftsrechts insoweit gegenüber der Deutschen Bundesbank mehr bedurfte, war § 6 Abs. 4 WpHG a.F. aufzuheben.
12
Die Nutzungsmöglichkeiten dieser KWG-Meldedaten stärkt die der Bundesanstalt nach § 4 WpHG gegebenen Möglichkeiten zur Aufklärung von Insiderhandeln und Manipulationsdelikten. Nach § 14 KWG haben Kreditinstitute diejenigen Kreditnehmer anzuzeigen, deren Verschuldung zu irgendeinem Zeitpunkt während eines Quartals 1,5 Mio. Euro oder mehr betragen hat. Es könnten sich hieraus Hinweise auf mögliche Geschäftsbeziehungen beispielsweise zwischen einem Emittenten und einem Kreditinstitut ergeben, da sich Ansatzpunkte auf mögliche Beziehungen und Verflechtungen zwischen dem Emittenten und weiteren Unternehmen anleiten lassen1. Kreditinstitute, die börsennotierten Emittenten hohe Kredite einräumen, verfügen über besonderes Insiderwissen, das möglicherweise dann gesetzwidrig entweder durch Kreditsachbearbeiter im Einzelfall oder durch Entscheidung des Instituts genutzt werden könnte, wenn entweder der Kreditnehmer seine Zahlungsverpflichtungen nicht mehr – oder bei Not leidenden Krediten wieder – erfüllen kann. Die Klärung eines Verdachtes durch Hinzuziehung dieser Daten kann auf dem Verwaltungswege anstaltsintern erfolgen, so dass eventuell auch Verdachtsmomente ausgeräumt und die Person entlastet werden kann, ohne dass es der Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens bedarf.
13
Die nach § 14 KWG verfügbaren Daten enthalten Stammdaten von Kreditgebern und Kreditnehmern. Soweit die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 KWG gegeben sind, werden die Kreditnehmer zu einer Kreditnehmereinheit zusammengefasst. Der Umfang der Kreditnehmereinheiten bemisst sich nach § 19 Abs. 2 KWG und umfasst somit aktienrechtliche Konzerne, mehrheitsbeteiligte Personen, Personenhandelsgesellschaften und persönlich haftende Gesellschafter, aber auch, soweit bekannt, Strohmann-/Hintermannbeziehungen. Damit sind die Daten für die Bundesanstalt geeignet, Kapitalverflechtungen und gegebenenfalls auch wirtschaftliche Verbindungen zwischen natürlichen und insbesondere juristischen Personen zu erkennen. Die gewonnenen Erkenntnisse können sowohl im Rahmen von Insiderermittlungen, bei der Untersuchung von Marktmanipulationen wie auch bei der laufenden Überwachung der Meldepflichten nach § 15 WpHG verwertet werden. Darüber hinaus können auch stichprobenweise Kontrollen der Meldungen nach § 21 WpHG erfolgen. 1 Vgl. Begr. RegE UmsetzungsG § 6 Abs. 4 WpHG, BT-Drucks. 13/7142 v. 6.3.1997, S. 104.
258 Döhmel
§6
Zusammenarbeit mit anderen Behörden im Inland
V. Verfahren des automatisierten Datenabrufs von Daten bei der Deutschen Bundesbank (§ 6 Abs. 3 WpHG) Zur Erfüllung der Überwachungsaufgabe kann die Bundesanstalt in einem automati- 14 sierten Abrufverfahren bestimmte Informationen von der Deutschen Bundesbank abrufen. Ein solches Verfahren ist im Hinblick darauf, dass die Bundesanstalt gewöhnlich – insbesondere bei der Durchführung von Insider- und Manipulationsuntersuchungen – große Datenmengen benötigt, für die beaufsichtigten Unternehmen grundsätzlich weniger belastend als eine Informationsbeschaffung durch die Bundesanstalt im Wege der Eingriffsverwaltung bei den Unternehmen selbst. Der Grundsatz der Erforderlichkeit, dem die Regelungen in § 6 Abs. 3 WpHG Rechnung tragen, sorgt dafür, dass erhobene Daten den Aufsichtszwecken entsprechen müssen, dass die Datenabrufe zu Kontrollzwecken protokolliert werden müssen und dass die protokollierten Daten ausschließlich zum Zwecke des Datenschutzes und der Datensicherheit verwendet werden dürfen. Im Hinblick auf die im Zuge der technischen Entwicklung deutlich einfacher gewordenen elektronischen Speicherung von Daten sieht die Vorschrift eine Vollprotokollierung der durch die Bundesanstalt vorgenommenen Datenabrufe vor. Bis Ende 2004 musste nur jeder zehnte Abruf protokolliert werden. Von der Regelung werden Daten aus der Beaufsichtigung der Kreditinstitute und Fi- 15 nanzdienstleistungsinstitute erfasst wie z.B. bedeutende Beteiligungen nach § 2c KWG, vertraglich gebundene Vermittler nach § 2 Abs. 10 KWG, Anzeigen nach § 24 KWG und Angaben aus dem Erlaubnisverfahren nach § 32 KWG. Parallele Regelungen bestehen zudem für die Anzeigen über Millionenkredite (§ 14 Abs. 1 Satz 6 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 3 KWG). Geschäftsleiter- und Beteiligungsdaten: Von Bedeutung für die Bundesanstalt sind 16 sowohl die nach § 24 Abs. 1 und § 2b KWG angezeigten Beteiligungen und Geschäftsleiter von Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsinstituten als auch Nebentätigkeiten und Beteiligungen (§ 24 Abs. 3 KWG), die von Bankgeschäftsleitern – namentlich bei börsennotierten Unternehmen – ausgeübt werden. Da diese Nebentätigkeiten oftmals bei Unternehmen mit „Hausbankfunktion“ wahrgenommen werden, besteht vielfach eine besondere Nähe zu Insiderinformationen. Auch die Übernahme einer Beteiligung an einem börsennotierten Unternehmen deutet auf eine sehr enge Verbindung hin, die aufgrund des damit verbundenen Informationsflusses zur Kenntnis von Insidertatsachen führen kann.
VI. Veröffentlichung von Statistiken (§ 6 Abs. 4 WpHG) Bei § 6 Abs. 4 WpHG handelt es sich um die Umsetzung von Art. 6 Abs. 8 der Marktmissbrauchsrichtlinie. Es war bisweilen zu beobachten, dass statistische Daten im Hinblick auf Marktbeeinflussung nicht sensibel veröffentlicht wurden. Zur Vermeidung von Informationsasymetrien wurden alle öffentliche Stellen verpflichtet, Statistiken, welche die Finanzmärkte erheblich beeinflussen können, auf sachgerechte und transparente Weise zu verbreiten. Das bedeutet, dass ein Veröffentlichungsweg zu wählen ist, der eine gleichmäßige Unterrichtung der Bereichsöffentlichkeit gewährleistet, dass die Statistiken verständlich und sorgfältig vorzulegen sind und ein zumindest nicht ungeeigneter Veröffentlichungszeitpunkt zu wählen ist. Die Vorschrift ist zwar nicht sanktionsbewehrt, aber auf Basis von § 4 Abs. 2 Satz 1 WpHG und ggf. unter Missstandsgesichtspunkten durchsetzbar.
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259
17
§7
Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen im Ausland
§7 Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen im Ausland (1) Der Bundesanstalt obliegt die Zusammenarbeit mit den für die Überwachung von Verhaltens- und Organisationspflichten von Unternehmen, die Wertpapierdienstleistungen erbringen, von Finanzinstrumenten und von Märkten, an denen Finanzinstrumente oder Waren gehandelt werden, zuständigen Stellen der Europäischen Union, der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum. Die Bundesanstalt kann im Rahmen ihrer Zusammenarbeit zum Zwecke der Überwachung der Einhaltung der Verbote und Gebote dieses Gesetzes sowie der Verbote und Gebote der in Satz 1 genannten Staaten, die denen dieses Gesetzes oder des Börsengesetzes entsprechen, von allen ihr nach diesem Gesetz zustehenden Befugnissen Gebrauch machen, soweit dies geeignet und erforderlich ist, den Ersuchen der in Satz 1 genannten Stellen nachzukommen. Sie kann auf ein Ersuchen der in Satz 1 genannten Stellen die Untersagung oder Aussetzung des Handels nach § 4 Abs. 2 Satz 2 an einem inländischen Markt nur anordnen, sofern die Interessen der Anleger oder der ordnungsgemäße Handel an dem betreffenden Markt nicht erheblich gefährdet werden. Die Vorschriften des Börsengesetzes über die Zusammenarbeit der Handelsüberwachungsstellen mit entsprechenden Stellen oder Börsengeschäftsführungen anderer Staaten bleiben hiervon unberührt. (2) Auf Ersuchen der in Absatz 1 Satz 1 genannten zuständigen Stellen führt die Bundesanstalt nach Maßgabe des Artikels 15 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 Untersuchungen durch und übermittelt unverzüglich alle Informationen, soweit dies für die Überwachung von organisierten Märkten oder anderen Märkten für Finanzinstrumente, von Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten, Investmentgesellschaften, Finanzunternehmen oder Versicherungsunternehmen oder damit zusammenhängender Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren erforderlich ist. Bei der Übermittlung von Informationen hat die Bundesanstalt den Empfänger darauf hinzuweisen, dass er unbeschadet seiner Verpflichtungen im Rahmen von Strafverfahren die übermittelten Informationen einschließlich personenbezogener Daten nur zur Erfüllung von Überwachungsaufgaben nach Satz 1 und für damit zusammenhängende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren verwenden darf. (2a) Die Bundesanstalt trifft angemessene Vorkehrungen für eine wirksame Zusammenarbeit insbesondere gegenüber solchen Mitgliedstaaten, in denen die Geschäfte einer inländischen Börse eine wesentliche Bedeutung für das Funktionieren der Finanzmärkte und den Anlegerschutz nach Maßgabe des Artikels 16 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 haben oder deren organisierte Märkte eine solche Bedeutung im Inland haben. (2b) Die Bundesanstalt kann Bediensteten der zuständigen Stellen anderer Staaten auf Ersuchen die Teilnahme an den von der Bundesanstalt durchgeführten Untersuchungen gestatten. Nach vorheriger Unterrichtung der Bundesanstalt sind die zuständigen Stellen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 befugt, selbst oder durch ihre Beauftragten die Informationen, die für eine Überwachung der Einhaltung der Meldepflichten nach § 9, der Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach den §§ 31 bis 34 oder entsprechender ausländischer Vorschriften durch eine Zweigniederlassung im Sinne des § 53b Abs. 1 Satz 1 des Kreditwesengesetzes erforderlich sind, bei dieser Zweigniederlassung zu prüfen. Bedienstete der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde können an Untersuchungen nach Satz 1 teilnehmen. 260 Döhmel
§7
Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen im Ausland
(3) Die Bundesanstalt kann eine Untersuchung, die Übermittlung von Informationen oder die Teilnahme von Bediensteten zuständiger ausländischer Stellen im Sinne von Absatz 1 Satz 1 verweigern, wenn 1. hierdurch die Souveränität, die Sicherheit oder die öffentliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt werden könnte oder 2. auf Grund desselben Sachverhalts gegen die betreffenden Personen bereits ein gerichtliches Verfahren eingeleitet worden oder eine unanfechtbare Entscheidung ergangen ist. Kommt die Bundesanstalt einem Ersuchen nicht nach oder macht sie von ihrem Recht nach Satz 1 Gebrauch, so teilt sie dies der ersuchenden Stelle und der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde unverzüglich mit und legt die Gründe dar; im Falle einer Verweigerung nach Satz 1 Nr. 2 sind genaue Informationen über das gerichtliche Verfahren oder die unanfechtbare Entscheidung zu übermitteln. (4) Die Bundesanstalt ersucht die in Absatz 1 genannten zuständigen Stellen nach Maßgabe des Artikels 15 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 um die Durchführung von Untersuchungen und die Übermittlung von Informationen, die für die Erfüllung ihrer Aufgaben nach den Vorschriften dieses Gesetzes geeignet und erforderlich sind. Sie kann die zuständigen Stellen ersuchen, Bediensteten der Bundesanstalt die Teilnahme an den Untersuchungen zu gestatten. Mit Einverständnis der zuständigen Stellen kann die Bundesanstalt Untersuchungen im Ausland durchführen und hierfür Wirtschaftsprüfer oder Sachverständige beauftragen; bei Untersuchung einer Zweigniederlassung eines inländischen Wertpapierdienstleistungsunternehmens in einem Aufnahmemitgliedstaat durch die Bundesanstalt genügt eine vorherige Unterrichtung der zuständigen Stelle im Ausland. Trifft die Bundesanstalt Anordnungen gegenüber Unternehmen mit Sitz im Ausland, die Mitglieder inländischer organisierter Märkte sind, unterrichtet sie die für die Überwachung dieser Unternehmen zuständigen Stellen. Werden der Bundesanstalt von einer Stelle eines anderen Staates Informationen mitgeteilt, so darf sie diese unbeschadet ihrer Verpflichtungen in strafrechtlichen Angelegenheiten, die Verstöße gegen Verbote nach den Vorschriften dieses Gesetzes zum Gegenstand haben, nur zur Erfüllung von Überwachungsaufgaben nach Absatz 2 Satz 1 und für damit zusammenhängende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren verwenden. Die Bundesanstalt darf diese Informationen unter Beachtung der Zweckbestimmung der übermittelnden Stelle den in § 6 Abs. 2 genannten Stellen mitteilen, sofern dies für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Eine anderweitige Verwendung der Informationen ist nur mit Zustimmung der übermittelnden Stelle zulässig. Außer bei Informationen im Zusammenhang mit Insiderhandel oder Marktmanipulation kann in begründeten Ausnahmefällen auf diese Zustimmung verzichtet werden, sofern dieses der übermittelnden Stelle unverzüglich unter Angabe der Gründe mitgeteilt wird. Wird einem Ersuchen der Bundesanstalt nach den Sätzen 1 bis 3 nicht innerhalb angemessener Frist Folge geleistet oder wird es ohne hinreichende Gründe abgelehnt, kann die Bundesanstalt die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde nach Maßgabe des Artikels 19 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission (ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 84) um Hilfe ersuchen. (5) Hat die Bundesanstalt hinreichende Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Verbote oder Gebote nach den Vorschriften dieses Gesetzes oder nach entsprechenden ausländischen Vorschriften der in Absatz 1 Satz 1 genannten Staaten, teilt sie diese Anhaltspunkte der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde und den Döhmel
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§7
Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen im Ausland
nach Absatz 1 Satz 1 zuständigen Stellen des Staates mit, auf dessen Gebiet die vorschriftswidrige Handlung stattfindet oder stattgefunden hat oder auf dessen Gebiet die betroffenen Finanzinstrumente an einem organisierten Markt gehandelt werden oder der nach dem Recht der Europäischen Union für die Verfolgung des Verstoßes zuständig ist. Sind die daraufhin getroffenen Maßnahmen der zuständigen ausländischen Stellen unzureichend oder wird weiterhin gegen die Vorschriften dieses Gesetzes oder gegen die entsprechenden ausländischen Vorschriften verstoßen, ergreift die Bundesanstalt nach vorheriger Unterrichtung der zuständigen Stellen alle für den Schutz der Anleger erforderlichen Maßnahmen und unterrichtet davon die Europäische Kommission und die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde. Erhält die Bundesanstalt eine entsprechende Mitteilung von zuständigen ausländischen Stellen, unterrichtet sie diese sowie die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde über Ergebnisse daraufhin eingeleiteter Untersuchungen. Die Bundesanstalt unterrichtet ferner 1. die zuständigen Stellen nach Satz 1 und die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde über Anordnungen zur Aussetzung, Untersagung oder Einstellung des Handels nach § 4 Absatz 2 Satz 2 dieses Gesetzes sowie § 3 Absatz 5 Satz 3 Nummer 1 und § 25 Absatz 1 des Börsengesetzes sowie 2. die zuständigen Stellen nach Satz 1 innerhalb eines Monats nach Erhalt einer Mitteilung nach § 19 Absatz 10 des Börsengesetzes von der Absicht der Geschäftsführung einer Börse, Handelsteilnehmern aus den betreffenden Staaten einen unmittelbaren Zugang zu ihrem Handelssystem zu gewähren. (6) Die Regelungen über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen bleiben unberührt. (7) Die Bundesanstalt kann mit den zuständigen Stellen anderer als der in Absatz 1 genannten Staaten entsprechend den Absätzen 1 bis 6 zusammenarbeiten und Vereinbarungen über den Informationsaustausch abschließen. Absatz 4 Satz 5 und 6 findet mit der Maßgabe Anwendung, dass Informationen, die von diesen Stellen übermittelt werden, nur unter Beachtung einer Zweckbestimmung der übermittelnden Stelle verwendet und nur mit ausdrücklicher Zustimmung der übermittelnden Stelle der Deutschen Bundesbank oder dem Bundeskartellamt mitgeteilt werden dürfen, sofern dies für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Absatz 4 Satz 8 findet keine Anwendung. Für die Übermittlung personenbezogener Daten gilt § 4b des Bundesdatenschutzgesetzes. Die Bundesanstalt unterrichtet die Europäische Wertpapierund Marktaufsichtsbehörde über den Abschluss von Vereinbarungen nach Satz 1. (8) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu den in den Absätzen 2, 2a und 4 genannten Zwecken nähere Bestimmungen über die Übermittlung von Informationen an ausländische Stellen, die Durchführung von Untersuchungen auf Ersuchen ausländischer Stellen sowie Ersuchen der Bundesanstalt an ausländische Stellen erlassen. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übertragen. In der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2010/78/EU vom 24. November 2010 im Hinblick auf die Errichtung des Europäischen Finanzaufsichtssystems vom 4.12.2011 (BGBl. I 2011, 2427). Schrifttum: Grolimund, Internationale Amtshilfe im Bereich der Börsen- und Wertpapierhandelsaufsicht, IPRAX 2000, 553; Kurth, Problematik grenzüberschreitender Wertpapieraufsicht, WM 2000, 1521.
262 Döhmel
§7
Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen im Ausland Inhaltsübersicht I. Vorbemerkungen (Döhmel) . . . . . . .
1
II. Grundsätze internationaler Zusammenarbeit (Döhmel) . . . . . . . 1. Europäische Zusammenarbeit . . . . . 2. Zusammenarbeit mit Drittstaaten .
8. Informationsverwendung . . . . . . . . . 24 9. Unterrichtungspflichten . . . . . . . . . 25
5 6 7
V. Zusammenarbeit mit Drittstaaten im Einzelfall (Döhmel) . . . . . . . . . . . 26
III. Ausschließliche Zuständigkeit (Döhmel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
IV. Europäische Zusammenarbeit im Einzelfall (Döhmel) . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausländische Stellen. . . . . . . . . . . . . 2. Nutzung der WpHG-Befugnisse. . . . 3. Untersagung oder Aussetzung des Handels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gestattung der Teilnahme an Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Eigene Prüfungen ausländischer Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Kooperationshindernisse . . . . . . . . . 7. Ersuchen der Bundesanstalt ins Ausland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13 14 15 19 20 21 22
VI. Grenzen der Datenübermittlung (Döhmel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 VII. Von ausländischen Stellen empfangene Informationen (Döhmel) . . . . . 30 VIII. Internationale Rechtshilfe in Strafsachen (§ 7 Abs. 6 WpHG) (Vogel) . . 1. Regelungsbereich des § 7 Abs. 6 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besonderheiten der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen im Regelungsbereich des § 7 Abs. 6 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zuständigkeit der Bundesanstalt b) Bewilligungsentscheidung . . . . . . c) Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . .
31 31
39 39 42 43
23
I. Vorbemerkungen (Döhmel) Die Regelung enthält die Pflicht und die ausschließliche Zuständigkeit der Bundes- 1 anstalt zur internationalen Zusammenarbeit im Bereich der Wertpapier- und Börsenaufsicht. Vor der Schaffung der Bundesanstalt und des früheren Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel war an eine auch nur annähernd gleichwertige internationale Zusammenarbeit mit den wesentlichen Wertpapierhandelsnationen kaum zu denken. In Anbetracht der auf die verschiedenen Bundesländer aufgeteilten Börsenaufsicht führte es zunehmend zu Irritationen, dass auch für ausländische Anfragen im Grunde kein kompetenter Gegenpart in Deutschland vorhanden war. Unter dem Eindruck dieser Schwierigkeiten wandten sich die börsenaufsichtsführenden Bundesländer seinerzeit an das BMF mit der Bitte, bis zur Änderung der Verhältnisse die Aufsichtsinteressen des Finanzplatzes Deutschland im internationalen Bereich wahrzunehmen. Dieser – mangels der erforderlichen gesetzlichen Befugnisse – praktizierte Notbehelf wurde mit der Verabschiedung des 2. FFG ersetzt durch eine klare Zuständigkeitszuweisung, die u.a. mit § 7 WpHG die Aufgabe der internationalen Zusammenarbeit auf die neu gegründete Behörde übertrug. Seitdem sind zwar noch nicht so viele Jahre vergangen, doch das Bild der internatio- 2 nalen Zusammenarbeit hat sich vollkommen gewandelt. Im Zuge der Globalisierung der Finanzströme und der immer stärkeren Europäisierung der den Kapitalmarkt regulierenden Normen kann eine effektive Kapitalmarktaufsicht nicht nur nicht mehr ohne internationale Zusammenarbeit funktionieren. Der internationalen Zusammenarbeit muss nunmehr eine Rolle zugesprochen werden, die gar nicht groß genug zu bewerten ist. Mit der Schaffung von europäischen Aufsichtsbehörden als Folge der Finanzkrise ab 2007 ist ein weiterer Schritt der Europäisierung der Kapitalmarktaufsicht vollzogen. Diese Änderungen spiegeln sich auch in der Historie der Regelungen von § 7 WpHG wider. Der durch das 2. FFG normierte § 7 WpHG wurde durch die
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§7
Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen im Ausland
Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie tiefgreifend überarbeitet. Neben inhaltlichen Neuerungen wurden hierbei die früher im Gesetz verstreuten Spezialnormen über die internationale Zusammenarbeit, namentlich der frühere § 19 WpHG (Insiderverfolgung), § 20b Abs. 7 Satz 2 WpHG (Manipulationsverfolgung), § 30 WpHG (Stimmrechtsmeldungen) und § 36c WpHG a.F. (Verhaltensregeln), weitgehend in dieser Norm zusammengefasst. Mit einer Änderung von § 7 WpHG durch das Gesetz zur Neuordnung des Pfandbriefrechts (Art. 10a) wurden Beschränkungen aus § 7 Abs. 2 und 7 WpHG gestrichen, da die Norm in der Fassung des AnSVG bezüglich der internationalen Zusammenarbeit im Bereich der Börsenaufsicht nicht den Erfordernissen der Praxis gerecht wurde. Diese weitere Kooperationsmöglichkeit ist gemäß Begründung zu Art. 10a insbesondere für die erforderliche Zusammenarbeit der Bundesanstalt in grenzüberschreitenden Börsengeschäften, wie etwa im Fall der in den USA gegründeten Terminbörse EUREX US mit der amerikanischen Aufsichtsbehörde für Derivatemärkte CFTC (Commodity Futures Trading Commission), von erheblicher Bedeutung1. Weitere Änderungen ergaben sich sodann durch die Umsetzung der EU-Transparenzrichtline und durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz. Zum Zwecke der Übersichtlichkeit und Straffung wurden die Kompetenzen zur Zusammenarbeit mit ausländischen Staaten weiter gebündelt und § 36c WpHG a.F. gestrichen bei gleichzeitiger Integration seines Regelungsgehalts bezüglich der Verhaltens- und Organisationspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen in § 7 WpHG2. Zudem wurde den Anforderungen der Finanzmarktrichtlinie, insbesondere Art. 56, Rechnung getragen3. Im Rahmen des Gesetzes zur Änderung des Einlagensicherungs- und Anlagerentschädigungsgesetzes hat die Bundesanstalt zudem die Befugnis bekommen, mit den ausländischen Stellen zusammen zu arbeiten, die für die Überwachung von Warenbörsen und anderen Warenmärkten zuständig sind. Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2010/78/EU wurde zudem das nationale Normengefüge der Kapitalmarktaufsicht, hier § 7 WpHG, an die Anforderungen durch das Europäische Finanzaufsichtssystem, insbesondere der Zusammenarbeit mit ESMA, angepasst4. 3
Bei § 7 WpHG handelt es sich somit um die Generalnorm zur Zusammenarbeit mit Stellen ausländischer Staaten bezüglich aller Aufsichtsbereiche des WpHG und der Börsenaufsicht. Eng begrenzte Sonderregelungen finden sich jetzt nur noch in den Vorschriften der § 9 WpHG und § 37s WpHG, neben denen § 7 WpHG jedoch kraft Verweisung zur Anwendung kommt. Zudem wird neben § 7 WpHG auch der neu geschaffene § 7a WpHG künftig vermutlich eine stetig wachsende Bedeutung erlangen, da er die Zusammenarbeit mit der in Folge der Finanzmarktkrise neu errichteten Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde regelt.
4
Der Aufbau von § 7 WpHG unterscheidet zum einen die Zusammenarbeit mit EUund EWR-Staaten in § 7 Abs. 1–6 WpHG und zum anderen die Zusammenarbeit mit Drittstaaten in § 7 Abs. 7 WpHG, für die im Wesentlichen auf die Regelungen in Abs. 1 bis Abs. 6 verwiesen wird. Letztlich enthält § 7 Abs. 8 WpHG eine Verordnungsermächtigung für das Bundesfinanzministerium mit Unterdelegationsmöglichkeit an die Bundesanstalt bezüglich näherer Bestimmungen zur Informationsübermittlung. Von dieser Verordnungsermächtigung ist bislang noch kein Gebrauch gemacht worden.
1 2 3 4
BT-Drucks. 15/4878, S. 19, Art. 10a. Vgl. BT-Drucks. 16/4028, S. 78. Vgl. BT-Drucks. 16/4028, S. 60. Vgl. BT-Drucks. 17/6255, S. 19.
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Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen im Ausland
II. Grundsätze internationaler Zusammenarbeit (Döhmel) Das WpHG räumt der Bundesanstalt eine umfassende Kompetenz zur Zusammen- 5 arbeit mit den zuständigen ausländischen Wertpapier- und Börsenaufsichtsstellen ein. Da alle nationalen Aufsichtssysteme vor der Aufgabe stehen, zunehmend international ausgerichtete Wertpapiermärkte und ihre Marktteilnehmer mit an nationale Grenzen gebundenen Mitteln zu beaufsichtigen, kommt der internationalen Kooperation wachsende Bedeutung zu. Dabei muss unterschieden werden einerseits in die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene und andererseits in die Zusammenarbeit auf der Ebene aller internationalen Wertpapieraufsichtsbehörden. Im europäischen Bereich dokumentiert sich die zunehmende Verdichtung des Wettbewerbs und die damit einhergehende notwendige Aufsichtsvernetzung durch die immer stärker auf EU-Richtlinien beruhenden aufsichtsrechtlichen Regelungen und der damit einhergehenden und der von den Richtlinien geforderten Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten. Ein Beipiel hierfür ist der so genannte „Europäische Pass“, den jedes Wertpapierunternehmen seit Umsetzung der WpDRiL in nationales Recht nutzen kann. Darüber hinaus wird z.B. der unmittelbare grenzüberschreitende Zugang zu den elektronischen Handelssystemen europäischer Börsen möglich. Durch die derzeitige Schaffung eines Systems europäischer Aufsichtsbehörden wird künftig noch stärker darauf hingewirkt, dass im Rahmen der Zusammenarbeit der EU-Mitgliedsstaaten weitgehend identische Standards gelten werden. Ein so weitgehendes Schaffen einheitlicher Standards ist auf allgemein internationaler Ebene nicht möglich. Insoweit greifen andere Mechanismen der Zusammenarbeit. 1. Europäische Zusammenarbeit Die Europäische Zusammenarbeit wird neben der notwendigen Umsetzung der EU- 6 Richtlinien seit dem 1.1.2011 durch die Schaffung von drei europäischen (Finanzdienstleistungs-) Aufsichtsbehörden (European Supervisory Authorities – ESA’s) geprägt. Für die Tätigkeit auf dem Sektor des Wertpapierhandels ist das die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities und Market Authority – ESMA). Da die Zusammenarbeit mit der ESMA im neu eingefügten § 7a WpHG geregelt ist, kann bezüglich der näheren Ausgestaltung, Aufgaben und Zusammenarbeit auf die Kommentierung zu § 7a WpHG verwiesen werden. Der Gründung der ESMA als europäische Wertpapieraufsichtsbehörde ist die Gründung von Einrichtungen vorausgegangen, die die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene intensiviert haben. So wurde unter Mitwirkung des früheren Bundesaufsichtsamtes am 8.12.1997 in Paris das „Forum of European Securities Commissions“ (FESCO) gegründet, deren Mitglieder die Wertpapieraufsichtsbehörden der EU sowie aus Island und Norwegen waren. Die FESCO wurde durch das am 6.6.2001 von der EU-Kommission geschaffene „Committee of European Securities Regulators“ (CESR) abgelöst, dessen Mitglieder ebenfalls die Wertpapieraufsichtsbehörden der EU sowie Islands und Norwegens waren. Aus CESR als Beratungsorgan ist in Anbetracht der durch die Finanzkrise ab 2007 aufgezeigten Schwachstellen der Finanzaufsicht die ESMA als europäische Aufsichtsbehörde herausgebildet worden. 2. Zusammenarbeit mit Drittstaaten Mit Drittstaaten beruht die Zusammenarbeit auf den bilateral gegebenen gesetzlichen Möglichkeiten. Seit vielen Jahren ist es in der Praxis üblich, zwischen den Aufsichtsbehörden schriftliche Vereinbarungen über den Informationsaustausch, so genannte Memoranda of Understanding (MoU), zu schließen. Hierunter versteht man Döhmel
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§7
Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen im Ausland
bilaterale Absichtserklärungen über den Austausch vertraulicher Informationen zwischen Aufsichtsbehörden, die eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit erleichtern sollen. Hierdurch erklären die Aufsichtsbehörden ihre Bereitschaft, Auskunftsersuchen bei Untersuchungen in Insiderfällen, bei Marktmanipulationen oder bei anderen Verstößen im Rahmen ihrer nationalen Gesetze nachzukommen. Die erhaltenen Informationen dürfen nur für den jeweils festgelegten Zweck verwendet werden; zudem wird Vertraulichkeit vereinbart. Durch Standardisierung von Auskunftsersuchen und eine klare Festlegung der Übermittlungsverfahren wird den Aufsichtsstellen die Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben erleichtert. 8
MoU können zwar kein eigenes Recht setzen und damit über die jeweilige nationale Gesetzgebung hinausgehende Rechte oder Verpflichtungen schaffen oder nationale Vorschriften modifizieren; sie sind aber geeignet, nach Maßgabe der EG-rechtlichen Vorgaben bzw. in Auslegung der nationalen Vorschriften die Zusammenarbeit zwischen den vertragsschließenden Aufsichtsbehörden näher auszugestalten1. Zum Stichtag des 31.3.2011 gab es mit den Aufsichtsbehörden folgender Staaten Memoranda of Understanding: 1996
Frankreich
1997
Italien, Spanien, USA mit SEC und CFTC und Taiwan
1998
Argentinien, Australien, China, Hong Kong, Ungarn, Portugal, Schweiz und Tschechien
1999
Brasilien und Polen
2000
Singapur und Türkei
2001
Jersey, Russland und Südafrika
2003
Kanada (Québec) und Zypern
2004
Luxemburg, Slowakei
2006
Dubai
2007
USA mit SEC
2008
Emirat Qatar, Kroatien und Vereinigte Arabische Emirate
2009
Monaco und Russland
2010
Korea
2002 und 2005 wurden keine MoU bezüglich der Wertpapieraufsicht abgeschlossen. 9
Das derzeit wichtigste, nicht allein auf die EWR-Staaten bezogene internationale Forum im Bereich der Wertpapierhandelsaufsicht, die „International Organization of Securities Commissions“2 (IOSCO) – Internationale Vereinigung der Wertpapieraufsichtsbehörden –, in deren Gremien die Bundesanstalt vertreten ist, entwickelt Prinzipien u.a. mit dem Ziel, die internationale Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden zu erleichtern und effizienter zu machen. Grundlage der weltweit ähnlichen MoUs ist eine Empfehlung der IOSCO vom September 1991, die „Principles of Memoranda of Understanding“. Ein weiterer Schritt zu einer weltweit einheitlichen Kooperation ist das im Mai 2002 verabschiedete multilaterale MoU der IOSCO. Dieses stellt an 1 Szagunn/Haug/Ergenzinger, § 7 KWG Rz. 21. 2 Nähere Einzelheiten auf den Internetseiten von IOSCO unter http://www.iosco.org.
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§7
Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen im Ausland
die Kooperationsmöglichkeiten eines Zeichners besonders weitgehende Anforderungen, deren Vorliegen in einem gesonderten IOSCO-internen Verfahren geprüft wird. Ende 2011 hatten 80 Behörden, darunter die Bundesanstalt, das IOSCO MoU gezeichnet. Eine aktuelle Liste der Zeichner ist auf der Homepage der IOSCO1 erhältlich.
III. Ausschließliche Zuständigkeit (Döhmel) Nicht nur in Fragen der Wertpapieraufsicht, sondern auch in Angelegenheiten, die 10 die Börsenaufsicht der Länder betreffen, ist die Bundesanstalt zuständig für die internationale Zusammenarbeit. Dies gewinnt im Hinblick auf „remote membership“ oder auf die Kooperation von Börsen aus unterschiedlichen Staaten zunehmend an Bedeutung und ist im Bereich der EU durch die Richtlinien zwingend vorgeschrieben. Die umfassende Zuständigkeit der Bundesanstalt ist notwendig, da nur über eine zentrale Behörde die internationale Kooperation effizient abgewickelt werden kann und den ausländischen Stellen auch in Börsenaufsichtsangelegenheiten ein geeigneter Ansprechpartner zur Verfügung steht. Hinzu kommt, dass bei der internationalen Zusammenarbeit eine klare Trennung zwischen Wertpapier- und Börsenaufsichtsfragen kaum möglich ist, da im Ausland die Zuständigkeiten für Wertpapierund Börsenaufsicht oft in einer Behörde vereinigt sind. Letztlich entspricht diese weite Kompetenz bei der Zusammenarbeit mit ausländischen Stellen den Regelungen verschiedenen europäischer Richtlinien. Neuere Anforderungen für die bereichsübergreifende Zusammenarbeit im europäischen Rahmen ergeben sich aus Art. 16 der Marktmissbrauchsrichtlinie und aus Art. 56 Abs. 1, 3 Satz 2 der MiFID. Die Außenkompetenz der Bundesanstalt steht in Einklang mit der Zuständigkeitsregelung in Art. 32 GG. Die Zuständigkeiten der Börsenaufsichtsbehörden der Länder nach dem BörsG werden hierdurch nicht berührt2. Zugleich sieht § 7 Abs. 4 Satz 2 BörsG vor, dass die Handelsüberwachungsstelle Da- 11 ten über Geschäftsabschlüsse auch den zur Überwachung des Handels zuständigen Stellen übermitteln und solche Daten von diesen Stellen empfangen kann, soweit sie zur ordnungsgemäßen Durchführung des Handels und der Börsengeschäftsabwicklung erforderlich sind. Entsprechend erfordert die Wahrnehmung der Börsenaufsichtsinteressen im internationalen Bereich eine enge Kooperation zwischen den Landesaufsichtsbehörden und der Bundesanstalt. Die internationale Tätigkeit im Sinne dieser Vorschrift kann auch nur dann funktionieren, wenn die Börsenaufsichtsbehörden der Länder die erforderliche Amtshilfe insbesondere beim Informationsaustausch gewähren3. Die Bundesanstalt hat im Rahmen der Wahrnehmung der Aufsichtsinteressen der Länder keine materielle Gestaltungskompetenz. Ihr steht jedoch nach § 4 WpHG ein Bewertungsspielraum dahin gehend zu, ob Börsenaufsichtsinteressen möglicherweise mit dem Missstandsbegriff kollidieren. Dies wäre etwa der Fall, wenn gegen den Marktzutritt in elektronischer Weise aus Drittstaaten von einer Landesaufsichtsbehörde nicht eingeschritten würde, es in diesem Drittstaat jedoch kein vergleichbares Insiderrecht mit Möglichkeiten der Feststellung und Weitergabe der Namen von Auftraggebern aus insoweit verdächtigen Geschäften an die Bundesanstalt gäbe (vgl. §§ 37i ff. WpHG).
1 Unter http://www.iosco.org ist die Liste auffindbar unter library/Corporate Documents/ Multilaterale Memorandum of Understanding. 2 Vgl. Begr. RegE 2. FFG zu § 7 Abs. 1 WpHG, BT-Drucks. 12/6679, S. 41 f. 3 Vgl. Begr. RegE 2. FFG zu § 7 Abs. 1 WpHG, BT-Drucks. 12/6679, S. 41 f.
Döhmel
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Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen im Ausland
Die ausschließliche Zuständigkeit der Bundesanstalt für die internationale Zusammenarbeit gilt auch bei Fragen der Bilanzkontrolle nach §§ 37n ff. WpHG (§ 37s WpHG). Wie bei der internationalen Zusammenarbeit zu Fragen der Börsenaufsicht ist es auch bei der Zusammenarbeit zu Fragen der Bilanzkontrolle von Bedeutung, dass Prüfstelle und Bundesanstalt intensiv Informationen austauschen. Die Bundesanstalt wird in diesem Teibereich der internationalen Zusammenarbeit im Benehmen mit der Prüfstelle tätig.
IV. Europäische Zusammenarbeit im Einzelfall (Döhmel) 13
Neben der grundsätzlichen Zusammenarbeit der Bundesanstalt auf europäischer Ebene, die in § 7 Abs. 1 Satz 1 WpHG geregelt ist, spielt die Zusammenarbeit in Einzelfällen eine große Rolle. Diese Zusammenarbeit in Einzelfällen wird mit Aufsichtsbehörden aus Staaten der EU und des EWR praktiziert. Gleiches gilt für die grundsätzliche Zusammenarbeit als auch die Zusammenarbeit in Einzelfällen mit Aufsichtsbehörden sog. Drittstatten. In diesem Abschnitt soll zunächst erst die Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen von EU- und EWR-Staaten dargestellt werden. Die Besonderheiten der Zusammenarbeit mit Stellen in sog. Drittstaaten wird im V. Abschnitt dargestellt (Rz. 26). Im Rahmen der europäischen Zusammenarbeit verlangt § 7 Abs. 2a WpHG von der Bundesanstalt neben der konkreten Kooperation auch Vorkehrungen für eine wirksame Zusammenarbeit zu treffen, wenn grenzüberschreitende Tätigkeiten organisierter Märkte wesentliche Bedeutung für das Funktionieren der Wertpapiermärkte und den Anlegerschutz haben. Diese Verpflichtung setzt Art. 56 Abs. 2 der Finanzmarktrichtlinie um. Entsprechend wird zur Bestimmung, wann das Betreiben eines organisierten Marktes in einem Aufnahmestaat eine wesentliche Bedeutung erlangt, auf Art. 16 der EU-Durchführungsverordnung1 zur Finanzmarktrichtlinie verwiesen. 1. Ausländische Stellen
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Die Befugnis der Bundesanstalt zur Zusammenarbeit bezieht sich auf bestimmte Stellen im Ausland. Die internationale Zusammenarbeit findet mit den „Stellen“ der Europäischen Union2, der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum statt, die zuständig sind für die Überwachung von Verhaltens- und Organisationspflichten von Unternehmen, die Wertpapierdienstleistungen erbringen, von Finanzinstrumenten und von Märkten, an denen Finanzinstrumente oder Waren gehandelt werden. Die Zuständigkeit ergibt sich aus dem jeweiligen nationalen Recht. Welchen rechtlichen Status die „Stelle“ nach den jeweiligen Vorschriften haben muss, wird im Gesetz nicht näher erläutert. Eine Definition ist im Hinblick auf unterschiedliche Rechtssysteme und sich auch ändernde Organisationsstrukturen weder zweckmäßig noch erforderlich. Für die Bundesanstalt reicht es vielmehr aus, dass die Stelle Überwachungsaufgaben i.S. des § 7 Abs. 1 WpHG aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Vorschriften oder durch sonstigen staatlichen Auftrag wahrnimmt.
1 VO (EG) 1287/2006, ABl. Nr. L 241 v. 2.9.2006, S. 1. 2 Vgl. BT-Drucks. 17/6255, S. 28 f.: Durch die Aufnahme der zuständigen EU-Stellen wird sichergestellt, dass die Zusammenarbeit sich unter anderem auch auf ESMA erstreckt, und damit zugleich Art. 3 Nr. 5, Unterabs. 1, Art. 6 Nr. 28, Unterabs. 1 und Art. 7 Nr. 14 (a), Unterabs. 2 der Omnibusrichtlinie I (2010/78/EU) umgesetzt.
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2. Nutzung der WpHG-Befugnisse § 7 Abs. 1 Satz 2 WpHG bestimmt, dass die Bundesanstalt alle Befugnisse, die ihr das 15 WpHG in rein nationalen Sachverhalten verleiht, auch zur Bearbeitung von Amtshilfeersuchen einsetzen kann, die von einer zuständigen ausländischen Stelle eines EUoder EWR-Staates an sie gestellt werden. Hierbei ist es unbeachtlich, ob das Ersuchen gestellt wird zum Zweck der Überwachung der Einhaltung der Verbote oder Gebote des WpHG oder der Verbote oder Gebote der anderen EWR-Staaten, die denen des WpHG oder des Börsengesetzes1 entsprechen. Voraussetzung der Nutzung der Befugnisse in diesem Rahmen ist, dass die Maßnahmen geeignet und erforderlich sind, um dem Ersuchen der ausländischen Stelle nachzukommen. Rechtstechnisch handelt es sich hierbei um Rechtsfolgeverweisungen. Voraussetzung für die Anwendung der Befugnisse ist eine entsprechende Anfrage einer ausländischen Aufsichtsbehörde und die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Maßnahme. Voraussetzung in diesem Kontext ist nicht, dass z.B. bei Auskunfts- oder Vorlageersuchen nach § 4 Abs. 3 WpHG auch Anhaltspunkte für die Überwachung der Einhaltung der Ge- und Verbote des WpHG vorliegen. Im Rahmen der Zusammenarbeit führt die Bundesanstalt auf Ersuchen der auslän- 16 dischen Stelle Untersuchungen durch und übermittelt unverzüglich alle Informationen (§ 7 Abs. 2 Satz 1 WpHG). Zur Durchführung der Untersuchungen kann die Bundesanstalt auf die Befugnisse zurückgreifen, die ihr über § 7 Abs. 1 Satz 2 WpHG verliehen wurden. D.h., sofern die von der ausländischen Stelle erbetenen Informationen nicht bereits bei der Bundesanstalt vorhanden sind – wie beispielsweise die Meldedaten nach § 9 WpHG –, macht sie zur Erledigung des Amtshilfeersuchens von ihren Befugnissen nach dem WpHG Gebrauch (§ 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 WpHG i.V.m. § 4 WpHG) oder sie ersucht eine andere inländische Behörde, die die Informationen liefern kann, um Amtshilfe (§§ 4 ff. VwVfG). Andere Behörden, wie etwa die Handelsüberwachungsstellen der Börsen (§ 7 Abs. 5 Satz 4 und 5 BörsG) und das Bundeskartellamt (§ 50c Abs. 2 GWB), sind kraft eigener Zuständigkeit zur Informationsbeschaffung verpflichtet. Die Bundesanstalt darf ihre Befugnisse auch dann noch zur Erfüllung ausländischer Amtshilfeersuchen nutzen, wenn schon staatsanwaltliche Ermittlungen im Rahmen eines Strafverfahrens laufen und wenn keine Gefährdung des Untersuchungszwecks der Strafverfolgungsbehörden oder -gerichte zu besorgen ist. Bei allen Ersuchen ist das in Art. 15 der EU-Durchführungsverordnung (1287/2006/EG) beschriebene Verfahren einzuhalten. Das bedeutet z.B., dass die Ersuchen grundsätzlich schriftlich gestellt werden müssen, dass der Eingang der Ersuchen bestätigt wird und unverzüglich die Informationen zu übermitteln oder die Gründe anzugeben sind, warum sich die Beantwortung verzögert. Die entsprechenden Informationen sind der zuständigen ausländischen Stelle zu übermitteln. Der Informationsbegriff ist identisch mit dem Tatsachenbegriff in § 8 WpHG (vgl. § 8 Rz. 7), wozu auch die Insiderinformationen gehören. Danach sind sämtliche Erkenntnisse, die in amtlicher Tätigkeit gewonnen werden, Informationen. Es können also auch die Kenntnis über bestimmte Absichten von Beaufsichtigten oder die Existenz eines Gerüchts Informationen sein. Sie müssen jedoch für – die Überwachung der in § 7 Abs. 2 WpHG genannten Sachverhalte oder – die Durchführung damit zusammenhängender Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren erforderlich sein. 1 Hinsichtlich der Einbeziehung der dem Börsengesetz entsprechenden Regelungen vgl. § 7 Rz. 10.
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Bei der Übermittlung von Informationen an ausländische Stellen ist die Bundesanstalt gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 WpHG verpflichtet, den Verwendungszweck zu bestimmen. Wichtig für den Informationsaustausch ist die Möglichkeit der ersuchenden Behörde, die empfangenen Informationen an die Strafverfolgungsbehörden weiterleiten zu können, sofern Anhaltspunkte für eine Straftat mit Bezug zu den in § 7 Abs. 2 Satz 1 WpHG genannten Regelungsbereichen vorliegen. Daher ist der Empfänger darauf hinzuweisen, dass er die übermittelten Informationen einschließlich personenbezogener Daten nur zur Erfüllung von Überwachungsaufgaben nach § 7 Abs. 2 Satz 1 WpHG und damit zusammenhängender Verwaltungs- und Gerichtsverfahren verwenden darf. Unzulässig wäre demgegenüber eine Verwendung der übermittelten Informationen für Strafverfahren wegen anderer, insbesondere steuerlicher Straftaten. Bei sensiblen Informationen, die nicht den in § 7 Abs. 2 Satz 1 WpHG genannten Bereichen zuzuordnen sind, verbietet sich die Übermittlung von selbst. Entsprechendes gilt für Informationen, die der Bundesanstalt zwar dienstlich bekannt werden, die aber für den Betroffenen rein privater Natur sind. 3. Untersagung oder Aussetzung des Handels
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Unter der Voraussetzung, dass die Interessen der Anleger oder der ordnungsgemäße Handel an dem betreffenden Markt nicht erheblich gefährdet werden, ist die Bundesanstalt bei einem entsprechenden Ersuchen einer EU-Aufsichtsstelle sogar befugt, an einem inländischen Markt die Untersagung oder Aussetzung des Handels nach § 4 Abs. 2 Satz 2 WpHG anzuordnen. Diese Regelung setzt Art. 41 Abs. 2 MiFID um. Diese Regelung verlangt, dass innerhalb der EU bei behördlichen Aussetzungen des Handels in bestimmten Finanzinstrumenten, die aussetzende Behörde die zuständigen Behörden der anderen Mitgliedsstaaten informiert und diese ihrerseits den Handel in diesen Instrumenten aussetzen lassen, außer wenn Anlegerinteressen oder das ordnungsgemäße Funktionieren des Marktes dadurch erheblich geschädigt werden können. Entsprechend korrelliert die Pflicht der ausländischen Stellen, die Bundesanstalt von Aussetzungen, Untersagungen oder Einstellungen des Handels zu informieren, mit der in § 7 Abs. 5 Satz 3 WpHG für die Bundesanstalt normierten Pflicht, die zuständigen europäischen Stellen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 WpHG zu informieren. 4. Gestattung der Teilnahme an Untersuchungen
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Die Möglichkeit, dass die Bundesanstalt Bediensteten zuständiger Stellen anderer Staaten auf deren Ersuchen die Teilnahme an hiesigen Untersuchungen gestatten kann, war zunächst in § 7 Abs. 2 Satz 3 WpHG geregelt. Diese Befugnis, die Art. 16 Abs. 4 der Marktmissbrauchsrichtlinie umsetzt, ist in § 7 Abs. 2b Satz 1 WpHG übernommen worden. In Umsetzung des Art. 32 Abs. 8 der Finanzmarktrichtlinie wird den ausländischen Stellen des Herkunftsstaates auch gestattet, durch eigene Mitarbeiter oder Beauftragte einschließlich Wirtschaftsprüfern und Sachverständigen, die zur Erfüllung ihrer Überwachungsaufgaben erforderlichen Informationen bezüglich der Beaufsichtigung von Zweigniederlassungen i.S. des § 53b KWG selbst zu erheben. Diese Befugnis vervollständigt die bankenrechtlichen Befugnisse nach § 53b Abs. 6 KWG. An den gemeinsamen Untersuchungen der Bundesanstalt und zuständiger Stellen anderer Staaten können auch die Bediensteten von ESMA teilnehmen. Diese Änderung durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2010/78/EU setzt Art. 6 Nr. 22 (b), Unterabs. 1 der Omnibusrichtlinie I um, mit dem Art. 57 Abs. 2 der MiFID (2004/39/EG) eingefügt wird.
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5. Eigene Prüfungen ausländischer Stellen Soweit es für die Überwachung der Einhaltung der Meldepflichten nach § 9 WpHG, 21 der Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach den §§ 31 bis 34 WpHG oder entsprechender ausländischer Vorschriften durch eine Zweigniederlassung i.S. des § 53b Abs. 1 Satz 1 KWG erforderlich ist, sind die entsprechenden Aufsichtsbehörden der EU- und EWR-Staaten sogar befugt, Informationen bei dieser Zweigniederlassung zu prüfen. Diese Prüfung können sie selbst – durch ihre Bediensteten – oder durch ihre Beauftragten vornehmen. Voraussetzung ist die vorherige Unterrichtung der Bundesanstalt. 6. Kooperationshindernisse § 7 Abs. 3 WpHG zählt die Gründe für eine Verweigerung der Zusammenarbeit mit 22 den zuständigen Stellen im EU- oder EWR-Ausland abschließend auf. Es müssen hierfür entweder die Gefahr der Beeinträchtigung der Souveränität, die Sicherheit oder die öffentliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland bestehen oder gegen die betreffenden Personen auf Grund desselben Sachverhalts bereits ein gerichtliches Verfahren eingeleitet worden oder eine unanfechtbare Entscheidung ergangen sein. Bei Vorliegen der Gründe kann die Bundesanstalt die Bearbeitung ausländischer Amtshilfeersuchen ganz oder teilweise verweigern, sei es die Verweigerung einer Untersuchung, Informationsermittlung oder der Teilnahme von Bediensteten zuständiger ausländischer Stellen oder das Nichtnachkommen eines Ersuchens. In einem solchen Fall hat die Bundesanstalt die Gründe der ersuchenden Stelle und ESMA unverzüglich darzulegen und ggf. genaue Informationen über das gerichtliche Verfahren oder die unanfechtbare Entscheidung zu geben. Die Vorschrift setzt Art. 16 Abs. 2 der Marktmissbrauchsrichtlinie und Art. 6 Nr. 25 der Omnibusrichtlinie I (2010/78/EU) um, mit dem Art. 59 Abs. 2 der MiFID (2004/39/EG) geändert wird. Die entsprechende Ermächtigung für die Bundesanstalt, ESMA darüber zu informieren, dass eine Stelle im Ausland ihrem Ersuchen auf Zusammenarbeit nicht nachkommt, einschließlich der Bitte um Hilfe nach Art. 19 ESMA-VO, ist in § 7 Abs. 4 Satz 9 WpHG enthalten. 7. Ersuchen der Bundesanstalt ins Ausland Die Kompetenz der Bundesanstalt, Unterstützung bei den ausländischen Behörden 23 der EU- und EWR-Mitgliedsstaaten anzufordern, ist in § 7 Abs. 4 WpHG spiegelbildlich zu den schon beschriebenen Möglichkeiten der Inanspruchnahme der Bundesanstalt geregelt und setzt die Vorgaben der Finanzmarktrichtlinie um. Das bedeutet im Einzelnen, dass die Bundesanstalt gleichfalls die zuständigen Stellen um die Durchführung von Untersuchungen, die Übermittlung von Informationen und die Teilnahme von Bediensteten der Bundesanstalt an Untersuchungen der ausländischen Stellen ersuchen kann. Gleichfalls kann die Bundesanstalt mit Einverständnis oder – bei Zweigstellen – nach Unterrichtung der ausländischen Stelle eigene Untersuchungen im Ausland durchführen oder Wirtschaftsprüfer beauftragen. Die Bundesanstalt kann sich aber auch unmittelbar mit Anordnungen, wie z.B. Auskunfts- oder Vorlageersuchen, an ausländische Unternehmen wenden, die Mitglieder inländischer organisierter Märkte sind. Von diesem Vorgang muss die Herkunftsstaatsaufsicht des Unternehmens in Kenntnis gesetzt werden. Soweit sich Hindernisse bei der Umsetzung der Ersuchen der Bundesanstalt ergeben, kann auf die Ausführungen in der Rz. 22 verwiesen werden.
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8. Informationsverwendung 24
Werden der Bundesanstalt von einer Stelle eines anderen Staates Informationen mitgeteilt, so darf sie diese grundsätzlich nur zur Erfüllung von Überwachungsaufgaben nach § 7 Abs. 2 Satz 1 WpHG und für damit zusammenhängende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren verwenden. Von dieser Regelung unberührt bleiben die Verpflichtungen der Bundesanstalt zur Informationsweitergabe in strafrechtlichen Angelegenheiten, die Verstöße gegen Verbote nach den Vorschriften dieses Gesetzes zum Gegenstand haben. Das bedeutet, dass die Bundesanstalt z.B. ihren Verpflichtungen nach § 4 Abs. 5 WpHG nachkommen kann. Die Bundesanstalt darf die erlangten Informationen zudem – unter Beachtung der Zweckbestimmung der übermittelnden Stelle – den in § 6 Abs. 2 WpHG genannten Stellen mitteilen, sofern dies für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Hier ist beispielsweise an eine Informationsweitergabe an die Bundesbank oder die Handelsüberwachungsstellen zu denken. Eine über die aufgezeigten Fallgruppen hinausgehende Verwendung der Informationen ist nur mit Zustimmung der übermittelnden Stelle zulässig. Auf diese Zustimmung kann in begründeten Ausnahmefällen verzichtet werden. In einem solchen Fall muss dieses der übermittelnden Stelle dann aber unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) mitgeteilt und die jeweiligen Gründe angegeben werden. Eine Rückausnahme hiervon ist für Informationen im Zusammenhang mit Insiderhandel oder Marktmanipulation vorgesehen, bei denen auf die Zustimmung für eine anderweitige Verwendung der Informationen nicht verzichtet werden kann. 9. Unterrichtungspflichten
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Nach § 7 Abs. 5 WpHG hat die Bundesanstalt, sowie sie hinreichende Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Verbote oder Gebote nach den Vorschriften des WpHG oder nach entsprechenden ausländische Vorschriften hat, diese der ESMA und der zuständigen ausländischen Aufsichtsstelle mitzuteilen1. Zuständig ist die Stelle des Staates, auf dessen Gebiet die vorschriftswidrige Handlung stattfindet oder stattgefunden hat oder auf dessen Gebiet die betroffenen Finanzinstrumente an einem organisierten Markt gehandelt werden oder der nach den europarechtlichen Regelungen2 für die Verfolgung des Verstoßes zuständig ist. Durch diese gegenseitige, aktive Unterstützung soll eine effektivere Überwachung des Gemeinschaftlichen Binnenmarktes erreicht werden3. Sind die von der zuständigen ausländischen Stelle daraufhin getroffenen Maßnahmen unzureichend oder wird weiterhin gegen die Vorschriften dieses Gesetzes oder gegen die entsprechenden ausländischen Vorschriften verstoßen, ergreift die Bundesanstalt nach vorheriger Unterrichtung der zuständigen Stelle alle für den Schutz der Anleger erforderlichen Maßnahmen und unterrichtet davon die Europäische Kommission und die ESMA. Eine entsprechende subsidiäre Kompetenz der Bundesanstalt verlangt schon Art. 26 Abs. 2 Transparenzrichtlinie. Die Bundesanstalt kann diese im Rahmen der Missstandsaufsicht nach § 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 WpHG wahrnehmen. Erhält die Bundesanstalt eine entsprechende Mitteilung von einer zuständigen ausländischen Stelle, unterrichtet sie diese sowie ESMA über Ergebnisse daraufhin eingeleiteter Untersuchungen. Die Bundesanstalt hat ferner die zuständigen ausländischen Stellen und ESMA über Anordnungen zur Aussetzung, Untersagung oder Einstellung des Handels nach § 4 Abs. 2 Satz 2 WpHG sowie § 3 1 Die Regelung setzt Art. 26 Abs. 1 und 2 Transparenzrichtlinie (2004/109/EG) sowie Art. 56 Abs. 4 MiFID (2004/39/EG) einschließlich der Änderungen aus Art. 6 Nr. 21 (b) und Art. 7 Nr. 15 der Omnibusrichtlinie I (2010/78/EU) um. 2 Vgl. Art. 26 Abs. 1 Transparenzrichtlinie (2004/109/EG). 3 Vgl. Begr. RegE zum TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 31.
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Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 und § 25 Abs. 1 BörsG zu unterrichten1. Letztlich hat die Bundesanstalt innerhalb eines Monats nach Erhalt die Information weiterzuleiten, die sie von der Geschäftsführung einer inländischen Börse erhalten hat, dass diese Handelsteilnehmern aus EU-Staaten einen unmittelbaren Zugang zu ihrem Handelssystem gewähren wird (§ 19 Abs. 10 BörsG). Empfänger der Mitteilung ist (nur) die zuständige ausländische Stelle des Sitzstaates des Marktteilnehmers, nicht aber auch ESMA. Diese Regelung setzt Art. 41 Abs. 1 Unterabs. II Satz 2, Abs. 2 Satz 1 und Art. 42 Abs. 6 Unterabs. II Satz 2 der MiFID um2.
V. Zusammenarbeit mit Drittstaaten im Einzelfall (Döhmel) Die Zusammenarbeit mit Drittstaaten, also Staaten außerhalb der EU und des EWR, 26 wird in § 7 Abs. 7 WpHG geregelt. Zu beachten ist hier, dass eine Zusammenarbeit mit den dort zuständigen Stellen im Ermessen der Bundesanstalt steht. Im Übrigen wird bezüglich der Ausgestaltung der Zusammenarbeit mit Dritstaaten auf die Regelungen in § 7 Abs. 1–6 WpHG verwiesen. Danach stehen der Bundesanstalt die gleichen Befugnisse wie bei der Zusammenarbeit innerhalb der EU zu, und die Bundesanstalt ist gleichfalls berechtigt, Vereinbarungen über die Zusammenarbeit (MoU) abzuschließen. Abweichungen zu den Regelungen zur Zusammenarbeit innerhalb der EU und EWR ergeben sich aus § 7 Abs. 7 Satz 2 bis 4 WpHG bezüglich der Verwendung der übermittelten Daten. Durch diese Modifizierungen wird der Zweckbestimmung ein unbedingter Vorrang gewährt. So darf die Bundesanstalt die Daten aus den Drittstaaten zwar grundsätzlich im gleichen Umfang verwenden und an andere inländische Stellen weitergeben. Nur bedarf die Weitergabe an die Deutsche Bundesbank oder das Kartellamt einer ausdrücklichen Zustimmung der übermittelnden Stelle. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass eine Weitergabe an die beiden Behörden für den ausländischen Drittstaat nur schwer vorhersehbar ist und in der Zweckbestimmung möglicherweise nicht berücksichtigt wird. Hierdurch und durch den Ausschluss der ausnahmsweisen Weitergabe der Information ohne Zustimmung nach § 7 Abs. 4 Satz 8 WpHG soll eine überraschende Verwendung ausgeschlossen und eine vertrauensvolle internationale Zusammenarbeit sichergestellt werden3. Sofern ein bilaterales oder ein multilaterales MoU besteht (s. oben Rz. 7–9), sollen das Ersuchen und die Antwort nach Form und Inhalt den Bestimmungen des MoU genügen. Über den Abschluss von solchen Vereinbarungen über den Informationsaustausch hat die Bundesanstalt ESMA zu unterrichten. Diese Regelung, die mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2010/78/EU eingefügt wurde, setzt Art. 7 Nr. 14 (c) der Omnibusrichtlinie I um, der seinerseits Art. 25 Abs. 4 der Transparenzrichtlinie (2004/109/EG) ändert.
VI. Grenzen der Datenübermittlung (Döhmel) Die Grenzen der Übermittlung von Tatsachen und Informationen ergeben sich neben 27 den in § 7 WpHG gesetzten Schranken zunächst aus der Verschwiegenheitspflicht nach § 8 Abs. 1 WpHG. Danach dürfen unter § 8 WpHG fallende Tatsachen an eine Stelle eines anderen Staates nur weitergegeben werden, wenn diese Stelle und die von ihr beauftragten Personen einer den Vorschriften des § 8 WpHG entsprechenden 1 Die Vorschrift setzt Art. 6 Nr. 14 der Omnibusrichtlinie I (2010/78/EU) um, der Art. 41 Abs. 2 MiFID (2004/39/EG) ändert. 2 Vgl. Begr. RegE zum FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 61. 3 Vgl. Begr. RegE zum FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 61.
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Verschwiegenheitspflicht unterliegen (§ 8 Abs. 1 Satz 5 WpHG). Die Übermittlung personenbezogener Daten unterbleibt, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass durch die Übermittlung gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen wird oder schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt werden. In diesem Zusammenhang sind stets die sich aus dem Datenschutzrecht ergebenden Grenzen zu prüfen. Soweit allerdings die Übermittlung in ein EU-Mitgliedsland erfolgen soll, geht das Gesetz ohne Weiteres von einem hinreichenden Schutzniveau gemäß der EU-Datenschutzrichtlinie (RL 46/19951) aus. 28
Nur bei Informationsübermittlung an Stellen in Drittstaaten hat die Bundesanstalt gemäß § 7 Abs. 7 Satz 3 WpHG das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4b BDSG („Übermittlung personenbezogener Daten ins Ausland sowie an über- oder zwischenstaatliche Stellen“) zu prüfen. Hier erlangen die in dem jeweils einschlägigen bilateralen oder multilateralen MoU enthaltenen Bestimmungen zur Vertraulichkeit Bedeutung, soweit sie auf bestehende nationale Vorschriften gestützt sind. Bisweilen scheitert der Abschluss eines MoU mit einem Drittstaat daran, dass dieser in seinen Gesetzen vorsieht, dass übermittelte Informationen den Finanzbehörden zur Verfügung gestellt werden müssen oder können. Soweit personenbezogene Daten nicht kraft ausdrücklicher Regelungen des WpHG erhoben werden, richtet sich die Erhebung solcher Daten nach §§ 1 Abs. 2 Nr. 1, 13 BDSG. Danach ist das Erheben personenbezogener Daten zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung der Aufgaben der erhebenden Stelle, also der Bundesanstalt, erforderlich ist. Nach § 3 Abs. 4 BDSG ist unter Erheben das Beschaffen von Daten über den Betroffenen zu verstehen. Daten der hier gemeinten Art sind z.B. Angaben darüber, dass ein staatsanwaltliches Verfahren gegen eine Einzelperson eingeleitet wurde (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 BDSG).
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Im Rahmen der Abwägung, ob schutzwürdige Interessen eines Betroffenen beeinträchtigt werden (§ 4b Abs. 2 Satz 2 BDSG), ist zu berücksichtigen, dass ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 7 WpHG2 einer effektiven internationalen Kooperation der Aufsichtsbehörden eine besondere Bedeutung zukommt. Regelmäßig werden aber schutzwürdige Interessen insbesondere dann beeinträchtigt, wenn im Empfängerland kein angemessener, d.h. in etwa deutschen Verhältnissen entsprechender Datenschutz gewährleistet ist. Schutzwürdige Interessen könnten auch dann beeinträchtigt sein, wenn eine Datenübermittlung beispielsweise wegen eines geringen Deliktes erfolgt und es in der Natur der Sache liegt, dass mit der Übermittlung der Daten auch auf Sachverhalte geschlossen werden könnte, die keinen Bezug zum Wertpapierhandel aufweisen.
VII. Von ausländischen Stellen empfangene Informationen (Döhmel) 30
Hinsichtlich solcher Daten ist die Zweckbindung einzuhalten, soweit sie – wie international üblich – mit einer Zweckbindung übermittelt wurden. Insbesondere gilt auch die strikte Verschwiegenheitspflicht nach § 8 Abs. 2 letzter Halbsatz WpHG, d.h. sie dürfen keinesfalls den Finanzbehörden zum Zweck einer gleichmäßigen Besteuerung zur Verfügung gestellt werden. Sollten diese Daten etwa durch zulässiges Einbeziehen in ein Gerichtsverfahren öffentlich werden, wäre ein Verwertungsverbot in Bezug auf die Finanzbehörden zu prüfen. 1 ABl. EG Nr. L 281 v. 23.11.1995, S. 31. 2 BT-Drucks. 12/6679, S. 41 f.
274 Döhmel
§7
Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen im Ausland
Unter Beachtung der Zweckbestimmung dürfen diese Informationen von der Bundesanstalt auch an die in § 6 Abs. 2 WpHG benannten Stellen, wie den Börsenaufsichtsbehörden und den Handelsüberwachungsstellen der Börsen, mitgeteilt werden (§ 7 Abs. 4 Satz 6 WpHG). Hinsichtlich weiterer Einzelheiten kann bezüglich des Datenaustauschs mit zuständigen Stellen von EWR-Staaten auf die Regelungen in § 7 Abs. 4 Satz 6 bis 8 WpHG und bezüglich des Austauschs mit zuständigen Stellen in Drittstaaten auf die etwas abweichenden Regelungen in § 7 Abs. 7 Satz 2 und 3 WpHG verwiesen werden.
VIII. Internationale Rechtshilfe in Strafsachen (§ 7 Abs. 6 WpHG) (Vogel) 1. Regelungsbereich des § 7 Abs. 6 WpHG Vor Inkrafttreten des AnSVG war eine dem § 7 Abs. 6 WpHG wortgleiche Bestim- 31 mung in § 7 Abs. 4 WpHG a.F. enthalten. Diese Vorschrift sollte im Ausgangspunkt klarstellen, dass sich die internationale Zusammenarbeit in Strafsachen nach den Regeln über die internationale Rechtshilfe richte, die nicht dadurch umgangen werden dürften, dass die ggf. weiter reichenden verwaltungsrechtlichen Regeln der internationalen Amtshilfe angewendet würden. Daraus wurde in diesem Kommentar abgeleitet (3. Aufl. Rz. 23), dass, lägen der Bundesanstalt Anhaltspunkte dafür vor, dass die Anfrage der ausländischen Stelle vor dem Hintergrund der Ermittlungen in einer strafrechtlichen Angelegenheit erfolge, eine Informationsübermittlung nicht gemäß § 7 WpHG erfolgen könne; vielmehr müssten die Verfahren und Voraussetzungen des je anwendbaren Rechts der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen eingehalten werden (§§ 59 ff. IRG bzw. vorrangiges Völkervertrags- und Europarecht, vgl. § 1 Abs. 3, 4 IRG). Ebenso meinte Beck1, dass der Informationsaustausch bei Sachverhalten, bei denen strafrechtliche Ermittlungen oder ein Strafverfahren zugrunde lägen, nicht nach § 7 WpHG erfolge; Gleiches gelte für den Informationsaustausch in Ordnungswidrigkeitenverfahren. Durch die neue Absatzzählung hat der Gesetzgeber an sich keine Änderung bezweckt und nur hervorgehoben, § 7 Abs. 6 WpHG gelte „für den gesamten neuen Anwendungsbereich des § 7“2. Gleichwohl wird vertreten3, das Recht der internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen könne die Bestimmungen des gemeinschaftsrechtlich fundierten Kooperationsrechts nach § 7 WpHG nicht verdrängen. Soweit Art. 16 Abs. 1 Satz 2 Marktmissbrauchsrichtlinie nur von „Amtshilfe“ spreche, sei das eine unzureichende Übersetzung; im englischen Text sei von „assistance“ unter den „competent authorities“ die Rede, und es werde nicht zwischen Amts- und Rechtshilfe unterschieden. Insbesondere dürfe die Bundesanstalt Daten aus deutschen Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren selbständig nach § 7 WpHG an die zuständigen Stellen im Ausland übermitteln und derartige Informationen auch im Ausland einfordern. Der Vorrang der Justizbehörden bei der internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen sei kein unantastbarer Grundsatz, der Vorrang vor europäischem Sekundärrecht beanspruchen könne. Diese Auffassung überzeugt nicht, weil sie nachweislos 1 Beck, in: Schwark, § 7 WpHG Rz. 16 zu § 7 Abs. 4 WpHG a.F. und in: Schwark/Zimmer, § 7 WpHG Rz. 30, wenn es „hauptsächlich um strafrechtliche Ermittlungen oder ein Strafverfahren geht“. 2 S. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3173, S. 32. 3 Carny, in: KölnKomm. WpHG, § 7 Rz. 38 ff.; dagegen Beck, in: Schwark/Zimmer, § 7 WpHG Rz. 30.
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§7
Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen im Ausland
und ohne Auseinandersetzung mit der Gegenauffassung vorgetragen wird und in der Begründung mehrfach verfehlt erscheint: Der deutsche Richtlinientext ist ebenso amtlich wie der englische; es ist bereits kompetenzrechtlich fragwürdig, ob in der Marktmissbrauchsrichtlinie, einem Rechtsinstrument nach dem früheren EGV als früherer „erster Säule“ der EU, Bestimmungen über die Rechtshilfe in Strafsachen getroffen werden können, die Gegenstand des früheren Titels VI EUV als früherer „dritter Säule“ der EU ist; die Übermittlung von Daten aus deutschen Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren an ausländische Behörden für andere als straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtliche Zwecke ist bereits begrifflich keine Rechtshilfe in Strafsachen. Immerhin geben die hier aufscheinenden Missverständnisse Anlass zu einer differenzierten Analyse des Regelungsbereichs des § 7 Abs. 6 WpHG: 33
Von vornherein außerhalb des Anwendungsbereichs des § 7 WpHG liegt die Zusammenarbeit der Bundesanstalt mit ausländischen Justizbehörden (Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft, Gerichte), die mit Strafverfahren wegen Marktmissbrauchs befasst sind. Bei eingehenden Ersuchen solcher Behörden gilt vollumfänglich das Recht der internationalen Zusammenarbeit in Strafsachen; insbesondere bedarf es einer Bewilligung durch die jeweils zuständige Bewilligungsbehörde (i.d.R. Staatsanwaltschaft beim örtlich zuständigen Oberlandesgericht). § 7 WpHG deckt auch nicht ausgehende Ersuchen der Bundesanstalt, die unmittelbar an ausländische Justizbehörden gerichtet sind und sich nach dem allgemeinen Recht der internationalen Amtshilfe richten.
34
Arbeitet die Bundesanstalt mit ausländischen Überwachungsstellen („für die Überwachung … zuständigen Stellen“, § 7 Abs. 1 Satz 1 WpHG) im Rahmen der Wertpapierhandelsaufsicht zusammen, so unterfallen Ersuchen, die im Rahmen eines im Ausland geführten Überwachungsverfahrens gestellt werden, ohne Weiteres § 7 Abs. 1–5 WpHG und stellen von vornherein keine Rechtshilfe in Strafsachen i.S. von § 7 Abs. 6 WpHG dar, und zwar auch dann, wenn es um Auskünfte über Erkenntnisse der Bundesanstalt aus eigenen Ordnungswidrigkeitenverfahren oder aus Strafverfahren (vgl. § 40a WpHG) geht. Auch in umgekehrter Richtung ist die Mitteilung ausländischer Stellen von Informationen betreffend strafrechtliche Angelegenheiten zu aufsichtsrechtlichen Zwecken keine Rechtshilfe in Strafsachen, und die Bundesanstalt darf diese Informationen zur Erfüllung ihrer Überwachungsaufgaben – einschließlich der Verdachtsanzeigepflichten – verwenden (§ 7 Abs. 4 Satz 5 WpHG; s. sogleich Rz. 35).
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Problematisch ist allerdings die Konstellation, dass die ausländischen Überwachungsstellen um Informationen bzw. Beweismittel ersuchen, die – auch – in einem ausländischen Sanktions- bzw. Strafverfahren verwendet werden sollen, und ebenso die umgekehrte Konstellation, dass die Bundesanstalt eine ausländische Überwachungsstelle um Informationen bzw. Beweismittel ersucht, um – auch – ein eigenes Ordnungswidrigkeitenverfahren bzw. deutsches Strafverfahren zu fördern. Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 WpHG übermittelt die Bundesanstalt Informationen an ausländische zuständige Stellen nicht nur zu Überwachungszwecken, sondern auch für „damit zusammenhängende Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren“; § 7 Abs. 2 Satz 2 WpHG lässt die Verwendung der übermittelten Informationen auch in solchen Verfahren und „unbeschadet seiner (scil. des Empfängers) Verpflichtungen im Rahmen von Strafverfahren“ zu. Beides entspricht den Vorgaben des Art. 16 Abs. 2 Satz 8 Marktmissbrauchsrichtlinie (und bereits der Vorgängervorschrift des § 19 Abs. 2 Satz 1 a.F. WpHG, s. 3. Aufl. des Kommentars § 19 Rz. 5). Umgekehrt kann die Bundesanstalt ihr übermittelte Informationen nach § 7 Abs. 4 Satz 5 WpHG „unbe-
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schadet ihrer Verpflichtungen in strafrechtlichen Angelegenheiten“ auch für mit Verstößen gegen Verbote des WpHG „zusammenhängende Verwaltungs- und Gerichtsverfahren“ verwenden. Hieraus folgt, dass bei einer amtshilferechtlichen Übermittlung von Informationen nicht verhindert werden kann, dass die übermittelten Informationen für ein Sanktions- bzw. Strafverfahren verwendet und in ihm verwertet werden, soweit es um ahndbare Verstöße gegen das Wertpapierhandelsrecht bzw. um strafbaren Marktmissbrauch (Insiderhandel, Marktmanipulation) geht. Somit kann, was nach § 7 Abs. 2, 4 WpHG formell Amtshilfe in verwaltungsrechtlichen Überwachungsverfahren ist, funktional Rechtshilfe in Strafsachen sein. Man kann hier von einer doppelfunktionellen Hilfe sprechen, die auch in Strafverfahren eingesetzt werden kann und muss, wenn den Hilfeempfänger eine Anzeige- oder Zusammenarbeitspflicht mit den jeweiligen Strafverfolgungsbehörden trifft. Die Frage, ob doppelfunktionelle Hilfe in einem Widerspruch zu § 7 Abs. 6 WpHG 36 steht, weil so im Ergebnis die Voraussetzungen der Leistung von Rechtshilfe in Strafsachen keine Rolle mehr spielen, ist im Gesetzgebungsverfahren des AnSVG durchaus thematisiert worden. Der Bundesrat wollte „unmissverständlich klargestellt“ wissen, dass mit § 7 WpHG „kein Sonderrechtshilferecht geschaffen wird“1. Der Finanzausschuss ist dem in der Weise nachgekommen, dass in § 7 Abs. 1 Satz 2 WpHG die Zusammenarbeit auf den Zweck der „Überwachung der Einhaltung der Verbote und Gebote“ des WpHG „und entsprechender Verbote oder Gebote dieser Staaten“ beschränkt wurde2. Damit ist das aufgezeigte Problem aber nicht gelöst. Insbesondere ist es schwerlich möglich, im Rahmen des § 7 Abs. 2, 4 WpHG danach zu unterscheiden, ob ein Ersuchen zu genuin überwachungsrechtlichen Zwecken oder zum Zweck der Förderung eines „zusammenhängenden“ Sanktions- oder Strafverfahrens gestellt worden ist. Denn es liegt in der Natur der Sache „Überwachung“, dass präventive Elemente (Finanzmarktaufsicht, Gefahrenabwehr) und repressive Elemente (ordnungswidrigkeitenrechtliche Ahndung, Mitwirkung an Strafverfahren) eng und letztlich untrennbar miteinander verbunden sind; hier zu differenzieren, würde im Bereich des § 7 Abs. 6 WpHG zu kaum lösbaren Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Amts- und Rechtshilfe führen. Das spricht dafür, dass die Zusammenarbeitsbefugnis der Bundesanstalt nach § 7 WpHG, vor allem Abs. 2 und 4, auch dann bestehen bleibt, wenn doppelfunktionell auch Hilfe für ein ausländisches Straf- oder Sanktionsverfahren geleistet wird; in formeller Hinsicht verbleibt es dann bei der Zuständigkeit der Bundesanstalt3. In materieller Hinsicht müssen dem Anliegen, ein „Sonderrechtshilferecht“ zu vermeiden, und den individualrechtlichen Belangen, insbesondere den spezifisch strafprozessrechtlichen Garantien auf nationaler und internationaler Ebene, in vollem Umfang Rechnung getragen werden4. Soll § 7 Abs. 6 WpHG gegenüber § 7 Abs. 2, 4 WpHG einen nennenswerten Regelungsbereich behalten, so muss der Grundsatz gelten, dass doppelfunktionelle Hilfe materiell-rechtlich nicht nur an den Anforderungen des § 7 Abs. 2, 4 WpHG, sondern auch an denen des jeweils anwendbaren Rechtshilferechts zu messen ist. Nur so kann die Umgehung rechtshilferechtlicher Garantien und Kautelen vermieden werden (z.B. das Erfordernis einer ausländischen Beschlagnahmeanordnung bei Ersuchen um Herausgabe von Gegenständen wie etwa Akten, Unterlagen usw., vgl. § 66 Abs. 2 Nr. 2 IRG). In diesem Sinne muss also eine materiell-rechtliche Doppelprüfung stattfinden, insbesondere, wenn ein auslän1 2 3 4
Stellungnahme des BRats (BR-Drucks. 341/04, S. 2); Herv. v. Verf. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (BT-Drucks. 15/3493, S. 12, 51). Insoweit i.E. zutr. Carny, in: KölnKomm. WpHG, § 7 Rz. 41. Ebenso Schlette/Bouchon, in: Fuchs, § 7 WpHG Rz. 36: Das IRG sei „primär anzuwenden (…), wenn es um in erster Linie strafrechtlich geprägte Sachverhalte geht“.
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disches Ersuchen nicht oder nicht in erster Linie für überwachungsrechtliche Zwecke, sondern von vornherein vor strafrechtlichem Hintergrund gestellt wird, es der ausländischen Stelle also nur oder in erster Linie um die Mitwirkung an bereits laufender oder demnächst einzuleitender Strafverfolgung geht. 38
Im Übrigen muss auch bei Informationen, die zunächst ohne nahe liegenden strafrechtlichen Hintergrund an eine ausländische Überwachungsstelle übermittelt werden, sichergestellt sein, dass bei einer möglichen oder gebotenen Weitergabe der Informationen an Strafverfolgungsbehörden die strafprozessualen Mindeststandards gewahrt werden, insbesondere die Verteidigungsrechte des Beschuldigten in einem fairen, rechtsstaatlichen Verfahren (vgl. Art. 103 Abs. 1 GG; Art. 6 EMRK; Art. 14 IPbR). Kann davon nicht ausgegangen werden, so muss das Ersuchen unter Hinweis auf den deutschen ordre public in § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WpHG abgelehnt werden. Zwar deckt sich die Formulierung „öffentliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland“ nicht mit dem „ordre public“-Vorbehalt des § 73 IRG, der von „wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung“ spricht, und zwar bestehen nicht von der Hand zu weisende Bedenken, § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WpHG individualrechtlich „aufzuladen“ (vgl. demgegenüber den eindeutig individualschützenden § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WpHG). Jedoch dürfen sich solche Systembrüche zwischen (Überwachungs-)Amtshilfe und (Strafverfolgungs-)Rechtshilfe nicht zum Nachteil des betroffenen Unternehmens bzw. Individuums auswirken. 2. Besonderheiten1 der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen im Regelungsbereich des § 7 Abs. 6 WpHG a) Zuständigkeit der Bundesanstalt
39
Bei der Rechtshilfe in Strafsachen wird traditionell zwischen der justiziellen Rechtmäßigkeitsprüfung (sog. Zulässigkeitsverfahren) und der gouvernementalen Rechtsund vor allem Zweckmäßigkeitsprüfung (sog. Bewilligungsverfahren) unterschieden. Im Regelungsbereich des § 7 Abs. 2, 6 WpHG geht es aber um eingehende Ersuchen um sonstige Rechtshilfe, zu deren Erledigung („Vornahme“) kein Gericht, sondern – wie hier – eine Behörde zuständig ist. In derartigen Fällen entscheidet die Bewilligungsbehörde zugleich verbindlich über die Zulässigkeit der Vornahmehandlung (vgl. § 60 Satz 1 IRG); Zulässigkeitserklärung und Bewilligung liegen also in einer Hand.
40
Wer zuständige Behörde ist, ergibt sich aus § 74 Abs. 1 Satz 2 IRG. Da die Bundesanstalt im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) liegt, ist an sich dieses zuständig. Jedoch hat das BMF von der Möglichkeit des § 74 Abs. 1 Satz 3 IRG Gebrauch gemacht, die Ausübung der Bewilligungsbefugnis der Bundesanstalt zu übertragen, wenn die Vornahme, um die ersucht wird, in den Aufgabenbereich der Bundesanstalt fällt2. Demnach entscheidet die Bundesanstalt regelmäßig über die Bewilligung und damit auch über die Vornahme. Da nicht die Befugnis, sondern nur deren Ausübung übertragen wurde3, bleibt allerdings das BMF berechtigt, die Entscheidung im Einzelfall zu beeinflussen oder gar an sich zu ziehen4. 1 S. zu den allgemeinen Fragen der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen den Überblick bei Vogel, in: Grützner/Pötz/Kreß, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, 3. Aufl. 2007, I A 2 – IRG-Kommentar, Vor § 1 insbes. Rz. 111 ff., 134 ff. 2 Verfügung vom 23.7.1998 (Gz. Vii B 5 – W 6027 – 41/98). 3 S. nur Wilkitzki, in: Grützner/Pötz/Kreß, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, 3. Aufl. 2007, I A 2 – IRG-Kommentar, § 60 Rz. 6. 4 Vgl. OLG Hamm v. 17.12.1973 – 1 VAs 103/73, GA 1975, 178.
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Betroffene Unternehmen oder Personen können gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 IRG eine gerichtliche Zulässigkeitsprüfung durch das zuständige Oberlandesgericht herbeiführen, wenn es sich bei der Maßnahme, um die ersucht wird, um eine nach § 66 IRG statthafte Herausgabe von Gegenständen (z.B. von nach Maßgabe des § 4 Abs. 3 Satz 1 WpHG erlangten Unterlagen etc.) handelt.
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b) Bewilligungsentscheidung In der Sache muss die Bundesanstalt bei der Bewilligungsentscheidung drei Stufen 42 beachten. Erstens muss sie prüfen, ob die Vornahme des Rechtshilfeersuchens rechtlich zulässig ist, d.h. ob es sich um eine Handlung handelt, zu deren Vornahme die Bundesanstalt nach dem WpHG befugt ist. Zu beachten ist dabei, dass die Befugnisse nach § 4 Abs. 2–4 WpHG an den Überwachungsauftrag der Bundesanstalt gebunden sind und parallel anhängige deutsche Strafverfahren nicht beeinträchtigen dürfen (§ 4 Abs. 5 Satz 4 WpHG). Sind diese Voraussetzungen nicht gewahrt, weil z.B. keine Anhaltspunkte für Verstöße gegen das WpHG vorliegen und dementsprechend für Überwachungsmaßnahmen kein Anlass besteht, so darf die Vornahme nicht bewilligt werden. Sodann muss die Bundesanstalt prüfen, ob eine völkerrechtliche Leistungspflicht der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere aufgrund eines einschlägigen Rechtshilfeübereinkommens, besteht. Fehlt es hieran, so muss geprüft werden, ob im Rahmen des dann bestehenden Leistungsermessens gleichwohl dem Ersuchen entsprochen werden kann und soll. Hierbei abzuwägen sind insbesondere die (außen-)politische Zweckmäßigkeit der Vornahme einerseits und die schutzwürdigen Belange des betroffenen Unternehmens oder der Privatperson andererseits. c) Rechtsschutz Der Rechtsschutz gegen die Bewilligungsentscheidung bei eingehenden Ersuchen ist 43 nicht im IRG geregelt und folglich umstritten1. Die bislang h.A. versagte gegen die Bewilligungsentscheidung als solche verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz, weil präventiver Rechtsschutz über die Zulässigkeitsprüfung gewährleistet sei und kein individualrechtlicher Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung bestehe. Das wird in der Literatur mit guten Gründen angefochten. Auch das BVerfG lässt Rechtsschutz gegen Bewilligungsentscheidungen zu, wenn die ihnen zugrunde liegenden Normen auch individualschützenden Charakter haben2. Jedenfalls soweit eine präventive gerichtliche Zulässigkeitsprüfung gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 IRG nicht in Betracht kommt, müssen verwaltungsgerichtliche Rechtsbehelfe in Betracht gezogen werden, gleich ob man in der Bewilligung einen Verwaltungsakt sieht oder nicht3, wenn ansonsten die schutzwürdigen Individualinteressen der Betroffenen im Verfahren unberücksichtigt blieben. Dies muss umso mehr gelten, als die sowohl mit der Vornahme als auch der Bewilligung betraute Bundesanstalt anders als etwa die Staatsanwaltschaft (vgl. § 160 Abs. 2 StPO) und Gerichte nicht originär auch zum Schutz des betroffenen Unternehmens oder der betroffenen Einzelperson tätig wird.
1 S. nur Vogel, in: Grützner/Pötz/Kreß, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, 3. Aufl. 2007, I A 2 – IRG-Kommentar, Vor § 1 Rz. 135 ff. m.N. 2 BVerfG v. 18.7.2005 – 2 BvR 2236/04, BVerfGE 113, 273 (310 ff.) m. Bspr. Vogel, JZ 2005, 801. 3 Vgl. Vogel, in: Grützner/Pötz/Kreß, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, 3. Aufl. 2007, I A 2 – IRG-Kommentar, Vor § 1 Rz. 135, 138.
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§ 7a
Zusammenarbeit mit der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde
§ 7a Zusammenarbeit mit der Europäischen Wertpapierund Marktaufsichtsbehörde (1) Die Bundesanstalt stellt der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde gemäß Artikel 35 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 auf Verlangen unverzüglich alle für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Informationen zur Verfügung. (2) Die Bundesanstalt übermittelt der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde jährlich eine Zusammenfassung von Informationen zu allen im Zusammenhang mit der Überwachung nach den Abschnitten 3, 4 und 6 ergriffenen Verwaltungsmaßnahmen und verhängten Sanktionen. (3) Die Bundesanstalt unterrichtet die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde über das Erlöschen einer Erlaubnis nach § 4 Absatz 4 des Börsengesetzes und die Aufhebung einer Erlaubnis nach § 4 Absatz 5 des Börsengesetzes oder nach den Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder. In der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2010/78/EU vom 24. November 2010 im Hinblick auf die Errichtung des Europäischen Finanzaufsichtssystems vom 4.12.2011 (BGBl. I 2011, 2427). Schrifttum: Baur/Boegl, Die neue europäische Finanzmarktausicht – Der Grundstein ist gelegt, BKR 2011, 177; Lehmann/Manger-Nestler, Die Vorschläge zur neuen Architektur der europäischen Finanzaufsicht, EuZW 2010, 87; Möllers, Auf dem Weg zu einer europäischen Finanzmarktaufsichtsstruktur – Ein systematischer Vergleich der Rating-VO (EG) Nr. 1060/2009 mit der geplanten ESMA-VO, NZG 2010, 285; Papathanassiou/Zagouras, Mehr Sicherheit für den Finanzsektor: der Europäische Ausschuss für Systemrisiken und die Rolle der EZB, WM 2010, 274; Zimmer, Finanzmarktregulierung – Welche Regelungen empfehlen sich für den deutschen und europäischen Finanzsektor, NJW-Beil. 2010, 101.
Inhaltsübersicht I. Gesetzgeberischer Hintergrund: Europäisches Finanzaufsichtssystem .
1
II. Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA). . . .
4
III. Informationsweitergabe von der Bundesanstalt an ESMA (§ 7a Abs. 1 WpHG) . . . . . . . . . . . . . .
14
IV. Jährliche Übersicht über Maßnahmen der Bundesanstalt (§ 7a Abs. 2 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . 18 V. Unterrichtungspflicht der Bundesanstalt (§ 7a Abs. 3 WpHG) . . . . . . . 19
I. Gesetzgeberischer Hintergrund: Europäisches Finanzaufsichtssystem 1
Die Normierung von § 7a WpHG ist letztlich ein Ausfluss der Reaktionen auf die Finanzmarktkrise ab 2007 auf europäischer Ebene. Denn mit Beschluss des Rates der Wirtschafts- und Finanzminister (ECOFIN-Rat) vom 17.11.2010 wurde zum 1.1.2011 ein neues Europäisches Finanzaufsichtssystem (European System of Financial Supervision, ESFS) geschaffen. Ziel dieses Europäischen Finanzaufsichtssystems ist die Stärkung und Verbesserung der Qualität und Kohärenz der Finanzaufsicht in Europa, die Stärkung der Aufsicht über grenzübergreifend tätige Gruppen und die Einführung
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Zusammenarbeit mit der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde
§ 7a
eines einheitlichen europäisches Regelwerks, das für alle Finanzmarktteilnehmer im europäischen Binnenmarkt gilt1. Das Europäische Finanzaufsichtssystem verfolgt ein Gesamtkonzept einer europäischen Finanzaufsicht und setzt sich nunmehr neben den bestehenden nationalen Finanzaufsichtsbehörden aus einem System von verschiedenen europäischen Aufsichtseinrichtungen zusammen2, die untereinander zu einem intensiven Informationsaustausch verpflichtet sind. Das europäische Aufsichtssystem wird zum einen getragen durch den Europäischen 2 Ausschuss für Systemrisiken (European Systemic Risk Board, ESRB), der eine makroprudenzielle Aufsicht ausübt3. Das bedeutet, er überwacht die Stabilität des gesamten europäischen Finanzsystems, indem er mittels einer Sammlung und Analyse von relevanten Informationen systemische Risiken identifiziert und bewertet, vor ihnen warnt und Empfehlungen zur Risikobeseitigung ausspricht. Der ESRB ist ein unabhängiger Ausschuss der EU ohne eigene Rechtspersönlichkeit, der jährlich an das Europäische Parlament und den Europäischen Rat berichtet. Neben dieser makroprudentiellen Aufsicht des ESFS wurden zum anderen drei neue europäische Finanzaufsichtsbehörden (European Supervisory Authorities, ESA) und ein Gemeinsamer Ausschuss der Europäischen Finanzaufsichtsbehörden (Gemeinsamer Ausschuss, z.T. auch als Joint Committee bezeichnet) eingerichtet. Die Aufgabe der drei ESA ist die mikroprudentielle Aufsicht über jeweils einen der drei Teilbereiche des Finanzmarktes. Im Bereich der Bankenaufsicht ist das die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (European Banking Authority – EBA), im Bereich der Versicherungsaufsicht nebst betrieblicher Altersvorsorge ist es die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersvorsorge (European Insurance and Occupational Pensions Authority – EIOPA) und im Bereich der Wertpapieraufsicht ist das die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Market Authority – ESMA). Der Gemeinsame Ausschuss ist für sektorübergreifende Fragen der mikroprudentiellen Aufsicht bzw. für eine sektorübergreifende Koordinierung zuständig. Für diese Aufgabe können verschiedene Unterausschüsse gebildet werden, wie derzeit für Fragen der Finanzkonglomerate. Die Gründung der drei ESA’s, des ESRB und des Gemeinsamen Ausschusses erfolgte 3 durch verschiedene Verordnungen des Europäischen Parlaments und des Rates4. Die bestehenden Richtlinien auf den einzelnen Gebieten der Finanzmarktaufsicht bedurften zur Anpassung an das neue europäische Aufsichtssystem einer Änderung. Diese Änderungen erfolgten gemeinsam in der sog. Omnibusrichtlinie I (Richtlinie 2010/78/EU)5. Letztlich mussten die nationalen Regelungswerke, hier das WpHG, angepasst werden, um die Anforderungen aus den Änderungen aufgrund der Omnibusrichtlinie I zu erfüllen und die Anforderungen des europäschen Finanzaufsichtssystem eindeutig und widerspruchsfrei in das nationale Regelungsgefüge einzufügen. Insbesondere war die Zusammenarbeit der Bundesanstalt mit dem Europäischen 1 Vgl. 9. Erwägungspunkt der ESMA-VO 1095/2010 vom 24.11.2010, ABl. L 331 v. 15.12.2010, S. 84 f. 2 Vgl. hierzu z.B. BT-Drucks. 17/6255, S. 19; Mitteilung des BMF „Die Reform der europäischen Finanzaufsichtsstrukturen“, veröffentlicht auf der Internetseite des BMF unter www.bundesfinanzministerium.de; Jahresbericht der Bundesanstalt 2010, S. 61, veröffentlicht auf der Internetseite www.bafin.de. 3 Näheres zu Aufgaben und Organisation des ESRB in BMF „Die Reform der europäischen Finanzaufsichtsstrukturen“, veröffentlicht auf der Internetseite des BMF unter www.bundesfi nanzministerium.de. 4 Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 (ESRB), 1093/2010 (EBA), 1094/2010 (EIOPA), 1095/2010 (ESMA) und Nr. 1096/2010 (Einbeziehung der EZB in Aufgaben des ESFS). 5 ABl. L 331 v. 15.12.2010, S. 120.
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§ 7a
Zusammenarbeit mit der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde
Aufsichtssystem zu ermöglichen und zu konkretisieren1. Entsprechend wurde § 7a WpHG und Regelungen über den Informationsaustausch mit den europäischen Aufsichtsinstitutionen generell in z.B. §§ 7 und 8 WpHG und in Einzelregelungsbereichen z.B. in §§ 29a, 30f, 32b WpHG eingefügt.
II. Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) 4
Der Errichtungssakt für ESMA, die Verordnung (EU) Nr. 1095/20102 (ESMA-VO), regelt die Aufgaben und Befugnisse von ESMA. Ziel von ESMA ist die Förderung der aufsichtlichen Konvergenz3 sowohl unter den nationalen europäischen Wertpapieraufsichtsbehörden als auch im Zusammenspiel mit den verschiedenen europäischen Aufsichtsgremien, die den europäischen Finanzmarkt mikro- und makroprudentiell beaufsichtigen. ESMA wird künftig die Wertpapieraufsicht aufgrund ihrer – nach dem Verständnis vor Errichtung des europäischen Finanzaufsichtssystems – sehr weitgehenden Befugnissen deutlich beeinflussen. Denn ESMA hat nicht mehr nur die Befugnis unverbindliche Leitlinien und Empfehlungen zur Anwendung der EURichtlinien zu geben.
5
ESMA und die nationalen Aufsichtsbehörden werden sich die Aufsichtsaufgaben teilen. Eine direkte Aufsicht durch ESMA findet nur im Bereich eigener Aufsichtszuständigkeiten der ESMA statt. So werden seit dem 1.7.2011 Ratingagenturen direkt von ESMA beaufsichtigt4. Eigene Zuständigkeiten der ESMA werden derzeit z.B. im Bereich der Beaufsichtigung des OTC-Derivatehandels geprüft. Vom Grundsatz her soll die tägliche Aufsicht durch die nationalen Aufsichtsbehörden durchgeführt werden und in nationaler Verantwortung liegen. ESMA übernimmt eine harmonisierende Tätigkeit auf EU-Ebene, intensiviert die Zusammenarbeit der nationalen Aufseher und schafft die Grundlagen für ein einheitliches Aufsichtshandeln. Bei diesen Aufgaben von ESMA aber auch bei Aufgaben von nationalen Aufsichtsbehörden ist eine Delegation auf (andere) nationale Aufsichtsbehörden möglich (Art. 28 ESMAVO). Mittel hierfür sind Delegationsvereinbarungen zwischen den jeweiligen Aufsichtsbehörden. Hintergrund ist die Überlagung, dass „die Delegation von Aufgaben und Zuständigkeiten … ein nützliches Instrument für das Funktionieren des Netzes der Aufsichtsbehörden sein (kann), wenn es darum geht, Doppelarbeit bei den Aufsichtsaufgaben zu verringern, die Zusammenarbeit zu fördern und dadurch die Aufsichtsprozesse zu vereinfachen und die Verwaltungslast für Finanzmarktteilnehmer abzubauen“5.
6
Die Grundlagen für ein einheitliches Aufsichtshandeln der nationalen Aufsichtsbehörden schafft ESMA – ähnlich wie schon CESR bis 2010 – durch die Befugnis, Leitlinien und Empfehlungen zur kohärenten Anwendung des Gemeinschaftsrechts auszusprechen. ESMA hat bei seiner Gründung alle bestehenden Aufgaben und Be-
1 Vgl. BT-Drucks. 17/6255, S. 19. 2 Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 vom 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission, ABl. L 331 v. 15.12.2010, S. 84 ff. 3 Vgl. Art. 1 Abs. 5 ESMA-VO und die Internetseite der ESMA unter www.esma.europa.eu. 4 Verordnung (EU) Nr. 513/2011 vom 11.5.2011, ABl. L 145 v. 31.5.2011, S. 30 zur Änderung der VO (EU) Nr. 1060/2009, ABl. L 302 v. 17.11.2009, S. 1, insbesondere Art. 15 ff. 5 Vgl. 39. Erwägungspunkt der ESMA-VO 1095/2010 vom 24.11.2010, ABl. L 331 v. 15.12.2010, S. 84 f.
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Zusammenarbeit mit der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde
§ 7a
fugnisse von CESR übernommen1. Die Befugnis der ESMA, Leitlinien und Empfehlungen herauszugeben, ist in Art. 16 ESMA-VO geregelt. Inhalt dieser Befugnis aus Art. 16 ESMA-VO ist zugleich auch die Möglichkeit, die Einhaltung der Leitlinien und Empfehlungen zu überprüfen und die Nichteinhaltung zu veröffentlichen. Ganz deutlich über die bisherigen Möglichkeiten hinaus geht die Befugnis zur Rechtssetzung durch ESMA (Art. 10–15 ESMA-VO). So kann ESMA, nach Delegation der Rechtssetzungsbefugnis durch das Europäische Parlament und den Rat der Kommission, technische Regulierungsstandards erlassen, die von den nationalen Aufsichtsbehörden unmittelbar anzuwenden sind (Art. 10 ESMA-VO). Zudem darf ESMA für bestimmte in EU-Richtlinien vorgesehene Bereiche nach Art. 15 ESMA-VO technische Durchführungsstandards erlassen. Auch diese technischen Durchführungsstandards sind unmittelbar von den nationalen Aufsichtsbehörden anzuwenden. Sie beziehen sich im Gegensatz zu den technischen Regulierungsstandards auf die technische Festlegung der Bedingungen für die Anwendung der Regelungen einer Richtlinie, nicht auf deren strategische Anwendung und deren grundsätzliche Fragen. Nach Art. 17 ESMA-VO hat ESMA die Befugnis zu Aufklärung und Beseitigung von 7 Verletzungen von Unionsrecht i.S. der einschlägigen EU-Richtlinien einschließlich der technischen Regulierungs- und Durchführungsstandards. ESMA wird bei angeblicher Verletzung oder Nichtanwendung des EU-Rechts auf Antrag oder von Amts wegen untersuchend tätig. Die Rechtsfolgen einer solchen Untersuchung sind in einem Drei-Stufenverhältnis geregelt und reichen von der Aufklärung des Sachverhalts einschließlich einer Empfehlung an die nationale Aufsichtsbehörde, über eine förmliche Stellungnahme der Europäischen Kommission bis hin zu verbindlichen EUVerwaltungsakten gegenüber Marktteilnehmern, die Vorrang vor den nationalen Entscheidungen haben2. Im Fall von ungünstigen Entwicklungen, die das ordnungsgemäße Funktionieren 8 und die Integrität von Finanzmärkten oder die Stabilität des Finanzsystems in der Union als Ganzes oder in Teilen ernsthaft gefährden können, kann ESMA Kriseninterventionsmaßnahmen ergreifen. Die Maßnahmen in Krisensituationen sind in Art. 18 ESMA-VO geregelt. Ob eine solche Krisensituation besteht, stellt der Rat der Europäischen Union durch Beschluss fest. Der Maßnahmenkatakog in Krisensituationen reicht von der aktiven Unterstützung und Koordination der nationalen Behörden, Beschlüsse gegenüber nationalen Behörden im Einzelfall bis hin zu ggf. verbindlichen, einzelfallbezogenen Beschlüssen gegenüber Finanzmarktteilnehmern. Um Krisensituationen rechtzeitig erkennen zu können, entwickelt ESMA in Zusammenarbeit mit dem ESRB einen gemeinsamen Ansatz für die Ermittlung und Messung des Systemrisikos, das von wichtigen Finanzmarktteilnehmern ausgeht (Art. 22–24 ESMA-VO). Das Systemrisiko berücksichtigt ESMA bei allen Rechtsakten und formuliert bei Bedarf zusätzliche Leitlinien und Empfehlungen. Art. 19 ESMA-VO in Verbindung mit einer einschlägigen EU-Richtlinie gibt ESMA 9 die Befugnis auch streitschlichtend zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden der Mitgliedsstaaten tätig zu werden. Voraussetzung ist ein Antrag einer oder mehrerer nationaler Behörden, die mit dem Vorgehen oder dem Inhalt der Maßnahme einer nationalen Aufsichtsbehörde nicht einverstanden ist. Diese Befugnis zur Streitschlichtung besteht losgelöst von der Befugnis zur Aufklärung und Beseitigung von Rechts1 Vgl. 67. Erwägungspunkt der ESMA-VO 1095/2010 vom 24.11.2010, ABl. L 331 v. 15.12.2010, S. 84 f. 2 Vgl. 28. und 29. Erwägungspunkt der ESMA-VO 1095/2010 vom 24.11.2010, ABl. L 331 v. 15.12.2010, S. 84 f.
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§ 7a
Zusammenarbeit mit der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde
verletzungen nach Art. 17 ESMA-VO. Die Tätigkeit von ESMA ist zunächst ein rein vermittelndes Agieren zwischen den Behörden, sodann der Erlass von verpflichtenden Beschlüssen zu streitbeilegenden Maßnahmen gegenüber den Behörden und letztlich verpflichtende Maßnahmen gegenüber Marktteilnehmern im Einzelfall. Gleiches gilt für den Gemeinsamen Ausschuss, der nach Art. 20 ESMA-VO sektorübergreifend streitschlichtend tätig wird. 10
Wie schon zu ESMA-VO Art. 17 (Verletzung von Unionsrecht), Art 18 (Krisensituation) und nun zu Art. 19 (Streitschlichtung) ausgeführt, ist ESMA unter bestimmten Bedingungen auch befugt, verbindliche und verpflichtende Beschlüsse gegenüber Marktteilnehmern im Einzelfall zu erlassen. Es handelt sich damit faktisch um EUVerwaltungsakte. Hiergegen können natürliche und juristische Personen, an die der Beschluss gerichtet ist, einschließlich der zuständigen nationalen Behörden und unmittelbar betroffene Dritte Beschwerde einlegen (Art. 60 ESMA-VO). Über diesen Rechtsbehelf gegen die von ESMA erlassenen Beschlüsse entscheidet ein Beschwerdeausschuss. Nachvollziehbarer Zweck des Rechtsbehelfsverfahrens ist der Schutz des Betroffenen und die Überprüfung der Bindung von ESMA an Gesetz und Recht einschließlich der europäischen Menschenrechtskonvention. Prozessrechtliche Regelung wie Herstellung einer aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels, rechtliches Gehör, Fristen etc. ergeben sich aus Art. 60 ESMA-VO. Gegen Entscheidungen des Beschwerdeausschusses oder gegen eine Entscheidung von ESMA, soweit eine Beschwerde zum Beschwerdeausschuss nicht möglich ist, kann vor dem EuGH gemäß Art. 61 ESMA-VO Klage oder Untätigkeitsklage erhoben werden.
11
Eine führende Rolle nimmt ESMA bei Aufsichtskollegien (Colleges) zu grenzüberschreitend tätigen Instituten nach Art. 21 ESMA-VO ein. Ein Aufsichtskollegium ist eine Gruppe von Aufsichtsbehörden, die zum Zweck der effektiven Beaufsichtigung eines Unternehmens mit grenzüberschreitender Bedeutung eingerichtet wurde. Zu denken ist hier z.B. an die Aufsichtskollegien nach Art. 25 ff. Rating-VO1, die bis zum 1.7.2011 auch für die Aufsicht über die Ratingagenturen durch die nationalen Aufsichtsbehörden genutzt wurden.
12
Entsprechend Art. 33 ESMA-VO pflegt ESMA internationale Beziehungen zu Aufsichtsbehörden, zu internationalen Organisationen und zu den Verwaltungen von Drittländern und kann Verwaltungsvereinbarungen (MoU) abschließen. ESMA hilft bei der Vorbereitung von Entscheidungen bezüglich der Gleichwertigkeitsprüfungen, die nach Maßgabe der fachbezogenen EU-Verordnungen oder -Richtlinien getroffen werden müssen. Hier ist z.B. an die Gleichwertigkeitsprüfung bei der Finanzberichterstattung nach § 37z Abs. 4 WpHG zu denken.
13
Letztlich ist hinsichtlich der Aufgaben und Befugnisse von ESMA noch auf die Aufgaben im Bereich des Verbraucherschutzes nach Art. 9 ESMA-VO, auf die Aufgabe der vergleichendem Analysen der aufsichtlichen Tätigkeit der nationalen Aufsichtsbehörden nach Art. 30 ESMA-VO (Peer Reviews)2, auf die Koordinatorfunktion von ESMA nach Art. 31 ESMA-VO und die Befugnis zur Sammlung von Informationen nach Art. 35 ESMA-VO hinzuweisen. Bezogen auf die vielfältigen und recht weitreichenden Befugnisse von ESMA und der Befugnis zur Informationssammlung schließt
1 Verordnung (EU) Nr. 1060/2009, ABl. L 302 v. 17.11.2009, S. 1, geändert durch Verordnung (EU) Nr. 513/2011 vom 11.5.2011, ABl. L 145 v. 31.5.2011, S. 30. 2 Vgl. 41. Erwägungspunkt der ESMA-VO 1095/2010 vom 24.11.2010, ABl. L 331 v. 15.12.2010, S. 84 f.
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Zusammenarbeit mit der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde
§ 7a
sich der Kreis zu § 7a WpHG, der genau den Informationsfluss von der Bundesanstalt an ESMA regelt und sicherstellt.
III. Informationsweitergabe von der Bundesanstalt an ESMA (§ 7a Abs. 1 WpHG) Gemäß § 7a Abs. 1 WpHG ist die Bundesanstalt verpflichtet, die von ESMA für ihre 14 Aufgabenerfüllung benötigten Informationen zur Verfügung zu stellen. Mit der gesetzlichen Pflicht der Bundesanstalt, Informationen an ESMA zu übermitteln, werden eine Reihe von europarechtlichen Vorschriften umgesetzt. So führt die Gesetzesbegründung1 zu § 7a Abs. 1 WpHG aus: „Die Vorschrift setzt Artikel 3 Nummer 5, 2. Unterabsatz, Artikel 6 Nummer 9 (b), Artikel 6 Nummer 28, 2. Unterabsatz und Artikel 7 Nummer 14 (a), 3. Unterabsatz der Richtlinie 2010/78/EU um, die Artikel 15a Absatz 2 der Richtlinie 2003/6/EG, Artikel 25 und Artikel 62a Absatz 2 der Richtlinie 2004/39/EG und Artikel 25 Absatz 2 (c) der Richtlinie 2004/109/EG ergänzen beziehungsweise einfügen.“ Entsprechend gewährleistet § 7a Abs. 1 WpHG, dass die Bundesanstalt ESMA die Informationen zur Verfügung stellt, die ESMA zur Aufgabenerfüllung benötigt. Bei den zu übermittelnden Daten handelt es sich um alle Informationen, die für Aufgabenerfüllung der ESMA erforderlich sind. Der Gesetzgeber bezieht sich in der Ausgestaltung der Pflicht der Bundesanstalt ausdrücklich auf Art. 35 der ESMA-VO. Die Bundesanstalt hat nach Art. 35 Abs. 1 ESMA-VO alle Informationen zur Verfügung zu stellen, die ESMA zur Wahrnehmung ihrer durch die ESMA-VO übertragenen Aufgaben benötigt. ESMA kann die Informationen nicht nur einzelfallbezogen anfordern, sondern sie kann auch verlangen, dass ihr diese Informationen in regelmäßigen Abständen und ggf. auch in vorgegebenen Formaten zur Verfügung gestellt werden (Art. 35 Abs. 2 ESMA-VO).
15
Voraussetzung der Verpflichtung der Bundesanstalt zur Informationsweitergabe an die ESMA ist ein entsprechendes Verlangen der ESMA an die Bundesanstalt. Nach Art. 35 Abs. 1 ESMA-VO ist weitere Voraussetzung, dass die Bundesanstalt rechtmäßigen Zugang zu den einschlägigen Informationen hat und das Informationsgesuch angesichts der Art der betreffenden Aufgabe erforderlich ist. Diese Erforderlichkeit kommt auch darin zum Ausdruck, dass die ESMA – zur Vermeidung doppelter Berichtspflichten – vor der Anforderung von Informationen einschlägige bestehende Statistiken berücksichtigen soll, die vom Europäischen Statistischen System und vom Europäischen System der Zentralbanken erstellt und verbreitet werden (Art. 35 Abs. 4 ESMA-VO)2.
16
Die Bundesanstalt ist sodann verpflichtet, die Informationen unverzüglich zu über- 17 mitteln, also ohne schuldhaftes Zögern. Stehen der Bundesanstalt diese Informationen nicht zur Verfügung oder übermittelt sie diese nicht rechtzeitig an die ESMA, so kann die ESMA ein begründetes Informationsersuchen auch an andere nationale Aufsichtsbehörden, an die Bundesbank, das Statistische Bundesamt oder an das Bundesfinanzministerium richten, sofern dieses über aufsichtsrechtliche Informationen verfügt (Art. 35 Abs. 5 ESMA-VO). Soweit die ESMA auch auf diesem Weg die benötigten Informationen nicht erlangt, kann ESMA sodann ein hinreichend begründetes 1 BT-Drucks. 17/6255, S. 29. 2 Vgl. auch 46. Erwägungspunkt der ESMA-VO 1095/2010 vom 24.11.2010, ABl. L 331 v. 15.12.2010, S. 84 f.
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§ 7b
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Ersuchen direkt an die betreffenden Finanzmarktteilnehmer richten (Art. 35 Abs. 6 ESMA-VO). In einem solchen Fall hat die Bundesanstalt ESMA bei der Durchsetzung ihrer Auskunftsersuchen zu unterstützen (Art. 35 Abs. 6 Unterabs. 3 ESMA-VO).
IV. Jährliche Übersicht über Maßnahmen der Bundesanstalt (§ 7a Abs. 2 WpHG) 18
Mit § 7a Abs. 2 WpHG setzt der Gesetzzgeber „Artikel 3 Nummer 4, 1. Unterabsatz und Artikel 6 Nummer 18, 1. Unterabsatz der Richtlinie 2010/78/EU um, die Artikel 14 Absatz 5 der Richtlinie 2003/6/EG und Artikel 51 Absatz 4 der Richtlinie 2004/39/EG einfügen“1. Hiernach ist die Bundesanstalt verpflichtet, der ESMA eine Zusammenfassung von Informationen zu allen im Zusammenhang mit der Überwachung nach den Abschnitten 3, 4 und 6 ergriffenen Verwaltungsmaßnahmen und verhängten Sanktionen zu übermitteln. Das sind die Maßnahmen im Rahmen der Überwachung des Verbots von Insiderhandel und Marktmanipulation sowie die Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten der Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Unausgesprochen setzt die Norm voraus, dass die Bundesanstalt eine solche Übersicht für die ESMA erstellt. Die Übersicht muss einmal jährlich übermittelt werden.
V. Unterrichtungspflicht der Bundesanstalt (§ 7a Abs. 3 WpHG) 19
Nach § 7a Abs. 3 WpHG hat die Bundesanstalt ESMA über das Erlöschen einer Erlaubnis nach § 4 Abs. 4 BörsG und die Aufhebung einer Erlaubnis nach § 4 Abs. 5 BörsG oder nach den Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder zu unterrichten. Das bedeutet, dass die Bundesanstalt ESMA sowohl über das Erlöschen als auch die Aufhebung einer Erlaubnis zur Errichtung einer Börse zu informieren hat. „Die Regelung setzt Artikel 6 Nummer 13 der Richtlinie 2010/78/EU um, der Artikel 36 Absatz 6 der Richtlinie 2004/39/EG einfügt“2.
§ 7b Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission im Rahmen des Energiewirtschaftsgesetzes Die Bundesanstalt übermittelt der Europäischen Kommission auf Verlangen diejenigen Angaben zu Geschäften in Finanzinstrumenten einschließlich personenbezogenen Daten, die ihr nach § 9 mitgeteilt worden sind, soweit die Europäische Kommission deren Überlassung gemäß § 5a Absatz 1 des Energiewirtschaftsgesetzes auch unmittelbar von den mitteilungspflichtigen Unternehmen verlangen könnte und die Europäische Kommission diese Informationen zur Erfüllung ihrer im Energiewirtschaftsgesetz näher beschriebenen Aufgaben benötigt. In der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 26.7.2011 (BGBl. I 2011, 1554).
1 BT-Drucks. 17/6255, S. 29. 2 BT-Drucks. 17/6255, S. 29.
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§ 7b
Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission im Rahmen des EnWG
Schrifttum: Granzow, die Aufsicht über den Handel mit Energiederivaten nach dem Gesetz über das Kreditwesen, Diss. 2006; Hagena, Der Stromhandel unter Finanzmarktaufsicht, Diss. 2011.
Die Regelung setzt Art. 40 Abs. 7 mit Abs. 1 der Richtlinie 2009/72/EG und Art. 44 1 Abs. 7 mit Abs. 1 der Richtlinie 2009/73/EG um. Beide Artikel verlangen bezüglich bestimmter Transaktionen im Energiesektor Aufbewahrungspflichten für die Versorgungsunternehmen von 5 Jahren und eine Übermittlungspflicht der nationalen Behörden an die Europäische Kommission, wenn die jeweiligen Behörden Zugang zu den Daten haben. Zugleich muss die Regelung im Zusammenspiel mit der in § 6 Abs. 2 WpHG geregelten, notwendigen Zusammenarbeit der Bundesanstalt mit der Bundesnetzagentur und den Kartellbehörden im Rahmen ihrer Tätigkeit nach Maßgabe des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) gesehen werden. Nach § 7b WpHG ist die Bundesanstalt verpflichtet, der der Europäischen Kommis- 2 sion nach § 9 WpHG an die von dem Unternehmen an die Bundesanstalt übersandten Daten zu übermitteln. Hierbei handelt es sich nur um eine Verpflichtung zur Übermittlung der der Bundesanstalt vorliegenden § 9 WpHG-Daten. Die Europäische Kommission kann hingegen „nicht verlangen, dass die Bundesanstalt darüber hinaus Daten erhebt, die ihr vorliegenden Daten weiter aufbereitet oder von ihren Befugnissen Gebrauch macht“1. Die Formulierung „weiter aufbereiten“ bezieht sich darauf, dass die Daten nach § 9 WpHG von den Unternehmen im Rahmen eines besonderen elekronischen Meldesystems an die Bundesanstalt gemeldet werden und hier standardisiert schon vorverarbeitet werden2. Denn nur so kann auf die Daten im Rahmen von Datenbankabfragen zugegriffen werden. Eine darüber hinausgehende Aufbereitung der Daten braucht die Bundesanstalt nicht zu leisten. Die Pflicht zur direkten Übermittlung der Daten an die Europäische Kommission vermeidet unnötigen Verwaltungsaufwand, denn die Bundesanstalt müsste die Daten sonst im Rahmen der Zusammenarbeit nach § 6 Abs. 2 WpHG an die Bundesnetzagentur übermitteln, die dann ihrerseits wiederum die Daten an die Europäische Kommission weitergeben würde (§ 57 Abs. 4 EnWG). Die Bundesanstalt hat die ihr nach § 9 WpHG mitgeteilten Daten der Unternehmen 3 zu den abgeschlossenen Geschäften in Finanzinstrumenten einschließlich personenbezogenen Daten zu übermitteln. Diese Übermittlungspflicht bezieht sich nicht zwingend auf alle § 9 WpHG-Daten, sondern beschränkt sich auf die Daten, deren Überlassung gemäß § 5a Abs. 1 des EnWG die Europäische Kommission auch unmittelbar von den mitteilungspflichtigen Unternehmen verlangen könnte. Nach § 5a Abs. 1 Satz 2 EnWG sind das genaue Angaben zu den Merkmalen der Transaktion im Rahmen von Energieversorgungsverträgen und Energiederivaten wie Laufzeit, Lieferund Abrechnungsbestimmungen, Menge, Datum, Uhrzeit der Ausführung, Transaktionspreise und Angaben zur Identifizierung des betreffenden Vertragspartners sowie entsprechende Angaben zu sämtlichen offenen Positionen und nicht abgerechneten Energieversorgungsverträgen und Energiederivaten. Die übermittlungspflichtigen personenbezogenen Daten können nach § 9 WpHG nur die Kennzeichen zur Identifikation3 des Depotinhabers oder des Depots bzw. die Kennzeichen für die Auftraggeber sein, sofern diese nicht mit dem Depotinhaber identisch sind. Denn die Meldungen nach § 9 WpHG sind insoweit anonymisiert, als die Namen der Kunden, 1 BR-Drucks. 343/11, S. 252, 253. 2 Vgl. die Kommentierung zu § 9 Rz. 49 f. 3 Vgl. die Kommentierung zu § 9 Rz. 43.
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§8
Verschwiegenheitspflicht
für die das Geschäft abgeschlossen wurde, nicht mitgeteilt werden, sondern nur die Identifikationskennzeichen. Diese sind für die Bundesanstalt nur nach Rückfrage bei dem Meldepflichtigen einem individualisierbaren Kunden zuordenbar. 4
Voraussetzung für die Übermittlung der Daten ist, dass die Europäische Kommission mit einem entsprechenden Ersuchen an die Bundesanstalt herantritt. Aus dem Inhalt des Ersuchens muss sich auch ableiten lassen, dass die Europäische Kommission die gewünschen Informationen zur Erfüllung ihrer im Energiewirtschaftsgesetz näher beschriebenen Aufgaben benötigt.
§8 Verschwiegenheitspflicht (1) Die bei der Bundesanstalt Beschäftigten und die nach § 4 Abs. 3 des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes beauftragten Personen dürfen die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse eines nach diesem Gesetz Verpflichteten oder eines Dritten liegt, insbesondere Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sowie personenbezogene Daten, nicht unbefugt offenbaren oder verwenden, auch wenn sie nicht mehr im Dienst sind oder ihre Tätigkeit beendet ist. Dies gilt auch für andere Personen, die durch dienstliche Berichterstattung Kenntnis von den in Satz 1 bezeichneten Tatsachen erhalten. Ein unbefugtes Offenbaren oder Verwenden im Sinne des Satzes 1 liegt insbesondere nicht vor, wenn Tatsachen weitergegeben werden an 1. Strafverfolgungsbehörden oder für Straf- und Bußgeldsachen zuständige Gerichte, 2. kraft Gesetzes oder im öffentlichen Auftrag mit der Überwachung von Börsen oder anderen Märkten, an denen Finanzinstrumente gehandelt werden, des Handels mit Finanzinstrumenten oder Devisen, von Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten, Investmentgesellschaften, Finanzunternehmen, Versicherungsunternehmen, Versicherungsvermittlern, Unternehmen im Sinne von § 2a Abs. 1 Nr. 7 betraute Stellen sowie von diesen beauftragte Personen, 3. Zentralbanken in ihrer Eigenschaft als Währungsbehörden sowie an andere staatliche Behörden, die mit der Überwachung der Zahlungssysteme betraut sind, 4. mit der Liquidation oder dem Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens, eines organisierten Marktes oder des Betreibers eines organisierten Marktes befasste Stellen, 5. die Europäische Zentralbank, das Europäische System der Zentralbanken, die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde, die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung, die Europäische Bankenaufsichtsbehörde, den Gemeinsamen Ausschuss der Europäischen Finanzaufsichtsbehörden, den Europäischen Ausschuss für Systemrisiken oder die Europäische Kommission, soweit diese Stellen die Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Für die bei den in Satz 3 Nummer 1 bis 4 genannten Stellen beschäftigten Personen sowie von diesen Stellen beauftragten Personen gilt die Verschwiegenheitspflicht nach Satz 1 entsprechend. Befindet sich eine in Satz 3 Nummer 1 bis 4 genannte Stelle in einem anderen Staat, so dürfen die Tatsachen nur weitergegeben werden, wenn die bei dieser Stelle beschäftigten und die von dieser Stelle beauftragten Personen einer dem Satz 1 entsprechenden Verschwiegenheitspflicht unterliegen. 288 Döhmel
§8
Verschwiegenheitspflicht
(2) Die Vorschriften der §§ 93, 97, 105 Abs. 1, § 111 Abs. 5 in Verbindung mit § 105 Abs. 1 sowie § 116 Abs. 1 der Abgabenordnung gelten nicht für die in Absatz 1 Satz 1 oder 2 genannten Personen, soweit sie zur Durchführung dieses Gesetzes tätig werden. Sie finden Anwendung, soweit die Finanzbehörden die Kenntnisse für die Durchführung eines Verfahrens wegen einer Steuerstraftat sowie eines damit zusammenhängenden Besteuerungsverfahrens benötigen, an deren Verfolgung ein zwingendes öffentliches Interesse besteht, und nicht Tatsachen betroffen sind, die den in Absatz 1 Satz 1 oder 2 bezeichneten Personen durch eine Stelle eines anderen Staates im Sinne des Absatzes 1 Satz 3 Nr. 2 oder durch von dieser Stelle beauftragte Personen mitgeteilt worden sind. In der Fassung des Gesetzes zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögenanlagenrechts vom 6.12.2011 (BGBl. I 2011, 2481). Schrifttum: Gurlit, Gläserne Banken- und Kapitalmarktaufsicht?, WM 2009, 773; Hüttner, Zur Informationsgewährung durch die BaFin, VuR 2009, 156; Mock, Zum Akteneinsichtsrecht nach § 406e StPO, EWiR 2008, 617; Möllers/Wenninger, Informationsansprüche gegen die BaFin im Lichte des neuen Informationsfreiheitsgesetzes (IFG), ZHR 170 (2006), 455; Schmitz/Jastrow, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, NVwZ 2005, 984.
Inhaltsübersicht I. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . .
4
III. Von der Verschwiegenheitspflicht betroffene Personen . . . . . . . . . . . . . .
5
IV. Inhalt der Verschwiegenheitspflicht
7
V. Befugtes Offenbaren . . . . . . . . . . . . .
14
VI. Informationsweitergabe nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
VII. Rechts- und Amtshilfe nach Art. 35 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 VIII. Eingeschränkte Auskunftspflicht gegenüber den Finanzbehörden . . . . 38 IX. Folgen bei Verletzung der Verschwiegenheitspflicht. . . . . . . . . . . . 41
I. Vorbemerkungen § 8 WpHG normiert eine besondere Verschwiegenheitspflicht für den Bereich des 1 WpHG. Die Regelung trägt verschiedenen europarechtlichen Anforderungen genüge. So wurden bei der Normierung der Verschwiegenheitspflicht mit dem 2. FFG vornehmlich Art. 9 der Insiderrichtlinie, Art. 14 der Transparenzrichtline vom 12.12.1988 (88/627/EWG), Art. 25 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie und Art. 19 der Börsenzulassungsrichtlinie vom 5.3.1979 (79/279/EWG) umgesetzt. Mit Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie vom 28.1.2003 (2003/6/EG) entsprach die Norm deren Art. 13. Heute setzt die Regelung zudem die Anforderungen der Art. 25 Transparenzrichtlinie vom 15.12.2004 (2004/109/EG) und Art. 54 der Finanzmarktrichtlinie vom 21.4.2004 (2004/39/EG) um. Sie bezweckt eine Verschwiegenheitspflicht und ein Verwertungsverbot für die bei der Bundesanstalt Beschäftigten und für die von ihr beauftragten Personen. Parallele Normen zur besonderen Verschwiegenheitspflicht sind enthalten in allen das Kapitalmarktrecht bzw. die Finanzdienstleitungsaufsicht betreffenden Gesetze wie § 10 BörsG, § 9 KWG, § 84 VAG, § 8k VerkProspG, § 22 WpPG, § 9 WpÜG, § 5b
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2
§8
Verschwiegenheitspflicht
InvG und § 15 EAEG. Insoweit hat der Gesetzgeber unter Berücksichtigung der jeweiligen Regelungsmaterie ein System der Verschwiegenheitspflichten geschaffen, was beispielsweise auch durch die verschiedenen Verweise in den Gesetzesbegründungen auf die jeweiligen Parallelnormen dokumentiert wird1. Die Berücksichtigung der unterschiedlichen Aufsichtsmaterien und die jeweils unterschiedlichen Kooperationsnotwendigkeiten führen bei einem grundsätzlich vergleichbaren Aufbau der Normen der Verschwiegenheitspflichten zu unterschiedlichen Detailregelungen z.B. im Katalog der befugten Offenbarungsmöglichkeiten. 3
Die bisherigen Änderungen in § 8 WpHG waren allein Folgen des sich stets erweiternden Anwendungskreises des WpHG. So dienen die durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz eingefügten Ergänzungen in § 8 Abs. 1 Satz 3 WpHG der Umsetzung der Art. 54 Abs. 2 und Abs. 4 sowie Art. 58 Abs. 5 der Finanzmarktrichtlinie. Informationen dürfen nun auch weitergegeben werden an Stellen, die für die Überwachung von Versicherungsvermittlern oder gemäß § 2a Abs. 1 Nr. 7 WpHG ausgenommenen Unternehmen zuständig sind, an Zentralbanken in ihrer Funktion als Währungsbehörden oder an Insolvenzverwalter, soweit diese mit der Abwicklung von überwachten Unternehmen betraut sind. Eine weitere Anpassung von § 8 Abs. 1 WpHG war erforderlich, um die nationalen Regelungen an die Anforderungen durch das Europäische Finanzaufsichtssystem anzupassen. Denn die Verschwiegenheitspflichten mussten insoweit angepasst werden, als der notwendige Informationsfluss zu den Einrichtungen der Europäischen Finanzaufsicht gewährleistet werden musste. Diese Änderungen wurden durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2010/78/EU eingefügt.
II. Verschwiegenheitspflicht 4
Schon bei der Normierung des WpHG im 2. FFG hielt es der Gesetzgeber für erforderlich, eine spezielle Verschwiegenheitspflicht für die Kapitalmarktaufsicht einzuführen. Insoweit hielt er offensichtlich die allgemeine Verschwiegenheitspflicht nach § 30 VwVfG für nicht ausreichend. In der Gesetzesbegründung wurde klargestellt, dass eine solche Regelung notwendig ist, um das Vertrauen in die Integrität der Aufsichtspraxis und eine entsprechende Kooperationsbereitschaft sicherzustellen. Wegen der vielfältigen und tief gehenden Aufsichtsbefugnisse und den daraus resultierenden Einblicken der Bundesanstalt in die Vermögensverhältnisse und Geschäftsstrategien war die Verankerung einer besonderen gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unabweisbar, um das notwendige Vertrauen in die Integrität der Aufsichtspraxis und eine entsprechende Kooperationsbereitschaft der Beaufsichtigten sicherzustellen. Neben der Verschwiegenheitspflicht statuiert § 8 Abs. 1 WpHG auch ein allgemeines Verwertungsverbot, um die Ausnutzung amtlich gewonnener Erkenntnisse für private Zwecke zu verhindern2. Die Pflichten aus § 8 WpHG müssen daher bei allen Anfragen, Akteneinsichtsgesuchen und Datenweitergaben bezüglich aller Aufgabenbereiche nach dem WpHG geprüft werden.
1 Vgl. z.B. die Begr. RegE in BT-Drucks. 12/6959, S. 87 zur Orientierung für § 84 VAG an § 9 KWG, in BT-Drucks. 12/6679, S. 42 für das Heranziehen von § 9 KWG bei der Normierung von § 8 WpHG und in BT-Drucks. 13/7142, S. 75 für den Einfluss von § 8 WpHG auf § 9 KWG. 2 BT-Drucks. 12/6679, S. 42; BT-Drucks. 13/7142, S. 105; ähnlich § 9 KWG, hierzu Szagunn/ Haug/Ergenzinger, § 9 KWG.
290 Döhmel
§8
Verschwiegenheitspflicht
III. Von der Verschwiegenheitspflicht betroffene Personen Unter die Regelung fallen zunächst die bei der Bundesanstalt beschäftigten Personen, 5 d.h. die Beamten, Angestellten und Arbeiter. Die Verschwiegenheitspflicht gilt fort, wenn Bedienstete, sei es durch Eintritt in den Ruhestand, sei es durch Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber – auch im Rahmen der Bundesverwaltung –, aus den Diensten der Bundesanstalt ausscheiden. Es handelt sich insoweit um eine Parallelität zu der allgemeinen dienstlichen Verschwiegenheitspflicht, wie sie sich aus den Vorschriften der § 67 BBeamtenG, § 3 Abs. 1 TVöD ergeben. Die Regelung ist aber eine eigenständige, auf den EU-rechtlichen Vorgaben beruhende Verschwiegenheitspflicht. Denn sie hat einen eigenen Anwendungsbereich, eigene Tatbestandsvoraussetzungen und eigene Rechtsfolgen. Die Verschwiegenheitspflicht richtet sich nach dem Wortlaut des Gesetzes zunächst nur an Personen, nämlich die Bediensteten der Bundesanstalt, nicht an die Bundesanstalt selbst. Es wäre aber ein geradezu groteskes Ergebnis, wenn die Behörde alles dies an Dritte weitergeben könnte, was den einzelnen Beschäftigten untersagt ist. Die Diskussion, ob die Geheimhaltungspflicht einer Behörde identisch ist mit der Summe der zur Verschwiegenheit verpflichteten dort tätigen Bediensteten, bedarf keiner Vertiefung. Denn in der Begründung zu § 8 WpHG hat der Gesetzgeber eindeutig klargestellt, dass wegen der vielfältigen und tiefgehenden Aufsichtsbefugnisse und den daraus resultierenden Einblicken des (früheren) Bundesaufsichtsamtes in die Vermögensverhältnisse und Geschäftsstrategien … die Verankerung einer besonderen gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unabweisbar ist1. Entsprechend diesem Zweck, die bei der Bundesanstalt durch die Tätigkeit von Einzelpersonen gewonnenen Erkenntnisse gegen unbefugte Weitergabe und Offenbaren zu sichern, sind denklogisch Behörde und Bedienstete gleichermaßen gemeint. Das ergibt sich auch aus den systematischen Zusammenhängen innerhalb von § 8 WpHG und im Gesamtkontext der Tätigkeit der Bundesanstalt2. Letztlich geht auch die Rechtsprechung zu dieser Frage einhellig von einer Verschwiegenheitsplicht auch für die Bundesanstalt aus3. Zum Kreis der zur Verschwiegenheit Verpflichteten zählen ferner die Personen, de- 6 ren sich die Bundesanstalt zur Durchführung ihrer Aufgaben bedient, sei es in Amtshilfe oder durch privatrechtliche Beauftragung. Näheres zu diesem Personenkreis siehe Anmerkungen zu § 4 Abs. 3 FinDAG (Vor § 3 Rz. 20 ff.). Des Weiteren unterliegen diejenigen Personen der Verschwiegenheitspflicht, die durch dienstliche Berichterstattung Kenntnis von den in § 8 Abs. 1 Satz 1 WpHG bezeichneten Tatsachen erlangt haben (§ 8 Abs. 1 Satz 2 WpHG). Hier ist z.B. an Fälle der dienstlichen Berichterstattung an das Bundesministerium für Finanzen zu denken, das nach § 2 FinDAG die Fach- und Rechtsaufsicht über die Bundesanstalt ausübt. Letztlich gilt die Verschwiegenheitspflicht aber auch für diejenigen, die als befugte Stellen die Information nach § 8 Abs. 1 Satz 3 WpHG erhalten haben. Mit der Weitergabe der Informationen an diese Stellen geht zugleich auch die Verschwiegenheitspflicht auf diese mit über (§ 8 Abs. 1 Satz 4 WpHG). Da das häufiger übersehen wird, empfiehlt es sich, bei einem Ersuchen um Amtshilfe oder bei privatrechtlicher Beauftragung auf die Verpflichtung nach § 8 WpHG hinzuweisen.
1 Vgl. BT-Drucks. 12/6679, S. 42. 2 Soweit diese Fragestellung noch diskutiert wird, kann auf die Argumentation von Dreyling/ Döhmel in der 5. Aufl. des Kommentars in § 8 Rz. 5 verwiesen werden. 3 Vgl. beispielsweise VG Frankfurt/M. v. 23.1.2008 – 7 E 3280/06, NVwZ 2008, 1384.
Döhmel
291
§8
Verschwiegenheitspflicht
IV. Inhalt der Verschwiegenheitspflicht 7
Die Verschwiegenheitspflicht bezieht sich auf alle Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse eines nach diesem Gesetz Verpflichteten oder eines Dritten liegt. Dieser Tatsachenbegriff des WpHG muss weit ausgelegt werden und kann nicht an den Grenzen des strafrechtlichen Tatsachenbegriffs enden1. Denn bei der Auslegung sind sowohl die dem WpHG zugrundeliegenden europäischen Richtlinien zu berücksichtigen, die vor allem von Informationen sprechen (vgl. § 7 Rz. 17), als auch der Sinn des Gesetzes, z.B. auch Marktgerüchte aufklären zu können. Damit ist der Kreis der Informationen, an denen Verpflichtete oder Dritte ein Geheimhaltungsinteresse haben, recht weit gezogen. Für bereits öffentlich bekannte oder der Öffentlichkeit zugängliche Tatsachen ist ein Geheimhaltungsinteresse nicht zu erkennen. Hier ist z.B. zu denken an Handelsregistereintragungen, Mitteilungen im elektronischen2 Bundesanzeiger, veröffentlichte Mitteilungen oder Inhalte von veröffentlichten Geschäftsberichten.
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Hinsichtlich der Tatsachen, für die ein Geheimhaltungsinteresse besteht, hat der Gesetzgeber zwei Regelbeispiele aufgeführt. Dies sind Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse von Unternehmen und personenbezogenen Daten. Der Kreis der verschwiegenheitspflichtigen Tatsachen geht aber klar über diese beiden Regelbeispiele hinaus. Das liegt in der Natur der Regelbeispiele und dem Umstand, dass der Gesetzgeber eine Verschwiegenheitspflicht für alle Tatsachen anordnet, deren Geheimhaltung im Interesse eines nach diesem Gesetz Verpflichteten oder eines Dritten liegt. Es kommt also nicht auf ein berechtigtes oder rechtliches Interesse an. Maßgeblich ist, ob ein Interesse der Person gegeben ist. Zudem unterfallen unter die Verschwiegenheitspflicht nicht nur die entsprechenden Tatsachen von Personen, die nach dem WpHG verpflichtet sind, sei es durch Auskunfts-, Vorlage-, Mitteilungs- oder Meldepflichten etc., sondern auch von sonstigen Dritten. Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sind Tatsachen, die im Zusammenhang mit einem Gewerbebetrieb stehen, nur einem begrenzten Personenkreis bekannt sind und nach dem erkennbaren Willen des Inhabers sowie dessen berechtigten wirtschaftlichen Interesse geheim gehalten werden sollen3.
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Der Verschwiegenheit unterliegen zudem nur solche Tatsachen, die den Bediensteten der Bundesanstalt, den nach § 4 Abs. 3 FinDAG beauftragten Personen oder den nach § 8 Abs. 1 Satz 3 WpHG informierten Personen bei ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt geworden sind. Das sind nicht nur die übermittelten Insiderinformationen i.S. der §§ 13 und 15 WpHG sondern auch sämtliche Erkenntnisse über Sachverhalte, die in sonstiger amtlicher Tätigkeit gewonnen werden. Hierzu zählen also auch Kenntnisse, die lediglich aus Unterhaltungen mit nach dem WpHG Verpflichteten gewonnen werden, die möglicherweise nur Erwägungen der Gegenseite zum Gegenstand haben. Es bedarf hier keiner besonderen Vertraulichkeitsvereinbarung. Eine solche hat als Vermutung im Hinblick auf § 8 WpHG grundsätzlich zu gelten.
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Die Verschwiegenheitspflicht gilt im Zweifel auch in Bezug auf Tatsachen privaten Charakters, da auch personenbezogene Daten Dritter der Verschwiegenheitspflicht 1 Hierzu auch Beck, in: Schwark/Zimmer, § 8 WpHG Rz. 5 f. 2 Mit dem am 10.11.2011 verabschiedeten Gesetz zur Änderung von Vorschriften über Verkündung und Bekanntmachungen … (BR-Drucks. 747/11 v. 25.11.2011) wird der (gedruckte) Bundesanzeiger eingestellt und eine dauerhaft verfügbare elektronische Veröffentlichung unter der Bezeichnung „Bundesanzeiger“ eingeführt. 3 BGH v. 10.5.1995 – 1 StR 764/94, NJW 1995, 2301 und BGH v. 18.2.1977 – I ZR 112/75, NJW 1977, 1062.
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unterliegen1. Hinsichtlich des Begriffs „personenbezogene Daten“ kann auf die Legaldefinition in § 3 Abs. 1 BDSG zurückgegriffen werden. Das sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Hierzu zählen z.B. die Einrichtung der Wohnung, die nach § 4 Abs. 4 WpHG betreten werden darf, etwa mit teuren Gemälden. Die Geheimhaltung privater Tatsachen muss im Interesse des Betroffenen liegen. Ob sie von ihm auch gewollt ist, muss – wie auch das Interesse – nach Lage der Dinge im Einzelfall geprüft werden. Außerdienstlich bekannt gewordene Tatsachen unterfallen nicht der Geheimhal- 11 tungspflicht. Als dienstlich ist jedoch alles das zu bezeichnen, was an Kollegen in der Bundesanstalt weitergegeben wird, auch ohne dass die Informationsempfänger etwa mit dem konkreten Sachverhalt befasst wären. Die Information wird unter dem Selbstverständnis weitergegeben, dass der Empfänger gleichermaßen der Verschwiegenheitspflicht gegenüber Dritten unterliegt. Bei sachlich nicht beteiligten Mitarbeitern ist nur zu erwägen, ob nicht eine besondere Verschwiegenheitspflicht im Hinblick auf bestimmte, ihrer hohen Sensibilität wegen strikt vertraulich zu behandelnder Tatsachen gegeben ist. In derartigen Situationen ist i.S. des § 16 Abs. 1 WpHG nach dem „need to know-Prinzip“ zu verfahren. Das ändert aber nichts an der Qualifizierung als „bei ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt geworden“. Untersagt ist das unbefugte Offenbaren und Verwerten der geheimzuhaltenden Tat- 12 sachen. Offenbaren ist jede Form der Mitteilung, sei es mündlich, schriftlich, über elektronische Medien wie Internet, durch Akteneinsicht oder durch Liegenlassen von Akten in der Absicht, dass ein Unbefugter Einsicht nehme. Unzulässig ist auch eine Offenbarung der geheimhaltungsbedürftigen Tatsache für Zwecke des Parteivortrags im Zivilprozess oder andere private Zwecke2. Unter Verwertung ist das Ausnutzen der Tatsachen für private Zwecke zu verstehen, 13 ohne dass die Tatsache selbst offenbart werden müsste. So wird schon in der Gesetzesbegründung zu § 8 WpHG ausgeführt, dass § 8 Abs. 1 WpHG neben der Verschwiegenheitspflicht auch ein allgemeines Verwertungsverbot statuiert, um das Ausnutzen amtlich gewonnener Erkenntnisse für private Zwecke zu verhindern3. Eine unzulässige Verwertung ist allerdings nicht gegeben, wenn die Tatsachen in hinreichend anonymisierter Form als Grundlagenmaterial für wissenschaftliche oder sonstige fachliche Ausarbeitungen oder Vorträge genutzt werden.
V. Befugtes Offenbaren Verboten ist nur das unbefugte Offenbaren oder Verwerten von Tatsachen. Ein unbefugtes Offenbaren oder Verwerten liegt dann nicht vor, wenn es sich z.B. nicht um geheimhaltungsbedürftige Tatsachen handelt oder die Informationen auf Grund gesetzlicher Ermächtigung (§ 4 Abs. 6, § 8 Abs. 1 Satz 3 WpHG) weitergegeben werden. Ein Geheimhaltungsinteresse fehlt bei öffentlich zugänglichen Tatsachen, wie Tatsachen aus einem öffentlich zugänglichen Register, die in der Presse veröffentlicht oder im (elektronischen) Bundesanzeiger bekannt gemacht wurden. Davon zu unterscheiden sind aber Tatsachen, die zwar schon verschiedene Personen kennen, an denen 1 Reischauer/Kleinhans, § 9 KWG Rz. 13. 2 So auch VG Köln v. 29.4.2002 – 14 L 2316/01, S. 15 zu § 9 KWG und Begr. RegE 2. FFG, BTDrucks. 12/6679, S. 42. 3 Vgl. BT-Drucks. 12/6679, S. 42.
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der Betroffene aber immer noch ein Geheimhaltungsinteresse hat und daher keine „amtliche Bestätigung“ wünscht, es sei denn, dass sie bereits den Charakter des Geheimnisses verloren haben1. Soweit die Zustimmung der durch § 8 WpHG geschützten Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Emittenten oder sonstigen Dritten zum Offenbaren oder Verwerten der Tatsachen vorliegt, ist ein Verstoß gegen § 8 WpHG nicht gegeben. 15
Befugt ist das Offenbaren gegenüber den in § 8 Abs. 1 Satz 3 WpHG beispielhaft genannten nationalen und internationalen Stellen und Personen, die in die deutsche Wertpapierhandelsaufsicht einbezogen sind, auf deren Hilfe die Bundesanstalt zur eigenen Aufgabenerfüllung zurückgreifen muss oder die selbst für ihre Aufgabenerfüllung auf Informationen der Bundesanstalt angewiesen sind. Für diesen Kreis von Stellen, zu denen auch die in § 6 Abs. 2 WpHG genannten Institutionen zählen, wird eine enge Kooperation ohne Gefahr der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht ermöglicht. Der Schutzzweck der Verschwiegenheitspflicht wird nicht ausgehöhlt. Denn diese Stellen unterliegen ebenfalls einer Verschwiegenheitspflicht. Zudem werden die in Nr. 1–4 genannten Stellen über § 8 Abs. 1 Satz 4 WpHG in die Verschwiegenheitspflicht von § 8 WpHG einbezogen. Und schlussendlich dürfen sie die Informationen nur zur Erfüllung der eigenen Aufgaben nutzen2. Zu den mit der Überwachung von Börsen betrauten und in § 6 Abs. 2 WpHG ausdrücklich aufgeführten Stellen gehören auch die Handelsüberwachungsstellen an den Börsen, die im Einzelfall Informationen benötigen, um Regelverstöße an der Börse verfolgen zu können. Umgekehrt sind auch die Handelsüberwachungsstellen nach § 7 BörsG legitimiert, der Bundesanstalt Informationen – in der Praxis insbesondere über den Verdacht von Verstößen gegen das Insiderhandels- und Marktmanipulationsverbot – zu übermitteln. Zudem darf die Bundesanstalt Informationen befugt an die EZB, das Europäische System der Zentralbanken, an ESMA, an EIOPA, an EBA, den Gemeinsamen Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden, den Europäischen Ausschuss für Systemrisiken oder die Europäische Kommission weitergeben, wenn diese die Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Die bei diesen EU-Behörden beschäftigten Personen unterliegen nicht den Verschwiegenheitspflichten des nationalen Rechts, hier des § 8 WpHG. Für sie gilt die Verschwiegenheitspflicht aus Art. 339 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, in Art. 8 der Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 bzw. in den Art. 70 der EBA-VO, der EIOPA-VO und der ESMA-VO3.
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Mit dem Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz wurde zudem geregelt, dass vertrauliche Informationen auch an die Stellen weitergegeben werden dürfen, die für die Überwachung von Versicherungs- oder gemäß § 2a Abs. 1 Nr. 7 WpHG ausgenommenen Fondsvermittlern oder Anlageberatern zuständig sind. Mit dem Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts erfolgte eine sprachliche Anpassung an die Änderungen in § 2a Abs. 1 Nr. 7 WpHG, §§ 34c, 34f GewO. Nun spricht das Gesetz von Stellen zur Überwachung von „Unternehmen im Sinne von § 2a Abs. 1 Nr. 7 WpHG“. Das sind insbesondere die Gewerbeaufsichtsämter und die Industrie- und Handelskammern. Zudem stellt die Norm ausdrücklich klar, dass die Bundesanstalt an Zentralbanken in ihrer Funktion als Währungsbehörden geheimhaltungsbedürftige Tatsachen weitergeben darf4. Letztlich kann die 1 OLG Stuttgart v. 7.11.2006 – 8 W 388/06, AG 2007, 218; OLG Frankfurt/M. v. 18.8.1981 – 2 Ws (B) 230/81 OWiG, NVwZ 1982, 215. 2 Vgl. Begr. RegE 2. FFG zu § 8 Abs. 1, BT-Drucks. 12/6679, S. 42 f. 3 Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010, 1094/2010 und 1095/2010. Vgl. auch BT-Drucks. 17/6255, S. 30. 4 Vgl. Begr. RegE FRUG zu Nr. 7 (§ 8) lit. b cc, BT-Drucks. 16/4028, S. 62.
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Bundesanstalt geheimhaltungsbedürftige Informationen befugt an solche Stellen weitergeben, die mit der Liquidation oder Insolvenz eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens, eines organisierten Marktes oder des Betreibers eines organisierten Marktes betraut sind. In einem solchen Fall können die Informationen auch für Zwecke zivil- oder handelsrechtlicher Verfahren übermittelt werden, soweit das zur Aufgabenerfüllung des Abwicklers oder Insolvenzverwalters erforderlich ist1. Das entspricht § 9 Abs. 1 Satz 4 Nr. 3 KWG. Befugt ist nach § 8 Abs. 1 Satz 2 WpHG auch die Weitergabe von Tatsachen im Rahmen dienstlicher Berichterstattung, z.B. an das Bundesministerium der Finanzen, das die Fachaufsicht und Rechtsaufsicht über die Bundesanstalt ausübt und durch § 8 Abs. 1 Satz 2 WpHG gleichermaßen der Verschwiegenheitspflicht unterliegt. Eine Einschränkung hinsichtlich der dienstlichen Weitergabe von Tatsachen privater Natur ist gegeben, wenn diese nicht von dienstlichem Interesse sind.
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Die Weitergabe von Tatsachen an eine entsprechende Stelle eines anderen Staates 18 wird hinsichtlich der in Nr. 1–4 genannten Stellen gemäß § 8 Abs. 1 Satz 5 WpHG insoweit eingeschränkt, als diese Stelle oder die von ihr beauftragten Personen einer entsprechenden Verschwiegenheitspflicht unterliegen müssen. Aus der Begründung zu § 8 WpHG wird deutlich, dass es sich um die zuständige Stelle (s. auch § 7 Rz. 14) handeln muss, also eine solche i.S. von § 8 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 WpHG. Hier sind im Einzelfall genauere Informationen einzuholen, da z.B. die Börsenaufsicht bisweilen in Teilbereichen auch von halbstaatlichen oder gar privaten Organisationen durchgeführt wird. Der Bedarf an grenzüberschreitenden Informationen ist nachhaltig im Hinblick auf die Umsetzung der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie gestiegen, da die Aufsicht über Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach dem Herkunftslandprinzip erfolgt. Für die Weitergabe von Informationen an die Einrichtungen der Europäischen Finanzaufsicht in Nr. 5 wird eine besondere Verschwiegenheitspflicht in der nationalen Norm des § 8 WpHG nicht gefordert; eine solche ist europarechtlich aber auch normiert, z.B. für die ESMA in Art. 70 ESMA-VO. Dementsprechend bedarf es zur Informationsweitergabe an die in Nr. 5 genannten EU-Behörden keiner gesonderten Gleichwertigkeitsprüfung2 der Verschwiegenheitspflicht. Nach der Begründung zu § 8 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 WpHG werden durch die Begriffe „Kreditinstitut“, „Finanzdienstleistungsinstitut“ und „Finanzunternehmen“ sowohl inländische als auch ausländische Unternehmen erfasst, wobei bei ausländischen Unternehmen der Unternehmensbegriff im materiellen Sinne zu verstehen ist, es also nicht darauf ankommt, ob sie nach dem für sie maßgeblichen Recht formal unter diese Begriffe fallen3.
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Das WpHG enthält in § 7 weitere Bestimmungen, die die Weitergabe von Informatio- 20 nen unter dem Gesichtspunkt der Verschwiegenheitspflicht gegenüber ausländischen Stellen konkretisieren. Hinsichtlich der internationalen Zusammenarbeit ist nunmehr zudem § 7a WpHG zu berücksichtigen, der die Zusammenarbeit der Bundesanstalt mit ESMA regelt. Des Weiteren gibt es in §§ 37r und 37s WpHG ergänzende Regelungen für die Informationsweitergabe im Rahmen der Überwachung von Unternehmensabschlüssen.
1 Vgl. Begr. RegE FRUG zu Nr. 7 (§ 8) lit. b cc, BT-Drucks. 16/4028, S. 62. 2 Vgl. Begr. RegE des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2010/78/EU in BT-Drucks. 17/6255, S. 30. 3 Vgl. Begr. RegE UmsetzungsG zu § 8 Abs. 1, BT-Drucks. 13/7142, S. 105.
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Ein befugtes Offenbaren ist auch im Rahmen der Befolgung von Landespressegesetzen möglich, die auch für Bundesbehörden gelten1. Nach den insoweit übereinstimmenden Landespressegesetzen ist eine Behörde grundsätzlich verpflichtet, der Presse die gewünschten Auskünfte zu erteilen. Die Auskunft kann u.a. verweigert werden, wenn entweder durch sie die sachgemäße Durchführung eines straf- oder dienststrafgerichtlichen Verfahrens vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet werden könnte oder soweit Auskünfte über persönliche Angelegenheiten Einzelner verlangt werden, an deren öffentlicher Bekanntgabe kein berechtigtes Interesse besteht. Im Hinblick auf diese gesetzlichen Informationsrechte bedarf es einer Güterabwägung im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesanstalt. Es ist problematisch, wenn eine Staatsanwaltschaft, bei der die Bundesanstalt einen Insider- oder Manipulationsverdacht gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 WpHG angezeigt hat, auf Nachfrage der Presse unter Anwendung des Landespresserechts diesen Umstand nebst Namen der Verdächtigen im Stadium des Ermittlungsverfahrens bekannt gibt. Wird das Verfahren dann beispielsweise wegen Beweisschwierigkeiten eingestellt, kann dies zu deutlichen Reputationseinbußen bei den Betroffenen führen.
VI. Informationsweitergabe nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes 22
Das am 1.1.2006 in Kraft getretene Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) vom 5.9.2005 (BGBl. I 2005, 2722) eröffnet für jedermann grundsätzlich einen Anspruch auf Herausgabe von amtlichen Informationen durch Bundesbehörden. Hierbei handelt es sich um eine Umkehrung des bekannten Prinzips des Aktengeheimnisses und der Vertraulichkeit der Verwaltung. Statt dessen hat eine Bundesbehörde auf Antrag prinzipiell die bei ihr verfügbaren amtlichen Informationen an den Antragsteller herauszugeben. Das IFG stellt sich aber nicht vor alle zuvor schon bestehenden Regelungen, sondern geht von einem Vorrang der spezialgesetzlichen Regelungen aus2. Entsprechend gibt es auch bei Anwendung des IFG einige für das Kapitalmarktrecht wesentliche Ausnahmetatbestände von dieser grundsätzlichen Pflicht zur Herausgabe der amtlichen Informationen. Diese Ausnahmen bewirken letztlich auch unter der Anwendung des IFG einen Schutz derer, die vertrauliche oder geheimhaltungsbedürftige Informationen an die Bundesanstalt geben (müssen).
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Der Anspruch auf Informationszugang besteht für jedermann. Das bedeutet, jede in- oder ausländische natürliche oder juristische Person des Privatrechts kann Informationen anfordern. Nicht antragsbefugt sind juristische Personen des öffentlichen Rechts, für die Möglichkeit der Amtshilfe, Auskunfts- oder Übermittlungsrechte oder -pflichten bestehen, oder nicht rechtsfähige Vereinigungen des Privatrechts3. Der Anspruch ist im Übrigen grundsätzlich voraussetzungslos. Es bedarf also in der Regel keines Vortrags eines besonderen Interesses oder einer besonderen Begründung, warum die Informationen erlangt werden sollen. Der Informationszugang ist zu gewähren als Auskunftserteilung, Akteneinsicht oder in sonstiger Weise, wie z.B. durch Kopien. In welcher Art und Weise die Informationen zugänglich gemacht werden, liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Bundesanstalt. Hierbei ist dem Begehren des Antragstellers grundsätzlich zu folgen, wobei vom Begehren aus wichtigen Gründen abgewichen werden kann. Der Anspruch auf Informationszugang 1 OVG Berlin v. 25.7.1994 – 8B/16/94, VerBAV 1995, 351. 2 Vgl. Gesetzentwurf IFG, BT-Drucks. 15/4493, S. 8, 11. 3 Vgl. Gesetzentwurf IFG, BT-Drucks. 15/4493, S. 7.
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bezieht sich auf die vorhandenen amtlichen Informationen, über die die Bundesanstalt ein Verfügungsrecht hat. Das bedeutet, dass keine Informationsbeschaffungspflicht für die erwünschten Informationen besteht. Eine Beschaffungspflicht würde gerade im Fall der Bundesanstalt zu unbilligen Ergebnissen führen, da sich sonst ein Einzelner auf Kosten der übrigen umlagepflichtigen Kapitalmarktteilnehmer die von ihm benötigten Informationen beschaffen könnte. Der Terminus der „amtlichen Informationen“ ist in § 2 Nr. 1 IFG definiert. Amtliche Informationen sind alle amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnungen, nicht aber Entwürfe und Notizen1. Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes gilt nur für Bundesbehörden. Das bedeu- 24 tet zum einen, dass der Anspruch auf Informationszugang nur gegenüber Behörden besteht. Zweifellos ist die Bundesanstalt eine Bundesbehörde. Ein Anspruch besteht z.B. aber nicht gegenüber der in § 37p WpHG angesprochenen Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR), die privatrechtlich organisiert ist. Informationen, die der DPR vorliegen, können auch nicht über die Bundesanstalt herausverlangt werden, da es keine Informationsbeschaffungspflicht gibt. Zum anderen verpflichtet das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes auch nicht Landesbehörden, wie z.B. die Handelsüberwachungsstellen der Börsen oder Staatsanwaltschaften. Deren amtliche Informationen kann man sich ebenfalls nicht über die Bundesanstalt beschaffen. Eine weitere Einschränkung des Anwendungsbereiches des IFG ergibt sich aus § 1 25 Abs. 3 IFG. Nach dieser Vorschrift gehen Regelungen über den Zugang zu amtlichen Informationen in anderen Rechtsvorschriften mit Ausnahme des § 29 VwVfG und § 25 SGB X den Regelungen des IFG vor. Kapitalmarktrechtlich bedeutsame Regelungen über den Zugang zu amtlichen Informationen sind z.B. § 46 OWiG i.V.m. § 147 StPO, §§ 49, 49b OWiG i.V.m. §§ 406e, 475 StPO. Das bedeutet, dass Akten des Ordnungswidrigkeitenverfahrens (oder des Strafverfahrens) nicht dem Informationszugang nach IFG unterliegen, da hierfür im OWiG und in der StPO besondere Zugangsregelungen bestehen2. Soweit besondere Informationszugangsregelungen nicht bestehen, unterliegen die 26 übrigen amtlichen Informationen der Bundesanstalt grundsätzlich dem Zugangsrecht des IFG. Da aber auch für diesen Informationszugang die Auskunftsinteressen und die Belange des Daten- und Geheimnisschutzes in Einklang gebracht werden müssen, enthält das IFG in §§ 3, 4 Gründe, die einen Informationszugang im öffentlichen Interesse ausschließen. Während § 3 IFG einen Katalog verschiedener Ausschlussgründe enthält, soll nach § 4 IFG der Informationszugang dann verwehrt werden, wenn es sich um ein noch laufendes Verwaltungsverfahren handelt und wenn die vorzeitige Bekanntgabe der Information den Erfolg der Entscheidung oder der bevorstehenden behördlichen Maßnahmen vereiteln oder erschweren würde. Hierbei ist es ausreichend, wenn die Entscheidung der Behörde voraussichtlich gar nicht, mit anderem Inhalt oder wesentlich später zustande käme. Damit schützt § 4 IFG neben der ungestörten behördlichen Entscheidungsfindung auch die vollständige und unbefangene behördliche Aktenführung. Der in § 3 IFG enthaltene Katalog von Ausschlusstatbeständen, die öffentliche Belange schützen, kann an dieser Stelle nicht umfassend dargelegt werden. Insoweit muss auf die einschlägige Literatur zum IFG
1 Das IFG gibt auch keinen Anspruch auf einen von einer vorherigen Rechtsanwendung oder Rechtsprüfung abhängigen Informationsanspruch, nur auf vorliegende Informationen; vgl. VG Frankfurt/M. v. 23.1.2008 – 7 E 1487/07, NVwZ 2008, 1389. 2 Vgl. hierzu auch Begr. zu § 3 Nr. 1g IFG, BT-Drucks. 15/4493, S. 10.
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verwiesen werden1. An dieser Stelle kann nur auf die für das WpHG am häufigsten relevanten Tatbestände eingegangen werden. 27
Der Informationszugang ist z.B. gemäß § 3 Nr. 4 IFG ausgeschlossen, wenn die gewünschte Information einer durch Rechtsvorschrift geregelten Geheimhaltungsoder Vertraulichkeitspflicht unterliegt. Diese IFG-Regelung ist u.a. Ausgleich für den voraussetzungslosen Anspruch auf Informationszugang um den Grundsatz des IFG umzusetzen „So viel Information wie möglich, so viel Geheimnisschutz wie nötig“. Mit dieser Regelung schließt sich aber auch der Kreis zu § 8 WpHG. Denn dieser ist eine Norm, die per Rechtsvorschrift eine Geheimhaltungspflicht2 regelt. Das ergibt sich aus den Gesetzesbegründungen sowohl zu § 8 WpHG als auch zu § 3 Nr. 4 IFG. So zählt z.B. die Gesetzesbegründung zu § 3 Nr. 4 IFG bezüglich der Regelungen, die den Informationszugang ausschließen, gerade das KWG auf, das mit der Verschwiegenheitsregelung in § 9 KWG die Parallelnorm zu § 8 WpHG enthält. Insoweit dürfen Informationen, die § 8 WpHG unterliegen, auch nicht nach dem IFG zugänglich gemacht werden.
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Gleichfalls dürfen Informationen, die im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit nach §§ 7, 7a WpHG ggf. i.V.m. Art. 70 ESMA-VO zwischen der Bundesanstalt und einer ausländischen Aufsichtsbehörde ausgetauscht werden, nicht an einen Antragsteller nach IFG herausgegeben werden3. Auch in einer solchen Fallkonstellation schließt § 3 IFG den Informationszugang bezüglich derartiger Informationen aus4. Denn eine Weitergabe der Informationen aus der internationalen Zusammenarbeit kann nachteilige Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen haben (§ 3 Nr. 1 lit. a IFG) und würde zudem gegen die Verschwiegenheitspflichten aus §§ 7, 8 WpHG verstoßen (§ 3 Nr. 4 IFG).
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Ein Anspruch auf Informationszugang besteht zudem nach § 3 Nr. 1d IFG nicht, wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen auf die Kontroll- oder Aufsichtsaufgaben von Finanzbehörden haben könnte. Die Bundesanstalt ist eine solche Finanzbehörde im Sinne des IFG5. Um den Tatbestand zu erfüllen, reicht das Bestehen der Gefahr aus, dass der Informationszugang nachteilige Auswirkungen auf die Aufsichtstätigkeit der Bundesanstalt haben kann6. Es wäre beispielsweise unverantwortlich und auch vom Gesetzgeber des IFG nicht gewollt, dass z.B. Grundsatzpapiere über die zukünftigen Aufsichtsstrategien herausgegeben werden müssen oder durch eine Pflicht der Bundesanstalt zur Herausgabe sensibler Informationen den Informationsfluss aus dem Markt an die Bundesanstalt zu gefährden. 1 Berger/Roth/Scheel, Informationsfreiheitsgesetz, 2006; Jastrow/Schlatmann, Informationsfreiheitsgesetz IFG, 2006; Rossi, Informationsfreiheitsgesetz, 2006. 2 Inzwischen ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. VG Frankfurt/M. v. 19.3.2008 – 7 E 4067/06; VG Frankfurt/M. v. 28.1.2009 – 7 K 4037/07.F; VG Frankfurt/M. v. 18.2.2009 – 7 K 4170/07.F, jeweils veröffentlicht in der Entscheidungssammlung der hessischen Justiz unter http://lareda.hessenrecht.hessen.de; VG Frankfurt/M. v. 7.5.2009 – 7 L 676/09.F, NVwZ 2009, 1182. Teilweise werden die Verschwiegenheitspflichten als besonderes Amtsgeheimnis eingeordnet, was gleichfalls zum Ausschluss des IFG-Anspruchs führt, vgl. z.B. Rossi, Informationsfreiheitsgesetz, 2006, § 3 Rz. 20. 3 S. Hess. VGH v. 28.4.2010 – 6 A 1767/08, NVwZ 2010, 984. 4 Vgl. VG Frankfurt/M. v. 12.3.2008 – 7 E 5426/06, ZIP 2008, 2138. 5 Berger/Roth/Scheel, Informationsfreiheitsgesetz, 2006, § 3 Rz. 52; Jastrow/Schlatmann, Informationsfreiheitsgesetz IFG, 2006, § 3 Rz. 33; Rossi, Informationsfreiheitsgesetz, 2006, § 3 Rz. 20. Implizit auch VG Frankfurt/M. v. 12.3.2008 – 7 E 5426/06, ZIP 2008, 2138. 6 Hierbei stellen die Gerichte hohe Konkretisierungsanforderungen, vgl. VG Berlin v. 3.12.2008 – 2 A 132/07, in juris; Hess. VGH v. 11.10.2010 – 27 F 1081/10, DVBl. 2011, 124.
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Nach § 3 Nr. 1g IFG ist der Informationszugang auch ausgeschlossen bezüglich der 30 Akten der Ausgangsbehörde für ein ordnungswidrigkeitenrechtliches oder strafrechtliches Verfahren, soweit sich nachteilige Auswirkungen auf ein faires Verfahren oder die Durchführung entsprechender Ermittlungen ergeben könnten. Von dieser Regelung sind die Akten des ordnungswidigkeitenrechtlichen oder strafrechtlichen Verfahrens selbst nicht betroffen, denn für diese greift schon die Regelung des § 1 Abs. 3 IFG1. Es kann sich also nur um die Akten handeln, die bei der Bundesanstalt zwecks der Pflichtenüberwachung geführt werden und die dann ggf. Ausgangspunkt strafoder ordnungswidrigkeitenrechtlicher Ermittlungen sind2. Letztlich liegt es auch im öffentlichen Interesse, dass der Informationszugang 31 bezüglich vertraulich erhobener oder übermittelter Informationen verwehrt wird, soweit das Interesse an der vertraulichen Behandlung im Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang noch fortbesteht. Zum Schutz dieser Vertraulichkeit enthält § 3 Nr. 7 IFG einen entsprechenden Versagungsgrund für den Informationszugang3. Hintergrund dieser Regelung ist die gesetzgeberische Überlegung, dass Behörden in hohem Maße auf eine Informationszusammenarbeit mit Bürgern angewiesen sind. Da die Bereitschaft der Bürger zu einer solchen Kooperation von dem Vertrauen in die Verschwiegenheit der Verwaltung abhängt, wird diese Vertraulichkeit auch durch das IFG gewahrt. Kommt bei der Prüfung des Antrags auf Informationszugang sichtbar in Betracht, dass das Interesse an einer vertraulichen Behandlung nachträglich entfallen ist, geht die Behörde dem im Rahmen ihres Verfahrensermessens nach, insbesondere durch eine Nachfrage bei dem Informationsgeber4. Neben den Tatbeständen, bei deren Vorliegen der Informationszugang im öffent- 32 lichen Interesse ausgeschlossen ist, sind in §§ 5, 6 IFG Gründe enthalten, die im Interesse Dritter den Informationszugang ausschließen. § 5 IFG schützt personenbezogene Daten. Da sich der Vorrang des Datenschutzes z.B. schon aus § 3 Nr. 4 IFG ergibt5, greift § 5 IFG nur, soweit die personenbezogenen Daten nicht über § 8 i.V.m. § 3 Nr. 4 IFG geschützt sind. Soweit der Antragsteller aus den Akten der Behörde personenbezogene Daten erlangen möchte, muss er – entgegen der sonstigen Intention des IFG – seinen Antrag begründen. Es obliegt dann der Abwägung der Behörde, ob und inwieweit das Informationsinteresse des Antragstellers das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des Zugangs zu den personenbezogenen Daten überwiegt. Der Schutz der personenbezogenen Daten genießt grundsätzlich Vorrang vor dem Informationsinteresse des Antragstellers, es sei denn, das Informationsinteresse überwiegt ausnahmsweise oder eine der Rückausnahmen in § 5 Abs. 3, 4 IFG greift. So sind Name, Titel, akademischer Grad, Berufs- und Funktionsbezeichnung, Büroanschrift und -telekommunikationsnummer der jeweiligen Bearbeiter in der Bundesanstalt zu offenbaren, soweit sie Ausdruck und Folge der amtlichen Tätigkeit sind und kein Ausnahmetatbestand erfüllt ist, wie z.B. die persönliche Schutzbedürftigkeit des Amtsträgers.
1 Vgl. BT-Drucks. 15/4493, S. 10. 2 Zur Rechtsprechung zu § 3 Nr. 1g IFG vgl. VG Frankfurt/M. v. 11.11.2008 – 7 E 1675/07 und VG Frankfurt/M. v. 30.8.2010 – 7 L 1957/10.F, beide veröffentlicht in der Entscheidungssammlung der hessischen Justiz unter http://lareda.hessenrecht.hessen.de. 3 Vgl. z.B. VG Frankfurt/M. v. 22.4.2009 – 7 K 805/08.F, in der vorgenannten Entscheidungssammlung. 4 Vgl. BT-Drucks. 15/4493, S. 12. 5 Vgl. BT-Drucks. 15/4493, S. 13.
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Weitere Interessen Dritter, die den Informationszugang ausschließen, sind zudem in § 6 IFG geregelt. § 6 IFG gewährleistet den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und den Schutz geistigen Eigentums. Für die Tätigkeit der Bundesanstalt hat diese Regelung auch nur für Informationen Relevanz, die nicht schon über § 8 i.V.m. § 3 Nr. 4 IFG geschützt sind. Hinsichtlich des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses kann auf die Ausführungen unter Rz. 8 verwiesen werden. Zum geistigen Eigentum gehören insbesondere Urheber-, Marken-, Patent-, Gebrauchsund Geschmacksmusterrechte. Soweit eines der benannten Rechte von dem Antrag auf Informationszugang betroffen ist und keine Einwilligung des Inhabers vorliegt, ist der Antrag ohne Ermessensabwägung abzulehnen.
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Letztlich enthält das IFG noch sonstige Gründe, die den Informationszugang ausschließen können1. Nach § 9 Abs. 3 IFG kann die Bundesanstalt den Informationszugang ablehnen, wenn der Antragsteller über die begehrten Informationen schon verfügt oder sich diese in zumutbarer Weise aus allgemein zugänglichen Quellen beschaffen kann2. Diese Regelung ist in der Praxis bedeutsam hinsichtlich des gegenseitig ausgetauschten Schriftverkehrs, den der Antragsteller kennt, und für die Herausgabe von Ad-hoc-Mitteilungen, Pressemitteilungen oder -meldungen, veröffentlichten Prospekten, andere öffentliche Kapitalmarktinformationen u.Ä. Zu den Daten aus allgemein zugänglichen Quellen gehören auch Daten aus dem Internet oder Daten, die kostenpflichtig beschafft werden müssen3. Die Behörde hat hier nur zu prüfen und abzuwägen, ob sich der Antragsteller unter Berücksichtigung seiner individuellen Umstände die Daten in zumutbarer Weise aus öffentlich zugänglichen Quellen beschaffen kann. Soweit sich das Trennen der Teile der Akten, für die der Informationszugang möglich ist, und der Teile, die vom Informationszugang ausgeschlossen sind, als unzumutbarer Aufwand für die Bundesanstalt erweist, kann letztlich auch ein teilweiser Informationszugang nach § 7 Abs. 2 Satz 2 IFG abgelehnt werden4. Das kann man sich beispielsweise vorstellen, bei Anträgen auf Zugang zu Akten von Insideruntersuchungen, in denen viele Pressemeldungen, Ad-hocMitteilungen, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und personenbezogene Daten enthalten sind, die zur Sachverhaltsaufklärung herangezogen werden. Hier verbleibt kaum ein Blatt Papier, das unproblematisch zugänglich gemacht werden kann, weil es geheimhaltungsbedürftige Informationen enthält, oder das als Geschäftsbericht oder veröffentlichte Information nicht öffentlich zugänglich ist.
35
Bei Eingang eines Antrags auf Informationszugang bei der Bundesanstalt muss diese den Antragsteller identifizieren können5. Eine Schriftlichkeit des Antrags ist darüber hinaus nicht zwingend vorgesehen, wohl aber eine Begründung, wenn es um personenbezogene Daten nach § 5 IFG geht. Die Bundesanstalt prüft das Vorliegen der Voraussetzungen des Informationszugangs, wie ihre Verfügungsbefugnis über die Da-
1 Z.B. rechtsmissbräuchliche Anträge, wenn offensichtlich keine nachvollziehbaren Motive dem Antrag zu Grunde liegen und der Antragsteller handelt, um die Behörde oder Dritte zu schikanieren oder zu belästigen, vgl. Hess. VGH v. 24.3.2010 – 6 A 1832/09, NVwZ 2010, 1112. 2 Vgl. Hess. VGH v. 24.3.2010 – 6 A 1832/09, NVwZ 2010, 1112. 3 Vgl. BT-Drucks. 15/4493, S. 16. 4 Vgl. VG Frankfurt/M. v. 5.12.2008 – 7 E 1780/07; VG Frankfurt/M. v. 28.1.2009 – 7 K 4037/07.F, veröffentlicht in der Entscheidungssammlung der hessischen Justiz unter http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de; VG Frankfurt/M. v. 7.5.2009 – 7 L 676/09.F, NVwZ 2009, 1182 und Hess. VGH v. 2.3.2010 – 6 A 1684/08, NVwZ 2010, 1036. Bislang ist der Maßstab unklar. 5 Vgl. BT-Drucks. 15/4493, S. 14.
300 Döhmel
§8
Verschwiegenheitspflicht
ten1 und ggf. besondere Informationszugangsregelungen i.S. des § 1 Abs. 3 IFG, und der Voraussetzungen der Ausnahmetatbestände in §§ 3 ff. IFG. Soweit in Betracht gezogen werden muss, dass der Informationszugang nach §§ 5 f. IFG ausgeschlossen ist, muss nach § 8 IFG ein Beteiligungsverfahren durchgeführt werden. Das bedeutet, dass die Bundesanstalt die Person, deren personenbezogenen Daten, deren geistiges Eigentum oder deren Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse betroffen sind, von dem Antrag auf Informationszugang und der Identität des Antragstellers zu informieren hat und dieser die Möglichkeit zur Stellungnahme einräumen muss. Die Entscheidung über den Informationszugang muss dann schriftlich ergehen, wobei der Antragsteller erst dann die Informationen erhalten darf, wenn die Entscheidung gegenüber dem Dritten bestandskräftig ist oder der Dritte die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes hatte. Soweit die Anwendung der §§ 5 f. IFG nicht in Betracht kommt, kann die Bundesanstalt über den Antrag auf Informationszugang ohne dieses aufwendige Beteiligungsverfahren entscheiden. Gegen die Entscheidung können die Rechtsbehelfe des Verwaltungsverfahrens erhoben werden. Zuständig für die Widerspruchsbescheidung ist die Bundesanstalt und bei einer Klage das Verwaltungsgericht Frankfurt/M. (§ 1 Abs. 3 FinDAG), nach dem derzeitigen Geschäftsverteilungsplan die 7. Kammer. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das IFG eine Herausgabe von Daten ent- 36 gegen den gesetzgeberischen Intentionen der besonderen Verschwiegenheitspflicht nach § 8 WpHG nicht begründet. Das IFG geht gerade von einem Vorrang der spezialgesetzlichen Regelungen aus. Maßgabe der Überlegungen zum Informationszugang ist, dass die Verschwiegenheitspflicht der Bundesanstalt kein Selbstzweck ist, sondern deren Normierung Voraussetzung war, um das Vertrauen in die Integrität der Aufsichtspraxis und eine entsprechende Kooperationsbereitschaft sicherzustellen. Zudem erfüllt § 8 WpHG die Anforderungen verschiedener europarechtlicher Vorgaben.
VII. Rechts- und Amtshilfe nach Art. 35 GG Inwieweit ein befugtes Offenbaren von Tatsachen im Rahmen der Rechts- und Amts- 37 hilfe nach Art. 35 GG möglich ist, bedarf der Einzelfallprüfung2. Es ist jedoch nicht grundsätzlich ausgeschlossen, denn bei den in § 8 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 und 3 WpHG genannten Stellen handelt es sich um Beispielsfälle („insbesondere“). So ist eine Weitergabe von geschützten Informationen denkbar zum Schutz höherrangiger Rechtsgüter, wenn auch diese Stelle Verschwiegenheitspflichten unterliegt und die Weitergabe im öffentlichen Interesse ist. In einem Zivilprozess können beispielsweise auch auf Rechtshilfeersuchen des Gerichts keine Unterlagen zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt werden, die den Prozessbeteiligten zwangsweise Aufschluss über die Geschäftsbeziehungen einer Partei zu Dritten Aufschluss geben3. Andererseits ist es aber denkbar, dass bei einem Zivilprozess zwischen einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen und einem seiner Kunden einem dahin gehenden Rechtshilfeersuchen eines Gerichts entsprochen werden könnte, darüber Auskunft zu erteilen, ob ein dargelegter Sachverhalt im Hinblick auf § 31 WpHG vom Ablauf her sachgerecht war. Feststellungen, die öffentlich-rechtliche Kreditinstitute betreffen und an die zuständige Staatsaufsichtsbehörde weitergegeben werden, sind befugt offenbart. 1 Das ergibt sich aus der Prüfung der Zuständigkeit der Behörde. Vgl. BT-Drucks. 15/4493, S. 14. 2 Reischauer/Kleinhans, § 9 KWG Rz. 21. 3 Beck, in: Schwark/Zimmer, § 8 WpHG Rz. 24.
Döhmel
301
§8
Verschwiegenheitspflicht
VIII. Eingeschränkte Auskunftspflicht gegenüber den Finanzbehörden 38
§ 8 Abs. 2 WpHG enthält ein besonderes Verwertungsverbot der im Rahmen der Aufsichtstätigkeit erlangten Informationen, Kenntnisse und Unterlagen im Verhältnis zu den Finanzbehörden. Insoweit tritt das öffentliche Interesse an einer gleichmäßigen Besteuerung gegenüber den Zielen einer effektiven Wertpapieraufsicht (wie auch der Börsenaufsicht, der Versicherungsaufsicht und der Aufsicht über die Kreditinstitute) zurück. Da die Bundesanstalt bei ihrer gesamten Tätigkeit in hohem Maße auf die Kooperationsbereitschaft der gewerbsmäßigen Erbringer von Wertpapierdienstleistungen, ihrer Kunden und des Publikums insgesamt angewiesen ist, ist das Verwertungsverbot notwendig, um eine wirksame Aufsicht zu ermöglichen. Darüber hinaus werden die zuständigen Stellen in anderen Staaten als Ausfluss der europäischen Richtlinien vielfach nur unter dem Vorbehalt der steuerlichen Nichtverwertung zur Übermittlung von Informationen an die Bundesanstalt bereit sein (vgl. z.B. Art. 16 Abs. 2 Satz 3 der Marktmissbrauchsrichtlinie)1.
39
Auskunfts- und Vorlagepflichten und Amtshilfe gegenüber den Finanzbehörden nach §§ 105 Abs. 1, 111 Abs. 5 AO sowie die Mitteilungspflicht des Verdachtes einer Steuerstraftat gemäß § 116 Abs. 1 AO finden nach § 8 Abs. 2 Satz 2 WpHG nur Anwendung, soweit die Finanzbehörden die Kenntnisse für die Durchführung eines Verfahrens wegen einer Steuerstraftat sowie eines damit zusammenhängenden Besteuerungsverfahrens benötigen, an deren Durchführung ein zwingendes öffentliches Interesse besteht.
40
Sollten jedoch in dem Steuerstrafverfahren Tatsachen betroffen sein, die den bei der Bundesanstalt Beschäftigten oder den nach § 4 Abs. 3 FinDAG beauftragten Personen oder Personen nach § 8 Abs. 1 Satz 2 WpHG durch eine Stelle eines anderen Staates i.S. von § 8 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 WpHG oder durch von dieser Stelle beauftragte Personen mitgeteilt worden sind, so dürfen die in dieser Weise übermittelten Informationen den Finanzbehörden nach § 8 Abs. 2 WpHG auch nicht zur Durchführung eines Steuerstrafverfahrens übermittelt werden, auch nicht wenn hierbei ein zwingendes öffentliches Interesse an dessen Durchführung besteht. Diese Regelung nimmt darauf Rücksicht, dass anderenfalls der Informationsaustausch auf internationaler Ebene gefährdet werden könnte.
IX. Folgen bei Verletzung der Verschwiegenheitspflicht 41
Die strafrechtlichen Konsequenzen aus einer Verletzung der Verschwiegenheitspflicht ergeben sich aus den Vorschriften der §§ 203 Abs. 2 und 204 StGB. Nach § 203 Abs. 2 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer als Amtsträger unbefugt ein fremdes Geheimnis offenbart, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, das ihm anvertraut oder sonst bekannt geworden ist.
42
Handelt er dabei gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, so kann auf Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren erkannt werden (§ 203 Abs. 5 StGB).
1 Drucks. 12/6679, S. 43.
302 Döhmel
§9
Meldepflichten
Wer fremde Geheimnisse, namentlich ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis unter Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht verwertet, wird nach § 204 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
43
Es handelt sich um Antragsdelikte, für die Vorsatz gegeben sein muss. Der Täter 44 muss wissen oder zumindest billigend in Kauf nehmen, dass er ein im Interesse eines nach dem WpHG Verpflichteten oder eines Dritten zu wahrendes Geheimnis preisgibt und dass er unbefugt handelt. Der Versuch der Tat ist nicht strafbar, da dies im Gesetz nicht ausdrücklich bestimmt ist (§ 23 Abs. 1 StGB). Die Einhaltung der Verschwiegenheitspflicht, die im Interesse der nach dem WpHG 45 Verpflichteten oder eines Dritten besteht, ist eine Amtspflicht. Entsteht dem geschützten Personenkreis durch vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung der Verschwiegenheitspflicht ein Schaden, so haftet der Beamte hierfür einschließlich eines etwa entgangenen Gewinns (§§ 839 Abs. 1, 252 BGB). Die Vorschrift des § 8 WpHG dürfte ein Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2 BGB1 sein. Hat der Beamte oder sonstige Bedienstete die Verschwiegenheitspflicht in Ausübung seines öffentlichen Amtes verletzt, so tritt an die Stelle seiner Haftung diejenige des Bundes nach Art. 34 Satz 1 GG, der im Falle des Vorsatzes oder der groben Fahrlässigkeit auf den Bediensteten Rückgriff nehmen kann (Art. 34 Satz 2 GG). Die fahrlässige Verletzung der Verschwiegenheitspflicht kann zudem zu disziplinar- und arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen.
§9 Meldepflichten (1) Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Zweigniederlassungen im Sinne des § 53b des Kreditwesengesetzes sind verpflichtet, der Bundesanstalt jedes Geschäft in Finanzinstrumenten, die zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen oder in den regulierten Markt oder den Freiverkehr einer inländischen Börse einbezogen sind, spätestens an dem auf den Tag des Geschäftsabschlusses folgenden Werktag, der kein Samstag ist, nach Maßgabe des Absatzes 2 mitzuteilen. Die Verpflichtung nach Satz 1 gilt auch für den Erwerb und die Veräußerung von Rechten auf Zeichnung von Wertpapieren, sofern diese Wertpapiere an einem organisierten Markt oder im Freiverkehr gehandelt werden sollen, sowie für Geschäfte in Aktien und Optionsscheinen, bei denen ein Antrag auf Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt oder auf Einbeziehung in den regulierten Markt oder den Freiverkehr gestellt oder öffentlich angekündigt ist. Die Verpflichtung nach den Sätzen 1 und 2 gilt auch für inländische zentrale Kontrahenten im Sinne des § 1 Abs. 31 des Kreditwesengesetzes hinsichtlich der von ihnen abgeschlossenen Geschäfte. Die Verpflichtung nach den Sätzen 1 und 2 gilt auch für Unternehmen, die ihren Sitz in einem Staat haben, der nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, und an einer inländischen Börse zur Teilnahme am Handel zugelassen sind, hinsichtlich der von ihnen an dieser inländischen Börse geschlossenen Geschäfte in Finanzinstrumenten. Die Verpflichtung nach den Sätzen 1 und 2 gilt auch für Unternehmen, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum haben und an einer inländi1 Reischauer/Kleinhans, § 9 KWG Rz. 29.
Döhmel
303
§9
Meldepflichten
schen Börse zur Teilnahme am Handel zugelassen sind, jedoch nur hinsichtlich der von ihnen an dieser inländischen Börse geschlossenen Geschäfte in solchen Finanzinstrumenten, die weder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen noch in den regulierten Markt einer inländischen Börse einbezogen sind. (1a) Von der Verpflichtung nach Absatz 1 ausgenommen sind Bausparkassen im Sinne des § 1 Abs. 1 des Gesetzes über Bausparkassen und Unternehmen im Sinne des § 2 Abs. 4 und 5 des Kreditwesengesetzes, sofern sie nicht an einer inländischen Börse zur Teilnahme am Handel zugelassen sind, sowie Wohnungsgenossenschaften mit Spareinrichtung. Die Verpflichtung nach Absatz 1 findet auch keine Anwendung auf Geschäfte in Anteilen an Investmentvermögen, die von einer Kapitalanlagegesellschaft oder einer ausländischen Investmentgesellschaft ausgegeben werden, bei denen eine Rücknahmeverpflichtung der Gesellschaft besteht. (2) Die Mitteilung ist der Bundesanstalt im Wege der Datenfernübertragung zu übermitteln, es sei denn, es liegen die Voraussetzungen des Artikels 12 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 vor, unter denen eine Speicherung auf einem Datenträger erfolgen kann. Die Mitteilung muss für jedes Geschäft mindestens die Angaben nach Artikel 13 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Tabelle 1 des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 enthalten, soweit die Bundesanstalt im Hinblick auf diese Angaben eine Erklärung nach Artikel 13 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 abgegeben hat. Die Mitteilung muss darüber hinaus enthalten: 1. Kennzeichen zur Identifikation des Depotinhabers oder des Depots, sofern der Depotinhaber nicht selbst nach Absatz 1 zur Meldung verpflichtet ist, 2. Kennzeichen für Auftraggeber, sofern dieser nicht mit dem Depotinhaber identisch ist. (3) Die Bundesanstalt ist zuständige Behörde für die Zwecke der Artikel 9 bis 15 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006. Sie übermittelt Mitteilungen nach Absatz 1 innerhalb der in Artikel 14 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 genannten Frist an die zuständige Behörde eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, wenn sich in diesem Staat der unter Liquiditätsaspekten wichtigste Markt für das gemeldete Finanzinstrument im Sinne der Artikel 9 und 10 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 befindet oder eine Anforderung einer zuständigen Behörde nach Artikel 14 Abs. 1 Buchstabe c der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 vorliegt. Satz 2 gilt entsprechend für Mitteilungen einer Zweigniederlassung im Sinne des § 53b Abs. 1 Satz 1 des Kreditwesengesetzes an die Bundesanstalt, falls die zuständige Behörde des Herkunftsmitgliedstaates nicht auf eine Übermittlung verzichtet hat. Eine Übermittlung nach Satz 2, auch in Verbindung mit Satz 3, gilt auch dann als an die zuständige Behörde im Herkunftsmitgliedstaat übermittelt, wenn sie im Einvernehmen mit dieser Behörde an eine andere Einrichtung übermittelt wird. Für Inhalt, Form und Frist der Übermittlungen nach den Sätzen 2 bis 4 gilt Artikel 14 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006. Für die nicht automatisierte Zusammenarbeit der Bundesanstalt mit der zuständigen Behörde eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum auf dem Gebiet des Meldewesens nach dieser Vorschrift oder vergleichbaren ausländischen Vorschriften gilt Artikel 15 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006. Zur Erfüllung der Pflichten nach Satz 2 erstellt die Bundesanstalt eine Liste der Finanzinstrumente nach Maßgabe des Artikels 11 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 und kann unter den dort geregelten Voraussetzungen Referenzdaten von inländischen Börsen anfordern. § 7 bleibt unberührt.
304 Döhmel
§9
Meldepflichten
(4) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, 1. nähere Bestimmungen über Inhalt, Art, Umfang und Form der Mitteilung und über die zulässigen Datenträger und Übertragungswege erlassen, 2. neben den Angaben nach Absatz 2 zusätzliche Angaben vorschreiben, soweit dies aufgrund der besonderen Eigenschaften des Finanzinstruments, das Gegenstand der Mitteilung ist, oder der besonderen Bedingungen an dem Handelsplatz, an dem das Geschäft ausgeführt wurde, gerechtfertigt ist und die zusätzlichen Angaben zur Erfüllung der Aufsichtsaufgaben der Bundesanstalt erforderlich sind, 3. zulassen, dass die Mitteilungen der Verpflichteten auf deren Kosten durch die Börse oder einen geeigneten Dritten erfolgen, und die Einzelheiten hierzu festlegen, 4. für Geschäfte, die Schuldverschreibungen zum Gegenstand haben, zulassen, dass Angaben nach Absatz 2 in einer zusammengefassten Form mitgeteilt werden, 5. bei Sparkassen und Kreditgenossenschaften, die sich zur Ausführung des Geschäfts einer Girozentrale oder einer genossenschaftlichen Zentralbank oder des Zentralkreditinstituts bedienen, zulassen, dass die in Absatz 1 vorgeschriebenen Mitteilungen durch die Girozentrale oder die genossenschaftliche Zentralbank oder das Zentralkreditinstitut erfolgen, wenn und soweit der mit den Mitteilungspflichten verfolgte Zweck dadurch nicht beeinträchtigt wird. (5) Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung nach Absatz 4 durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übertragen. In der Fassung des Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarkt- und der Versicherungsaufsicht vom 29.7.2009 (BGBl. I 2009, 2305). Schrifttum: Becker, Rechtsfolgen regulatorischer Mängel des Stromhandels, WuW 2010, 398; Dreyling, Ein Jahr Anlegerschutzverbesserungsgesetz, Der Konzern 2006, 1; Hirschberg, MiFID – Ein neuer Rechtsrahmen für die Wertpapierhandelsplätze in Deutschland, AG 2006, 389; Knauth, Änderung der Wertpapierhandel-Meldeverordnung – § 9 WpHG quo vadis, WM 2003, 1593; Süßmann, Meldepflichten nach § 9 Wertpapierhandelsgesetz, WM 1996, 937; Zeitz, Der Begriff des „Geschäfts“ im Lichte des § 9 WpHG, WM 2008, 918.
Inhaltsübersicht I. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . .
1
VII. Meldedaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
II. Meldepflichtige . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
VIII. Meldeweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
III. Meldepflichtige Geschäfte . . . . . . . .
19
IV. Meldepflichtige Finanzinstrumente
24
V. Meldefrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
VI. Zuständige Behörde und Datenaustausch zwischen den Behörden . . . .
34
IX. Zusammenfassung von Geschäften
52
X. Meldung durch Dritte und Zentralinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 XI. Die Veröffentlichung von Meldedaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
I. Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde mit der Normierung des WpHG durch das 2. Finanzmarktförderungsgesetz eingeführt. Die Norm setzte Art. 20 WpDRiL um und zugleich sollte
Döhmel
305
1
§9
Meldepflichten
gewährleistet werden, dass „die für die Märkte und die Aufsicht zuständigen Behörden über die für die Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Informationen verfügen können“. Die Beaufsichtigung des Wertpapierhandels mit dem Ziel der Verhinderung oder der Aufdeckung von Insidergeschäften und manipulativem Verhalten oder zur Überwachung von Melde- und Informationspflichten setzt voraus, dass die Bundesanstalt ständig und in standardisierter Form diejenigen Informationen erhält, die die geschäftlichen Aktivitäten am Markt, sei es börslich oder außerbörslich, widerspiegeln. Ohne diesen stetigen Datenstrom müsste sich die Bundesanstalt auf bloße Zufallsfunde stützen, was zu einer lediglich punktuellen Aufsicht führte. In dieser Weise wäre die Bundesanstalt nicht in der Lage, ihre gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen. Sie könnte nicht in eigener Erkenntnis Sachverhalten nachgehen und würde somit nicht den Kriterien genügen, die international als Gütesiegel einer effizienten Wertpapieraufsicht gelten1. 2
Mit der Umsetzung der europäischen Finanzmarktrichtlinie (2004/39/EG – MiFID) wurde § 9 WpHG zur Umsetzung von Art. 25 MiFID geändert und an die europäischen Vorgaben angepasst. Diese europäischen Vorgaben bezwecken eine umfassende Harmonisierung des Meldewesens, damit die zuständigen Aufsichtsbehörden mit den für die Aufsicht relevanten Daten versorgt werden. Aus der Umsetzung der MiFID ergeben sich auch Regelungen für den Informationsfluss zwischen den zuständigen Aufsichtsbehörden. Grundlage der Meldepflicht ist das Herkunftslandprinzip, d.h. die betroffenen Wertpapierdienstleistungsunternehmen haben grundsätzlich an die für sie in ihrem Heimatland zuständige Aufsichtsbehörde zu melden. Die Heimatlandbehörde leitet die relevanten Daten in bestimmten Fällen an andere europäische Aufsichtsbehörden weiter.
3
Insoweit ist Ausgangspunkt der heutigen Regelungen in § 9 WpHG die MiFID und deren Umsetzungsverordnung, die eine Harmonisierung der Meldepflicht anstrebt. Der deutsche Gesetzgeber bewegte sich bei der Umsetzung dennoch in einem gewissen Spannungsfeld. Denn die Meldepflicht nach § 9 WpHG ist seit mehr als 15 Jahren gelebtes Recht und die Unternehmen haben in ihre IT-Infrastruktur und das Meldewesen investiert, um den Anforderungen von § 9 WpHG zu genügen. Da mit jeder Änderung in den Meldeanforderungen weitere Investitionen notwendig sind, um die Anpassungen in dem IT-gestützten Meldesystem zu realisieren, war es – nachvollziehbarer – Wunsch der Meldepflichtigen, dass es zu möglichst wenigen Änderungen in dem bestehenden Meldesystem kommt. Zugleich sollten die Anforderungen an das Meldesystem aus Art. 25 MiFID und deren Umsetzungsverordnung eins zu eins umgesetzt werden, um den notwendigen Austausch mit den anderen europäischen Aufsichtsbehörden zu gewährleisten.
4
Mit Art. 6 des Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarkt- und der Versicherungsaufsicht vom 29.7.2009 wurden diese auf der MiFID basierenden Regelungen ausgeweitet und wieder eine Meldepflicht für solche Finanzinstrumente eingeführt, die in den deutschen Freiverkehr einbezogen sind und noch nicht einer Meldepflicht unterliegen, weil sie eine Zulassung an einem sonstigen organisierten Markt haben oder in den regulierten Markt einer inländischen Börse einbezogen sind. Denn nur mit einer entsprechenden Meldepflicht kann die Bundesanstalt die auch für den Freiverkehr geltenden Verbote von Insiderhandel und Marktmanipulation effektiv überwachen. Da zugleich aber die Meldepflicht für Freiverkehrsinstrumente in das Meldesystem nach der MiFID eingepasst werden musste, muss nun genau differenziert werden, 1 Vgl. Begr. RegE 2. FFG zu § 9 Abs. 1 WpHG, BT-Drucks. 12/6679, S. 43 f.
306 Döhmel
§9
Meldepflichten
welche Unternehmen welche Meldungen wohin zu melden haben. Das Ergebis kann für Instrumente in einem regulierten Markt und für Freiverkehrsinstrumenten unterschiedlich sein. Die Einhaltung der Meldepflicht unterliegt einer laufenden Kontrolle durch die Bun- 5 desanstalt. Zusätzlich wird deren Umsetzung im Rahmen einer jährlichen Prüfung nach § 36 WpHG oder sonstigen Prüfungen nach § 35 WpHG durch Wirtschaftsprüfer oder die Bundesanstalt überwacht. Wer vorsätzlich oder leichtfertig nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Form oder nicht rechtzeitig meldet, handelt ordnungswidrig (§ 39 Abs. 2 Nr. 2a WpHG). Die Tatbestandsmerkmale mit Ausnahme von „nicht“ sind im Grunde lediglich Unterfälle des Merkmals „nicht richtig“. Das Bemühen des Gesetzgebers, den Tatbestand „wasserdicht“ zu machen, legt ein beredtes Zeugnis für den Umstand ab, dass häufig die Durchsetzung von Gesetzesbefehlen von den Betroffenen unter Hinweis darauf, dass etwas nicht ausdrücklich geregelt sei, blockiert wird, obwohl bei verständiger Betrachtung der Angelegenheit allen klar sein müsste, was die jeweilige Vorschrift beinhaltet. Der aus dieser Lage resultierende Regelungsperfektionismus, der regelmäßig Gegenstand der Kritik ist, ließe sich vermeiden, wenn man die Gewähr hätte, dass Gesetze ihrem Sinn nach und bisweilen nicht nur ihrem ausdrücklichen Wortlaut nach akzeptiert würden. Wenn auch die Gesetzesbegründung zum 2. FFG darauf hinweist, dass die aus den 6 Meldungen nach dieser Vorschrift gewonnenen Erkenntnisse „zur Verhinderung von Insidergeschäften und zur Überwachung von Melde- und Informationspflichten“ dienen1, so ist jedoch in § 9 WpHG keine derartige Einschränkung enthalten. So war bei Erlass des 2. FFG z.B. noch nicht an die Übertragung der Aufsicht bezüglich des Verbots der Marktmanipulation oder das Übernahmerecht zu denken. Auch aus Art. 25 MiFID ergibt sich keine besondere Beschränkung auf bestimmte Aufsichtsgebiete, so dass die Daten und die daraus gewonnenen Erkenntnisse für alle Zwecke der Finanzdienstleistungsaufsicht Verwendung finden können. Sollten sich aus den Daten Auffälligkeiten ergeben, die für die in § 6 Abs. 2 WpHG genannten Behörden von Bedeutung sein können, bestehen keine Bedenken einer Übermittlung.
II. Meldepflichtige Nach der Änderung durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz sind folgende Marktteilnehmer meldepflichtig: a) Alle Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind meldepflichtig. Durch das Anknüpfen an den Terminus „Wertpapierdienstleistungsunternehmen“ wird sichergestellt, dass der Kreis der Meldepflichtigen den nach der MiFID meldepflichtigen „Wertpapierfirmen“ entspricht. Die Definition der Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist in § 2 Abs. 4 WpHG verankert. Danach sind also alle – Kreditinstitute, – Finanzdienstleistungsinstitute und – nach § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG tätige Unternehmen meldepflichtig, wenn sie Wertpapierdienstleistungen allein oder zusammen mit Wertpapiernebendienstleistungen gewerbsmäßig oder in einem Umfang erbringen, 1 Vgl. Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 43.
Döhmel
307
7
§9
Meldepflichten
der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Diese Meldepflicht an die Bundesanstalt besteht für alle Finanzinstrumente, die zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen oder in den regulierten Markt oder den Freiverkehr einer inländischen Börse einbezogen sind. 8
Die frühere Beschränkung der Meldepflichtigen auf Wertpapierdienstleistungsunternehmen mit der Erlaubnis zum Eigenhandel wurde aufgehoben. Denn eine solche Beschränkung des Kreises der Meldepflichtigen wäre nicht mit dem Wortlaut der Finanzmarktrichtlinie vereinbar1.
9
b) Zudem sind die Zweigniederlassungen von Unternehmen i.S. des § 53b Abs. 1 Satz 1 KWG meldepflichtig, soweit sie Geschäfte mit Finanzinstrumenten an einem regulierten Markt oder mit Freiverkehrsinstrumenten innerhalb des Aufnahmelandes tätigen. Durch die ausdrückliche Aufnahme von Zweigniederlassungen i.S. von § 53b KWG in § 9 Abs. 1 Satz 1 WpHG wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die MiFID – wie aus Art. 25 Abs. 6 i.V.m. Art. 32 Abs. 7 hervorgeht – das Herkunftslandprinzip bei der Meldepflicht für Zweigniederlassungen durchbricht2. Eine Rückausnahme besteht nach Art. 32 Abs. 7 MiFID nur dann, wenn die Geschäfte nicht innerhalb des Aufnahmestaates abgeschlossen werden. Diesem Systemwechsel bei den Meldepflichten entsprechend gelten die Verpflichtungen nach § 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 WpHG nicht für Geschäfte von ausländischen Zweigniederlassungen inländischer Wertpapierdienstleistungsunternehmen in einem EWR-Mitgliedstaat3. Soweit aber eine ausländische Zweigniederlassung eines deutschen Unternehmens in einem Drittstaat ansässig ist, hat sie ihre Meldungen an die Bundesanstalt abzugeben, da hier die europarechtlichen Regelungen nicht gelten. Die Bundesanstalt hat in einem Rundschreiben4 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Meldepflicht der Zweigniederlassung auch dann bestehen bleibt, wenn die Hauptniederlassung im europäischen Ausland eine Ausnahmeregelung für die Meldepflicht in Anspruch nimmt.
10
c) Ausdrücklich sind als Meldepflichtige auch inländische zentrale Kontrahenten in § 9 Abs. 1 Satz 3 WpHG hinsichtlich der von ihnen abgeschlossenen Geschäfte aufgeführt. Inländische zentrale Kontrahenten sind nach § 1 Abs. 31 KWG Unternehmen, die bei Kaufverträgen innerhalb eines oder mehrerer Finanzmärkte zwischen den Käufer und den Verkäufer geschaltet werden, um als Vertragspartner für jeden der beiden zu dienen, und dessen Forderungen aus dem Kontrahentenausfallrisiko gegenüber allen Teilnehmern an seinen Systemen auf Tagesbasis hinreichend besichert sind. Hierbei handelt es sich gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 12 KWG zugleich um ein Bankgeschäft.
11
d) Aufrechterhalten bleibt auch die Meldepflicht für ausländische Unternehmen aus Drittstaaten nach § 9 Abs. 1 Satz 4 WpHG. Eine Beibehaltung der Meldepflicht für ausländische Unternehmen aus Drittstaaten ist angezeigt, da diese die Überwachung des Börsengeschehens durch die Bundesanstalt sinnvoll ergänzen. Die Meldepflicht betrifft auch für diese Drittstaaten-Unternehmen jedes Geschäft in Finanzinstrumenten, die zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen oder in den regu1 Vgl. BT-Drucks. 16/4028, S. 62. 2 Vgl. hierzu auch das BaFin-Rundschreiben 5/2008 (WA) zur Meldepflicht von Zweigniederlassungen europäischer Meldepflichtiger (branches) nach § 9 WpHG vom 20.3.2008 (Gz.: WA 14 – Wp 2001-2008/0028), veröffentlicht unter www.bafin.de. 3 Vgl. BT-Drucks. 16/4028, S. 62. 4 Rundschreiben 1/2009 (WA) zur Meldepflicht von Finanzportfolioverwaltern, Primärmarktgeschäften sowie Meldepflichten von Zweigniederlassungen vom 12.1.2009 (Gz.: WA 14-Wp 2001-2008/0094), Punkt III, veröffentlicht unter www.bafin.de.
308 Döhmel
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Meldepflichten
lierten Markt oder den Freiverkehr einer inländischen Börse einbezogen sind. Durch die Formulierung „an dieser inländischen Börse“ wird klargestellt, dass nur solche Geschäfte meldepflichtig sind, die an der inländischen Börse abgeschlossen werden, an der das Unternehmen zugelassen ist1. e) Meldepflichtig sind nunmehr auch Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mit- 12 gliedstaat der EU oder einem anderen Vertragsstaat des EWG, die an einer inländischen Börse zur Teilnahme am Handel zugelassen sind. Für diese Unternehmen besteht eine Meldepflicht in Deutschland nur hinsichtlich der Geschäfte, die von ihnen an der inländischen Börse abgeschlossen wurden und nur bezüglich der Geschäfte, die Finanzinstrumente betreffen, die weder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen noch in den regulierten Markt einer inländischen Börse einbezogen sind. Das heißt, diese Unternehmen sind meldepflichtig für ihre Geschäfte in Instrumente, die ausschließlich an einer inländischen Börse im Freiverkehr einbezogen sind und keine sonstige Zulassung an einem organisierten Markt haben und nicht in den regulierten Markt einer inländischen Börse einbezogen sind. Hinsichtlich dieses Kreises der Meldepflichtigen geht der deutsche Gesetzgeber über die Mindestregelungen der MiFID hinaus, um auch die für den Freiverkehr geltenden Verbote von Insiderhandel und Marktmanipulation effektiv überwachen zu können. Eine entsprechende Regelung war notwendig, da die Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder einem anderen Vertragsstaat des EWG hinsichtlich der Freiverkehrswert nach der MiFID keiner Meldepflicht unterliegen. Aus § 9 WpHG ergibt sich zugleich, dass bestimmte Unternehmen der Meldepflicht nicht unterliegen:
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Bausparkassen sind wegen der geringen Insiderrelevanz der ihnen gesetzlich erlaubten Geschäfte durch § 9 Abs. 1a WpHG von der Meldepflicht ausgenommen. Dies gilt auch für solche Unternehmen, die nach § 2 Abs. 4 und 5 KWG von der Bundesanstalt von den Vorschriften des KWG befreit worden sind, wie etwa Spareinrichtungen, die zweckgebundene Darlehen vergeben, sowie für Wohnungsbaugenossenschaften mit Spareinrichtung, die nicht nach § 2 Abs. 4 KWG befreit sind. Bei den von der Meldepflicht befreiten Unternehmen wird kaum die Nähe zu insiderrelevanten Informationen gesehen, so dass eine regelmäßige Meldepflicht eine sachlich nicht vertretbare und somit unverhältnismäßige Belastung darstellte. Unternehmen nach § 2 Abs. 1 KWG, wie die Deutsche Bundesbank und die Kreditanstalt für Wiederaufbau, wurden mit dem Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz aus dem Katalog der von der Meldepflicht befreiten Unternehmen herausgenommen, da sie schon gar nicht erst unter den Begriff der Kreditinstitute sowie Wertpapierdienstleistungsunternehmen und damit auch nicht in den Kreis der Meldepflichtigen fallen. Die Ausnahmen für Unternehmen i.S. des § 9 Abs. 1a Satz 1 WpHG gelten allerdings 14 nur dann, wenn die dort genannten Unternehmen nicht zur Teilnahme am Börsenhandel zugelassen sind. Denn die vorgenannten Institutionen tätigen ihre Geschäfte regelmäßig über meldepflichtige Kreditinstitute, womit die Meldung des Geschäftes und die Identifikation des Auftraggebers sichergestellt sind. Soweit sie allerdings eine Zulassung zur Teilnahme am Börsenhandel haben, könnten sie das Geschäft ohne Einschaltung eines meldepflichtigen Kreditinstituts tätigen mit der Folge, dass es an einer Meldung der Geschäfte und damit an der Identifikationsmöglichkeit fehlen würde. Insoweit ist die Rückausnahme sachgerecht. Diese Rückausnahme greift
1 Vgl. BT-Drucks. 16/4028, S. 62.
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nicht für Wohnungsgenossenschaften mit Spareinrichtung (§ 9 Abs. 1a Satz 2 WpHG). 15
Von der MiFID werden Kapitalanlagegesellschaften nicht erfasst, die Anteile an Investmentvermögen ausgeben, für die eine Rücknahmeverpflichtung der Gesellschaft besteht. Mit Änderung des InvG zum 1.1.2008 gelten sie auch nicht mehr als Kreditinstitute und damit nicht mehr als Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Entsprechend unterliegen sie und ausländische Investmentgesellschaften nicht der Meldepflicht nach § 9 WpHG (§ 9 Abs. 1a Satz 3 WpHG).
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Durch die alleinige Anknüpfung an den Begriff des Wertpapierdienstleistungsunternehmens oder der Zweigniederlassungen nach § 53b KWG stellt der Gesetzgeber klar, dass Unternehmen, die keiner Erlaubnis als Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut bedürfen, nicht meldepflichtig sind. Gegenüber der bis zur Umsetzung der MiFID geltenden Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 1 letzte Alternative WpHG a.F. sind reine Eigenhändler daher dann nicht mehr meldepflichtig, wenn diese unter die Ausnahme von § 2a Abs. 1 Nr. 10 WpHG und nicht unter die dort geregelten Rückausnahmen fallen. D.h. soweit reine Eigenhändler an einem organisierten Markt oder in einem multilateralen Handelssystem kontinuierlich den Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten im Wege des Eigenhandels zu selbst gestellten Preisen anbieten oder in organisierter und systematischer Weise häufig für eigene Rechnung außerhalb eines organisierten Marktes oder eines multilateralen Handelssystems Handel treiben, indem sie ein für Dritte zugängliches System anbieten, um mit ihnen Geschäfte durchzuführen, dann besteht ihre Meldepflicht fort. Für Unternehmen, die als einzige Wertpapierdienstleistung das Eigengeschäft erbringen, bedeutet das, dass dieses nicht meldepflichtig ist.
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Unsicherheiten gab es in der Vergangenheit offensichtlich immer wieder bezüglich der Meldepflicht von Finanzportfolioverwaltern. Die Bundesanstalt hat sich in drei Rundschreiben klarstellend zur Meldepflicht von Finanzportfolioverwaltern geäußert. Deren Meldepflicht ist davon abhängig, ob sie eine Erlaubnis zum Betreiben des Eigenhandels oder des Finanzkommissionsgeschäfts haben oder nicht haben. Haben sie keine Erlaubnis, dürfen sie auch keine meldepflichtigen Geschäfte in Form von Eigenhandel oder Finanzkommissionsgeschäften abschließen1. Entsprechend gelten sie zwar als Wertpapierdienstleistungsunternehmen, unterliegen aber nicht der Meldepflicht nach § 9 WpHG2. In den Rundschreiben werden verschiedene Fallkonstellationen erläuternd dargestellt.
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Letztlich sind aufgrund des schon dargestellten Prinzips der Herkunftsstaataufsicht die Nutzer des XETRA- oder EUREX-Handels, die im EU-Ausland ansässig sind (remote members), nicht mehr unmittelbar gegenüber der Bundesanstalt für ihre Geschäfte meldepflichtig3.
1 Vgl. Rundschreiben 1/2009 (WA) zur Meldepflicht von Finanzportfolioverwaltern, Primärmarktgeschäften sowie Meldepflichten von Zweigniederlassungen vom 12.1.2009 (Gz.: WA 14-Wp 2001-2008/0094), veröffentlicht unter www.bafin.de. 2 Klarstellend nochmals im Rundschreiben 19/2009 (WA) zur Meldepflicht von Freiverkehrsinstrumenten vom 4.11.2009 (Gz.: WA 14-Wp 2001-2009/0081), veröffentlicht unter www.bafin.de. 3 Jahresbericht der Bundesanstalt für 2006, S. 144.
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III. Meldepflichtige Geschäfte Meldepflichtig ist nach § 9 Abs. 1 Satz 1 WpHG jedes Geschäft in Finanzinstrumen- 19 ten. Das bedeutet zum einen, zu melden sind an die Bundesanstalt Geschäfte und nicht Orders1. Zum anderen bedeutet das, dass die abgeschlossenen Geschäfte meldepflichtig sind, unabhängig davon, ob sie börslich oder außerbörslich abgeschlossen wurden. Geschäfte sind die einzelnen Vertragsabschlüsse über den Kauf oder Verkauf der entsprechenden Instrumente. Das ergibt sich vor allem aus Art. 5 EU-Durchführungsverordnung (1287/2006/EG). Hierzu zählen als Wertpapierdienstleistung das Finanzkommissionsgeschäft (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 WpHG), der Eigenhandel für andere (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 WpHG) und die Abschlussvermittlung (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 WpHG). Die Vermittlungsgeschäfte von skontroführenden Maklern werden als Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten im fremden Namen für fremde Rechnung (Abschlussvermittlung; § 2 Abs. 3 Nr. 3 WpHG) erfasst. Auch der Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten im Rahmen der Finanzportfolioverwaltung (§ 2 Abs. 3 Nr. 7 WpHG) ist grundsätzlich2 meldepflichtig. Auch soweit Tafelgeschäfte in meldepflichtigen Instrumenten getätigt werden, ist eine Meldepflicht gegeben. Ohne Belang ist in diesem Zusammenhang die Identifizierungspflicht nach § 3 GeldwäscheG, die ab einem Wert von 15 000 Euro einsetzt. Die reine Weiterleitung von Kundenaufträgen durch ein Kreditinstitut an ein anderes, das das Geschäft annimmt, ausführt und gegenüber dem Kunden abrechnet, ist als so genanntes Botengeschäft nicht meldepflichtig, da es sich um kein Geschäft i.S. von § 9 WpHG handelt. Anders ist das bei der Bewertung des Geschäfts als meldepflichtige Abschlussvermittlung und beim Zwischenkommissionsgeschäft, das als eigenes Geschäft eine Meldepflicht auslöst. Zu den meldepflichtigen Geschäften gehören nach § 9 Abs. 1 Satz 2 WpHG auch alle diejenigen, die zum „Handel per Erscheinen“ zählen.
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Eine Meldepflicht besteht nach § 9 Abs. 1 Satz 2 WpHG auch für den Erwerb und die 21 Veräußerung von Rechten auf Zeichnung von Wertpapieren, sofern diese Wertpapiere an einem organisierten Markt gehandelt werden sollen, sowie für Geschäfte in Aktien und Optionsscheinen, bei denen ein Antrag auf Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt oder auf Einbeziehung in den regulierten Markt innerhalb der EU (im Sinne der MiFID: geregelter Markt) gestellt oder öffentlich angekündigt ist. Nach Art. 5 der EU-Durchführungsverordnung ist eine Meldepflicht nur nicht für reine Primärmarktgeschäfte mit Finanzinstrumenten, so wie ihre Emission, Zuteilung oder Zeichnung, gegeben, die in den Anwendungsbereich von Art. 4 Abs. 1 Nr. 18a und b der MiFID fallen. Neben Kauf, Verkauf und der Abschlussvermittlung von Wertpapieren oder Derivaten – sämtlich meldepflichtig – gibt es auch Transaktionen, die nicht meldepflichtig sind. Hier sind Geschäfte im Rahmen von Wertpapierleihe und Pensionsgeschäften zu nennen. Es handelt sich hierbei um sog. Wertpapierfinanzierungsgeschäfte i.S. von Art. 2 Nr. 10 der EU-Durchführungsverordnung. Diese sind nach Art. 5 Satz 2 lit. c der EU-Durchführungsverordnung nicht meldepflichtig.
1 S. auch Dreyling, Der Konzern 2006, 1 (3). 2 Hinsichtlich der Meldepflicht des Portfolioverwalters in Abhängigkeit entsprechender Erlaubnisarten vgl. S. 16 des Rundschreibens 12/2007 der Bundesanstalt vom 21.12.2007, veröffentlicht im Internet unter www.bafin.de bei Rundschreiben 2007. Im Ergebnis blieb die bis zum 31.12.2007 bestehende Rechtslage bestehen.
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Allein die Ausübung von Wandel- oder Optionsrechten ist ebenfalls nach Art. 5 Satz 2 lit. b der EU-Durchführungsverordnung nicht zu melden.
IV. Meldepflichtige Finanzinstrumente 24
Meldepflichtig sind Geschäfte in Finanzinstrumenten, die zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen oder in den regulierten Markt oder in den Freiverkehr einer inländischen Börse einbezogen sind. Eine Änderung gegenüber der vorherigen Rechtslage ist durch die Ausdehnung der Meldepflicht auf alle Finanzinstrumente gegeben1. Dies ist durch die Umsetzung der Regelungen in Anhang I Abschnitt C der MiFID und der Ausdehnung der Meldepflicht auf Freiverkehrsinstrumente im Inland bedingt. Finanzinstrumente sind nach § 2 Abs. 2b WpHG Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Derivate und Rechte auf Zeichnung von Wertpapieren. Zum Wertpapierbegriff s. § 2 Abs. 1 WpHG, zum Terminus Geldmarktinstrumente § 2 Abs. 1a WpHG, zum Derivatebegriff § 2 Abs. 2 WpHG. Die frühere Ausnahme von der Meldepflicht bezüglich der Derivate, die keinen Wertpapierbezug haben, wurde im Rahmen der Umsetzung der MiFID beseitigt. Das bedeutet, dass jetzt auch Warentermininstrumente meldepflichtig sind2.
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Zu den meldepflichtigen Wertpapieren gehören auch die börsenzugelassenen Schuldverschreibungen, wie dies z.B. Art. 9 Abs. 3 der EU-Durchführungsverordnung ausdrücklich vorsieht und die nach § 9 Abs. 4 Nr. 4 WpHG unter bestimmten Umständen in zusammengefasster Form gemeldet werden können.
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Die Meldepflicht besteht entsprechend der Vorgaben aus Art. 25 Abs. 3 MiFID für Instrumente, die an einem organisierten Markt zugelassen sind oder zugelassen werden sollen oder in den regulierten Markt einer inländischen Börse einbezogen sind. Hinsichtlich des Begriffs „organisierter Markt“ kann auf § 2 Abs. 5 WpHG verwiesen werden. Der Terminus „regulierter Markt“ resultiert aus der Aufhebung der Zweiteilung der börsenrechtlichen Marktsegmentierung in amtlichen und geregelten Markt und der Zusammenführung beider als regulierter Markt in z.B. §§ 32 ff. BörsG. Der frühere Begriff des amtlichen Marktes behält Bedeutung im Rahmen der Übergangsvorschriften in § 52 BörsG. Das Verzeichnis der regulierten Märkte wird gemäß Art. 13 MiFID erstellt und aktualisiert. ESMA veröffentlicht alle entsprechenden Märkte in einer Übersicht3.
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Meldepflichtig sind aufgrund der Änderungen des Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarkt- und Versicherungsaufsicht nunmehr auch wieder die Geschäfte in Finanzinstrumenten, die ausschließlich an einer inländischen Börse im Freiverkehr gehandelt werden, ohne an einem organisierten Markt i.S. von § 2 Abs. 5 WpHG zugelassen oder in den regulierten Markt einer inländischen Börse einbezogen zu sein. Mit der Umsetzung der MiFID war zunächst von einer Meldepflicht für reine Freiverkehrsinstrumente abgesehen worden. Bezüglich der Freiverkehrsinstrumente ist mit der Rechtsänderung von 2009 weitgehend wieder die Rechtslage hergestellt worden, wie sie vor der Umsetzung der MiFID galt. Hierbei wird allerdings die Systematik des Meldewesens nach der Finanzmarktrichtlinie berücksichtigt. Mit der Mel1 Näheres hierzu bei Zeitz, Der Begriff des „Geschäfts“ im Lichte des § 9 WpHG, WM 2008, 918. 2 Vgl. vorgenanntes Rundschreiben 12/2007 der Bundesanstalt, S. 7. 3 Deutschland ist zum Stichtag 15.7.2011 mit 16 regulierten Märkten vertreten. S. unter http://mifiddatabase.esma.europa.eu.
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depflicht für Finanzinstrumente im Freiverkehr „wird sichergestellt, dass die auch für den Freiverkehr geltenden Verbote von Insiderhandel und Marktmanipulation wirksamer überwacht werden können. Gerade in jüngerer Vergangenheit sind hier Fälle aufgetreten, die den Verdacht von missbräuchlichem Verhalten einiger Marktteilnehmer zu Lasten von Anlegern nahe legen. Die Ausdehnung der Meldepflicht auf den deutschen Freiverkehr hilft der Bundesanstalt, solch missbräuchliches Verhalten aufdecken und effizient verfolgen zu können und stärkt somit die Integrität des Finanzmarktes sowie der deutschen Börsenplätze. Auch die dem deutschen Freiverkehr vergleichbaren Märkte in Großbritannien und Frankreich sind dort einer entsprechenden Meldepflicht unterworfen“1. Zu unterstreichen ist an dieser Stelle, dass sich die neue, zusätzliche Meldepflicht nur auf solche Instrumente bezieht, die in den deutschen Freiverkehr einbezogen sind und weder zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen noch in den regulierten Markt einer inländischen Börse einbezogen sind. Es gibt durchaus Instrumente, die sowohl an einem organisierten Markt zugelassen als auch in einem deutschen Freiverkehr einbezogen sind. Diese Instrumente fallen schon unter die auf der MiFID basierenden Meldepflichten. Bezüglich der unterschiedlichen Konstellationen der Meldepflicht für Freiverkehrsinstrumente, je nach Sitz des Meldepflichtigen und Handelszulassung hat die Bundesanstalt ein Rundschreiben veröffentlicht2, das der Verdeutlichung der Meldepflichten bei Freiverkehrsinstrumenten dienen soll. Nicht meldepflichtig sind Primärmarktgeschäfte3 und sog. OTC-Derivate4, da diese 28 mangels Börsenzulassung nicht börsenhandelsfähig sind. Dagegen sind ADRs und ähnliche Zertifikate dann meldepflichtig, wenn das Zertifikat an einem organisierten Markt oder im inländischen Freiverkehr gehandelt wird. Zudem sind auch an der Eurex gehandelte Warenderivate meldepflichtig5. Die Zulassung der Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt in der EU löst beispielsweise eine Meldepflicht6 aus, wenn ein inländisches Kreditinstitut am Telefon mit einer britischen Bank eine amerikanische Aktie handelt, die neben der NYSE auch in einen organisierten Markt in Portugal einbezogen ist. Eine entsprechende Meldepflicht gilt gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 WpHG auch für den Erwerb und die Veräußerung von Rechten auf Zeichnung von Wertpapieren, sofern diese Wertpapiere an einem organisierten Markt oder im Freiverkehr gehandelt werden sollen.
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Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 WpHG sind auch Geschäfte in Aktien und Optionsscheinen meldepflichtig, bei denen ein Antrag auf Zulassung zum Handel an einem organisier-
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1 BT-Drucks. 16/13684, S. 32/33. 2 S. Rundschreiben 19/2009 (WA) zur Meldepflicht von Freiverkehrsinstrumenten vom 4.11.2009 (Gz.: WA 14-Wp 2001-2009/0081), veröffentlicht unter www.bafin.de. 3 Vgl. BaFin-Rundschreiben 1/2009 (WA) zur Meldepflicht von Portfolioverwaltern, Primärmarktgeschäften sowie Meldepflichten von Zweigniederlassungen vom 12.1.2009 (Gz.: WA 14-Wp 2001-2008/0094) Punkt II, veröffentlicht unter www.bafin.de. 4 Hier ist zum einen zu unterscheiden zwischen reinen OTC-Derivaten und im konkreten Fall OTC gehandelten Derivaten, die aber an einem regulierten Markt zugelassen sind, und der Meldepflicht unterliegen, vgl. auch Rz. 44. Zum anderen verlangen einige EU-/ EWR-Länder auch Meldungen von Geschäften in OTC-Derivaten. Mittelfristig könnte die MiFID dahingehend überarbeitet werden. 5 S. Rundschreiben 19/2009 (WA) zur Meldepflicht von Freiverkehrsinstrumenten vom 4.11.2009 (Gz.: WA 14-Wp 2001-2009/0081) Punkt 5; veröffentlicht unter www.bafin.de; Becker, WuW 2010, 398 (402). 6 Süßmann, WM 1996, 939.
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ten Markt oder auf Einbeziehung in den regulierten Markt oder in den Freiverkehr gestellt oder öffentlich angekündigt ist. Zwar kann die öffentliche Ankündigung ein bisweilen unsicheres Faktum sein. Allerdings dürften Anzeigen des Emittenten auf einen bevorstehenden Börsengang, in welchen bereits konkrete Verkaufs- und Notierungstermine genannt werden, ein hinreichendes Indiz für die öffentliche Ankündigung darstellen. Diese Verpflichtung korrespondiert mit der Vorschrift des § 12 WpHG, da diese Geschäfte für die Insiderüberwachung von Bedeutung sind. Nach Erwägungsgrund 45 der MiFID können auch Finanzinstrumente, die noch nicht an einem geregelten Markt zugelassen sind, fakultativ von der Meldepflicht erfasst werden. Da auch im Vorfeld einer Börsenzulassung ein Überwachungsbedürfnis im Hinblick auf mögliche Insiderdelikte besteht, ist ein Beibehalten der dahingehenden Regelungen zweckmäßig1. 31
Eine Ausnahme von der Meldepflicht ist gegeben hinsichtlich der Geschäfte in Anteilen an Investmentvermögen, die von einer Kapitalanlagegesellschaft oder einer ausländischen Investmentgesellschaft ausgegeben werden, bei denen eine Rücknahmeverpflichtung besteht (§ 9 Abs. 2a Satz 2 WpHG). Einer derartigen Klarstellung bedurfte es im Hinblick auf die Erweiterung des Wertpapierbegriffs in § 2 Abs. 1 Satz 2 WpHG in Bezug auf Investmentanteile.
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Eine Liste aller meldepflichtigen Finanzinstrumente ist von der jeweils zuständigen Aufsichtsbehörde zu erstellen und regelmäßig zu aktualisieren. Die Daten werden veröffentlicht unter http://mifiddatabase.esma.europa.eu.
V. Meldefrist 33
Die Meldefrist ist entsprechend Art. 25 Abs. 3 MiFID in § 9 Abs. 1 Satz 1 WpHG festgelegt. Das Geschäft ist der Bundesanstalt spätestens an dem auf den Tag des Geschäftsabschlusses folgenden Werktag, der kein Samstag ist, zu melden. Regionale Feiertage werden wie bundeseinheitliche Feiertage behandelt, um das Meldeverfahren nicht zu verkomplizieren.
VI. Zuständige Behörde und Datenaustausch zwischen den Behörden 34
Für die Abgabe der Meldungen von Instrumenten am geregelten bzw. organisierten Markt gilt ein strenges Heimatlandprinzip. Das heißt, dass jeder Meldepflichtige an die Aufsichtsbehörde des Landes zu melden hat, in dem er seine Zulassung zum Erbringen der Wertpapierdienstleistung erhalten hat. Eine Ausnahme von dem Herkunftslandprinzip besteht in der Meldepflicht der Zweigniederlassungen, die zumindest2 ihre Geschäfte im Aufnahmeland an die Aufnahmelandaufsicht zu melden haben. Das entspricht Art. 25 Abs. 6 i.V.m. Art. 32 Abs. 7 MiFID, die das Herkunftslandprinzip bei der Meldepflicht für Zweigniederlassungen durchbrechen. Dementsprechend ist die Bundesanstalt zuständige Behörde für die Zwecke der Art. 9 bis 15 der EU-Durchführungsverordnung (1287/2006/EG). Die andere Ausnahme bezieht sich auf die Freiverkehrsinstrumente, die von Marktteilnehmern mit Sitz in einem
1 BT-Drucks. 16/4028, S. 62. 2 Hinsichtlich der Regelung einer Rückausnahme für Zweigstellen im Aufnahmeland, die ihre Geschäfte außerhalb des Aufnahmelandes abschließen, im vorgenannten Rundschreiben 12/2007 der Bundesanstalt, S. 8 f.
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EU- oder EWR-Staat und einer Handelszulassung an einem regulierten inländischen Markt auch an die Bundesanstalt zu melden sind. Die Meldung muss im Format der Zielaufsichtsbehörde abgegeben werden. Das be- 35 deutet, dass die Meldung das Format aufweisen muss, dass von der Behörde gefordert und verarbeitet wird, bei der die Meldung abzugeben ist. Die jeweiligen europäischen Aufsichtsbehörden tauschen dann die Daten nach einem in Art. 14 der EU-Durchführungsverordnung (1287/2006/EG) vorgegebenen Schema aus. Die Daten müssen der jeweils zuständigen Behörde des unter Liquiditätsaspekten wichtigsten Marktes, bei Zweigniederlassungen der zuständigen Behörde des Herkunftslandes und auf Anforderung jeder anderen zuständigen Behörde zur Verfügung gestellt werden. In § 9 Abs. 3 WpHG wird dem Verfahren der Zusammenarbeit beim Datenaustausch nach Art. 25 Abs. 3 Unterabs. 2, Abs. 5 und 6 i.V.m. Art. 58 der MiFID sowie den Art. 11, 14 und 15 der EU-Durchführungsverordnung Rechnung getragen. Um potentiellen Entwicklungen auf Ebene von ESMA in Bezug auf die Methodik des Datenaustausches nicht vorzugreifen, lässt § 9 Abs. 3 Satz 4 WpHG neben einer direkten Übermittlung von Daten an andere Aufsichtsbehörden auch ausdrücklich die Möglichkeit offen, den Datenaustausch mit anderen Aufsichtsbehörden der EWR-Staaten über eine andere Einrichtung vorzunehmen1. Zumindest derzeit ist die Schaffung einer gesonderten Einrichtung zur Datensammlung nicht erforderlich. Denn die Meldedaten der jeweiligen Geschäftsabschlüsse werden jedenfalls bei der Aufsichtsbehörde zusammengeführt, in deren Staat sich für das jeweilige Finanzinstrument der wichtigste Markt unter Liquiditätsaspekten befindet.
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Welche Behörde die jeweils zuständige Behörde für ein Finanzinstrument ist, be- 37 stimmt sich nach Art. 9 und 10 der EU-Durchführungsverordnung. Danach wird die jeweils zuständige Behörde des unter Liquiditätsaspekten wichtigsten Marktes für das entsprechende Finanzinstrument zunächst nach formalen Aspekten bestimmt, wie dem Platz der ersten Zulassung oder Sitz des Emittenten, und im Weiteren nach der Ermittlung des umsatzstärksten Marktes entsprechend einem geregelten Verfahren ermittelt. § 9 Abs. 3 Satz 7 WpHG schafft eine Grundlage für eine entsprechende Datenanforderung gemäß Art. 11 der EU-Durchführungsverordnung, um den liquidesten Markt zu bestimmen. Eine Liste der Finanzinstrumente für die jeweils zuständigen Behörden wird laufend aktualisiert und zur Verfügung gestellt2. Subsidiär ist nach § 9 Abs. 3 Satz 8 WpHG für den gesamten Datenaustausch – nicht nur im Rahmen einer entsprechenden Zusammenarbeit mit Drittstaaten – ein Rückgriff auf die Befugnisse des § 7 WpHG möglich3.
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VII. Meldedaten § 9 Abs. 2 WpHG bestimmt grundsätzlich, welche Angaben die Meldung für jedes Geschäft enthalten muss. Die Regelung verweist mit § 9 Abs. 2 Satz 2 WpHG bezüglich des Inhalts im Wesentlichen auf die Art. 12 und 13 sowie die Tabelle 1 des Anhangs der EU-Durchführungsverordnung. Diese mit dem FinanzmarktrichtlinieUmsetzungsgesetz geänderte Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass der Mindestinhalt der Meldungen sich überwiegend aus den Anforderungen der EU-Durch1 Vgl. BT-Drucks. 16/4028, S. 63. 2 S. unter http://mifiddatabase.esma.europa.eu. 3 Vgl. BT-Drucks. 16/4028, S. 63.
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führungsverordnung ergibt. § 9 Abs. 2 Satz 3 WpHG enthält darüber hinaus noch zwei weitere Anforderungen, die von den europäischen Regelungen optional vorgesehen wurden und sich aus der Sicht der deutschen Aufsicht bis heute bewährt haben. 40
Zusätzlich besteht nach § 9 Abs. 4 WpHG die Möglichkeit, per Rechtsverordnung nähere Bestimmungen über den Inhalt der Mitteilung zu erlassen, wie auch über andere wichtige Meldeanforderungen. Nach § 9 Abs. 5 WpHG kann die Ermächtigung zum Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt übertragen werden. Hiervon wurde Gebrauch gemacht. Mit der 1995 erlassenen Wertpapierhandel-Meldeverordnung (WpHMV)1 hat die Bundesanstalt die ihr übertragene Befugnis genutzt und nähere Bestimmungen über die Meldepflicht erlassen. Mit Wirkung zum 1.1.20082 wurde die WpHMV an die MiFID-Anforderungen angepasst. Die Verordnung ergänzt und konkretisiert die nach § 9 WpHG bestehende Pflicht und regelt in dem umfangreichen Anhang3 die technischen Einzelheiten des Meldevorganges4.
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Da die Vielzahl der täglich eingehenden Meldungen nur automatisiert verarbeitet werden kann, regelt die WpHMV einen standardisierten Meldesatz. Die Meldungen sind in einem bestimmten Format zu übermitteln, um die automatisierte Verarbeitung der Daten zu gewährleisten. Als Hintergrund für die strengen Formanforderungen muss man sich Folgendes vergegenwärtigen. Im ersten Jahr nach dem Inkrafttreten der Meldeverordnung, im Jahre 1996, erreichten die Bundesanstalt schon ca. 80 Mio. Meldungen; das waren durchschnittlich 310 000 Meldungen je Handelstag. Im Jahr 2000 gingen demgegenüber schon ca. 525 Mio. Meldungen bei der Bundesanstalt ein. Das waren durchschnittlich 2 Mio. Meldungen je Handelstag. 2006 erhielt die Aufsicht schon rund 707 Mio. solcher Meldungen. Dies entsprach täglich durchschnittlich etwa 2,8 Mio. Datensätzen. Im Jahr 2010 meldeten die Marktteilnehmer 1,31 Mrd. Transaktionen, was durchschnittlich 5,15 Mio. Meldungen pro Handelstag waren5. Diese Menge von börsentäglich bei der Bundesanstalt eingehenden Meldungen rechtfertigen entsprechende gesetzgeberische Vorkehrungen, denn die Daten müssen auch bearbeitet werden. Letztlich spiegeln die dargestellten Meldevolumen die Entwicklungen der Märkte deutlich wider.
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Die Meldepflichtigen sind verpflichtet, nach Maßgabe eines vorgegebenen Meldebogens und vorgegebener Feldbeschreibungen pro meldepflichtigem Geschäft einen Meldesatz zu erstellen und an die Bundesanstalt zu übermitteln. Insgesamt enthält ein Meldesatz 61 Meldefelder. Hiervon sind etliche Meldefelder mittlerweile nicht mehr belegt oder deaktiviert. Andere Felder werden teilweise aufgrund der Struktur des konkret zu meldenden Geschäfts nicht benötigt und bleiben dann frei. Bei weiteren Feldern steht es dem Meldepflichtigen frei, ob er diese nutzen möchte. Die Beibehaltung dieser nunmehr optionalen Felder kommt den Meldepflichtigen entgegen, die ein nachvollziehbares Interesse haben, dass sich an dem zu erstellenden Meldesatz möglichst wenig ändert. Denn jede zwingende Änderung der Meldeanforderun1 Verordnung über die Meldepflichten beim Handel mit Wertpapieren und Derivaten (Wertpapierhandel-Meldeverordnung – WpHMV) vom 21.12.1995 (BGBl. I 1995, 2094) (Text im Anhang S. 2208). 2 Dritte Verordnung zur Änderung der Wertpapierhandel-Meldeverordnung vom 18.12.2007 (BGBl. I 2007, 3014). 3 Der aktuelle Anhang zur WpHMV ist veröffentlicht als Anlage zu Art. 1 Nr. 11 der Dritten Verordnung zur Änderung der WpHMV vom 18.12.2007 in dem Anlagenband zum BGBl. I Nr. 66 vom 21.12.2007. 4 Vgl. zur näheren Erläuterung von Änderungen im Meldeverfahren auch vorgenanntes Rundschreiben 12/2007 der Bundesanstalt, S. 10 ff. 5 Vgl. Jahresbericht der Bundesanstalt 2010, S. 196.
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gen fordert von diesen einen IT-technischen Anpassungsaufwand. Die je nach zu meldendem Geschäft verbleibenden zwingenden Angaben, sind unmittelbar erforderlich, um Verstöße gegen die Vorschriften dieses Gesetzes zu erkennen. Hierzu gehören notwendigerweise die folgenden Daten sowie eine gesonderte Kennzeichnung zur Kundenidentifikation. Hinsichtlich der Kundenidentifikation ist ein Kennzeichen zur Identifikation des 43 Depotinhabers oder Depots und ein Kennzeichen für den Auftraggeber aufzunehmen, sofern dieser nicht mit dem Depotinhaber identisch ist. Entsprechend der bisherigen Rechtslage wird an diesen Meldungen zur Kundenidentifikation gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 und 2 WpHG festgehalten. In Art. 13 Abs. 4 der EU-Durchführungsverordnung ist diesbezüglich ein Ermessen eingeräumt. Dieses wurde vom Gesetzgeber zugunsten einer Meldung der Kundenidentifikation ausgeübt (§ 6 Abs. 4 WpHMV). Denn die Regelung hat sich für die Marktaufsicht bewährt. Für die schon meldepflichtigen Institute besteht kein gesonderter Implementierungs- und Umstellungsaufwand, Anzahl und Umfang der individuellen Nachfrage bei den Instituten konnte damit reduziert werden und somit auch der Verwaltungsaufwand für die Institute und die Bundesanstalt verringert werden1. Die Belange von Kunden und Anlegern werden dadurch geschützt, dass Informationen und Hinweise auf ihre Identität in dem der Bundesanstalt zu übermittelnden Meldesatz in einer Form enthalten sind, die keinen Rückschluss auf deren Personen zulässt2. Die Kundenidentifikation eröffnet die Möglichkeit, nur aufgrund der Meldedaten eine gezielte Depotabfrage durchzuführen, da alle bei einer Bank bestehenden Depots eines Kunden zusammen erfasst werden. Durch die Übermittlung der schon gemäß § 16 WpHG notwendigen Erfassung von abweichenden Auftraggebern kann die Bundesanstalt im Rahmen der nach § 9 WpHG gemeldeten Daten die Geschäfte, die Insider als Bevollmächtigte für andere Depots abgeschlossen haben, leichter erfassen. Die auch für die Banken aufwendigen Serienbriefabfragen können unterbleiben. Es kann so gewährleistet werden, dass sich die Untersuchung frühzeitig auf wenige, relevante Personen beschränkt. Die praktischen Erfahrungen mit diesen Informationen zeigen, dass sich die mit der Einführung der Kundenidentifikation verbundenen Erwartungen verwirklicht haben, die sich insbesondere in einem fokussierten Vorgehen bei Verdachtsmomenten bewähren. Bezüglich der Identifikation europäischer Meldepflichtiger kann auf das BaFinRundschreiben 19/2009 (WA)3 verwiesen werden. In der Meldung ist das Finanzinstrument hinreichend zu beschreiben. Es ist ins- 44 besondere Art und Bezeichnung des Finanzinstruments anzugeben. Hierfür ist primär die internationals Kennnummer (ISIN) zu nutzen. Soweit eine solche nicht verfügbar ist, ist die deutsche Wertpapierkennnummer (WKN) zu verwenden. Statt der Wertpapierart ist der CFI-Code zu verwenden. Beim Handel mit Derivaten sind aufgrund der Vielfalt der möglichen Varianten zusätzliche Angaben gemäß § 3 Abs. 2 WpHMV notwendig, um das Instrument hinreichend und korrekt zu beschreiben. Je nach Markt muss entweder die ISIN oder der AII (Alternative Instrument Identifier) verwendet werden4. Eine Wahl zwischen diesen beiden Identifikationsmitteln be-
1 Vgl. BT-Drucks. 16/4028, S. 62 f. 2 Begr. RegE 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 86. 3 Rundschreiben zu Meldepflicht von Freiverkehrsinstrumenten vom 4.11.2009 (Gz.: WA 14-Wp 2001-2009/0081), Punkt 3, veröffentlicht unter www.bafin.de. 4 Vgl. BaFin-Rundschreiben 19/2009 (WA) zu Meldepflicht von Freiverkehrsinstrumenten vom 4.11.2009 (Gz.: WA 14-Wp 2001-2009/0081), Punkt 2, veröffentlicht unter www.bafin. de.
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§9
Meldepflichten
steht bei OTC gehandelten Derivaten, die an einem regulierten Markt zugelassen sind. Auch hier muss allerdings eine hinreichende Identifikation gewährleistet sein. 45
Nach § 6 WpHMV hat sich der Meldepflichtige gegenüber der Bundesanstalt hinreichend zu identifizieren und in jedem Meldesatz entweder die von der Bundesanstalt vergebene Identifikationsnummer oder einen anderen Identifikationscode anzugeben, wie z.B. Kassenvereinsnummer, BIC-Code oder deutsche Bankleitzahl.
46
Zu melden sind aber auch die notwendigen Informationen zu dem jeweils abgeschlossenen Geschäft, um dieses für die Fragen der Marktaufsicht hinreichend idendifizieren zu können. So ist das Datum und Uhrzeit des Geschäftsabschlusses oder der Kursfeststellung nach einem in § 4 WpHMV vorgegebenen Format zu übermitteln. Nach § 5 WpHMV ist die Menge und die Einheit des gehandelten Instruments (z.B. 500 Kontrakte/Stück) sowie der Preis/Kurs als Bruttobetrag (exklusive Gebühren) und die jeweilige Handelswährung zu melden. Zu melden sind zudem nach §§ 7, 8 WpHMV sonstige Angaben zum Handel, wie die Information, ob das Geschäft zu einem Börsenpreis abgeschlossen wurde und an welchem Börsenplatz das Geschäft geschlossen wurde, sowie Daten zur zweifelsfreien Identifikation des Geschäfts. Außerdem ist nach § 9 WpHMV zu kennzeichnen, ob es sich um ein Geschäft auf eigene Rechnung handelt.
47
Letztlich gibt es noch verschiedene zusätzliche Angaben nach § 10 WpHMV, die der technischen Verarbeitung des Meldesatzes dienen, sowie Kennzeichen für die Stornierung einer Meldung, wenn der Meldepflichtige Fehler in seiner Meldung festgestellt hat, und für eine Neumeldung des stornierten Geschäfts nach § 11 WpHMV.
VIII. Meldeweg 48
Im Hinblick auf die hohe Zahl der täglichen Meldungen (s. oben Rz. 41) sieht das Meldeverfahren nur den Weg der elektronischen Datenübertragung vor. Die Meldungen können durch den Meldepflichtigen entweder direkt an die Bundesanstalt (Direktmelder) oder mittels geeigneter Dritter (§ 9 Abs. 3 Nr. 3 WpHG) übermittelt werden.
49
Die Meldungen sind der Bundesanstalt grundsätzlich im Wege der Datenfernübertragung gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 WpHG zu übermitteln. Verfahren zur Datenübermittlung können gemäß § 13 WpHMV nur mit Zustimmung der Bundesanstalt auf Kosten des Meldepflichtigen oder übermittelnden Dritten eingerichtet werden. Bei wiederholt fehlerhaften oder verspäteten Meldungen oder soweit ein Übertragungsweg nicht mehr dem Stand der Technik entspricht, kann die Bundesanstalt dieses Übertragungsverfahren untersagen oder ein anderes anordnen. Für die Datenfernübertragung wurde ein spezieller Meldeweg geschaffen. Dieser Weg wird von der überwiegenden Zahl der Meldepflichtigen genutzt. Nur ausnahmesweise – bei außergewöhnlichen Umständen und bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 der EU-Durchführungsverordnung (1287/2006/EG) – ist eine Übermittlung der Daten über Datenträger möglich (§ 9 Abs. 2 Satz 1 WpHG).
50
Bei der Bundesanstalt beginnt die Verarbeitung der Meldedaten nach Ablauf der gesetzlichen Meldepflicht in der Nacht nach 24 Uhr. Damit ist es dem Meldepflichtigen möglich, Meldungen noch bis 24 Uhr an die Bundesanstalt zu übermitteln. Nachdem die täglichen Meldungen in der Bundesanstalt eingetroffen sind, werden sie im Rahmen eines vollautomatischen Prozesses in der Nacht vorverarbeitet. Als
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§9
Meldepflichten
letzten Schritt der Vorverarbeitung werden alle Meldungen gegeneinander abgeglichen, d.h. es wird versucht einem Kaufgeschäft ein Verkaufgeschäft zuzuordnen. Diese Zuordnung wird für börsliche und außerbörsliche Geschäfte durchgeführt. Soweit der Meldepflichtige erkennt oder von der Bundesanstalt darauf hingewiesen 51 wird, dass Fehler in den abgegebenen Meldungen aufgetreten sind, müssen die fehlerhaften Meldungen korrigiert werden. Die entsprechenden Stornierungen der fehlerhaften Meldungen und die Neumeldung des ordnungsgemäßen Meldesatzes werden auf dem gleichen Weg abgegeben.
IX. Zusammenfassung von Geschäften Nach § 16 der Wertpapierhandel-Meldeverordnung (WpHMV)1 i.V.m. § 9 Abs. 3 Nr. 4 52 WpHG hat die Bundesanstalt vorgesehen, dass Festpreisgeschäfte eines Tages in zum Nennwert rückzahlbaren fest- oder variabel verzinslichen Schuldverschreibungen inländischer Emittenten, die zum gleichen Preis ausgeführt werden, je Wertpapier in zusammengefasster Form mit einem Meldesatz gemeldet werden. Dabei kann die Angabe der Abschlusszeit entfallen. Von der Zusammenfassung der börslich über Makler getätigten Geschäfte in Schuldverschreibungen hat die Bundesanstalt abgesehen, weil den Meldungen der Makler diejenigen der Kreditinstitute gegenübergestellt werden und bei einer Zusammenfassung eine Vollständigkeitskontrolle nicht gegeben wäre. Auch für Bezugsrechte ist eine Zusammenfassung unter den Voraussetzungen des 53 § 16 WpHMV möglich. Voraussetzung ist, dass Handelstag der letzte Tag des Bezugsrechtshandels ist und die Bezugsrechte zum gleichen Preis gehandelt wurden. Hiervon dürften die meisten Geschäfte in Bezugsrechten erfasst werden, da diese Rechte nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kreditinstitute betreffend die Ausführung von Wertpapiergeschäften am letzten Tag des Bezugsrechtshandels „bestens“, d.h. zum gleichen Preis, verkauft werden.
X. Meldung durch Dritte und Zentralinstitute Die Meldepflicht muss nicht persönlich ausgeübt werden, sondern der Meldepflich- 54 tige kann sich hierbei der Dienste eines Dritten bedienen. Ein solches Heranziehen eines Dritten erfolgt auf Kosten des Meldepflichtigen, § 14 Abs. 1 Satz 1 WpHMV. Soweit Dritte eingeschaltet werden, bleibt der Meldepflichtige jedoch für die ordnungsmäßige Durchführung der Meldung verantwortlich, worauf § 14 Abs. 2 WpHMV hinweist. Das bedeutet, dass die Meldepflichtigen auch bei Einschaltung eines Dritten ihre Meldepflicht erst bei Eingang der vollständigen und ordnungsgemäßen Meldesätze erfüllt haben. Geeignete Dritte wie z.B. die Deutsche Börse AG übermitteln für die überwiegende Anzahl (derzeit ca. 85 %) von Meldepflichtigen die Meldedaten. Als geeigneter Dritter wird in § 9 WpHG beispielsweise die Börse in § 9 Abs. 4 Nr. 3 WpHG oder auch die Zentralinstitute der Sparkassen oder im genossenschaftlichen Bereich (§ 9 Abs. 4 Nr. 5 WpHG) genannt. Der Meldeweg unter Einschaltung der Börse oder einer Stelle im Bereich der Börse trägt dem Umstand Rechnung, dass auf die1 Verordnung über die Meldepflichten beim Handel mit Wertpapieren und Derivaten (Wertpapierhandel-Meldeverordnung – WpHMV) vom 21.12.1995 (BGBl. I 1995, 2094), zuletzt geändert durch die Dritte Verordnung zur Änderung der Wertpapierhandel-Meldeverordnung vom 18.12.2007 (BGBl. I 2007, 3014) (Text im Anhang S. 2208).
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Anzeige von Verdachtsfällen
se Weise unnötige Belastungen für die Meldepflichtigen vermieden werden, weil eine Vielzahl der Meldedaten bei der börsenmäßigen Abwicklung von Wertpapiergeschäften ohnehin anfallen. Soweit ein nicht an der Börse vertretenes Kreditinstitut der Bundesanstalt nicht unmittelbar melden möchte, könnte es die Dienste eines börsenzugelassenen Kreditinstituts in Anspruch nehmen. Als Dritte melden aber auch so genannte Verrechnungsbanken, soweit die Meldungen nicht über das System der Börsengeschäftsabwicklung (Xontro) vorgenommen werden, aber auch General-Clearer für Non-Clearer. Es ist aber auch möglich, dass andere Dienstleister als geeignete Dritte die Meldungen für die Meldepflichtigen abgeben können. 56
Ein Dritter ist als geeignet anzusehen, wenn er die Datensicherheit und die Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen Meldefrist gewährleistet (§ 14 Abs. 1 WpHMV). Hier ist wie für den Meldepflichtigen selber zu berücksichtigen, dass Verfahren zur Datenübertragung nur mit Zustimmung der Bundesanstalt eingerichtet werden können und die Bundesanstalt Testdaten anfordern kann (§ 13 Abs. 1 WpHMV). Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 WpHMV kann die Bundesanstalt auch die mangelnde Eignung eines Dritten feststellen. Diese ist insbesondere bei wiederholt fehlerhaften oder verspäteten Meldungen der Fall (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 3 WpHMV).
XI. Die Veröffentlichung von Meldedaten 57
In früher nicht da gewesener Form verschaffen die Meldedaten Einblicke in die Strukturen des Wertpapierhandels. Ob die Größenordnung des börslichen und des außerbörslichen Handels, das Verhältnis von Kunden- zu Eigengeschäften, der genaue Anteil der unterschiedlichen Produkte am Umsatz in Wertpapieren, der Anteil von großen, mittleren oder kleineren Kreditinstituten am Wertpapierhandel – all dies lässt sich ermitteln. Grundsätzlich ist daran gedacht, bestimmte Daten von volkswirtschaftlicher Bedeutung zu veröffentlichen. Derzeit werden im Internet die aus den Meldungen nach § 9 WpHG generierten Mindestpreise gemäß § 5 WpÜG-AngebotsVO veröffentlicht. Bedenken im Hinblick auf § 8 WpHG bestehen dann nicht, wenn die Daten so anonymisiert werden, dass sie auch keine Rückschlüsse auf Meldepflichtige und die von ihnen getätigten Geschäfte erlauben.
§ 10 Anzeige von Verdachtsfällen (1) Wertpapierdienstleistungsunternehmen, andere Kreditinstitute, Kapitalanlagegesellschaften und Betreiber von außerbörslichen Märkten, an denen Finanzinstrumente gehandelt werden, haben bei der Feststellung von Tatsachen, die den Verdacht begründen, dass mit einem Geschäft über Finanzinstrumente gegen ein Verbot oder Gebot nach § 14, § 20a, § 30h oder § 30j verstoßen wird, diese unverzüglich der Bundesanstalt mitzuteilen. Sie dürfen andere Personen als staatliche Stellen und solche, die auf Grund ihres Berufs einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen, von der Anzeige oder von einer daraufhin eingeleiteten Untersuchung nicht in Kenntnis setzen. (2) Die Bundesanstalt hat Anzeigen nach Absatz 1 unverzüglich an die zuständigen Aufsichtsbehörden derjenigen organisierten Märkte innerhalb der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums weiterzuleiten, an denen die Finanzinstrumente nach Absatz 1 gehandelt werden. Der Inhalt einer Anzeige nach Absatz 1
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§ 10
Anzeige von Verdachtsfällen
darf von der Bundesanstalt nur zur Erfüllung ihrer Aufgaben verwendet werden. Im Übrigen darf er nur zum Zweck der Verfolgung von Straftaten nach § 38 sowie für Strafverfahren wegen einer Straftat, die im Höchstmaß mit einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht ist, verwendet werden. Die Bundesanstalt darf die Identität einer anzeigenden Person nach Absatz 1 anderen als staatlichen Stellen nicht zugänglich machen. Das Recht der Bundesanstalt nach § 40b bleibt unberührt. (3) Wer eine Anzeige nach Absatz 1 erstattet, darf wegen dieser Anzeige nicht verantwortlich gemacht werden, es sei denn, die Anzeige ist vorsätzlich oder grob fahrlässig unwahr erstattet worden. (4) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen erlassen über die Form und den Inhalt einer Anzeige nach Absatz 1. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übertragen. In der Fassung des Gesetzes zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte vom 21.7.2010 (BGBl. I 2010, 945). Europäischer Rechtsakt: Richtlinie 2004/72/EG der Kommission vom 29.4.2005 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates – […] Meldung verdächtiger Transaktionen […] (ABl. EU Nr. L 162 v. 30.4.2004, S. 70, im Folgenden: Durchführungsrichtlinie). Schrifttum: Franz, Verdachtsanzeigen liefern gute Hinweise, BaFinJournal 07/11, S. 6; Gebauer, Verdachtsmitteilungen gem. § 10 WpHG, in: Gedächtnisschrift Ulrich Bosch, 2006, S. 31; Lösler, Spannungen zwischen der Effizienz der internen Compliance und möglichen Reporting-Pflichten des Compliance Officers, WM 2007, 676; Schwintek, Die Anzeigepflicht bei Verdacht von Insidergeschäften und Marktmanipulation nach § 10 WpHG, WM 2005, 861; Veil, Compliance-Organisationen in Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Zeitalter der MiFiD, WM 2008, 1093.
Inhaltsübersicht I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Anzeigepflicht (§ 10 Abs. 1 Satz 1 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
III. Verschwiegenheitspflicht (§ 10 Abs. 1 Satz 2 WpHG). . . . . . . . . . . . . 50
8
1. Adressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2. Inhalt und Reichweite . . . . . . . . . . . 53 3. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
1. Adressatenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen der Anzeigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Feststellung von Tatsachen . . . . . b) Verdacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Geschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verdachtszeitpunkt . . . . . . . . . . . . 3. Inhalt und Form der Anzeige . . . . . . a) Europarechtliche Vorgaben . . . . . b) Gesetzliche Umsetzung . . . . . . . . c) Konkretisierung durch §§ 2, 3 WpAIV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Regelungslücken . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorgelagerte Pflichten . . . . . . . . . b) Ausführungsverbot? . . . . . . . . . . . c) Nachgelagerte Pflichten . . . . . . . .
8 11 12 14 16 20 25 25 26 27 38 39 45 49
IV. Umgang der Bundesanstalt mit erstatteten Anzeigen (§ 10 Abs. 2 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 1. 2. 3. 4. 5.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weiterleitungspflicht . . . . . . . . . . . . Verwendungsbeschränkung . . . . . . . Verschwiegenheit . . . . . . . . . . . . . . . § 40b WpHG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
61 62 64 67 70
V. Beschränkte Verantwortlichkeit des Anzeigeerstatters (§ 10 Abs. 3 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
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§ 10 1. Beschränkte Verantwortlichkeit für erstattete Anzeigen . . . . . . . . . . . . . . 2. Verantwortlichkeit für die Wahrung der Verschwiegenheit . . . . . . . . . . . .
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71 76
VI. Straf- und bußgeldrechtliche Aspekte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 1. Ordnungswidrigkeiten . . . . . . . . . . . 78 2. Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
I. Allgemeines 1
Die Vorschrift ist durch Art. 1 Nr. 4 AnSVG mit Wirkung vom 30.10.2004 in das WpHG eingefügt worden1. Sie wird konkretisiert durch §§ 2, 3 der auf Grund des § 10 Abs. 4 Satz 1 WpHG erlassenen, am 18.12.2004 in Kraft getretenen, zuletzt durch Art. 6 Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz vom 5.4.2011 (BGBl. I 2011, 538) geänderten Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige-, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten sowie der Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen nach dem Wertpapierhandelsgesetz (Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung – WpAIV) vom 13.12.2004 (BGBl. I 2004, 3376), die im Textanhang S. 2212 abgedruckt ist. Zwar ist § 10 WpHG für sich gesehen verwaltungsrechtlicher Natur und unterliegt für sich gesehen nicht dem strengen straf- und bußgeldrechtlichen Rückwirkungsverbot; jedoch werden aus anderen Gründen Altgeschäfte, die vor Inkrafttreten der Vorschrift ausgeführt worden sind, von ihr nicht erfasst (s. unten Rz. 23 f.).
1a
Mit Wirkung vom 27.7.2010 hat der Gesetzgeber die Verdachtsanzeigepflicht auf Verstöße gegen das Verbot ungedeckter Leerverkäufe in Aktien und bestimmten Schuldtiteln (§ 30h WpHG) sowie gegen das Verbot von bestimmten Kreditderivaten (§ 30j WpHG) erstreckt. In der WpAIV ist das bislang noch nicht nachvollzogen worden, deren § 2 Abs. 1 Nr. 3 und 4 sich weiterhin nur auf §§ 14, 20a WpHG bezieht; das ändert an der gesetzlichen Anzeigepflicht aber nichts, und die Praxis kann sich nach dem Formular „Anzeige nach § 10 WpHG – Leerverkäufe“ richten, das die Bundesanstalt auf ihrer Internetseite zur Verfügung gestellt hat2.
2
Mit § 10 WpHG und §§ 2, 3 WpAIV werden die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der Art. 6 Abs. 9 Marktmissbrauchsrichtlinie und Art. 7–11 Durchführungsrichtlinie umgesetzt3. Auch weil die Umsetzung dieser Vorgaben dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers entspricht4, müssen § 10 WpHG und §§ 2, 3 WpAIV europarechtsund richtlinienkonform ausgelegt und angewendet werden, und bei Zweifelsfragen ist ein Vorabentscheidungsverfahren durch den EuGH möglich bzw. geboten.
3
§ 10 Abs. 1 Satz 1 WpHG begründet zunächst eine Anzeigepflicht bestimmter Finanzintermediäre (näher unten Rz. 8 ff.) gegenüber der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bundesanstalt), wenn jene Tatsachen feststellen, die den Verdacht begründen, dass ein Geschäft mit Finanzinstrumenten gegen die Verbote oder Gebote der §§ 14, 20a, 30h oder 30j WpHG verstößt (näher unten Rz. 11 ff.). Die Anzeigepflicht ist bußgeldbewehrt (§ 39 Abs. 2 Nr. 2b WpHG, s. unten Rz. 78) und wird durch eine ebenfalls bußgeldbewehrte (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 WpHG, s. unten Rz. 79) Verschwiegenheitspflicht des Anzeigeerstatters gegenüber anderen Personen als staatli-
1 S. zur Gesetzesgeschichte auch v. Hein, in: Schwark/Zimmer, § 10 WpHG Rz. 2; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 10 Rz. 7; Schlette/Bouchon, in: Fuchs, § 10 WpHG Rz. 1 f. 2 S. http://www.bafin.de unter der Rubrik „Formulare“ (abgerufen 14.12.2011). 3 S. hierzu auch Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 10 Rz. 8 ff. 4 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 32.
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§ 10
Anzeige von Verdachtsfällen
chen Stellen und ihrerseits zur Verschwiegenheit verpflichteten Personen flankiert (§ 10 Abs. 1 Satz 2 WpHG, näher unten Rz. 50 ff.). Der Umgang der Bundesanstalt mit erstatteten Anzeigen wird in § 10 Abs. 2 WpHG näher geregelt (s. unten Rz. 61 ff.). § 10 Abs. 3 WpHG beschränkt die Verantwortlichkeit des Anzeigeerstatters für unwahr erstattete Anzeigen auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. § 10 Abs. 4 WpHG schließlich enthält eine Verordnungsermächtigung betreffend Form und Inhalt der zu erstattenden Anzeige; hiervon ist mit §§ 2, 3 WpAIV Gebrauch gemacht worden (s. oben Rz. 1 und unten Rz. 27 ff.). Zweck der im Vordergrund des § 10 WpHG stehenden Anzeigepflicht ist es, der Bun- 4 desanstalt die ihr gemäß § 4 Abs. 2 WpHG obliegende Überwachung der Einhaltung der Verbote und Gebote der §§ 14, 20a, 30h und 30j WpHG dadurch zu erleichtern, dass bestimmte Finanzintermediäre verpflichtet werden, Geschäfte, in denen ein auf festgestellte Tatsachen gegründeter Verdacht von Verstößen zu melden. Dabei geht es nicht nur um die Effektuierung der präventiven Überwachungsaufgaben der Bundesanstalt, aktuell bestehende Gefahren für die Integrität der Kapitalmärkte unmittelbar abwehren zu können1. Vielmehr gehört zu den Überwachungsaufgaben der Bundesanstalt auch, dafür Sorge zu tragen, dass Verstöße straf- und bußgeldrechtlich verfolgt werden; insoweit hat die Anzeigepflicht durchaus auch einen repressiven Hintergrund, wie u.a. § 10 Abs. 2 Satz 3 WpHG zeigt2. Die Anzeigepflicht beinhaltet eine Inpflichtnahme Privater bei der staatlichen 5 Überwachung des Insiderhandels- und Marktmanipulationsverbots durch die Bundesanstalt3. In diesem Sinne heißt es in Erwägungsgrund (27) der Marktmissbrauchsrichtlinie, dass die Betreiber von Märkten „an der Vorbeugung gegen Marktmissbrauch mitwirken und strukturelle Vorkehrungen zur Vorbeugung gegen Marktmanipulationstechniken und zu deren Aufdeckung treffen“ sollten; hierzu gehöre u.a. „die Einführung eines wirksamen Systems zur Ermittlung atypischer Geschäftsaufträge“4. Da eine solche Inpflichtnahme bei Finanzintermediären Kosten verursacht, Ressourcen bindet und die Kundenbindung berührt, nämlich Interessenkonflikte begründen kann5, verwundert es nicht, dass sie auf Widerstand der Kreditwirtschaft gestoßen ist. So sind im europäischen Rechtsetzungsverfahren Vorstöße, Finanzintermediären eine eingehende Bewertung von Transaktionen ausdrücklich vorzuschreiben, die Ausführung marktmissbrauchsverdächtiger Transaktionen ausdrücklich zu untersagen und die Anzeigepflicht ausdrücklich auf erst nachträglich (nach Ausführung der Transaktion) offenbar werdende Verdachtsfälle zu erstrecken, verhindert worden6. Im deutschen Gesetzgebungsverfahren ist die Verdachtsschwelle gegenüber dem RegE AnSVG tendenziell angehoben worden (s. unten Rz. 14), und es ist in die amtliche Begründung der Passus aufgenommen worden, bei der praktischen Anwendung der Anzeigepflicht müssten „die besonderen Umstände des Börsenhandels“, insbesondere „die Schnelligkeit und Anonymität des Handels
1 Hierauf beschränkt aber Schwintek, WM 2005, 861 (863), den Zweck des § 10 WpHG. 2 Wie hier v. Hein, in: Schwark/Zimmer, § 10 WpHG Rz. 1: § 10 WpHG „dient sowohl repressiven als auch präventiven Zwecken“. 3 S. hierzu auch v. Hein, in: Schwark/Zimmer, § 10 WpHG Rz. 4; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 10 Rz. 4 mit Verweis auf Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929 (933); Schlette/ Bouchon, in: Fuchs, § 10 WpHG Rz. 2. 4 S. auch Erwägungsgrund (37), wonach auch die Marktteilnehmer in ihrem Bereich einen Beitrag zur Marktintegrität leisten sollten. 5 Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929 (933). 6 Instruktiv Schwintek, WM 2005, 861 (862 f. mit dortigen Fn. 7, 22 f.) m.N.
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§ 10
Anzeige von Verdachtsfällen
sowie die hohe Überwachungsdichte des Handels durch die Handelsüberwachungsstellen der Börsen und durch die Bundesanstalt“ berücksichtigt werden1. 6
Berechtigter Kern der Kritik ist, dass eine Inpflichtnahme Privater auch in Gestalt von Anzeigepflichten (und diesen vorgelagerten Pflichten, s. unten Rz. 39 ff.) verfassungsrechtliche Grenzen hat. Die Anzeigepflicht greift in die Wirtschaftsfreiheit der Anzeigepflichtigen (Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 GG) und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der von der Anzeige Betroffenen (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG) ein2. Auch verfassungsrechtlich muss die Inpflichtnahme Privater für staatliche Aufsichts-, Überwachungs- und Verfolgungszwecke, deren Durchsetzung im Grundsatz staatlichen Stellen obliegt, die Ausnahme bleiben3. Jedoch lässt sich nicht bestreiten, dass die Adressaten des § 10 WpHG in einer besonderen Position sind, die ihnen einerseits normativ eine besondere Verantwortung für die Integrität der Kapitalmärkte auferlegt und sie andererseits faktisch in die Lage setzt, Verstöße gegen §§ 14, 20a WpHG frühzeitig zu erkennen. Sie zur Anzeige zu verpflichten, um der Bundesanstalt eine effektivere Überwachung zu ermöglichen, verfolgt daher einen legitimen Eingriffszweck. Durch das Erfordernis eines qualifizierten Verdachts (s. unten Rz. 15a) wird auch eine dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung tragende Eingriffshürde aufgestellt. Eine Pflicht, jeden sich irgendwie auffällig verhaltenden Anleger anzuzeigen und so zu bewirken, dass er mit einem Überwachungs-, ggf. Bußgeldoder gar Strafverfahren überzogen wird, wird durch § 10 WpHG in keiner Weise begründet. Vielmehr ist § 10 WpHG einer am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierten Auslegung zugänglich, die eine angemessene Berücksichtigung der genannten grundrechtlich geschützten Belange sicherstellt. Mit einer solchen Auslegung wird auch der teils beschworenen Gefahr einer Flut unbegründeter Verdachtsanzeigen4 gesteuert, und auch in der Praxis hat sich diese Befürchtung nicht bewahrheitet5.
7
§ 10 WpHG weist gewisse Parallelen zur Anzeigepflicht bei Geldwäscheverdacht gemäß § 11 GwG6 auf. In der Tat ist im europäischen Rechtsetzungsverfahren hervorgehoben worden, dass die kapitalmarktrechtliche Verdachtsanzeigepflicht „entsprechend dem Geist der Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Geldwäsche gegenüber den Banken getroffen wurden“7, eingeführt werden solle. Hier wie dort handelt es sich um ein Rechtsinstitut, das auf europarechtliche Vorgaben zurückgeht und nicht der deutschen Rechtstradition entspricht, die Anzeigepflichten traditionell mit Zu1 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 15/3493, S. 64. 2 Überzogen Szesny, Finanzmarktaufsicht und Strafprozess, 2008, S. 209 ff., der den Eingriff für unverhältnismäßig hält und die Gefahr eines Verstoßes gegen den nemo-tenetur-Grundsatz sieht, wenn ein Mitarbeiter eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens durch die Verdachtsanzeige risikiere, selbst wegen Beihilfe verfolgt zu werden. 3 Insoweit war im Diskussionsentwurf des AnSVG (abgedruckt in ZBB 2004, 168) mit Recht darauf hingewiesen worden, dass „eine Anzeigepflicht Privater … eine rechtssystematische Ausnahme“ darstelle (ZBB 2004, 177). 4 Vgl. Szesny, Finanzmarktaufsicht und Strafprozess, 2008, S. 208 f. 5 Zutr. v. Hein, in: Schwark/Zimmer, § 10 WpHG Rz. 6 m.N. 6 In der Fassung des Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetzes vom 13.8.2008 (BGBl. I 2008, 1690). – Zur einschlägigen Literatur s. nur Fülbier, in: Fülbier/Aepfelbach/Langweg, 5. Aufl. 2006, § 11 GwG vor Rz. 1. – Zum europarechtlichen Hintergrund s. Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.10.2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zweck der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, ABl. EU Nr. L 309 v. 25.11.2005, S. 15 (Zweite Geldwäscherichtlinie), dort v.a. Art. 22. 7 Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments vom 27.2.2002 (EU-Parlamentsdokument Nr. PE 207.438, S. 37 [abrufbar über die Suchfunktion http://www.europarl.eu.int/activities/expert/reports/search.do?language=DE&LEG_ID=5]).
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rückhaltung begegnet (vgl. aber z.B. § 138 StGB). Hier wie dort werden Private für staatliche Zwecke, nämlich eine möglichst flächendeckende Effektuierung staatlicher Kontrolle, in die Pflicht genommen, und hier wie dort werden die grundrechtlich geschützte wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Anzeigeverpflichteten, deren Verschwiegenheitspflichten gegenüber ihren Kunden und nicht zuletzt den Geheimhaltungsinteressen derjenigen, deren Verhalten zum Gegenstand der Anzeige gemacht wird, gegen die Anzeigepflicht ins Feld geführt. Jedoch bestehen zwischen beiden Anzeigepflichten nicht unerhebliche Unterschiede. Einerseits ist die geldwäscherechtliche Anzeigepflicht präventiver ausgerichtet als die kapitalmarktrechtliche; insbesondere ist jene mit einem „Stillhaltegebot“, d.h. einem grundsätzlichen Verbot der Ausführung der geldwäscherechtlichen Transaktion, verbunden (§ 11 Abs. 1 Satz 2 GwG) und betrifft somit in erster Linie bevorstehende Transaktionen. Andererseits hat § 11 GwG eine deutlicher repressive Zielsetzung als § 10 WpHG, da die geldwäscherechtliche Anzeigepflicht unmittelbar gegenüber den zuständigen Strafverfolgungsbehörden bzw. dem Bundeskriminalamt – Zentralstelle für Verdachtsanzeigen – besteht und darauf abzielt, Strukturen der organisierten Kriminalität aufzudecken und die Täter aufgrund verdeckter Ermittlungen bei frischer Tat zu ertappen. Weiterhin enthält § 9 GwG wesentlich detailliertere Vorgaben für interne Sicherungsmaßnahmen (z.B. Bestimmung eines Geldwäschebeauftragten) als das WpHG (s. aber § 33 WpHG). Freilich hat die Anzeigepflicht nach § 10 WpHG durchaus auch eine repressive Komponente, da die Bundesanstalt selbst Ordnungswidrigkeiten nach § 39 WpHG verfolgt und gemäß § 4 Abs. 5 WpHG verpflichtet ist, bei (Anfangs-) Verdacht auf Straftaten nach § 38 WpHG die zuständige Staatsanwaltschaft zu befassen (s. § 4 Rz. 53 ff.). Unklar ist, welche Bedeutung § 10 WpHG in der Praxis hat. Die Bundesanstalt misst 7a Verdachtsanzeigen eine „wichtige Rolle“ bei, hält sie für eine „wichtige Quelle“1 und stellt auf ihrer Internetpräsenz Formulare „Anzeige nach § 10 WpHG“ zur Verfügung2. Haupterkenntnisquelle der Bundesanstalt dürften freilich – neben der risikoorientierten Beobachtung und Analyse des Marktgeschehens durch die Anstalt selbst – informelle Beschwerden und Hinweise sein3. Jedenfalls quantitativ bleiben förmliche Verdachtsanzeigen aus der Kreditwirtschaft weit dahinter zurück (2010: 203). Dass sie qualitativ hochwertiger in dem Sinne sind, dass sich bei ihnen der Verdacht signifikant öfter bestätigt als im Durchschnitt, liegt nahe4, müsste aber durch weitere Untersuchungen erhärtet werden. Immerhin wäre es vorschnell, das gesamte Konzept als – wie es Fülbier bezogen auf die geldwäscherechtliche Verdachtsanzeige ausdrückt5 – „rechtspolitisch zweifelhaft bzw. erfolglos“ zu bewerten.
II. Anzeigepflicht (§ 10 Abs. 1 Satz 1 WpHG) 1. Adressatenkreis Adressat der Anzeigepflicht ist nicht jedermann, sondern sind nur bestimmte Finanzintermediäre6, nämlich
1 2 3 4 5 6
Jahresbericht 2007, S. 173. S. http://www.bafin.de unter der Rubrik „Formulare“ (abgerufen 14.12.2011). Jahresbericht 2007, S. 172. So Franz, BaFinJournal 07/11, S. 6: „überwiegend von guter bis sehr guter Qualität“. Fülbier, in: Fülbier/Aepfelbach/Langweg, 5. Aufl. 2006, § 11 GwG Rz. 27. Art. 6 Abs. 9 Marktmissbrauchsrichtlinie spricht von natürlichen und juristischen (Art. 1 Nr. 6) „Personen, die beruflich Geschäfte mit Finanzinstrumenten tätigen“.
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– Wertpapierdienstleistungsunternehmen i.S. von § 2 Abs. 4 WpHG (s. § 2 Rz. 139 ff.), auch solche, die keine Kreditinstitute sind wie z.B. Finanzdienstleistungsinstitute i.S. von § 1 Abs. 1a KWG oder nach § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG tätige Unternehmen1, – andere Kreditinstitute, d.h. Kreditinstitute i.S. von § 1 Abs. 1 KWG (s. die dortigen Kommentierungen), die keine Wertpapierdienstleistungen erbringen, – Kapitalanlagegesellschaften i.S. von § 6 InvG und – Betreiber von außerbörslichen Märkten. Mit dem zuletzt genannten Adressatenkreis geht der deutsche Gesetzgeber über die europäischen Vorgaben in Art. 1 Nr. 3 Durchführungsrichtlinie hinaus. Das ist gemeinschaftsrechtlich unbedenklich, weil die Durchführungsrichtlinie ihrem Wortlaut nach („zumindest“) nicht abschließend ist und die Ausweitung ihrem Schutzzweck entspricht. Freilich ist die Ausweitung im Gesetzgebungsverfahren begrenzt worden. Während der RegE AnSVG noch jegliche Betreiber von Märkten, an denen Finanzinstrumente gehandelt werden, also auch Börsenträgergesellschaften2, und die Börsengeschäftsführung erfassen wollte, beschränkt sich das Gesetz auf Betreiber von außerbörslichen Märkten. Zu ihnen gehören Interbanken- und OTC-Märkte („over the counter“), alternative Handelssysteme („ATS – alternative trading systems“) und andere außerbörsliche Handelsplattformen, deren Betreibergesellschaften von § 10 WpHG erfasst werden. Demgegenüber sind Betreiber börslicher Märkte, namentlich Börsenträgergesellschaften und auch die börslichen Handelsüberwachungsstellen keine Adressaten des § 10 Abs. 1 WpHG; ihre Mitteilungspflichten sollen sich nach dem Willen des Gesetzgebers vielmehr ausschließlich nach Börsenrecht (s. § 7 Abs. 5 Satz 5 BörsG) bestimmen3. Betreiber multilateraler Handelssysteme unterliegen der in § 31f Abs. 3 WpHG gesondert geregelten Unterrichtungs- und Unterstützungspflicht, wenn Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen § 14 WpHG oder § 20a WpHG bestehen. In dem (häufigen) Fall, dass ein multilaterales Handelssystem zugleich ein außerbörslicher Markt ist, stellt sich die Frage, ob die Betreiber zugleich der Verdachtsanzeigepflicht nach § 10 WpHG unterliegen, was u.a. für Verstöße gegen die Verbote der §§ 30h, 30j WpHG von praktischer Bedeutung ist; es spricht Vieles dafür, § 30f Abs. 3 WpHG als lex specialis anzusehen, die den Rückgriff auf § 10 WpHG sperrt4. 9
Wie sich in Art. 7 Satz 2, 3 Durchführungsrichtlinie konformer Auslegung des § 10 Abs. 1 Satz 1 WpHG ergibt, müssen die Adressaten entweder ihre Hauptniederlassung oder zumindest eine Zweigniederlassung im deutschen Inland haben oder hier zugelassen sein. In diesen Fällen müssen auch grenzüberschreitende Sachverhalte angezeigt werden5.
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Welche Stellen und Personen innerhalb der Unternehmen, Institute oder Betreiber die Anzeige konkret erstatten müssen, wird vom WpHG nicht ausdrücklich vorgege1 v. Hein, in: Schwark/Zimmer, § 10 WpHG Rz. 7 gegen Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 2. Aufl. 2009, § 13 Rz. 93 Fn. 1, der sich auf das Wort „andere“ Kreditinstitute stützt und – jedenfalls für straf- und bußgeldrechtliche Zwecke – Art. 103 Abs. 2 GG ins Feld führt, was überzogen erscheint. 2 BT-Drucks. 15/3174, S. 32. 3 S. BT-Drucks. 15/3493, S. 51. 4 Unklar v. Hein, in: Schwark/Zimmer, § 10 WpHG Rz. 10; vgl. auch Gebauer, in: GS Bosch, S. 31, 47. 5 Vgl. auch v. Hein, in: Schwark/Zimmer, § 10 WpHG Rz. 13; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 10 Rz. 24.
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ben, sondern richtet sich im Ausgangspunkt nach dem jeweils anwendbaren Unternehmens(usw.)recht; bei Kapitalgesellschaften ist das vertretungsberechtigte Organ berufen1. Aus bußgeldrechtlicher Sicht richtet sich die persönliche Verantwortlichkeit nach §§ 9, 14 OWiG (s. unten Rz. 80 und allgemein § 39 Rz. 54 ff.). Zu den Anforderungen an die innerbetriebliche Organisation s. unten Rz. 44. Zur Pflicht des Unternehmens, ein von einem Mitarbeiter getätigtes Geschäft anzuzeigen, s. unten Rz. 17. 2. Voraussetzungen der Anzeigepflicht Die Anzeigepflicht entsteht nur und erst, wenn Tatsachen festgestellt werden, die 11 den Verdacht begründen, dass mit einem Geschäft über Finanzinstrumente gegen ein Verbot oder Gebot nach §§ 14, 20a, 30h oder 30j WpHG verstoßen wird. a) Feststellung von Tatsachen Der Verdacht des Insiderhandels oder der Marktmanipulation als solcher löst die An- 12 zeigepflicht nicht aus. Vielmehr verlangt das Gesetz als Verdachtsgrundlage die Feststellung von Tatsachen, die einen solchen Verdacht begründen; bloße Vermutungen genügen also nicht2. Tatsachen sind konkrete in der Vergangenheit oder Gegenwart liegende Ereignisse, Vorgänge oder Zustände der Innen- oder Außenwelt, die dem Beweis zugänglich sind. Anders als bei §§ 14, 20a WpHG genügen Werturteile („X ist ein notorischer Marktmanipulator“) oder Prognosen („Die D-Bank wird ihr Insiderwissen über den Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden der D-C-AG ausnutzen“) nicht, erst recht nicht bloße Gerüchte und Vermutungen3. Wie sich aus Art. 9 Abs. 2 Durchführungsrichtlinie, § 2 WpAIV ergibt, müssen die Tatsachen beim Anzeigepflichtigen verfügbar sein; sie müssen m.a.W. nicht „extern“ bei Dritten ermittelt werden (näher unten Rz. 31). Festgestellt sind Tatsachen, wenn sie in objektiv nachvollziehbarer Weise zur Überzeugung einer Person feststehen, nicht aber, wenn noch objektive Anhaltspunkte für Zweifel an der Tatsache bestehen und die Person zweifelt. Zum Umgang mit Zweifelsfällen s. unten Rz. 41. Da Tatsachen nur von natürlichen Personen festgestellt werden können, Adressaten 13 der Anzeigepflicht aber Unternehmen, Institute oder Betreiber, also i.d.R. juristische Personen, sind, stellt sich die vom Gesetz nicht gelöste Frage der Wissenszurechnung. Kapitalmarktrechtlich muss es nach allgemeinen Grundsätzen genügen, dass die Tatsachenfeststellung durch einen Wissensvertreter des Unternehmens, Instituts oder Betreibers erfolgt ist, gleich, ob dieser nach der internen Organisation der mit der Erfüllung der Anzeigepflicht Betraute ist oder nicht4. Straf- und bußgeldrechtlich ist eine solche Wissenszurechnung hingegen im Ausgangspunkt nicht möglich, und straf- bzw. ahndbar kann nur sein, wer (unter Berücksichtigung der §§ 9, 14 OWiG, § 14 StGB) selbst vorsätzlich oder leichtfertig handelt (wobei sich der Leichtfertig1 2 3 4
v. Hein, in: Schwark/Zimmer, § 10 WpHG Rz. 12. Zutr. Schlette/Bouchon, in: Fuchs, § 10 WpHG Rz. 6. BT-Drucks. 15/3174, S. 32. A.A. Schwintek (WM 2005, 861 [862]), der behauptet, die Tatsachen müssten „durch die für den Adressaten der Anzeigepflicht handelnde Person“ – wer soll das sein? – festgestellt werden, die Zurechnung der Kenntnis Dritter sei nicht möglich, und das bloße Vorhandensein von Informationen an anderen Stellen des Unternehmens genüge nicht. Das überzeugt kapitalmarktrechtlich gesehen nicht, und es ist auch nicht ersichtlich, dass es bereits aus den Begriffen „Verdacht“ und „Feststellung“ folge. Wie hier Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 10 Rz. 31.
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keitsvorwurf freilich auch daraus ergeben kann, dass auf der Hand liegende innerbetriebliche Nachfragen unterblieben sind, s. unten Rz. 42). b) Verdacht 14
Aus den festgestellten Tatsachen muss sich der Verdacht für einen Insiderverstoß oder eine Marktmanipulation ergeben. Der RegE AnSVG hatte noch – insoweit wortgleich mit § 11 Abs. 1 Satz 1 GwG1 – genügen lassen, dass die Tatsachen „darauf schließen lassen“, dass ein solcher Verstoß vorliegt. Mit der nunmehrigen Fassung wollte der Gesetzgeber den Wortlaut des Art. 6 Abs. 9 Marktmissbrauchsrichtlinie („begründeter Verdacht“2) präziser abbilden3 und eine restriktive Handhabung der Anzeigepflicht nahe legen.
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Nach allgemeinen Grundsätzen liegt ein Verdacht vor, wenn es nach der Lebenserfahrung in dem jeweiligen Sachgebiet – hier also nach der Erfahrung über Marktmissbräuche auf Kapitalmärkten – konkret möglich erscheint, dass ein Insiderverstoß oder eine Marktmanipulation vorliegt. Ein solcher Verdachtsbegriff entspräche im Wesentlichen dem strafprozessualen Anfangsverdacht gemäß § 152 Abs. 2 StPO, dem sog. einfachen (Tat-) Verdacht. So wird es denn auch zunehmend in der kapitalmarktrechtlichen Literatur vertreten4, die sich damit freilich über den Willen des Gesetzgebers hinwegsetzt5, der in dem gegenüber § 152 Abs. 2 StPO abweichenden Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 1 WpHG hinreichend zum Ausdruck gekommen ist.
15a Hiernach ist der Verdachtsbegriff des § 10 Abs. 1 Satz 1 WpHG kapitalmarktrechtlich autonom zu bestimmen, wobei wegen des unterschiedlichen Regelungszusammenhanges der börsenrechtliche Begriff des „begründeten Verdachts“ in §§ 16, 26 BörsG nicht ohne Weiteres maßgeblich ist6. In welche Richtung der kapitalmarktrechtlich autonom bestimmte Verdacht vom strafprozessualen Anfangsverdacht abweicht, ist allerdings gleichfalls umstritten. Der Verordnungsgeber der WpAIV hat gemeint, die Verdachtsschwelle des § 10 Abs. 1 Satz 1 WpHG sei niedriger als diejenige des § 152 Abs. 2 StPO7. Das überzeugt nicht, weil hierdurch Anzeigebetroffene, aber auch Anzeigepflichtige und nicht zuletzt die Bundesanstalt unverhältnismäßig belastet würden8. Im Gegenteil genügt richtiger Auffassung nach für § 10 Abs. 1 Satz 1 WpHG nur ein qualifizierter Verdacht in dem Sinne, dass die konkrete Möglichkeit eines Insiderverstoßes, einer Marktmanipulation oder eines Verstoßes gegen das Verbot ungedeckter Leerverkäufe oder bestimmter Kreditderivate geradezu nahe liegt und die festgestellten Tatsachen typische Indizien für einen Marktmissbrauch sind9. Gesetzessystematisch lässt sich das damit begründen, dass § 10 Abs. 1 Satz 1 1 Dort wird im Ergebnis nur ein Anfangsverdacht im strafprozessualen Sinne verlangt; s. nur Fülbier, in: Fülbier/Aepfelbach/Langweg, 5. Aufl. 2006, § 11 GwG Rz. 38. 2 Erwägungsgrund (9) der Durchführungsrichtlinie spricht von „ausreichenden Indizien“, die die Vermutung auf Marktmissbrauch „nahe legen“. 3 BT-Drucks. 15/3493, S. 64. 4 v. Hein, in: Schwark/Zimmer, § 10 WpHG Rz. 21; Schlette/Bouchon, in: Fuchs, § 10 WpHG Rz. 5 („mit dem strafprozessualen Anfangsverdacht deckungsgleich“). 5 BT-Drucks. 15/3493, S. 64. 6 Schwintek, WM 2005, 861 (862 m.N.). 7 S. Amtl. Begr. zur WpAIV (abrufbar unter http://www.bafin.de/verordnungen/wpaiv_beg .pdf), S. 3: An den Verdacht seien „nicht die gleichen hohen Anforderungen zu stellen wie an einen Anfangsverdacht im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO“ (Herv. v. Verf.). 8 Zutr. v. Hein, in: Schwark/Zimmer, § 10 WpHG Rz. 21. 9 Ähnlich Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 10 Rz. 33: „klare Anhaltspunkte“.
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WpHG anders als z.B. § 4 Abs. 4 Satz 2 WpHG, aber auch als § 152 Abs. 2 StPO bloße „Anhaltspunkte“ gerade nicht genügen lässt, sondern einen auf festgestellte Tatsachen gegründeten Verdacht verlangt, eine auch aus der StPO bekannte Formulierung, die nach dort allg. M. eine qualifizierte Verdachtsschwelle bezeichnen soll (s. z.B. § 100a Satz 1 StPO: auf „bestimmte Tatsachen“ gegründeter Tatverdacht). Teleologisch ist zu bedenken, dass die Adressaten die hohe Überwachungsdichte des Handels durch die Handelsüberwachungsstellen der Börsen und durch die Bundesanstalt in Rechnung stellen und daher grundsätzlich von der Rechtmäßigkeit von Geschäften ausgehen dürfen, die auf überwachten Märkten getätigt werden, und dass sie angesichts der Schnelligkeit und Anonymität des Handels nur solchen Verdachtsmomenten nachgehen müssen, die nahe liegender und typischer Weise auf Marktmissbrauch schließen lassen. Nur durch eine solche restriktive Auslegung wird auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt (Rz. 6). Zu weit würde es allerdings gehen, § 10 Abs. 1 Satz 1 WpHG auf eine Art Evidenzkontrolle zu beschränken, wonach die Anzeigepflicht nur Fälle erfassen würde, welche den Gesetzesverstoß gleichsam „auf der Stirn“ trügen1. Ein solches Kriterium würde dazu führen, dass besonders gut getarnte Marktmissbräuche durch besonders geschickt operierende Täter im Regelfall nicht der Anzeigepflicht unterfielen, was angesichts der hohen Gefährlichkeit gerade solcher Taten und Täter mit dem Ziel des Anlegerschutzes kaum vereinbar wäre. Dass die hier entwickelte Auffassung diejenige des Gesetzgebers ist, hat sich zuletzt 15b bei der Erweiterung der Verdachtsanzeigepflicht auf verbotene ungedeckte Leerverkäufe und bestimmte Kreditderivate (oben Rz. 1a) gezeigt. In der Gesetzesbegründung2 verlangt der Gesetzgeber, dass verdachtsbegründende Tatsachen in den Fällen der §§ 30h und 30j WpHG „deutlich erkennbar“ sein und typische Anzeichen für einen Verstoß vorliegen müssen, die z.B. nicht vorliegen, wenn jemand einen Leerverkauf tätigt und sein bei dem jeweiligen Institut geführtes Depot keine ausreichende Deckung aufweist. c) Geschäft Gegenstand des Verdachts muss sein, dass mit einem Geschäft über Finanzinstru- 16 mente gegen ein Verbot oder Gebot nach §§ 14, 20a, 33h oder 33j WpHG verstoßen wird. Der Verdacht eines Verstoßes genügt also als solcher nicht, sondern nur, wenn der Verstoß zudem durch ein Geschäft mit Finanzinstrumenten begangen wird („transaktionsbezogene Marktmissbrauchshandlungen“3). Insbesondere besteht keine Anzeigepflicht, wenn der Verdacht „nur“ einen Verstoß gegen das insiderrechtliche Mitteilungs- und Empfehlungsverbot gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 und 3 WpHG oder „nur“ eine Marktmanipulation gemäß § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG (und auch Nr. 3, soweit die sonstige Täuschungshandlung nicht mit einem Geschäft über Finanzinstrumente verbunden ist) zum Gegenstand hat. Vielmehr liegt der Schwerpunkt des § 10 Abs. 1 Satz 1 WpHG bei Verstößen gegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG und gegen § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG. Vor allem im Marktmanipulationsrecht4 fragt sich, ob dies sachgerecht ist: Soll ein Geschäft, durch das ersichtlich eine vorherige Marktmanipulation durch Machen unrichtiger oder irreführender Angaben oder Ver1 2 3 4
In diese Richtung aber Schwintek, WM 2005, 861 (863). BT-Drucks. 17/1952, S. 9. Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 10 Rz. 28. Im Insiderrecht ist das Ausnutzen eines Verstoßes gegen das Mitteilungs- oder Empfehlungsverbot i.d.R. selbst verbotener Insiderhandel gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG.
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schweigen bewertungserheblicher Umstände ausgenutzt wird, von der Anzeigepflicht ausgenommen sein? Zumindest in straf- und bußgeldrechtlicher Sicht muss der eindeutige Wortlaut als Grenze der möglichen Auslegung hingenommen werden1. 17
Nicht ausdrücklich im Wortlaut niedergeschlagen hat sich, dass nur solche Geschäfte gemeint sein können, die der Adressat selbst ausführt; ein bei einem anderen Unternehmen, Institut oder Betreiber ausgeführtes verdächtiges Geschäft verpflichtet den Adressaten auch dann nicht zu einer Anzeige, wenn es diesem zur Kenntnis gelangt und bei diesem verdachtsbegründende Tatsachen verfügbar sind2. Der Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 1 WpHG erfasst auch marktmissbrauchsverdächtige Geschäfte eines Mitarbeiters des Unternehmens, Instituts oder Betreibers. Unproblematisch ist das, wenn der Mitarbeiter wie jeder andere Dritte einen Auftrag erteilt hat (z.B. gebe der Bankangestellte, dessen privates Wertpapierdepot von der Bank geführt wird, eine marktmissbräuchliche Order) oder wenn er lediglich bei Gelegenheit der Arbeit (z.B. als Trader) marktmissbräuchliche Eigengeschäfte tätigt3. Unter dem Gesichtspunkt des nemo tenetur-Satzes kann problematisiert werden, ob die Anzeigepflicht auf die Konstellation zu erstrecken ist, dass das Unternehmen selbst marktmissbräuchliche Geschäfte durch Mitarbeiter tätigen lässt4; freilich ist der nemo tenetur-Satz nach h.A. auf natürliche Personen beschränkt, so dass auch ein „delinquentes Unternehmen“ selbstanzeigepflichtig sein kann5.
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Das Geschäft muss Finanzinstrumente i.S. des § 2 Abs. 2b WpHG betreffen (s. § 2 Rz. 58 ff.). Geschäft ist insbesondere der Erwerb oder die Veräußerung, sei es für eigene oder für fremde Rechnung. Auf die zivilrechtliche Wirksamkeit kommt es nicht an, was v.a. mit Blick auf Scheingeschäfte, die gegen § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG verstoßen, von Bedeutung ist.
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Der Auftrag, ein Geschäft durchzuführen (Order), ist als solcher noch kein Geschäft und auch noch keine „Transaktion“ i.S. des Art. 6 Abs. 9 Marktmissbrauchsrichtlinie (s. auch Art. 9 Abs. 1 lit. c, e Durchführungsrichtlinie)6. Hieraus folgt, dass Geschäfte bzw. Transaktionen, deren Ausführung vom Beauftragten abgelehnt werden, anders als bei § 11 Abs. 1 GwG7 nicht der Anzeigepflicht des § 10 Abs. 1 Satz 1 WpHG unterfallen. Hiervon geht auch der Verordnungsgeber der WpAIV aus, wenn er verlangt, dass die Anzeige „Datum und Uhrzeit der Auftragserteilung und der Geschäftsausführung“ beinhalten soll (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 lit. d WpAIV, Herv. v. Verf.). Von alledem zu trennen ist die Frage, ob die Anzeigepflicht bereits entstehen kann, wenn
1 Hieran zweifelnd, weil § 10 WpHG generell auf §§ 14, 20a, 30h und 30j WpHG verweist, v. Hein, in: Schwark/Zimmer, § 10 WpHG Rz. 15. 2 Ebenso Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 10 Rz. 29. 3 Ebenso Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 10 Rz. 29. 4 Angenommen, der Vorstandsvorsitzende eines Kreditinstituts erfahre in seiner Eigenschaft als Aufsichtsratsmitglied einer anderen Aktiengesellschaft, dass der dortige Vorstandsvorsitzende zurücktreten werde, und veranlasse daraufhin erhebliche Aktienkäufe durch das Kreditinstitut, weil der Rücktritt aller Voraussicht nach den Börsenpreis der Aktie erheblich steigern wird: Hier liefe die Anwendung des § 10 Abs. 1 WpHG auf eine Selbstanzeigepflicht des Kreditinstituts hinaus! Ob das vom Gesetzgeber gewollt ist, erscheint zweifelhaft. 5 In diesem Sinne Gebauer, in: GS Bosch, S. 31, 46 mit Verweis auf BVerfGE 95, 220 (242); a.A. Böse, Wirtschaftsaufsicht und Strafverfolgung, 2006, S. 196 ff. 6 Insoweit zutr. Schwintek, WM 2005, 861 f.; ebenso v. Hein, in: Schwark/Zimmer, § 10 WpHG Rz. 14; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 10 Rz. 26; Schlette/Bouchon, in: Fuchs, § 10 WpHG Rz. 7. 7 S. nur Fülbier, in: Fülbier/Aepfelbach/Langweg, 5. Aufl. 2006, § 11 GwG Rz. 23 ff.
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eine verdächtige Order eingeht und der Finanzintermediär beabsichtigt, die Order auszuführen (sogleich Rz. 21). d) Verdachtszeitpunkt Nach dem Gesetzeswortlaut müssen Verdachtsfeststellung und verdächtiges Ge- 20 schäft zeitlich zusammenfallen („Feststellung von Tatsachen, die den Verdacht begründen, dass mit einem Geschäft … verstoßen wird“, nicht: „werden wird“ oder „worden ist“). Dies ergibt sich auch aus Art. 7 Durchführungsrichtlinie (wonach „jeweils von Fall zu Fall“ entschieden werden muss, ob „bei“ – nicht: „vor“ oder „nach“ – einer Transaktion ein begründeter Verdacht besteht). Über die Einzelheiten besteht allerdings Streit. Es ist denkbar, dass verdachtsbegründende Tatsachen bereits festgestellt werden, wenn bei einem Finanzintermediär eine ungewöhnliche Order eingegangen, aber noch nicht ausgeführt worden ist. In derartigen Fällen fragt sich, ob die Anzeigepflicht bereits vor Ausführung der Order entsteht. Die Frage ist streng von dem anderweitigen Problem eines möglichen Verbotes, verdächtige Orders auszuführen, zu trennen (s. unten Rz. 45 ff.)1. Gegen eine zeitliche Vorverlagerung der Anzeigepflicht spricht, dass ihr Gegenstand an sich nur Geschäfte bzw. Transaktionen sind, nicht aber bloße Orders (s. oben Rz. 19). Jedoch legen es Sinn und Zweck der Anzeigepflicht, der Bundesanstalt zu ermöglichen, eine verbotswidrige Beeinflussung des Marktgeschehens möglichst frühzeitig unterbinden und so Gefahren für die Integrität des Kapitalmarkts abwehren zu können, nahe, die Anzeigepflicht bereits entstehen zu lassen, wenn die verdächtige Order zwar noch nicht ausgeführt worden ist, es jedoch beabsichtigt ist, sie auszuführen2.
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Die praktische Bedeutung der Frage hält sich in Grenzen, da auch verdächtige Orders 22 im Grundsatz auszuführen sind (s. unten Rz. 45 ff.) und die Anzeigepflicht nur „unverzüglich“ zu erfüllen ist, was im praktischen Ergebnis in der Regel darauf hinauslaufen wird, dass die Anzeige erst nach Geschäftsausführung erstattet werden muss. Nur ausnahmsweise – z.B. bei Limit-Orders – können Ordereingang und Geschäftsausführung zeitlich erheblich auseinander fallen. In solchen Fällen liegt es allerdings in der Konsequenz der hier vertretenen Auffassung, die Anzeigepflicht bereits dann entstehen zu lassen, wenn bei oder nach Ordereingang verdachtsbegründende Tatsachen festgestellt werden, sofern nur beabsichtigt ist, die Order auszuführen3. Ebenso wie bei § 11 GwG a.F.4 begründet der Umstand, dass in Bezug auf ein bereits ausgeführtes Geschäft nachträglich Tatsachen zu Tage treten, die einen Marktmissbrauchsverdacht begründen, im Grundsatz keine Anzeigepflicht5. Das ergibt sich aus 1 Demgegenüber vermengt Schwintek, WM 2005, 861 f., beide Fragen. 2 Im Ergebnis ähnlich Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 10 Rz. 27: Zulässigkeit der vorzeitigen Erfüllung der Anzeigepflicht; wohl strenger Schlette/Bouchon, in: Fuchs, § 10 WpHG Rz. 9: „sofort“ nach Erteilung des verdächtigen Auftrags. 3 Im Ergebnis ähnlich Schwintek, WM 2005, 861 (862), der zudem zutreffend darauf hinweist, dass diese Auffassung den Adressaten entlastet, weil er die Order nicht gleichsam vormerken und bis Ausführung beobachten muss. 4 Fülbier, in: Fülbier/Aepfelbach/Langweg, 5. Aufl. 2006, § 11 GwG Rz. 44 f. § 11 GwG i.d.F. des Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetzes (oben Rz. 7 Fn. 6) erstreckt demgegenüber die geldwäscherechtliche Verdachtsanzeigepflicht auf nachträglich bekannt gewordene Taten, s. BT-Drucks. 16/9038, S. 44 f. 5 Ebenso Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 10 Rz. 37; Schlette/Bouchon, in: Fuchs, § 10 WpHG Rz. 9.
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dem Wortlaut der europarechtlichen Vorgaben und des § 10 Abs. 1 Satz 1 WpHG und ist auch entstehungsgeschichtlich abgesichert, da im europäischen Rechtsetzungsverfahren eine Anzeigepflicht bei nachträglich auftretenden Verdachtsmomenten zwar vorgeschlagen, aber nicht übernommen worden ist, mag es auch neuerdings wieder Bestrebungen geben, eine derartige nachträgliche Anzeigepflicht doch noch zu etablieren1. Diese gesetzgeberische Entscheidung kann auch nicht mit straf- und bußgeldrechtlichen Erwägungen (Garantenstellung aus Ingerenz?) überspielt werden und steht auch mit § 2 Abs. 2 WpAIV in Einklang, der die nachträglichen Pflichten des Adressaten auf die Mitteilung von Daten beschränkt, die zu dem Zeitpunkt, zu dem die Anzeige zu erstatten war, noch nicht verfügbar waren (näher unten Rz. 32). 24
Im Einzelnen sind freilich Differenzierungen angebracht: Wenn nach Ausführung eines Geschäfts verdachtsbegründende Tatsachen festgestellt werden, kann dies die Anzeigepflicht noch so lange auslösen, wie das Geschäft noch das aktuelle Marktgeschehen beeinflusst. Diese erweiternde Auslegung sprengt die Wortlautgrenze (auch der europarechtlichen Vorgaben: „bei“, § 7 Durchführungsrichtlinie) nicht und erscheint angesichts der präventiven Zweckrichtung des § 10 WpHG (s. oben Rz. 4) teleologisch angebracht. Ohne Rücksicht hierauf bleibt die Anzeigepflicht – selbstverständlich – auch nach Ausführung des Geschäfts bestehen, wenn bereits vor oder zur Zeit der Ausführung des Geschäfts ein hinreichender Marktmissbrauchsverdacht bestanden hat2. Teleologisch geboten erscheint es auch, Fälle, in denen vor und bei Ausführung lediglich Zweifel an ihrer Vereinbarkeit mit §§ 14, 20a, 30h, 30j WpHG bestanden, die sich bei der gebotenen Prüfung nach Geschäftsausführung (s. unten Rz. 42) erhärtet haben, in die Anzeigepflicht einzubeziehen. Schließlich ist zu bedenken, dass sich eine nachträgliche Anzeigepflicht mittelbar daraus ergeben kann, dass auf ein an sich unverdächtiges Geschäft in engem zeitlichen Zusammenhang ein weiteres Geschäft folgt und sich aus diesem Zusammentreffen ein Marktmissbrauchsverdacht ergibt; dann ist zwar unmittelbar nur das zweite Geschäft anzeigepflichtig, aber zur Begründung des Verdachts müssen auch Angaben zu dem ersten Geschäft gemacht werden3. 3. Inhalt und Form der Anzeige a) Europarechtliche Vorgaben
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Art. 6 Abs. 9 Marktmissbrauchsrichtlinie verpflichtet die Adressaten, im Verdachtsfall „unverzüglich die zuständigen Behörden zu informieren“ (Art. 6 Abs. 9 Marktmissbrauchsrichtlinie). Art. 8 Durchführungsrichtlinie konkretisiert dies dahin, dass die Adressaten die verdachtsbegründenden „Fakten oder Informationen … unverzüglich melden“ müssen. Art. 9 Abs. 1 Durchführungsrichtlinie verlangt im Einzelnen folgende Angaben: a) Beschreibung der Geschäfte einschließlich der Art des Auftrags (z.B. Limitauftrag, Bestens-Auftrag oder sonstige Auftragsmerkmale) und Art des Handels (z.B. Pakethandel), b) Gründe für den Verdacht auf Marktmissbrauch, c) Angaben zum Zwecke der Identifizierung der Personen, in deren Auftrag die Geschäfte ausgeführt wurden, sowie sonstiger an diesen Geschäften beteiligter Personen, 1 Näher Schwintek, WM 2005, 861 (863) mit dortigen Fn. 23, 24. 2 Zust. Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 10 Rz. 38. 3 Zutr. Schwintek, WM 2005, 861 (863).
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d) Funktion, in der die der Meldepflicht unterliegende Person handelt (z.B. in eigenem Namen oder im Auftrag Dritter), e) sonstige Angaben, die für die Prüfung der verdächtigen Transaktionen von Belang sein können. Art. 9 Abs. 2 Durchführungsrichtlinie bestimmt, dass, sollten diese Angaben zum Zeitpunkt der Meldung nicht verfügbar sein, zumindest die Gründe anzugeben sind, die die Meldung erstattende Person zu der Vermutung veranlassen, es könne sich bei den Geschäften um Insider-Geschäfte oder um eine Marktmanipulation handeln; die übrigen Angaben sollen mitgeteilt werden, sobald sie vorliegen. Art. 10 Durchführungsrichtlinie lässt die Übermittlung auf postalischem oder elektronischem Wege, per Telefax oder telefonisch zu, wobei im Falle einer telefonischen Mitteilung auf Verlangen der zuständigen Behörde eine schriftliche Bestätigung nachzureichen ist. Alle diese europarechtlichen Vorgaben gelten nicht unmittelbar für die auf Leerverkäufe und Kreditderivate bezogene Verdachtsanzeigepflicht, die insoweit autonomes deutsches Recht ist. b) Gesetzliche Umsetzung Die europarechtlichen Vorgaben hat der Gesetzgeber in § 10 Abs. 1 Satz 1 WpHG 26 durch die Pflicht umgesetzt, der Bundesanstalt unverzüglich die Tatsachen mitzuteilen, aus denen sich der Marktmissbrauchsverdacht ergibt. Die Gesetz gewordene Fassung vermeidet den in der Überschrift und noch im Entwurfstext des RegE AnSVG gebrauchten Begriff der „Anzeige“ bzw. des „Anzeigens“, was ersichtlich den Sinn hat, eine zu repressiv klingende Terminologie zu vermeiden, aber keine sachliche Änderung bezweckt. Anzuzeigen sind nach dem Gesetz allein festgestellte Tatsachen, die den Verdacht begründen, dass mit einem Geschäft über Finanzinstrumente gegen ein Verbot oder Gebot nach §§ 14, 20a, 30h, 30j WpHG verstoßen wird. Die gesetzliche Anzeigepflicht umfasst weder zweifelhafte, (noch) nicht festgestellte Tatsachen noch deren rechtliche Beurteilung noch Angaben über den Anzeigeerstatter (s. aber zu § 2 Abs. 1 WpAIV unten Rz. 30). Die Tatsachen sind der Bundesanstalt mitzuteilen, ihr also – von Gesetzes wegen in welcher Form auch immer (s. aber zu § 3 WpAIV unten Rz. 35 ff.) – zur Kenntnis zu bringen. Die Mitteilung muss unverzüglich, also ohne (objektiv) schuldhaftes Zögern, erfolgen. Im Hinblick auf den präventiven Zweck der Anzeigepflicht, der Bundesanstalt zu ermöglichen, bestehende Gefahren für die Integrität der Kapitalmärkte unmittelbar abzuwehren (oben Rz. 4), ist für eine unverzügliche Mitteilung einerseits zu verlangen, dass alle zumutbaren Anstrengungen unternommen werden, die Bundesanstalt so rechtzeitig zu unterrichten, dass sie einer Beeinflussung des aktuellen Marktgeschehens durch das verdächtige Geschäft entgegenwirken kann. Andererseits betont der Verordnungsgeber der WpAIV, dass Anzeigen „sorgfältig zu fertigen“ seien und Anzeigeerstatter gehalten seien, „nochmals zu überprüfen, ob die Umstände des Geschäfts tatsächlich den Verdacht rechtfertigen“, um Anzeigen zu verhindern, bei denen „nur entfernte Verdachtsmomente bestehen“1. Welche Aspekte überwiegen, richtet sich nach dem Gewicht des Verdachts und des in Rede stehenden Verstoßes.
1 Begründung zur WpAIV, S. 3 (abrufbar unter http://www.bafin.de/verordnungen/wpaiv _beg.pdf).
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c) Konkretisierung durch §§ 2, 3 WpAIV1 27
§ 10 Abs. 4 Satz 1 WpHG ermächtigt das Bundesministerium der Finanzen, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen über die Form und den Inhalt einer Anzeige nach § 10 Abs. 1 WpHG zu erlassen. Von dieser Ermächtigung – die auf die Bundesanstalt weiter übertragen werden kann, wovon bislang kein Gebrauch gemacht worden ist – hat der Verordnungsgeber in §§ 2, 3 WpAIV Gebrauch gemacht, mit denen zugleich Art. 8, 9 Durchführungsrichtlinie umgesetzt werden sollen. Die Regelungstechnik, dem Verordnungsgeber die „nähere Bestimmung“ bedeutsamer kapitalmarktrechtlicher Normen zu überlassen, findet sich noch an anderen Stellen des WpHG (z.B. § 20a Abs. 5 i.V.m. der MaKonV, s. § 20a Rz. 5). Sie ist hier wie dort problematisch und stößt auf verfassungsrechtliche Grenzen (Art. 80 und, soweit Straf- oder Bußgeldvorschriften bestehen, Art. 103 Abs. 2 GG) sowie auf Grenzen aus den gesetzlichen und europarechtlichen Vorgaben. Diese Grenzen werden bei §§ 2, 3 WpAIV besonders deutlich. Auf der anderen Seite hat der Verordnungsgeber bislang versäumt, der Erweiterung der Verdachtsanzeigepflicht auf ungedeckte Leerverkäufe und bestimmte Kreditderivate in der WpAIV Rechnung zu tragen (s. bereits oben Rz. 1a).
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§ 2 WpAIV enthält nähere Bestimmungen zum Inhalt der Anzeige.
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Es handelt sich um Muss-Vorschriften (§ 2 Abs. 1 WpAIV: „hat zu enthalten“), mag auch die amtliche Begründung zu § 2 Abs. 1 WpAIV teilweise davon sprechen, dass die Anzeige bestimmte Angaben enthalten „soll“2.
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Die Anzeige muss nicht bloß, wie § 10 Abs. 1 Satz 1 WpHG bestimmt, Tatsachen, sondern Daten enthalten. Zu ihnen gehören auch rechtliche Würdigungen und Aussagen über Rechtsbeziehungen (s. § 2 Abs. 1 Nr. 4, Nr. 5 lit. f WpAIV). Neben Daten, die das missbrauchsverdächtige Geschäft betreffen, werden auch Daten zur anzeigepflichtigen Person verlangt (s. § 2 Abs. 1 Nr. 1 WpAIV). Dies geht über das Gesetz hinaus, wie auch daraus erhellt, dass nach § 2 Abs. 2 Satz 1 „zumindest“ die Tatsachen anzugeben sind, die den Verdacht begründen, es handele sich bei dem Geschäft um einen Verstoß gegen ein Verbot oder Gebot nach § 14 oder § 20a WpHG. Insgesamt erscheint fraglich, ob es sich bei § 2 Abs. 1 WpAIV noch um eine „nähere Bestimmung“ zu § 10 Abs. 1 Satz 1 WpHG handelt.
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Begrenzt wird die Datenanzeigepflicht dadurch, dass die Daten zu dem Zeitpunkt, zu dem die Anzeige zu erstatten ist, verfügbar sein müssen (§ 2 Abs. 1, s. auch Abs. 2 WpAIV). Das Verfügbarkeits-Erfordernis geht auf Art. 9 Abs. 2 Durchführungsrichtlinie zurück, wird dort freilich ebenso wenig wie in § 2 Abs. 1 WpAIV näher bestimmt. Nach dem Willen des Verordnungsgebers müssen die Daten „originär verfügbar“ sein. Eine Pflicht zu ihrer Ermittlung soll nicht bestehen, mag dem Anzeigeerstatter auch obliegen, die Anzeige sorgfältig zu fertigen und zu überprüfen, ob die Umstände des Geschäfts den Verdacht rechtfertigen3. Alles das ist wenig klar und wie folgt klarzustellen: Verfügbar sind Daten, über die der Anzeigepflichtige – ein Unternehmen, Institut oder Betreiber – verfügt, die also bei ihm – bei dem Unterneh-
1 Text im Anhang S. 2212. 2 Vgl. Begründung zur WpAIV, S. 3 (abrufbar unter http://www.bafin.de/verordnungen/wpaiv _beg.pdf). 3 Begründung zur WpAIV, S. 3 (abrufbar über http://www.bafin.de); s. auch BT-Drucks. 17/1952, S. 9: „es bestehen (…) keine Nachforschungspflichten der Institute“.
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men, Institut oder Betreiber – vorhanden sind1. Darauf, ob das Wissen gerade bei der mit der Anzeige befassten Stelle oder Person vorhanden ist, kommt es für die Verfügbarkeit nicht an (s. bereits oben Rz. 13 zur kapitalmarktrechtlich möglichen Wissenszurechnung; zur davon zu trennenden Frage nach innerbetrieblichen Organisations- und Nachprüfungspflichten s. unten Rz. 42); in Konzernen ist regelmäßig das bei Tochterunternehmen vorhandene Wissen auch bei dem Mutterunternehmen verfügbar2. Nicht verfügbar sind Daten, über die nur andere als der Anzeigepflichtige verfügen; eine gleichsam „externe“ Ermittlungspflicht besteht nicht. Auf der anderen Seite beschränkt sich das verfügbare Wissen nicht auf reines „Unternehmenswissen“, sondern schließt solches ein, das allgemeinkundig oder sonst öffentlich bekannt und deshalb auch bei dem Unternehmen vorhanden ist. Sind die Daten im entscheidenden Zeitpunkt noch nicht verfügbar, so muss „zumin- 32 dest“ die gesetzliche Pflicht aus § 10 Abs. 1 Satz 1 WpHG erfüllt werden (§ 2 Abs. 2 Satz 1 WpAIV). Die noch nicht verfügbaren Daten müssen unverzüglich nachgereicht werden, sobald sie bei dem Anzeigepflichtigen bekannt sind (§ 2 Abs. 2 Satz 2 WpAIV). Auch insoweit soll nach dem Willen des Verordnungsgebers keine Ermittlungspflicht bestehen3, was freilich innerbetriebliche Organisations- und Nachprüfungspflichten nicht ausschließt (s. unten Rz. 42). Mit § 2 Abs. 2 WpAIV soll Art. 9 Abs. 2 Durchführungsrichtlinie umgesetzt werden, der auf den ersten Blick deutlich weiter geht, indem die Anzeigepflicht auf alle „Gründe“ erstreckt wird, welche den Anzeigepflichtigen zu der bloßen „Vermutung“ veranlassen, die in Rede stehende Transaktion sei marktmissbräuchlich. Jedoch ist nicht anzunehmen, dass Art. 9 Abs. 2 Durchführungsrichtlinie den Grundsatz des Art. 8 Durchführungsrichtlinie modifizieren soll, wonach nur „Fakten oder Informationen“, die einen „begründeten Verdacht“ eines Marktmissbrauchs „nahe legen“, die Anzeigepflicht auslösen. Der in § 2 Abs. 1 WpAIV enthaltene Katalog anzeigepflichtiger Daten geht deutlich 33 über die europarechtlichen Vorgaben des Art. 9 Abs. 1 Durchführungsrichtlinie hinaus („europarechtlich bedenklich“4). Von Seiten der Kreditwirtschaft ist er deshalb, aber auch im Hinblick auf die Erforderlichkeit aller Daten für die Zwecke, die mit der Anzeigepflicht verfolgt werden, und nicht zuletzt wegen seiner Unbestimmtheit kritisiert worden. Mit Blick auf die Bußgeldbewehrung von Verstößen gegen die Anzeigepflicht ist sogar geltend gemacht worden, es sei Art. 103 Abs. 2 GG verletzt5. Diese Kritik ist nicht von der Hand zu weisen. Dass es z.B. ein bußgeldrechtlich hinreichend bestimmter Tatbestand sein soll, vorsätzlich oder leichtfertig nicht „alle sonstigen Angaben, die für die Prüfung des Vorgangs von Belang sein können“ (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 WpAIV), zu machen, lässt sich schwerlich vertreten. Im Einzelnen muss die Anzeige enthalten:
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– den vollständigen Namen und die (Geschäfts-)Anschrift der anzeigepflichtigen (juristischen) Person und den vollständigen Namen und die Anschrift der für sie handelnden natürlichen Person (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 WpAIV). Das geht über das europarechtlich Gebotene und auch über § 10 Abs. 1 Satz 1 WpHG hinaus;
1 Ähnlich v. Hein, in: Schwark/Zimmer, § 10 WpHG Rz. 25; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 10 Rz. 48. 2 A.A. Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 10 Rz. 48. 3 Begründung zur WpAIV, S. 3 (abrufbar unter http://www.bafin.de). 4 Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 10 Rz. 47. 5 Schwintek, WM 2005, 861 (864 f.).
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– eine konkrete Beschreibung des verdächtigen Geschäfts anhand der Börse oder des außerbörslichen Marktes (§ 2 Abs. 1 Nr. 2a WpAIV); der Art des Handels und des Geschäfts (§ 2 Abs. 1 Nr. 2b und c WpAIV); des Datums und der Uhrzeit der Auftragserteilung und Geschäftsausführung (§ 2 Abs. 1 Nr. 2d WpAIV); sonstiger Auftragsmerkmale, namentlich zur Gültigkeit des Auftrags und zur Orderlimitierung (§ 2 Abs. 1 Nr. 2e WpAIV); des Finanzinstruments einschließlich seiner internationalen Wertpapierkennnummer (§ 2 Abs. 1 Nr. 2f WpAIV); Preis, Währung, Stückzahl und Geschäftsvolumen (§ 2 Abs. 1 Nr. 2g WpAIV); Basisinstrument, Basispreis, Preismultiplikator und Fälligkeit bei Geschäften in Derivaten (§ 2 Abs. 1 Nr. 2h WpAIV). Auch das ist eine intensivere Regelung als in Art. 9 Abs. 1a Durchführungsrichtlinie; – eine Angabe der Tatsachen, die den Tatverdacht begründen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 WpAIV). Nur das wäre gesetzlich geboten; – eine Begründung des Tatverdachts anhand der angegebenen Tatsachen (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 WpAIV). Hiermit soll Art. 9 Abs. 1b Durchführungsrichtlinie umgesetzt werden. Die Begründungspflicht soll den Anzeigeerstatter zu einer nochmaligen Überprüfung anhalten, ob die Umstände des Geschäfts tatsächlich den Verdacht rechtfertigen, soll sorgfältig gefertigt werden und Anzeigen verhindern, bei denen nur entfernte Verdachtsmomente bestehen. Es geht also um Arbeitsentlastung für die Bundesanstalt, und die originär staatliche Aufgabe der Verdachtsprüfung (einschließlich der rechtlichen Würdigung) soll auf Private überwälzt werden; – Angaben die zur Identifizierung der Person und zur Klärung der Rolle des Auftraggebers, der aus dem Geschäft berechtigten oder verpflichteten Personen und aller sonstigen am Geschäft beteiligten Personen, jeweils anhand der vollständigen Namen (§ 2 Abs. 1 Nr. 5a WpAIV); der Privat- und Geschäftsanschrift (§ 2 Abs. 1 Nr. 5b WpAIV); des Geburtstags (§ 2 Abs. 1 Nr. 5c WpAIV); der Depot- und Kundenidentifikationsnummer (§ 2 Abs. 1 Nr. 5d WpAIV); der geschäftsbezogenen Auftragsnummer (§ 2 Abs. 1 Nr. 5e WpAIV); im Falle der Personenverschiedenheit von Auftraggeber und berechtigter bzw. verpflichteter Person ihrer rechtlichen (z.B. verwandtschaftlich) und wirtschaftlichen Beziehungen untereinander (§ 2 Abs. 1 Nr. 5f WpAIV); der Art der Beteiligung (z.B. als Makler) der sonstigen am Geschäft beteiligten Personen (§ 2 Abs. 1 Nr. 5g WpAIV). Mit alledem soll Art. 9 Abs. 1c, d Durchführungsrichtlinie umgesetzt werden, die sich freilich kürzer fassen; und schließlich – alle sonstigen Angaben, die für die Prüfung des Vorgangs von Belang sein könnten (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 WpAIV). Hiermit wird Art. 9 Abs. 1e Durchführungsrichtlinie umgesetzt, was europarechtlich geboten ist; nicht geboten ist allerdings, selbst leichtfertige Verstöße hiergegen mit Geldbuße zu bewehren. 35
§ 3 WpAIV enthält nähere Bestimmungen zur Form der Anzeige.
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§ 3 Abs. 1 Satz 1 WpAIV verlangt grundsätzlich Schriftform (vgl. § 126 BGB)1. Aus § 3 Abs. 1 Satz 2 WpAIV folgt, dass es statthaft ist (und ggf. um der Unverzüglichkeit der Anzeige willen geboten sein kann), die Anzeige mittels Telefax zu übermitteln (zum Telefax-Formular der Bundesanstalt s. oben Rz. 7a); Telefaxe müssen aber auf Verlangen der Bundesanstalt durch postalisch übersandte Unterschrift verifiziert werden. Telefonische Übermittlung ist in § 3 Abs. 1 WpAIV nicht zugelassen, und der Verordnungsgeber hat gemeint, telefonische Anzeigen reichten zur Erfüllung der 1 Ein Formular der Bundesanstalt ist abrufbar unter http://www.bafin.de, Rubrik „Formulare“ (abgerufen 14.12.2011).
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Anzeigepflicht nicht aus, könnten jedoch der Bundesanstalt zur Vorabinformationformation dienlich sein1. Demgegenüber erlaubt Art. 10 Durchführungsrichtlinie die telefonische Mitteilung und verlangt nur, dass auf Verlangen der zuständigen Behörde eine schriftliche Bestätigung nachzureichen ist. Der Verordnungsgeber hat gemeint, das nicht umsetzen zu müssen, weil Art. 10 Durchführungsrichtlinie „Alternativvorschläge“ enthalte, aus denen die Mitgliedstaaten „auswählen“ dürfen. Das ist eine extravagante Interpretation, die zu Lasten der Anzeigepflichtigen geht und sich ersichtlich aus Verwaltungs- und Beweisinteressen der Bundesanstalt erklärt, aber den Zweck der Anzeigepflicht, die möglichst frühzeitige Abwehr von gegenwärtigen Gefahren für die Marktintegrität zu ermöglichen (s. oben Rz. 4), verfehlt. Da die Umsetzungsfrist abgelaufen ist, entfaltet Art. 10 Durchführungsrichtlinie nach allgemeinen Grundsätzen unmittelbare Wirkung zugunsten der Anzeigepflichtigen, und die Anzeigepflicht kann auch telefonisch erfüllt werden, wobei die Bundesanstalt schriftliche Bestätigung verlangen kann2. Gemäß § 3 Abs. 2 WpAIV ist eine Anzeige im Wege der Datenfernübertragung nur möglich, sofern dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zur Sicherstellung von Datenschutz und Datensicherheit getroffen werden, die insbesondere die Vertraulichkeit und Unversehrtheit der Daten gewährleisten, und sofern im Fall der Nutzung allgemein zugänglicher Netze dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Verschlüsselungsverfahren angewendet werden. Die Vorschrift nimmt auf § 3a Abs. 1 VwVfG Bezug, wonach eine Übermittlung elektronischer Dokumente nur zulässig ist, wenn der Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet, wobei § 3a Abs. 2 VwVfG die elektronische Form der Schriftform nur gleichstellt, wenn eine qualifizierte elektronische Signatur nach dem Signaturgesetz vorliegt. Die über das Internet zugängliche Melde- und Veröffentlichungsplattform der Bundesanstalt (MVP)3 ermöglicht einen solchen Zugang, beinhaltet freilich – soweit ersichtlich – keine Benutzerrechte betreffend § 10 WpHG. Art. 10 Durchführungsrichtlinie lässt allgemein die Mitteilung „auf elektronischem Wege“, z.B. durch E-Mail, genügen. Entsprechend dem soeben Rz. 36 Ausgeführten entfaltet diese Gemeinschaftsrechtslage unmittelbare Wirkung zugunsten der Anzeigepflichtigen, so dass die Anzeigepflicht z.B. auch per E-Mail erfüllt werden kann.
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4. Regelungslücken Sowohl das europäische wie auch das deutsche Recht der kapitalmarktrechtlichen Anzeigepflicht enthält empfindliche und aus Sicht der Kapitalmarktpraxis bedenkliche Regelungslücken, die u.a. aus einem Vergleich mit der Rechtslage bei der Geldwäsche deutlich werden.
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a) Vorgelagerte Pflichten In den europäischen und deutschen Rechtsetzungsverfahren ist die Tendenz deutlich 39 geworden, der Anzeigepflicht vorgelagerte Pflichten möglichst zurückzudrängen. In der Begründung zur WpAIV wird mehrfach hervorgehoben, dass die Anzeigepflicht keine (Verdachts-)Ermittlungspflicht impliziere, sondern sich auf verfügbare Tatsa1 Begründung zur WpAIV, S. 4. 2 Ebenso v. Hein, in: Schwark/Zimmer, § 10 WpHG Rz. 27; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 10 Rz. 51. 3 S. http://www.bafin.de unter der Rubrik „Unternehmen“, „Melde- und Veröffentlichungsplattform“ (abgerufen 14.12.2011).
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chen oder Daten beschränke (s. oben Rz. 31 f.). Weiterhin wird vertreten, es bestehe keine Pflicht zur näheren Prüfung und Bewertung oder laufenden Überwachung und Kontrolle eingehender Aufträge und Geschäfte1. Zur Begründung wird vor allem auf die Schnelligkeit und Anonymität des Handels hingewiesen; dies stehe einer zeitund sachaufwendigen Ermittlung, Prüfung oder Bewertung entgegen. Diese Begründung überzeugt nicht. Der Schnelligkeit des Handels ist bereits dadurch Rechnung getragen, dass auch verdächtige Orders grundsätzlich sofort ausgeführt werden dürfen (s. hierzu unten Rz. 45 ff.); die Prüfung und Bewertung kann dann unabhängig vom Handel und von anderen (z.B. Compliance-)Stellen als den Händlern durchgeführt werden. Auch die Anonymität des Handels führt allein dazu, dass es unter dem Gesichtspunkt der Verfügbarkeit nur eine beschränkte Identifizierungspflicht gibt, vermag aber Prüfungs- und Bewertungspflichten nicht grundsätzlich auszuschließen. – Demgegenüber hebt die Begründung zur WpAIV mit Recht hervor, dass Anzeigen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 WpHG sorgfältig zu fertigen seien und vor Anzeigeerstattung eine Überprüfung stattzufinden habe, um unbegründete Anzeigen zu verhindern (s. oben Rz. 26). Auch wird in der Literatur mit Recht empfohlen, dass in Zweifelsfällen Compliance-Beauftragte eingeschaltet werden und das im Unternehmen, Institut oder Betreiber vorhandene Wissen zusammengeführt wird2; das läuft auf (Mindest-) Pflichten innerbetrieblicher Organisation in Bezug auf die Erfüllung der Anzeigepflicht hinaus. 40
Die tendenziellen Widersprüche ergeben sich daraus, dass es anders als im Geldwäscherecht keine zureichenden Vorschriften über die der Anzeigepflicht vorgelagerten Pflichten gibt. Im Geldwäscherecht besteht eine besondere Aufmerksamkeitspflicht (s. Art. 20 Zweite Geldwäscherichtlinie)3 und eine umfassende Pflicht, interne Verfahren zu entwickeln, um Geldwäsche vorzubeugen und zu verhindern, wozu auch die Schulung von Mitarbeitern gehört (Art. 34, 35 Zweite Geldwäscherichtlinie, § 9 GwG). Derart spezifische Vorschriften gibt es zu der kapitalmarktrechtlichen Anzeigepflicht nicht (s. aber § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG). Diese Regelungslücke muss nach allgemeinen Grundsätzen gefüllt werden. Hierbei ist zunächst zu bedenken, dass in bußgeldrechtlicher Sicht auch die leichtfertige Verletzung der Anzeigepflicht nach § 10 Abs. 1 Satz 1 WpHG ahndbar ist und die Verantwortungsbeschränkung nach § 10 Abs. 3 WpHG sich nicht auf grobe Fahrlässigkeit erstreckt (s. noch unten Rz. 71 ff.). Hieraus ergeben sich mittelbar Pflichten, das Mindestmaß an Sorgfalt auf die Erfüllung der Anzeigepflicht zu verwenden, das den Vorwurf der Leichtfertigkeit bzw. groben Fahrlässigkeit vermeidet. Weiterhin hängt die kapitalmarkt-, börsen- und gewerberechtliche Zuverlässigkeit eines Unternehmens, Instituts oder Betreibers auch davon ab, ob die Anzeigepflicht zuverlässig erfüllt wird; auch hieraus ergibt sich ein Mindestmaß vorgelagerter Pflichten. Sie können nach den vier Stufen der Verdachtsgewinnung, Verdachtsprüfung, Entscheidung über die Anzeigeerstattung und innerbetrieblichen Organisation untergliedert werden4.
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Grundlage der Verdachtsgewinnung sind nur bei dem Adressaten verfügbare, d.h. vorhandene (s. oben Rz. 31) Tatsachen bzw. Daten. Daher besteht in der Tat keine Pflicht, bei dem Adressaten nicht verfügbare, d.h. nicht vorhandene Tatsachen bzw. 1 Schwintek, WM 2005, 861 (862, 863). 2 Schwintek, WM 2005, 861 (864). 3 Zur Frage, ob sie vor 2008 zureichend ins deutsche Recht umgesetzt worden war, s. Fülbier, in: Fülbier/Aepfelbach/Langweg, 5. Aufl. 2006, § 11 GwG Rz. 12 ff. 4 Ähnlich die Strukturierung bei der geldwäscherechtlichen Verdachtsanzeigepflicht, s. nur Fülbier, in: Fülbier/Aepfelbach/Langweg, 5. Aufl. 2006, § 11 GwG Rz. 50 ff.
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Daten extern zu ermitteln, beispielsweise Anfragen an andere Unternehmen, Institute, Behörden oder sonstige Stellen zu richten. Verfügbare Tatsachen bzw. Daten müssen aber unter dem Gesichtspunkt, ob sie einen Marktmissbrauchsverdacht begründen, geprüft und bewertet werden. In diesem Sinne besteht durchaus eine Prüfungsund Bewertungspflicht, andernfalls die Anzeigepflicht von dem zufälligen Umstand, ob der Adressat tatsächlich Verdacht schöpft oder nicht, abhängig gemacht würde. In diesem frühen Stadium kommt es auch noch nicht darauf an, ob die Tatsachen bzw. Daten bereits festgestellt sind (s. oben Rz. 12); vielmehr sind jedenfalls sich aufdrängende Tatsachen bzw. Daten, auch wenn sie noch nicht überprüft und bewertet worden sind, Anlass, in eine Prüfung und Bewertung einzutreten. Auf der Hand liegende Zweifelsfälle dürfen also noch nicht an dieser Stelle ausgeschieden werden. Demgegenüber kennt das Kapitalmarktrecht keine besondere Aufmerksamkeitspflicht und auch keine Pflicht, flächendeckend nach Verdachtsfällen zu suchen. An die Verdachtsgewinnung schließt sich die unverzüglich zu erfüllende (s. oben 42 Rz. 26) Verdachtsprüfung an. Sie ist kein bloßes nobile officium, sondern eine wirkliche Rechtspflicht, wie aus § 10 Abs. 3 WpHG erhellt, der die Verantwortlichkeit des Anzeigepflichtigen für vorsätzliche oder grob fahrlässige unwahre Anzeigen bestehen lässt, was sich in der Leichtfertigkeitsahndbarkeit nach § 39 Abs. 2 Nr. 2b WpHG niederschlägt. Damit ist aber zugleich der Pflichtenmaßstab benannt: Er beschränkt sich auf die für jeden Anzeigepflichtigen auf der Hand liegende, ohne weiteres erfüllbare Sorgfalt. Im Einzelnen bezieht sich die Verdachtsprüfungspflicht lediglich auf die bei dem Anzeigepflichtigen verfügbaren Tatsachen, und erneut besteht keine Pflicht, nicht verfügbare Tatsachen „extern“ zu ermitteln. Jedoch kann im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren verlangt werden, dass der für die Verdachtsprüfung Zuständige das unternehmensinterne Wissen zusammenführt und ausschöpft1. Ziel der Tatsachenprüfung ist es, Tatsachen festzustellen; nicht feststellbare Tatsachen lösen keine Anzeigepflicht aus (s. oben Rz. 12). Schließlich müssen die festgestellten Tatsachen daraufhin bewertet werden, ob sie einen qualifizierten (s. oben Rz. 15) Verdacht eines marktmissbräuchlichen Geschäfts begründen. Sodann muss unverzüglich (s. oben Rz. 26) eine Entscheidung über die Anzeigeerstat- 43 tung getroffen werden. Entscheidungsmaßstab ist lediglich das Gesetz, wie sich auch aus § 2 Abs. 2 Satz 1 WpAIV ergibt; die Anzeige darf nicht deshalb unterbleiben, weil Daten i.S. von § 2 Abs. 1 WpAIV noch nicht verfügbar sind. Der Sorgfaltsmaßstab beschränkt sich erneut auf diejenige Sorgfalt, die für jeden Anzeigepflichtigen auf der Hand liegt und von jedem erfüllt werden kann. Im Zweifelsfall empfehlen sich „vertrauensbildende Gespräche“ mit der Bundesanstalt2. Schließlich besteht eine Pflicht zu einer angemessenen innerbetrieblichen Organisation, um sicherzustellen, dass die Anzeigepflicht und die ihr vorgelagerten Pflichten zuverlässig erfüllt werden können; sie ergibt sich auch aus § 33 Abs. 1 WpHG (s. § 33 Rz. 14 ff.). Dabei steht im Vordergrund, eine sinnvolle Arbeitsteilung zu gewährleisten. Die Verdachtsgewinnung wird sinnvoller Weise den Mitarbeitern eines Unternehmens, Instituts oder Betreibers zugewiesen, die mit der Entgegennahme von Orders und deren Ausführung befasst sind, also den Tradern. Die Verdachtsprüfung und Entscheidung über die Anzeigeerstattung wird, wenn eine Compliance-Stelle eingerichtet ist (s. erneut § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG und § 33 Rz. 18 ff.), sinnvoller1 A.A. Schwintek, WM 2005, 861 (863): „ohne Hinzuziehung anderer unternehmensinterner Informationen“. 2 S. zu dieser Vorgehensweise im Geldwäscherecht Fülbier, in: Fülbier/Aepfelbach/Langweg, 5. Aufl. 2006, § 11 GwG Rz. 59.
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weise dieser überantwortet1. Denn angesichts der bei einer solchen Stelle vorhandenen Ressourcen und der bei ihr gebündelten Kompetenz ist es ihr regelmäßig am besten möglich, Verdachtsfälle zu prüfen, unternehmensinterne Informationen zusammenzuführen, besonders raffinierte Marktmissbräuche zu durchschauen oder aber auch einen Verdacht zu entkräften und so zu einer verhältnismäßigen Handhabung der Anzeigepflicht und einer Entlastung der Bundesanstalt beizutragen. Den Unternehmensverantwortlichen obliegt (auch mit Blick auf §§ 30, 130 OWiG) eine Aufsichts- und Überwachungs- und allgemeiner die Pflicht, die notwendigen organisatorischen Vorkehrungen zu treffen. Dazu können Arbeits- und Organisationsrichtlinien, die Erarbeitung von Verdachtsrastern oder von Formularen für hausinterne Verdachtsmitteilungen und nicht zuletzt die Schulung von Mitarbeitern gehören, die mit der Anzeigepflicht vertraut gemacht werden sollten. b) Ausführungsverbot? 45
Die Frage, ob ein marktmissbrauchsverdächtiges Geschäft ausgeführt werden darf oder muss, wird weder im europäischen noch im deutschen Recht ausdrücklich beantwortet. Das steht in bemerkenswertem Gegensatz zur Rechtslage bei der Geldwäsche, die ein grundsätzliches „Stillhaltegebot“ vorsieht, bis die Staatsanwaltschaft der Durchführung der Transaktion zugestimmt hat, und nur für Eilfälle die Durchführung erlaubt (s. Art. 24 Zweite Geldwäscherichtlinie, § 11 Abs. 1 Satz 2, 3 GwG), und führt zu erheblicher Rechtsunsicherheit. Denn bei Eingang einer marktmissbrauchsverdächtigen Order steht der mit der Ausführung Beauftragte vor einem Dilemma: Entweder lehnt er die Ausführung ab, was das Risiko einer zivilrechtlichen Verantwortlichkeit gegenüber dem Auftraggeber und ggf., wenn dieser wegen der Gründe der Nichtausführung nachfragt, das Risiko eines Verstoßes gegen die bußgeldbewehrte Verschwiegenheitspflicht des § 10 Abs. 1 Satz 2 WpHG mit sich bringt. Oder aber er führt den Auftrag aus und läuft so das Risiko einer Beteiligungsstrafbarkeit oder Ahndbarkeit und einer zivilrechtlichen Verantwortlichkeit gegenüber infolge des Marktmissbrauchs geschädigten Dritten2. Das Dilemma ist wie folgt aufzulösen:
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Kapitalmarktrechtlich besteht kein Verbot, marktmissbrauchsverdächtige Geschäfte auszuführen3. Im europäischen Rechtsetzungsverfahren ist ein solches Verbot durchaus erwogen, aber nicht statuiert worden, und die – bloße – Anzeigepflicht ist geradezu als Substitut und milderes Mittel zu einem Ausführungsverbot angesehen worden4. Vielmehr sollte die Anzeigepflicht gerade nicht mit Einschränkungen für die Abwicklung des Handels verbunden sein; damit sollte auch der Schnelligkeit und Anonymität des Handels Rechnung getragen werden. De lege lata bezieht sich die Anzeigepflicht im Grundsatz auf ausgeführte Geschäfte (s. oben Rz. 19); hieraus folgt, dass sie nicht mit einem grundsätzlichen Ausführungsverbot verbunden sein kann. Vor allem würde ein Ausführungsverbot einer ausdrücklichen gesetzlichen 1 So auch v. Hein, in: Schwark/Zimmer, § 10 WpHG Rz. 12; Schlette/Bouchon, in: Fuchs, § 10 WpHG Rz. 4; Schwintek, WM 2005, 861 (864). 2 S. hierzu Spindler, NJW 2004, 3449 (3450); Stellungnahme Nr. 26/04 des Handelsrechtsausschusses des DAV (abrufbar unter: http://www.anwaltverein.de/03/05/2004/26–04.pdf). 3 Ebenso v. Hein, in: Schwark/Zimmer, § 10 WpHG Rz. 23; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 10 Rz. 55; Schlette/Bouchon, in: Fuchs, § 10 WpHG Rz. 17; s. auch bereits Rz. 5. 4 Instruktiv Schwintek, WM 2005, 861 (866). – Art. 6 Nr. 5 des Kommissionsvorschlages der Marktmissbrauchsrichtlinie (KOM [2001] 281 endgültig v. 30.5.2001) hatte noch bestimmt, dass Finanzintermediäre marktmissbrauchsverdächtige „Geschäfte nicht durchführen dürfen und entsprechende Aufträge von Kunden ablehnen müssen“.
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Grundlage bedürfen, da es in die grundrechtlich geschützte Wirtschaftsfreiheit der Beteiligten (Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG) eingriffe1. Ein Ausführungsverbot kann sich freilich aus Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht 47 ergeben, soweit die Ausführung des marktmissbrauchsverdächtigen Geschäfts selbst als straf- bzw. ahndbare Beteiligung an einem Insiderverstoß oder einer Marktmanipulation anzusehen wäre. Hier stellt sich die schwierige Frage, ob im Ausgangspunkt professionsadäquates Verhalten straf- oder bußgeldrechtlich relevant sein kann2. Im Ergebnis unstreitig begründet es eine Beteiligungsstrafbarkeit bzw. Ahndbarkeit, wenn der Beteiligte (Täter oder Teilnehmer) sicher weiß, dass er sich an einer strafbzw. ahndbaren Handlung beteiligt3. Steht also sicher fest, dass das Geschäft ein straf- oder ahndbarer Verstoß gegen §§ 14, 20a, 30h oder 30j WpHG beinhaltet, so darf die diesbezügliche Order nicht ausgeführt werden. Problematisch ist demgegenüber, ob und wann bedingter Vorsatz oder gar nur Fahrlässigkeit bzw. Leichtfertigkeit des an sich professionsadäquat Handelnden zu dessen Beteiligungsstrafbarkeit bzw. Ahndbarkeit führen können. In der Rechtsprechung ist die Linie entwickelt worden, dass die erkannte bzw. erkennbare Möglichkeit, sich durch ein an sich professionsadäquates Verhalten an einer straf- bzw. ahndbaren Handlung zu beteiligen, für sich keine straf- bzw. bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit auslöst, es sei denn, das erkannte Risiko sei derart hoch, dass sich der Beteiligte mit seinem Tatbeitrag die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein lasse4. Dabei darf allerdings die kapitalmarktrechtliche Wertung, dass auf ein Ausführungsverbot verzichtet worden und die Anzeigepflicht im Grundsatz nur in Bezug auf ausgeführte Geschäfte – nicht: abgelehnte – Geschäfte bezogen ist, nicht außer Betracht bleiben. Hiernach muss es in der Tat als entscheidendes Indiz gegen das „Angelegensein“ einer Förderung gewertet werden, wenn die verdächtige Order im normalen Geschäftsverlauf unter Beachtung der Anforderungen des WpHG und insbesondere verbunden mit einer unverzüglichen Verdachtsanzeige ausgeführt wird5. Davon zu trennen sind die Fragen, ob die Ausführung zumindest dringend marktmissbrauchsverdächtiger Orders einer guten Geschäftspolitik entspricht und ob sie die Zuverlässigkeit des Unternehmens beeinträchtigt. Jedenfalls im Geldwäscherecht wird die erste Frage verneint und die zweite bejaht6.
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c) Nachgelagerte Pflichten Abgesehen von der Pflicht, nicht verfügbare Daten nachzureichen, wenn sie bei Erstattung der Anzeige noch nicht verfügbar waren und nachträglich bekannt werden (Art. 9 Abs. 2 Durchführungsrichtlinie, § 2 Abs. 2 Satz 2 WpAIV), statuiert das europäische und deutsche Recht keine der Anzeigeerstattung bzw. Geschäftsausführung nachgelagerten Pflichten. Insbesondere begründet § 10 Abs. 1 Satz 1 WpHG keine Pflicht, einem erst nach Ausführung des Geschäfts zu Tage tretenden Missbrauchsverdacht nachzugehen, jedenfalls wenn das Geschäft das Marktgeschehen nicht mehr beeinflusst (s. oben Rz. 24). Davon unberührt bleiben die anderweitigen Mitwirkungspflichten des Unternehmens, Instituts oder Betreibers, wenn nachträg1 Zur verfassungsrechtlichen Problematik des geldwäscherechtlichen „Stillhaltegebots“ s. Fülbier, in: Fülbier/Aepfelbach/Langweg, 5. Aufl. 2006, § 11 GwG Rz. 153 ff. 2 S. hierzu Heine, in: Schönke/Schröder, 28. Aufl. 2010, § 27 StGB Rz. 10a ff. m.N. 3 BGHSt 46, 107; s. zuvor BGH v. 20.9.1999 – 5 StR 729/98, NStZ 2000, 34. 4 BGHSt 46, 107; s. zuvor BGH v. 20.9.1999 – 5 StR 729/98, NStZ 2000, 34. 5 Zutr. Schwintek, WM 2005, 861 (867). 6 Fülbier, in: Fülbier/Aepfelbach/Langweg, 5. Aufl. 2006, § 11 GwG Rz. 184.
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lich ein Überwachungs-, Bußgeld- oder Strafverfahren eingeleitet wird. Auch begründet ein anfänglicher Marktmissbrauchsverdacht Pflichten, die auch noch nach Geschäftsausführung zu erfüllen sind (s. oben Rz. 24). Weiterhin folgt aus dem Gedanken der Verantwortlichkeit für Vorverhalten (Ingerenz), dass, werden dem Unternehmen, Institut oder Betreiber nachträglich Tatsachen bekannt, die den Marktmissbrauchsverdacht entkräften, diese der Bundesanstalt unverzüglich mitgeteilt werden müssen. Schließlich muss jedenfalls bei dringendem Marktmissbrauchsverdacht erwogen werden, ob die Geschäftsbeziehung beendet wird.
III. Verschwiegenheitspflicht (§ 10 Abs. 1 Satz 2 WpHG) 50
§ 10 Abs. 1 Satz 2 WpHG, der Ähnlichkeiten mit § 11 Abs. 5 GwG a.F., s. aber nunmehr § 12 GwG, aufweist, setzt Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Durchführungsrichtlinie um und verpflichtet die Adressaten, andere Personen als staatliche Stellen oder solche, die auf Grund ihres Berufs einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen, von der Anzeige oder von einer daraufhin eingeleiteten Untersuchung nicht in Kenntnis zu setzen. Diese Verschwiegenheitspflicht flankiert die Anzeigepflicht und bezweckt, eine auf die Anzeige eingeleitete Untersuchung nicht dadurch zu vereiteln oder zu gefährden, dass der Betroffene Kenntnis hiervon erhält und flieht oder Verdunkelungshandlungen vornimmt1. Zudem muss bedacht werden, dass die Kenntnisgabe einer Anzeige an Dritte oder gar die Öffentlichkeit das Persönlichkeitsrecht bzw. das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des von der Anzeige Betroffenen beeinträchtigt; insoweit dient die Verschwiegenheitspflicht der Wahrung dieser Belange unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit. 1. Adressaten
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Adressaten des § 10 Abs. 1 Satz 2 WpHG sind nur Anzeigeerstatter, nämlich diejenigen Wertpapierunternehmen, Kreditinstitute und Betreiber von außerbörslichen Märkten, welche eine Anzeige nach § 10 Abs. 1 Satz 1 WpHG erstattet haben. Der Wortlaut würde es zwar decken, dass auch andere Unternehmen, Institute und Betreiber, die zwar keine Anzeige erstattet, aber wie auch immer von der Anzeige oder einer daraufhin eingeleiteten Untersuchung erfahren haben, in den Adressatenkreis einbezogen werden; jedoch ist Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Durchführungsrichtlinie insoweit eindeutig („Personen, die … eine Meldung … erstatten“). Zur Frage, ob sich die Verschwiegenheitspflicht auf nur beabsichtigte Anzeigen erstreckt, s. unten Rz. 54.
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Im Unterschied zu Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Durchführungsrichtlinie i.V.m. Art. 1 Nr. 6 Marktmissbrauchsrichtlinie fasst § 10 Abs. 1 Satz 2 WpHG den Adressatenkreis in einer Weise, dass regelmäßig nur juristische Personen zur Verschwiegenheit verpflichtet werden. Physisch kann die Verschwiegenheitspflicht aber nur durch natürliche Personen verletzt werden, und es fragt sich (ähnlich wie bei § 11 Abs. 5 GwG a.F.2), ob die Verschwiegenheitspflicht auf sie erstreckt werden kann bzw. ob der juristischen Person das Verhalten welcher natürlichen Personen zugerechnet werden kann. Straf- und bußgeldrechtlich richtet sich die „Pflichtenüberwälzung“ bzw. Zurechnung nach § 14 StGB, § 9 OWiG. Kapitalmarktrechtlich herrscht keine Klarheit: Beschränkt sich die Verschwiegenheitspflicht bzw. die Zurechenbarkeit von Verstö1 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 33; v. Hein, in: Schwark/Zimmer, § 10 WpHG Rz. 28; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 10 Rz. 56; Schlette/Bouchon, in: Fuchs, § 10 WpHG Rz. 10. 2 S. hierzu Fülbier, in: Fülbier/Aepfelbach/Langweg, 5. Aufl. 2006, § 11 GwG Rz. 214 f.
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ßen auf denjenigen Mitarbeiter, der die Anzeige erstattet hat, oder erstreckt sie sich auf Mitarbeiter, die hiervon – sei es zufällig, sei es, weil sie nach der innerbetrieblichen Organisation mit der Anzeige befasst waren – erfahren haben? Ist dem Unternehmen auch privates (Exzess-)Verhalten eines Mitarbeiters zurechenbar (z.B. rufe ein Mitarbeiter am Feierabend einen Freund an, nachdem er während der Arbeitszeit erfahren habe, dass das Unternehmen wegen eines verdächtigen Geschäfts des Freundes gegen diesen Anzeige erstattet habe)? Sinnvoll erscheint eine möglichst weite Interpretation, so dass im Ergebnis alle Mitarbeiter eines Adressaten in die Verschwiegenheitspflicht einzubeziehen sein dürften. 2. Inhalt und Reichweite Den Adressaten ist es grundsätzlich verboten, Personen in Kenntnis von der Anzeige 53 und einer daraufhin eingeleiteten Untersuchung zu setzen. Wer bereits sichere Kenntnis hat, kann nicht mehr in Kenntnis gesetzt werden1. Wohl aber kann jemandem, der nur Vermutungen hegt, noch (sichere) Kenntnis verschafft werden. Unerheblich ist, wie die Kenntnis verschafft wird; gegen die Verschwiegenheitspflicht kann ausdrücklich durch positives Tun oder durch Unterlassen (vgl. § 8 OWiG) verstoßen werden2, und neben ausdrücklichen Erklärungen oder Hinweisen genügt schlüssiges Erklärungsverhalten ebenso wie nach den Umständen „beredtes Schweigen“. In der Literatur wird die Frage thematisiert, inwieweit Rückfragen an den Auftraggeber zur Natur des Geschäfts bei diesem Argwohn hervorrufen und so gegen die Verschwiegenheitspflicht verstoßen können3. Unbedenklich wären solche Rückfragen nur, wenn angenommen würde, die Verschwiegenheitspflicht erstrecke sich von vorn herein nicht auf die bloße Absicht, eine Anzeige zu erstatten (s. unten Rz. 54). Im Übrigen ist zu bedenken, dass § 10 Abs. 1 Satz 1 WpHG keine Ermittlungspflicht der Adressaten begründet, die über verfügbare Tatsachen bzw. Daten hinausgeht (s. oben Rz. 31). Deshalb sprechen die besseren Argumente dafür, dass Rückfragen, die mit dem konkreten Risiko behaftet sind, dem Auftraggeber Kenntnis von einer möglichen Anzeige(absicht) zu verschaffen, unterbleiben dürfen und müssen4. Auf die Frage des Auftraggebers, ob gegen ihn Anzeige erstattet ist, darf und muss der Adressat lügen, wenn sich eine Kenntnisverschaffung anders nicht vermeiden lässt5. Eine solche Lüge stellt keine Vertragsverletzung dar, weil sie durch die gesetzliche Pflicht aus § 10 Abs. 1 Satz 2 WpHG gerechtfertigt ist. Nur eine solche Interpretation wird dem – vom deutschen Gesetzgeber nicht ausdrücklich umgesetzten – Haftungsprivileg des Art. 11 Abs. 1 Satz 2 Durchführungsrichtlinie gerecht (s. unten Rz. 76 f.). Die Verschwiegenheitspflicht erstreckt sich auf erstattete Anzeigen i.S. von § 10 Abs. 1 Satz 1 WpHG, also auf Anzeigen marktmissbrauchsverdächtiger Geschäfte an die Bundesanstalt. Anderweitige Anzeigen, z.B. Strafanzeigen, unterfallen nicht der 1 Zutreffend Schwintek, WM 2005, 861 (865). 2 Insoweit kann eine Parallele zum Offenbaren in § 203 StGB gezogen werden (vgl. Fischer, 58. Aufl. 2011, § 203 StGB Rz. 30 ff.). 3 S. Schwintek, WM 2005, 861 (865); zur parallelen geldwäscherechtlichen Problematik Fülbier, in: Fülbier/Aepfelbach/Langweg, 5. Aufl. 2006, § 11 GwG Rz. 216, der Rückfragen für zulässig erachtet, was Schwintek, WM 2005, 861 (865) ohne Weiteres auf § 10 Abs. 1 Satz 2 WpHG übertragen will. 4 Zust. Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 10 Rz. 58. 5 So für das geldwäscherechtliche Hinweisverbot Fülbier, in: Fülbier/Aepfelbach/Langweg, 5. Aufl. 2006, § 11 GwG Rz. 217 („zum Lügen gezwungen“); zust. v. Hein, in: Schwark/ Zimmer, § 10 WpHG Rz. 30; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 10 Rz. 59; Schlette/Bouchon, in: Fuchs, § 10 WpHG Rz. 11.
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kapitalmarktrechtlichen Verschwiegenheitspflicht. Dem Sinn und Zweck der Anzeigepflicht nach erscheint es dringend geboten, die Verschwiegenheitspflicht auch auf die Absicht zu erstrecken, eine Anzeige zu erstatten1. Das schließt eine „Vorabinformation“ des Kunden über eine bevorstehende Anzeigeerstattung aus, auch wenn sie in der wohlmeinenden Absicht erfolgt, den Kunden von einem rechtswidrigen Vorhaben abzubringen (vgl. § 12 Abs. 2 GwG)2. Allerdings bestimmt Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Durchführungsrichtlinie, dass die Verschwiegenheitspflicht nur durch eine „erfolgte Meldung“ ausgelöst wird; ob man sich angesichts der gebotenen europarechtskonformen Auslegung über diesen klaren Wortlaut hinwegsetzen kann, erscheint fragwürdig; jedenfalls muss es zulässig sein, den Kunden auf die Gebote und Verbote nach §§ 14, 20a, 30h und 30j WpHG hinzuweisen und von ihm eine (Unbedenklichkeits-) Erklärung betreffend die in Rede stehende Order zu verlangen. Schließlich betrifft die Verschwiegenheitspflicht – insoweit über die europarechtlichen Vorgaben hinausgehend – eine aufgrund der Anzeige eingeleitete Untersuchung. Der bewusst untechnische Wortlaut umfasst nicht bloß Überwachungsverfahren der Bundesanstalt, sondern auch daran anschließende Straf- bzw. Bußgeldverfahren. 55
Die Verschwiegenheitspflicht besteht dem Wortlaut nach gegenüber jedermann mit Ausnahme staatlicher Stellen und selbst zur Verschwiegenheit verpflichteter Personen (hierzu sogleich Rz. 56 ff.). Im Vordergrund steht die Verschwiegenheit gegenüber dem von der Anzeige Betroffenen und Personen seines Umfeldes (s. Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Durchführungsrichtlinie: „Personen, in deren Auftrag die Transaktionen ausgeführt wurden, oder Personen, die mit letzteren in Beziehung stehen“). Bereits rechtslogisch kann der Anzeigeerstatter keiner Verschwiegenheitspflicht gegenüber sich selbst unterliegen (vgl. auch Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Durchführungsrichtlinie: „niemand anderen“). Gleichwohl verbleiben hier – ähnlich wie beim geldwäscherechtlichen Hinweisverbot – praktisch durchaus drängende Fragen: Ist der innerhalb eines Unternehmens, Instituts oder Betreibers die Anzeige erstattende Mitarbeiter gegenüber (welchen?) anderen Mitarbeitern zur Verschwiegenheit verpflichtet, besteht also eine gleichsam „interne“ Verschwiegenheitspflicht? Und erstreckt sich die Verschwiegenheitspflicht auf alle „externen“ Stellen, auch dann, wenn sie funktional in die Anzeigeerstattung eingebunden, aber organisatorisch ausgegliedert („outgesourct“) sind, z.B. wenn ein anderes Unternehmen mit der Compliance, ITVerarbeitung oder dem Controlling beauftragt ist? Der Zweck der Verschwiegenheitspflicht dürfte es gebieten, den Kreis derer, die innerhalb eines Unternehmens, Instituts oder Betreibers Kenntnis von einer Anzeige bzw. Untersuchung erlangen dürfen, auf das für die Anzeigebearbeitung zwingend Erforderliche zu beschränken. Mitarbeiter außerhalb dieses Kreises dürfen nur dann in Kenntnis gesetzt werden, wenn dies im Einzelfall zwingend erforderlich ist, und es muss sichergestellt werden, dass diese Mitarbeiter ihrerseits die Verschwiegenheit wahren3. Auf keinen Fall darf ein Mitarbeiter, der selbst ein marktmissbrauchsverdächtiges Geschäft vorgenommen und von dem Unternehmen angezeigt worden ist (s. hierzu oben Rz. 17), unterrichtet werden. In diesen Grenzen dürfen freilich auch „externe“ Stellen in Kenntnis gesetzt werden, vorausgesetzt, die Auslagerung entspricht den Anforderungen des
1 Im Geldwäscherecht h.A., s. nur Fülbier, in: Fülbier/Aepfelbach/Langweg, 5. Aufl. 2006, § 11 GwG Rz. 216. 2 Hierzu v. Hein, in: Schwark/Zimmer, § 10 WpHG Rz. 31. 3 A.A. Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 10 Rz. 61, wonach die unternehmensinterne Weitergabe stets zulässig sei; vgl. auch v. Hein, in: Schwark/Zimmer, § 10 WpHG Rz. 29; Schlette/Bouchon, in: Fuchs, § 10 WpHG Rz. 13.
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§ 33 Abs. 2 WpHG (s. § 33 Rz. 86 ff.)1. Insbesondere muss sich das Unternehmen vertraglich zusichern lassen, dass eine Verschwiegenheitsweisung in Bezug auf eine Anzeige oder Untersuchung erteilt werden darf, und es muss eine solche Weisung geben, wenn die „externe“ Stelle von einer Anzeige bzw. Untersuchung in Kenntnis gesetzt wird. 3. Ausnahmen Die Verschwiegenheitspflicht des § 10 Abs. 1 Satz 2 WpHG besteht – ähnlich wie bei § 11 Abs. 5 GwG – ausnahmsweise nicht gegenüber staatlichen Stellen und Personen, die auf Grund ihres Berufs einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen („Berufsgeheimnisträger“). Aus dem Recht, solche Stellen und Personen von einer Anzeige oder Untersuchung in Kenntnis zu setzen, folgt aber keine Pflicht und erst recht keine Anzeigepflicht. Anderweitige Verschwiegenheitspflichten („Bankgeheimnis“ usw.) bleiben unberührt. Ob § 10 Abs. 1 Satz 2 WpHG insoweit europarechtskonform ist, unterliegt Zweifeln. Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Durchführungsrichtlinie gestattet eine Ausnahme nur, wenn die Unterrichtung „aufgrund gesetzlicher Bestimmung“ geschieht. Dabei dürfte in erster Linie an gesetzliche Anzeige- und Mitteilungspflichten außerhalb des Kapitalmarktrechts gedacht worden sein. Allerdings könnte argumentiert werden, § 10 Abs. 1 Satz 2 WpHG selbst sei die „gesetzliche Bestimmung“, auf Grund derer die Unterrichtung erlaubt sei.
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Nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 2 WpHG dürfen Anzeigen bzw. Unter- 57 suchungen allen staatlichen Stellen zur Kenntnis gebracht werden. Das lässt sich damit begründen, dass bei staatlichen Stellen gleich welcher Art keine Gefahr besteht, dass sie Überwachungs-, Bußgeld- oder Strafverfahren vereiteln oder gefährden, und dass Amtsträger selbst geheimhaltungspflichtig sind (s. § 353b, auch § 203 Abs. 2 StGB). Jedenfalls in der Praxis dürfte die Ausnahme nur im Verhältnis zu solchen staatlichen Stellen bedeutsam sein, die ein legitimes Interesse an der Kenntnisnahme haben wie z.B. Strafverfolgungs- oder Aufsichtsbehörden; daneben ist an die Kenntnisgabe an Behörden und Gerichte zu denken, wenn und soweit die Anzeige in einem behördlichen oder gerichtlichen Verfahren (z.B. einer Schadensersatzklage des von der Anzeige Betroffenen) von Bedeutung ist2. Es ist diskutabel, die Ausnahme hierauf teleologisch zu reduzieren, da andernfalls das Recht des von der Anzeige bzw. Untersuchung Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung unverhältnismäßig beschränkt wird. Bei ausländischen staatlichen Stellen ist zu unterscheiden3: Gemäß §§ 7, 10 Abs. 2 WpHG ist es Sache der Bundesanstalt, die zuständigen Aufsichtsbehörden im Ausland zu unterrichten; ihnen gegenüber dürfen (und müssen) sich Anzeigeerstatter auf die Verschwiegenheitspflicht berufen und dürfen (und müssen) sie an die Bundesanstalt verweisen. Ein vergleichbarer Vorrang des Kommunikationswegs über die Bundesanstalt besteht aber nicht, wenn der Anzeigeerstatter im Wege der internationalen Rechtshilfe in Zivil- oder Strafsachen als Auskunftsperson in Anspruch genommen wird; in diesen Fällen richtet sich die Auskunftspflicht nach Rechtshilferecht. Zu weit gefasst und so nicht mehr europarechtskonform ist der Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 2 WpHG, soweit er Berufsgeheimnisträger betrifft. Selbstverständlich würde es die Verschwiegenheitspflicht verletzen, wenn ein Unternehmen den Haus1 Schwintek, WM 2005, 861 (865 f.); ebenso Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 10 Rz. 61. 2 S. zu dieser Konstellation in geldwäscherechtlicher Sicht Fülbier, in: Fülbier/Aepfelbach/ Langweg, 5. Aufl. 2006, § 11 GwG Rz. 220 f. 3 v. Hein, in: Schwark/Zimmer, § 10 WpHG Rz. 32.
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anwalt oder Steuerberater des angezeigten Kunden von der Anzeige in Kenntnis setzen würde. Gemeint sein können nur Fälle, in denen der Berufsgeheimnisträger auch und gerade gegenüber dem von der Anzeige Betroffenen geheimhaltungspflichtig ist. Weiterhin ist die Ausnahme unter dem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in das Recht des von der Anzeige Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung auf die – vom Gesetzgeber auch gemeinten und praktisch relevanten – Fälle zu reduzieren, dass das Unternehmen, Institut oder der Betreiber in Bezug auf die Anzeige sich des Beistandes durch Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer (vgl. § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB) bedient. In derartigen Fällen darf der Berufsgeheimnisträger von seiner Schweigepflicht nicht entbunden werden. 59
Ähnlich wie bei § 11 Abs. 5 GwG stellt sich schließlich noch die Frage nach ungeschriebenen Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht. Im Geldwäscherecht wird vertreten, sie dürfe insbesondere zur Klärung von Verdachtsfällen und zur Warnung vor Geldwäschern durchbrochen werden und ende, wenn die Ermittlungsbehörden mitteilten, dass keine Ermittlungen aufgenommen oder Ermittlungsverfahren eingestellt worden seien1. Jedenfalls bei § 10 Abs. 1 Satz 2 WpHG wäre es problematisch, solche ungeschriebenen Ausnahmen zuzulassen. Da sich die Anzeigepflicht auf verfügbare Tatsachen bzw. Daten beschränkt, ist eine Klärung von Verdachtsfällen mit Dritten nicht erforderlich und geboten. Vor marktmissbräuchlich handelnden Personen zu warnen, ist Überwachungsaufgabe der Bundesanstalt, die durch die Anzeige hierzu in den Stand gesetzt wird. Dritte oder gar die Öffentlichkeit von einer erfolgten Anzeige, deren Unbegründetheit sich im Überwachungsverfahren herausgestellt hat, in Kenntnis zu setzen, stößt auf erhebliche Bedenken.
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Auf der Hand liegt allerdings, dass sich unredliche Anzeigeerstatter, d.h. solche, die vorsätzlich oder grob fahrlässig unwahre Anzeigen erstatten, sich nicht auf die Verschwiegenheitspflicht berufen dürfen. Auch erscheint es hoch problematisch, die Verschwiegenheitspflicht im Verhältnis zu dem Anzeigebetroffenen fortdauern zu lassen, wenn sich der der Anzeige zugrunde liegende Marktmissbrauchsverdacht nachträglich als unbegründet erweist.
IV. Umgang der Bundesanstalt mit erstatteten Anzeigen (§ 10 Abs. 2 WpHG) 1. Allgemeines 61
§ 10 Abs. 2 WpHG regelt den Umgang der Bundesanstalt mit erstatteten Anzeigen nicht umfassend, sondern enthält lediglich besondere Bestimmungen, mit denen die diesbezüglichen europarechtlichen Vorgaben umgesetzt werden sollen. Im Übrigen richtet sich das Vorgehen der Bundesanstalt nach den allgemeinen Vorschriften. Eine pflichtgemäß und sorgfältig erstattete Anzeige wird regelmäßig Anlass geben, ein Überwachungsverfahren nach § 4 Abs. 2 WpHG (s. § 4 Rz. 28 ff.) gegen die von der Anzeige Betroffenen durchzuführen, in dessen Rahmen es ggf. erforderlich werden kann, bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Strafanzeige gemäß § 4 Abs. 5 WpHG zu erstatten (s. § 4 Rz. 53). Eine leichtfertig oder gar vorsätzlich unwahr erstattete Anzeige kann demgegenüber Anlass geben, aufsichtsrechtliche Schritte gegen den Anzeigeerstatter einzuleiten.
1 Fülbier, in: Fülbier/Aepfelbach/Langweg, 5. Aufl. 2006, § 11 GwG Rz. 220 f.
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2. Weiterleitungspflicht Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 WpHG, mit dem die europarechtliche Vorgabe des Art. 7 Abs. 2 Durchführungsrichtlinie umgesetzt wird, ist die Bundesanstalt des Weiteren verpflichtet, die Anzeige unverzüglich an die zuständigen Aufsichtsbehörden derjenigen organisierten Märkte innerhalb der EU oder des EWiR-Raumes weiterzuleiten, an denen die „anzeigegegenständlichen“ Finanzinstrumente gehandelt werden. Diese Weiterleitungspflicht trägt der engen Verflechtung der Kapitalmärkte in Europa Rechnung und soll den zuständigen ausländischen Aufsichtsbehörden ermöglichen, ihrerseits so schnell wie möglich auf den Marktmissbrauch reagieren zu können1. Die Weiterleitungspflicht ist unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, zu erfüllen. Kein schuldhaftes Zögern begründen die im Gegenteil rechtlich gebotene Überprüfung der Anzeige auf ihre Stichhaltigkeit und die Ermittlung derjenigen organisierten Märkte, auf denen die anzeigegegenständlichen Finanzinstrumente gehandelt werden.
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Sinn und Zweck des § 10 Abs. 2 Satz 1 WpHG ist es nicht, die Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen im Ausland einzuschränken. Deshalb bleiben die allgemeinen Bestimmungen des § 7 WpHG unberührt.
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3. Verwendungsbeschränkung Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 WpHG darf die Bundesanstalt den Inhalt einer Anzeige nur zur Erfüllung ihrer Aufgaben verwenden. Diese Verwendungsbeschränkung ist datenschutzrechtlich und, um die Verhältnismäßigkeit der Anzeigepflicht zu gewährleisten, geboten (s. auch Art. 11 Abs. 2 Satz 2 Durchführungsrichtlinie). In der Sache ist die Verwendungsbeschränkung im Lichte des § 4 WpHG (s. dort) zu konkretisieren. Insbesondere darf der Anzeigeinhalt dazu verwendet werden, Missständen entgegenzuwirken und diesbezügliche Anordnungen zu treffen (§ 4 Abs. 1 Satz 2, 3 WpHG) und Überwachungsverfahren durchzuführen (§ 4 Abs. 2 WpHG).
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Zu den Aufgaben der Bundesanstalt gehört es auch, Bußgeldverfahren bei gemäß § 39 65 WpHG ahndbaren Verstößen durchzuführen, und auch in solchen Verfahren darf der Anzeigeinhalt verwendet werden. Ein Gegenschluss aus § 10 Abs. 2 Satz 3 WpHG verbietet sich insoweit, da die Strafverfolgung als solche keine Aufgabe der Bundesanstalt ist. Da § 4 Abs. 5 Satz 1 WpHG die Bundesanstalt verpflichtet, Tatsachen, die den Ver- 66 dacht einer Straftat nach § 38 WpHG begründen, der zuständigen Staatsanwaltschaft unverzüglich anzuzeigen, ist es nur folgerichtig, dass § 10 Abs. 2 Satz 3 WpHG zulässt, den Anzeigeinhalt auch zum Zweck der Verfolgung von Straftaten nach § 38 WpHG zu verwenden. Da die Staatsanwaltschaft nach dem Legalitätsprinzip gehalten ist, einen ihr angezeigten Sachverhalt unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zu würdigen, ist es weiterhin folgerichtig, dass nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WpHG auch die Verwendung zum Zweck der Verfolgung anderweitiger Straftaten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren bedroht sind, zulässt. Hierzu zählen z.B. Betrug (§ 263 StGB) und Kapitalanlagebetrug (§ 264a StGB)2, nicht aber z.B. gemäß § 16 UWG strafbare Werbung. In Bezug auf Strafverfahren wegen anderer Straftaten begründet § 10 Abs. 2 Satz 3 WpHG ein Verwendungsverbot für den Anzeigein1 v. Hein, in: Schwark/Zimmer, § 10 WpHG Rz. 35; Schlette/Bouchon, in: Fuchs, § 10 WpHG Rz. 19; Schwintek, WM 2005, 861 (868). 2 Betrug mitzuerfassen, war ein Hauptziel des Gesetzgebers, s. BT-Drucks. 15/3174, S. 33.
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halt, das nach der allgemeinen Dogmatik der strafprozessualen Verwendungsverbote – im Unterschied zu Verwertungsverboten – im Grundsatz auch Fernwirkung in dem Sinne entfaltet, dass Beweise, die erst aufgrund der Anzeige erhoben worden sind (z.B. Zeugenaussagen zu dem Geschäft), unverwertbar sind1. Gegen die Erstreckung der Verwendbarkeit des Anzeigeinhalts auf andere Straftaten als solche nach § 38 WpHG ist vorgebracht worden, so würden die Adressaten „ausschließlich für aufsichtsfremde, repressive Zwecke instrumentalisiert“2, was angesichts des Ausnahmecharakters von Anzeigepflichten Privater rechtspolitisch problematisch sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Anzeigepflicht in erster Linie auf Verstöße gegen §§ 14, 20a, 30h, 30j WpHG zielt, die ggf. gemäß § 38 WpHG strafbar sein können, und die Ausweitung nur mitverwirklichte anderweitige Straftaten betrifft. Im Übrigen dürfte es eher die Ausnahme sein, dass eine Anzeige mit dem in § 2 WpAIV vorgeschriebenen Inhalt tragfähige Beweise für mitverwirklichte anderweitige Straftaten enthält. 4. Verschwiegenheit 67
Bereits aus § 8 WpHG (s. dort), darüber hinaus aus §§ 203 Abs. 2, 353b StGB ergibt sich, dass die Bundesanstalt grundsätzlich zur Verschwiegenheit über erstattete Anzeigen verpflichtet ist. Diese Verschwiegenheitspflicht besteht auch im Verhältnis zu anderen staatlichen Stellen, soweit nicht die Ausnahmetatbestände insbesondere des § 8 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 WpHG eingreifen.
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Darüber hinaus bestimmt § 10 Abs. 1 Satz 4 WpHG in Umsetzung des Art. 11 Abs. 2 Satz 1 Durchführungsrichtlinie, dass die Identität der anzeigenden Person anderen als staatlichen Stellen auf keinen Fall zugänglich gemacht werden darf. Grund hierfür ist, dass die anzeigende Person vor Schäden bewahrt (s. Art. 11 Abs. 2 Satz 1 Durchführungsrichtlinie: „wenn dies der meldenden Person schaden würde oder könnte“) und – mittelbar – die Anzeigebereitschaft gefördert werden soll. Problematisch ist, dass § 10 Abs. 1 Satz 4 WpHG seinem eindeutigen Wortlaut nach auch unredliche Anzeigeerstatter schützt, die ggf. die Grenzen der Haftungsfreistellung des § 10 Abs. 3 WpHG überschritten haben; insoweit muss über eine teleologische Reduktion oder eine verfassungskonforme einschränkende Auslegung nachgedacht werden3.
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Der Bruch der Verschwiegenheitspflicht durch Mitarbeiter der Bundesanstalt ist strafbewehrt (§§ 203 Abs. 2 Nr. 1, 353b StGB) und kann Amtshaftungsansprüche des von der Anzeige bzw. Untersuchung Betroffenen begründen (Art. 34 GG, § 839 BGB)4. 5. § 40b WpHG
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Der Gesetzgeber hat gemeint, in § 10 Abs. 2 Satz 5 WpHG klarstellen zu müssen, dass die Befugnis der Bundesanstalt, gemäß § 40b WpHG unanfechtbare Maßnahmen 1 In den Vorauflagen war § 10 Abs. 2 Satz 3 WpHG als Verwertungsverbot gedeutet worden, was nicht dem Wortlaut entspricht; vgl. auch BT-Drucks. 15/3174, S. 33, wo gleichfalls durchweg von „Verwendung“ die Rede ist. 2 Schwintek, WM 2005, 861 (868), der auch rügt, dass es sich um überschießende Richtlinienumsetzung handele; tendenziell wie hier v. Hein, in: Schwark/Zimmer, § 10 WpHG Rz. 37. 3 Insoweit wohl a.A. Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 10 Rz. 66. 4 S. hierzu v. Hein, in: Schwark/Zimmer, § 10 WpHG Rz. 38.
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wegen Verstößen gegen das WpHG auf ihrer Internetseite öffentlich bekannt zu machen, unberührt bleibt. Bei Licht besehen handelt es sich um eine bloß deklaratorische Bestimmung, da die öffentliche Bekanntmachung gemäß § 40b WpHG in Erfüllung der Aufgaben der Bundesanstalt erfolgt (s. § 10 Abs. 2 Satz 2 WpHG) und § 40b WpHG selbst eine gesetzliche Ausnahme zur allgemeinen Verschwiegenheitspflicht der Bundesanstalt enthält (s. § 40b Rz. 1). Auf der anderen Seite ist gegenüber § 10 Abs. 2 Satz 5 WpHG klarzustellen, dass § 40b WpHG nicht ohne weiteres von der Verschwiegenheitspflicht des § 10 Abs. 2 Satz 4 WpHG dispensiert, so dass die Identität des Anzeigeerstatters nicht ohne weiteres bekannt gemacht werden darf (s. § 40b Rz. 81).
V. Beschränkte Verantwortlichkeit des Anzeigeerstatters (§ 10 Abs. 3 WpHG) 1. Beschränkte Verantwortlichkeit für erstattete Anzeigen Gemäß § 11 Abs. 3 Durchführungsrichtlinie darf eine „in gutem Glauben erfolgende 71 Meldung“ nicht als Verletzung einer vertraglich oder durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften geregelten Geheimhaltungspflicht angesehen werden und keine diesbezügliche Haftung des Anzeigeerstatters zur Folge haben. Dies setzt das WpHG in § 10 Abs. 3 WpHG in der Weise um, dass der Anzeigeerstatter wegen der Anzeige nicht verantwortlich gemacht werden kann, es sei denn, sie sei vorsätzlich oder grob fahrlässig unwahr erstattet worden. Diese Beschränkung der Verantwortlichkeit für erstattete Anzeigen bezweckt einerseits, die Anzeigebereitschaft zu erhöhen2, und stellt andererseits die Verhältnismäßigkeit der Inpflichtnahme der Unternehmen, Institute und Betreiber sicher. Soweit dem Anzeigebetroffenen zivilrechtliche Schadensersatzansprüche abgeschnitten werden, dürfte es sich um eine (noch) verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung i.S. von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG handeln. Allerdings lässt sich zumindest rechtspolitisch erwägen, ob in derartigen Fällen eine staatliche Entschädigung des Anzeigebetroffenen vorgesehen werden sollte3. Eine ähnliche Regelung findet sich im Geldwäscherecht (Art. 26 Zweite Geldwäscherichtlinie, § 13 GwG). Dem Wortlaut des § 10 Abs. 3 WpHG nach kommt die Beschränkung der Verant- 72 wortlichkeit demjenigen zugute, welcher „Anzeige nach Absatz 1 erstattet“; auch Art. 11 Abs. 3 Durchführungsrichtlinie betrifft nur „nach den Bestimmungen der Artikel 7 bis 10 … erfolgende Meldungen“ (Herv. jeweils v. Verf.). Anders als im Geldwäscherecht4 erstreckt sich die Privilegierung also nicht auf jeden Anzeigeerstatter, sondern nur auf den Adressatenkreis des § 10 Abs. 1 WpHG, also die dort genannten Unternehmen, Institute und Betreiber. Da es sich i.d.R. um juristische Personen handelt, stellt sich die Frage, ob die Verantwortungsbeschränkung auch deren Mitarbeitern zugute kommt. Nach Sinn und Zweck der Verantwortungsbeschränkung, die auch die straf- und bußgeldrechtliche Verantwortung betrifft (s. sogleich Rz. 75), ist die Frage zumindest für solche Mitarbeiter zu bejahen, die nach der innerbetrieblichen Organisation für die Anzeigeerstattung zuständig sind. 1 Ebenso Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 10 Rz. 68. 2 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 33. 3 Zur diesbezüglichen Diskussion bei § 12 GwG a.F., jetzt § 13 GwG, s. nur Fülbier, in: Fülbier/Aepfelbach/Langweg, 5. Aufl. 2006, § 12 GwG Rz. 9 m.w.N. und rechtsvergleichenden Hinweisen. 4 S. hierzu Fülbier, in: Fülbier/Aepfelbach/Langweg, 5. Aufl. 2006, § 12 GwG Rz. 1 ff.
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Wie sich aus einem Umkehrschluss aus § 10 Abs. 3 letzter Halbsatz WpHG ergibt, dürfen wahr erstattete Anzeigen keine Verantwortlichkeit auslösen. Entscheidend ist, dass der Anzeigeinhalt und insbesondere die nach § 10 Abs. 1 Satz 1 WpHG und § 2 Abs. 1 WpAIV mitzuteilenden Tatsachen und Daten objektiv wahr sind. Ist der Anzeigeerstatter lediglich subjektiv von deren Unwahrheit ausgegangen, so kommt eine Verantwortlichkeit nicht in Betracht (und in der Tat ist der Versuch einer Ordnungswidrigkeit nach § 39 Abs. 2 Nr. 2b WpHG nicht ahndbar, s. unten Rz. 82). Eine ihren Tatsachen und Daten nach objektiv wahre Anzeige führt auch dann nicht zu einer Verantwortlichkeit, wenn die Anzeige auf einer zweifelhaften oder gar unvertretbaren rechtlichen Würdigung beruht1. Denn eine rechtliche Würdigung kann nicht „wahr“ oder „unwahr“, sondern – allenfalls – „vertretbar“ oder „unvertretbar“ sein, und eine richtlinienkonforme erweiternde Auslegung (etwa des Inhalts, nicht „in gutem Glauben“ handele auch, wer Tatsachen und Daten unvertretbar rechtlich würdige) stößt auf die Wortlautgrenze2. Das gilt jedenfalls im straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Rahmen; eine „richtlinienkonforme Rechtsfortbildung“ kommt allenfalls für zivilrechtliche Zwecke in Betracht3.
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Objektiv unwahr erstattete Anzeigen lösen eine Verantwortung nur aus, wenn die Unwahrheit auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruht. Aus dem soeben Rz. 73 Ausgeführten folgt, dass sich Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit gerade auf die der Anzeige zugrunde liegenden Tatsachen bzw. Daten beziehen müssen. Vorsatz schließt bedingten Vorsatz (dolus eventualis) ein. Grobe Fahrlässigkeit setzt einen besonders schweren Sorgfaltsverstoß voraus; das Unternehmen, Institut oder der Betreiber müssten ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt und das nicht beachtet haben, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Für eine straf- bzw. bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit folgt bereits aus dem Grundsatz „in dubio pro reo“, dass das vorsätzliche oder grob fahrlässige Verhalten des Anzeigeerstatters zur Überzeugung der Bundesanstalt bzw. des Gerichts feststehen muss. Aus der in § 10 Abs. 3 WpHG verwendeten Formulierung „es sei denn“ ist aber auch zu folgern, dass eine zivilrechtliche Verantwortlichkeit nur ausgelöst wird, wenn der Kläger vollen Beweis für das vorsätzliche oder grob fahrlässige Verhalten des Anzeigeerstatters erbringt4.
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Rechtsfolge des § 10 Abs. 3 WpHG ist es, dass die Verantwortlichkeit bei nicht erweislichem Vorsatz bzw. nicht erweislicher grober Fahrlässigkeit umfassend ausgeschlossen ist. Nicht in Betracht kommt zunächst eine straf- oder bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit, die für bloß einfache Fahrlässigkeit denn auch weder im StGB noch im WpHG vorgesehen ist. Weiterhin kommen bei einfach fahrlässig unwahr erstatteten Anzeigen eine zivilrechtliche Verantwortlichkeit, insbesondere eine Haftung für etwaige Vermögensfolgeschäden, aber auch arbeitsrechtliche Nachteile für den anzeigenden Mitarbeiter, nicht in Betracht. Schließlich dürfte es nach Sinn und Zweck des § 10 Abs. 3 WpHG ausgeschlossen sein, an bloß einfach fahrlässig unwahr erstattete Anzeigen aufsichtsrechtliche Konsequenzen zu knüpfen5.
1 Zu § 12 GwG möglicherweise a.A. Fülbier, in: Fülbier/Aepfelbach/Langweg, 5. Aufl. 2006, § 12 GwG Rz. 16: Es müsse „den Tatsachen entsprechend angezeigt“ werden. 2 I.E. ebenso Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 10 Rz. 72. 3 Insoweit befürwortend v. Hein, in: Schwark/Zimmer, § 10 WpHG Rz. 40. 4 Zust. v. Hein, in: Schwark/Zimmer, § 10 WpHG Rz. 40. 5 Ebenso Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 10 Rz. 81.
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2. Verantwortlichkeit für die Wahrung der Verschwiegenheit Seinem Wortlaut nach regelt § 10 Abs. 3 WpHG die Frage der Verantwortlichkeit für 76 die gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 WpHG zu wahrende Verschwiegenheit nicht. Demgegenüber bestimmt Art. 11 Abs. 1 Satz 2 Durchführungsrichtlinie, dass die Erfüllung „dieser Verpflichtung“ – eindeutig gemeint ist die Verschwiegenheitspflicht nach Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Durchführungsrichtlinie1 – „keinerlei Haftung nach sich ziehen“ darf, sofern die Person, die die Verschwiegenheit wahrt, „in gutem Glauben handelt“. Warum dies nicht umgesetzt worden ist, ergibt sich aus den Materialien nicht. Möglicherweise hat der Gesetzgeber angenommen, die Frage in § 10 Abs. 3 WpHG mitgeregelt zu haben, oder er ist davon ausgegangen, es seien keine Fälle denkbar, in denen eine selbständige Verantwortlichkeit für gewahrte Verschwiegenheit in Betracht komme. Demgegenüber könnte die nach hier vertretener Auffassung (s. oben Rz. 53) gebotene Lüge des Verschwiegenheitspflichtigen gegenüber dem Auftraggeber bzw. Kunden durchaus selbständiger Ansatzpunkt einer Haftung sein; weiterhin ist es denkbar, dass nachträglich Tatsachen erkennbar werden, aus denen sich ergibt, dass die Anzeige zu Unrecht erstattet worden ist, was nach hier vertretener Auffassung (s. oben Rz. 49, 60) nicht nur eine Mitteilungspflicht gegenüber der Bundesanstalt auslösen kann, sondern auch die Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem Auftraggeber bzw. Kunden enden lässt. Im Ergebnis kann es nicht richtig sein, dass in derartigen Fällen eine selbständige 77 Verantwortlichkeit für einfach fahrlässiges Verhalten besteht; sie muss vielmehr auf nachweisbaren Vorsatz oder nachweisbare grobe Fahrlässigkeit beschränkt werden. Die Frage ist allein, wie das rechtstechnisch begründet werden kann. Gegen eine richtlinienkonforme Auslegung des § 10 Abs. 3 WpHG spricht, dass diese ihre Grenze im eindeutigen Wortlaut der nationalen Umsetzungsgesetzgebung findet2. Eher zu denken wäre an eine analoge Anwendung des § 10 Abs. 3 WpHG auch in Bezug auf die Wahrung der Verschwiegenheitspflicht, da vieles für eine nur planwidrige Lücke spricht und die Interessenlagen vergleichbar sind: Anzeige- und Verschwiegenheitspflicht stehen in einem funktionalen Zusammenhang (s. oben Rz. 50), so dass der in § 10 Abs. 3 WpHG vorgesehene Anreiz- und Schutzmechanismus gleichermaßen für die Anzeige- wie für die Verschwiegenheitspflicht anwendbar sein muss. Schließlich kommt eine unmittelbare Anwendung3 des Art. 11 Abs. 1 Satz 2 Durchführungsrichtlinie in Betracht, da die Umsetzungsfrist abgelaufen, die Vorschrift „self-executing“ und ausreichend bestimmt ist, zumal Handeln „in gutem Glauben“ auch nach deutschem Recht nur bei nachweisbarem Vorsatz oder nachweisbarer grober Fahrlässigkeit ausgeschlossen ist (vgl. § 932 Abs. 2 Satz 2 BGB) und eine unmittelbare Wirkung keine Verpflichtung eines Einzelnen gegenüber dem Staat oder einer anderen Privatperson begründet. Unproblematisch ist alles das freilich nur, soweit die straf-, bußgeld- oder aufsichtsrechtliche Verantwortlichkeit des die Verschwiegenheit Wahrenden in Rede steht. Demgegenüber wirkt sich Art. 11 Abs. 1 Satz 2 Durchführungsrichtlinie bei der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit („Haftung“) nicht nur zugunsten des die Verschwiegenheit Wahrenden, sondern auch zu Lasten 1 Das ergibt sich aus dem Wortlaut („dieser“), aus der Entstehungsgeschichte – ursprünglich war nur die Regelung vorgesehen: „Dies darf für die Person, die die Meldung erstattet hat, keinerlei Haftung nach sich ziehen“ (Dokument ESC 48/03 vom 22.12.2003 [abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/internal_market/securities/abuse/index_de.htm]) – und schließlich aus der im Vergleich zu Art. 11 Abs. 3 Durchführungsrichtlinie weitergehenden Rechtsfolge („keinerlei Haftung“). 2 Statt vieler Streintz-Schroeder, EUV/EGV, 2003, Art. 249 EGV Rz. 128 m.N. 3 Statt vieler Streintz-Schroeder, EUV/EGV, 2003, Art. 249 EGV Rz. 101 ff.
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des von der Anzeige Betroffenen aus, was nicht nur als unbeachtlicher und von diesem hinzunehmender „Schutzreflex“ gelten kann. Auch mit Blick auf Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dürfte es deshalb angezeigt sein, dass der deutsche Gesetzgeber ausdrücklich klarstellt, dass § 10 Abs. 3 WpHG sich auch auf die Wahrung der Verschwiegenheit bezieht.
VI. Straf- und bußgeldrechtliche Aspekte 1. Ordnungswidrigkeiten 78
Gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2b WpHG sind vorsätzliche oder leichtfertige Verstöße gegen die Anzeigepflicht des § 10 Abs. 1 Satz 1 WpHG, auch in Verbindung mit der WpAIV, mit Geldbuße bis zu 50 000 Euro bedroht (vgl. § 39 Abs. 4 WpHG). Im Einzelnen ahndbar ist es, die nach § 10 Abs. 1 Satz 1 WpHG i.V.m. §§ 2, 3 WpAIV gebotene(n) Mitteilung(en) – nicht zu machen. Insoweit handelt es sich um eine echte Unterlassungsordnungswidrigkeit, und die Voraussetzungen des § 8 OWiG müssen nicht vorliegen1; – nicht richtig zu machen. Hiervon ohne Zweifel erfasst ist die Konstellation, dass vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige i.S. von unwahre Tatsachen bzw. Daten mitgeteilt werden und sich dies zugunsten des Anzeigebetroffenen auswirkt. Fraglich ist demgegenüber, ob auch die Konstellation der „Falschanzeige“ gemeint ist, wenn der Anzeigeerstatter zuungunsten des Anzeigebetroffenen vorsätzlich oder leichtfertig unwahre Tatsachen bzw. Daten mitteilt. Aus der Ahndbarkeit auszuscheiden sind jedenfalls solche „Falschanzeigen“, in denen mangels begründeten Verdachts keine Anzeigepflicht nach § 10 Abs. 1 Satz 1 WpHG besteht; dann handelt der Anzeigeerstatter nicht „entgegen § 10 Abs. 1 Satz 1“, sondern verletzt ggf. andere (Straf-)Gesetze (s. unten Rz. 85). Besteht an sich eine Anzeigepflicht und übertreibt der Anzeigeerstatter, indem er vorsätzlich oder grob fahrlässig unwahre Tatsachen bzw. Daten zuungunsten des Anzeigebetroffenen mitteilt, deckt der Wortlaut eine Ahndbarkeit, die auch zum Schutze des Anzeigebetroffenen geboten ist; – nicht vollständig zu machen. Die Vollständigkeitspflicht bezieht sich zunächst auf die vom Anzeigepflichtigen festgestellten Tatsachen (s. oben Rz. 12). Weiterhin wird sie durch § 2 WpAIV konkretisiert, was nach dem eindeutigen Wortlaut des § 39 Abs. 2 Nr. 2b WpHG („auch in Verbindung mit einer Rechtsverordnung …“) auch bußgeldrechtlich maßgeblich ist. Die Vollständigkeitspflicht umfasst also alle in § 2 Abs. 1 WpAIV genannten „Daten“ (s. oben Rz. 30, 34) und beinhaltet eine gleichfalls bußgeldbewehrte Pflicht, ggf. nachträglich bekannt werdende Daten mitzuteilen (§ 2 Abs. 2 Satz 2 WpAIV, s. oben Rz. 32). Freilich ist in bußgeldrechtlicher Sicht zu bedenken, dass die Verweisung auf § 2 WpAIV (auch) an den Maßstäben der Art. 80, 103 Abs. 2 GG zu messen ist2 und nicht darauf hinauslaufen darf, dass es der Gesetzgeber letztlich dem Verordnungsgeber überlässt festzulegen, welches Verhalten bußgeldbewehrt sein soll; vielmehr muss der Gesetzgeber selbst die verbotenen Verhaltensweisen in einer für den Normadressaten hinreichend erkennbaren Weise umschreiben. Vor diesem Hintergrund muss die Verweisung auf § 2 WpAIV in ordnungswidrigkeitenrechtlicher Sicht „gesetzeskonform“ gehandhabt werden, was auch im Wortlaut des § 39 Abs. 2 Nr. 2b WpHG durchaus eine Stütze findet („auch in Verbindung mit“); 1 Vgl. Rengier, in: KK OWiG, 3. Aufl. 2006, § 8 Rz. 8. 2 Statt vieler Rogall, in: KK OWiG, 3. Aufl. 2006, § 3 Rz. 16 m.N.
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– nicht in der vorgeschriebenen Weise zu machen. Diese Alternative bezieht sich insbesondere auf die Formvorschriften des § 3 WpAIV. Soweit, wie hier vertreten, Art. 10 Durchführungsrichtlinie unmittelbare Wirkung zugunsten der Anzeigepflichtigen hat (s. oben Rz. 36, 37), gilt dies auch und erst recht im Ordnungswidrigkeitenrecht; – nicht rechtzeitig, d.h. nicht unverzüglich, zu machen. Vorsätzliche oder leichtfertige Verstöße gegen die Verschwiegenheitspflicht sind gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 WpHG mit Geldbuße bis zu 50 000 Euro (vgl. § 39 Abs. 4 WpHG) bedroht. Ahndbare Tathandlung ist, eine (natürliche) Person von der Anzeige oder einer daraufhin eingeleiteten Untersuchung in Kenntnis zu setzen; deshalb ist „übermäßige Verschwiegenheit“ nicht ahndbar.
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Die Eigenschaft, Adressat des § 10 Abs. 1 WpHG, nämlich Wertpapierdienstleis- 80 tungsunternehmen, Kreditinstitute und Betreiber außerbörslicher Märkte zu sein, ist ein besonderes persönliches Merkmal i.S. von § 9 OWiG, da im Vordergrund die besondere Stellung und Verantwortlichkeit der Genannten, nicht aber das geschützte Rechtsgut (mittelbar die Integrität der Kapitalmärkte) steht. Deshalb kommen in erster Linie Organe (Organmitglieder) und gesetzliche Vertreter, daneben aber auch mit der Erfüllung der Anzeigepflicht Beauftragte (z.B. Mitarbeiter einer Compliance-Stelle, s. oben Rz. 44) als ahndbare natürliche Personen in Betracht (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 1, 3, Abs. 2 Nr. 2 OWiG). In zweiter Linie kommen auch dritte (Hilfs-) Personen in Betracht, die sich an einer Ordnungswidrigkeit des in § 9 OWiG genannten Personenkreises beteiligen (§ 14 Abs. 1 Satz 2 OWiG). Bei Inhabern, die Ordnungswidrigkeiten nach § 39 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2b WpHG geschehen lassen, ist zudem an eine ordnungswidrige Verletzung der Aufsichtspflicht gemäß § 130 OWiG zu denken. Über § 30 OWiG kann eine Geldbuße auch gegen das Unternehmen verhängt werden. Da und soweit § 39 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2b WpHG auf § 10 Abs. 1 Satz 1, 2 WpHG ver- 81 weist, stellt sich die Frage, ob der Vorsatz bzw. die Leichtfertigkeit auf die Anzeigeoder Verschwiegenheitspflicht als solche oder auf die Umstände zu beziehen ist, welche der Anzeige- oder Verschwiegenheitspflicht zugrunde liegen. Praktische Spitze der Frage ist, ob der bloße Rechtsirrtum über die Reichweite des § 10 Abs. 1 WpHG nur als Verbotsirrtum gemäß § 11 Abs. 2 OWiG zu behandeln ist, die Ahndbarkeit also nur bei Unvermeidbarkeit ausschließt, oder ob er nach § 11 Abs. 1 OWiG zu behandeln ist, also unabhängig von seiner Vermeidbarkeit die Vorsatzahndbarkeit ausschließt und eine Leichtfertigkeitsahndbarkeit nur auslöst, wenn er geradezu auf Leichtfertigkeit beruht. Nach h.A. hängt die Lösung davon ab, ob § 39 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2b WpHG als Blankettgesetz anzusehen oder ob die dort enthaltene Verweisung auf § 10 Abs. 1 Satz 1, 2 WpHG als normatives Tatbestandsmerkmal zu verstehen ist (näher unten Vor § 38 Rz. 22). Da es sich um ein (wenn auch „unechtes“) Blankett handelt, liegt es nahe, § 39 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2b WpHG und § 10 Abs. 1 Satz 1, 2 WpHG „zusammenzulesen“, so dass der bloße Rechtsirrtum nur als Verbotsirrtum zu behandeln ist. Der Versuch einer Ordnungswidrigkeit nach § 39 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2b WpHG ist ge- 82 mäß § 13 Abs. 2 OWiG nicht ahndbar. Allerdings führt die subjektivierende Fassung der Anzeigepflicht in § 10 Abs. 1 Satz 1 WpHG („Feststellung von Tatsachen“, s. oben Rz. 12) zu der Frage, ob nicht bereits eine vollendete Ordnungswidrigkeit nach § 39 Abs. 1 Nr. 2b WpHG vorliegt, wenn der Adressat einen Marktmissbrauchsverdacht begründende Tatsachen zu seiner Überzeugung feststellt, gleichwohl eine An-
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zeige unterlässt und sich nachträglich (z.B. im Überwachungsverfahren) herausstellt, dass die Tatsachen nicht gegeben waren bzw. nicht festgestellt werden können. Mit Blick auf den Zweck des § 10 Abs. 1 Satz 1 WpHG, der Bundesanstalt die Abwehr von aktuellen und realen Gefahren für die Marktintegrität zu ermöglichen, dürfte es bei einem nicht ahndbaren Versuch verbleiben. In jedem Falle nicht ahndbar, ggf. sogar ein bloßes Wahndelikt ist es, wenn die festgestellten Tatsachen einen Marktmissbrauchsverdacht nicht begründen, auch wenn der Anzeigepflichtige hiervon ausgeht und gleichwohl die Anzeige unterlässt. 2. Straftaten 83
Die Ausführung einer Order, die einen gemäß § 38 Abs. 1 WpHG strafbaren Insiderverstoß oder eine gemäß § 38 Abs. 2 WpHG strafbare Marktmanipulation beinhaltet, kann nach allgemeinen Regeln eine Strafbarkeit wegen Beteiligung an einer Straftat nach § 38 WpHG begründen, vor allem eine Beihilfestrafbarkeit (s. § 27 StGB), wobei freilich die Einschränkungen bei professionsadäquatem Verhalten zu beachten sind (s. oben Rz. 47). Weiterhin ist ggf. eine Strafbarkeit wegen Begünstigung (§ 257 StGB) zu prüfen.
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Sodann fragt sich, ob die Verletzung der Anzeige- bzw. Verschwiegenheitspflicht in Fällen, in denen eine Strafbarkeit des Auftraggebers nach § 38 WpHG in Rede steht, als (ggf. versuchte) Strafverfolgungsvereitelung (§ 258 Abs. 1 StGB) bestraft werden kann. Im Geldwäscherecht wird die Frage von der h.A. bejaht1, da die dortige Anzeigepflicht unmittelbar gegenüber Strafverfolgungsbehörden besteht und §§ 11, 12 GwG eine spezifische Garantenpflicht der Anzeigepflichtigen zum Schutz der staatlichen Strafrechtspflege in Bezug auf Geldwäsche begründet. Es könnte daran gedacht werden, das auf § 10 Abs. 1 WpHG zu übertragen, da die Bundesanstalt ihrerseits strafanzeigepflichtig ist (§ 4 Abs. 5 WpHG, s. § 4 Rz. 53) und die Anzeigepflicht mittelbar auch Strafverfolgung ermöglichen soll (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 3 WpHG und oben Rz. 4). Die besseren Gründe sprechen aber gegen eine solche extensive Interpretation. Mit § 39 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2b WpHG hat der Gesetzgeber erkennen lassen, dass er eine ordnungswidrigkeitenrechtliche Lösung für ausreichend hält, und zwar auch in Fällen, in denen der Marktmissbrauchsverdacht ein möglicherweise strafbares Geschäft zum Gegenstand hat. Hier zu differenzieren, würde die Adressaten bei weitem überfordern, zumal z.B. bei einer Marktmanipulation bei Ordereingang und auch Geschäftsausführung noch nicht feststeht, ob der Preis effektiv beeinflusst werden wird (vgl. § 38 Abs. 2 WpHG und § 38 Rz. 49 ff.). Auch muss bedacht werden, dass der Gesetzgeber bei § 10 WpHG bewusst darauf verzichtet hat, eine Strafanzeigepflicht gegenüber Strafverfolgungsbehörden zu statuieren, sondern stets den Filter einer zunächst verwaltungsrechtlichen Untersuchung durch die Bundesanstalt vorgesehen hat. Der ohnehin rechtsstaatlich bedenklich unbestimmte § 13 StGB und die ohnehin konturenlose Garantendogmatik würden überspannt, würden Mitwirkungspflichten Privater, die lediglich mittelbar auf die Unterstützung von Strafverfolgungsmaßnahmen zielen, zu Garantenpflichten hochstilisiert.
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Vorsätzlich unwahre Anzeigen zuungunsten der von ihnen Betroffenen können den Straftatbestand der falschen Verdächtigung gemäß § 164 StGB, mindestens Abs. 2, erfüllen. Zu den Einzelheiten siehe die Kommentare zu § 164 StGB.
1 Fülbier, in: Fülbier/Aepfelbach/Langweg, 5. Aufl. 2006, § 11 GwG Rz. 212; s. auch Cramer, in: MünchKomm. StGB, 2003, § 258 Rz. 17.
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Verpflichtung des Insolvenzverwalters
§ 11 Verpflichtung des Insolvenzverwalters (1) Wird über das Vermögen eines nach diesem Gesetz zu einer Handlung Verpflichteten ein Insolvenzverfahren eröffnet, hat der Insolvenzverwalter den Schuldner bei der Erfüllung der Pflichten nach diesem Gesetz zu unterstützen, insbesondere indem er aus der Insolvenzmasse die hierfür erforderlichen Mittel bereitstellt. (2) Wird vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, hat dieser den Schuldner bei der Erfüllung seiner Pflichten zu unterstützen, insbesondere indem er der Verwendung der Mittel durch den Verpflichteten zustimmt oder, wenn dem Verpflichteten ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wurde, indem er die Mittel aus dem von ihm verwalteten Vermögen zur Verfügung stellt. In der Fassung des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 5.1.2007 (BGBl. I 2007, 10). Schrifttum: Albrecht/Stein, Die Verantwortlichkeiten von Insolvenzverwaltern und Organen einer insolventen börsennotierten Aktiengesellschaft, ZInsO 2009, 1886 (Teil I), 1938 (Teil II), 1991 (Teil III); von Buttlar, Kapitalmarktrechtliche Pflichten in der Insolvenz, BB 2010, 1355; Grub/Streit, Börsenzulassung und Insolvenz, BB 2004, 1397; Hirte, Ad-hoc-Publizität und Krise der Gesellschaft. Aktuelle Fragen im Grenzbereich zwischen Kapitalmarkt- und Insolvenzrecht, ZInsO 2006, 1289; Lau, Die börsennotierte Aktiengesellschaft in der Insolvenz, 2008; Ott/Brauckmann, Zuständigkeitsgerangel zwischen Gesellschaftsorganen und Insolvenzverwalter in der börsennotierten Aktiengesellschaft, ZIP 2004, 2117; Rattunde/Berner, Insolvenz einer börsennotierten Aktiengesellschaft – Pflicht des Insolvenzverwalters zur Publikation von Ad-hoc-Mitteilungen nach dem Wertpapierhandelsgesetz?, WM 2003, 1313; Rubel, Erfüllung von WpHG-Pflichten in der Insolvenz durch den Insolvenzverwalter oder Vorstand, AG 2009, 615; Siebel, Insolvenzverwalter, Gesellschaftorgane und die Börse, NZI 2007, 498; Streit, Veröffentlichungspflichten gem. §§ 21, 25 WpHG bei der insolventen AG, Inanspruchnahme des Insolvenzverwalters und Kostenhaftung der Masse?, NZI 2005, 486; Warmer, Börsenzulassung und Insolvenz der Aktiengesellschaft, 2009; Weber, Börsennotierte Gesellschaften in der Insolvenz, ZGR 2001, 422.
Inhaltsübersicht I. Inhalt der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
V. Verpflichteter Insolvenzverwalter . . 13
II. Ausgangspunkt der Norm . . . . . . . .
3
III. Bestehenbleiben der kapitalmarktrechtlichen Pflichten . . . . . . . . . . . .
VI. Verpflichteter vorläufiger Insolvenzverwalter (§ 11 Abs. 2 WpHG) . 15
4
VII. Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
IV. Regelungsgehalt der Norm . . . . . . . .
9
VIII. Haftung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
I. Inhalt der Norm Bis zur Gründung der Bundesanstalt durch das FinDAG regelte § 11 WpHG a.F. die 1 Kostentragungspflicht der Beaufsichtigten hinsichtlich der Kosten des früheren Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel. Diese Regelung wurde aufgehoben durch Art. 4 Nr. 10 des Gesetzes über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht vom 22.4.2002 (BGBl. I 2002, 1310) und durch eine Übergangsregelung für die Kostenerstattungspflicht ersetzt. Diese ist in § 42 Abs. 2 WpHG enthalten. Zur ver-
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Verpflichtung des Insolvenzverwalters
gleichbaren heutigen Kostentragungspflicht bezüglich der Kosten für die Wertpapierhandelsaufsicht s. die Kommentierung Vor § 3 Rz. 38 ff. 2
Mit dem Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz wurde der ca. fünf Jahre bestehende Freiraum des gelöschten § 11 WpHG genutzt und mit einem völlig neuen Inhalt gefüllt. Die Norm sieht heute eine Regelung vor, die die Erfüllung der kapitalmarktrechtlichen Pflichten des Emittenten im Falle seiner Insolvenz sicherstellen soll. Insoweit ist der Insolvenzverwalter verpflichtet, den Schuldner bei der Erfüllung seiner kapitalmarktrechtlichen Pflichten zu unterstützen.
II. Ausgangspunkt der Norm 3
Augangspunkt der Norm ist das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.4.20051. In diesem Urteil entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass der Insolvenzverwalter einer börsennotierten Gesellschaft nicht zur Erfüllung der Pflicht zur Veröffentlichung einer Mitteilung über einen bedeutenden Stimmrechtsanteil (heute § 26 WpHG, früher § 25 WpHG) herangezogen werden kann. Bei der Prüfung der Verpflichtung des Insolvenzverwalters zur Pflichterfüllung nach § 25 WpHG a.F. im Rahmen seiner Zuständigkeit nach der InsO, insbesondere in seinem Aufgabengebiet der Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis über die Insolvenzmasse nach §§ 80 Abs. 1, 35 f. InsO, kam das Gericht zur Überzeugung, dass die Pflicht aus § 25 WpHG a.F. keinen unmittelbaren Massebezug habe. Deshalb und wegen des Fehlens anderer Grundlagen für eine Zuständigkeit des Insolvenzverwalters lehnte das BVerwG eine Verpflichtung des Insolvenzverwalters zur Erfüllung der Veröffentlichungspflicht nach § 25 WpHG a.F. ab. Der Vorstand als vertretungsberechtigtes Organ der Gesellschaft konnte diese kapitalmarktrechtliche Pflicht jedoch auch nicht erfüllen, denn er hat regelmäßig kein massefreies Gesellschaftsvermögen, um eine entsprechende Veröffentlichung in Auftrag zu geben. Man hätte von ihm also offensichtlich subjektiv Unmögliches verlangt, hätte man den Vorstand zur Veröffentlichung derartiger Mitteilungen verpflichten. Damit konnte nach dem Urteil weder der Insolvenzverwalter noch das vertretungsberechtigte Organ der insolventen Gesellschaft von der Bundesanstalt zur Erfüllung der Pflicht der insolventen börsennotierten Gesellschaft herangezogen werden. Gerade im Insolvenzfall besteht aber ein dringendes Informationsbedürfnis des Kapitalmarktes und der (potentiellen) Anleger. Der Gesetzgeber geht für den Fall der Insolvenz des Emittenten sogar von einer „besonders schützenswerten Anlegerschaft“2 aus. Entsprechend sind die Transparenzanforderungen für insolvente börsennotierte Gesellschaften keinesfalls reduziert. Um die Transparenz an den Finanzmärkten zu erreichen, wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass die kapitalmarktrechtlichen Pflichten auch im Insolvenzfall erfüllt werden. Insoweit sah sich der Gesetzgeber angehalten eine besondere Norm zu schaffen, die die Erfüllung der kapitalmarktrechtlichen Pflichten auch im Insolvenzfall sicherstellt3.
III. Bestehenbleiben der kapitalmarktrechtlichen Pflichten 4
Der Antrag auf Eröffnung und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer börsennotierten Gesellschaft oder eines sonst nach WpHG Verpflichteten hat unmittelbar keine Auswirkungen auf das Bestehen der kapitalmarktrecht1 BVerwG v. 13.4.2005 – 6 C 4/04, VG 9 E 4228/03 [V], AG 2005, 579. 2 Vgl. Begr. RegE TUG, BT-Drucks. 579/06, S. 62. 3 Vgl. Begr. RegE TUG, BT-Drucks. 579/06, S. 62, 70.
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lichen Pflichten. Denn die hier in Rede stehenden kapitalmarktrechtlichen Pflichten sind öffentlich-rechtliche Pflichten. Öffentlich-rechtliche Pflichten werden grundsätzlich weder von der Stellung eines Insolvenzantrags noch von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens berührt. Auch die (öffentlich-rechtlichen) kapitalmarktrechtlichen Pflichten bleiben im Falle einer Insolvenz bestehen. Weder im WpHG, im BörsG noch in der InsO sind Anhaltspunkte zu finden, die für ein Nichtentstehen, eine Suspendierung oder ein Erlöschen der kapitalmarktrechtlichen Pflichten nach Stellung des Insolvenzantrags sprechen1. Denn Ausgangspunkt der kapitalmarktrechtlichen Pflichten ist die Börsenzulassung von Wertpapieren eines Emittenten. So führt die Eröffnung der Insolvenz über das Vermögen einer börsennotierten Ge- 5 sellschaft weder unmittelbar zu einem Delisting der Gesellschaft noch sonst zu einem Entzug der Börsenzulassung der Aktien der insolventen Gesellschaft. In der Praxis kann man beobachten, dass es über Jahre hinweg einen geregelten Börsenhandel mit Aktien von insolventen Gesellschaften gibt. Zeitweilig kann es sogar zu einem besonders regen Handel mit derartigen Wertpapieren kommen, insbesondere wenn diese Gegenstand von Spekulationen auf das Einsteigen eines neuen Investors oder von Übernahmephantasien werden. Nur ein Widerruf der Zulassung der Wertpapiere zum Börsenhandel (§ 39 BörsG) könnte das Entstehen weiterer kapitalmarktrechtlicher Pflichten verhindern. Um das Entstehen der Zulassungsfolgepflichten zu vermeiden, ist es auch nicht ausreichend, dass die Notierung der Wertpapiere (zeitweilig) ausgesetzt wird (§ 25 BörsG). Auch eine telelogische Reduktion lässt die Pflichten des WpHG im Falle einer Insolvenz nicht entfallen2, noch nicht einmal nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit. Zwar mögen die jeweiligen Wertpapiere mit der Insolvenz einen erheblichen Wertverlust verzeichnen, doch nimmt die Gesellschaft – wenn auch als Abwicklungsgesellschaft – weiter am Geschäftsleben teil. Die Wertpapiere der insolventen Gesellschaft sind weiterhin börsengehandelt, bis die börsenrechtliche Maßnahme des Widerrufs der Börsenzulassung die Voraussetzung für das Entstehen der Pflichten beseitigt. Auch bei der Eröffnung der Insolvenz über das Vermögen eines sonst nach dem 6 WpHG Verpflichteten, wie z.B. einem nach § 21 WpHG Mitteilungspflichtigen, werden die kapitalmarktrechtlichen Pflichten nicht suspendiert. Auch hier gibt es weder Anhaltspunkte in den einschlägigen gesetzlichen Regelungen noch Anhaltspunkte aus Sinn und Zweck der Regelungen, dass diese Pflichten nach Insolvenz nicht mehr entstehen könnten. Im Rahmen der Aufsicht über Wertpapierdienstleistungsunternehmen kann der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sogar Teil der (KWG-)Aufsicht sein, wenn das Institut zum kritischen Zeitpunkt noch eine Erlaubnis besitzt und diese nicht schon wegen Verstoßes z.B. gegen die Mindestkapitalausstattung entzogen ist. Da die Regelungen des WpHG in einer Vielzahl der Fälle an die Zulassung der Wert- 7 papiere zum Handel an der Börse anknüpfen, kann im Insolvenzfall der Rückzug von der Börse als Alternative zur Vermeidung der kapitalmarktrechtlichen Pflichten in Betracht gezogen werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in diesen Fällen schon an der Börsenzulassung3 oder gar an dem Börsenzulassungantrag4 1 So auch BVerwG v. 13.4.2005 – 6 C 4/04, BVerwGE 123, 203, Tz. 26 f.; a.A. Streit/Schiermeyer, EWiR 2004, 457 und Grub/Streit, BB 2004, 1397 für den Fall der Masseunzulänglichkeit. 2 Vgl. BVerwG v. 13.4.2005 – 6 C 4/04, BVerwGE 123, 203. 3 Z.B. §§ 15a Abs. 1 Satz 3, 21 Abs. 2 WpHG. 4 Z.B. §§ 15 Abs. 1 Satz 2, 20a Abs. 1 Satz 2 WpHG.
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angeknüpft hat, nicht erst an der Börsennotierung. Insoweit wäre allein das Einstellen der Börsennotierung noch nicht ausreichend, um die an die Börsenzulassung anknüpfenden kapitalmarktrechtlichen Pflichten zu vermeiden. Der Antrag auf Rücknahme der Börsenzulassung ist durch den Insolvenzverwalter zu stellen1. Zudem ist zu berücksichtigen, dass nach der Macrotron-Entscheidung des BGH2 die Notwendigkeit der Zustimmung der Hauptversammlung für ein reguläres Delisting gegeben ist. Fraglich für das hier im Raum stehende Delisting ist, ob der Schutz der Aktionäre nach Art. 14 GG auch in der Insolvenz greift. In Anbetracht der Nachrangigkeit der Forderungen der Aktionäre gegenüber anderen Gläubigern stehen zum einen die Kosten und die zeitliche Verzögerung bei einer Notwendigkeit der Zustimmung durch die Hauptversammlung und zum anderen die Vermögensrechte der Aktionäre gegenüber, die je Erfolgsaussichten bei einer Sanierung unterschiedlich zu bewerten sind3. 8
Soweit Pflichten im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits entstanden sind, können diese nur im Rahmen der verwaltungsrechtlichen Mechanismen erlöschen. Das ist ganz überwiegend nur durch die Erfüllung der bestehenden Pflicht möglich. Insoweit hat die Eröffnung der Insolvenz über das Vermögen einer börsennotierten Gesellschaft oder eines sonst nach WpHG Verpflichteten unmittelbar keine Auswirkungen auf das Bestehen der kapitalmarktrechtlichen Pflichten. Das heißt, auch in der Insolvenz bleiben die Pflichten bestehen und müssen erfüllt werden.
IV. Regelungsgehalt der Norm 9
Damit das gesetzgeberische Ziel der Erfüllung der kapitalmarktrechtlichen Pflichten erreicht wird, wurde der Insolvenzverwalter verpflichtet, den Schuldner bei der Erfüllung der Pflichten nach dem WpHG zu unterstützen. Eine entsprechende Vorschrift wurde auch in § 43 BörsG eingefügt. Der Regelungsgehalt ist damit ausdrücklich eine Unterstützungspflicht für die bei dem Insolvenzschuldner verbleibenden Pflichten. Die Norm regelt hingegen nicht, wer grundsätzlich die kapitalmarktrechtlichen Pflichten erfüllen muss4. Dieses ergibt sich aus den jeweils einschlägigen Regelungen des WpHG in Verbindung mit den allgemeinen Regelungen. Dies bedeutet: Soweit eine juristische Person (z.B. ein Emittent) verpflichtet ist, kann diese die Pflicht nicht selbst erfüllen, sondern deren vertretungsberechtigte Organe müssen die Pflicht erfüllen. Das ergibt sich aus den grundsätzlichen gesellschaftsrechtlichen Regelungen. Für den Fall der Insolvenz ergibt sich aus § 80 InsO, dass der Insolvenzverwalter die Pflichten zu erfüllen hat, die einen unmittelbaren Massebezug haben. § 11 WpHG ändert nichts an diesem ausbalancierten System der Zuständigkeit für die Pflichtenerfüllung im Rahmen der Insolvenz. Denn § 11 WpHG regelt allein eine Unterstützungspflicht des Insolvenzverwalters, nicht aber eine von § 80 InsO abweichende Pflichtenaufteilung5. Teilweise wird für die Auffassung einer ausschließ1 Vgl. hierzu Grub/Streit, BB 2004, 1397 (1406); Hirte, ZInsO 2006, 1289 (1296); Siebel, NZI 2007, 498 (502); v. Hein, in: Schwark/Zimmer, § 11 WpHG Rz. 4; zur Mitwirkung des Vorstands Schlette/Bouchon, in: Fuchs, § 11 WpHG Rz. 12. 2 BGH v. 25.11.2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47 = AG 2003, 273. 3 v. Hein, in: Schwark/Zimmer, § 11 WpHG Rz. 4. 4 So auch Rubel, AG 2009, 615; von Buttlar, BB 2010, 1355 (1356); Hirte, in: KölnKomm. WpHG, § 11 Rz. 9 ff.; a.A. v. Hein, in: Schwark/Zimmer, § 11 WpHG Rz. 7 f.; Schlette/Bouchon, in: Fuchs, § 11 WpHG Rz. 7 ff. 5 Die Umlage für den Wertpapierbereich nach § 16 FinDAG ist eine Masseverbindlichkeit, die gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen ist, wenn der Tatbestand nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt wurde: Hess. VGH v. 26.4.2010 – 6 A 1648/08, ZIP 2010, 1507.
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lichen Zuständigkeitszuweisung auf das Organ des Emittenten darauf verwiesen, dass die Gesetzesbegründung ausführt, dass der Insolvenzverwalter keinen weiteren Haftungsrisiken ausgesetzt werden soll1. Dieses gesetzgeberische Motiv spricht aber auch nicht von einer Entlastung der Insolvenzverwalter von ihren Haftungsrisiken, die eintreten würde, wenn die Zuständigkeitsverteilung des § 80 InsO durch § 11 WpHG geändert würde. In Anbetracht, dass die Regelung gerade den Fall des Leerlaufens der kapitalmarktrechtlichen Pflicht regeln wollte, ist kein Anhaltspunkt dafür zu finden, dass eine generelle Zuständigkeitsverschiebung gewollt war. Auch aus Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich nicht, dass mit § 11 WpHG eine 10 abweichende Aufteilung der Pflichten zwischen Insolvenzverwalter und Vorstand bezüglich der Erfüllung der kapitalmarktrechtlichen Pflichten geregelt werden sollte. Denn nach der Gesetzesbegründung2 sollte genau die vom Bundesverwaltungsgericht aufgezeigte Lücke geschlossen werden. Die Beschränkung des Regelungsgehaltes auf die Unterstützungspflicht des Insolvenzverwalters bezüglich allein der beim Masseschuldner verbleibenden Pflichten enspricht auch der Ausgangslage nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. In diesem Fall war der Insolvenzverwalter mangels unmittelbaren Massebezugs nicht zur Pflichterfüllung verpflichtet, der Schuldner konnte die Pflicht hingegen mangels freier Vermögenswerte nicht erfüllen. Nach der heutigen Rechtslage hätte der Insolvenzverwalter den Gemeinschuldner bei der Pflichterfüllung unterstützen müssen, insbesondere dem Schuldner die erforderlichen Mittel zur Erfüllung der Pflicht zur Verfügung zu stellen. Insoweit wäre die Erfüllung der kapitalmarktrechtlichen Pflicht aus dem WpHG seit 2007 sichergestellt. Genau diese, vom Urteil des BVerwG aufgezeigte Lücke wollte der Gesetzgeber füllen, nicht aber eine von der InsO abweichende Zuständigkeit zwischen Insolvenzverwalter und Masseschuldner regeln. Nach der Gesetzesbegründung soll der Beitrag des Insolvenzverwalters zur Pflichtenerfüllung möglich gering gehalten werden, so dass für diesen keine weiteren Haftungsrisiken eröffnet werden. Von einer Aufgabenentlastung wird hingegen nicht ausgegangen. Das hat folgende Konsequenzen: Wie schon im Urteil des BVerwG ist auch weiterhin 11 zu unterscheiden, ob die bestehende Pflicht einen unmittelbaren Massebezug hat oder einen solchen unmittelbaren Bezug gerade nicht aufweist. Soweit die Pflicht einen unmittelbaren Massebezug hat, obliegt die Erfüllung der Pflicht nach § 80 InsO dem Insolvenzverwalter. Soweit die Pflicht keinen unmittelbaren Massebezug hat, fällt sie in die Restzuständigkeit des Gemeinschuldners oder dessen Gesellschaftsorgans. In diesem Fall greift die Regelung des § 11 WpHG, der eine Unterstützungspflicht des Insolvenzverwalters vorsieht. Die Frage, welche Pflichten einen unmittelbaren Massebezug haben, ist eine Einzelfallfrage, die für jede Pflicht gesondert zu prüfen ist. Für § 26 WpHG (§ 25 WpHG a.F.) hat das Bundesverwaltungsgericht den unmittelbaren Massebezug abgelehnt und einen mittelbaren Massebezug3 als nicht ausreichend erachtet. Andererseits ist nach dem Urteil des Hess. VGH4 rechtskräftig eine Entscheidung des VG Frankfurt/M. bestätigt worden, wonach die nach Insolvenzeintritt entstandene Pflicht zur Zahlung der Umlage unmittelbaren Massebezug hat und damit vom Insolvenzverwalter aus der Masse zu begleichen ist.
1 2 3 4
Vgl. v. Hein, in: Schwark/Zimmer, § 11 WpHG Rz. 8. Vgl. Begr. RegE TUG, BT-Drucks. 579/06, S. 69. BVerwG v. 13.4.2005 – 6 C 4/04, VG 9 E 4228/03 [V]), AG 2005, 579. Hess. VGH v. 3.9.2007 – 6 UZ 179/07, ZIP 2007, 1999 = AG 2007, 877. Vorinstanz: VG Frankfurt/M. v. 7.12.2006 – 1 E 1578/06, veröffentlicht in der Entscheidungssammlung der hessischen Justiz unter http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de.
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Ein anderes Verständnis von § 11 WpHG wäre auch nicht mit den Zielen des Kapitalmarktrechts zu vereinbaren. Soweit der Insolvenzverwalter die Geschäfte des Masseschuldners weiterführt, muss damit gerechnet werden, dass Insiderinformationen i.S. von § 13 WpHG entstehen. Das ist denkbar bei Sanierungsverhandlungen, Verkäufen wesentlicher Unternehmenswerte etc. So würde eine Weitergabe der bei der Tätigkeit des Insolvenzverwalters entstandenen Insidertatsachen an den Vorstand nicht nur eine unnötige Verzögerung der Veröffentlichung der Insidertatsache nach § 15 WpHG darstellen sondern auch eine sachlich unnötige Weitergabe. Als weiteres Beispiel mag man sich die Erfüllung der Verpflichtung zum Führen eines Insiderverzeichnisses nach § 15b WpHG in folgendem Beispiel vor Augen führen: Ein Insolvenzverwalter verhandelt mit potentiellen Investoren zwecks Sanierung der Gesellschaft. Hierbei wird es sich zweifelsfrei um eine Insidertatsache handeln, wobei die Personen mit bestimmungsgemäßen Zugang zu dieser Information in ein Insiderverzeichnis aufzunehmen sind. Der nur den Innenbereich betreuende Vorstand ist wahrscheinlich eher nicht an derartigen Verhandlungen beteiligt. Das Führen und unverzügliche Aktualisieren des Insiderverzeichnisses kann daher nicht durch den Vorstand wahrgenommen werden, dem hierzu eigene Kenntnisse fehlen. Von einer unverzüglichen Aktualisierung des Verzeichnisses oder von einem bestimmungsgemäßen Weitergeben der Information könnte bei einer Übertragung der Aufgabe auf den Vorstand einer insolventen Gesellschaft nicht die Rede sein. Eine vollständige Übertragung der kapitalmarktrechtlichen Pflichten auf Gemeinschuldner trotz unmittelbaren Massebezugs wäre somit gar nicht ohne Weiteres möglich.
V. Verpflichteter Insolvenzverwalter 13
§ 11 Abs. 1 WpHG verpflichtet den Insolvenzverwalter zur Unterstützung des Schuldners bei der Erfüllung seiner kapitalmarktrechtlichen Pflichten. Insbesondere hat er aus der Insolvenzmasse die für die Pflichtenerfüllung erforderlichen Mittel bereitzustellen. Mit Eröffnung des Insolvenzvefahrens erhält der Insolvenzverwalter die Verfügungsmacht über die gesamte Insolvenzmasse. Zudem hat er das gesamte Schuldnervermögen in Verwaltung zu nehmen, also zunächst die Geschäfte des Schuldners weiterzuführen. Dementsprechend ist der Schuldner allein nicht in der Lage, solche Pflichten zu erfüllen, die zwar keinen unmittelbaren Massebezug haben, deren Erfüllung jedoch finanzielle Aufwendungen erfordern. In diesen Fällen hat der Insolvenzverwalter aus der Insolvenzmasse die hierfür erforderlichen Mittel bereitzustellen.
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Allein das Bereitstellen von finanziellen Mitteln zur Erfüllung der nicht massebezogenen Pflichten ist jedoch nicht ausreichend. Das Fortführen der Geschäfte des Schuldners führt zudem dazu, dass der Schuldner teilweise auch die Pflichten nicht alleine erfüllen kann, für die Geldmittel gar nicht aufgewandt werden müssen. Denn für die Pflichtenerfüllung sind mitunter Informationen erforderlich, die zunächst im laufenden Geschäftsbetrieb eingehen. Als Fallbeispiel kann schon auf die vom Bundesverwaltungsgericht entschiedene Fallkonstellation einer Pflicht nach § 26 WpHG zurückgegriffen werden. Der Aktionär, der die Meldeschwelle einer bedeutenden Beteiligung berührt, über- oder unterschreitet, hat seine Mitteilung nach § 21 WpHG an die börsennotierte Gesellschaft zu senden. Da der Insolvenzverwalter die Geschäfte der insolventen börsennotierten Gesellschaft fortführt, wird die Meldung bei ihm eingehen. Im Rahmen seiner Unterstützungspflicht hat der Insolvenzverwalter diese Informationen dann an das vertretungsberechtigte Organ der insolventen Gesellschaft weiterzuleiten1. 1 Vgl. Begr. RegE TUG, BT-Drucks. 579/06, S. 69/70.
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VI. Verpflichteter vorläufiger Insolvenzverwalter (§ 11 Abs. 2 WpHG) § 11 Abs. 2 WpHG regelt die Situation nach Insolvenzantrag und vor Eröffnung des 15 Insolvenzverfahrens. Das Insolvenzgericht kann in dieser Konstellation alle Maßnahmen ergreifen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Insolvenzantrag nachteilige Veränderungen der Vermögenslage des Schuldners zu vermeiden (§ 21 InsO). Insbesondere kann es einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen und dem Schuldner ggf. ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegen. Unabhängig davon, wie die Stellung des vorläufigen Insolvenzverwalters im Einzelnen ausgestaltet ist, ist dieser in jedem Falle zur Unterstützung des Schuldners bei dessen Pflichterfüllung verpflichtet. Entsprechend regelt § 11 Abs. 2 WpHG die Unterstützungspflicht des vorläufigen Insolvenzverwalters. Inhaltlich wird in § 11 Abs. 2 WpHG sowohl der starke vorläufige (§ 22 Abs. 1 InsO) als auch der schwache vorläufige Insolvenzverwalter (§ 22 Abs. 2 InsO) einbezogen. Soweit dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot nicht auferlegt wurde, der 16 vorläufige Insolvenzverwalter als sog. schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter nach § 22 Abs. 2 InsO tätig wird, sind die Verfügungen des weiterhin verwaltungsund verfügungsbefugten Schuldners nur mit Zustimmung des sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam. Diese Fallkonstellation ist vom ersten Regelbeispiel in § 11 Abs. 2 WpHG aufgegriffen. Wurde hingegen ein allgemeines Verfügungsverbot für den Schuldner angeordnet, so- 17 mit die Stellung des vorläufigen Insolvenzverwalters als starker vorläufiger Insolvenzverwalter ausgestaltet, geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis schon in dieser Phase auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über. In dieser Situation greift das zweite Regelbeispiel, dass den vorläufigen Insolvenzverwalter verpflichtet, die notwendigen finanziellen Mitel für die Pflichterfüllung zur Verfügung zu stellen.
VII. Durchsetzung Die Pflicht zur Unterstützung des Schuldners kann notfalls im Rahmen der Missstandsaufsicht oder mit den Eingriffsmöglichkeiten des § 4 Abs. 2 Satz 1 WpHG durchgesetzt werden. Hierfür sind ggf. die Mittel des Verwaltungszwangs anzuwenden. Denn bei den zu erfüllenden Pflichten handelt es sich um öffentlich-rechtliche Pflichten und die Unterstützungspflicht dient der Durchsetzung dieser öffentlichrechtlichen Pflicht.
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VIII. Haftung Mit Normierung der Unterstützungspflicht für den Insolvenzverwalter kann in begrenztem Umfang für den Insolvenzverwalter dann ein zivilrechtliches Haftungsrisiko eintreten, wenn dieser trotz der Verpflichtung in § 11 WpHG seiner Unterstützungspflicht nicht nachkommt und dem Emittenten dadurch nachweisbar ein Schaden entsteht1.
1 Vgl. Schlette/Bouchon, in: Fuchs, § 11 WpHG Rz. 16; Hirte, in: KölnKomm. WpHG, § 11 Rz. 14; v. Hein, in: Schwark/Zimmer, § 11 WpHG Rz. 11.
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Abschnitt 3 Insiderüberwachung Vorbemerkung Europäische Rechtsakte: Richtlinie 89/592/EWG vom 13.11.1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insidergeschäfte, ABl. EG Nr. 334 v. 18.11.1989, S. 30; Richtlinie 2003/6/EG vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EG Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16; Richtlinie 2003/124/EG vom 22.12.2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG betreffend die Begriffsbestimmung und die Veröffentlichung von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation, ABl. EG Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 70; Richtlinie 2003/125/EG vom 22.12.2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG in Bezug auf die sachgerechte Darbietung von Anlageempfehlungen und die Offenlegung von Interessenkonflikten, ABl. EG Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 73; Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 über Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme von Wertpapieren und Kursstabilisierungsmaßnahmen der Kommission vom 22.12.2003 zur Durchführung der Marktmissbrauchsrichtlinie, ABl. EG Nr. L 336 v. 23.12.2003, S. 33; Richtlinie 2004/72/EG vom 29.4.2004 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG (Zulässige Marktpraktiken, Definition von Insider-Informationen in Bezug auf Warenderivate, Erstellung von Insider-Verzeichnissen, Meldung von Eigengeschäften und Meldung verdächtiger Transaktionen […]), ABl. EG Nr. L 162 v. 30.4.2004, S. 70; Richtlinie 2004/109/EG vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/35/EG, ABl. EG Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 38; Richtlinie 2007/14/EG vom 8.3.2007 mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, ABl. EG Nr. L 69 v. 9.3.2007, S. 27; Richtlinie 2004/39/EG vom 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinie 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie/EG und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. EG Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1; Richtlinie 2004/109/EG vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EG Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 38; Richtlinie 2007/14/EG vom 8.3.2007 mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, ABl. EG Nr. L 69 v. 8.3.2007, S. 27. Schrifttum: Achenbach/Ransiek (Hrsg.), Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 2. Aufl. 2008; van Aerssen, Erwerb eigener Aktien und Wertpapierhandelsgesetz: Neues von der Schnittstelle Gesellschaftsrecht/Kapitalmarktrecht, WM 2000, 391; Arbeitskreis Gesellschaftsrecht, Verbot des Insiderhandelns, 1976; Assmann, Das künftige deutsche Insiderrecht, AG 1994, 196 (I), 237 (II); Assmann, Das neue deutsche Insiderrecht, ZGR 1994, 494; Assmann, Insiderrecht und Kreditwirtschaft, WM 1996, 1337; Assmann, Rechtsanwendungsprobleme des Insiderrechts, AG 1997, 50; Assmann, Anmerkung [zum Beschluss des Hess. VGH vom 16.3.1998 – 8 TZ 98/98], AG 1998, 438; Assmann, Die Mitteilung von Insiderinformationen durch Emittenten gegenüber Analysten und deren Qualifikation als Primär- oder Sekundärinsider, in: Claussen/Schwark (Hrsg.), Insiderrecht für Finanzanalysten, 1997, S. 54; Assmann, Konzernfinanzierung und Kapitalmarktrecht, in: Lutter/Scheffler/U. H. Schneider (Hrsg.), Handbuch der Konzernfinanzierung, 1998, § 12, S. 332; Assmann, Übernahmeangebote im Gefüge des Kapitalmarktrechts, insbesondere im Lichte des Insiderrechts, der Ad hoc-Publizität und des Manipulationsverbots, ZGR 2002, 697; Assmann, The Impact of Insider Trading Rules on Company Law, in: Hopt/Wymeersch (eds.), Capital Markets and Company Law, 2003, S. 529; Assmann, Unternehmenszusammenschlüsse und Kapitalmarktrecht, ZHR 172 (2008), 635; Bachmann, Kapitalmarktrechtliche Probleme bei der Zusammenführung von Unternehmen, ZHR 172 (2008), 597; Baetge (Hrsg.), Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität, 1995; BaFin, Emit-
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Vorbemerkung
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Vorbemerkung
rechts, WM 2007, 534; Eichelberger, Scalping – ein Insiderdelikt?, WM 2003, 2121; Eichele, Finanzanalysten und Wirtschaftsjournalisten als Primärinsider, WM 1997, 501; Eichner, Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität nach dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz, 2009; Eisele, Insiderrecht und Compliance, WM 1993, 1021; Ekkenga, Fragen der deliktischen Haftungsbegründung bei Kursmanipulationen und Insidergeschäften, ZIP 2004, 781; Ekkenga, Kapitalmarktrechtliche Aspekte der „Investor Relations“, NZG 2001, 1; Engel, Das neue deutsche Insiderrecht, JA 1996, 510; Ernst, Alle Börsianer künftig Insider?, WM 1990, 461; Europäische Wirtschaftsgemeinschaft – Kommission, Der Aufbau eines Europäischen Kapitalmarkts (Segré-Bericht), 1966; von Falkenhausen, Die Weitergabe von Insiderinformationen innerhalb einer Rechtsanwalts-, Wirtschaftsprüfer- oder Steuerberatersozietät, BB 2004, 165; von Falkenhausen/Widder, Die befugte Weitergabe von Insiderinformationen nach dem AnSVG, BB 2005, 225; Feddersen, Aktienoptionsprogramme für Führungskräfte aus kapitalmarktrechtlicher und steuerlicher Sicht, ZHR 161 (1997), 269; Figiel, Die Weitergabe von Insiderinformationen im Aktienkonzernrecht, 2005; Fleischer, Informationsasymmetrien im Vertragsrecht, 2001; Fleischer, Ad-hoc-Publizität beim einvernehmlichen vorzeitigen Ausscheiden des Vorstandsvorsitzenden – Der DaimlerChrysler-Musterentscheid des OLG Stuttgart, NZG 2007, 401; Fleischer/Schmolke, Gerüchte im Kapitalmarktrecht, AG 2007, 841; Fischer, Insiderrecht und Kapitalmarktkommunikation unter besonderer Berücksichtigung des Rechtsrahmens für Finanzanalysten, 2006; Fromm-Russenschuck/Banerjea, Die Zulässigkeit des Handels mit Insiderpapieren nach Durchführung einer Due Diligence-Prüfung, BB 2004, 2425; Fürhoff, Insiderrechtliche Behandlung von Aktienoptionsprogrammen und Management BuyOuts, AG 1998, 83; Fürsich, Probleme des strafbaren Insiderhandels nach Inkrafttreten des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes, 2008; Geber/zur Megede, Aktienrückkauf – Theorie und Kapitalmarktpraxis unter Beachtung der „Safe-harbor-Verordnung“ (EG Nr. 2273/2003), BB 2005, 1861; Gehrlein, Die geltende deutsche Insiderregelung, WiB 1994, 344; Gehrmann, Das versuchte Insiderdelikt, 2008; Gehrmann, Das Spector-Urteil des EuGH – Zur Beweislastumkehr beim Insiderhandel, ZBB 2010, 48; Gehrt, Die neue Ad-hoc-Publizität nach § 15 Wertpapierhandelsgesetz, 1997; Gimnich, Insiderhandelsverbot und Unternehmensakquisition, Diss. Bonn 2007; Götz, Die unbefugte Weitergabe von Insidertatsachen, DB 1995, 1949; Götze, Ad-hoc-Publizitätspflicht bei Zulassung einer Due Diligence durch AG-Vorstand?, BB 1998, 2326; Gracz, Insiderhandel in Deutschland, 2007; Grechenig, Schadensersatz bei Verletzung von § 14 WpHG? 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handels und der Due Diligence, 2009; Hess/Krämer, Zulässigkeit und Grenzen der Kursstabilisierung bei Aktienplazierungen, in: FS Döser, 1999, S. 171; Hienzsch, Das deutsche Insiderhandelsverbot in der Rechtswirklichkeit, 2006; Hirte, Die Ad-hoc-Publizität im System des Aktien- und Börsenrechts, in: Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz in der praktischen Umsetzung, Bankrechtstag 1995, 1996, S. 47; Hölters (Hrsg.), Handbuch Unternehmenskauf, 7. 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dewald/Tüxen, Neuregelung des Insiderrechts nach dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG) (Neue Organisationsanforderungen für Emittenten und ihre Berater), BB 2004, 2249; Röder/Merten, Ad-hoc-Publizitätspflicht bei arbeitsrechtlich relevanten Maßnahmen, NZA 2005, 268; Roschmann/Frey, Geheimhaltungsverpflichtungen der Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften bei Unternehmenskäufen, AG 1996, 449; von Rosen, Aktienoptionen für Führungskräfte und Insiderrecht, WM 1998, 1810; Rudolph, Ökonomische Theorie und Insiderrecht, in: FS Moxter, 1994, S. 1333; Sandow, Primär- und Sekundärinsider nach dem WpHG, 2001; Schacht, Das Insiderhandelsverbot bei Öffentlichen Übernahmeangeboten, 2002; Schäfer (Hrsg.), Wertpapierhandelsgesetz, Börsengesetz mit BörsZulV, Verkaufsprospektgesetz mit VerkProspV, 1999; Schäfer, Zulässigkeit und Grenzen der Kurspflege, WM 1999, 1345; Schall, Insiderinformation und zivilrechtliche Aufklärungspflicht – Das Leitbild des Individualvertrags als neue Perspektive, JZ 2010, 392; Schlaus, Die Insiderregeln der §§ 12 ff. WpHG aus der Sicht der Praxis, in: Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz in der praktischen Umsetzung, Bankrechtstag 1995, 1996, S. 35; Schleifer/Kliemt, Einschränkung betriebsverfassungsrechtlicher Unterrichtungspflichten durch Insiderrecht?, DB 1995, 2214; Schlitt/Schäfer, Quick to Market – Aktuelle Rechtsfragen im Zusammenhang mit Block-Trade-Transaktionen, AG 2004, 346; Schmidt-Diemitz, Pakethandel und das Weitergabeverbot von Insiderwissen, DB 1996, 1809; Dieter Schneider, Wider Insiderhandelsverbot und die Informationseffizienz des Kapitalmarkts, DB 1993, 1429; I. Schneider, Unternehmenserwerb mit Informationen aus einer Due Diligence kein strafbarer Insiderhandel, DB 2005, 2678; Sven Schneider, Die Weitergabe von Insiderinformationen, NZG 2005, 702; Sven H. Schneider, Informationspflichten und Informationssystemeinrichtungspflichten im Aktienkonzern, 2006; Uwe H. Schneider, Aktienoptionen als Bestandteil der Vergütung von Vorstandsmitgliedern, ZIP 1996, 1769; Uwe H. 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Inhaltsübersicht I. Entwicklung des deutschen Insiderrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Der Weg zur gesetzlichen Regelung des Insiderhandels . . . . . . . . . . . . . . . 2. Novellierungen des Insiderrechts und Insiderüberwachung . . . . . . . . .
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II. Überblick über die Regelung des Insiderhandels im WpHG . . . . . . . . .
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1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . 2. Verbotstatbestand und Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . a) Insider und Insiderhandelsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
16 17
b) Insiderinformation . . . . . . . . . . . . c) Insiderpapiere . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sanktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Insiderüberwachung . . . . . . . . . . . . . 4. Präventive Maßnahmen zur Verhinderung von Insidergeschäften . .
20 22 25 29 38
III. Regelungsbedarf und Regelungsleitbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Rechtfertigung und Kritik insiderrechtlicher Regelungen. . . . . . . . . . . 41 2. Regelungsleitbild des deutschen Insiderrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
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I. Entwicklung des deutschen Insiderrechts 1. Der Weg zur gesetzlichen Regelung des Insiderhandels Mit der Verabschiedung des 2. FFG (s. Einl. Rz. 12 ff.) wurde der Insiderhandel erst- 1 mals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland einer gesetzlichen Regelung unterworfen. Bis zum Erlass des WpHG als Bestandteil des 2. FFG gehörte Deutschland zu den wenigen (europäischen und außereuropäischen) Staaten mit einem entwickelten Kapitalmarkt, die über kein gesetzliches Insiderrecht verfügten. Zwar wurde in Deutschland Anfang der siebziger Jahre ein System der Selbstregulierung eingeführt (Rz. 5), doch erfasste dies die betroffenen Kreise nur lückenhaft. Ohne von der kompromisslosen Ansicht geprägt zu sein, Insiderhandel sei gleichermaßen verwerflich wie für das Funktionieren von Kapitalmärkten schädlich, arbeitete es zudem ohne einen spezifischen Erkennungs- und Überwachungsapparat. Der Sache nach ist Insiderhandel gewiss so alt, wie es handelbare Papiere und einen 2 Markt für dieselben gibt, doch ging die breitere Wahrnehmung des Insiderhandels als Funktionsproblem des Kapitalmarkts und damit als rechtliches Regelungsproblem fraglos auf die amerikanische Kapitalmarktgesetzgebung Anfang der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts (darunter namentlich den Securities Exchange Act von 1934) sowie die ihr zu Grunde liegende und von ihr ausgelöste Diskussion zurück. Sicherlich fanden sich schon vor diesem Zeitpunkt nicht nur Stimmen, die den Insiderhandel als moralisch bedenkliche Erscheinung des Börsenmarktes und des Wertpapierhandels ansprechen, sondern auch Versuche, Insidergeschäfte durch Appelle bis hin zu ersten zaghaften Selbstregulierungsmaßnahmen1 zu unterbinden. Gleichwohl löste 1 Für Deutschland ist diesbezüglich auf die Mitteilung des Centralverbandes des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes vom 12.10.1908 hinzuweisen, welche von Hoeren (ZBB 1993, 112) wieder ans Licht gebracht wurde.
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erst die amerikanische Gesetzgebung eine Welle insiderrechtlicher Gesetzgebungsmaßnahmen aus, die sehr bald auch nach Großbritannien und von hier aus auf den europäischen Kontinent schwappte. 3
In Deutschland wurde Insiderhandel mit Wertpapieren erst in dem Maße zu einem Rechtsproblem, als sich im Zuge des Wiederaufbaus der deutschen Wirtschaft nach dem 2. Weltkrieg die Grenzen der Selbst- und Fremdfinanzierung der Unternehmen offenbarten: Die Einsicht in die Notwendigkeit der verstärkten Aufbringung von Finanzmitteln über den Kapitalmarkt und zur verstärkten Nutzung der Finanzressourcen privater Sparer weckte zwangsläufig ein verstärktes Interesse am Zustand der deutschen Wertpapiermärkte. Konzentrierte sich die juristische Diskussion in diesem Zusammenhang auf die Reform des Aktienrechts und des Börsenrechts, so lenkte vor allem die Wirtschaftspresse die Aufmerksamkeit zunehmend auf einige pathologische Erscheinungen im Handel mit Wertpapieren, zu denen auch erste Fälle vermuteten Ausnutzens von Insiderinformationen gehörten1.
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Zugleich hatte das Problem des Insiderhandels aber auch schon eine erste europarechtliche Dimension erhalten: Der sog. Segré-Bericht über den Aufbau eines Europäischen Kapitalmarkts von 1966 erwähnt das Problem der rechtlichen Regelung des Insiderhandels zwar nur am Rande und ohne es als solches zu benennen, weist ihm indes bereits eine Rolle bei der Schaffung der Bedingungen für einen funktionsfähigen europäischen Wertpapiermarkt zu2. Seinen ersten gemeinschaftsrechtlich relevanten Niederschlag fand dieser Standpunkt bereits im 1970 unterbreiteten Vorschlag über das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft3, in dessen Art. 824 sich schon Bestimmungen über den Insiderhandel finden.
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In diesem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stand in Deutschland erstmals die gesetzliche Erfassung von Insidergeschäften zur Debatte: Entsprechende Überlegungen im Zuge der Vorhaben des Bundeswirtschaftsministeriums zur Reform des Börsenrechts5 wurden indes von den Börsen und den betroffenen Wirtschaftskreisen nachdrücklich abgelehnt und in die Bahnen der Selbstregulierung auf Freiwilligkeitsbasis überführt. Zweifellos mit dem Ziel der Verhinderung entsprechender gesetzlicher Maßnahmen6 verabschiedete die seinerzeit beim Bundeswirtschaftsministerium angesiedelte Börsensachverständigenkommission im November 1970 „Empfehlungen zur Lösung der sog. Insider-Probleme“. Sie enthielten Insiderhandels-Richtlinien sowie Händler- und Beraterregeln, die 1971 durch Erläuterungen und eine Verfahrensordnung für die bei den Börsen zu bildenden Prüfungskommissionen ergänzt wurden7.
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Die eingeschlagene Strategie erwies sich als erfolgreich: Nachdem die Reform des Börsengesetzes 1975 ohne gesetzliche Regelung des „Insider-Problems“ passierte, wurden die seit 1972 geltenden „Empfehlungen“ 1976 unter Berücksichtigung der
1 2 3 4 5
S. Hopt/Will, S. 22 ff. Europäische Wirtschaftsgemeinschaft – Kommission, S. 32, 263 f. ABl. EG Nr. C 124 v. 10.10.1970, S. 1. Abgedr. und erl. bei Hopt/Will, S. M-118 ff. bzw. S. 140 ff. Der einschlägige Entwurf von 1967 ist abgedr. in Beyer-Fehling/Bock, Die deutsche Börsenreform und Kommentar zur Börsengesetznovelle, 1975, S. 159; vgl. Schwark, BörsG, 2. Aufl. 1994, Einl. Rz. 11. 6 Vgl. Walther, in: FS Werner, 1984, S. 941. 7 Sämtliche abgedr. etwa in Hopt/Will, S. M-100; ZfK 1970, Beil. zu Heft 24.
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bisherigen Erfahrungen und der teils heftigen Kritik1 an denselben neu gefasst2. Sie stellten, 1988 noch einmal modifiziert3, bis zur endgültigen Verabschiedung des 2. FFG den deutschen Weg zur rechtlichen Erfassung des Insiderhandels dar4. Ihrem rechtlichen Status nach waren sie weder Rechtsnorm noch Handelsbrauch5 und erlangten Geltung nur durch vertraglich begründete Anerkennung6. Dass sich neben solchen Regeln keine auf zivilrechtlicher Grundlage und ggf. in richterrechtlicher Rechtsfortbildung geschaffene Insiderhandelsgrundsätze entwickeln konnten, war zu erwarten. Versuche, die als ineffektiv kritisierten Insiderempfehlungen durch gesetzliche Maß- 7 nahmen abzulösen, kamen über entsprechende Gesetzgebungsvorschläge aus dem Lager der Rechtswissenschaft nie hinaus. Die von Hopt/Will in ihrer Studie zum europäischen Insiderrecht unterbreiteten Regelungsvorschläge in Gestalt von zwei Regelungsmodellen wollten ein deutsches Insiderrecht indes in den europäischen Kontext eingebettet wissen und zielten deshalb in der Sache mehr auf eine Rechtsangleichungsinitiative der EG. Gleichwohl hat diese Arbeit auch die Diskussion über die Notwendigkeit und die mögliche Gestalt eines deutschen Gesetzes zur Regelung des Insiderhandels nachhaltig belebt. In ihrem Gefolge unterbreitete der Arbeitskreis Gesellschaftsrecht 1976 einen rechtspolitisch ausführlich begründeten und in 41 Paragraphen ausformulierten Vorschlag eines Insiderhandels-Gesetzes, welches er – nicht ganz ohne Informationswert für die konzeptionelle Grundlage des Entwurfs – als „Gesetz gegen unlautere Börsengeschäfte in Wertpapieren“ titulierte. Doch weder solche Vorstöße noch die erst gegen Ende der siebziger Jahre des letzten 8 Jahrhunderts abflauende breite und kritische Auseinandersetzung mit der seinerzeitigen Sach- und Regelungslage konnten den Widerstand gegen eine gesetzliche Regelung brechen und die Aufgabe des Selbstregulierungsansatzes bewirken. Dazu mag beigetragen haben, dass bis weit in die zweite Hälfte der achtziger Jahre keine Insiderhandelsskandale des Ausmaßes offen gelegt werden konnten, die den Ruf nach dem Gesetzgeber hätten auslösen und als unabweisbar erscheinen lassen können. Die Vermutung, Deutschland sei trotz seines engen Kapitalmarkts und des Fehlens öffentlicher Übernahmeangebote7 gewiss keine „Insel der Heiligen“, vielmehr fehle es lediglich an einem nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung installierbaren geeigneten Verfahren zum Aufspüren von Insiderhandel, vermochte indes die Öffentlichkeit als Katalysator der Gesetzgebung nicht zu mobilisieren. Angesichts weitaus offenkundigeren Problemdrucks und Modernisierungsbedarfs im deutschen Verbands- und Kapitalmarktrecht kann es deshalb nicht verwundern, dass Insider-
1 S. die Nachw. bei Assmann, AG 1994, 197 Fn. 18. 2 Abgedr. etwa bei Schwark, BörsG, 1. Aufl. 1976, Anh. II, S. 481 ff., mit Erl.; Nachw. zum Schrifttum bei Assmann, AG 1994, 197 Fn. 19. 3 BAnz. 1988, 2883 = WM 1988, 1105 = ZIP 1988, 873 = Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl. 1995, (16) mit Erl. 4 Zur Bedeutung der Empfehlungen, namentlich der Insiderhandels-Richtlinien, nach dem Inkrafttreten des WpHG s. Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, 1. Aufl. 1997, § 107 Rz. 6 f. und zur Megede, § 14 Rz. 6 ff. 5 Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl. 1995 (16), Einl. Rz. 3.; zur Megede, § 14 Rz. 14. 6 Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl. 1995 (16), Einl. Rz. 4 und (17), Rz. 1; zur Megede, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Kapitalanlagerecht, 1. Aufl. 1990, § 14 Rz. 15. 7 Sie bilden nach verbreiteter Ansicht das Szenario, in dem sich die überwiegende Zahl von Insidergeschäften abspielt. S. etwa Davies, in: Hopt/Wymeersch (eds.), S. 243 m.w.N.; Wymeersch, in: Hopt/Wymeersch (eds.), S. 65, 80. S. auch § 14 Rz. 132 ff.
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handelsfragen als „Nebenkriegsschauplatz“ in der „Schlacht um den Anleger“1 betrachtet wurden. 9
Spektakuläre und gravierende Fälle von Insidergeschäften, die allein durch eine gesetzliche Statuierung eines Insiderhandelsverbots hätten angemessen erfasst werden können, wurden in Deutschland bis zur Einführung des WpHG nicht aufgedeckt. Nicht innerer, sondern äußerer Druck war es dementsprechend, der den deutschen Gesetzgeber dazu zwang und es ihm auch letztlich erst ermöglichte, ohne Widerstand der langjährigen Befürworter der Selbstregulierungs-Lösung eine gesetzliche Regelung des Insiderhandels auf den Weg zu bringen. Der entscheidende Dammbruch vollzog sich auf der Ebene der Gemeinschaftspolitik, doch musste sich hierzu erst reichlich Wasser aus der EG-Quelle ansammeln: Erste Versuche der EG zur Schaffung eines gemeinschaftsweit einheitlichen Insiderrechts kamen über einige unverbindliche Empfehlungen (nach Art. 189 Abs. 5 EWGV, heute Art. 288 Abs. 5 AEUV) an die Mitgliedstaaten in Gestalt der „Europäischen Wohlverhaltensregeln für Wertpapiertransaktionen“2 zunächst nicht hinaus. Einfluss auf die deutsche Rechtslage haben die Wohlverhaltensregeln nicht einmal indirekt ausgeübt: In einigen Punkten umgearbeitet, reichte sie das Bundesfinanzministerium, ebenfalls als Empfehlung, an die „beteiligten Wirtschaftskreise“ weiter3.
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Doch waren die EG-Wohlverhaltensregeln nur eine Plattform bei der Verwirklichung des seit 1976 verstärkt vorangetriebenen, allerdings schon wegen der erheblichen Divergenzen in den einschlägigen mitgliedstaatlichen Rechten nicht eben leicht zu verwirklichenden Plans zur Entwicklung und Verabschiedung einer Insiderrichtlinie. Die Kommission brauchte immerhin bis zum Mai 1987, um den ersten Vorschlag einer Richtlinie betreffend Insidergeschäfte vorzulegen4, dem im Oktober 1988, nach Stellungnahmen des Europäischen Parlaments5 und des Wirtschafts- und Sozialausschusses6, ein geänderter Vorschlag7 folgte. Nachdem der Rat am 18.7.1989 seinen gemeinsamen Standpunkt formuliert hatte, wurde die Richtlinie am 13.11.1989 verabschiedet8. Dass dies überhaupt (und zudem in der Kürze der seit dem ersten Vorschlag verstrichenen Zeit) realisiert werden konnte, war im Wesentlichen drei Faktoren zu verdanken: Zunächst dem vom Programm zur Vollendung des Binnenmarktes9 ausgehenden Sog, der auch dieses Richtlinienprojekt erfasste; sodann dem Schachzug, das Vorhaben der Rechtsangleichung mitgliedstaatlichen Insiderrechts mit dem geänderten Richtlinienvorschlag denjenigen Maßnahmen zuzuschlagen, die (als der Vollendung des Binnenmarktes dienend) durch Mehrheitsentscheidung verabschiedet werden konnten; und schließlich dem Umstand, dass der deutsche Fi1 Mertens, ZHR 138 (1974), 269 (270). 2 ABl. EG Nr. L 212 v. 20.8.1977, S. 37 – Textberichtigung ABl. EG Nr. L 294 v. 18.11.1977, S. 28 –, abgedr. bei Lutter, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1984, S. 307. 3 Text bei Lutter, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1984, S. 307, in Gegenüberstellung zu den Kommissionsempfehlungen; näher dazu Lutter, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1984, S. 56. 4 ABl. EG Nr. C 153 v. 11.6.1987, S. 8. 5 ABl. EG Nr. C 187 v. 18.7.1987, S. 93. 6 ABl. EG Nr. C 35 v. 8.2.1989, S. 22. 7 ABl. EG Nr. C 277 v. 27.10.1988, S. 13. 8 ABl. EG Nr. L 334 v. 18.11.1989, S. 30. Zu Inhalt und Beurteilung der Richtlinie s. etwa Dickersbach, S. 69 ff.; Grundmann, ZgKW 1992, 12; Grunewald, ZBB 1990, 128; Hopt, ZGR 1991, 17; Ott/Schäfer, ZBB 1991, 226; Paefgen, AG 1991, 380; Schödermeier/Wallach, EuZW 1990, 122; Stumpf, S. 31 ff.; Siebold, S. 96 ff.; Welter, S. 317 ff. 9 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vollendung des Binnenmarktes, Weißbuch der Kommission an den Europäischen Rat, 1985.
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nanzplatz wegen angeblich zu laxer Kontrolle auf der Grundlage vermeintlich unzureichender gesetzlicher Kontrollen international zunehmend ins Zwielicht geriet. Die Sorge um die Reputation des Finanzplatzes Deutschland brach nicht nur den Wi- 11 derstand der Befürworter einer auf Selbstregulierung und Freiwilligkeit beruhenden Insiderregelung, sondern ließ auch aus ihren Reihen den Ruf nach einer gesetzlichen Regelung immer stärker werden. Diese Sinnesänderung hatte freilich rein pragmatische Gründe: Deutsche Kapitalanlageprodukte und Emittenten stießen bei ihren Versuchen, den amerikanischen Kapitalmarkt in Anspruch zu nehmen, auf den Widerspruch der amerikanischen Aufsichtsbehörde SEC und der Börsen des Landes1; im Wettbewerb um die Ansiedlung einer europäischen Zentralbank wurde den Deutschen ein zurückgebliebenes Kapitalmarktregelungs- und -aufsichtssystem vorgehalten; und schließlich drohte unter dem Druck vergleichbarer Argumente der deutsche Finanzplatz seine Konkurrenzfähigkeit auch international aufs Spiel zu setzen. Neben dem Vorwurf der fehlenden staatlichen Marktaufsicht und der gesetzlichen Regelung einzelner Kapitalmarkttransaktionen (wie etwa Übernahmeangebote) spielte dabei auch immer wieder die Behauptung einer unzureichenden Insiderhandelskontrolle eine Rolle. Die 1989 verabschiedete Richtlinie der EG betreffend Insider-Geschäfte war bis zum 12 1.6.1992 in nationales Recht umzusetzen. Dass dies in der gesetzten Frist nicht gelang, war im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die Insiderregelung Bestandteil einer Reihe zusätzlicher Maßnahmen zur Umsetzung weiterer EG-Richtlinien2 und zur Modernisierung des Finanzplatzes Deutschland3 sein sollte. Vor allem war die Insiderrechtsfrage eng mit der konfliktbehafteten Neuordnung der Börsenaufsicht weg von der bestehenden Rechtsaufsicht über die Börsen hin zu einer zentralen Marktaufsicht über den gesamten Wertpapierhandel verbunden. Die gesetzgeberischen Schwierigkeiten, die mit der Schaffung (nicht nur) des neuen Insiderrechts einhergingen, lassen sich auch daraus ermessen, dass – rechnet man einen der interessierten Öffentlichkeit nicht bekannt gemachten Entwurf („Vorentwurf“) einer Insiderregelung vom Herbst 1992 hinzu (5. Aufl. Einl. Rz. 16 a.E.) – erst die vierte Entwurfsfassung eines Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes ins Bundeskabinett gelangte und dort verabschiedet wurde. 2. Novellierungen des Insiderrechts und Insiderüberwachung Die verschiedenen Änderungen, die das WpHG zwischenzeitlich erfahren hat (s. 13 Einl. Rz. 16 ff.), haben das Insiderrecht in seinem materiellrechtlichen Regelungsgehalt (s. dazu den Überblick Rz. 15 ff.) zunächst unberührt gelassen und lediglich die Effektivierung der Insiderüberwachung zum Gegenstand gehabt. Hauptanknüpfungspunkt der diesbezüglichen gesetzgeberischen (im Umsetzungsgesetz 1997 [Einl. Rz. 19] und im 3. FFG [Einl. Rz. 20] niedergelegten) Maßnahmen war die Vorschrift des § 16 WpHG. Mittelbar dienten diesem Zwecke aber auch Verbesserungen in Bezug auf Meldepflichten nach § 9 und die (auf die Prävention von Insiderverstößen ge1 Vgl. Hopt, in: FS Beusch, S. 395. 2 Hinzu kam, dass die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (ABl. EG Nr. L 141 v. 11.6.1993, S. 27), welche im 2. FFG nach anfänglichen Plänen mit umgesetzt werden sollte, ihrerseits erst später als erwartet verabschiedet werden konnte. 3 Vgl. die Anfang 1992 veröffentlichte Verlautbarung des Bundesministers der Finanzen „Konzept Finanzplatz Deutschland“ (abgedr. in WM 1992, 420), in welcher erstmals auch die groben Umrisse der zukünftigen deutschen Insiderregelung erkennbar wurden (WM 1992, 423).
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richteten) Ad-hoc-Publizitätspflichten nach § 15 WpHG (s. 5. Aufl. Einl. Rz. 23 ff.). Das AnSVG (s. Einl. Rz. 29), mit dem die Marktmissbrauchsrichtlinie vom 28.1.2003 (Einl. Rz. 29) sowie die zu dieser ergangenen Durchführungsrichtlinien (Einl. Rz. 29) umgesetzt wurde, hat jedoch zu weitreichenden Änderungen des Systems des Insiderhandelsrechts geführt und es noch stärker als zuvor mit der Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG verwoben. Die danach erfolgten Änderungen durch Art. 1 Nr. 9–11 des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (FRUG) vom 16.7.2007 (Einl. Rz. 36) waren lediglich redaktioneller Natur. Nach dem FRUG hat das Insiderrecht der §§ 12–14 WpHG keine Änderungen mehr erfahren; die letzte Änderung des § 15 WpHG erfolgte durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 5.1.2007 (Einl. Rz. 35). 14
Schon kurz nach dem Inkrafttreten des WpHG hat die Aufsichtsbehörde die ersten Insiderfälle aufgegriffen, untersucht und zur Verfolgung gebracht1. Seitdem ist die Überwachung des Insiderhandels (zum Überblick über Rechtsgrundlagen und Instrumente s. Rz. 29 ff.) beständig perfektioniert worden. Die informationelle Basis der diesbezüglichen Aktivitäten der Behörde beruhte zunächst auf der (durch den Einsatz elektronischer Programme zunehmend verbesserten2) Auswertung der Meldungen über Wertpapier- und Derivategeschäfte (gemäß § 9 WpHG), der Verfolgung von Mitteilungen börsennotierter Unternehmen (namentlich der aufgrund von § 15 WpHG veröffentlichten Nachrichten), auf Hinweisen der Handelsüberwachungsstellen der Börsen und auf Anzeigen Dritter3. Das 4. FFG (Einl. Rz. 26) und vor allem das AnSVG (Einl. Rz. 29) haben dem eine Fülle weiterer Instrumente zur Verbesserung der Überwachung des Insiderhandelsverbots hinzugefügt: Das Erstere im Wege der Einführung der Pflicht zur Veröffentlichung von Geschäften potentieller Insider nach § 15a WpHG („Directors’ Dealings“) und das Letztere in Gestalt der Vorschriften zur Führung von Insiderverzeichnissen nach § 15b WpHG, zur Aufzeichnung von Aufträgen über Insiderpapiere nach § 16 WpHG, zur Aufbewahrung von Verbindungsdaten über den Fernmeldeverkehr nach § 16b WpHG sowie zur Anzeige potentieller Verstöße gegen das Insiderhandels- und Marktmanipulationsverbot nach § 10 WpHG (vgl. 5. Aufl. Einl. Rz. 51). Noch weniger als die Zahl verfolgter Verdachtsfälle, durchgeführter Untersuchungen oder zur Anzeige gebrachter Vorgänge ist diejenige der durch Urteil oder Strafbefehl abgeschlossenen Verfahren (Informationen darüber finden sich in den Jahresberichten der Aufsichtsbehörde) ein Indikator für die Effektivität des materiellen und formellen Insiderrechts. Wie man die diesbezügliche Bilanz4 auch immer beurteilen mag, lässt sich der Aufsichtsbehörde jedenfalls nicht vorwerfen, sie habe es am Willen zur Umsetzung des Insiderhandelsrechts fehlen lassen. Dessen ungeachtet kann die Anwendung des Insiderrechts aber auch weiterhin kaum auf gerichtliche Entscheidungen zurückgreifen. Obwohl im Kern Schadens1 Süßmann, AG 1997, 63; Dreyling, 1996, S. 161 f.; BAWe, Jahresbericht 1995, S. 18, und Jahresbericht 1996, S. 15 f. 2 Süßmann, AG 1997, 65. 3 Zur Überwachung des Insiderhandels und zur Verfolgung von Insiderverstößen in der Praxis s. etwa Süßmann, AG 1997, 63 ff.; Dreyling, 1996, S. 161 f.; Dreyling, 1997, S. 1 ff. 4 Neue Insideruntersuchungen pro Jahr nach Vorgängen (in Klammern die Zahl der an die Staatsanwaltschaft abgegebenen Vorgänge): 2002: 61 (33); 2003: 51 (26); 2004: 57 (23); 2005: 54 (23); 2006: 51 (24); 2007: 42 (20); 2008: 44 (27); 2009: 30 (28); 2010: 34 (10). Quelle: BaFin, Jahresbericht 2002, S. 156, Jahresbericht 2006, S. 157, Jahresbericht 2008, S. 176 und Jahresbericht 2010, S. 196. S. im Übrigen die empirischen Untersuchungen von Gracz, Hienzsch und (im Vergleich mit den USA) P. Koch. Zu einer – auf Effektivierung der Insiderüberwachung zielenden ökonomischen Analyse der Regulierung des Insiderhandels aus schweizerischer Sicht s. Zuzak.
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ersatzpflichten eines Emittenten wegen unterlassener unverzüglicher Veröffentlichung von Insiderinformationen nach § 37b Abs. 1 WpHG und damit Fragen der Ad-hoc-Publizität betreffend, hat der Daimler Chrysler-Fall jedoch immerhin eine Reihe insiderrechtlicher Fragen, namentlich solche zum Begriff der Insiderinformation, aufgeworfen1. Auch der EuGH hatte sich zwischenzeitlich in drei Entscheidungen mit Insiderrecht zu beschäftigen: In der Georgakis-Entscheidung2 war die Frage zu beantworten, inwieweit eine Person im Hinblick auf von ihr selbst geschaffene Insiderinformationen Insider sein kann, und in der Grøngaard und Bang-Entscheidung3 war zu beurteilen, unter welchen Voraussetzungen die Weitergabe einer Insiderinformation als befugt anzusehen ist. Im Mittelpunkt der umstrittenen Spector Photo Group-Entscheidung des EuGH4 stand die Auslegung des Begriffs der „Nutzung“ einer Insiderinformation, dem im deutschen angeglichenen Recht der der „Verwendung“ einer solchen entspricht (vgl. § 14 Rz. 26, 61a).
II. Überblick über die Regelung des Insiderhandels im WpHG Zur Regelung des Insiderhandels (in den Kernbestimmungen der §§ 12–14, 38 und 39 15 WpHG) bedient sich der Gesetzgeber einer Technik, die Inhalt und Reichweite des Insiderrechts nicht auf den ersten Blick erkennen lässt: In Teilen Bezug nehmend auf die vor die Klammer gezogenen Begriffsbestimmungen des § 2 WpHG, beginnt der insiderrechtliche Teil des Gesetzes in §§ 12, 13 WpHG mit Definitionen der Insiderpapiere und der Insiderinformation, um, aufbauend auf diesen Begriffen, in § 14 WpHG das Insiderhandelsverbot zu formulieren. Die für die Bewehrung des Insiderhandelsverbots vorgesehenen Sanktionen sind in einem eigenen Abschnitt des WpHG über Straf- und Bußgeldvorschriften und dort in §§ 38, 39 WpHG, niedergelegt; diese Bestimmungen zwingen zu einer Differenzierung zwischen sog. Primärund Sekundärinsidern. Die für die Insiderüberwachung relevanten institutionellen Vorkehrungen finden sich teils innerhalb (§§ 15–16b WpHG) teils außerhalb (§§ 4 ff. WpHG, insbes. § 9 WpHG) des insiderrechtlichen Abschnitts des Gesetzes. Das alles macht es nicht leicht, die Charakteristika und den Regelungsgehalt des Insiderrechts aus der Kommentierung der einzelnen der vorgenannten Bestimmungen zu erschließen. Gleichzeitig ist aber gerade die Anwendung der einzelnen Vorschriften des Insiderrechts auf das Verständnis des ihnen zu Grunde liegenden Regelungszusammenhangs angewiesen. Deshalb wird der Kommentierung der Bestimmungen des Abschnitts 3 des WpHG zur „Insiderüberwachung“ ein Überblick über die Regelung des Insiderhandels im WpHG vorangestellt. 1. Anwendungsbereich Wie der Anwendungsbereich einer jeden Insiderhandelsregelung wird auch derjenige des deutschen Insiderrechts maßgeblich durch die Bestimmung der Begriffe des Insiders, der Insiderinformation, der Insiderpapiere sowie ihr Zusammenspiel im Insiderhandelsverbot umgrenzt. Ist hinsichtlich der sich aus den diesbezüglichen Begriffsbestimmungen ergebenden Regelungsreichweite des Insiderrechts auf die 1 Vgl. § 13 Rz. 25–25b und 28a m.w.N. Zuletzt Vorlagebeschluss des BGH an den EuGH v. 22.11.2010 – II ZB 7/09, AG 2011, 84 = WM 2011, 14. 2 EuGH v. 10.5.2007 – Rs C-391/04 – („Georgakis“), AG 2007, 542 = WM 2007, 572. 3 EuGH v. 22.11.2005 – Rs C-384/02 – („Grøngaard und Bang“), WM 2006, 612. Zu dieser Entscheidung näher § 14 Rz. 74a f. 4 EuGH v. 23.12.2009 – Rs C-45/08, AG 2010, 78 = ZIP 2010, 78; Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 10.9.2009, Slg. 2009, I-12073.
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Vorbemerkung
nachfolgenden Ausführungen (Rz. 17 ff.) zu verweisen, so findet sich in § 1 Abs. 3 WpHG (früher § 20 WpHG) auch eine ausdrückliche Beschränkung seines Anwendungsbereichs. Sie besteht darin, dass gewisse hoheitliche Aktivitäten von vornherein dem Insiderhandelsrecht entzogen werden. Dabei handelt es sich um Geschäfte, die aus geld- oder währungspolitischen Gründen oder im Rahmen der öffentlichen Schuldenverwaltung von der Europäischen Zentralbank, dem Bund, einem seiner Sondervermögen, einem Land, der Deutschen Bundesbank, einem ausländischen Staat oder dessen Zentralbank oder einer anderen mit diesen Geschäften beauftragten Organisation oder mit für deren Rechnung handelnden Personen getätigt werden. Zum internationalen Anwendungsbereich der deutschen Insiderhandelsverbotsnormen s. § 38 Rz. 611. 2. Verbotstatbestand und Tatbestandsmerkmale a) Insider und Insiderhandelsverbote 17
Das Kernstück des Insiderrechts bildet die Formulierung des Insiderhandelsverbots in § 14 Abs. 1 WpHG. Vor der Reform des Insiderrechts durch das AnSVG wandte sich § 14 WpHG a.F. noch an zwei unterschiedliche Normadressaten, nämlich Primärinsider (§§ 14 Abs. 1, 13 Abs. 1 WpHG a.F.) einerseits und Sekundärinsider (§ 14 Abs. 2 WpHG a.F.) andererseits. Heute trifft das in § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG enthaltene Insiderhandelsverbot sowohl Primärinsider wie Sekundärinsider, d.h. alle Personen, die über eine Insiderinformation verfügen. Eine Differenzierung zwischen Primärinsider und Sekundärinsider ist damit nur noch im Hinblick auf die strafbzw. ordnungswidrigkeitsrechtliche Sanktion eines Verstoßes gegen die Insiderhandelsverbote geboten (s. dazu Rz. 15, 25 ff. und zu Einzelheiten § 38 Rz. 7 ff.).
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Personen, die über Insiderinformationen verfügen, unterliegen hinsichtlich des Umgangs mit den Informationen einem dreifachen Verbot: einem Erwerbs- oder Veräußerungsverbot, einem Weitergabeverbot sowie einem Empfehlungs- und Verleitungsverbot. Im Einzelnen ist es ihnen untersagt, unter Verwendung einer Insiderinformation (i.S. von § 13 WpHG) Insiderpapiere (i.S. von § 12 WpHG) für eigene oder fremde Rechnung oder für einen anderen zu erwerben oder zu veräußern (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG), anderen eine Insiderinformation unbefugt mitzuteilen oder zugänglich zu machen (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG) oder einem anderen auf der Grundlage ihres Insiderwissens den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren zu empfehlen oder einen anderen auf sonstige Weise hierzu zu verleiten (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG).
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Vom Insiderhandelsverbot ausdrücklich ausgeschlossen sind der Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen und Maßnahmen zur Stabilisierung des Preises von Finanzinstrumenten, wenn diese in Übereinstimmung mit den Ausnahmeregelungen der Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 vom 22.12.2003 für Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen (Einl. Rz. 30) erfolgen (§ 14 Abs. 2 WpHG). Von dieser Freistellung nicht erfasst ist der häufige Fall, dass eigene Aktien (als sog. Akquisitionswährung) erworben werden, um sie im Falle des Erwerbs von Anteilen an einem anderen Unternehmen oder eines Wertpapiererwerbsangebots den Verkäufern der Anteile bzw. der Wertpapiere als Gegenleistung anbieten zu können.
1 Hierzu insbes. auch Kondring, WM 1998, 1369 ff.; Peltzer, ZIP 1994, 750; Schuster, S. 469 ff.
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Vorbemerkung
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b) Insiderinformation Dem Verbot von Insidergeschäften kann nur unterliegen, wer über eine Insiderinfor- 20 mation verfügt. Als solche gilt nach § 13 WpHG jede konkrete Information über nicht öffentlich bekannte Umstände, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf die Insiderpapiere selbst beziehen und geeignet ist, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen (§ 13 Abs. 1 WpHG). Insiderinformationen sind mithin nicht nur Informationen, die einen unmittelbaren und spezifischen Bezug zu einem bestimmten Emittenten oder zu bestimmten Insiderpapieren aufweisen, sondern auch im vorstehenden Sinne kursrelevante Marktinformationen (§ 13 Rz. 50 ff.). Nicht zu den Insiderinformationen gehören kraft ausdrücklicher Regelung des § 13 Abs. 2 WpHG Bewertungen, etwa Unternehmens- oder Wertpapieranalysen, die ausschließlich aufgrund öffentlich bekannter Tatsachen erstellt wurden, auch wenn sie im Einzelfall als kursrelevant anzusehen sind. Anfangs war umstritten, unter welchen Voraussetzungen eine Insidertatsache als 21 kursrelevant anzusehen ist. Sie ist mittlerweile in § 13 Abs. 1 Satz 2 WpHG einer Klärung dahingehend zugeführt worden, dass eine Insiderinformation immer dann als geeignet anzusehen ist, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsenoder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen, wenn ein verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde. Der in dieser Regelung übernommene „subjektive Ansatz“ zur Bestimmung der Kursrelevanz einer Insiderinformation geht auf entsprechende Vorgaben in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2003/124/EG vom 22.12.2003 zur Durchführung der Marktmissbrauchsrichtlinie (Einl. Rz. 29) zurück, wurde dessen ungeachtet aber auch schon in Bezug auf das alte Recht von einer Reihe von Stimmen vertreten (vgl. 3. Aufl. des Kommentars § 13 Rz. 71). Unterschiedlich beurteilt wurde darüber hinaus auch die Behandlung von Informationen über zukünftige Ereignisse. § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG macht jetzt deutlich, dass sie Insiderinformationen darstellen, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass sie in Zukunft eintreten werden. Schließlich enthält § 13 Abs. 1 Satz 4 WpHG in Nr. 1 und Nr. 2 Regelbeispiele für Informationen, die als Insiderinformationen in Betracht kommen: Nr. 1 – Art. 1 Nr. 1 Satz 2 der Marktmissbrauchsrichtlinie (Einl. Rz. 29) und Art. 1 Abs. 2 der zu dieser ergangenen Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG vom 22.12.2003 (Einl. Rz. 29) umsetzend – macht deutlich, dass Insiderinformation auch die Kenntnis der Aufträge anderer Personen über den Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten sein kann und erfasst damit namentlich den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren in Kenntnis kursrelevanter Kundenaufträge („Frontrunning“). Nach Nr. 2, mit dem Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 der Marktmissbrauchsrichtlinie und Art. 4 der Richtlinie 2004/72/EG1 zur Durchführung derselben umgesetzt werden, kommen als Insiderinformationen in Bezug auf die an organisierten Märkten gehandelten Warenoder Edelmetallderivate vor allem solche Informationen in Betracht, von denen der Marktteilnehmer erwartet, dass er sie in Übereinstimmung mit der zulässigen Praxis an den betreffenden Märkten erhalten würde.
1 Richtlinie 2004/72/EG vom 29.4.2004 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG – Zulässige Marktpraktiken, Definition von Insider-Informationen in Bezug auf Warenderivate, Erstellung von Insider-Verzeichnissen, Meldung von Eigengeschäften und Meldung verdächtiger Transaktionen […], ABl. EG Nr. L 162 v. 30.4.2004, S. 70. S. auch Einl. Rz. 29.
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c) Insiderpapiere 22
Insiderinformationen sind nur solche Informationen, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf die Insiderpapiere selbst beziehen. Damit wird auf einen weiteren ausfüllungsbedürftigen Begriff verwiesen, der in § 12 WpHG definiert wird. Mit dem an der Spitze einer Definitionskaskade stehenden Begriff der Insiderpapiere bezeichnet das Gesetz nicht nur diejenigen Papiere, die Gegenstand des Insiderhandelsverbots sein können, sondern umreißt zugleich den Anwendungsbereich des Insiderhandelsverbots. Zur Eingrenzung der erfassten Papiere und Märkte, auf denen sie gehandelt werden, setzte das Gesetz früher am Begriff des Wertpapiers an. Dagegen verwendet die mit dem AnSVG und der neuen Regelung in §§ 2 Abs. 2b, 12 WpHG umgesetzte Richtlinie 2003/6/EG vom 28.1.2003 den Begriff des Finanzinstruments. Mit diesem verbindet sich nicht nur eine terminologische Änderung, sondern zugleich eine Ausweitung der Reichweite der mitgliedstaatlichen Insiderhandelsverbote nach Maßgabe von Art. 2, 3 und 1 Abs. 1 Nr. 1 und 3 der Richtlinie (vgl. § 2 Rz. 59).
23
Nach der Umschreibung in § 12 Satz 1 Nrn. 1–3 WpHG sind Insiderpapiere Finanzinstrumente, die (1) an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen oder in den regulierten Markt oder in den Freiverkehr einbezogen, (2) in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder des EWR zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, oder (3) deren Preis unmittelbar oder mittelbar von einem der in Nr. 1 und 2 genannten Finanzinstrumente abhängt (Derivate). Im Gegensatz zu den unter (1) und (2) angeführten Finanzinstrumenten brauchen die unter (3) erfassten Derivate nicht an einem börslichen Markt zugelassen zu sein. Im Falle der unter (1) und (2) genannten Finanzinstrumente steht der Zulassung bzw. Einbeziehung die Stellung oder öffentliche Ankündigung des hierauf gerichteten Antrags gleich (§ 12 Satz 2 WpHG). Der Begriff der Finanzinstrumente ist in § 2 Abs. 2b WpHG unter Verwendung von Begriffen definiert, die ihrerseits in § 2 Abs. 1, 1a und 2 WpHG umschrieben sind (s. § 2 Rz. 58 ff.).
24
Wie schon zuvor erfasst die Neuregelung des Insiderhandelsverbots und der Insiderpapiere nach dem AnSVG auch Finanzinstrumente, die in den Freiverkehr i.S. des § 48 BörsG einbezogen sind. Allein unter dem Gesichtspunkt der adäquaten Umsetzung der Richtlinie 2003/6/EG wäre dies auch neuerlich nicht erforderlich gewesen, handelt es sich beim Freiverkehr doch um keinen „geregelten Markt“ i.S. von Art. 1 Abs. 1 Nr. 3 und 4 und Art. 9 der vorgenannten Richtlinie. Sollte damit dem Umstand Rechnung getragen werden, dass Insiderverstöße im Freiverkehr auch das Ansehen der geregelten börslichen Märkte berühren würde, so kommt hinzu, dass in der Vergangenheit gerade im Handelssegment des Freiverkehrs eine verhältnismäßig große Zahl von Insiderdelikten zu registrieren war1. Ebenfalls nicht neu (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 2 WpHG a.F.) ist die schon (Rz. 23) erwähnte Regelung in § 12 Satz 2 WpHG, derzufolge es der Zulassung eines Finanzinstruments i.S. von § 12 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 WpHG zum Handel an einem organisierten Markt oder der Einbeziehung in den regulierten Markt oder in den Freiverkehr gleichsteht, wenn der Antrag auf Zulassung oder Einbeziehung des Instruments gestellt oder öffentlich angekündigt ist. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass gerade in dem Zeitraum zwischen Antragstellung und Zulassung Insiderinformationen vorhanden sind und ein besonderer Anreiz zum Ausnutzen dieser Informationen besteht.
1 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 1, 33.
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Vorbemerkung
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d) Sanktionen Verstöße gegen das Insiderhandelsverbot des § 14 Abs. 1 WpHG sind strafrechtlichen 25 und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Sanktionen nach Maßgabe von §§ 38, 39 WpHG ausgesetzt. Ob die eine oder die andere eingreift, hängt in erster Linie davon ab, ob es sich bei dem Täter um einen Primär- oder Sekundärinsider handelt. Dem Gesetz sind diese Begriffe zwar nach wie vor unbekannt, doch haben sie sich zunächst als Umschreibung der unterschiedlichen Normadressaten von § 14 Abs. 1 und Abs. 2 WpHG a.F. eingebürgert, um heute die Tätergruppen zu benennen, nach denen zwischen strafrechtlichen und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Sanktionen des Verstoßes gegen eines der in § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG aufgeführten Verbote zu differenzieren ist. Dem früheren Recht (§ 13 Abs. 1 WpHG a.F.) weitgehend entsprechend gilt als Pri- 26 märinsider jede Person, die Insiderinformationen unter den in § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. a–d WpHG umschriebenen Umständen erlangt. Im Einzelnen ist Primärinsider, wer über eine Insiderinformation verfügt, die er auf eine der folgenden Weisen erlangt hat: (1) als Mitglied des Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgans oder als persönlich haftender Gesellschafter des Emittenten oder eines mit diesem verbundenen Unternehmens, (2) aufgrund seiner Beteiligung am Kapital des Emittenten oder eines mit dem Emittenten verbundenen Unternehmens, (3) aufgrund seines Berufs, seiner Tätigkeit oder seiner Aufgabe bestimmungsgemäß oder – das ist mit dem AnSVG hinzugekommen – (4) aufgrund der Vorbereitung oder Begehung einer Straftat. Als Sekundärinsider ist dagegen anzusehen, wer – ohne Primärinsider im vorstehend ausgeführten Sinne zu sein – über Insiderinformationen verfügt. Der gesetzlichen Unterscheidung zwischen strafrechtlichen und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Sanktionen folgend, ergibt sich für die Verletzung der Insiderhandelsverbote nach § 14 Abs. 1 WpHG aus §§ 38, 39 WpHG folgendes Sanktionensystem: – Strafrechtliche Sanktionen: (1) Dem Erwerbs- und Veräußerungsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG unterliegen sowohl Primärinsider wie Sekundärinsider. Im Falle eines vorsätzlichen Verstoßes können diese mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe belegt werden (§ 38 Abs. 1 Nr. 1 WpHG). Im Falle eines leichtfertigen Verstoßes droht Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe (§ 38 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 WpHG). Auch der Versuch ist strafbar (§ 38 Abs. 4 WpHG). (2) Wegen Verstößen gegen die Verbote des § 14 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 WpHG, d.h. das Weitergabeverbot und das Empfehlungs- und Verleitungsverbot, können dagegen nur Primärinsider strafrechtlich belangt werden. Strafbar ist nur der vorsätzliche Verstoß (§ 38 Abs. 1 Nr. 1 WpHG). Die Tat kann mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden (§ 38 Abs. 1 Nr. 1 WpHG). Dem früheren Recht unbekannt, ist nunmehr auch der Versuch strafbar (§ 38 Abs. 4 WpHG). – Ordnungswidrigkeitsrechtliche Sanktionen: (1) Primärinsider, die (lediglich) leichtfertig gegen die Verbote gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 WpHG – d.h. das Weitergabeverbot oder das Empfehlungs- und Verleitungsverbot – verstoßen, handeln ordnungswidrig (§ 39 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 WpHG). Bei vorsätzlichem Verstoß ist die Tat gleichzeitig Straftat und Ordnungswidrigkeit. In diesem Falle wird gemäß § 21 OWiG nur das Strafgesetz angewendet. (2) Sekundärinsider, die vorsätzlich oder leichtfertig gegen die Verbote gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 WpHG – d.h. das Weitergabeverbot oder das Empfehlungs- und Verleitungsverbot – verstoßen, handeln ordnungswidrig. (3) Ordnungswidrigkeiten von Primär- oder
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Sekundärinsidern werden mit Geldbußen bis zu zweihunderttausend Euro geahndet (§ 39 Abs. 4 WpHG). 28
Differenziert man dagegen nach Sanktionen für Primärinsider und Sekundärinsider, so ergibt sich folgendes Bild: – Der Verstoß eines Primärinsiders gegen ein Insiderhandelsverbot nach § 14 Abs. 1 WpHG kann strafrechtliche und ordnungswidrigkeitsrechtliche Folgen haben. Strafbar ist: (1) der vorsätzliche oder leichtfertige Verstoß gegen das Erwerbs- und Veräußerungsverbot (§§ 14 Abs. 1 Nr. 1, 38 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 4 WpHG); auch der Versuch ist strafbar (§ 38 Abs. 3 WpHG); (2) der vorsätzliche Verstoß gegen das Weitergabeverbot oder das Empfehlungs- und Verleitungsverbot (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3, § 38 Abs. 1 Nr. 2 WpHG i.V.m. § 39 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 WpHG), auch hier ist der Versuch strafbar (§ 38 Abs. 3 WpHG). Lediglich eine Ordnungswidrigkeit begeht, wer als Primärinsider leichtfertig gegen das Weitergabeverbot oder das Empfehlungs- und Verleitungsverbot verstößt (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3, § 39 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 WpHG). – Sekundärinsider begehen eine Straftat, wenn sie vorsätzlich oder leichtfertig gegen das Erwerbs- und Veräußerungsverbot nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG verstoßen; auch der Versuch ist strafbar (§ 38 Abs. 3 WpHG). Dagegen stellt es lediglich eine Ordnungswidrigkeit dar, wenn Sekundärinsider vorsätzlich oder leichtfertig gegen das Weitergabeverbot nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG oder das Empfehlungs- und Verleitungsverbot nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG verstoßen. 3. Insiderüberwachung
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Die Überwachung der Einhaltung des Insiderhandelsverbots sowie die Verfolgung von Verstößen gegen dasselbe obliegt im Wesentlichen der BaFin (§ 4 Abs. 2 WpHG). Die informationellen Voraussetzungen zur Erfüllung dieser Aufgabe versucht das Gesetz gleichermaßen durch Melde- und Mitteilungspflichten der Marktteilnehmer, durch Auskunftsrechte der Behörde sowie durch Aufzeichnungspflichten zu schaffen.
30
Eine erst mit dem AnSVG 2004 in das Gesetz gelangte (§ 10 Rz. 1) Mitteilungspflicht eigener Art enthält § 10 Abs. 1 WpHG: Die Vorschrift verpflichtet Wertpapierdienstleistungsunternehmen, anderen Kreditinstituten und Betreibern von außerbörslichen Märkten, an denen Finanzinstrumente (i.S. von § 2 Abs. 2b WpHG) gehandelt werden, zur Anzeige von Verdachtsfällen in Bezug auf Verstöße gegen das Insiderhandelsverbot.
31
Eine Meldepflicht anderer Art gegenüber der BaFin besteht etwa für Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Zweigniederlassungen i.S. des § 53b KWG. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 WpHG sind sie verpflichtet, der BaFin jedes Geschäft in Finanzinstrumenten, die zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen oder in den regulierten Markt einer inländischen Börse einbezogen sind, spätestens an dem auf den Tag des Geschäftsabschlusses folgenden Werktag mitzuteilen. Die Verpflichtung gilt gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 WpHG auch für den Erwerb und die Veräußerung von Rechten auf Zeichnung von Wertpapieren, sofern diese Wertpapiere an einem organisierten Markt gehandelt werden sollen, sowie für Geschäfte in Aktien und Optionsscheinen, bei denen ein Antrag auf Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt oder auf Einbeziehung in den regulierten Markt gestellt oder öffentlich angekündigt ist. Die vorgenannten Pflichten treffen nach § 9 Abs. 1 Satz 4 WpHG
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schließlich auch Unternehmen, die ihren Sitz in einem Staat der EU oder des EWR haben und an einer inländischen Börse zur Teilnahme am Handel zugelassen sind, im Hinblick auf die von ihnen an der inländischen Börse geschlossenen Geschäfte in Finanzinstrumenten. Soweit dies für die Überwachung der Einhaltung des Insiderhandelsverbots erforder- 32 lich ist, kann die BaFin darüber hinaus gemäß § 4 Abs. 3 WpHG von jedermann Auskünfte, die Vorlage von Unterlagen und die Überlassung von Kopien verlangen sowie Personen laden und vernehmen. Bei Anhaltspunkten für einen Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot kann sich die BaFin selbst außerhalb der üblichen Geschäftszeiten Zugang zu Grundstücken und Geschäftsräumen der nach § 4 Abs. 3 WpHG auskunftspflichtigen Personen verschaffen, ohne dass es dazu des Einverständnisses der Betroffenen bedürfte (§ 4 Abs. 4 Satz 2 WpHG); ohne solche Anhaltspunkte ist dies nur zu den üblichen Geschäftszeiten erlaubt und von den Betroffenen zu gestatten (§ 4 Abs. 4 Satz 1 WpHG). Den angeführten Auskunftspflichten brauchen die Betroffenen nur dann nicht nachzukommen, wenn ihnen ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 4 Abs. 9 WpHG zusteht. Dieses hat zur Voraussetzung, dass der Auskunftspflichtige mit der Beantwortung der ihm gestellten Fragen sich selbst oder die in § 383 Abs. 1 Nrn. 1–3 ZPO genannten Angehörigen der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem OWiG aussetzen würde (§ 4 Abs. 9 Satz 1 WpHG). Über das Auskunftsverweigerungsrecht ist der Befragte zu belehren (§ 4 Abs. 9 Satz 2 WpHG). Ebenfalls zur Sicherung der informationellen Voraussetzungen zur Überwachung des 33 Insiderhandelsverbots und der Verfolgung von Insiderverstößen unterwirft § 16 Wertpapierdienstleistungsunternehmen (i.S. von § 2 Abs. 4 WpHG) sowie Unternehmen mit Sitz im Inland, die an einer inländischen Börse zur Teilnahme am Handel zugelassen sind, gewissen Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten: Vor der Durchführung von Aufträgen, die Insiderpapiere betreffen, sind bspw., sofern es sich um eine natürliche Person handelt, die persönlichen Daten des Auftraggebers und, sofern es um ein Unternehmen geht, die Firmendaten nach Maßgabe von § 16 Satz 1 WpHG zu dokumentieren und nach § 16 Satz 2 WpHG für mindestens sechs Jahre aufzubewahren. Weitergehende Aufbewahrungspflichten können sich aus § 16b WpHG ergeben. Danach kann die BaFin von den in § 16b Abs. 1 Satz 1 WpHG genannten Unternehmen für einen bestimmten Personenkreis schriftlich die Aufbewahrung vorhandener Verbindungsdaten über den Fernmeldeverkehr verlangen, sofern bezüglich dieser Personen des jeweiligen Unternehmens Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot bestehen. Sämtliche Adressaten von Überwachungsmaßnahmen nach § 4 Abs. 2 WpHG, von 34 Auskunfts- und Vorlageersuchen nach § 4 Abs. 3 WpHG sowie damit in Zusammenhang stehender Maßnahmen nach § 4 Abs. 4 WpHG dürfen niemand anders als staatliche Stellen und Personen, die aufgrund ihres Berufs einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen, von diesen Maßnahmen oder einem daraufhin eingeleiteten Ermittlungsverfahren in Kenntnis setzen (§ 4 Abs. 8 WpHG). Das bedeutet insbesondere, dass es ihnen verboten ist, diejenigen zu informieren oder zu warnen, über die die BaFin Ermittlungen angestellt und Auskunft verlangt hat. Im Interesse der effektiven Überwachung des Insiderhandelsverbots regelt das Gesetz 35 in §§ 6 und 7 WpHG die Zusammenarbeit der BaFin mit anderen Behörden im Inland und mit den zuständigen Stellen im Ausland. Begründen die Ermittlungen der BaFin den Verdacht einer Insiderstraftat nach §§ 14 Abs. 1, 38 WpHG oder hat die Behörde auf andere Weise Kenntnis von Tatsachen erlangt, die einen solchen Verdacht rechtAssmann
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fertigen, so muss die Behörde bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Anzeige erstatten (§ 4 Abs. 5 WpHG). 36
Hinsichtlich des Umgangs mit den ihr mitgeteilten oder von ihr ermittelten Daten unterliegt die BaFin den in §§ 4 Abs. 10 und 7 WpHG näher umschriebenen Verpflichtungen. Die BaFin ist darüber hinaus gehalten, angemessene Kontrollverfahren zu unterhalten, um Insiderverstößen der bei ihr Beschäftigten entgegenzuwirken (§ 16a Abs. 1 WpHG). Dazu werden der BaFin Auskunftsrechte gegenüber den Beschäftigten eingeräumt und den Beschäftigten Anzeigepflichten in Bezug auf Geschäfte in Insiderpapieren gegenüber der BaFin auferlegt (§ 16a Abs. 2 WpHG).
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Einige der vorgenannten Pflichten von Marktteilnehmern im Zusammenhang mit der Überwachung des Insiderhandelsverbots durch die BaFin sind ordnungswidrigkeitsrechtlich sanktioniert. Das gilt etwa für Verstöße gegen die Meldepflicht über Geschäfte in Insiderpapieren nach § 9 Abs. 1 Satz 1 WpHG (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 lit. a, Abs. 4 WpHG: Geldbuße bis 50 000 Euro), die Anzeigepflicht nach § 10 Abs. 1 Satz 1 WpHG (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 lit. b, Abs. 4 WpHG: Geldbuße bis 50 000 Euro), die Aufzeichnungspflicht nach § 16 Satz 1 WpHG (§ 39 Abs. 2 Nr. 10, Abs. 4 WpHG: Geldbuße bis 50 000 Euro), eine Auskunfts- oder Vorlageanordnung der BaFin nach § 4 Abs. 3 Satz 1 WpHG (§ 39 Abs. 3 Nr. 1 lit. a, Abs. 4 WpHG: Geldbuße bis 50 000 Euro) oder die sich aus § 4 Abs. 4 Satz 1 oder Satz 2 WpHG ergebende Pflicht, der BaFin ein Betreten von Grundstücken und Geschäftsräumen zu gestatten bzw. ein solches zu dulden (§ 39 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 4 WpHG: Geldbuße bis 50 000 Euro). 4. Präventive Maßnahmen zur Verhinderung von Insidergeschäften
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Insidergeschäften versucht das Insiderrecht indes nicht nur mit repressiven, sondern auch mit präventiven Maßnahmen zu begegnen. Auch wenn eine effektive Überwachung des Verbotstatbestands vorbeugende Wirkungen entfaltet, so doch nur deshalb, weil hinter ihr die Sanktionsdrohung steht. Eine Maßnahme zur Prävention von Insiderverstößen anderer Art stellt die in § 15 WpHG statuierte Verpflichtung des Emittenten börsenzugelassener Finanzinstrumente dar, Insiderinformationen, die ihn unmittelbar betreffen, unverzüglich zu veröffentlichen (sog. Ad-hoc-Publizität). Dem liegt die Überlegung zu Grunde, dass die schnellstmögliche Bekanntmachung von Insiderinformationen Insidergeschäften in sachlicher und zeitlicher Hinsicht die Basis entzieht. Obwohl auch die im Freiverkehr gehandelten Finanzinstrumente dem Insiderhandelsverbot unterliegen, trifft die sich aus § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG ergebende Verpflichtung zur Veröffentlichung von Insiderinformationen nur Inlandsemittenten i.S. von § 2 Abs. 7 WpHG (§ 2 Rz. 175 ff.). Das ist darauf zurückzuführen, dass Finanzinstrumente auch ohne Veranlassung ihrer Emittenten und auf Initiative Dritter in den Freiverkehr einbezogen und zu Insiderpapieren werden können; die Emittenten sollen deshalb nicht Pflichten ausgesetzt sein, die aus einem Vorgang resultieren, den sie nicht selbst zu verantworten haben.
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Unter den zahlreichen Änderungen, die § 15 WpHG durch das AnSVG erfahren hat (s. Einl. Rz. 29) ist hervorzuheben, dass nicht mehr die Aufsichtsbehörde, sondern der Emittent in eigener Verantwortung darüber zu entscheiden hat, ob die Voraussetzungen eines Aufschubs einer Ad-hoc-Veröffentlichung gegeben sind. Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass § 15 WpHG nicht allein insiderpräventive Bedeutung hat: 1994 aufgrund von Art. 2 Nr. 22 des 2. FFG an die Stelle des früheren, ineffektiv gebliebenen § 44a BörsG getreten, dient die Vorschrift zugleich der Herstellung infor-
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mationeller Chancengleichheit aller Kapitalmarktteilnehmer mittels zeitnaher Information des Publikums über unveröffentlichte kursrelevante Umstände. Gleichermaßen der Prävention von Insiderhandel wie der Effektivierung der Verfol- 40 gung von Insiderverstößen zu dienen geeignet, ist die sich aus dem neuen § 15b WpHG ergebende Verpflichtung der Emittenten sowie der in ihrem Auftrag oder für ihre Rechnung handelnden Personen zur Führung von Insiderverzeichnissen, d.h. von Verzeichnissen über Personen, die für den jeweiligen Emittenten tätig sind und bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen haben. Nichts anderes gilt im Hinblick auf die sich aus § 15a WpHG ergebende Pflicht zur Veröffentlichung von Geschäften potentieller Insider nach § 15a WpHG („Directors’ Dealings“). Neben ihrer präventiven und eine Informationsbasis für die Verfolgung von Insiderverstößen durch die BaFin schaffenden Wirkung kommt dieser Vorschrift noch die weitere Funktion zu, das Publikum über Geschäfte von Personen zu informieren, die regelmäßig über Insiderinformationen verfügen.
III. Regelungsbedarf und Regelungsleitbild 1. Rechtfertigung und Kritik insiderrechtlicher Regelungen Das Insiderrecht wirft, nicht zuletzt wegen der großen Zahl unbestimmter Rechts- 41 begriffe, mit denen es operiert, eine Fülle von Rechtsanwendungsproblemen auf. Dabei werden die hierzu unterbreiteten Lösungsvorschläge zugleich über die Reichweite der Insiderhandelsregelung entscheiden. Deshalb kann auch nach der Einführung einer gesetzlichen Regelung des Insiderhandels durch das WpHG nicht ohne Weiteres darüber hinweggesehen werden, dass die Fragen nach dem Sinn gesetzlicher Maßnahmen zur Unterbindung und Sanktionierung von Insidergeschäften sowie nach der Vorzugswürdigkeit gesetzlicher Maßnahmen gegenüber solchen selbstregulativer Art nach wie vor kontrovers beurteilt werden. Noch bis in die sechziger Jahre hinein erschien es unbestreitbar, dass das Verbot von 42 Insidergeschäften ein sinnvoller und integraler Bestandteil der rechtlichen Ordnung von Kapitalmärkten sei. Dem entsprach die Beobachtung, dass in dem Maße, in dem sich in nationalen Rechtsordnungen ein spezifisch kapitalmarktrechtliches System der Kapitalallokation auszudifferenzieren begann, Insiderregelungen zur Diskussion gestellt und in das Kapitalmarktrecht aufgenommen wurden. Auch die Diskussion um die Verabschiedung der EG-Insider-Richtlinie von 1989 sowie um die Notwendigkeit einer rechtsvereinheitlichten gesetzlichen Regelung des Insiderproblems machte deutlich, dass das Vorhandensein einer gesetzlichen Insiderregelung als Ausweis eines reifen und wohlgeordneten Finanzplatzes angesehen wird. Der Grund hierfür ist in der Vorstellung zu suchen, Insidergeschäfte erschütterten das Vertrauen des Anlegers in die Integrität des Kapitalmarkts im Allgemeinen und die Chancengleichheit der Marktteilnehmer im Besonderen und stellten deshalb eine Gefahr für die institutionelle Funktionsfähigkeit von Kapitalmärkten dar1. Darüber hinaus wird dem Insiderhandel aber nicht nur eine Verletzung der Anlegererwartungen, sondern die Verletzung rechtlich geschützter Interessen (nicht allein der Anleger) zugeschrieben: Insiderhandel übervorteile den nicht rechtzeitig informierten Anleger2, stelle je nach 1 Cahn, ZHR 162 (1998), 1 (2); Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 1; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 32 IV (S. 478); Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 15 Rz. 4; Schwark, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, Vor § 12 WpHG Rz. 7; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 6. 2 Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 1 m.w.N.
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der Stellung des Insiders im oder zum Unternehmen ungetreues oder rechtswidriges Handeln dar1, schädige Börse und Kapitalmarkt2 und beeinträchtige, falls durch Mitglieder des Managements vorgenommen, auch den Ruf der Gesellschaft3. 43
Aus den USA als dem Mutterland der Insidergesetzgebung verbreitete sich jedoch Mitte der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts die Botschaft, Insiderhandel sei keinesfalls anlegerschädigend, sondern sei zur Herbeiführung effizienter Kapitalmärkte und zur Schaffung der institutionellen Voraussetzungen für die effektive Leitung der Unternehmen durch ihre Manager geradezu wünschenswert und könne somit nicht als gegen Anlegerinteressen verstoßend betrachtet werden4. Seither sind zahlreiche vorwiegend ökonomische Arbeiten vorgelegt worden, welche die Annahme von der Schädlichkeit des Insiderhandels für die Anleger und den Kapitalmarkt zu widerlegen suchen und gegen ein gesetzliches Insiderhandelsverbot argumentieren5. Die einschlägigen Untersuchungen haben indes die noch immer vorherrschende Ansicht, Insiderhandel sei im Interesse funktionsfähiger Kapitalmärkte staatlicherseits zu verhindern und zu sanktionieren6, nicht nachhaltig erschüttern können: Das hängt vor allem damit zusammen, dass sich die zur Kritik des gesetzlichen Insiderhandelsverbots vorgetragenen ökonomietheoretischen Prämissen und Argumente sowie die beiden zu Grunde liegenden tatsächlichen Annahmen schon untereinander zu sehr widersprechen, um von der Gesetzgebung als Handlungsanweisung zur Einleitung einer Kehrtwende in der Insiderhandelspolitik akzeptiert und propagiert werden zu können.
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Neben den ökonomischen Einwänden gegen ein generelles gesetzliches Verbot des Insiderhandels ist in den letzten Jahren auch wieder7 die Kritik an der strafrechtlichen Sanktionierung von Insiderhandelsverboten in den Vordergrund gerückt8. Gleichzeitig wird aber auch geltend gemacht, dass auf eine strafrechtliche Sanktio-
1 Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 1 (mit Fn. 4 und 5 unter Hinweis auf die sog. Fiduciary Duty Theory und die Misappropriation Theory). 2 Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 1 (mit Fn. 3: „Gefahr von Insidergeschäften schreckt Anleger ab“ = Vertrauensverlust; Veranlassung von Intermediären „zu höheren Spreads, um sich gegen die Gefahr von Insidergeschäften abzusichern“); Schwark, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, Vor § 12 WpHG Rz. 7; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 6 (Nutzung von Informationen, deren Wert dem Unternehmen zustehe). 3 Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 6. 4 Manne, Insider Trading and the Stock Market, 1966; Manne, In Defense of Insider Trading, Harvard Business Review 44 (1966), 113. 5 Vgl. dazu die Hinweise bei Hausmaninger, S. 5 ff.; Hopt, AG 1995, 353 ff.; Mennicke, S. 57 ff.; Ott/Schäfer, ZBB 1991, 226; Lahmann, S. 37 ff.; Rudolph, in: FS Moxter, S. 1333; H. Schmidt, in: Hopt/Wymeersch (eds.), S. 21 ff. Gegen eine deutsche Insidergesetzgebung aus ökonomischer Sicht Oberender/Daumann, Ordo 43 (1992), 255; Schneider, DB 1993, 1429; Schweizer, S. 27 ff. Zur Diskussion s. auch die Übersichten bei J. Hartmann, S. 21 ff.; Krauel, S. 20 ff., 42 ff. 6 S. dazu etwa (m.w.N.) Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.83. 7 S. schon Volk, ZHR 142 (1978), 16 f.; Kirchner, in: FS Kitagawa, S. 677 f.; aus schweizerischer Sicht Koch, Insiderwissen und Insiderinformation in strafrechtlicher Sicht, 1979, S. 129. 8 S. etwa Haouache, insbes. S. 57 ff., 155 ff.; Hausmaninger, S. 299 ff.; auch Wolf, in: FS Döser, S. 255; vgl. auch die Übersicht bei Mennicke, S. 479 ff., der i.E. allerdings nur für eine stärkere Differenzierung nach Begehungstatbestand und Sanktion eintritt. Zum Sinn der Regelung des Insiderhandels, namentlich einer strafrechtlichen Sanktionierung desselben, zuletzt (in rechtsvergleichender Perspektive) s. Villeda.
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nierung nicht verzichtet werden könne1. Teils richtet sich die Kritik gegen die Strafbewehrung des Insiderrechts gegen die allgemeinen (und als bedenklich empfundenen) Tendenzen zur Ausweitung des Wirtschaftsstrafrechts und des Schutzes schwer bestimmbarer überindividueller Rechtsgüter durch Strafrecht2, teils beschränkt sie sich auf den speziellen Fall des Insiderhandels. In letzterer Hinsicht wird etwa geltend gemacht: die negativen Erfahrungen anderer Länder mit strafrechtlichen Sanktionen3; die Schwierigkeiten bei der Begründung der Strafwürdigkeit von Insidergeschäften4; die mit einer (vermuteten) hohen Dunkelziffer und Aufklärungsproblemen verbundene Selektivität der strafrechtlichen Sanktion; und nicht zuletzt die Verletzung des Prinzips der Subsidiarität (oder, diesem entsprechend, des „ultima-ratio“-Prinzips) strafrechtlicher Sanktionen. Wie auch immer man die Triftigkeit der vorgebrachten Argumente beurteilen mag, ist an dieser Stelle doch zumindest ein strenger Umgang mit dem Straftatbestand des Insiderhandels anzumahnen. Dieser ist vor allem im Hinblick auf die Auslegung der zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffe des Insiderhandelsverbots erforderlich, bei der sich in der Praxis der strafrechtlichen Verfolgung durchaus auch bedenkliche Entwicklungen gezeigt haben5. 2. Regelungsleitbild des deutschen Insiderrechts Der Versuch, der Richtlinie und dem deutschem Insiderrecht ein Regelungsleitbild 45 zu entnehmen, welches nicht nur eine richtlinienkonforme Anwendung des deutschen Rechts gestattet (Einl. Rz. 75)6, sondern vor allem auch eine konsistente Anwendung, Auslegung und Fortentwicklung des deutschen Insiderrechts ermöglicht, fällt nicht sonderlich ergiebig aus: Die Richtlinie und das ihrer Umsetzung dienende WpHG nach Maßgabe des 2. FFG betrachten die Insiderregelung übereinstimmend als rechtliche Einlösung der den Kapitalanlegern gewährten Zusicherung, dass sie gleichbehandelt und gegen die unrechtmäßige Verwendung von Informationen geschützt würden7. Diese Aussage freilich gehört mehr in den Bereich der Legitimation des Regelungsbedarfs, als dass sich ihr ein operationales Rechtsanwendungsleitbild entnehmen ließe. Das hängt damit zusammen, dass ganz offenbar keine umfassende informationelle Gleichbehandlung von Anlegern angestrebt wird, sondern lediglich eine solche in Bezug auf diejenigen Informationen, die rechtmäßig allen Marktteilnehmern zustehen, deshalb zu veröffentlichen sind und vor der Veröffentlichung einem Verwertungsverbot unterliegen. Darum ist es der juristischen Analyse aufgegeben, der Gesamtheit der insiderrechtlichen Bestimmungen zu entnehmen, welchem Regelungsleitbild der Gesetzgeber implizit folgt, wenn er die Verwertung bestimmter Informationen als unrechtmäßig qualifiziert und damit dem informationellen Gleichbehandlungsgebot erst seine wirkliche Gestalt verleiht.
1 S. etwa Krauel, S. 215 ff.; Soesters, S. 57 ff.; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 8. 2 Haouache, S. 74 ff., 155 ff.: Entwicklung eines „Feindbildstrafrechts“; vgl. auch die Hinweise bei Mennicke, S. 489 ff. 3 Hausmaninger, S. 306. 4 S. dazu die Hinweise bei Mennicke, S. 481 ff. 5 Vgl. Assmann, WM 1996, 1355 f. 6 Speziell zum Insiderrecht etwa: Hausmaninger, S. 145 ff.; Mennicke, S. 120 ff. 7 Erwägungsgründe 5, 6 der EG-Insiderrichtlinie, ABl. EG Nr. L 334 v. 18.11.1989, S. 30; Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 33; zu weiteren Zielen der EG-Insiderrichtlinie s. Mennicke, S. 141 ff.
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In dieser Hinsicht stellt es eine Versuchung dar, die Insiderregelung im WpHG einer der vor allem in den USA entwickelten Theorien zum Rechtsgrund einer Insiderregelung zuzuordnen. Entsprechende Bemühungen, die EG-Richtlinie auf ihre Übereinstimmung mit der equal access-, der fiduciary duty- oder der misappropriation-theory1 zu überprüfen, haben sich sowohl als schwierig als auch als wenig fruchtbar erwiesen2. Selbst nach Ausübung der in der Richtlinie enthaltenen Wahlrechte verspricht ein solches Verfahren für das deutsche Insiderrecht keinen größeren Erfolg3. Auch der weiteren Versuchung, ökonomische und juristische Insiderregelungstheorien in das deutsche Insiderrecht hineinzuprojizieren oder der Rechtsanwendung und -fortbildung als Leitbild zu empfehlen, gilt es zu widerstehen4. Immerhin lassen sich aber dem deutschen Insiderrecht einige, seine Details übergreifende Leitlinien zur Bestimmung des Gebots informationsbezogener Gleichbehandlung der Marktteilnehmer oder, genauer, zur Qualifizierung unrechtmäßiger Verwertung nicht öffentlicher Informationen entnehmen.
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Zunächst ist beachtlich, dass weder die Richtlinie noch das deutsche Insiderrecht das Urteil über die Unrechtmäßigkeit der Verwertung unveröffentlichter Informationen mit der Existenz eines Treupflicht- oder Vertragsverhältnisses des Informationsträgers verbinden. Sowohl die europäische als auch die deutsche Regelung entscheiden sich damit gegen Regelungsmodelle, welche das Insiderrecht aus einem unternehmensorientiert-gesellschaftsrechtlichen Ansatz eingrenzen und gestalten wollen, und für eine markt(funktions)bezogene Regelungsperspektive5. Konkreten Ausdruck hat dies im deutschen Insiderrecht etwa darin gefunden, dass der Kreis der Insider nicht gesellschaftsbezogen umrissen wird, der Unternehmensbezug vielmehr nur bei der Bestimmung des Kreises von Primärinsidern und hier im Hinblick auf die Sanktionierung von Verstößen gegen das Insiderhandelsverbot eine Rolle spielt.
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Man wird im Befund des Marktbezugs des Insiderrechts noch einen Schritt weiter gehen und feststellen dürfen, dass auch die Herkunft einer unveröffentlichten Information grundsätzlich keine Rolle mehr bei der Qualifizierung ihrer Verwertung als unrechtmäßig spielt, vielmehr erst wieder im Rahmen besonderer Ausnahmetatbestände Bedeutung erlangt. Deren Ansatzpunkt wiederum kann ebenfalls als markt(funktions)bezogen bezeichnet werden, liegt ihnen doch, gleich, ob bewusst oder unbewusst, der gemeinsame Nenner zu Grunde, die Verwertung nichtöffentlicher Informationen nur in dem Maße zu gestatten, als dies wiederum zur Gewährleistung der Rolle bestimmter Institutionen für das Funktionieren der Finanzierungsmärkte unerlässlich ist. 1 Zu diesen Theorien ausführlich Bergmans, Inside Information and Securities Trading, 1991, S. 12 f., 21 ff., 45 ff.; J. Hartmann, S. 51 ff.; Kraakman, in: Hopt/Wymeersch (eds.), S. 39, 40 ff.; K.-P. Weber, S. 51 ff. Kurzüberblick bei Hopt, ZGR 1991, 17, 27 f. Im Zusammenhang mit der Bestätigung der misappropriation-theory durch den US-Supreme Court (US v. O’Hagan) s. Lange, WM 1998, 525 ff.; Lenenbach/Lohrmann, RIW 1998, 116 f. 2 Hopt, ZGR 1991, 28. 3 Für einen solchen Versuch s. aber zuletzt K.-P. Weber, S. 197 ff., der dem deutschen Insiderrecht die Verfolgung einer gegenüber US-amerikanischen Vorbildern weiterentwickelten „Equal-Access-Theorie“ zugeschrieben hat. 4 Ebenso Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, Vor § 12 WpHG Rz. 20; Schwark, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 2. Aufl. 1994, Vor § 12 WpHG Rz. 11. 5 In Bezug auf das deutsche Recht näher Assmann, AG 1994, 202 f. (239); Caspari, ZGR 1994, 532; J. Hartmann, S. 189 ff.; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 6; Kümpel, Bankund Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 16.53; Lücker, S. 23 ff.; Rothenhöfer, in: Kümpel/ Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.458; Soesters, S. 43 ff., insbes. 51 ff., 75 ff., 83.
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Dem Marktbezug des Insiderrechts korrespondiert der Funktionenschutz, d.h. der 49 Schutz des Ansehens und des Funktionierens der deutschen und der europäischen Kapitalmärkte1 sowie namentlich des Vertrauens der Anleger in die „gute Ordnung“ dieser Märkte (d.h. vor allem Gewährleistung von Chancengleichheit der Marktteilnehmer und Transparenz der Märkte)2, als vorrangiger Schutzzweck des Insiderrechts3 (s. auch § 14 Rz. 7). Das entsprach der Zielrichtung der EG-Insider-Richtlinie, für die der Funktionenschutz in Gestalt des „reibungslosen Funktionierens“ der Märkte im Vordergrund steht4, und entspricht der Richtlinie 2003/6/EG vom 24.12.2003 (Marktmissbrauchsrichtlinie, Einl. Rz. 29). Schon im Hinblick auf den Erlass von Insiderbestimmungen als Maßnahme zur Sicherung des Anlegervertrauens5 schließt der markt- und funktionenschützende Charakter des Insiderrechts nach einer im Schrifttum verbreiteten Ansicht allerdings weder eine individualschützende Komponente6 der einschlägigen Bestimmungen noch die Möglichkeit aus, das Insiderhandelsverbot als Schutzgesetz i.S. des § 823 Abs. 2 BGB zu betrachten7. Die heute h.M. misst dem Insiderhandelsverbot dagegen keinen unmittelbaren und ansprüchsbegründenden individualschützenden Charakter bei (s. § 14 Rz. 7 und insbes. Rz. 208). Die Entscheidung dieser Frage sollte allerdings nicht als rechtspolitischer und -dogmatischer Glaubenskampf betrieben werden, sondern von der Beurteilung der Frage abhängen, inwieweit der Individualschutz im Einzelnen geboten ist, um den angestrebten Funktionenschutz gewährleisten zu können.
§ 12 Insiderpapiere Insiderpapiere sind Finanzinstrumente, 1. die an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen oder in den regulierten Markt oder in den Freiverkehr einbezogen sind, 2. die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind oder
1 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 45 zu § 12 Abs. 1. 2 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 33. Vgl. auch Erwägungsgründe 2, 12 f., 15 der Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6/EG; RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 1, 26. 3 Assmann, AG 1994, 203; Hammen, in: BuB, Rz. 7/67; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 4; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, S. 478; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 15 Rz. 4; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 3; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.458; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, Vor § 12 WpHG Rz. 16; Schwark/Zimmer, in: Schwark/Zimmer, Vor § 12 WpHG Rz. 13. 4 Erwägungsgründe 1, 3 ff. der Richtlinie, Rz. 10; s. auch Soesters, S. 80 ff. 5 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 45, einerseits und Erwägungsgründe 4–6 der EGInsiderrichtlinie, Rz. 10 andererseits; s. auch Mennicke, S. 143 ff. 6 Assmann, AG 1994, 203 f.; Assmann, ZGR 1994, 499; Hammen, in: BuB, Rz. 7/671; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 6; Hopt, ZHR 159 (1995), 159; Hopt, WM 2009, 1881; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.459; Schwark/Zimmer, in: Schwark/Zimmer, Vor § 12 WpHG Rz. 13. 7 Etwa Assmann, ZGR 1994, 498 f.; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 6 f.; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, Vor § 12 WpHG Rz. 18.
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3. deren Preis unmittelbar oder mittelbar von Finanzinstrumenten nach Nummer 1 oder Nummer 2 abhängt. Der Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt oder der Einbeziehung in den regulierten Markt oder in den Freiverkehr steht gleich, wenn der Antrag auf Zulassung oder Einbeziehung gestellt oder öffentlich angekündigt ist. In der Fassung des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 16.7.2007 (BGBl. I 2007, 1330). Schrifttum: s. Vor § 12 und § 2.
Inhaltsübersicht I. Gesetzessystematische Bedeutung des Begriffs der Insiderpapiere und Normentwicklung . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Insiderpapiere. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
1. Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . .
5
2. An einem inländischen Markt gehandelte Finanzinstrumente (§ 12 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 WpHG) . . . . . . . 6 3. An einem ausländischen Markt gehandelte Finanzinstrumente (§ 12 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 WpHG) . . . . . . . 9 4. Derivate (§ 12 Satz 1 Nr. 3 WpHG) . 11
I. Gesetzessystematische Bedeutung des Begriffs der Insiderpapiere und Normentwicklung 1
Mit dem Verbot von Insidergeschäften soll die Funktionsfähigkeit der Wertpapiermärkte innerhalb der EU sowie der EWR-Vertragsstaaten gesichert werden1. Dementsprechend grenzt das Gesetz den Anwendungsbereich des Insiderhandelsverbots auf Wertpapiermärkte ein und bedient sich hierzu u.a. des Begriffs der Insiderpapiere: Den Insiderhandelsverboten des § 14 Abs. 1 WpHG unterliegen nur solche Personen, die über eine Insiderinformation verfügen, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf die Insiderpapiere selbst beziehen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG).
2
Die Vorschrift ist von den verschiedenen Novellierungen des WpHG (Einl. Rz. 16 ff.) in ihrem materiellen Regelungsgehalt zunächst nicht berührt worden. Die durch Art. 2 Nr. 12 des Umsetzungsgesetzes 1997 (Einl. Rz. 19) und Art. 3 Nr. 2 des 3. FFG (Einl. Rz. 20) veranlassten Änderungen der Bestimmung waren lediglich redaktioneller Natur. Gleiches gilt für die auf Art. 2 Nr. 6 des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes (4. FFG) vom 21.6.2002 (s. Einl. Rz. 26) zurückgehenden Änderungen (in Gestalt der Erwähnung des „geregelten Markts“ an verschiedenen Stellen der Vorschrift), welche lediglich Folge der Änderung des BörsG durch das 4. FFG in Gestalt der Neuregelung über die Einbeziehung von Wertpapieren in den seinerzeitigen geregelten Markt nach §§ 49 Abs. 1, 56 BörsG a.F. waren. Erst durch das AnSVG vom 28.10.2004 (Einl. Rz. 29), auf dem die heutige, durch das FRUG vom 16.7.2007 (Einl. Rz. 36) nur geringfügig geänderte Fassung der Vorschrift beruht, ist § 12 WpHG tiefgreifender geändert worden: Mit der Anknüpfung der Definition der Insiderpapiere, statt wie bisher an den Begriff der Wertpapiere, an denjenigen der Finanzinstrumente (§ 2 Abs. 2b WpHG), verband sich nicht nur eine terminologische Änderung, sondern auch eine solche in der Reichweite des Anwendungsbereichs der Insiderpapiere und damit auch des Insiderhandelsverbots. Die Änderungen der Vorschrift durch Art. 1 1 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 45. S. auch Vor § 12 Rz. 45 ff.
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Nr. 9 des FRUG sind lediglich redaktioneller Art: Wenn in § 12 Satz 1 Nr. 1 WpHG die Wörter „geregelter Markt“ durch die Wörter „regulierter Markt“ ersetzt wurden, so ist dies dem Umstand geschuldet, dass am 1.11.2007 die seinerzeitigen Marktsegmente „amtlicher Markt“ und „geregelter Markt“ in den neuen „regulierten Markt“ überführt wurden1. Die weitreichendste Änderung des maßgeblich den Anwendungsbereich des Insiderrechts bestimmenden § 12 WpHG hat aber nicht durch eine Änderung des Wortlauts der Vorschrift selbst stattgefunden; sie beruht vielmehr auf der Erweiterung des Begriffs der Finanzinstrumente in § 2b WpHG, welche ihrerseits auf die Änderungen der im Begriff der Finanzinstrumente zusammengefassten Begriffe der Wertpapiere i.S. des § 2 Abs. 1 WpHG, der Geldmarktinstrumente i.S. des § 2 Abs. 1a WpHG und der Derivate i.S. des § 2 Abs. 2 WpHG (vgl. dazu § 2 Rz. 4 ff., 35 ff. bzw. 38 ff.) zurückgeht. Die Definition der Insiderpapiere in Anknüpfung an den Begriff der Finanzinstru- 3 mente (§ 2 Abs. 2b WpHG) dient der Umsetzung von Art. 2 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie (Einl. Rz. 29) und geht zurück auf deren Art. 1 Nr. 3. Sie schließt Wertpapiere, Geldmarktinstrumente und Derivate i.S. von § 2 Abs. 1, Abs. 1a und Abs. 2 WpHG sowie Rechte zur Zeichnung von Wertpapieren ein und erfasst hiermit (über die europasekundärrechtlichen Anforderungen hinausgehend) auch solche Instrumente, die lediglich in den Freiverkehr einbezogen sind. Darüber hinaus unterfallen der Definition der Insiderpapiere auch Derivate, die nicht selbst zum Handel an einem organisierten Markt der EU zugelassen sind, deren Preis aber unmittelbar oder mittelbar von börsenzugelassenen Finanzinstrumenten i.S. von § 12 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 WpHG abhängt (§ 12 Satz 1 Nr. 3 WpHG; s. unten Rz. 11). Nach wie vor und auch insoweit über die europasekundärrechtlichen Anforderungen hinausgehend, lässt das deutsche Insiderrecht die Insiderhandelsverbote nicht erst in dem Zeitpunkt eingreifen, in dem eine Zulassung zu einem oder eine Einbeziehung in einen geregelten Markt erfolgt ist. Ausreichend ist vielmehr, dass ein Antrag auf Zulassung oder Einbeziehung der als Insiderpapiere in Betracht kommenden Finanzinstrumente gestellt oder öffentlich angekündigt wurde (§ 12 Satz 2 WpHG).
II. Insiderpapiere Nicht alle Finanzinstrumente i.S. des § 2 Abs. 2b WpHG sind als solche bereits In- 4 siderpapiere. Zu Insiderpapieren werden sie vielmehr erst dadurch, dass sie zusätzlich eine der in § 12 Satz 1 Nrn. 1–3 WpHG genannten Voraussetzungen erfüllen. Insiderpapiere sind danach Finanzinstrumente, die entweder an einem der in § 12 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 WpHG genannten inländischen bzw. ausländischen börslichen Märkte gehandelt werden oder deren Preis unmittelbar oder mittelbar von den solchermaßen erfassten Finanzinstrumenten abhängt. 1. Finanzinstrumente Der Begriff der Finanzinstrumente ist in § 2 Abs. 2b WpHG definiert. Er umfasst 5 Wertpapiere i.S. von § 2 Abs. 1 WpHG, Geldmarktinstrumente i.S. von § 2 Abs. 1a WpHG, Derivate i.S. von § 2 Abs. 2 WpHG und Rechte auf Zeichnung von Wertpapieren. Zum Begriff der Finanzinstrumente s. die Erläuterungen in § 2 Rz. 58 ff.; zu den einzelnen als Finanzinstrumente erfassten Instrumenten s. die Erläuterungen in § 2 Rz. 4 ff., 35 ff., 38 ff. und 60. 1 Vgl. RegE FRUG, BT-Drucks. 16/4028, S. 84 zu § 32 BörsG.
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2. An einem inländischen Markt gehandelte Finanzinstrumente (§ 12 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 WpHG) 6
Finanzinstrumente sind Insiderpapiere, wenn sie an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen oder in den regulierten Markt (§§ 32 ff. BörsG, s. oben Rz. 2) oder in den Freiverkehr (§ 48 BörsG) einbezogen sind (§ 12 Satz. 1 Nr. 1 WpHG). Nicht erfasst sind dagegen Finanzinstrumente, die – ohne an einem der von § 12 Satz 1 Nr. 1 WpHG erfassten börslichen Märkte zum Handel zugelassen oder in den Handel einbezogen zu sein – ausschließlich dem Handel im (außerbörslichen) Telefonverkehr unterliegen1. Gleiches gilt für ausschließlich auf dem sog. grauen Kapitalmarkt (Einl. Rz. 5 ff.) gehandelte Anlageinstrumente, auch wenn sie wertpapiermäßig verbrieft sind. Handelt es sich bei dem fraglichen Finanzinstrument um ein Insiderpapier, ist es allerdings im Hinblick auf die Insiderhandelsverbote des § 14 WpHG unerheblich, ob der Handel in dem Markt, in dem es gehandelt wird, oder außerhalb desselben (bspw. als Verkauf eines Aktienpakets in einer Zwei-Parteien-Austauschbeziehung) stattfindet; irrelevant ist insoweit auch die Art und Weise, in der eine solche Transaktion erfüllt wird.
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An einer inländischen Börse zum Handel zugelassene Finanzinstrumente sind Finanzinstrumente i.S. von § 2 Abs. 2b WpHG, die an einer der inländischen Wertpapierbörsen (am regulierten Markt, §§ 32 ff. BörsG; s. Rz. 2), Terminbörsen (Eurex Frankfurt AG, Frankfurt; European Energy Exchange AG, Leipzig; RMX Risk Management Exchange AG, Hannover) oder Warenbörsen gehandelt werden. Neben der Zulassung (§ 32 BörsG) ist auch die Einbeziehung von Wertpapieren an Wertpapierbörsen zum regulierten Markt möglich (s. § 33 BörsG); beide sind durch § 12 Satz 1 Nr. 1 WpHG erfasst. Die Handelsart – Präsenzhandel oder elektronischer Handel – ist unerheblich2. Die im Freiverkehr gehandelten Wertpapiere hat der Gesetzgeber von Anfang an in die Insiderhandelsregelung mit einbezogen und ging damit schon über die Anforderungen der Insiderrichtlinie (Vor § 12 Rz. 10) in Bezug auf die zu erfassenden Märkte hinaus. Für die allgemein anerkannte Erweiterung des Anwendungsbereichs des Insiderrechts auf den Freiverkehr wurde vor allem angeführt, der Freiverkehr werde vom inländischen und ausländischen Publikum (u.a. aufgrund zahlreicher gemeinsamer Bestimmungen und Rechtsgrundsätze zum Schutze der Anleger) weithin als ein Marktsegment der Börse betrachtet, weshalb die Aufdeckung sanktionsfreier Insidergeschäfte in Freiverkehrspapieren den gesamten Wertpapiermarkt in Misskredit brächte3. Für die Beibehaltung dieser Regelung bei 1 Caspari, ZGR 1994, 530 (543); Hammen, in: BuB, Rz. 7/679; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.100; Mennicke, in: Fuchs, § 12 WpHG Rz. 16; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 12 Rz. 13; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.464; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 12 WpHG Rz. 10; Sethe, in: Assmann/ Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 15; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 12 WpHG Rz. 10. 2 Assmann, AG 1994, 245; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.466; Siebold, S. 127 f.; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 12 WpHG Rz. 4. 3 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 45; Assmann, AG 1994, 245 m.w.N.; Assmann, ZGR 1994, 494 (516 f.); Becker, S. 67; Caspari, ZGR 1994, 534; Hammen, in: BuB, Rz. 7/678; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 12; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 32 IV (S. 480); Mennicke, in: Fuchs, § 12 WpHG Rz. 14; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 12 Rz. 11; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.467; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 12 WpHG Rz. 8; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 15; Siebold, S. 127; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 12 WpHG Rz. 11.
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§ 12
Insiderpapiere
der Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie durch das AnSVG (vgl. Vor § 12 Rz. 13) wurde weiter geltend gemacht, sie trage vor allem dem Umstand Rechnung, dass in der Vergangenheit gerade im Handelssegment des Freiverkehrs eine verhältnismäßig große Zahl von Insiderdelikten zu registrieren gewesen sei1. Die Einbeziehung von Wertpapieren in den regulierten Markt oder in den Freiverkehr kann auch ohne den Willen des Emittenten der Wertpapiere erfolgen. Nach § 33 Abs. 4 BörsG ist die Einbeziehung von Wertpapieren in den regulierten Markt lediglich mit der Verpflichtung der Börsengeschäftsführung verbunden, den Emittenten von der Einbeziehung zu unterrichten. Was den Freiverkehr betrifft, gehört allein für die Einbeziehung von Aktien oder aktienvertretenden Zertifikaten in den Entry Standard und als Teilbereich des Open Markets an der Frankfurter Wertpapierbörse gemäß § 16 Abs. 3 lit. d Allgemeine Geschäftsbedingungen für den Freiverkehr an der Frankfurter Wertpapierbörse2 die schriftliche Zustimmung des Emittenten gegenüber dem antragstellenden Teilnehmer zu den Einbeziehungsvoraussetzungen; im Übrigen verlangen die Börsen in den Freiverkehrsbedingungen heute allenfalls, der Antragsteller solle den Emittenten der in den Handel einzubeziehenden Wertpapiere über die beabsichtigte Einbeziehung unterrichten. Das hat zur Folge, dass zu den Insiderpapieren auch solche Wertpapiere gehören können, die ohne den Willen des Emittenten in den regulierten Markt oder in den Freiverkehr einbezogen wurden. Das ist, obschon die Einbeziehung in den regulierten Markt oder in den Freiverkehr keine Ad-hoc-Publizitätspflicht des Emittenten nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG nach sich zieht3, als (auch verfassungsrechtlich) bedenklich angesehen worden, weil der Emittent und seine Organe im Hinblick auf die Wertpapiere des Emittenten damit auch gegen deren Willen den Insiderhandelsverboten des § 14 Abs. 1 WpHG unterliegen können4. Gewiss wird die Handlungsfreiheit des Emittenten, seiner Organe und seiner Mitarbeiter mit der Einbeziehung der vom Emittenten begebenen Wertpapiere in diese Märkte eingeschränkt und zudem trifft den Emittenten noch die Pflicht, durch entsprechende Compliance-Vorkehrungen die Einhaltung der Insiderhandelsverbote im Unternehmen sicherzustellen, doch ist nicht erkennbar, dass die Freiheit des Emittenten, in Bezug auf die von ihm emittierten Papiere nicht ohne sein Zutun Insiderhandelsverboten zu unterliegen, zu seinen verfassungsrechtlich geschützten Rechtspositionen gehört und die Einbeziehung der von ihm emittierten Papiere in den regulierten Markt oder in den Freiverkehr bereits als Eingriff in dieselben anzusehen ist5. Der Zulassung eines Finanzinstruments zum Handel an einer inländischen Börse oder der Einbeziehung eines solchen in den regulierten Markt oder in den Freiverkehr steht es nach § 12 Satz 2 WpHG gleich, wenn ein Antrag auf Zulassung oder Einbeziehung gestellt oder öffentlich angekündigt wurde (sog. Handel per Erscheinen). Zwar erwähnt § 12 Satz 2 WpHG die Finanzinstrumente, die an einer inländi1 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 1, 33. Vgl. schon oben Vor § 12 Rz. 24. 2 Stand 23.5.2011, abrufbar von der Website http://deutsche-boerse.com über die Rubriken: Listing . Listing . Regularien . FWB-Regelwerke, oder über den Ersteintrag bei Google bei Eingabe der Stichworte: Allgemeine Geschäftsbedingungen Deutsche Börse Freiverkehr. 3 Adressat des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG sind Inlandsemittenten i.S. von § 2 Abs. 7 WpHG, und als solche kommen nach dieser Vorschrift i.V.m. § 2 Abs. 6 WpHG nur Emittenten in Betracht, deren Finanzinstrumente zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. 4 Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 12 WpHG Rz. 9. 5 I.E. auch Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 12 WpHG Rz. 12, die das Eingreifen des Insiderhandelsverbots vom Ausgang dieser Debatte unbeeinflusst sehen.
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§ 12
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schen Börse zum Handel zugelassen sind, nicht explizit, doch handelt es sich bei einer inländischen Börse (Rz. 7) unzweifelhaft um einen organisierten Markt i.S. der Vorschrift und der Definition organisierter Märkte in § 2 Abs. 5 WpHG. Ein Zulassungsantrag ist gestellt, wenn er der zuständigen Börse zugegangen ist1. Ein Antrag auf Zulassung ist als öffentlich angekündigt anzusehen, wenn der Emittent oder ein anderweitiger Anbieter der Wertpapiere in einer an einen unbestimmten Personenkreis gerichteten und entsprechend publizierten Erklärung darauf hinweist, dass die Notierung der fraglichen Papiere in dem fraglichen Marktsegment beabsichtigt ist2. 3. An einem ausländischen Markt gehandelte Finanzinstrumente (§ 12 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 WpHG) 9
Zu den Insiderpapieren gehören auch Finanzinstrumente, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den EWR zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. Zu den EWR-Vertragsstaaten gehören zurzeit Island, Liechtenstein und Norwegen. Gemäß § 2 Abs. 5 WpHG ist ein organisierter Markt ein in diesen Staaten betriebenes oder verwaltetes, durch staatliche Stellen genehmigtes, geregeltes und überwachtes multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von dort zum Handel zugelassenen Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach festgelegten Bestimmungen in einer Weise zusammenbringt oder das Zusammenbringen fördert, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt; zu Einzelheiten s. § 2 Rz. 158 ff.
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Nach § 12 Satz 2 WpHG steht es der Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel an einem der in § 12 Satz 1 Nr. 2 WpHG angeführten ausländischen Märkte gleich, wenn ein Antrag auf Zulassung zu denselben gestellt oder öffentlich angekündigt ist. Zur Frage, wann ein Zulassungsantrag als gestellt oder als öffentlich angekündigt anzusehen ist, s. die Hinweise in Rz. 8. Die Insiderhandelsverbote des § 14 WpHG greifen folglich auch dann ein, wenn es, etwa im Rahmen internationaler Konzernfinanzierungsvorgänge, um Transaktionen in Papieren einer ausländischen Tochtergesellschaft eines inländischen Unternehmens im EU- oder EWR-Raum geht3. 4. Derivate (§ 12 Satz 1 Nr. 3 WpHG)
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Entsprechend den Vorgaben in Art. 1 Nr. 1 lit. b–d der Insiderrichtlinie (Vor § 12 Rz. 10) galten als Insiderpapiere von Anfang an auch die im seinerzeitigen § 12 Abs. 2 WpHG (a.F.) aufgeführten Derivate. An die Stelle der Aufzählung der als Insiderpapiere anzusehenden Derivate ist mit § 12 Satz 1 Nr. 3 WpHG eine allgemeine Umschrei1 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 45: „… der Börse vorliegt“. Weiter BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 29; Mennicke, in: Fuchs, § 12 WpHG Rz. 23; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 12 Rz. 25; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.469; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 18; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 12 WpHG Rz. 10. 2 Ähnlich Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 45. Wie hier BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 29; Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 12 WpHG Rz. 5; Hammen, in: BuB, Rz. 7/680; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 16; Mennicke, in: Fuchs, § 12 WpHG Rz. 25; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 12 Rz. 25; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bankund Kapitalmarktrecht, Rz. 3.469; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 18; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 12 WpHG Rz. 10. 3 Assmann, in: Lutter/Scheffler/U. H. Schneider, Handbuch Konzernfinanzierung, Rz. 12.37.
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Insiderpapiere
bung der als Insiderpapiere erfassten Derivate getreten. Dass es dieser Bestimmung bedurfte, wo doch der Begriff Finanzinstrumente (§ 2 Abs. 2b WpHG), auf den sich Satz 1 in Nr. 1 und Nr. 2 bezieht, denjenigen der Derivate (i.S. von § 2 Abs. 2 WpHG) mit umfasst, hat zweierlei Gründe: Zum einen sollen als Insiderpapiere nur solche Derivate erfasst werden, die als Basiswert („underlying“) – d.h. als Finanzinstrument, von denen der „Preis“ des Derivats unmittelbar oder mittelbar abhängt – eines der unter § 12 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 WpHG fallenden Finanzinstrumente haben; insoweit schränkt § 12 Satz 1 Nr. 3 WpHG den Kreis der als Insiderpapiere in Betracht kommenden Derivate i.S. des § 2 Abs. 2 WpHG ein. Zum anderen sollen – Art. 1 Nr. 3 und Art. 9 Abs. 2 der Marktmissbrauchsrichtlinie (Einl. Rz. 29) umsetzend – auch solche Derivate erfasst werden, die sich zwar auf Finanzinstrumente i.S. von § 2 Abs. 2b WpHG i.V.m. § 12 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 WpHG beziehen, aber ihrerseits nicht an einem der in § 12 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 WpHG angeführten Märkte gehandelt werden; insoweit erweitert § 12 Satz 1 Nr. 3 WpHG den Kreis der als Insiderpapiere in Betracht kommenden Derivate, wie er sich schon aus der Anwendung von § 12 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 WpHG ergibt1. Dass es einer Erfassung von Derivaten als Insiderpapiere bedarf, ist heute unbestrit- 12 ten2: Würde sich Insiderrecht auf den Handel mit Wertpapieren und anderen nicht derivativen Finanzinstrumenten beschränken, wäre es Insidern ein Leichtes, das Verbot des Insiderhandels durch den Erwerb von Instrumenten zu umgehen, deren Preisbildung maßgeblich von der Kursentwicklung derjenigen Finanzinstrumente beeinflusst wird, auf die oder auf deren Emittenten sich die vorhandenen Insiderinformationen beziehen. Deshalb ist es nur konsequent, dass die auf das AnSVG (Rz. 2) zurückgehende Neufassung des § 12 WpHG in ihrer abstrakten Umschreibung von Derivaten nicht mehr nur die bekannten börsengehandelten und wertpapierbasierten Derivate erfasst, wie sie in § 12 Abs. 2 WpHG alter (durch das AnSVG geänderter) Fassung aufgeführt waren, sondern alle (börsen- oder nicht börsengehandelten) Derivate, sofern sie sich nur auf Finanzinstrumente als Insiderpapiere (i.S. von §§ 2 Abs. 2b, 12 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 WpHG) beziehen. Zu den Derivaten i.S. des § 12 Satz 1 Nr. 3 WpHG gehören insbesondere Options- 13 geschäfte, die sich auf ein von § 12 Satz 1 Nrn. 1 und 2 WpHG erfasstes Finanzinstrument als Basiswert beziehen. Unabhängig von ihrer Ausgestaltung und Verbindung mit anderen Finanzinstrumenten (wie etwa Wandelschuldverschreibungen) im Einzelfall sind deshalb Optionen, die das Recht auf den Erwerb eines Insiderpapiers i.S. des § 12 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 WpHG zum Gegenstand haben, ebenfalls als Insiderpapiere zu betrachten. Namentlich die Führungskräften oder Mitarbeitern im Rahmen von Aktienoptionsprogrammen („stock option plans“) eingeräumten Rechte auf Bezug von Aktien des Unternehmens, in dem sie beschäftigt sind, oder von Aktien anderer (i.d.R. verbundener) Unternehmen, sind deshalb, gleich ob sie an einem börslichen Marktsegment gehandelt werden oder nicht, als Insiderpapiere zu betrach-
1 Vgl. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 1, 33. 2 Etwa BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 29; Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 12 WpHG Rz. 4; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.98; Mennicke, in: Fuchs, § 12 WpHG Rz. 29; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.472; Zimmer/ Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 12 WpHG Rz. 7. Kritisch gegenüber der Einbeziehung von Derivaten in die Insiderpapiere noch Soesters, S. 105. Die Kritik beruht allerdings auf dem unzutreffenden und den eigenen Prämissen des Autors zum Schutzzweck des Insiderrechts entgegenlaufenden Argument, „schutzwürdig“ seien „nur die Wertpapiere, die bei der Finanzierung der Wirtschaftssubjekte eine Rolle spielten“.
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Insiderpapiere
ten1. Das jedenfalls war das Ziel des Gesetzgebers bei der Neufassung des § 12 WpHG in Gestalt von dessen Satz 1 Nr. 3 durch das AnSVG (Rz. 2)2: Dieser sollte die Strafbarkeitslücke schließen, welche sich daraus ergab, dass etwa der Abschluss oder die Veräußerung nicht an einer Börse oder im Freiverkehr gehandelter Optionsgeschäfte ein Vehikel darstellte, um Insiderinformationen zu nutzen. Deshalb ging der Inhaber nicht zum Börsenhandel zugelassener und in den Freiverkehr einbezogener Aktienoptionen, der diese in Kenntnis negativer Insiderinformationen über die Aktien, auf die sich die Option bezog, und als Primärinsider in Bezug auf die Aktien veräußerte, nicht straffrei aus3. 14
Dass der Wortlaut des § 12 Satz 1 Nr. 3 WpHG die gesetzgeberische Absicht abdeckt, ist nicht zu bezweifeln: Auch die vom Begünstigten im Rahmen eines Aktienoptionsprogramms ohne Gegenleistung erlangte Option hat ihren Preis im Sinne der Bestimmung und dies erst recht, wenn man „Preis“ im Sinne des „Werts“ der Option begreift. Des Weiteren handelt es sich bei Optionsgeschäften in Bezug auf Wertpapiere auch um Finanzinstrumente nach § 2 Abs. 2b WpHG i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG: Deshalb sind im Rahmen von Mitarbeiteroptionsprogrammen ausgegebene Optionen, die durch eigene Aktien („Belegschaftsaktien“ i.S. von § 71 Abs. 1 Satz 2 AktG) bedient werden sollen, als Insiderpapiere zu behandeln4.
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Derivate i.S. des § 12 Satz 1 Nr. 3 WpHG sind auch die über das Internet angebotenen und abgewickelten sog. Clickoptions5. Wenn sie, was die Regel ist, als Optionen oder Termingeschäfte in Bezug auf Insiderpapiere nach § 12 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 WpHG ausgestaltet sind, spielt es keine Rolle, dass sie weder an einer Börse gehandelt werden noch in den Freiverkehr einbezogen sind und es ihnen auch sonst, mangels eines Sekundärmarkts, an jeglicher Fungibilität fehlt.
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Zu den von § 12 Satz 1 Nr. 3 WpHG als Insiderpapiere erfassten Derivaten gehören, entgegen einer anderweitigen h.M.6, auch sog. Stock Appreciation Rights, d.h. Rechte auf Teilhabe an der Wertsteigerung virtueller Aktien („Phantom Stock“), v.a. in
1 Vgl. Claussen/Florian, AG 2005, 748; Hammen, in: BuB, Rz. 7/683; Hopt, in: BankrechtsHandbuch, § 107 Rz. 14; Mennicke, in: Fuchs, § 12 WpHG Rz. 34; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 12 Rz. 20; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.473; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 12 WpHG Rz. 16; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 17; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 12 WpHG Rz. 15 ff. Nach der Änderung des Derivatebegriffs des § 12 WpHG durch das AnSVG (vgl. Rz. 11) überholt: OLG Karlsruhe v. 4.2.2004 – 3 Ws 195/03, AG 2004, 512. 2 S. dazu BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 29. 3 OLG Karlsruhe v. 4.2.2004 – 3 Ws 195/03, AG 2004, 512 = ZIP 2004, 1360. Ähnliches Beispiel in BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 29. 4 Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 14; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.96; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 12 Rz. 22; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.473. 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 29; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 14. 6 Regelmäßig mit dem Hinweis, es handele sich bei diesen nicht um Finanzinstrumente: BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 29; Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 12 WpHG Rz. 4; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 15; Klasen, AG 2006, 24 (27 f.); Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.94 f.; Mennicke, in: Fuchs, § 12 WpHG Rz. 39; Merkner/ Sustmann, NZG 2005, 729 (730); Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 12 WpHG Rz. 14; Widder, WM 2010, 1885/1886; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 12 WpHG Rz. 8.
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§ 13
Insiderinformation
Gestalt sog. Phantom Stock Plans1. Unschädlich ist nämlich, dass es sich bei den durch „Stock appreciation rights“ und „Phantom Stock Plans“ eingeräumten Rechten auf Zahlung einer Geldsumme nicht selbst um am Markt hervortretende Finanzinstrumente mit Entlohnungscharakter handelt, solange sie nur, wie vorliegend, am Markt gehandelt werden können und sich auf Finanzinstrumente i.S. von § 12 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 WpHG i.V.m. § 2 Abs. 2b WpHG beziehen. Näher hierzu § 15a Rz. 68 f.
§ 13 Insiderinformation (1) Eine Insiderinformation ist eine konkrete Information über nicht öffentlich bekannte Umstände, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf die Insiderpapiere selbst beziehen und die geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen. Eine solche Eignung ist gegeben, wenn ein verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde. Als Umstände im Sinne des Satzes 1 gelten auch solche, bei denen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass sie in Zukunft eintreten werden. Eine Insiderinformation ist insbesondere auch eine Information über nicht öffentlich bekannte Umstände im Sinne des Satzes 1, die sich 1. auf Aufträge von anderen Personen über den Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten bezieht oder 2. auf Derivate nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 mit Bezug auf Waren bezieht und bei der Marktteilnehmer erwarten würden, dass sie diese Information in Übereinstimmung mit der zulässigen Praxis an den betreffenden Märkten erhalten würden. (2) Eine Bewertung, die ausschließlich auf Grund öffentlich bekannter Umstände erstellt wird, ist keine Insiderinformation, selbst wenn sie den Kurs von Insiderpapieren erheblich beeinflussen kann. In der Fassung des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 16.7.2007 (BGBl. I 2007, 1330). Schrifttum: s. Vor § 12.
Inhaltsübersicht I. Normentwicklung und gesetzessystematische Bedeutung der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Insiderinformation (§ 13 Abs. 1 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konkrete Information . . . . . . . . . . . .
4 6
a) Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 b) Existierende Umstände und eingetretene Ereignisse (Tatsachen) . 11 c) Zukünftige Umstände und Ereignisse (§ 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 3. Nicht öffentlich bekannte Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
1 Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 12 Rz. 20; Sethe, unten § 15a Rz. 69 f. Wohl auch Hammen, in: BuB, Rz. 7/683.
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§ 13 4. Emittenten- oder Insiderpapier-Bezug der Information . . . . . . . . . . . . . . 5. Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung (§ 13 Abs. 1 Satz 2 WpHG) a) Bedeutung und Struktur des Merkmals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erheblichkeit der Kursbeeinflussung (§ 13 Abs. 1 Sätze 1 und 2 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kanon kurserheblicher Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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42 50 50 54 62
6. Regelbeispiele (§ 13 Abs. 1 Satz 4 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 a) Aufträge über Geschäfte mit Finanzinstrumenten (§ 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 WpHG) . . . . . . . . . . . 70 b) Informationen für organisierte Derivatemärkte (§ 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 WpHG) . . . . . . . . . . . 73 III. Auswertung öffentlich bekannter Umstände (§ 13 Abs. 2 WpHG) . . . . 75
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I. Normentwicklung und gesetzessystematische Bedeutung der Vorschrift 1
Abs. 1 der Vorschrift ist erstmals durch das AnSVG vom 28.10.2004 (Einl. Rz. 29) geändert worden. In seiner alten Fassung enthielt Abs. 1 eine Definition sowohl des Begriffs des Insiders, auf den die Primärinsider treffenden Insiderhandelsverbote nach § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG a.F. anwendbar waren, als auch des Begriffs der Insidertatsache. Nachdem auch § 14 WpHG durch das AnSVG geändert worden ist und die in § 14 Abs. 1 WpHG enthaltenen Insiderhandelsverbote nicht mehr zwischen verschiedenen Insidergruppen – nämlich Primärinsider und Sekundärinsider – unterscheiden, wurde die Definition des Insiderbegriffs aus der Vorschrift herausgenommen und, geringfügig ergänzt, in § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. a–d WpHG überführt. Dies wiederum hat seinen Grund darin, dass das Gesetz im Hinblick auf die strafrechtliche bzw. ordnungswidrigkeitsrechtliche Sanktion von Verstößen gegen die Insiderhandelsverbote des § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG nach wie vor – freilich ohne sich dieser gängigen Terminologie zu bedienen – zwischen Primär- und Sekundärinsidern unterscheidet (s. schon Vor § 12 Rz. 15, 17, 25 ff.). Durch das FRUG vom 16.7.2007 (Einl. Rz. 36) wurde in Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 die Angabe „§ 2 Abs. 2 Nr. 4“ durch die Angabe „§ 2 Abs. 2 Nr. 2 mit Bezug auf Waren“ ersetzt. Dabei handelt es sich lediglich um eine redaktionelle Anpassung an Änderungen des § 2 Abs. 2 WpHG, die ebenfalls auf dem FRUG beruhen (vgl. § 2 Rz. 40). Abs. 2 der Bestimmung hat durch das AnSVG dagegen nur (auf Änderungen des Abs. 1 zurückgehende) terminologische Änderungen erfahren und ist in seinem Regelungsgehalt unverändert geblieben. Die Vorschrift ist seither unverändert. Auch die Änderung der Überschrift der Vorschrift aufgrund des AnSVG ist lediglich dem Austausch des Begriffs der Insidertatsache durch den der Insiderinformation geschuldet.
2
Mit Abs. 1 in seiner ursprünglichen Fassung wurde Art. 1 Nr. 1 (Begriff der Insiderinformation) und Art. 2 Abs. 1 (Kreis der Primärinsider) der Insiderrichtlinie (Einl. Rz. 13) umgesetzt. Die in §§ 38 Abs. 1, 39 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 WpHG in der Sache fortgeführte Differenzierung zwischen Primär- und Sekundärinsider (vgl. Vor § 12 Rz. 25) erfolgt in Übereinstimmung mit Art. 2 Abs. 1 Satz 2 und Art. 4 der Marktmissbrauchsrichtlinie vom 28.1.2003 (Einl. Rz. 29). Die spätere Neufassung des Abs. 1 durch das AnSVG und die Ersetzung des Begriffs der Insidertatsache durch den der Insiderinformation ging im Wesentlichen auf Art. 1 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie zurück (zu weiteren europasekundärrechtlichen Grundlagen s. Rz. 3). Die Regelung in Abs. 2 folgt einem Hinweis in Erwägungsgrund 13 der Insiderrichtlinie, der sich auch in Erwägungsgrund 31 der Marktmissbrauchsrichtlinie wiederfindet.
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§ 13
Insiderinformation
Die gesetzessystematische Stellung und der Regelungsgehalt der Vorschrift ergeben 3 sich daraus, dass gegen die Insiderhandelsverbote des § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG nur verstoßen kann, wer über eine Insiderinformation verfügt. Was eine Insiderinformation ist, definiert § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG der Bestimmung. Das in dieser Definition enthaltene Merkmal der Eignung zur erheblichen Beeinflussung des Börsenoder Marktpreises von Insiderpapieren wird in § 13 Abs. 1 Satz 2 WpHG unter Verwendung eines „subjektiven Ansatzes“ umschrieben. § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG bestimmt, dass zukunftsbezogene Informationen Insiderinformationen darstellen, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass sie in Zukunft eintreten werden. Schließlich enthält § 13 Abs. 1 Satz 4 WpHG in Nr. 1 und Nr. 2 Regelbeispiele für Informationen, die als Insiderinformationen in Betracht kommen: Nr. 1 – Art. 1 Nr. 1 Satz 2 der Marktmissbrauchsrichtlinie (s. Einl. Rz. 29) und Art. 1 Abs. 2 der zu dieser ergangenen Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG vom 22.12.20031 umsetzend – macht deutlich, dass Insiderinformation auch die Kenntnis der Aufträge anderer Personen über den Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten sein kann und erfasst damit namentlich den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren in Kenntnis kursrelevanter Kundenaufträge („Frontrunning“). Nach Nr. 2, mit der Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 der Marktmissbrauchsrichtlinie und Art. 4 der Richtlinie 2004/72/EG2 umgesetzt werden, kommen als Insiderinformationen in Bezug auf die an organisierten Märkten gehandelten Waren- oder Edelmetallderivate vor allem solche Informationen in Betracht, von denen der Marktteilnehmer erwartet, dass er sie in Übereinstimmung mit der zulässigen Praxis an den betreffenden Märkten erhalten würde. § 13 Abs. 2 WpHG ordnet an, dass Bewertungen, die ausschließlich aufgrund öffentlich bekannter Tatsachen erstellt wurden, keine Insiderinformationen darstellen, auch wenn sie im Einzelfall als kursrelevant anzusehen sind.
II. Insiderinformation (§ 13 Abs. 1 WpHG) 1. Übersicht Wurde zur Formulierung des Insiderhandelsverbots bis zur Änderung des § 14 WpHG 4 durch das AnSVG (Vor § 12 Rz. 13) auf den in § 13 Abs. 1 WpHG a.F. definierten Begriff der Insidertatsache zurückgegriffen, so bedient sich die Regelung des Insiderhandelsverbots heute des Begriffs der Insiderinformation (zum Grund hierfür s. Rz. 2). Wurden beide Begriffe früher durchaus schon deshalb synonym verwandt, weil die zunächst umzusetzende EG-Insiderrichtlinie (Einl. Rz. 13) selbst den Begriff der „inside information“ verwandte, so weist die Definition des Begriffs der Insiderinformation in § 13 Abs. 1 WpHG doch einige Unterschiede zu dem der Insidertatsache nach § 13 Abs. 1 WpHG a.F. auf, die eher zu einer Erweiterung als zu einer Verengung der Reichweite des Insiderhandelsverbots führen. Mit der Ersetzung des Begriffs der Insidertatsache durch den der Insiderinformation verbindet sich damit sowohl eine sachliche als auch eine sprachliche Anpassung an das Europasekundärrecht (in Gestalt der Marktmissbrauchsrichtlinie, Einl. Rz. 29) und das Insiderrecht der übrigen Mitgliedstaaten der EU.
1 ABl. EU Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 70. 2 Richtlinie 2004/72/EG vom 29.4.2004 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG – Zulässige Marktpraktiken, Definition von Insider-Informationen in Bezug auf Warenderivate, Erstellung von Insider-Verzeichnissen, Meldung von Eigengeschäften und Meldung verdächtiger Transaktionen […], ABl. EU Nr. L 162 v. 30.4.2004, S. 70.
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Insiderinformation
Die komplexe Definition der Insiderinformation in § 13 Abs. 1 WpHG lässt sich in vier Begriffselemente aufspalten. Danach ist eine Insiderinformation – eine konkrete Information über Umstände, – die nicht öffentlich bekannt sind, – die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf Insiderpapiere selbst beziehen und – die geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen. 2. Konkrete Information a) Maßstab
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Mit der Umschreibung der Insiderinformation als „konkrete Information über … Umstände“ folgt der Gesetzgeber in der Sache der Definition der „Insider-Information“ in Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie (Einl. Rz. 29). Dabei mag verwundern, dass der Gesetzgeber nicht die Terminologie der Marktmissbrauchsrichtlinie übernimmt und anders als diese und zuvor schon die EG-Insiderrichtlinie statt von einer „präzisen“ von einer „konkreten“ Information spricht, doch ist dies für die Definition der Insiderinformation folgenlos: der Begriff der konkreten Information ist mithin als die Transformation des Begriffs der präzisen Information in deutsches Recht zu begreifen, so dass die Begriffe als synonym betrachtet werden können. Entsprechendes gilt für die Tatsache, dass im Gesetz von einer Information über „Umstände“ die Rede ist, während sich die Definition der Marktmissbrauchsrichtlinie mit dem Begriff der Information begnügt. Das bedeutet zugleich, dass dem Begriff der „Umstände“, auf den sich Information beziehen muss, keine selektive Bedeutung zukommt. Seine Aufgabe erschöpft sich darin deutlich zu machen, dass der Begriff der Insiderinformation von dem früheren der Insidertatsache abweicht, in dem es nicht um Informationen über Tatsachen, sondern um Informationen über Umstände geht, die nicht zwingend Tatsachen sein müssen1. Dass die Vorschrift nur von konkreten Informationen über „Umstände“ spricht und, anders als die Marktmissbrauchsrichtlinie, nicht auch von Informationen über „Ereignisse“, ist darauf zurückzuführen, dass sich die im Finanzausschuss aufgekommene Ansicht durchsetzte, der Begriff der „Umstände“ umfasse auch „Ereignisse“2.
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Kommt dem Begriff der konkreten Information keine andere Bedeutung zu als demjenigen der präzisen Information, so lässt sich zur Auslegung des Begriffs der konkreten Information auf die Umschreibung des Begriffs der präzisen Information in Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2003/124/EG vom 22.12.20033 zurückgreifen4. Dieser zufolge ist eine Information dann als präzise anzusehen, „wenn damit eine Reihe von Umstän1 Vgl. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 33: „Der Begriff des Umstands geht über den bisherigen Begriff der Tatsache hinaus … “. Auch OLG Stuttgart v. 15.2.2007 – 901 Kap 1/06, AG 2007, 250 (252); Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 229; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 64; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 19 mit Fn. 7; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 12; Schwintek, S. 19; Spindler, NJW 2004, 3450. 2 S. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3493 v. 1.7.2004, S. 51. 3 ABl. EU Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 70. 4 Ebenso etwa Hammen, in: BuB, Rz. 7/710; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 25.
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den gemeint ist, die bereits existieren oder bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft existieren werden, oder ein Ereignis, das bereits eingetreten ist oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten wird, und diese Information darüber hinaus spezifisch genug ist, dass sie einen Schluss auf mögliche Auswirkungen dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf die Kurse von Finanzinstrumenten oder damit verbundenen derivativen Finanzinstrumenten zulässt.“ Bei genauer Betrachtung enthält diese Definition einer präzisen Information zwei 8 Stufen: Auf einer ersten Stufe geht es darum, ob eine Information als eine solche über einen existierenden Umstand oder ein eingetretenes Ereignis oder als eine solche über zukünftig existierende Umstände oder eintretende Ereignisse zu qualifizieren ist, wobei zukunftsbezogene Informationen nur dann als Insiderinformationen in Betracht kommen, wenn eine hinreichende Eintrittswahrscheinlichkeit für den fraglichen Umstand oder das fragliche Ereignis angenommen werden kann. Erfüllt eine Information diese Voraussetzungen, ist auf einer zweiten Stufe die Kursspezifität dieser Information zu prüfen. Dabei geht es nicht um die Kurserheblichkeit der Information (d.h. ihre Eignung, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsenoder Marktpreis eines Insiderpapiers erheblich zu beeinflussen), sondern darum, ob sie spezifisch genug ist, um eine Aussage über ihre Kursrelevanz für ein Insiderpapier zu erlauben1. Die Bedeutung dieser zweiten Prüfungsstufe erschließt sich, wenn man berücksichtigt, dass die Definition von Insiderinformation in Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie explizit auch Informationen mit indirektem Bezug zu Emittenten und Insiderpapieren als Insiderinformationen aufführt. Angesichts der Fülle der Informationen über Umstände oder Ereignisse, die den Emittenten oder Insiderpapiere mittelbar berühren können, kommt dem Merkmal der Spezifität der Insiderinformation eine Auslesefunktion zu. Zwar weist es eine gewisse Nähe zu dem der Kurserheblichkeit der fraglichen Information auf (Eignung, den „Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen“), doch ist hierbei kein Urteil über die Kurserheblichkeit verlangt, sondern lediglich eine Antwort auf die Frage, ob die Information überhaupt hinreichenden Emittenten- oder Insiderpapierbezug aufweist, um ein Urteil über die Kurserheblichkeit zu gestatten. Zu den Informationen, die dementsprechend bereits als nicht präzise oder konkret ausgeschieden werden können, gehören beispielsweise sog. Marktinformationen (auch „Marktdaten“), d.h. Informationen über Marktverhältnisse und Wettbewerbsparameter, die für alle Marktteilnehmer verbindlich sind2, auch wenn sie einzelne Branchen oder Marktteilnehmer mehr treffen als andere. Erst wenn solche Marktinformationen bestimmbare Auswirkungen auf einzelne Emittenten oder Insiderpapiere haben, sind sie spezifisch genug, um ein Urteil über ihre Auswirkungen
1 Ähnlich BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 30, mit dem Hinweis, eine Information sei konkret, wenn sie so bestimmt sei, dass sie „hinreichende Grundlage für eine Einschätzung über den zukünftigen Verlauf des Börsen- oder Marktpreises eines Insiderpapiers bilden“ könne. Mit dem vom Leitfaden mit Vorliebe verwandten Begriff der Einschätzung, den man dem Journalismus überlassen sollte, ist eine Prognose über den Kursverlauf gemeint. Zustimmend Bachmann, ZHR 172 (2008), 605 („verwirrende Vermengung von Tatbestandsmerkmalen“). Ebenso Eichner, S. 49; Hammen, in: BuB, Rz. 7/710; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 26; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 7, 14. 2 Lösler, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 18; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 29, 45.
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auf die Kurse der in Betracht kommenden Insiderpapiere zu erlauben1; dass sie den Emittenten oder Insiderpapiere nur mittelbar berühren, spielt dann keine Rolle (vgl. unten Rz. 45). Käme es bspw. dazu, dass die Federal Trade Commission der USA Antidumpingzölle für „golf carts from Europe“ verhängen würde, so hätte man dies grundsätzlich als eine Marktinformation im vorstehenden Sinne anzusehen, die nicht hinreichend emittenten- oder insiderpapierspezifisch wäre, um eine Insiderinformation abzugeben. Diese Beurteilung müsste indes anders ausfallen, wenn etwa auf dem deutschen Markt nur ein Hersteller von „golf carts“ mit hoher Abhängigkeit vom Export solcher „carts“ in die USA zu finden wäre. 10
Folgt man der Auslegung des Begriffs der Insiderinformation als präziser Information, wie er der Insiderrichtlinie 1989 zu Grunde lag und sich in der Marktmissbrauchsrichtlinie (Einl. Rz. 29) wiederfindet, durch den 1. Strafrechtssenat des BGH in seiner Entscheidung vom 6.11.20032, so werden hierunter nur Informationen mit einem „Drittbezug“ erfasst3. Gemeint ist damit, dass eine von einer Person selbst geschaffene Tatsache – im konkreten Fall ging es um den Erwerb von Wertpapieren in der Absicht, sie anschließend anderen zum Erwerb zu empfehlen („Scalping“, s. dazu § 14 Rz. 48) – für sie selbst keine Information sein könne, oder m.a.W., dass für eine Person eine Information nur etwas sein könne, was sich auf etwas anderes als ihre eigene „innere“ Sphäre bezieht. Diese Annahme ist, wie das folgende Beispiel zeigen mag, logisch nicht zwingend und teleologisch im Hinblick auf das Regelungsziel des Insiderrechts fragwürdig: Mit der Notwendigkeit der Beschaffung einer beträchtlichen Zahl von Teilen und der Auswahl unter drei objektiv gleichwertigen Lieferanten konfrontiert, beschließt der Geschäftsführer G der X-GmbH, den Großauftrag der börsennotierten Y-AG zu erteilen, in der Absicht, sich vor Erteilung des Auftrags reichlich mit den niedrig notierten Wertpapieren der AG einzudecken und sie nach der Ad-hoc-Veröffentlichung des Großauftrags durch die AG mit Gewinn zu veräußern. Unter Zugrundelegung der Ansicht des BGH bliebe dieses Verhalten des G, das unzweifelhaft auf die Erzielung eines Sondervorteils durch Wissensvorsprung ausgerichtet ist, insiderrechtlich sanktionsfrei, ohne andererseits den Tatbestand der Marktmanipulation nach § 20a WpHG zu erfüllen4. Der EuGH hat in der Georgakis-Entscheidung5 – allerdings ohne tiefere Begründung – die hier vertretene Ansicht bestätigt6, so dass nach 1 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 34 li. Sp. oben; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.481; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 29, 45. 2 BGH v. 6.11.2003 – 1 StR 24/03, NJW 2004, 302 (303) = AG 2004, 144. 3 Zustimmend etwa Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 78: Kümpel/Veil, Wertpapierhandelsgesetz, S. 56; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 15 Rz. 39; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 13; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 22 (nicht unproblematisch, aber erforderlich); Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 16; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 31; Sethe, ZBB 2006, 248. Bedenken („zu überdenken“), erläutert am Beispiel einer noch nicht bekannt gegebenen richterlichen Entscheidung eines Einzelrichters bzw. eines Kollegialorgans, Schröder, in: FS Nobbe, 2009, S. 755 ff. 4 Der Ansicht des BGH zwar folgend, aber ebenso kritisch mit ähnlichem Beispiel Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 31, bzw. mit gleichem Beispiel Hammen, in: BuB, Rz. 7/710a. Kritisch und sachlich eher zu der hier vertretenen Ansicht neigend Schröder, in: Achenbach/Ransiek, X 2 Rz. 132. Kritisch auch Fürsich, S. 130 ff. Für den Beispielsfall wie hier Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 13. 5 EuGH v. 10.5.2007 – Rs C-391/04 („Georgakis“), AG 2007, 542. 6 S. auch Assmann, ZHR 172 (2008), 657. Wie hier Mennicke, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 59, 154 ff., § 14 WpHG Rz. 161. A.A. Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 16b („Die insiderrechtliche Beurteilung des Scalping fällt nach der Georgakis-Entscheidung nicht anders aus als zuvor“).
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einer richtlinienkonformen Auslegung des § 13 von einer Person selbst geschaffene „innere Tatsachen“ auch für diese Insiderinformationen sein können (s. auch § 14 Rz. 49). Das gilt umso mehr, wenn die fragliche Person lediglich an einer gemeinschaftlichen Entscheidung beteiligt war1. Können Personen in Bezug auf ihr Vorhaben – etwa ein Übernahmeangebot abzugeben – Insider sein, so sind sie dadurch allerdings nicht gehindert, ihren Plan wie vorgesehen – etwa durch den sukzessiven Aufkauf von Aktien der Zielgesellschaft – auszuführen, denn nach nahezu einhelliger Ansicht stellt die Ausführung eines Vorhabens keine Verwertung einer Insiderinformation dar, weil es an der Ursächlichkeit der Insiderinformation für das Handeln des Betreffenden fehlt (s. § 14 Rz. 25 ff.). Auch nach der Ansicht, die eine Insiderinformation nur für den Fall annehmen will, dass sie einen „Drittbezug“ aufweist, stellt die Kenntnis von fremden Entschlüssen eine konkrete Information dar2. b) Existierende Umstände und eingetretene Ereignisse (Tatsachen) Der Begriff der „Umstände“ erfasst auch „Ereignisse“ i.S. der Marktmissbrauchs- 11 richtlinie (s. oben Rz. 6 a.E.). Indem die Umschreibung einer präzisen Information in Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2003/124/EG vom 22.12.2003 (Rz. 7) alle existierenden Umstände oder eingetretenen Ereignisse zu Insiderinformationen erklärt, wenn sie nur spezifisch genug sind, einen Schluss auf die Kurse von Insiderpapieren zu erlauben, kommen alle Tatsachen betreffende Informationen als Insiderinformationen in Betracht3. Dabei ist der Begriff der Tatsache, wie schon nach altem Recht, selbstständig unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Insiderhandelsverbots auszulegen und ist nicht gleichbedeutend mit dem eines Tatbestands des StGB, wie etwa dem Beleidigungs-4 oder Betrugstatbestand5. Tatsachen sind der äußeren Wahrnehmung zugängliche Geschehnisse oder Zustände6 der Außenwelt (sog. äußere Tatsachen) und des menschlichen Innenlebens (sog. innere Tatsachen)7. Der äußeren Wahrnehmung zugänglich kann nur das sein, was auch dem Beweis zugänglich („verifizierbar“) ist8. Geht es um die Mitteilung von Geschehnissen oder Zuständen, so kommt es allein auf die Verifizierbarkeit (im Sinne der Möglichkeit eines Beweises) derselben, nicht aber darauf an, ob der Informant 1 EuGH v. 10.5.2007 – Rs C-391/04 („Georgakis“), AG 2007, 542 Rz. 33, 35. 2 BGH v. 6.11.2003 – 1 StR 24/03, NJW 2004, 302 (303) = AG 2004, 144. Sethe, in: Assmann/ Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 31. 3 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 30; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 19; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 29; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 23; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 12; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.478; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 8. 4 Lücker, S. 51. 5 Cramer, in: FS Triffterer, S. 323; Lücker, S. 51. 6 Hess. VGH v. 16.3.1998 – 8 TZ 98/98, AG 1998, 436, mit Anm. Assmann. S. auch BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 30. 7 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 30; Burgard, ZHR 162 (1998), 63; Gehrt, S. 120/121; Pananis, WM 1997, 461/462 m.w.N. insbes. zu dem auf die Rspr. des RG zurückgehenden strafrechtlichen Tatsachenbegriff; Kümpel/Veil, Wertpapierhandelsgesetz, S. 56; Schröder, in: Achenbach/Ransiek, X 2 Rz. 127; Soesters, S. 141. 8 Burgard, ZHR 162 (1988), 63; Dierlamm, NStZ 1996, 521; Kümpel/Veil, Wertpapierhandelsgesetz, S. 56; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 32; Pananis, WM 1997, 461; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 9; Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 130; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 8; Wittich, AG 1997, 2.
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oder der Informationsempfänger in der Lage ist, sie im Einzelfall tatsächlich zu verifizieren1. Um eine konkrete Information handelt es sich auch dann, wenn sie mit Geltungsanspruch mitgeteilte und verifizierbare Aussagen über Umstände oder Ereignisse zum Gegenstand hat, die sich im Nachhinein als unwahr erweisen2; entscheidend ist allein, ob die Information im Zeitpunkt ihrer Erlangung, wäre sie öffentlich bekannt geworden, als zutreffende Information angesehen und geeignet gewesen wäre, den Kurs der betroffenen Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen. An dem Merkmal einer konkreten Information wird es dagegen mangeln, wenn die Aussage – wie etwa Gerüchte (dazu unten Rz. 17) – zugleich Zweifel an der Wahrheit ihres Inhalts mitliefert. 13
Nicht der Verifizierung zugänglich ist der Inhalt von Werturteilen, Ansichten und Meinungen3, darunter vor allem Rechtsauffassungen, d.h. Aussagen über das Ergebnis der Anwendung objektiven Rechts auf objektive Sachverhalte4. Allerdings können auch Werturteile, Ansichten und Meinungen einen Tatsachenkern haben oder selbst Tatsacheninformationen mit sich führen, die Insiderinformationen sein können5. Auch stellt der Umstand, dass eine Person eine bestimmte Meinung vertritt, Umstände oder Ereignisse in bestimmter Weise bewertet oder die Meinung oder Bewertung eines anderen teilt oder nicht teilt, zweifellos eine der Überprüfung zugängliche äußere oder innere Tatsache dar6. Das allein macht diese Tatsache allerdings noch nicht zur konkreten Tatsache. Denn eine solche ist sie allein dann, wenn sie spezifisch genug ist, um eine Aussage über ihre Kursrelevanz für ein Insiderpapier zu erlauben (Rz. 8)7. Schließlich muss sie, um als Insiderinformation zu gelten, auch noch öffentlich unbekannt und vor allem geeignet sein, den Markt- oder Börsenpreis eines Insiderpapiers erheblich zu beeinflussen. Diese Voraussetzungen können im Einzelfall gegeben sein, wenn der Verkehr – namentlich aufgrund der Person, die das Werturteil abgegeben hat und/oder den Umständen, unter denen es kundgegeben wurde – Werturteile (wie bspw. die Aussage eines Vorstandsvorsitzenden bei einem 1 Darum geht es wohl dem Hess. VGH v. 16.3.1998 – 8 TZ 98/98, AG 1998, 436, wenn er – in der Formulierung allerdings nicht vertretbar – behauptet, die Verifizierbarkeit/Beweisbarkeit spiele für den Begriff der Tatsache keine Rolle. Ebenso Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 32. 2 Ebenso Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 35; Schwark/Kruse, in: Schwark/ Zimmer, § 13 WpHG Rz. 25; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 33. A.A. in Bezug auf Insidertatsachen nach dem alten Recht Tippach, 1995, S. 78: „insiderrechtlich irrelevant“. A.A. zum neuen Recht Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 83. 3 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 46. S. im Übrigen die Nachw. in der vorigen Fn. und Hess. VGH v. 16.3.1998 – 8 TZ 98/98, AG 1998, 436. S. auch Grothaus, ZBB 2005, 62; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 21; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.115; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 39; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 8; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 33. 4 Caspari, in: Baetge (Hrsg.), S. 68; Cramer, in: FS Triffterer, S. 333; Hammen, in: BuB, Rz. 7/711; grds. auch Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 44; Pananis, WM 1997, 462; Pananis, Insidertatsache, S. 75. A.A. Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 86. 5 Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.116; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 39, 41; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 14. 6 Vgl. Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 84 ff.; Mennicke/ Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 44; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 16.86; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 14; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 15; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 34. 7 Ebenso Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 15 a.E.
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Analystengespräch vor der Hintergrund mehrerer Quartale mit negativen Ergebnissen: „Die Ertragslage des Unternehmens ist in diesem Quartal gut“) wie Tatsachen behandelt1. Auch Tipps, Empfehlungen und Ratschläge haben regelmäßig keinen Inhalt, der ei- 14 nem Beweis zugänglich ist, und stellen deshalb als solche keine Insiderinformationen dar2. Doch wiederum ist der Umstand, dass jemand Dritten einen Tipp oder einen bestimmten Ratschlag gegeben hat oder zu geben beabsichtigt, eine verifizierbare konkrete äußere bzw. innere Tatsache3. Der Umstand, dass der Inhalt des Tipps, der Empfehlung oder des Rats als vage zu betrachten ist, ändert daran nichts und wird erst im Hinblick auf die Kursrelevanz der Information relevant. Die Frage, ob Tipps, Empfehlungen und Ratschläge Insiderinformationen darstellen, hat in der Vergangenheit allerdings weniger im Hinblick auf bereits abgegebene Tipps oder Empfehlungen Bedeutung erlangt als in Bezug auf die einer Person bekannt gewordene Absicht von exponierten Marktteilnehmern (wie Kreditinstituten, Börseninformationsdiensten, „Börsengurus“ etc.), demnächst einen bestimmten Tipp oder eine Empfehlung gegenüber der Marktöffentlichkeit abzugeben. Schon vor der Rechtsänderung durch das AnSVG als Information über eine (innere) Tatsache behandelt (s. 3. Aufl. des Kommentars Rz. 37), besteht aufgrund der Klarstellung in § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG kein Zweifel daran, dass es sich bei der Absicht zur Abgabe einer Empfehlung, eines Tipps oder eines Rats um eine konkrete Information handelt, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass die Abgabe zukünftig erfolgen wird. Dessen ungeachtet können Werturteile, Meinungen, Ansichten, Tipps, Empfehlungen und Ratschläge aber auch einen Tatsachenkern aufweisen oder mit der Mitteilung von Tatsachen einhergehen, die ihrerseits als konkrete Informationen in Frage kommen4. Erklärt bspw. der Vorstandsvorsitzende einer AG, die Ertragslage entwickle sich hervorragend und besser als die im letzten veröffentlichten Quartalsbericht abgegebenen Prognosen, so ist dieser Ansicht jedenfalls die überprüfbare Aussage zu entnehmen, die Ertragslage liege über der fraglichen Projektion.
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Von Werturteilen und Meinungen zu unterscheiden sind Bewertungen durch Sach- 16 verständige, wie namentlich die Bewertung von Unternehmen durch Wirtschaftsprüfer, Ratingagenturen, Finanzanalysten oder Wirtschaftsjournalisten. Zwar enthalten auch deren Bewertungen wertende Elemente, doch werden sie vom Verkehr typischerweise wie Tatsachen behandelt: zum einen, weil sie auf Tatsachen aufbauen, und zum anderen, weil die Auswertung dieser Tatsachen regelgeleitet vorgenommen
1 So zum Begriff der Insidertatsache etwa Caspari, in: Baetge, S. 68; Cramer, in: FS Triffterer, S. 333; Kümpel, Wertpapierhandelsgesetz, 1996, S. 53; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.116; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 45; Pananis, WM 1997, 462; Pananis, Insidertatsache, S. 75; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 88; s. auch § 15 Rz. 56. 2 Assmann, AG 1994, 241; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 55. 3 Ebenso etwa Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 89; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 19; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 56, 62; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 10; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 38. 4 Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.116; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 39, 41, 55; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 14. Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.480; Sethe, in: Assmann/ Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 33.
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wird und nicht bloß subjektiven Wertungsmaßstäben folgt1. Auch das Gesetz geht in § 13 Abs. 2 WpHG („Eine Bewertung … ist keine Insiderinformation, selbst wenn sie den Kurs der Insiderpapiere erheblich beeinflussen kann“) implizit davon aus, dass Bewertungen konkrete Informationen sein können, denn nur unter dieser Voraussetzung macht es Sinn, diejenigen Bewertungen generell aus dem Kreis von Insiderinformationen herauszunehmen, die ausschließlich auf der Auswertung öffentlich bekannter Tatsachen beruhen (s. Rz. 75 ff.). Dessen ungeachtet ist das Wissen um die Verwendung einer Bewertung als Kenntnis einer Tatsache zu betrachten, auch wenn es sich dabei um eine nach § 13 Abs. 2 WpHG freigestellte Bewertung handelt (s. Rz. 76 f.). 17
Ähnlich wie mit Werturteilen und Meinungen verhält es sich mit Gerüchten. Die Frage, ob es sich bei Gerüchten um Meinungen2 oder um Tatsachen3 handelt, wurde unter dem alten Recht – d.h. vor seiner Änderung durch das AnSVG – in Bezug auf die Subsumtionsfähigkeit von Gerüchten unter den Begriff der Insidertatsache unterschiedlich beurteilt. In der Sache können Gerüchte durchaus überprüfbare konkrete Aussagen und damit Tatsachen zum Inhalt haben, wie etwa im Falle des Hess. VGH vom 16.3.19984 die Information: „Ich habe Kenntnis von einer angeblich geplanten feindlichen Übernahme von X durch Y“. Darüber hinaus ist auch die Existenz eines Gerüchts als solche durchaus einem Beweis zugänglich. Von den vorstehend behandelten und als Insiderinformationen in Betracht kommenden Tatsachen unterscheiden sich Gerüchte aber fraglos dadurch, dass sie selbst Zweifel an der Wahrheit ihres Gegenstands – d.h. an der Existenz bzw. der Eintrittswahrscheinlichkeit einer äußeren oder inneren Tatsache – mit sich führen (im vorerwähnten Beispiel: „angeblich geplantes Übernahmeangebot“; oder: „Man sagt, es sei zwischen X und Y ein Übernahmevertrag zustande gekommen“; oder: „Es wird gemunkelt, X werde demnächst einen Großauftrag von Y erhalten“). Verlangt man – wie dies nunmehr der Fall ist – von einer Insiderinformation, dass es sich um eine präzise Information, d.h. um eine solche über eine eingetretene oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eintretende Tatsache handelt, so lassen sich Gerüchte unter dem Gesichtspunkt des von ihnen stets explizit mitgetragenen Wahrheitszweifels als vage Information aus dem Kreis von Insiderinformationen als präzisen Informationen aussondern5. Schon die Begrün1 I.E. ebenso Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 87; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 43, 46; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 35. 2 Assmann, ZGR 1994, 510; Assmann, WM 1996, 1340 f.; Assmann, AG 1997, 50; Cahn, ZHR 162 (1998), 14; Claussen, DB 1994, 30; Claussen, Insiderhandelsverbot, Rz. 24; Hopt, ZHR 159 (1995), 153; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 24; Immenga, ZBB 1995, 201; Junge, in: FS Raisch, S. 227; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 1. Aufl. 1995, Rz. 14.98; Matusche, S. 110; zur Megede, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts, 2. Aufl. 1997, § 14 Rz. 23; Soesters, S. 139 f., 141; Weber, NZG 2000, 118 ff. 3 Hess. VGH v. 16.3.1998 – 8 TZ 98/98, AG 1998, 436 m. Anm. Assmann. Aus dem Schrifttum 3. Aufl. des Kommentars Rz. 34a f.; Cahn, ZHR 162 (1998), 14; Gehrt, S. 122 f., 140 f.; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 73; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.113; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 17. 4 Hess. VGH v. 16.3.1998 – 8 TZ 98/98, AG 1998, 436. 5 I.E. ebenso Cahn, Der Konzern 2005, 7; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 930; Koch, DB 2005, 268; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 32 IV (S. 481); Langenbucher, Aktienund Kapitalmarktrecht, § 15 Rz. 35; Lösler, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 21; Möllers, WM 2005, 1394; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bankund Kapitalmarktrecht, Rz. 3.482; Schwintek, S. 19/20; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 39; Spindler, NJW 2004, 3450; Stoppel, in: Grunewald/Schlitt, S. 252. A.A. Neumann, S. 158 ff.; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 17. Nur für Ge-
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dung zum Vorschlag der EG-Insiderrichtlinie von 1987 (Einl. Rz. 13)1 führte dementsprechend aus, bei „typischen Börsengerüchten“ handele es sich nicht um eine präzise Information im Sinne der vorgeschlagenen Richtlinie. Auch nach einem Votum des seinerzeitigen Ausschusses der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (CESR), das der Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG (Rz. 7) zur Marktmissbrauchsrichtlinie zu Grunde liegt, fehlt es bei Gerüchten („rumours“) am Erfordernis einer präzisen Information2. Und schließlich findet sich auch in der Begründung des Regierungsentwurfs des AnSVG der Hinweis, Gerüchte seien nicht als konkrete Tatsachen anzusehen3. Daran ist festzuhalten. Der Emittentenleitfaden 2009 der BaFin sieht dies jedoch auf der Grundlage der Ent- 18 scheidung des Hess. VGH vom 16.3.1998 (s. oben Rz. 17) anders und behandelt Gerüchte, die einen Tatsachenkern enthalten, als konkrete Informationen4. Dabei genügt dem Leitfaden offenbar schon allein eine Tatsachenbehauptung (etwa die „Erteilung eines Großauftrags über Tausend Dings“ als Bestandteil des Gerüchts „In Börsenkreisen wird behauptet, die X-AG habe einen Großauftrag von K über Tausend Dings erhalten“), während die Frage, ob die Information wahr sei oder nicht, erst im Rahmen der Prüfung des Kursbeeinflussungspotenzials des Gerüchts eine Rolle spielen soll. Dabei wiederum soll es auf die Quelle des Gerüchts, die ihm zu Grunde liegenden nachprüfbaren Fakten, die Verfassung der Märkte im Allgemeinen und des Segments der betroffenen Firma im Besonderen sowie die wirtschaftliche Situation der betroffenen Unternehmen selbst ankommen. Diese Ansicht ist als diejenige zur Kenntnis zu nehmen, welche die Praxis der Insiderüberwachung durch die BaFin bis auf weiteres bestimmen wird5. Auch wenn man diese Ansicht in der Sache billigen mag (3. Aufl. Rz. 34a f.), steht sie doch offenbar mit der Richtlinie und der auf dieser beruhenden Gemeinschaftspraxis in Widerspruch. Gleichwohl will sich auch das Schrifttum nicht generell von der Ansicht verabschieden, Gerüchte könnten konkrete Informationen und damit Insiderinformationen darstellen, weil dies im Hinblick auf den Sinn und Zweck des Insiderhandelsverbots geboten sei: Auch wenn einem Gerücht eine objektive Unsicherheit über den Wahrheitsgehalt der von ihm transportierten Informationen immanent sei, könne es sich doch so verdichten, dass es
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rüchte ohne Tatsachenkern Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 16. KOM [87] 111 v. 21.5.1987, S. 5. CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for the proposed Market Abuse Directive, CESR/02–089d, S. 8 (Rz. 20 Spiegelstrich 1). RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 34 zu § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG. Folgend Assmann, 5. Aufl. des Kommentars § 13 Rz. 17; Bürgers, BKR 2004, 425; Cahn, Der Konzern 2005, 7; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 930; Lösler, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 21; Merkner/Sustmann, NZG 2005, 731; Möllers, WM 2005, 1394; Schwintek, S. 19 f. BaFin, Emittentenleitfaden 2005, S. 20; der Emittentenleitfaden der BaFin 2009 (S. 31) ist diesbezüglich auf dem Stand 15.7.2005. Grundsätzlich zustimmend Cahn, ZHR 162 (1998), 14; Cahn, Der Konzern 2005, 7; Claussen/Florian, AG 2005, 749. Auch Fleischer/Schmolke, AG 2007, 846 und 853; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 24; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 50; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 16. In der Sache auch Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 72 (wenn ein „einigermaßen präziser Faktenbezug“ gegeben ist); Kümpel/Veil, Wertpapierhandelsgesetz, S. 56 f.; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bankund Kapitalmarktrecht, Rz. 3.482. Kritisch Neumann, S. 164 f. Bedenken an der Erfassung von Gerüchten als Insiderinformation unter dem „Aspekt des strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes“ bei Claussen/Florian, AG 2005, 749.
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Tatsachencharakter annehme1. Allerdings wird man, wenn diese Voraussetzungen gegeben sein sollten, auch zu prüfen haben, ob es sich bei den gerüchteweisen Informationen nicht bereits um öffentlich bekannte handelt. Nicht weit davon entfernt ist eine Ansicht, die nicht auf die Verdichtung einer zunächst vagen Information abstellen will, sondern auf „die Konkretheit der in dem Gerücht enthaltenen Ausage“2. Ebenfalls auf der Grundlage des Emittentenleitfadens und des Hess. VGH wird des Weiteren auch die Auffassung vertreten, im Hinblick auf die Beurteilung eines Gerüchts als konkrete Information sei darauf abzustellen, ob zusätzlich zu dem Gerücht „konkrete Tatsachen“ vorlägen, auf die das Gerücht Bezug nehme und die den Eintritt des gerüchteweise verbreiteten Umstands als „voraussehbar“ erscheinen ließen3. Die alles in allem wenig griffig ausfallenden Versuche, das, was ein Gerücht ausmacht, zu beschreiben und die Grenzlinie zwischen einem bloßes Gerede darstellenden Gerücht einerseits und einem Gerücht als konkrete oder zumindest konkrete Angaben enthaltende Information andererseits zu ziehen, sprechen dafür, den noch immer „nicht geklärten Fall“4 von Gerüchten als konkrete Informationen dahingehend zu lösen, Gerüchten die Qualität einer präzisen Information abzusprechen. Dafür ist anzuführen, dass jemand, der Gerüchten folgt, stets spekuliert und nicht auf sicherer Basis agiert. Dass der Hess. VGH (Rz. 18) ein Gerücht als Tatsache behandelte, hatte denn auch weniger damit zu tun, dass jemand mit dem Gerücht einen Sondervorteil erlangte oder hätte erlangen können, sondern damit, dass die Aufsichtsbehörde nach seinerzeitigem Recht (§ 16 Abs. 4 WpHG a.F.) von demjenigen, der „Kenntnis einer Insidertatsache“ hatte, zum Zwecke der Emittlung der Quelle dieser Kenntnis und möglicher Personen, die die Insidertatsache möglicherweise weitergegeben haben, Auskunft „über andere Personen …, die von solchen Tatsachen Kenntnis haben“ und damit über den Informanten des betreffenden Insiders verlangen konnte, was im Falle des telefonisch mitgeteilten Gerüchts aber dessen Qualifikation als Insidertatsache voraussetzte5. 19
Hängt sich jemand an Wertpapiergeschäfte eines Dritten an, weil er – etwa aufgrund von dessen Status im Unternehmen, dessen Beruf, dessen Fachkunde oder des Volumens, des Zeitpunkts und/oder der Art der Transaktion – vermutet, dieser handele infolge von Insiderinformationen, so ähnelt dies dem Handeln auf der Basis von Wissen mit unsicherem Wahrheitsgehalt und damit demjenigen aufgrund eines Gerüchts. Solche Vermutungen sind deshalb, anders als dies teilweise nach altem Recht im Hinblick auf den Begriff der Insidertatsache und unter Verwendung eines weiten Tatsachenbegriffs befürwortet wurde6, aus den im Zusammenhang mit der insiderrechtlichen Behandlung von Gerüchten (s. Rz. 17) ausgeführten Gründen nicht als konkrete Informationen zu behandeln. Das mag sich ändern, wenn zusätzliche Um-
1 Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 50, und ebd. Rz. 51 (m.w.N.): „Ein Gerücht ist … wie eine Tatsache zu behandeln, wenn sein Inhalt eine Tatsachenbehauptung ist“. 2 Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.114. „Konkretheit“ sei gegeben, wenn das Gerücht erkennbar eine Tatsachenbasis habe und die in dem Umstand enthaltene Information präzise bzw. konkret sei. Ähnlich etwa Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 231 („Eintritt des entsprechenden Umstands muss voraussehbar erscheinen“); Cahn, Der Konzern 2005, 7; Fleischer/Schmolke, AG 2007, 846; Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 159 („Genauigkeit des Inhalts und die Zuverlässigkeit der Informationsquelle“). 3 Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 24. 4 Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.111. 5 S. dazu Assmann, AG 1998, 438. 6 Vgl. 3. Aufl. des Kommentars Rz. 35, gegen die bis dahin überwiegende Ansicht, etwa: 1. Aufl. Rz. 34; Hopt, ZGR 1991, 30 f.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 1. Aufl. 1995, Rz. 14.98.
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stände den zwingenden Schluss auf Insidergeschäfte nahe legen (vgl. auch unten Rz. 71). Bei Informationen über Pläne, Vorhaben oder Absichten handelt es sich um solche 20 über der äußeren Wahrnehmung zugängliche innere oder äußere Tatsachen. Deshalb wurden Pläne, Vorhaben oder Absichten nach früherem Recht im Hinblick auf den von diesem verwandten Begriff der Insidertatsachen als Tatsachen behandelt, die allerdings, um Insidertatsachen zu sein, kurserheblich sein mussten1. Die Beurteilung der Eignung von Plänen, Vorhaben oder Absichten, den Kurs von Insiderpapieren erheblich zu beeinflussen, war allerdings auch bisher nicht ohne ihren Inhalt, d.h. das, was bestimmte Personen planten, vorhatten oder beabsichtigten, möglich. Schon auf der Grundlage des bisherigen Rechts wurde deshalb von den Vertretern eines insiderrechtlich verengten Tatsachenbegriffs die Auffassung vertreten, Pläne, Vorhaben und Absichten sei Tatsachenqualität im Hinblick auf eine Insidertatsache nur dann beizumessen, wenn die Verwirklichung eines Plans, eines Vorhabens oder einer Absicht als in hohem Maße wahrscheinlich angesehen werden könne2. Zu Recht wurde an dieser Ansicht jedoch kritisiert, die Einführung des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs zur Beurteilung der Tatsachenqualität eines Umstands oder Ereignisses vermenge den Tatsachenbegriff mit dem Merkmal des Kursbeeinflussungspotentials3. Mit der Einführung des Begriffs der Insiderinformation und der Vorschrift des § 13 21 Abs. 1 Satz 3 WpHG, die der Definition einer präzisen Information in Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG vom 22.12.2003 (s. Rz. 7) entspricht, ist die vorstehend (Rz. 20) angeführte Auffassung, nach der die Qualifikation von Plänen, Vorhaben und Absichten von ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit abhängen soll, nunmehr jedoch Gesetz geworden: Informationen über noch nicht eingetretene Umstände oder Ereignisse, wie sie Plänen, Vorhaben oder Absichten entnommen werden können, sind nach dem neuen Recht konkrete Informationen allein dann, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass sie in Zukunft eintreten werden (§ 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG)4. Zwar spricht § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG, Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG vom 22.12.2003 (s. Rz. 7) folgend und anders als die vorerwähnte Ansicht zum Begriff der Insidertatsache, nicht von einer hohen, sondern von einer hinreichenden Eintrittswahrscheinlichkeit, doch liegt dem in der Sache ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu Grunde (s. Rz. 25). Dementsprechend ist etwa auch das Wissen um das Vorhaben einer Person, in einem Börsenblatt oder einem TV-Börsenmagazin eine bestimmte Empfehlung abgeben zu wollen, eine konkrete Information nur dann, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass sie auch tatsächlich abgegeben wird. Aber auch für den Fall, dass dies zu bejahen ist, wird die konkrete Information zur Insiderinformation erst dann, wenn die hinreichend wahrscheinliche Abgabe der Empfehlung als kurserheblich zu betrachten ist. Unternehmenspläne (Plandaten, 1 3. Aufl. des Kommentars Rz. 36; Burgard, ZHR 162 (1998), 63; Cahn, ZHR 162 (1998), 16; Pananis, WM 1997, 462; Uwe H. Schneider/Burgard, in: Baums/Hopt/Horn (eds.), S. 508 ff.; Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346 (353), die allerdings (S. 354) davon ausgehen, dass der Entschluss erst durch die Äußerung der Absicht den erforderlichen „Drittbezug“ erlange; Schwark, in: FS Bezzenberger, S. 787 f.; Soesters, S. 139 f. 2 Vgl. Assmann, AG 1997, 51 m.w.N. 3 Cahn, ZHR 162 (1998), 14. Für eine solche Trennung auch Schwark/Kruse, in: Schwark/ Zimmer, § 13 WpHG Rz. 56 (am Beispiel mehrstufiger Entscheidungsprozesse). 4 BGH v. 25.2.2008 – II ZB 9/07, AG 2008, 380 (382); OLG Stuttgart v. 15.2.2007 – 901 Kap 1/06, AG 2007, 250 (252 und 254); Harbarth, ZIP 2005, 1898 (1900 f.); Sethe in Assmann/ Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 33 (Absichten, Pläne, Vorhaben), 37.
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Wirtschaftspläne, Planrechnungen) stellen keine Informationen über noch nicht eingetretene Umstände dar. und sind damit nicht bereits als solche Insiderinformationen1. Unternehmenspläne sind nicht mehr als Referenzdaten, Leitlinien oder Benchmarks, an denen sich die im Unternehmen Handelnden orientieren und an denen ihr Erfolg gemessen wird. Planungen müssen zwar realistische Einschätzungen der Entwicklung der Märkte und des Wettbewerbs, der Produktionsfaktoren sowie der Leistungsfähigkeit des Unternehmens enthalten, um von den Unternehmensbeteiligten überhaupt als Grundlage ihres Handelns akzeptiert zu werden, sind aber auch stets strategischer Natur: Sie haben immer auch Steuerungs- und Anreizfunktion für ihre Adressaten und fallen deshalb – je nach den unternehmerischen Überlegungen, die in die Planung eingehen – bewusst einmal zu zurückhaltend oder ein andermal zu optimistisch aus. Darüber hinaus steht jeder Unternehmensplan unter dem Ceteris paribus-Vorbehalt, d.h. dem Vorbehalt, dass sich die Rahmenbedingungen nicht ändern. Auf jeden Fall erlauben Unternehmenspläne aus sich heraus keine verlässlichen Aussagen über ihre Eintrittswahrscheinlichkeit. Das sieht für „allgemein formulierte Erwartungen oder langfristige Planungen des Emittenten (z.B. Planungen mit einem Zeithorizont von drei oder mehr Jahren oder interne Planungen im Sinne von Zielvorgaben)“ auch die BaFin so, weil diese keine hinreichend konkreten Rückschlüsse auf die tatsächliche Unternehmensentwicklung zuließen2, doch gelten die Vorbehalte der Aufsichtsbehörde nach dem Dargelegten schon für die Planungen für das kommende Geschäftsjähr, die regelmäßig in einem Zeitpunkt erstellt werden, in dem sich nicht einmal sicher sagen lässt, in welchem Umfang sich die Planungen für das aktuelle Geschäftsjahr realisieren werden3. Ganz fraglos sind Planungen auch keine Prognosen (s. Rz. 22) über den Eintritt bestimmter Ereignisse oder Erfolge, denn sie gehen erkennbar nicht mit der Aussage einher, die Planung oder einzelne Plandaten würden sicher oder mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eintreten. Unternehmenspläne werden schließlich auch nicht dadurch zu Insiderinformationen, dass sie eine von einem „Analystenkonsens“ abweichende Unternehmensentwicklung annehmen, wie dies die französische Finanzaufsichtsbehörde AMF in Anwendung angeglichenen (und damit dem deutschen vergleichbaren) französischen Insiderrechts in ihren Ermittlungen gegen Manager von EADS wegen des Verdachts auf Insiderhandel annahm. Eine solche Abweichung könnte ein möglicher Gegenstand einer Insiderinformation überhaupt nur dann sein, wenn es sich bei Unternehmensplänen um Aussagen über zukünftige Umstände handeln würde und es überprüfbare und damit auch für jedermann (namentlich die potentiellen) Inisder erkennbare Analystenkonsense geben könnte. Weder von dem einen noch von dem anderen ist jedoch auszugehen: Für Unternehmenspläne wurde die entsprechende Annahme bereits als unzutreffend dargelegt und Erwartungen von Analysten über die Entwicklung einzelner Unternehmen sind hinsichtlich ihrer Wurzeln zu heterogen, um in allen Aspekten oder zumindest den maßgeblichen Parametern übereinzustimmen oder zu einem Analystendurchschnitt zusammengefasst werden zu können. 1 I.E. ebenso Reichert/Ott, in: FS Hopt, S. 2396 ff., 2405 („mangelnde Realisierungswahrscheinlichkeit“, S. 2397). 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 60. 3 Anders Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 13: „Dies ist insbesondere für Unternehmensplanungen für unmittelbar folgende Jahre von Bedeutung, denen nunmehr kaum noch die Qualität der präzisen Information über Umstände abgesprochen werden kann (etwas anderes kann nur für 5- oder gar 10-Jahresplanungen gelten, da diesen häufiger nur Zielcharakter beizumessen sein wird). Dementsprechend hat Vorsicht zu walten bei der Weitergabe von Unternehmensplanungen vor Durchführung einer Due Diligence“.
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Was für Pläne, Vorhaben und Absichten gilt, gilt entsprechend auch für Prognosen: 22 Allein ihre Existenz oder der Umstand, dass eine bestimmte Person die Prognose abgegeben hat, macht sie noch nicht zu konkreten Informationen; als solche sind sie vielmehr erst dann zu behandeln, wenn das prognostizierte Ereignis oder der prognostizierte Umstand in Zukunft mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eintreten bzw. existieren wird1. Nicht anders sind mehrstufige Entscheidungsvorgänge zu beurteilen, mit denen ein Ziel (Endziel) erreicht werden soll, das sich nur im Wege der Verwirklichung von Zwischenschritten (Zwischenzielen) herbeiführen lässt und dessen endgültige Verwirklichung bis zur Verwirklichung des letzten Schritts aufgegeben werden oder scheitern kann; zu Einzelheiten s. unten Rz. 28. Unternehmensplanungen enthalten keine Aussage über die Wahrscheinlichkeit, dass die Planung sicher oder mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintritt (Rz. 21), und sind mithin keine Prognosen. Das schließt nicht aus, dass ein Unternehmen im Einzelfall mit Informationen über die Unternehmensentwicklung hervortritt, die es als Prognosen verstanden wissen will oder die vom Publikum nicht anders als Prognosen verstanden werden können. Hat ein Emittent eine Prognose veröffentlicht und weicht die Markterwartung in der Folgezeit aber aufgrund von durch Dritte kommunizierte Faktoren erheblich von dieser Prognose ab, so entsteht dadurch keine öffentlich unbekannte Information, welche gegebenenfalls ad hoc zu publizieren wäre2. Halten die Unternehmensverantwortlichen unter solche Umständen – etwa weil es sich bei den von Dritten kommunizierten Faktoren um Tatsachen handelt – nicht mehr an ihrer Prognose fest, so führt auch dies nicht per se zu einer Pflicht zur Korrektur der Prognose3: Selbst wenn die ursprüngliche Prognose im Wege der Ad-hoc-Meldung veröffentlicht worden wäre, würde die Veröffentlichung durch die nachträglich kommunizierten Faktoren doch nicht dazu führen, dass seinerzeit eine „unwahre Information“ i.S. von § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG veröffentlicht worden wäre (vgl. § 15 Rz. 183). Eine Aktualisierung der ursprüngliche Meldung im Wege der Ad-hoc-Publizität ist dagegen nur dann geboten und möglich, wenn die Abweichung von der ursprünglichen Prognose selbst eine Insiderinformation darstellt, was jedenfalls dann regelmäßig zu verneinen ist, wenn es sich bei den dem Publikum von Dritten kommunizierten Faktoren um Tatsachen handelt, welche der fraglichen Prognose offenkundig die Basis entziehen. c) Zukünftige Umstände und Ereignisse (§ 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG) Konkrete Informationen können auch Informationen über zukünftige Umstände oder Ereignisse sein, hinsichtlich derer man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft existieren oder eintreten werden. Diese Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2003/124/EG vom 22.12.2003 (s. Rz. 7) entnommene Definition zukunftsbezogener Informationen, die als konkrete Informationen i.S. des § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG anzusehen sind, entspricht derjenigen in § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG.
1 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 33; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 30; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 75; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 138; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 56; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 37. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 60. 3 Zu undifferenziert der Hinweis der BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 60, der Emittent sei nicht verpflichtet, eine von ihm nicht hervorgerufene Markterwartung zu korrigieren, „sofern er seine veröffentlichte Prognose beibehält“.
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Indem sich § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG auf „Umstände im Sinne des Satzes 1“ bezieht, macht die Vorschrift zugleich deutlich, dass es sich bei dem zur Beantwortung der Frage, ob ein Umstand oder ein Ereignis zukünftig existieren oder eintreten werde, anzustellenden Wahrscheinlichkeitsurteil um eine selbstständige Prognose zur Beurteilung einer Information als konkrete Information i.S. des § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG handelt und nicht um eine solche zur Beurteilung der Kurserheblichkeit i.S. des § 13 Abs. 1 Satz 1, 2 WpHG. In der Tat ist die Wahrscheinlichkeit, mit der ein bestimmter Umstand in der Zukunft existieren wird, eines, die Eignung der Information über einen noch nicht existierenden zukünftigen Umstand zur erheblichen Beeinflussung des Börsen- oder Marktpreises im Zeitpunkt der Information aber ein anderes. Sicher wird die Wahrscheinlichkeit, mit der ein geplantes Vorhaben, etwa die Abgabe eines Übernahmeangebots, eintreten wird, auch die Kurserheblichkeit der Information beeinflussen, doch geht das Urteil über die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses nicht in dem über die Auswirkungen einer solchen Information auf den Kurs oder Preis eines Insiderpapiers auf.
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Darüber, was unter hinreichender Wahrscheinlichkeit zu verstehen ist, findet sich weder in der Richtlinie 2003/124/EG vom 22.12.2003 (s. Rz. 7) noch in § 13 Abs. 1 WpHG Auskunft. Der Emittentenleitfaden der BaFin formuliert, es müssten „konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die den Eintritt des Umstandes als voraussehbar erscheinen lassen“, wobei eine „mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit … allerdings nicht erforderlich“ sei1. Auch wenn diese Aussage keine konkrete Umschreibung des Mindestmaßes an Wahrscheinlichkeit enthält, kann ihr doch zumindest entnommen werden, dass eine bloß überwiegende Wahrscheinlichkeit („eher wahrscheinlich als nicht“)2 nicht als „hinreichende“ Wahrscheinlichkeit zu betrachten ist. Dieser Befund entspricht im Übrigen auch dem subjektiven Ansatz des Gesetzes bei der Beurteilung des Kursbeeinflussungspotenzials, welcher auf das Urteil eines verständigen Anlegers abstellt. Von diesem wiederum ist anzunehmen, dass er sich auch durch unveröffentlichte zukunftsbezogene Informationen nicht zu spekulativem Handeln wird verleiten lassen, sondern nur dann eine Investitions- oder Desinvestitionsentscheidung auf der Grundlage eines noch ungewissen Ereignisses oder Umstands treffen wird, wenn dessen Eintritt bzw. zukünftige Existenz jeweils mit deutlich mehr als bloß überwiegender Wahrscheinlichkeit3 zu erwarten ist. Das lässt sich auch mit dem Erfordernis einer hohen Wahrscheinlichkeit umschreiben4, wie es schon unter dem alten Recht von der Auffassung verlangt wurde, welche die Behandlung zukünftiger Tatsachen als Insidertatsachen von ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit abhängig machte5. Erst im Falle einer hohen Wahrscheinlichkeit wird der Kreis möglicher zukünftiger Ereignisse und Umstände so eingeengt, dass er dem Wissen um ein existentes Ereignis oder einen eingetretenen Umstand im Hinblick auf das Ziel des Insiderrechts, dem Gedanken der informationellen Chancengleichheit der Marktteilnehmer zuwiderlaufenden Sondervorteile aus nicht öffentlich zugänglichem Wissen zu erlangen, vergleichbar ist; unterhalb dieser Schwelle würde lediglich spekulatives Handeln sanktioniert, zu dem sich ein verständiger Anleger aufgrund des tatsächlich vorhandenen Wissens nicht verleiten ließe. Wie zuvor das 1 2 3 4 5
BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 32. Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 93 (Eintrittswahrscheinlichkeit von über 50 %). So Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 12. Auch Reichert/Ott, in: FS Hopt, S. 2395. S. Assmann, AG 1997, 51 m.w.N.; nochmals ausführlich begründet Assmann, ZHR 172 (2008), 647; s. auch oben Rz. 20. Auch Gunßer, S. 60 ff., 67, 68 ff., 77 f.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.83; Parmentier, NZG 2007, 411. A.A. Bachmann, ZHR 172 (2008), 606 (im Interesse der Insiderprävention „keine allzu hohen Anforderungen“).
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OLG Stuttgart vom 15.2.20071 hat der BGH in der DaimlerChrysler-Entscheidung vom 25.2.2008 die Frage nach der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses unbeantwortet lassen2 können, weil es – entsprechende Ausführungen der Beklagten als nachgewiesen unterstellend – im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit der Zustimmung des Aufsichtsrats zu dem zustimmungspflichtigen Vorgang nicht einmal das laxe Erfordernis einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit als erfüllt sah. Angesichts dessen ist Leitsatz 2 des Urteils, in dem es heißt, das Tatbestandsmerkmal der hinreichenden Wahrscheinlichkeit sei jedenfalls dann erfüllt, „wenn eine ‚überwiegende‘ Wahrscheinlichkeit – d.h. eine Eintrittswahrscheinlichkeit von über 50 % –“ bestehe, überschießend ausgefallen und mit der Urteilsbegründung nicht deckungsgleich. Durch Beschluss des BGH vom 25.2.20083 wurde in Sachen DaimlerChrysler der 25a Musterentscheid des OLG Stuttgart vom 15.2.20074 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OLG Stuttgart zurückverwiesen. Am 22.4.2009 hat das OLG Stuttgart daraufhin einen Musterentscheid erlassen5, gegen den der Musterkläger erneut Musterrechtsbeschwerde beim BGH einlegte. Dies hat den 2. Zivilsenat des BGH veranlasst, mit Beschluss vom 22.11.20106 dem EuGH unter anderem die die Auslegung des Begriffs der „hinreichenden Wahrscheinlichkeit“ betreffende Frage vorzulegen: „Verlangt hinreichende Wahrscheinlichkeit im Sinn von Artikel 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG [vom 22.12.2003, s. oben Rz. 3] eine Wahrscheinlichkeitsbeurteilung mit überwiegender oder hoher Wahrscheinlichkeit, oder ist unter Umständen, bei denen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von ihrer zukünftigen Existenz, oder Ereignissen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten werden, zu verstehen, dass das Maß der Wahrscheinlichkeit vom Ausmaß der Auswirkungen auf den Emittenten abhängt und es bei hoher Eignung zur Kursbeeinflussung genügt, wenn der Eintritt des künftigen Umstands oder Ereignisses offen, aber nicht unwahrscheinlich ist?“ Zu dieser Frage hat sich der BGH durch den Beschluss des EuGH in Sachen „Spector Photo Group“7 und dessen Vorstellung von der Auslegung europäischen Insidersekundärrechts inspirieren lassen8, die dem Gericht im Falle der Auslegung des Begriffs der „Nutzung“ (im deutschen Recht „Verwendung“, § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG) von Insiderinformationen einhellige, teils harsche Kritik eingebracht hat (s. dazu § 14 Rz. 200a), die bis hin zu dem Vorwurf der Missachtung rechtsstaatlicher Bindungen des Rechts ging9. Sein Erweckungserlebnis schildert der BGH selbst wie folgt10: „An dieser an einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung orientierten Auslegung, die mindestens eine überwiegende Wahrscheinlichkeit verlangt und zudem im Ergebnis bei Entscheidungen von mit mehreren Personen besetzten Gremien wie dem Aufsichtsrat 1 OLG Stuttgart v. 15.2.2007 – 901 Kap 1/06, AG 2007, 250. 2 BGH v. 25.2.2008 – II ZB 9/07, AG 2008, 380 (382): „Ob hinsichtlich des Grades der Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass insoweit eine hohe Wahrscheinlichkeit zu verlangen ist, … oder ob stattdessen eine niedrigere Schwelle anzusetzen und eine ‚überwiegende‘ Wahrscheinlichkeit – d.h. eine Eintrittswahrscheinlichkeit von über 50 % – ausreicht …, hat das OLG mit Recht offen gelassen.“ 3 BGH v. 25.2.2008 – II ZB 9/07, AG 2008, 380. 4 OLG Stuttgart v. 15.2.2007 – 901 Kap 1/06, AG 2007, 250. 5 OLG Stuttgart v. 22.4.2009 – 20 Kap 1/09, AG 2009, 454. 6 BGH v. 22.11.2010 – II ZB 7/09, AG 2011, 84 (Rz. 18 ff., Ls. 2) = WM 2011, 14. 7 EuGH v. 23.12.2009 – Rs C-45/08, AG 2010, 78 = ZIP 2010, 78; Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 10.9.2009, Slg. 2009, I-12073. 8 BGH v. 22.11.2010 – II ZB 7/09, AG 2011, 84 (Rz. 20) = WM 2011, 14. 9 Ransiek, wistra 2011, 1. 10 BGH v. 22.11.2010 – II ZB 7/09, AG 2011, 84 (Rz. 20) = WM 2011, 14.
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hohe Anforderungen an die Eintrittswahrscheinlichkeit stellt, sind dem Senat aufgrund des Urteils des Gerichtshofes vom 23. Dezember 2009 in der Rechtssache C-45/08 (Spector Photo Group …) Zweifel gekommen. Danach besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem Verbot von Insidergeschäften und dem Begriff der Insiderinformation in Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG und damit mit den Vorteilen, die eine Insiderinformation dem Insider verschafft (Rz. 50). Der Bezug des Begriffs der Insiderinformation zu Insidergeschäften spricht dagegen, für künftige Umstände oder Ereignisse allein auf die überwiegende Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens abzustellen.“ 25b In der Sache bringt der BGH mit seiner Vorlage den so genannten „probability/magnitude-test“ ins Spiel, wie er vom US Court of Appeals for the Second Circuit im Falle SEC vs. Texas Gulf Sulphur Co.1, formuliert und vom US Supreme Court im Falle Basic vs. Levinson2 zur Beurteilung der Kursrelevanz („materiality“) von Informationen im US-amerikanischem Kapitalmarktrecht herangezogen wurde3. Auch im Schrifttum ist dieser Maßstab schon als eine bewegliche Größe für die Konkretisierung zur Bestimmung hinreichender Wahrscheinlichkeit vorgeschlagen worden4. Für die Kursrelevanz, so formuliert der US Court of Appeals for the Second Circuit, „wird es stets auf eine Gegenüberstellung der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Vorgangs und dem erwarteten Ausmaß desselben im Lichte der Gesamtheit der Aktivitäten der Gesellschaft ankommen“5. Dieses Kriterium stellt mithin nicht allein auf die Größe der Eintrittswahrscheinlichkeit eines zukünftigen Ereignisses oder Zustands ab, sondern verrechnet (multipliziert) diesen gleichsam mit den erwarteten Folgen für den Fall von dessen Eintritt6. Der BGH (s. oben Rz. 25a a.E.) versteht diesen Test denn auch gleich falsch, indem er auf die Vorteile abstellt, die eine Information dem Insider verschafft. Schon das zeigt, dass auch dieser Test Schwächen hat: Zunächst einmal hatte er es nicht schwer, sich gegen einen anderen Test durchzusetzen, der hinsichtlich der Kurserheblichkeit von Informationen über ein Zusammenschlussvorhaben allein auf die Wahrscheinlichkeit abstellte, dass sich die Verhandelnden „im Wesentlichen“ auf die Punkte eines Vertrags einigen würden („agreement-in-principle-test“). Des Weiteren beruht der „probability/magnitudetest“ auf einigen höchst voraussetzungsvollen theoretischen Annahmen über die Entwicklung von Kapitalmärkten und über das Rationalverhalten von Anlegern. Darüber hinaus ist er nicht nur komplizierter als der deutsche Maßstab, sondern weist auch weitaus mehr vage Begriffe („balancing“, „anticipated magnitude“, „in light of the totality of the company activity“). Vor allem würde er dazu führen, dass für sich genommen noch wenig wahrscheinliche Ereignisse zu Insiderinformationen würden, 1 United States Court of Appeals (Second Circuit) v. 13.8.1968 – No. 296-30882, 401 F.2d, 833 (849). 2 Supreme Court v. 7.3.1988 – No. 86-279, 485 U.S. 224 (239). 3 Kritisch dazu Gunßer, ZBB 2011, 80 ff.; Kocher/Widder, CFL 2011, 90 ff.; Widder, GWR 2011, 2. Kritisch zum Test als Kurserheblichkeitskritierium ferner Gunßer, NZG 2008, 856; Leuering, DStR 2008, 1290; Leuering, Praxisprobleme, S. 178 f. 4 Fleischer, NZG 2007, 405 („Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkung des zukünftigen Ereignisses [sind] miteinander in Beziehung zu setzen. Diskutabel ist nur, ob man für die Wertrelevanz zukünftiger Ereignisse eine Mindestwahrscheinlichkeit verlangt, um ‚spekulatives Handeln‘ auf der Grundlage zukunftsbezogener Informationen auszuklammern“). Folgend, auch was das Erfordernis einer Mindestwahrscheinlichkeit (i.S. einer „überwiegende(n) Wahrscheinlichkeit“) angeht, Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 68. 5 401 F.2d, 833 (849): „Materiality will depend at any given time upon a balancing of both the indicated probability that the event will occur and the anticipated magnitude of the event in light of the totality of the company activity“. 6 Für die Übernahme dieses Tests Klöhn, NZG 2011, 168 ff. und 171.
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wenn sie, blieben sie unbekannt und träten sie endlich ein, ein „Knaller“ wären und vorhersehbar zu hohen Kursausschlägen führten1. Das hätte die wenig erfreuliche Nebenwirkung, dass Unternehmen damit zur Vermeidung der mit dem Test verbundenen Unsicherheiten, zu einer denkbar frühen Publikation ihrer Vorhaben gezwungen würden. Das eigentliche Skandalon der Entscheidung des BGH besteht aber darin, dass er dem EuGH eine Auslegung von Richtlinienrecht nahelegt, die über die auch dem EuGH gezogenen Grenzen der Auslegung des Richtlinientexts (s. Einl. Rz. 77) und der richterlichen Rechtsfortbildung hinausgeht, denn das mögliche Ausmaß der Auswirkungen eines zukünftigen Ereignisses auf den Emittenten und die Kurse ein Element der Wahrscheinlichkeit ist in dem Begriff der „hinreichenden Wahrscheinlichkeit“ nicht angelegt und ist bislang auch von keinem Mitgliedstaat der EU so verstanden worden. Das – so oder so – erforderliche Wahrscheinlichkeitsurteil ist, wie auch das Urteil 26 über die Kurserheblichkeit einer Insiderinformation, aus einer Ex-ante-Sicht heraus zu überprüfen2. Maßgeblich sind damit die Verhältnisse, wie sie in dem Zeitpunkt gegeben sind, in denen der potenzielle Insider die in Frage stehende Information erlangt. Ob das zukünftige Ereignis, auf das sich die Information bezieht, tatsächlich eintritt, ist deshalb für die Beurteilung der Frage, ob seine Realisierung im Zeitpunkt der Erlangung der Information hinreichend wahrscheinlich war, ohne Belang. Typische Fälle zukunftsbezogener Informationen sind Pläne, Vorhaben, Absichten, Prognosen und die Äußerung von Erwartungen. Ist ihre Aussage hinsichtlich eines zukünftigen Ereignisses hinreichend präzise, so ist diese dem Wahrscheinlichkeitsurteil des § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG zu unterwerfen, um als konkrete Information zu gelten. Allein der Umstand, dass eine Person bestimmte Pläne, Vorhaben oder Absichten verfolgt, Prognosen abgegeben hat und Erwartungen äußerte, stellt damit keine konkrete Information dar (s. oben Rz. 22).
27
Vor besondere Schwierigkeiten war von Anfang an die insiderrechtliche Beurteilung von Transaktionen gestellt, die sich auf Vorgänge stützen, die Teil eines mehrstufigen (auch „gestaffelten“, „zeitlich gestreckten“) Entscheidungsprozesses sind, welcher auf die Herbeiführung eines zukünftigen Ereignisses (etwa die Fusion zweier Emittenten) gerichtet ist, das erst mit dem erfolgreichen Abschluss aller erforderlichen Entscheidungsstufen eintritt und damit bis zur Vornahme der letzten Stufe noch scheitern kann (vgl. schon oben Rz. 22). Nach der Ersetzung des Begriffs der Insidertatsache durch den der Insiderinformation und dessen Definition in § 13 Abs. 1
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1 Hazen, The Law of Securities Regulation, 5. Aufl. 2005, S. 490 (zugleich den Test zusammenfassend): „The greater the magnitude and the greater the probability of the event, the more likely it is that it will be material. Thus, for example, relatively uncertain contingencies that would have a great impact on the company may be material. Conversely, a virtually certain event with substantially less significance may also be material.“ 2 Vgl. auch Erwägungsgründe 1 und 2 der Richtlinie 2003/124/EG vom 22.12.2003 (Rz. 7); 3. Aufl. des Kommentars Rz. 65b; Assmann, ZGR 1994, 514; Assmann, AG 1994, 244; Caspari, ZGR 1994, 540; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 102; Hopt, ZGR 1991, 32; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 27; Kümpel, Bankund Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 16.117; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 15 Rz. 45; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.125; Loesche, S. 113 ff.; Lösler, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 25; Pananis, S. 104; Peltzer, ZIP 1994, 749; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 42, 43; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.498; Schröder, in: Achenbach/Ransiek, X 2 Rz. 144; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 30, 50. A.A., aber unhaltbar, Hirte, S. 77.
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Satz 1 und Satz 3 WpHG steht außer Frage, dass das Wissen um die Realisierung einer jeden Stufe zur Herbeiführung des angestrebten Erfolgs als konkrete Information zu betrachten ist, wenn auf der Grundlage dieses Wissens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass der angestrebte Erfolg in Zukunft eintreten werde1. Mit der dem Gesetz zu Grunde liegenden zweistufigen Konzeption des Begriffs der Insiderinformation als einer konkreten Information, die auf europasekundärrechtliche Vorgaben zurückgeht (s. oben Rz. 8), nicht vereinbar ist dagegen die schon reichlich verbreitete Ansicht, die Zwischenstufen zu einem angestrebten Erfolg (Zwischenziele) per se und „bei isolierter Betrachtung“2 als konkrete Information behandeln will, ohne dass es insoweit auf die Eintrittswahrscheinlichkeit des Endziels ankomme, um auf diese Weise nur noch auf die Kurserheblichkeit des jeweiligen Schritts abzustellen3. Wie jedoch soll etwa die Information über Beschluss eines Vorstands zum Erwerb eines Unternehmens, der zu seinem Wirksamwerden jedenfalls noch der Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf, anders als eine Information über ein zukünftiges Ereignis – eben den Unternehmenserwerb – gesehen werden4? 28a Gleichwohl will der 2. Zivilrechtssenat des BGH die Ansicht, jeder Schritt eines mehrstufigen Entscheidungsvorgangs sei eine konkrete Information, ohne dass es dabei auf auf die mit dem jeweiligen Schritt veränderte Eintrittswahrscheinlich des endgültigen Ereignisses ankomme, nicht von vornherein ausschließen, weshalb er mit Beschluss vom 22.11.20105 im Rahmen des DaimlerChrysler-Verfahrens (zum Verfahrensgang s. oben Rz. 25 f.) dem EuGH die Frage vorlegte: „Ist bei einem zeitlich gestreckten Vorgang, bei dem über mehrere Zwischenschritte ein bestimmter Umstand verwirklicht oder ein bestimmtes Ereignis herbeigeführt werden soll, für die Anwendung von Artikel 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/6/EG [Marktmissbrauchsrichtlinie vom 28.1.2003, s. Einl. Rz. 29], Artikel 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG [Durchführungsrichtlinie zur Marktmissbrauchsrichtlinie vom 22.12.2003, s. oben 1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 31; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 80; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 20; Lösler, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 26; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 74; Möllers, WM 2005, 1394 f.; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bankund Kapitalmarktrecht, Rz. 3.487; Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 135; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 10a (mit dem zutreffenden, auch in Rz. 10 und 19a ausgeführten Hinweis, § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG sei insoweit, gegenüber § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG, die speziellere Vorschrift), 20; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 37. In der Sache auch BGH v. 25.2.2008 – II ZB 9/07, AG 2008, 380 (382); OLG Stuttgart v. 15.2.2007 – 901 Kap 1/06, AG 2007, 250 (252); OLG Stuttgart v. 22.4.2009 – 20 Kap 1/08, AG 2009, 454 (456) = ZIP 2009, 962 (964). 2 Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 74. 3 Hammen, in: BuB, Rz. 7/711a und 713; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 74; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 15 f. Auch OLG Frankfurt/M. v. 12.2.2009 – 2 SsOWi 514/08, AG 2009, 414 (Ls. 1, 415) = NJW 2009, 1520 (1521), das im Bußgeldverfahren davon ausging, die Verknüpfung mehrerer eigenständiger Umstände zu einer einheitlichen Gesamtentscheidung widerspreche dem Wortlaut von § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG und den Vorgaben der Richtlinien 2003/6/EG und 2003/124/EG, weshalb es nicht darauf ankomme, wann die endgültige Aufsichtsratsentscheidung falle. Eine (ad hoc publizitätspflichtige) Insiderinformation sei vielmehr bereits dann gegeben, wenn der Bereich interner Willensbildung sich zu einer konkreten Tatsache verdichtet habe und das Ergebnis dieses Willensbildungsprozesses gegenüber einem Entscheidungsträger des Unternehmens als konkrete Tatsache objektiv nach außen zu Tage getreten sei. Ablehnend Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 10a, 19a, 20. 4 Ebenso Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 10a. 5 BGH v. 22.11.2010 – II ZB 7/09, AG 2011, 84 (Rz. 14 ff., Ls. 1) = WM 2011, 14.
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Rz. 3] nur darauf abzustellen, ob dieser künftige Umstand oder das künftige Ereignis als präzise Information nach diesen Richtlinienbestimmungen anzusehen ist, und demgemäß zu prüfen, ob man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass dieser künftige Umstand oder das künftige Ereignis eintreten wird, oder können bei einem solchen zeitlich gestreckten Vorgang auch Zwischenschritte, die bereits existieren oder eingetreten sind und die mit der Verwirklichung des künftigen Umstands oder Ereignisses verknüpft sind, präzise Informationen im Sinn der genannten Richtlinienbestimmungen sein?“ Dem liegt die Erkenntnis des BGH zugrunde, die Musterrechtsbeschwerde in Sachen DaimlerChrysler müsse Erfolg haben, wenn auch die bereits realisierten Zwischenschritte eines zeitlich gestreckten Vorgangs auf ihre Kursrelevanz zu untersuchen seien. Diese Einsicht wiederum beruht auf der verfehlten, weil die zweistufigen Konzeption des Begriffs der Insiderinformation als einer konkrekten Information (s. oben Rz. 8) verkennenden und rechtsstaatliche Bindungen des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht übergehenden Vorstellung, die Richtlinienvorgaben stellten nicht auf die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Eintritts künftiger Umstände ab. Deshalb will es der BGH genügen lassen, dass ein Anleger bei seiner Anlageentscheidung auch die Überlegung einbezieht, es sei „ein Entscheidungsprozess mit offenem Ausgang im Gang“1. Angesichts dieser Steilvorlage des BGH an den EuGH ist zu befürchten, dass Generalanwältin und EuGH – wie im Falle Spector Photo Group2 s. § 14 Rz. 26 und 200a – auch hier ihre (wohl an Verwaltungsverfahren) ausgerichteten, überzogenen und rechtsstaatliche Bindungen des Rechts außer acht lassenden3 Vorstellung von einer möglichst effektiven Umsetzung der europäischen Richtlinienvorgaben Gestalt werden lassen und den verfehlten Vorstellungen des BGH anschließen. Folgt man der hier vertretenen und vorstehend (Rz. 28) hinsichtlich ihrer Kon- 29 sequenz für mehrstufige Entscheidungsprozesse dargelegten Ansicht, so steht außer Frage, dass die Wahrscheinlichkeit der Realisierung eines Vorhabens, das der Zustimmung mehrerer Entscheidungsträger und ggf. noch der Genehmigung einer Behörde bedarf, in dem Maße wächst als sich der mehrstufige Entscheidungsprozess seinem Ende nähert. Gleichwohl kann aufgrund der Umstände des Einzelfalls und des Vorhabens, über das zu entscheiden ist, mitunter schon auf der ersten Stufe des Entscheidungsprozesses eine hinreichende Wahrscheinlichkeit zur Verwirklichung des fraglichen Vorhabens eingetreten sein. Hat etwa der Aufsichtsrat eines Unternehmens bei dessen Vorstand eine expansive Unternehmenspolitik angemahnt und beschließt der Vorstand nach eingehender Prüfung eines in Betracht kommenden Übernahmekandidaten die Abgabe eines entsprechenden Übernahmeangebots, so kann sich bereits daraus, und obschon bspw. die Zustimmung des Aufsichtsrats noch aussteht, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür ergeben, dass das Übernahmeangebot, wie vom Vorstand beschlossen, abgegeben werden kann und wird. Unter besonderen, allerdings eher außergewöhnlichen Umständen mag dies sogar für die bloße Absicht des Vorstands zu bejahen sein, ein Übernahmeangebot nach entsprechender Prüfung des Zielunternehmens und der Klärung der Finanzierungsfrage abgeben zu wollen. Schon an dieser Stelle ist allerdings darauf hinzuweisen, dass der Umgang mit einer als Insiderinformation anzusehenden Information über die Realisierung einer Stufe eines mehrstufigen Entscheidungsprozesses zwar den Insiderhandelsverboten des 1 BGH v. 22.11.2010 – II ZB 7/09, AG 2011, 84 (Rz. 16) = WM 2011, 14. 2 EuGH v. 23.12.2009 – Rs C-45/08, AG 2010, 78 = ZIP 2010, 78; Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 10.9.2009, Slg. 2009, I-12073. 3 Ransiek, wistra 2011, 1.
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§ 14 Abs. 1 WpHG unterfällt, jedoch nicht ohne weiteres auch eine Pflicht zur Veröffentlichung der fraglichen Insiderinformation nach § 15 Abs. 1 WpHG auslöst. Vielmehr kann der Emittent unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG i.V.m. § 6 WpAIV von einer Veröffentlichung absehen. Das ist nach § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV namentlich dann der Fall, wenn der Emittent zu dem Ergebnis gelangt, die sofortige Bekanntgabe der Entscheidung mit der gleichzeitigen erforderlichen Ankündigung, die Zustimmung eines anderen Organs stehe noch aus, gefährde die korrekte Bewertung der Information durch das Publikum (zu Einzelheiten s. § 15 Rz. 141 ff.). 3. Nicht öffentlich bekannte Information 31
Eine Information kann nur dann eine Insiderinformation sein, wenn sie nicht öffentlich bekannt ist (§ 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG). Mithin verliert eine Information mit ihrer Veröffentlichung ihre Eigenschaft als Insiderinformation. Auf eine solche Unterrichtung der Öffentlichkeit hinzuwirken und die Publikation einer Insiderinformation in geordnete Bahnen zu lenken, ist das Ziel der auch der Prävention von Insiderhandel dienenden Vorschrift des § 15 WpHG sowie der aufgrund der Ermächtigung in § 15 Abs. 7 WpHG ergangenen §§ 6–9 WpAIV. Allerdings ist eine Insiderinformation nicht erst infolge ihrer Veröffentlichung nach Maßgabe der vorgenannten Vorschriften als öffentlich bekannt zu betrachten; vielmehr reicht dazu jeder Akt ihrer Veröffentlichung1 und unter diesen selbst solche, mit denen sich zugleich ein Verstoß gegen § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG i.V.m. § 6 WpAIV (§ 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. a WpHG) verbindet.
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Nicht erforderlich ist, dass die nicht öffentlich bekannte Information den Charakter eines Geheimnisses (etwa i.S. von § 404 AktG, §§ 203 f. StGB, § 333 HGB oder § 17 UWG) hat oder als vertraulich betrachtet wird2. Wo immer Vertraulichkeit der Information Begriffsbestandteil der Insiderinformation war3, war dies Gegenstand ausdrücklicher Regelung; so auch noch in Ziff. 1. der IHR i.d.F. von 19704.
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Im Hinblick auf die Beantwortung der Frage, wann eine Information öffentlich bekannt sei, bestand früh weitgehend Einigkeit, dass dies nur dann der Fall sei, wenn eine unbestimmte Anzahl von Personen von ihr Kenntnis erlangt habe5. Doch darüber, wann dies angenommen werden könne, bestanden schon im Zusammenhang mit der Auslegung von Art. 1 Abs. 1 der EG-Insiderrichtlinie von 1989 (Einl. Rz. 13) unterschiedliche Ansichten6: So ist vertreten worden, eine Information sei nur dann öffentlich bekannt, wenn sie über Massenmedien verbreitet werde und der breiten Öffentlichkeit zur Kenntnis gelange7. Die mit der Feststellung eines solchen Zustands verbundenen Schwierigkeiten haben andere veranlasst, bei der Umsetzung 1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 32; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 88; Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 175; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 29, 34; Cloppenburg/Kruse, WM 2007, 110. A.A. Parmentier, NZG 2007, 409; Sethe, ZBB 2006, 252 f. 2 RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 46; Assmann, AG 1994, 241; Hopt, ZGR 1991, 29; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.119; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 26; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 29. 3 Vgl. Hopt/Will, S. 64. 4 Abgedruckt bei Hopt/Will, S. M-100 ff. 5 Zu diesem Ausgangspunkt RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 46; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 32. 6 Vgl. Wymeersch, in: Hopt/Wymeersch (eds.), S. 112 ff. 7 Etwa Schödermeier/Wallach, EuZW 1990, 123. Auch Lücker, S. 60; Siebold, S. 104 ff.
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der Richtlinie eine an amerikanischen Vorbildern angelehnte Verfahrensweise zu erwägen, derzufolge die Information erst in einer bestimmten (etwa auf 24 Stunden bemessenen) Frist nach erfolgter Bekanntgabe als veröffentlicht angesehen werden kann1. Weiter wurde die Ansicht vertreten, eine Veröffentlichung der Information sei anzunehmen, wenn zumindest formal eine breitere Öffentlichkeit hergestellt worden sei: sei es in Gestalt einer über den Börsenticker gelaufenen Meldung oder sei es in Form einer Nachricht in den Massenmedien2. Durchgesetzt hat sich schließlich das in der Begründung des RegE 2. FFG dargelegte 34 Konzept der Bereichsöffentlichkeit3. Nach diesem hat eine Information bereits dann als öffentlich bekannt zu gelten, wenn es einer unbestimmten Anzahl von Personen aus dem Kreis der Marktteilnehmer möglich ist4, von ihr Kenntnis zu nehmen. Die Information muss mithin nicht die breite Öffentlichkeit oder ein breites Anlegerpublikum, sondern den engeren Kreis regelmäßiger Marktteilnehmer erreichen, um öffentlich bekannt zu sein. Dementsprechend braucht die Publikation der Information auch nicht über die Massenmedien zu erfolgen; vielmehr genügt die Veröffentlichung der Information mittels allgemein zugänglicher elektronischer Informationssysteme5. Für das Konzept der Bereichsöffentlichkeit sprechen gute Gründe6: Zunächst verlängert jeder Versuch, die Information des breiten Publikums zu erreichen, den Zeitraum potenzieller Insidergeschäfte. Dies ist umso mehr zu erwarten, als die Information derer, die die breite Öffentlichkeit ausmachen, nicht simultan herzustellen ist. Die (auch informationelle) Gleichbehandlung der Mitglieder der breiten Öffentlichkeit7 könnte folglich nur durch zeitlich befristete Handelssperren für all diejenigen gewährleistet werden, die Kenntnis von der Information haben oder in der Wartezeit erlangen. Damit würde aber das Risiko zwischenzeitlicher Insidergeschäfte um ein 1 2 3 4
Claussen, ZBB 1992, 276; Hopt, ZGR 1991, 30. Hopt, ZGR 1991, 30. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 46; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 32. Die mögliche und nicht die tatsächliche Kenntnisnahme ist entscheidend. Vgl. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 46; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 32; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.120; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 88, 91; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, S. 171; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.489; Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 173; Schwark/Kruse, in: Schwark/ Zimmer, § 13 WpHG Rz. 30. 5 RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 46; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 32; BuckHeeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 235; Hammen, in: BuB, Rz. 7/114; Hopt, in: BankrechtsHandbuch, § 107 Rz. 25; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.119 f.; Lösler, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 28; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 26, 28, 30; Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 173; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 30; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 41. 6 Vgl. auch Assmann, AG 1994, 242; Caspari, ZGR 1994, 539; Dierlamm, NStZ 1996, 522; Eichele, WM 1997, 507 f.; J. Hartmann, S. 206 ff.; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 90, 92; Immenga, ZBB 1995, 201 f.; Hammen, in: BuB, Rz. 7/714; Krauel, S. 257 f.; Matusche, S. 111 f.; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 89; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 26 ff.; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.490; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 33; Schröder, in: Achenbach/Ransiek, X 2 Rz. 140; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 32. Kritisch Gehrt, S. 182 f. und Hirte, S. 65 f., bezogen auf das Veröffentlichungsverfahren; Lücker, S. 58 ff.; von Rosen, Die Bank 1995, 9 (12); D. Schneider, DB 1993, 1429 ff. Ablehnend Schödermeier/Wallach, EuZW 1990, 123. 7 Zu Recht kritisch zu diesem Gedanken aus ökonomischer Sicht D. Schneider, DB 1993, 1429 ff.
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Vielfaches erhöht, wollte man nicht, was wenig wünschenswert und praktikabel wäre, mit dem Entstehen einer Insiderinformation eo ipso eine Aussetzung des Handels mit Wertpapieren des betroffenen Emittenten verlangen. Will man sich aus triftigen Gründen nicht auf die Einrichtung von Wartezeiten einlassen, wird es stets Marktteilnehmer geben, die näher am Zentrum der Informationsentstehung und -verbreitung stehen als andere und zudem eher und besser als andere erkennen können, welches Kurspotenzial die fragliche Information aufweist. Hier erscheint es – auch im Hinblick auf einen Kosten/Nutzen-Vergleich alternativer Vorschläge – klüger, darauf zu setzen, ein engerer, aber beim Gebrauch der im Finanzsektor verbreiteten Nachrichtenübermittlungssysteme keineswegs kleiner Kreis professioneller oder institutioneller Marktteilnehmer werde die Insiderinformation so zur Grundlage von Dispositionen machen, dass sich die Information, ohne die Chance der Realisierung nennenswerter Insidergewinne, sofort in den Börsenkursen widerspiegelt und weitere Insidergewinne unmöglich macht1. 36
An dem Konzept der Bereichsöffentlichkeit ist auch nach der Ersetzung des Begriffs der Insidertatsache durch den der Insiderinformation sowie in Anbetracht der übrigen Änderung des Insiderrechts und der Ad-hoc-Publizität durch das AnSVG festzuhalten2. Weder die Marktmissbrauchsrichtlinie nebst den zu ihrer Durchführung ergangenen Richtlinien (s. Einl. Rz. 29) noch dem AnSVG sind Anhaltspunkte zu entnehmen, die gegen die Beibehaltung des Konzepts der Bereichsöffentlichkeit sprechen.
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Im Einzelnen ist davon auszugehen, dass sich eine Information an eine unbestimmte Zahl von Personen richtet, wenn nicht aufgrund eines bestimmten Informationsmediums oder den zeitlich-räumlichen Umständen, unter denen die Information abgegeben wird, ein bestimmter Kreis der Bereichsöffentlichkeit ausgeschlossen ist, während – umgekehrt betrachtet – gleichzeitig feststeht, wer die fragliche Information erhalten wird. Dass im Markt „gewisse Vorahnungen“ – etwa im Hinblick auf mögliche Umsatzeinbußen und Gewinnverluste eines Emittenten – bestanden haben mögen oder interessierten Kreisen eine bestimmte „wirtschaftliche Tendenz geläufig“ gewesen sein mag, macht eine diesbezügliche Insiderinformation noch nicht zu einer öffentlich bekannten3.
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Werden Informationen an Redaktionen, Nachrichtenagenturen, Betreiber der elektronischen Nachrichtenvermittlungssysteme oder sonstige Nachrichtenverteilungsstellen gegeben, so sind sie nicht bereits mit der Weitergabe, sondern erst für den Fall als veröffentlicht zu betrachten, dass sie in den von diesen betreuten bzw. beschickten Printorganen und elektronischen Medien so erscheinen, dass nach dem üblichen Lauf der Dinge davon ausgegangen werden kann, sie seien einer unbestimmten Zahl von Personen zugänglich4. Bei elektronischen Informationsverbreitungssystemen ist eine Veröffentlichung bereits für den Zeitpunkt annehmen können, in dem die fragli-
1 Ähnlich auch RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 46. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 32. Explizit auch Claussen/Florian, AG 2005, 749; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 92; Schäfer, in: Schäfer/ Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 34; Schwintek, S. 20; Sethe, in: Assmann/ Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 40. 3 Vgl. BGH v. 27.1.2010 – 5 StR 224/09 („Freenet“), AG 2010, 249 (Rz. 14) = ZIP 2010, 426. 4 Ebenso Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 94, 100; Rothenhöfer, in: Kümpel/ Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.491; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 37.
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che Information versandt1 wird2. Die bloße Übermittlung der Information an die mit der Nachrichtenverbreitung betraute Agentur reicht dagegen nicht aus, um von der Herstellung der Bereichsöffentlichkeit ausgehen zu dürfen3. Auf der Grundlage des Konzepts der Bereichsöffentlichkeit ist es allerdings nicht erforderlich, dass es sich bei den Printorganen oder elektronischen Medien, in denen Informationen veröffentlicht werden, um solche handelt, die Privatanleger auch tatsächlich regelmäßig nutzen4. Des Weiteren ist eine Information nicht bereits dann als öffentlich bekannt anzuse- 39 hen, wenn ein Unternehmen mehrere Analysten oder Journalisten einlädt, um diesen über die fraglichen Umstände zu berichten5. Ebenso wenig können die auf einer jedermann zugänglichen Pressekonferenz mitgeteilten Informationen bereits mit Kundgabe als öffentlich bekannt gelten6. Zwar wird nicht zu verlangen sein, dass die Mitglieder der Bereichsöffentlichkeit von einem Informationsangebot Gebrauch machen, doch handelt es sich bei einer öffentlichen Pressekonferenz nicht um ein allgemein zugängliches Informationsmedium im Sinne des Gedankens der Schaffung von Bereichsöffentlichkeit. Dem steht nicht nur der außergewöhnliche Aufwand zur Teilnahme an einer solchen entgegen, sondern auch der Umstand, dass in dem Moment, in dem die Information kundgegeben wird, nur eine bestimmte Personenzahl die Möglichkeit der Kenntnisnahme besitzt. Was für Pressekonferenzen gilt, gilt auch für anderweitige Kundgaben an einen begrenzten und bestimmten Personenkreis, wie etwa Festvorträge7 oder Vorträge auf Konferenzen und Fortbildungsveranstaltungen. Auch die Gerichtsöffentlichkeit genügt den Anforderungen an die Be-
1 Früher war (vgl. auch noch 5. Aufl. des Kommentars Rz. 38) diesbezüglich, im Hinblick auf Börsenticker – möglicherweise missverständlich – von „Einspeisen“ (im Sinne einer versandfertigen Eingabe) die Rede. Claussen, ZBB 1992, 275; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 36, Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 41. 2 Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 92, 94 („über den Börsenticker gelaufen“). Offener: Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.120 („Möglichkeit der Kenntnisnahme“, jedenfalls nicht schon „Eingabe“); Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 37 („veröffentlicht“). 3 Ebenso Lösler, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 29; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 41. 4 RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 46; Assmann, AG 1994, 242; Claussen, ZBB 1992, 276; Kümpel, WM 1994, 2138. 5 Assmann, AG 1994, 242; Assmann, ZGR 1994, 512; Claussen, DB 1994, 29; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 95; Hopt, ZGR 1991, 30; Kümpel, WM 1994, 2138; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.121; Lösler, in: Habersack/Mülbert/ Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 30; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 97; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 31; Röder/Merten, Ad-hoc-Publizitätspflicht bei arbeitsrechtlich relevanten Maßnahmen, NZA 2005, 269; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.492; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 36; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 36. 6 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 32; Eichele, WM 1997, 508; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 95; Hopt, in Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 25; Hammen, in: BuB, Rz. 7/715; Matusche, S. 112; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 97; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 31; Röder/Merten, Ad-hoc-Publizitätspflicht bei arbeitsrechtlich relevanten Maßnahmen, NZA 2005, 269; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kappitalmarktrecht, Rz. 3.492; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 36; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 41; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 36. 7 Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 25.
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reichsöffentlichkeit nicht1. Öffentlich bekannt sind Informationen schließlich auch dann nicht, wenn sie vom Emittenten in seine Website eingestellt werden2; der gewachsene Zugang zum Internet bedeutet nicht, dass Vertreter der Bereichsöffentlichkeit sekündlich auf der Homepage eines Emittenten präsent sind, so dass sich die gleichen Probleme ergeben wie bei der Bestimmung der Herstellung der Öffentlichkeit bei der Verbreitung einer Information über Massenmedien. 40
Anerkannt ist heute auch, dass eine auf einer Hauptversammlung – etwa vom Vorstandsvorsitzenden in seinem Bericht oder in Erfüllung eines Auskunftsersuchens eines Aktionärs gemäß § 131 Abs. 1 AktG – erteilte Information nicht dazu führt, dass diese öffentlich bekannt ist3. Nichts anderes gilt für den Fall der Übertragung der Hauptversammlung im Internet4. Auch wenn hier mit den Aktionären eines Unternehmens eine Gruppe der von solchen Informationen Hauptbetroffenen informiert wird, kann auf der Hauptversammlung nur ein bestimmter Kreis von Aktionären, von Marktteilnehmern und erst recht der Öffentlichkeit unterrichtet werden. Die fragliche Information geht mithin auch nicht an eine unbestimmte Anzahl von Personen; vielmehr ist sie – auch wenn die Hauptversammlung eine große Zahl von Teilnehmern aufweist, die Presse vertreten ist und die Versammlung gar zeitgleich im Internet übertragen wird – nur einem bestimmten Kreis von Personen zugänglich. Davon zu trennen ist die Frage, ob der Vorstand befugt ist, Aktionären im Rahmen einer Hauptversammlung Insiderinformationen mitzuteilen (dazu § 14 Rz. 85 ff.).
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Ein ganz anderer Themenbereich ist auch betroffen, wenn es um die Beurteilung der Frage geht, ob mit der Veröffentlichung bestimmter primärer Informationen, wie etwa einem Jahresabschluss oder einem Zwischenbericht, auch bestimmte, ihnen nicht unmittelbar zu entnehmende sekundäre Informationen als öffentlich bekannt angesehen werden dürfen. So kann etwa zu beurteilen sein, ob stille Reserven bspw. aufgrund der veröffentlichten Rechnungslegung als öffentlich bekannt oder unbekannt zu gelten haben. In diesem und den anderen Fällen wird es entscheidend darauf ankommen, ob zumindest den Angehörigen der Bereichsöffentlichkeit ein Schluss von den fraglichen Primärinformationen auf die fraglichen Sekundärinforma1 Hammen, in: BuB, Rz. 7/715; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 16.101; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 99; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 36. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 32; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 35; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 36; Sethe, in: Assmann/ Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 41. A.A. Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 94. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 32; Eichele, WM 1997, 508; Hammen, in: BuB, Rz. 7/715, 7/740; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 95; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 25; Kümpel, WM 1994, 2138; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.121; Lösler, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 30; Matusche, S. 112; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 98; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 34; Röder/Merten, Ad-hoc-Publizitätspflicht bei arbeitsrechtlich relevanten Maßnahmen, NZA 2005, 269; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.492; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 36; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 35; Schwintek, S. 20; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 41; Sethe, ZBB 2006, 251. A.A. Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 254. 4 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 32; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 25; Lösler, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 30; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 92, 98; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 35; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.492. A.A. Sven H. Schneider, NZG 2005, 702 (706); Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 36.
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tionen möglich ist, so dass sich die Letzteren im Kurs der Wertpapiere widerspiegeln und verbreiten. Das ist im Hinblick auf die Bildung stiller Reserven jedenfalls im Regelfall zu verneinen1. 4. Emittenten- oder Insiderpapier-Bezug der Information Weitere Voraussetzung des Insiderinformationsbegriffs ist, dass sich die Information auf einen oder mehrere Emittenten von Insiderpapieren oder auf die Insiderpapiere selbst bezieht. Das Erfordernis des Emittenten- oder Insiderpapier-Bezugs der Information war bereits Bestandteil des durch den Begriff der Insiderinformation ersetzten Begriffs der Insidertatsache, so dass auf die Grundsätze zurückgegriffen werden kann, die sich unter dem alten Recht zur Auslegung dieses Merkmals herausgebildet haben.
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Verwirrung hat allein der Umstand gestiftet, dass der Gesetzgeber, anders als Art. 1 43 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie (Einl. Rz. 29), bei der Definition der Insiderinformation verabsäumt hat darauf hinzuweisen, dass der Emittentenoder Insiderpapier-Bezug der fraglichen Information ein direkter oder indirekter sein kann. Dass der Emittenten- oder Insiderpapier-Bezug einer Information sowohl ein direkter wie ein indirekter (unmittelbarer oder mittelbarer) sein kann, ist indes nicht zu bestreiten2 und war auch unter dem alten Recht im Hinblick auf den Begriff der Insidertatsache nie umstritten. Zunächst spricht das Gesetz allgemein davon, dass die in Frage kommende Information einen Emittenten- oder Insiderbezug haben muss, so dass damit jegliche Art eines solchen Bezugs erfasst wird. Wäre eine Einschränkung auf solche Informationen gewollt gewesen, die einen direkten Emittenten- oder Insiderbezug aufweisen, so hätte der Gesetzgeber dies zum Ausdruck bringen müssen. Das hat er unterlassen, weil solche Gründe – anders als im Hinblick auf die Veröffentlichungspflicht von Insiderinformationen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG – nicht erkennbar sind, und es besteht auch kein sachlicher Anlass, dies im Wege der Auslegung der Definition der Insiderinformation korrigierend nachzuholen. Des Weiteren ist zu beachten, dass der Gesetzgeber bei der Formulierung des Merkmals des Emittenten- oder Insiderbezugs diejenige von § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG alter (durch das AnSVG geänderterter) Fassung übernommen hat, welche sich ihrerseits an die Formulierung in Art. 1 Nr. 1 der Insiderrichtlinie von 1987 hielt. Dafür, dass sich mit der von der Insiderrichtlinie 1987 insoweit abweichenden Formulierung der Marktmissbrauchsrichtlinie (Einl. Rz. 29) die Vorstellung einer sachlichen Änderung des von beiden Richtlinien verwandten Begriffs der Insiderinformation verbunden hätte, bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Deshalb hätte der Gesetzgeber zur Vermeidung von Irritationen die Formulierung der Marktmissbrauchsrichtlinie übernehmen können, doch mehr als eine Klarstellung hätte sich damit nicht verbunden. Schließlich kommt auch in der Begründung des RegE AnSVG zu § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG deutlich zum Ausdruck, dass der erforderliche Emittenten- oder Insiderbezug sowohl ein unmittelbarer wie ein mittelbarer sein kann3.
1 Vgl. Kübler, in: FS Budde, 1995, S. 361, 374 f. 2 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 32; Claussen/Florian, AG 2005, 749; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.117; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 104; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.494; Simon, Der Konzern 2005, 14; Schwintek, S. 21; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 42. 3 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 33.
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Erforderlich ist der Emittenten- oder Insiderbezug der Information, wohingegen die Herkunft der Insiderinformation unerheblich ist: Die Quelle der Insiderinformation kann deshalb – und auch hier anders als im Hinblick auf die Veröffentlichungspflicht von Insiderinformationen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG – sowohl innerhalb wie außerhalb des Unternehmensbereichs von Emittenten liegen1: So ist etwa die Ermittlung einer erheblichen Steigerung des Unternehmensgewinns eine Information, welche ihren Ursprung im Unternehmen hat und sich auf einen Emittenten bezieht. Auch der Abschluss von Kooperationsverträgen zwischen mehreren Unternehmen lässt sich jeweils als Information über unternehmensinterne Vorgänge deuten, betrifft aber fraglos mehrere Emittenten. Bei der Einleitung staatsanwaltlicher Ermittlungen gegen ein Unternehmen handelt es sich um ein emittentenspezifisches, aber unternehmensextern veranlasstes Ereignis. Verbote über die Verwendung bestimmter (Schad-)Stoffe stammen ebenfalls aus einer unternehmensexternen Quelle, betreffen indes der Anlage nach mehrere Emittenten. Bei einem Beschluss über den Ausschluss von Bezugsrechten liegt ein unternehmensinternes, bei der Anordnung einer Kursaussetzung ein unternehmensexternes Ereignis im Hinblick auf Insiderpapiere vor.
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Nach Erlass der EG-Insiderrichtlinie von 1987 wurde darüber gestritten, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Richtlinie auch sog. Marktinformationen (auch „Marktdaten“) erfasse. Bei diesen handelt es sich um Informationen über die Rahmenbedingungen von Märkten, marktlich-wettbewerblichen Handelns und die Märkte, welche die Verhältnisse von Emittenten und Insiderpapieren lediglich mittelbar berühren2. Das Spektrum einschlägiger Vorgänge reicht von noch vergleichsweise unternehmens- und kapitalmarktnahen Ereignissen (etwa Zinsbeschlüssen von Notenbanken, Veränderungen von Rohstoffpreisen oder der Bekanntgabe branchen- oder konjunkturbezogener statistischer Daten) bis hin zu eher unternehmensund marktfernen politischen Vorkommnissen oder Naturereignissen3. Trotz des Umstandes, dass die als Vorläufer der EG-Insiderrichtlinie betrachteten Europäischen Wohlverhaltensregeln für Wertpapiertransaktionen, anders als die Richtlinie Marktinformationen, ausdrücklich zum Kreis der Insiderinformationen zählten, war es doch ganz überwiegende Auffassung, sowohl der Wortlaut als auch Sinn und Zweck der Richtlinie sprächen für die grundsätzliche Einbeziehung von Marktinformationen in Insiderinformationen4. Daran, dass dies auch für das deutsche Insiderrecht zu gelten hatte, dessen einschlägige Bestimmung mit derjenigen der Richtlinie nahezu wortgleich war, bestand nie ein ernsthafter Zweifel5. Jede andere Sichtweise musste 1 Assmann, AG 1994, 242; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 16.88; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.117; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 110 f.; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.495; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 38; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 42. 2 Ähnlich BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 33. Vgl. auch Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 116; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 40. 3 Vgl. den Versuch einer Klassifizierung solcher Marktdaten bei Tippach, WM 1993, 1270. Vgl. auch BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 33. 4 Etwa Claussen, ZBB 1992, 274 (277); Hopt, ZGR 1991, 31; Hopt, in: FS Heinsius, S. 290; Hopt, in: FS Beusch, S. 397; Welter, S. 324; Wymeersch, in: Hopt/Wymeersch, S. 115. A.A. Suter, S. 288. 5 Zustimmend Assmann, ZGR 1994, 513; Caspari, ZGR 1994, 540; Claussen, DB 1994, 30; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 99; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 26; Immenga, ZBB 1995, 202; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 16.85 ff.; Kümpel, WM 1994, 2139; Lücker, S. 63; Matusche, S. 113; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 116; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG,
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zudem die Gefahr einer inadäquaten Umsetzung der Richtlinie heraufbeschwören, hätte sie doch im Widerspruch zu der Umsetzungspraxis der anderen Mitgliedstaaten gestanden. Weder die Marktmissbrauchsrichtlinie (Einl. Rz. 29) noch die Änderungen des Insiderrechts durch das AnSVG geben Anlass zu einer anderweitigen Beurteilung1. Insiderinformationen sind Marktinformationen allerdings nur dann, wenn sie einen hinreichend spezifischen Emittenten- oder Insiderpapier-Bezug aufweisen (s. Rz. 9). Ob dem Merkmal des Emittenten- oder Insiderpapier-Bezugs überhaupt eine Bedeu- 46 tung im Hinblick auf die Selektion insiderrechtlich relevanter von insiderrechtlich irrelevanten Informationen zukommt, die über das Erfordernis einer konkreten und spezifischen Information einerseits (s. Rz. 8 f.) und dasjenige der Kursrelevanz andererseits hinausgeht, ist zu bezweifeln2. Konsequenterweise sollten deshalb die Bemühungen zur Konkretisierung des Merkmals des Emittenten- oder InsiderpapierBezugs im Hinblick auf die Trennung der Insiderinformationen von anderen Informationen aufgegeben werden. Das fragliche Anliegen lässt sich weitaus besser und hinreichend durch andere Begriffsmerkmale bewerkstelligen3. Diese Überlegung scheint schon den Urhebern des deutschen Insiderrechts nicht ganz fremd gewesen zu sein, wenden sie in der Begründung zu § 13 Abs. 1 WpHG (a.F.) im RegE 2. FFG dem Gesichtspunkt des Emittenten- oder Insiderpapier-Bezugs keine besondere Aufmerksamkeit zu und behandeln ihn lediglich implizit im Zusammenhang mit Ausführungen zum Merkmal der Eignung zur Kursbeeinflussung4. Im Schrifttum ist bislang kein Nachweis für die selektive Relevanz des Merkmals erbracht worden; vielmehr dient es lediglich als Anknüpfungspunkt zur Erörterung der insiderrechtlichen Bedeutung von Marktinformationen. Daran hat auch der Umstand nichts geändert, dass die Regelung der Ad-hoc-Publizität in § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG nach ihrer Änderung durch das AnSVG an den Begriff der Insiderinformation anknüpft, denn diese Bestimmung enthält mit dem zusätzlichen Erfordernis, dass die Insiderinformation den Emittenten unmittelbar betreffen müsse, die Beschränkung seiner Veröffentlichungspflicht, welche andernfalls das Merkmal des Emittentenbezugs hätte übernehmen können.
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§ 13 Rz. 40; Sandow, S. 181 ff.; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 45; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 40; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 29, 45; Süßmann, AG 1997, 64. Vgl. auch BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 32 f.; Claussen/Florian, AG 2005, 749; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 103; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 40; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 40. Assmann, AG 1994, 243; Becker, S. 65, offen, aber den selektiven Nutzen des Merkmals „Emittentenbezug“ ebenfalls bezweifelnd und den des Merkmals „Insiderpapierbezug“ sogar verneinend; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 16.88; Schäfer, in: Schäfer, § 13 WpHG Rz. 41 bzw. 45 a.E.; Schwark, in: Schwark, KapitalmarktrechtsKommentar, 3. Aufl. 2004, § 13 WpHG Rz. 42 a.E. Zum neuen Recht ebenso Claussen/Florian, AG 2005, 750; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 41 a.E.; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 45. A.A. Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 38, mit dem Argument, das Merkmal diene der Unterscheidung einzelner Gruppen von Insiderinformationen. Nach Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 107, ist „trotz aller Zweifel an der Bedeutung des Merkmals … an der eigenständigen Prüfung des Emittenten- bzw. Insiderpapierbezugs festzuhalten, auch wenn damit wohl keine substantielle Eingrenzung des Tatbestandsmerkmals der Insiderinformation verbunden ist“. Assmann, ZGR 1994, 514. Ähnlich Hopt, ZGR 1991, 31 f.; Hopt, in: FS Beusch, S. 398; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 26. Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 46, 47.
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Hält man wegen des Gesetzeswortlauts an einer eigenständigen Prüfung des Merkmals des Emittenten- oder Insiderpapier-Bezugs fest, so ist generell festzustellen, dass der Kreis der als Insiderinformationen zu qualifizierenden emittentenbezogenen Informationen weiter gefasst ist als derjenige, der insiderpapierbezogene – also speziellere – Informationen umfasst. Genau umgekehrt sieht dies – einer alles anderen als plausiblen Auslegung Tippachs folgend – offenbar Caspari1, der das Merkmal der Insiderpapierbezogenheit so deutet, dass darunter grundsätzlich sämtliche Daten fallen, die den Markt betreffen. Für die hier vertretene Auffassung dürfte auch der Umstand sprechen, dass keine Informationen vorstellbar sind, die – nach dem insoweit deutlicheren Wortlaut von Art. 1 Nr. 1 der diesbezüglich noch immer auslegungsrelevanten EG-Insiderrichtlinie von 1987 – „ein oder mehrere Wertpapiere“ betreffen, ohne zugleich den Emittenten oder die Emittenten dieser Wertpapiere zu berühren. Wiederum ist allerdings anzumerken, dass die Grenzen zwischen Informationen mit Emittenten- und Insiderpapierbezug fließend sind2 und dieser Auslegungsfrage keine nennenswerte praktische Bedeutung zukommt, weil die einschlägigen Daten stets noch einmal daraufhin überprüft werden müssen, ob sie – so oder so – spezifisch genug sind, um den Kurs der Papiere, die Gegenstand einer Transaktion waren, erheblich zu beeinflussen.
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Als emittentenbezogen sind im vorstehenden Sinne solche Informationen zu betrachten, die interne Vorgänge der Unternehmen oder die Beziehungen der Unternehmen zu ihrer Umwelt betreffen, ohne sich auf Umstände zu beziehen, die nur eine bestimmte Klasse oder Art von Insiderpapieren berühren, welche von den fraglichen Unternehmen emittiert wurden3. Nach a.A. sind emittentenbezogen nur Informationen, die sich auf betriebsinterne Vorgänge eines oder mehrerer Emittenten beziehen4. Fraglos emittentenbezogen sind damit etwa Informationen, welche die Vermögens- und Finanzlage, die Ertragslage, den Geschäftsverlauf, Investitionen, personelle und organisatorische Verhältnisse oder Veränderungen in der Aktionärsstruktur betreffen sowie ähnliche allgemein für die Stellung eines Unternehmens auf dem Markt relevanten Vorgänge5. Bestimmte Ereignisse, wie der Abschluss von Kooperationsverträgen oder die Erteilung eines Großauftrags durch ein an ein anderes Unternehmen, können mehrere Emittenten betreffen6 und, wie bspw. die Änderung des Dividendensatzes, sowohl Emittenten- wie Insiderpapierbezug haben7.
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Insiderpapierbezogene Informationen müssen ein höheres Maß an Spezifizität zu einem oder mehreren Wertpapieren haben. In Frage kommen insoweit etwa Informationen, die eine Klasse oder bestimmte Klassen von Wertpapieren eines Emittenten oder bestimmte Wertpapierformen mehrerer Emittenten betreffen. So könnte ein höchstrichterliches Urteil über die rechtlichen Verhältnisse bestimmter Wertpapiere, wie etwa die Rechte von Genussscheininhabern, eine zwar mehrere Wertpapiere 1 Caspari, ZGR 1994, 540. 2 Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 109; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 496; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 39. 3 Ebenso etwa Caspari, ZGR 1994, 539; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 26; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 110, 111; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bankund Kapitalmarktrecht, Rz. 3.495. 4 Tippach, WM 1993, 1271; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 99. 5 Vgl. Caspari, ZGR 1994, 539; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 110; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 39; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 38; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 43. 6 S. schon oben Rz. 47. Auch Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 111, 115. 7 Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 113.
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mehrerer Emittenten betreffende, aber immer noch wertpapierspezifische Information darstellen. Eine Information, die spezifisch die Wertpapiere eines Emittenten betrifft, kann etwa in der Erteilung einer Order zum Erwerb oder zur Veräußerung einer namhaften Menge von Wertpapieren eines Emittenten1 oder in der Änderung des Dividendensatzes2 gesehen werden. Nach a.A. fallen unter insiderpapierbezogene Informationen auch marktbezogene und nicht wertpapierspezifische Informationen3. 5. Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung (§ 13 Abs. 1 Satz 2 WpHG) a) Bedeutung und Struktur des Merkmals Wesentliche Voraussetzung einer Insiderinformation ist schließlich die Kurserheb- 50 lichkeit der Information (auch: Kursrelevanz), d.h. ihre Eignung, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis (im Folgenden kurz: Kurs) der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen. Das Merkmal wird zwischenzeitlich einhellig als einheitliches aufgefasst und ausgelegt. Der Vorschlag, das Merkmal in seine Komponenten „Eignung zur Kursbeeinflussung“ und „Erheblichkeit“ aufzuspalten4, führt zu keinen anderweitigen Resultaten, ist aber aufgrund der Ersetzung des engen Begriffs der Insidertatsache durch den weiteren der Insiderinformation in der Weise zur Geltung gelangt, dass nur konkrete Informationen als Insiderinformationen in Betracht kommen, d.h. Informationen, die spezifisch genug sind, dass sie einen Schluss auf mögliche Auswirkungen dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf die Kurse von Finanzinstrumenten oder damit verbundenen derivativen Finanzinstrumenten zulassen (s. Rz. 7). Das bedeutet nichts anderes, als dass die Eignung zur Kursbeeinflussung bereits zum Tatbestandsmerkmal „konkrete Information“ gewandert ist, so dass es bei dem Merkmal der Eignung zur erheblichen Kursbeeinflussung de facto nur noch um die Frage geht, unter welchen Voraussetzungen davon ausgegangen werden kann, dass eine konkrete Information im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs eines Insiderpapiers „erheblich“ zu beeinflussen vermag5. Diese Veränderung ist zumindest geeignet, den Blick darauf zu lenken, dass die Beschränkung von Insiderinformationen auf Informationen über Umstände mit erheblichem Kursbeeinflussungspotenzial von Anfang an den Zweck verfolgte, Bagatellfälle aus dem Insiderhandelsverbot auszuschließen6. Gemeint sind damit Fälle, in denen die Verwertung einer unveröffentlichten Information von vornherein keinen nen-
1 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 16.86; i.E. auch Caspari, ZGR 1994, 540; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 100; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 114; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 39. 2 Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 29; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 113; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 39. 3 Caspari, ZGR 1994, 540; Tippach, WM 1993, 1271. 4 So der Vorschlag von Loesche, S. 63 ff. Ablehnend etwa Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.124. 5 Ebenso Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 53; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 46. 6 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 46/47; Assmann, AG 1994, 244; Hammen, in: BuB, Rz. 7/716, 7/718; Gehrt, S. 152 f.; Immenga, ZBB 1995, 203; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.124; Loesche, S. 107 ff.; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 124; Pananis, S. 104, 115; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 53; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 46; Weber, NJW 1994, 2852.
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nenswerten wirtschaftlichen Vorteil verspricht und in denen der Anreiz, diese Information zu verwerten, wegen des Risikos stets einzukalkulierender Kursschwankungen und -trends gering ist1. Darüber hinaus erweist sich die Verwendung dieses Kriteriums auch rechtspolitisch mehr denn je als geboten: zum einen, um angesichts des weiten Informationsbegriffs und des Fehlens anderweitiger tauglicher Merkmale zur Eingrenzung des Kreises von Insiderinformationen nicht jede in abstracto zur Kursbeeinflussung taugliche Information zur Insiderinformation zu machen2; zum anderen, um aus den als Insiderinformation in Frage kommenden Marktdaten jene auszusondern, die zwar Kursbewegungen und -tendenzen auslösen können, jedoch nicht geeignet sind, mit dem Erwerb bestimmter Wertpapiere einigermaßen wahrscheinliche, die Marktkräfte schlagende Sondervorteile zu erzielen. 52
Die Ahndung der Insiderhandelsverbote nach § 14 Abs. 1 WpHG als Straftat (§ 38 Abs. 1 WpHG) setzt Vorsatz, diejenige als Ordnungswidrigkeiten nach § 39 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 WpHG vorsätzliche oder leichtfertige Tatbegehung voraus. Dabei müssen Vorsatz und Leichtfertigkeit auch die Kurserheblichkeit einer nicht öffentlich bekannten Information umfassen3. Die Ansicht, bei diesem Merkmal handele es sich um eine objektive Bedingung der Strafbarkeit4, entbehrt jeglicher Grundlage5.
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Bei der Beantwortung der Frage, ob eine Information unter Würdigung der Verhältnisse des konkreten Einzelfalls geeignet ist, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs von Insiderpapieren erheblich zu beeinflussen, sind zwei Gesichtspunkte zu unterscheiden: Zum einen ist zu bestimmen, wann ein zu erwartender Kursausschlag als erheblich zu betrachten ist (unten Rz. 62 ff.); und zum anderen sind die Voraussetzungen der Prognose über die Eignung einer Information zur erheblichen Kursbeeinflussung zu klären (Rz. 54 ff.). b) Prognose
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Ob eine konkrete Information geeignet ist, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen, ist in objektiv-nachträglicher6,
1 Den diesbezüglich kritischen Einwänden von J. Hartmann, S. 216, ist entgegenzuhalten, dass der Ausschluss von Bagatellfällen in der Tat auf den Ausschluss von nicht öffentlich bekannten Tatsachen mit bagatellartigem Kursbeeinflussungspotenzial aus dem Kreis der Insidertatsachen und nicht auf den Ausschluss solcher Fälle gerichtet ist, in denen die zu erwartende oder tatsächlich eingetretene Höhe des Insidergewinns gering ist. 2 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 46/47; Caspari, ZGR 1994, 540. 3 Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.124; Loesche, S. 224 ff. 4 Hirte, S. 80 f. 5 Cahn, ZHR 162 (1998), 17; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.124; Loesche, S. 222 ff. 6 BGH v. 27.1.2010 – 5 StR 224/09 („Freenet“), AG 2010, 249 (Rz. 15) = ZIP 2010, 426: objektivierte Bewertung erforderlich. Ganz h.M., etwa: Assmann, AG 1994, 243; Assmann, ZGR 1994, 514; Claussen, Insiderhandelsverbot, Rz. 33; Gehrt, S. 160 ff.; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 102; Hopt, ZGR 1991, 32; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 27; Immenga, ZBB 1995, 202; Loesche, S. 114 ff.; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 129, 139 ff.; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bankund Kapitalmarktrecht, Rz. 3.498; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 48; Schröder, in: Achenbach/Ransiek, X 2 Rz. 144; Schwark, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 13 WpHG Rz. 45; Weber, BB 1995, 163; auch Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 48, spricht sich implizit für einen objektiven Maßstab aus, wenn sie eine Prognose unter Zugrundelegung der „allgemeinen Lebenserfahrung“ verlangt.
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auf den Zeitpunkt des Insiderhandelns bezogener und die Umstände des Einzelfalls berücksichtigender Prognose1 zu ermitteln2. Geht es in der Regel um die insiderrechtliche Beurteilung des Handelns einer Person 55 in der Vergangenheit, so ist die Frage, ob diese über eine nicht öffentlich bekannte Information verfügte, die im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens geeignet war, den Kurs eines Insiderpapiers erheblich zu beeinflussen, zwangsläufig eine nachträglich und objektiv (s. Rz. 56) zu beantwortende. Als solche muss sie sich aber auf den Zeitpunkt beziehen, zu dem sich das als Insidertat in Betracht kommende Verhalten ereignet hat3. Erforderlich ist, mit anderen Worten, eine Ex-ante-Betrachtung des Kursbeeinflussungspotenzials der fraglichen Information (s. oben Rz. 26). Ob sich der Kurs des Insiderpapiers, nachdem die Information öffentlich bekannt wurde, tatsächlich verändert hat oder nicht, kann deshalb für die Beurteilung der Kurserheblichkeit der Information im Zeitpunkt des Handelns des potenziellen Insiders keine Rolle spielen4. Ist eine erhebliche Veränderung eingetreten und sind hierfür andere Umstände als das öffentliche Bekanntwerden der Information auszuschließen, so kann dies allerdings als Indiz für ein in Erwartung der fraglichen Kursbewegung vorgenommenes Wertpapiergeschäft oder sonstiges verbotswidriges Insiderhandeln angesehen werden5. Der BGH bezeichnet „das spätere Geschehen, insbesondere die Reaktion des Marktes hierauf, (als) ein gewichtiges Beweisanzeichen“ und führt weiter aus, an die Feststellung kursrelevanter Umstände dürften „angesichts der Vielzahl der neben der Tathandlung regelmäßig an der Preisbildung mitwirkenden Faktoren keine über-
1 Vgl. BGH v. 27.1.2010 – 5 StR 224/09 („Freenet“), AG 2010, 249 (Rz. 15 m.w.N.) = ZIP 2010, 426. Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 107; Hopt, ZGR 1991, 33; F. Immenga, ZBB 1995, 202; Loesche, S. 98, 114; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 130 f.; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 42; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.498; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 44; Ziouvas, S. 73 ff. 2 In journalistisch unpräzisem Sprachgebrauch heißt es im Emittentenleitfaden der BaFin (S. 33), hier werde vom Anleger eine „Einschätzung“ des Kursbeeinflussungspotenzials einer Information im Sinne eines Werturteils des Marktteilnehmers verlangt. 3 Assmann, AG 1994, 244; Assmann, ZGR 1994, 514; Caspari, ZGR 1994, 540; Hopt, ZGR 1991, 32; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.125; Loesche, S. 113 ff.; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 129 ff.; Pananis, S. 104; Peltzer, ZIP 1994, 749; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 42; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.498; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 44; Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 177; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 30, 50. A.A., aber unhaltbar, Hirte, S. 77. 4 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 33; BGH v. 27.1.2010 – 5 StR 224/09 („Freenet“), AG 2010, 249 (Rz. 16) = ZIP 2010, 426; Caspari, ZGR 1994, 540; Claussen, DB 1994, 30; Claussen, Insiderhandelsverbot, Rz. 34; Deutsche Börse AG, WM 1994, 2045; Hammen, in: BuB, Rz. 7/717; Immenga, ZBB 1995, 202; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 16.110; Kümpel, WM 1994, 2140; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 42, 43; Peltzer, ZIP 1994, 749; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.498; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 48; Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 177; Schwark, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 13 WpHG Rz. 45; Weber, BB 1995, 163. 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 33; Assmann, AG 1994, 244; Assmann, ZGR 1994, 514 f.; Claussen, ZBB 1992, 277; Hammen, in: BuB, Rz. 7/717; Loesche, S. 111 ff., 114 f., 166 ff.; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 131, 165; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 42; Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 178; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 44.
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spannten Anforderungen gestellt werden“; es reiche regelmäßig aus, den Kursverlauf und den Umsatz in den Blick zu nehmen1. 56
Die nachträgliche Betrachtung der Eignung einer nicht öffentlich bekannten Information, den Kurs eines Insiderpapiers im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens erheblich zu beeinflussen, muss darüber hinaus eine objektive sein. D.h. es kommt darauf an, ob die fragliche Information im Zeitpunkt des Handelns des potenziellen Insiders objektiv kurserheblich war und nicht darauf, ob der Handelnde die Information für kurserheblich hielt oder sich hierüber überhaupt Gedanken machte2. Bei Letzterem handelt es sich um Umstände, die allein im Zusammenhang mit dem subjektiven Tatbestand der Insiderhandelsverbote Bedeutung erlangen können. Damit ist aber noch nicht entschieden, welche objektiven Beurteilungsmaßstäbe bei der Beurteilung der Kurserheblichkeit einer Information heranzuziehen sind. In der Begründung zum RegE 2. FFG3 fand sich der Hinweis, es sei auf die „allgemeine Lebenserfahrung“ abzustellen4, doch wurde dieser Maßstab nahezu durchweg als zu allgemein und als konkretisierungsbedürftig angesehen. Als gemeinsamer Nenner aller Konkretisierungsversuche hat sich dabei der Maßstab des „verständigen Anlegers“ (s. Rz. 57 f.) herauskristallisiert.
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Ein Teil des Schrifttums wollte damit allerdings nur den „durchschnittlich verständigen Anleger“5 erfassen und konnte sich diesbezüglich darauf stützen, dass in vergleichbaren zivilrechtlichen (wie etwa der Prospekthaftung6) und strafrechtlichen Tatbeständen (wie etwa §§ 264a, 265b StGB7) auf den „verständigen, durchschnittlichen Anleger“ abgestellt wird, obschon er dort als „Opfer“ und nicht als „Täter“ in den Blick kommt. Dennoch war und ist nicht zu übersehen, dass auch dieser Maßstab den Rechtsanwender lediglich auf die weitere Suche nach einem solchen schickt, statt ihm einen verbindlichen Standard an die Hand zu geben, denn je nach der – bislang in keinem entsprechenden Fall je empirisch, sondern stets normativ vorgenommenen – Bestimmung des Anforderungsprofils des „durchschnittlich verständigen Anlegers“ gelangt man vom Privatanleger8 schnell zum Börsenfachmann. Von dem möglichen Anliegen, die mit Insiderwissen ausgestatteten Personen keinen überzogenen Anforderungen an ihre Prognosefähigkeiten auszusetzen, bliebe schon dann nicht mehr viel übrig, würde man mit dem Umstand ernst machen, dass sich das Insiderhandelsverbot zu einem erheblichen Teil an statusbedingte und börsenerfahrene Primärinsider wendet und hier das Gros der unter Verdacht des Insiderhandelsverstoßes geratenen und überführten Insider zu finden ist.
1 BGH v. 27.1.2010 – 5 StR 224/09 („Freenet“), AG 2010, 249 (Rz. 16) = ZIP 2010, 426 (Hervorhebungen hinzugefügt). 2 Ebenso Hammen, in: BuB, Rz. 7/717; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 137; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 42; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.500. 3 BT-Drucks. 12/6679, S. 48. 4 Ebenso BAWe/Deutsche Börse, S. 37; Deutsche Börse AG, WM 1994, 2045; Kümpel, Bankund Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 16.113, 16.115; Weber, BB 1995, 164. 5 1. Aufl. Rz. 65 a.E., 66; Caspari, ZGR 1994, 540; Dickersbach, S. 170; Matusche, S. 114; Pananis, S. 112 ff. 6 Assmann, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 6 Rz. 83. 7 BGH v. 7.2.2002 – 1 StR 222/01, BGHSt 30, 285, 292 (zu § 265b StGB). 8 Kallmeyer, DB 1994, Heft 17, I.
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Stellt man stattdessen und vorzugswürdig auf den „verständigen, mit den Markt- 58 gegebenheiten vertrauten“ (also börsenkundigen)1 und mit Kenntnis aller verfügbaren Informationen ausgestatteten2 Anleger ab, so führt dies gleichwohl nicht zu überzogenen Anforderungen an die Marktteilnehmer, weil es nicht um die Festlegung von Sorgfaltspflichten3 geht und mit der objektiven Prognose noch nicht entschieden ist, ob der potenzielle Insider die für diese maßgeblichen Umstände kannte und vorsätzlich handelte. Darüber hinaus wird mit dem vorgeschlagenen Maßstab dem Erfordernis der tatbestandlichen Bestimmtheit des Merkmals der Kurserheblichkeit Rechnung getragen. Und schließlich wären die Verfolgungsbehörden und Gerichte in der Lage, Sachverständige in einer Art und Weise einzuschalten, dass diese, und zwangsläufig auch der Rechtsanwender selbst, sich nicht auf einen ihnen so oder so fremden Verständnishorizont eines „durchschnittlichen“ Anlegers verkrümmen müssten. Dem Versuch, den verständigen Anleger im Kreis derer zu suchen, die die Bereichsöffentlichkeit bilden4, d.h. in einem Kreis professioneller oder institutioneller Marktteilnehmer, ist nicht zu folgen, denn die Frage, wann eine Insiderinformation geeignet ist, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs von Insiderpapieren erheblich zu beeinflussen, hat nichts mit der Frage zu tun, ab welchem Zeitpunkt eine Insiderinformation öffentlich bekannt ist. Um dem Erfordernis der Würdigung der Umstände des konkreten Einzelfalls gerecht zu werden, sind bei der Prognose der Kurserheblichkeit der in Frage stehenden Tatsache, neben dieser selbst, auch alle im Ex-ante-Prognosezeitpunkt bekannten Markt-
1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 33; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 103; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.126 (durschnittlich börsenkundiger Anleger); Loesche, S. 118 ff., S. 130 ff., 137; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 141; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 87 f. (Rz. 88: „börsenkundiger Laie“); Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.500; Schröder, in: Achenbach/Ransiek, X 2 Rz. 144, 146; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 47. Ähnlich aber auch schon Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 48, wenn sie Emittenten nahe legt, sich zur Beurteilung der Kurserheblichkeit einer Tatsache die „notwendige Sachkunde“, notfalls durch Heranziehung sachkundiger Personen, zu verschaffen; dem folgend Kümpel, WM 1996, 655. Zwar – wie Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2003/124/EG (oben Rz. 3) – auf den „verständigen Anleger“ abstellend, aber im entscheidenden Punkt der Qualifikation unklar, BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 33. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 33: Abzustellen ist auf die „Sicht eines verständigen Anlegers, der zum Zeitpunkt seines Handelns alle verfügbaren Informationen kennt“. Ebenso Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 15 Rz. 44; Fleischer, NZG 2007, 405; Gunßer, S. 60 ff.; Hammen, in: BuB, Rz. 7/717; Harbarth, ZIP 2005, 1901 f.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.126; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 93; Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 183; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 48. Ausführlich und differenziert OLG Stuttgart v. 22.4.2009 – 20 Kap 1/08, AG 2009, 454 = ZIP 2009, 962: „[Rz. 91] Auch der Senat hält es für richtig, auf die Sicht des verständigen Anlegers abzustellen …, mithin auf die Anlagerelevanz der Information … [Rz. 92]. Ein verständiger Anleger handelt rational, er trifft seine Entscheidung auf angemessener, also verlässlicher tatsächlicher Informationsgrundlage (vgl. auch Erwägungsgrund 1 der Durchführungsrichtlinie), aufmerksam und kritisch … Er ist folglich börsenkundig und kennt die verfügbaren Informationen. Ob es sich um einen Kleinanleger oder einen professionellen Anleger handelt, ist nicht wesentlich … Rational handelt der verständige Anleger auf dieser Grundlage, wenn er – im Unterschied zum spekulativen Anleger – seine Anlageentscheidung an der im Hinblick auf die ihm vorliegenden verlässlichen Informationen zu prognostizierenden künftigen Ertragskraft des Emittenten orientiert.“ 3 Zutreffend Loesche, S. 130. 4 Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 50 ff.
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verhältnisse zu berücksichtigen1. Diese umfassen den Zustand und die Entwicklung sowohl des Gesamtmarkts als auch der in Betracht kommenden Branchen. Zu den Marktverhältnissen im Einzelnen gehören nicht nur Umstände wie Marktenge und Volatilitäten in Bezug auf das konkrete Insiderpapier sowie allgemeine oder branchenspezifische Kurstrends, sondern auch solche wie etwa der seit dem Eintritt der Tatsache bereits verstrichene und bis zur voraussichtlichen Veröffentlichung derselben noch bevorstehende Zeitraum2 oder die eventuelle sukzessive und vom Markt jeweils aufgenommene Vorbereitung des Publikums über bestimmte Entwicklungen3. 60
Wie jede Prognose ist auch diejenige, die jeweils über die Eignung einer Information, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs eines Insiderpapiers erheblich zu beeinflussen, anzustellen ist, ein Wahrscheinlichkeitsurteil. Deshalb stellt sich die Frage nach dem Wahrscheinlichkeitsgrad, mit dem im Zeitpunkt des Handelns des vermeintlichen Insiders erwartet werden durfte, die Veröffentlichung der bislang unbekannten Information werde eine erhebliche Kursveränderung hervorrufen. Bei unterschiedlichen und teils auch unpräzisen Formulierungen im Detail4 lässt die ganz herrschende Ansicht weder die bloße Möglichkeit (also schon eine nur geringe Wahrscheinlichkeit) ausreichen, noch verlangt sie andererseits eine hohe5 oder gar eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Auch wenn mit dem Erfordernis vorsätzlichen (§ 38 Abs. 1 WpHG) bzw. vorsätzlichen oder leichtfertigen (§ 39 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 WpHG) Handelns ein auf das Möglichkeitsurteil des Insiders abstellendes Filterelement in die Sanktionierung der Insiderhandelsverbote nach § 14 Abs. 1 WpHG eingebaut ist, macht es Sinn, schon der objektiven Prognose über die Kurserheblichkeit einer Tatsache die Funktion der Aussonderung insiderrechtlich relevanter von insiderrechtlich irrelevanten Tatsachen zuzuordnen. Deshalb wird man als zur erheblichen Kursbeeinflussung geeignet nicht bereits jede Tatsache ansehen können, von der sich nicht behaupten lässt, sie sei zur erheblichen Kursbeeinflussung ungeeignet. Auch eine nur geringe Wahrscheinlichkeit taugt nicht dazu, das Insiderrecht seinem Schutzbereich nach auf Fälle zu beschränken, bei denen Insiderhandeln dem Insider als lohnend erscheinen muss. Das wird sich nur annehmen lassen, wenn zum Zeitpunkt des Insiderhandelns erwartet werden konnte, die fragliche Tatsache werde im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens eher als nicht, also mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erheblichen Kursänderungen führen6.
1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 34. Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 132; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.499; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 50 ff. I.E. ebenso Loesche, S. 122 ff. 2 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 16.114; Lenenbach, Kapitalmarktund Börsenrecht, 2002, Rz. 10.37. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 34; Fürhoff/Wölk, WM 1997, 455; Pananis, S. 110 ff.; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 132. 4 Etwa: Deutsche Börse AG, WM 1994, 2045: „hinreichende Möglichkeit“; Kümpel, WM 1994, 2040, und Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 1. Aufl. 1995, Rz. 14.135: „realistische Möglichkeit“, falls Prozentsätze in Bezug auf die Kursveränderung Maßstab seien; Peltzer, ZIP 1994, 749: „hätte beeinflussen können“; 1. Aufl. Rz. 68 und Loesche, S. 134: „wahrscheinlich“. 5 Anders Weber, BB 1994, 164. 6 Ebenso Bachmann, ZHR 172 (2008), 603; Hammen, in: BuB, Rz. 7/717; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.127, 13.129; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 137; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.501; Uwe H. Schneider/Burgard, in: Baums/Hopt/Horn, S. 512; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 50.
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Bei zukunftsbezogenen Informationen, d.h. Informationen über Pläne, Vorhaben oder Absichten, ist damit ein zweifaches Wahrscheinlichkeitsurteil erforderlich: eines im Hinblick auf den Eintritt des zukünftigen Umstands oder Ereignisses (s. oben Rz. 22, 28) und eines im Hinblick auf die Kurserheblichkeit der Information1. So kommt etwa eine Information über den am Anfang eines mehrstufigen Entscheidungsprozesses stehenden Beschluss des Vorstands zur Abgabe eines Übernahmeangebots nur dann als Insiderinformation in Betracht, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass die weiteren Voraussetzungen zur Abgabe eines Übernahmeangebots eintreten und ein Angebot abgegeben werden wird. Ist dies der Fall, so ist darüber hinaus zu prüfen, ob die nicht öffentlich bekannte Information über die hinreichend wahrscheinliche Abgabe eines Übernahmeangebots, würde sie öffentlich bekannt, eher als nicht zu einer erheblichen Kursänderung von Insiderpapieren führen würde.
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c) Erheblichkeit der Kursbeeinflussung (§ 13 Abs. 1 Sätze 1 und 2 WpHG) Gegenstand der nach vorstehend erörterten Grundsätzen anzustellenden Prognose 62 ist die Frage, ob eine nicht öffentlich bekannte Information im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs von Insiderpapieren erheblich zu beeinflussen vermag. Welche Kursveränderung als erheblich zu betrachten ist, ließ das Gesetz bis zur Änderung des § 13 Abs. 1 WpHG durch das AnSVG (Vor § 12 Rz. 13, 21) offen2. Zur Konkretisierung des Merkmals der Kurserheblichkeit hatten sich, bei allen Unterschieden im Detail, zwei unterschiedliche Ansätze herausgeschält: Von diesen plädierte der eine für die Herausbildung fixer Grenzwerte zur Bestimmung der Erheblichkeitsschwelle (unten Rz. 63), während der andere, starre Schwellenwerte ablehnend, anderweitige Kriterien zur Bestimmung des Erheblichkeitsmaßstabes bevorzugte (unten Rz. 64). Auch wenn von Anfang an von kritischen Stimmen begleitet3, hat sich nach dem In- 63 krafttreten des WpHG schnell eine auf die Bildung fixer Grenzwerte gerichtete herrschende Meinung gebildet4. Entsprechende Ausführungen in der Begründung zum Regierungsentwurf des 2. FFG5 aufgreifend, betrachtete sie jede zum Zeitpunkt der Vornahme des Insidergeschäfts zu erwartende Kursänderung von mindestens 5 % bei Aktien, 1,5 % bei Renten und 10 % bei Optionsscheinen als erheblich6. Dabei stand außer Frage, dass die fragliche Kursänderung nicht tatsächlich eingetreten sein muss, um aus der Ex-ante-Sicht als wahrscheinlich zu gelten7. Als Erheblichkeitskriterium wurde auf denjenigen Schwellenwert zurückgegriffen, der einen Kursmakler (später: Skontroführer) verpflichtete, aufgrund vorliegender Aufträge vorhersehbare Abweichungen vom zuletzt notierten Kurs mit einem Plus- („+“) oder Minus-Zusatz (“./.“) 1 Ebenso Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 138; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 42; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 56. 2 Zur Kritik der gesetzlichen Verwendung eines solchen Merkmals s. etwa Gehrt, S. 153; Kallmeyer, DB 1994, Heft 17, I. 3 Etwa Peltzer, ZIP 1994, 749: „starre Grenzen“ sind „nur bedingt geeignet“; Kümpel, Bankund Kapitalmarktrecht, 1. Aufl. 1995, Rz. 14.137. Kritisch zur „Schwellenwerttheorie“ und den Versuchen, sie durch Abwandlungen zu verbessern, nachträglich Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 45 ff. bzw. 61 ff. 4 Ausführlich hierzu 3. Aufl. des Kommentars Rz. 69 ff. 5 BT-Drucks. 12/6679, S. 47. 6 Etwa Assmann, AG 1994, 244; Assmann, ZGR 1994, 514 f.; Caspari, ZGR 1994, 541; Claussen, ZBB 1992, 277 ff.; Hopt, ZHR 159 (1995), 154 f.; Immenga, ZBB 1995, 203; Möller, BFuP 1994, 106; Schleifer/Kliemt, DB 1995, 2216; Weber, BB 1995, 164. 7 Verfehlte Kritik deshalb bei Dickersbach, S. 171 ff.; Tippach, 1995, S. 124 ff.
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zu kennzeichnen (§ 8 Abs. 1 der seinerzeitigen Bedingungen für Geschäfte an den deutschen Wertpapierbörsen1). Dem lag die Überlegung zu Grunde, dass solche Hinweise die Funktion haben, nicht nur bloße Richtungsmeldungen, sondern eine zu erwartende ungewöhnliche Abweichung vom letzten Kurs zu signalisieren2. Wurde zunächst noch über höhere Erheblichkeitsschwellen als 5 % diskutiert3, so richtete sich die Auseinandersetzung mit dieser Lehre schnell auf die Handhabung der 5 %-Größe, insbesondere ihr innewohnende Unschärfen in der Trennung kurserheblicher und -unerheblicher Tatsachen4. Dabei galt es zuletzt als selbstverständlich, dass bei der Anwendung des 5 %-Kriteriums rein marktbedingte Kursschwankungen zu eliminieren5 und andere Besonderheiten zu berücksichtigen seien6. 64
Unter den Vorschlägen, die nicht auf bestimmte Schwellenfixierungen oder feste Verfahren zur Ermittlung der Kurserheblichkeit setzen wollten7, sondern subjektive Anknüpfungen bevorzugten, kam demjenigen die größte Bedeutung zu, der die Kurserheblichkeit einer nicht öffentlich bekannten Information danach beurteilt, welchen Kauf- oder Verkaufsanreiz diese auf einen über die Information verfügenden und rational handelnden (d.h. die besonderen Verhältnisse des Marktes und des fraglichen Insiderpapiers mit berücksichtigenden) Anleger ausübte. Das wurde, in griffiger Formulierung, teilweise dergestalt gefasst, dass es sich für die als Insider in Betracht kommende Person „lohnen müsse“, ihre Kenntnis der öffentlich unbekannten Tatsache in Geschäften mit dem Insiderpapier auszunutzen8; auch fand sich der Hinweis, der Kauf- oder Verkaufsanreiz müsse erheblich9 oder ausreichend sein, um einen rational handelnden Anleger in Ansehung von Kosten und Risiken der Transaktion zum Erwerb oder zur Veräußerung von Insiderpapieren zu veranlassen10. Die Bedeutung dieses Ansatzes war schon deshalb nicht zu unterschätzen, weil er aus der Praxis der Marktaufsicht durch das BAWe als die seinerzeitige Aufsichtsbehörde heraus vorgeschlagen worden war. Gleichwohl hatte das BAWe in seinem Jahresbericht 1995 (S. 19) ausgeführt, es gehe davon aus, dass Preisbewegungen, welche die übliche Volatilität des konkreten Wertes zuzüglich eines geringen Toleranzwertes überschreiten, als erheblich zu gelten hätten. 1 An ihre Stelle traten später die Bedingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse, die jedoch in ihrer derzeitigen Fassung keine solche Vorschrift über Maßnahmen bei Preisschwankungen mehr enthalten. 2 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 47. 3 S. dazu Assmann, AG 1994, 244. 4 Etwa Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 1. Aufl. 1995, Rz. 14.137, und Kümpel, WM 1996, 656, der zumindest eine Relativierung der 5 %-Schwelle im Wege des Vergleichs mit der Entwicklung vergleichbarer Papiere bzw. die Heranziehung eines Marktindex verlangt; ähnlich Claussen, ZBB 1992, 278; auch der Leitfaden der Deutschen Börse AG (WM 1994, 2045), hielt von vornherein die Berücksichtigung von Marktumständen und von Volatilitäten des Insiderpapiers für geboten. 5 Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 107; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 25; Hopt, ZHR 159 (1995), 155; Kümpel, WM 1994, 2141; Loesche, WM 1998, 1852; Schröder, in: Achenbach/Ransiek, X 2 Rz. 150 ff.; Schwark, ZBB 1996, 263; auch Claussen, Insiderhandelsverbot, Rz. 35. 6 Hinweise hierzu, obwohl das Kriterium ablehnend, etwa auch bei Gehrt, S. 157 ff. 7 Ausführlich zu den unterschiedlichen Vorschlägen 3. Aufl. des Kommentars Rz. 70 ff. 8 Cahn, ZHR 162 (1998), 17; Fürhoff/Wölk, WM 1997, 455; Kümpel, WM 1996, 656; Kümpel, AG 1997, 71; Schwark, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 13 WpHG Rz. 57 ff. (59); Süßmann, AG 1997, 64; Wölk, AG 1997, 79. Für das geltende Recht auch Lösler, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 38. 9 Wittich, AG 1997, 3; ähnlich Pananis, S. 113. Jetzt auch Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 74. 10 Soesters, S. 147.
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Mit der Neufassung des § 13 Abs. 1 WpHG durch das AnSVG 2004 (Rz. 1) und der Re- 65 gelung in dessen Satz 2, die Eignung einer nicht öffentlich bekannten Information, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Insiderpapiere erheblich zu beeinflussen sei gegeben, wenn ein verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde, ist der vorstehend (Rz. 64) ausgeführte subjektive Ansatz Gesetz geworden1. Die Regelung geht zurück auf Art. 1 Abs. 2 der zur Durchführung der Marktmissbrauchsrichtlinie ergangenen Richtlinie 2003/124/EG (Rz. 3). Die Formulierung von § 13 Abs. 1 Satz 2 WpHG ist dergestalt, dass neben dem subjektiven keine anderen Ansätze zur Anwendung gelangen dürfen. Deswegen spielt es keine Rolle, dass die im RegE AnSVG über den Hinweis auf die umzusetzende Richtlinienbestimmung nachgeschobene Rechtfertigung des subjektiven Ansatzes, wegen der „Unvorhersehbarkeit von Marktvolatilitäten“ müsse auf die Fixierung bestimmter Schwellenwerte zur Festlegung der Kurserheblichkeit verzichtet werden, angesichts der vielfältigen Ansätze, Marktvolatilitäten in einem objektiven Ansatz zu berücksichtigen (3. Aufl. des Kommentars Rz. 69a f., 72), nicht zu überzeugen vermag2. Dies wiederum bedeutet nicht, dass es sich bei dem subjektiven Ansatz nicht um einen sachangemessenen und praktikablen Ansatz handele. Wie bereits an früherer Stelle (Rz. 51) ausgeführt wurde, bezweckt die Beschränkung 66 von Insiderinformationen auf Informationen, die geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis von Insiderpapieren erheblich zu beeinflussen, den Ausschluss von Bagatellfällen. Das sind Fälle, bei denen der zu erwartende Kursausschlag so niedrig ist, dass die Chancen, aus der Verwendung der Information Vorteile zu ziehen gering und zudem, wegen der Möglichkeit des Einflusses anderer Faktoren, mit Verlustrisiken verbunden sind. Dieses Ziel verfolgt fraglos auch der subjektive Ansatz zur Bestimmung der Erheblichkeitsschwelle: auch mit ihm sollen Fälle ausgeschieden werden, „in denen die Verwertung einer nicht öffentlich bekannten Information von vornherein keinen nennenswerten wirtschaftlichen Vorteil verspricht“ und damit keinen Anreiz bietet, die Information zu verwerten3. Der subjektive Ansatz hat aber den Nachteil, auch solche nicht öffentlich bekannten Informationen als Insiderinformationen zu erfassen, deren öffentliches Bekanntwerden zwar nur äußerst geringe Kursausschläge nach sich zieht, dafür aber die Realisierung eines möglicherweise nur kleinen, jedoch sicheren Gewinns erwar-
1 Streit entschieden: Brandi/Süßmann, 2004, 642 („dürfte“ entschieden sein); Claussen/Florian, AG 2005, 750; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 106 („entschieden, … Gesetz folgt einem subjektiven Ansatz“); Koch, DB 2005, 268; Möllers, WM 2005, 1395; Lösler, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 37; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 78 („‚Anreiztheorie‘ steht im Einklang mit dem Wortlaut von § 13 Abs. 1 Satz 1“); Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 57 (Gesetzgeber hat „subjektiven Ansatz übernommen und die objektiven Ansätze abgelehnt“); Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 46; Schwintek, S. 22; Ziemons, NZG 2004, 538 (Meinungsstreit obsolet geworden). Kritisch: Bürgers, BKR 2004, 425 (im Hinblick auf das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot problematisch); Spindler, NJW 2004, 3451 (Fixe Grenzen hätten ein Mehr an Rechtssicherheit gebracht); Holzborn/Israel, WM 2004, 1951 (Fraglich, ob das Kriterium dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz genügt). 2 Kritisch auch Koch, DB 2005, 267; Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 186; Spindler, NJW 2004, 3451 (Rechtsunsicherheit). Bedenken im Hinblick auf das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot: Bürgers, BKR 2004, 425; Holzborn/Israel, WM 2004, 1951. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 33.
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ten lässt1. Allerdings ist zu bestreiten, dass die Erfassung solcher Informationen als Insiderinformation und die Ahndung eines dieses Wissen verwertenden Handelns als straf- und ordnungswidrigkeitsrechtlich sanktionierte Insidertat durch den Wortlaut des § 13 Abs. 1 Satz 1 noch gedeckt ist, der eine Eignung der Information zur erheblichen Beeinflussung des Börsen- oder Marktpreises von Insiderpapieren verlangt, die im vorstehend erörterten Fall nicht gegeben ist2. Der subjektive Ansatz ist deshalb dahingehend zu konkretisieren, dass der Kauf- oder Verkaufanreiz aus der zu erwartenden Kursbewegung resultieren muss, oder – mit anderen Worten – dass es sich wegen des Vorteils, der aus dem zu erwartenden Kursauschlag gezogen werden soll, lohnen muss, die nicht öffentliche Information zu verwenden3. 66a Bei der Beurteilung der Kurserheblichkeit einer Information ist zu berücksichtigen, dass unterschiedlichen Gattungen von Finanzinstrumenten ein unterschiedliches Preisbeeinflussungspotential zugeordnet werden kann. Dabei ist das Preisbeeinflussungspotential einer Gattung von Finanzinstrumenten umso höher, je mehr die mit der Anlage verbundenen Gewinnchancen des Anlegers von – in Bezug auf den Emittenten – inneren und äußeren Faktoren im Allgemeinen und dem Unternehmenserfolg des Emittenten im Besonderen abhängen. So kann davon ausgegangen werden, dass festverzinsliche Wertpapiere wie die klassischen Schuldverschreibungen („Rentenpapiere“) ein erheblich geringeres Preisbeeinflussungspotential aufweisen als Dividendenpapiere (namentlich Aktien)4, weil das Anlegerrisiko im ersteren Fall auf die Fähigkeit des Emittenten zur Zahlung des fixen Zinsbetrags beschränkt ist, während Dividenden der Höhe nach unbestimmt sind und vom Ausmaß des von zahlreichen Faktoren beeinflussbaren wirtschaftlichen Erfolgs des Emittenten abhängen. Das gilt in besonderem Maße, wenn der Emittent ausschließlich herkömmliche Schuldverschreibungen zum Börsenhandel zugelassen hat: Hier wird in der Regel die Kurserheblichkeit einer Information nur dann anzunehmen sein, „wenn die Erfüllung der mit dem Finanzinstrument verbundenen Verpflichtungen des Emittenten (z.B. Rückzahlung, Zinszahlung) aufgrund der der Information zu Grunde liegenden Umstände beeinträchtigt wäre“5. Entsprechend gering ist das allgemeine Preisbeeinflussungspotential eines Genussscheins, wenn die Rendite desselben etwa lediglich davon abhängt, dass der Emittent keinen Bilanzverlust erleidet6. 66b Die Beantwortung der Frage, ob eine Insiderinformation geeignet ist, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis eines Insiderpapiers erheblich zu beeinflussen, stellt vor Schwierigkeiten, wenn es um ein Insiderpapier geht, für das gemäß § 12 Satz 2 nur ein Antrag auf Zulassung oder Einbeziehung oder eine entsprechende öffentliche Ankündigung vorliegt. Soweit sich für die fraglichen Finanzinstrumente bereits ein Markt und ein Marktpreis gebildet hat, etwa weil sie in den Freiverkehr einbezogen waren oder ein Handel an einer außerbörslichen Handelsplattform stattfand, kann die Kurserheblichkeit der Insiderinformation auf der 1 Auch Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.129; ähnlich Schwark/Kruse, in: Schwark/ Zimmer, § 13 WpHG Rz. 49. Wenig überzeugende Versuche, mit diesem Problem umzugehen, bei Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 79 ff. 2 Vgl. Assmann, WM 1996, 1342 (1355); Assmann, AG 1997, 58. Ebenso Schwarze, WM 1997, 1564 (Insidertatsache nur, wenn erhebliche Beeinflussung des Kurses zu erwarten ist). 3 Zustimmend Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 49 a.E.; Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 186, 188b; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 49. I.E. auch Hammen, in: BuB, Rz. 7/716. 4 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 56. 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 57. 6 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 57.
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§ 13
Insiderinformation
Grundlage der diesbezüglichen Preisinformationen beurteilt werden1. Ist dies nicht der Fall, ist auf den zu erwartenden Ausgabepreis oder die diesbezüglich zu erwartende Preisspanne abzustellen. Wurde etwa bereits ein so genannter Basisprospekt veröffentlicht und im Rahmen der Zeichnungsfrist eine Preisspanne genannt, so kann sich die Kurserheblichkeit einer Information auch daraus ergeben, dass sie Umstände betrifft, deren Veränderung den Prospekt unrichtig macht, eine Nachtragspflicht auslöst und damit auch eine Änderung der Preisspanne erwarten lässt2. In gleicher Weise sollen selbst „Markteinschätzungen für die zu erwartende Preisspanne oder Bewertungen für das Unternehmen“ die Grundlage für „eine hypothetische Bewertung des erheblichen Preisbeeinflussungspotentials“ des fraglichen Papiers erlauben3, obwohl sich Markteinschätzungen nicht verlässlich ermitteln und zum Gegenstand einer Aussage über ihre Veränderung machen lassen. d) Kanon kurserheblicher Umstände Weder der gesetzlich verordnete subjektive Ansatz zur Beurteilung der Kurserheblichkeit einer Information noch der Umstand, dass bei der Prognose über den Eintritt eines erheblichen Kursausschlags die Umstände des Einzelfalls – d.h. die Lage des Unternehmens sowie die Verfassung des Gesamtmarkts und der Branche, in der das Unternehmen agiert – zu berücksichtigen sind, macht die Aufstellung eines Katalogs von im Allgemeinen kurserheblichen Tatsachen überflüssig. Vielmehr vermag ein Kanon regelmäßig kurserheblicher Umstände und Ereignisse die Rechtsanwendung zu systematisieren und zu erleichtern4: Ist der konkrete Vorgang als ein solcher identifiziert, der im Allgemeinen kurserheblich ist oder nicht, so geht es in einem zweiten Schritt darum zu prüfen, ob im Zeitpunkt des Handelns des potenziellen Insiders Umstände gegeben waren, die das Preisbeeinflussungspotenzial der fraglichen Information verminderten bzw. steigerten.
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Ein Katalog mit im Allgemeinen kurserheblichen Vorgängen findet sich – im Zusammenhang mit der Darstellung von nach § 15 Abs. 1 WpHG veröffentlichungspflichtigen Insiderinformationen – im Emittentenleitfaden der BaFin5. Dort werden in keineswegs abschließender Erfassung als regelmäßig kurserheblich angeführt:
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– Veräußerung von Kerngeschäftsfeldern, Rückzug aus oder Aufnahme von neuen Kerngeschäftsfeldern, – Verschmelzungsverträge, Eingliederungen, Ausgliederungen, Umwandlungen, Spaltungen sowie andere wesentliche Strukturmaßnahmen, – Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsverträge, – Erwerb oder Veräußerung von wesentlichen Beteiligungen, – Übernahme- und Abfindungs-/Kaufangebote, – Kapitalmaßnahmen (inkl. Kapitalberichtigung), – wesentliche Änderung der Ergebnisse der Jahresabschlüsse oder Zwischenberichte gegenüber früheren Ergebnissen oder Marktprognosen, 1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 55. 2 In der Sache wie BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 55. Auch Parmentier, NZG 2007, 413. Zweifelnd Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 71 (abzustellen sei auf die Auswirkungen auf die Preisbildung an der Börse). 3 In der Sache wie BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 55. 4 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 34, 56; Loesche, S. 79 ff. 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 56; Loesche, S. 97.
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§ 13
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– Änderung des Dividendensatzes, – bevorstehende Zahlungseinstellung/Überschuldung, Verlust nach § 92 AktG/ kurzfristige Kündigung wesentlicher Kreditlinien, – Verdacht auf Bilanzmanipulation, Ankündigung der Verweigerung des Jahresabschlusstestats durch den Wirtschaftsprüfer, – erhebliche außerordentliche Aufwendungen (z.B. nach Großschäden oder Aufdeckung krimineller Machenschaften) oder erhebliche außerordentliche Erträge1, – Ausfall wesentlicher Schuldner, – Abschluss, Änderung oder Kündigung besonders bedeutender Vertragsverhältnisse (einschließlich Kooperationsabkommen), – Restrukturierungsmaßnahmen mit erheblichen Auswirkungen auf die künftige Geschäftstätigkeit, – bedeutende Erfindungen, Erteilung bedeutender Patente und Gewährung wichtiger (aktiver/passiver) Lizenzen, – maßgebliche Produkthaftungs- oder Umweltschadensfälle, – Rechtsstreitigkeiten von besonderer Bedeutung, – überraschende Veränderungen in Schlüsselpositionen des Unternehmens (z.B. Vorstandsvorsitzender, Aufsichtsratsvorsitzender, überraschender Ausstieg des Unternehmensgründers) [s. dazu auch Rz. 68a], – überraschender Wechsel des Wirtschaftsprüfers, – Antrag des Emittenten auf Widerruf der Zulassung zum amtlichen oder geregelten Markt, wenn nicht noch an einem anderen inländischen organisierten Markt eine Zulassung aufrecht erhalten wird, – Lohnsenkungen oder Lohnerhöhungen, – Beschlussfassung des Vorstandes, von der Ermächtigung der Hauptversammlung zur Durchführung eines Rückkaufprogramms Gebrauch zu machen. 68a Speziell zu den in vorstehendem Katalog angeführten Personalveränderungen innerhalb der Führungsebene eines Unternehmens wird im Emittententenleitfaden der BaFin ergänzend ausgeführt2: „Insbesondere wenn es sich um die Berufung oder Abberufung von Organmitgliedern in Schlüsselpositionen handelt, d.h. wenn es sich um Personen handelt, bei denen eine maßgebliche Einwirkung auf den Geschäftsverlauf zu erwarten ist oder bislang bestand, kann eine solche Veränderung eine Insiderinformation darstellen. So kann das überraschende Ausscheiden des Vorsitzenden oder des Sprechers des Organs oder das Ausscheiden eines Gründungsmitglieds aus einem Organ eine Signalwirkung für den Kapitalmarkt haben. Bei Unternehmen, deren Entwicklung von der Innovationsfähigkeit oder Kreativität einzelner Personen abhängt, können dies auch Personalveränderungen außerhalb der Organe in den Bereichen Forschung und Entwicklung oder Design sein.“
1 Eine Liste mit Beispielen außerordentlicher Erträge oder Aufwendungen findet sich in: BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 62 wiedergegeben. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 62.
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§ 13
Insiderinformation
6. Regelbeispiele (§ 13 Abs. 1 Satz 4 WpHG) § 13 Abs. 1 Satz 4 WpHG enthält zwei Regelbeispiele für Informationen, die als Insiderinformationen in Betracht kommen: Die Kenntnis von Aufträgen anderer Personen über den Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten (§ 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 WpHG) und Informationen über Derivate nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 WpHG mit Bezug auf Waren, von denen der Marktteilnehmer erwartet, dass er sie in Übereinstimmung mit der zulässigen Praxis an den betreffenden Märkten erhalten würde (§ 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 WpHG). Zur redaktionellen Änderung, die § 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 WpHG durch das FRUG vom 16.7.2007 erfahren hat, s. oben Rz. 2.
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a) Aufträge über Geschäfte mit Finanzinstrumenten (§ 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 WpHG) Nach dem in § 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 WpHG enthaltenen Regelbeispiel, mit 70 welchem Art. 1 Nr. 1 Satz 3 der Marktmissbrauchsrichtlinie (Einl. Rz. 29) und Art. 1 Abs. 2 der zu dieser ergangenen Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG vom 22.12.2003 (Rz. 3) umgesetzt wird, kann die Kenntnis von Aufträgen anderer Personen über den Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten Insiderinformation sein. Die Bestimmung wäre falsch verstanden, wollte man jede Information über solche Aufträge bereits per se und ohne ihre Kurserheblichkeit im Einzelfall als Insiderinformation betrachten, denn es liegt auf der Hand, dass nicht jeder noch so geringe oder von einem x-beliebigen Kunden stammende Auftrag über den Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten geeignet ist, im Falle seines öffentlichen Bekanntwerdens erhebliche Veränderungen des Börsen- oder Marktpreises von Insiderpapieren nach sich zu ziehen. Dafür spricht auch, dass die Vorschrift in das Gesetz aufgenommen wurde, um Art. 1 Nr. 1 Satz 3 der Marktmissbrauchsrichtlinie (Einl. Rz. 29) Genüge zu tun, welche mit der Formulierung „bedeutet ‚Insiderinformation‘ auch eine Information …“ lediglich sicherstellen will, dass Kundenaufträge auch für die mit deren Durchführung betrauten Personen Insiderinformationen i.S. von Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie darstellen. Die Bedeutung des Regelbeispiels beschränkt sich deshalb darauf, die Kenntnis solcher Aufträge als solche über konkrete und emittenten- bzw. insiderpapierbezogene Umstände zu erklären; die Kurserheblichkeit ist dagegen in jedem Fall gesondert und unter Berücksichtigung der Verhältnisse des jeweiligen Falls zu prüfen1. Das in § 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 WpHG enthaltene Regelbeispiel erfasst damit vor allem den Fall, dass Mitarbeiter eines Wertpapierdienstleistungsinstituts (oder von ihnen unmittelbar oder mittelbar informierte Dritte) in Kenntnis kursrelevanter Kundenaufträge über bestimmte Insiderpapiere, solche vor der Ausführung dieser Aufträge erwerben oder veräußern, um aus der Kursänderung nach Auftragsdurchführung Vorteile zu ziehen („Frontrunning“)2. Dabei wird es sich ganz überwiegend um Großaufträge, d.h. um Aufträge handeln, die allein wegen ihrer Größe als kursrelevant zu betrachten sind, doch kann eine Kursrelevanz auch allein aus der Kenntnis der Person des Auftraggebers resultieren. Das wird allerdings nur unter außergewöhnlichen Bedingungen der Fall sein, denn wenn der vermeintliche Insider die Kenntnis der Person des Auftraggebers lediglich zum Anlass nähme, um hieraus auf 1 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 34; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 166; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 28; Schwintek, S. 23; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 53. 2 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 34; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 34; Schwintek, S. 23 f.; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 53.
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§ 13
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ein Insidergeschäft zu schließen und sich (vor oder nach Ausführung des Geschäfts) an dieses anzuhängen, so handelte er – wenn nicht weitere Umstände diesen Schluss als zwingend erscheinen ließen – allein aufgrund einer vagen Vermutung und damit einer Information, die nicht als konkrete i.S. des § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG zu betrachten ist1. Da Nr. 1 aber allein die nicht öffentlich bekannte Information über „Aufträge von anderen Personen“ über Geschäfte mit Finanzinstrumenten genügen lässt, ist insoweit eine teleologische Reduktion der Vorschrift geboten. Als weiteren Anwendungsfall des Regelbeispiels in Nr. 1 schildert der Emittentenleitfaden das Verhalten eines (Mitarbeiters eines) Kreditinstituts, das in Kenntnis einer limitierten Kundenorder durch ein gezieltes Gegengeschäft das Limit der Order abschöpft. 72
Für die Ansicht, die Vorschrift sei auch darin zu weit geraten, dass sie den Adressatenkreis zu weit fasse und – entgegen der Absicht des Gesetzgebers – die Kenntnis von Kundenaufträgen für jede Person2 als Kenntnis einer konkreten Information behandle, gibt es keine triftigen Anhaltspunkte. Wäre dem so und würde man die Kenntnis von Kundenaufträgen nur für Wertpapierdienstleistungsunternehmen als konkrete Information ansehen3, wäre § 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 WpHG wider jede gesetzgeberische Absicht als Einschränkung von § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG und nicht als Klarstellung zu dieser Bestimmung4 zu begreifen. Der Umstand, dass die Begründung des RegE AnSVG das „Frontrunning“ als „Eigengeschäfte von Wertpapierdienstleistungsunternehmen mit Finanzinstrumenten“ beschreibt, kann zu keinem anderen Ergebnis führen: eine Verengung des „Frontrunning“ auf diesen Fall widerspricht nicht nur dem insiderrechtlich geprägten Verständnis dieses Vorgangs, sondern auch dem Umstand, dass der Gesetzgeber in § 32 Abs. 2 Nr. 2 WpHG auch das „Frontrunning“ von Angestellten eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens erfasst und in § 39 Abs. 1 Nr. 3 WpHG als Ordnungswidrigkeit ahndet. In der Tat wäre schwer einzusehen, weshalb der Angestellte eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens oder von einem Angestellten des Wertpapierdienstleistungsunternehmens oder des Auftraggebers informierte Dritte ihr Wissen um einen kursrelevanten Großauftrag insiderrechtlich unbehelligt für Geschäfte mit den fraglichen Finanzinstrumenten sollten verwenden dürfen. Schließlich spricht auch Art. 1 Abs. 1 Nr. 3 der Marktmissbrauchsrichtlinie (Einl. Rz. 29) nicht für die Ansicht, die Regelung in § 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 WpHG sei zu weit geraten: Der Zweck der Richtlinienvorschrift ist es sicherzustellen, dass Kundenaufträge jedenfalls auch für die mit deren Durchführung betrauten Personen Insiderinformationen i.S. von Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie darstellen, wohingegen sie gerade nicht darauf abzielt, Informationen über Kundenaufträge ausschließlich für die Beauftragten als Insiderinformation zu erklären oder gar den Mitgliedstaaten jede weitergehende Regelung zu verbieten. Gleich-
1 Vgl. oben Rz. 19. Ebenso Schwintek, S. 24; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 53 („Gewissheit“ über Insiderwissen des Auftraggebers erforderlich). Nicht hinreichend differenzierend BaFin, Emittentenleitfaden, 2009, S. 35, die pauschal auch den Fall als erfasst erklärt, „dass sich jemand an Wertpapiergeschäfte eines Dritten anhängt“. 2 So Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 96; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bankund Kapitalmarktrecht, Rz. 3.509; i.E. auch Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 27. 3 So Claussen/Florian, AG 2005, 749; Koch, DB 2005, 268; Ziemons, NZG 2004, 538. Ablehnend und wie hier aber Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 96; i.E. auch Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 27. 4 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 34. Vgl. auch BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 34 f.
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wohl wollen einige Stimmen im Schrifttum den Adressatenkreis (und insoweit über die Begr. RegE AnSVG hinaus) nur auf deren Angestellte erweitern1. b) Informationen für organisierte Derivatemärkte (§ 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 WpHG) § 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 WpHG geht auf die Umsetzung von Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 73 der Marktmissbrauchsrichtlinie (Einl. Rz. 29) und Art. 4 der Richtlinie 2004/72/EG2 zurück und wurde durch das FRUG vom 16.7.2007 nur geringfügig an anderweitige Änderungen des Gesetzes angepasst (s. oben Rz. 2). Die Bestimmung stellt klar, dass als Insiderinformation auch eine Information über nicht öffentlich bekannte Umstände in Frage kommt, die sich auf Derivate nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 WpHG mit Bezug auf Waren bezieht3 und zu denen gehört, die ihnen auf den fraglichen organisierten Märkten üblicherweise zur Verfügung gestellt werden, oder von der die Marktteilnehmer erwarten, sie in Übereinstimmung mit der zulässigen Praxis an den betreffenden Märkten (s. § 2 Abs. 5 WpHG) zu erhalten. Letzteres sind vor allem Informationen, die in Anwendung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Handelsregeln, Verträgen und sonstigen Regeln, die auf dem organisierten Markt, auf dem die Warenderivate gehandelt werden, bzw. auf der jeweils zu Grunde liegenden Warenbörse üblich sind, öffentlich bekannt gegeben werden müssen4. Wie § 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 WpHG darf auch § 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 WpHG nicht dahingehend verstanden werden, dass jede der vorstehend angeführten Informationen per se, ohne dass es auf ihre Kurserheblichkeit ankäme, als Insiderinformation zu betrachten wäre5. Erfasst werden nur Informationen über Umstände, die Derivate nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 WpHG mit Bezug auf Waren zum Gegenstand haben. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 WpHG werden damit Wartentermingeschäfte erfasst. Der Begriff der Ware ist in § 2c WpHG definiert (s. § 2 Rz. 61 f.). In § 2 Abs. 2 Nr. 4 WpHG alter (ebenfalls durch das FRUG geänderten) Fassung, auf die sich § 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 WpHG vor seiner Änderung durch das FRUG (Rz. 73, 2) bezog, waren neben Waren auch Edelmetalle erwähnt. Wenn diese in § 2 Abs. 2 Nr. 2 WpHG nicht mehr angeführt sind, so deshalb, weil sie nach der Definition des § 2c WpHG – neben Erzen und Legierungen, landwirtschaftlichen Produkten und Energien wie Strom – zu den Waren gehören (s. § 2 Rz. 50 Spiegelstrich 1). Als Informationen, die als Insiderinformationen in Bezug auf Warenderivate in Betracht kommen, nannte der Emittentenleitfaden der BaFin bei Derivaten auf Strom etwa Kraftwerksausfälle, die Revision von Kraftwerken (geplante Abschaltungen wegen Wartungsarbeiten) und Informationen über Leitungskapazitäten sowie
1 Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 169 (mit der Begründung, aus teleologischer Sicht ließe sich die Nichterfassung der Mitarbeiter nicht überzeugend begründen); Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 26 (unter Berufung auf „einen systematischen Vergleich mit § 33b Abs. 3 WpHG“). 2 Richtlinie 2004/72/EG vom 29.4.2004 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG – Zulässige Marktpraktiken, Definition von Insider-Informationen in Bezug auf Warenderivate, Erstellung von Insider-Verzeichnissen, Meldung von Eigengeschäften und Meldung verdächtiger Transaktionen […], ABl. EU Nr. L 162 v. 30.4.2004, S. 70. 3 Kritisch zur Einbeziehung von Derivaten auf Waren, Strom und Edelmetallen Claussen/ Florian, AG 2005, 747/748. 4 Art. 4 lit. b der Richtlinie 2004/72/EG (Rz. 3); BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 35. 5 S. Rz. 70 a.E. Ebenso Schwintek, S. 24. Diesbezügliche Irritationen hat schon der durch § 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 WpHG umgesetzte Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 der vorgeschlagenen und später auch so verabschiedeten Marktmissbrauchsrichtlinie bei Dier/Fürhoff, AG 2002, 606, ausgelöst.
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bei Derivaten auf Schweine oder Kartoffeln die Kenntnis von Seuchen oder Änderungen der Subventionspolitik1.
III. Auswertung öffentlich bekannter Umstände (§ 13 Abs. 2 WpHG) 75
Nicht zu den Insiderinformationen gehören nach ausdrücklicher (Erwägungsgrund 13 der EG-Insiderrichtlinie folgender) Bestimmung in § 13 Abs. 2 WpHG2 solche Informationen („Bewertungen“), die ausschließlich unter Auswertung öffentlich bekannter Informationen gewonnen werden. Finanzanalysten, Journalisten, Rankingunternehmen, Wirtschaftsprüfer oder Anleger, die aufgrund ihrer Analyse öffentlich bekannter Informationen zu einer bestimmten Bewertung eines Emittenten, eines Insiderpapiers oder von Marktverhältnissen gelangen, schaffen damit keine Insiderinformation, mögen die gewonnenen neuen Erkenntnisse auch als konkrete, öffentlich unbekannte und kurserhebliche Information zu betrachten sein. Deshalb kann jeder, der die Bewertung erstellt oder von ihr Kenntnis erlangt hat, auf der Grundlage ihres Inhalts Wertpapiergeschäfte tätigen, Ratschläge erteilen oder die Information weitergeben, ohne dabei gegen die Insiderhandelsverbote des § 14 Abs. 1 WpHG zu verstoßen. Ist dagegen in die Bewertung eine nicht öffentlich bekannte Information eingeflossen, so entfällt die durch § 13 Abs. 2 WpHG gewährte Freistellung; die Bewertung kommt nunmehr als Insidertatsache in Betracht und ist daraufhin zu untersuchen, ob sie eine kurserhebliche Information darstellt. Dies gilt nach dem Wortlaut der Bestimmung auch für den Fall, dass die in die Bewertung eingehende nicht öffentlich bekannte Information selbst keine Insiderinformation ist, weil ihr für sich genommen die Kurserheblichkeit fehlt3.
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Kann die Verwertung oder Weitergabe einer ausschließlich aufgrund öffentlich bekannter Informationen erstellten Bewertung unter keinen Umständen einen Insiderhandelsverstoß begründen, so wäre es doch verfehlt, § 13 Abs. 2 WpHG so zu deuten, als könne damit auch ein über die Kenntnis der Erstellung oder des Inhalts einer Bewertung hinausgehendes Wissen einer Person um die Verwendung derselben durch ihren Urheber oder Dritte niemals eine Insiderinformation darstellen4. Aus § 13 Abs. 2 WpHG ergibt sich lediglich, dass die Bewertung selbst keine Insiderinformation darstelle und damit jede Form ihrer Verwendung – darunter vor allem „Geschäfte, die auf der Grundlage dieser Analysen und Bewertungen getätigt werden“5 – keinen Verstoß gegen ein Insiderhandelsverbot darstellen kann. Sie besagt aber nicht, dass 1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 35. 2 Die Regelung folgt Erwägungsgrund 13 der Insiderrichtlinie (Rz. 2). Diesem entspricht Erwägungsgrund 31 der Marktmissbrauchsrichtlinie (s. Rz. 2): „Analysen und Bewertungen, die aufgrund öffentlicher Angaben erstellt wurden, sollten nicht als Insider-Informationen angesehen werden; somit sollten auch Geschäfte, die auf der Grundlage dieser Analysen und Bewertungen getätigt werden, als solche nicht als Insider-Geschäfte im Sinne dieser Richtlinie gelten.“ 3 Assmann, AG 1997, 51; ebenso wohl Lücker, S. 177 und Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, 2002, Rz. 10.34; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 176; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 111; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.513; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 58. 4 Ebenso Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 112; Lösler, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 43; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 178; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 13 Rz. 112; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.514. A.A. Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 61; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 36. 5 Erwägungsgrund 31 der Marktmissbrauchsrichtlinie, s. Rz. 2.
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§ 14
Verbot von Insidergeschäften
das Wissen um die insiderrechtlich irrelevante Verwendung einer Insiderinformation nicht ihrerseits ein Wissen darstellt, das konkret, öffentlich unbekannt und kursrelevant sein kann. Erfährt etwa eine Person, eine der von einem Börsendienst in Auftrag gegebenen Bewertungen von Emittenten sei zu einem „Aufsehen erregenden Ergebnis“ gelangt, weshalb das Blatt in seiner nächsten Nummer eine deutliche Kaufempfehlung geben werde, so weiß der Empfänger zwar nicht mehr über den Inhalt der Bewertung, als ihm von seinem Informanten mit dem Werturteil „Aufsehen erregend“ mitgeteilt wurde. Gleichwohl erhält er mit dem Hinweis des Informanten über die beabsichtigte Verwendung der Bewertung durch den Börsendienst eine Information, die Insiderinformation ist, wenn die beabsichtigte Abgabe der Empfehlung hinreichend wahrscheinlich, die Information darüber nicht öffentlich bekannt und schließlich auch als kurserheblich einzustufen ist (zur insiderrechtlichen Beurteilung von Absichten s. Rz. 20). Wer unter solchen Umständen Geschäfte in den fraglichen Insiderpapieren tätigt, kann sich nicht darauf berufen, er sei nur einer nach § 13 Abs. 2 WpHG freigestellten Bewertung gefolgt1; er hat vielmehr auf der Basis der konkreten Information gehandelt, dass demnächst eine – auf eine ihm nicht näher bekannte Bewertung gestützte – Empfehlung bestimmten Inhalts abgegeben werden wird. Grundsätzlich ist die vorstehende Differenzierung zwischen der Bewertung einer- 77 seits und dem Wissen über ihre Verwendung durch Dritte andererseits auch auf die Fälle anzuwenden, in denen der potentielle Insider sowohl den Inhalt der Bewertung als auch die geplante Verwendung derselben kennt. Angesichts dieser Umstände wird es allerdings schwierig sein, dem Betroffenen nachzuweisen, dass die von ihm in Kenntnis dieser Umstände getätigten Wertpapiergeschäfte auf der als Insiderverstoß in Betracht kommenden Ausnutzung seines Wissens um die bevorstehende Empfehlung und nicht auf der jederzeit zulässigen Verwertung des Inhalts der nach § 13 Abs. 2 WpHG freigestellten Bewertung beruhten.
§ 14 Verbot von Insidergeschäften (1) Es ist verboten, 1. unter Verwendung einer Insiderinformation Insiderpapiere für eigene oder fremde Rechnung oder für einen anderen zu erwerben oder zu veräußern, 2. einem anderen eine Insiderinformation unbefugt mitzuteilen oder zugänglich zu machen, 3. einem anderen auf der Grundlage einer Insiderinformation den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren zu empfehlen oder einen anderen auf sonstige Weise dazu zu verleiten.
1 Assmann, WM 1996, 1345. I.E. ebenso: Cahn, ZHR 162 (1998), 20 f.; Claussen, ZBB 1992, 276; Claussen, Insiderhandelsverbot, S. 82 ff.; Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 13 WpHG Rz. 6; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 112; Hopt, ZGR 1991, 34; Hopt, in: FS Beusch, S. 410; F. Immenga, ZBB 1995, 203; Mennicke/Jakovou, in: Fuchs, § 13 WpHG Rz. 178 f.; Siebold, S. 120 f. Grundsätzlich zustimmend, aber mit (unberechtigten) Zweifeln an der praktischen Relevanz der Fragestellung, Schwark, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 13 WpHG Rz. 65. A.A. Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 61; Sethe, in: Assmann/ Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 36. Offen Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 195.
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Verbot von Insidergeschäften
(2) Der Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen und Maßnahmen zur Stabilisierung des Preises von Finanzinstrumenten stellen in keinem Fall einen Verstoß gegen das Verbot des Absatzes 1 dar, soweit diese nach Maßgabe der Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates – Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen (ABl. EU Nr. L 336 S. 33) erfolgen. Für Finanzinstrumente, die in den Freiverkehr oder in den regulierten Markt einbezogen sind, gelten die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 entsprechend. In der Fassung des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 16.7.2007 (BGBl. I 2007, 1330). Schrifttum: s. Vor § 12.
Inhaltsübersicht I. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . .
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1. Gesetzessystematische Stellung und Anwendungsbereich der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Verbot von Insidergeschäften (§ 14 Abs. 1 WpHG) . . . . . . . . . . . . . .
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1. Erwerbs- und Veräußerungsverbot (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG) . . . . . . . . . a) Objektiver Tatbestand . . . . . . . . . aa) Erwerb und Veräußerung . . . . bb) Eigen- oder Fremdgeschäft. . . cc) Insiderpapiere . . . . . . . . . . . . . dd) Verwendung . . . . . . . . . . . . . . (1) Regel . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . b) Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . 2. Vorfeldtatbestände (§ 14 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 WpHG) . . . . . . . . . . . . . a) Weitergabeverbot (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Objektiver Tatbestand . . . . . . (1) Mitteilung und Zugänglichmachung . . . . . . . . . . . (2) Mangelnde Befugnis zur Weitergabe oder zur Zugangseröffnung . . . . . . . . . (a) Das Tatbestandsmerkmal „unbefugt“ . . . . . . (b) Informationsweitergabe aufgrund gesetzlicher Gebote und Obliegenheiten . . . . . . . . .
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(c) Innerbetrieblicher Informationsfluss, Information von Anteilseignern und konzerninterne Informationsweitergabe . . . . . . . (d) Informationsweitergabe an Betriebsexterne . (e) Weitergabebefugnis im Rahmen möglicher Interessenkonflikte von im Finanzwesen tätigen Unternehmen . bb) Subjektiver Tatbestand . . . . . b) Empfehlungs- und Verleitungsverbot (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG). aa) Objektiver Tatbestand . . . . . . (1) Empfehlung . . . . . . . . . . . . (2) Verleitung . . . . . . . . . . . . . bb) Subjektiver Tatbestand . . . . . 3. Die Insiderhandelsverbote in komplexen Transaktionen (§ 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG). . . . . . a) Übernahmeangebote. . . . . . . . . . . aa) Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz als Angelpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Freiwillige Angebote . . . . . . . (1) Planungsphase. . . . . . . . . . (a) Bieter . . . . . . . . . . . . . . . (b) Organmitglieder, Mitarbeiter und Hilfspersonen des Bieters . . . . . (c) Mit dem Bieter gemeinschaftlich handelnde Personen . . . . . .
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Verbot von Insidergeschäften (d) Zielgesellschaft sowie deren Organmitglieder, Mitarbeiter und Hilfspersonen . . . . . . . . . . . . (e) Weitergabe von Insiderinformationen in Bezug auf die Zielgesellschaft durch dieselbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vorangebotsphase und Angebotsphase. . . . . . . . . . (3) Nachangebotsphase . . . . . cc) Pflichtangebote . . . . . . . . . . . . b) Unternehmenskauf, Erwerb von Unternehmensbeteiligungen, Paketerwerb und sog. Management Buy-Outs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aktienoptionsprogramme für Führungskräfte („stock option plans“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . 5. Vollendung und Versuch. . . . . . . . . .
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6. Täterschaft und Teilnahme . . . . . . . a) Allgemeines. . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sonderfall: Ausführung von Kundenorders . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Täterschaft . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Sanktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Auslieferungsfragen . . . . . . . . . . . . . 11. Zivilrechtliche Fragen . . . . . . . . . . .
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III. Verweis auf EU-Verordnungsrecht (§ 14 Abs. 2 WpHG). . . . . . . . . . . . . . 212 1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 2. Freistellung von Aktienrückkaufprogrammen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 3. Freistellung von Kursstabilisierungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . 222
I. Regelungsgegenstand 1. Gesetzessystematische Stellung und Anwendungsbereich der Vorschrift § 14 WpHG enthält als Kernstück des deutschen Insiderrechts das Verbot von 1 Insidergeschäften (zur Übersicht s. Vor § 12 Rz. 17 ff.). Die Vorschrift wurde seit dem Erlass des WpHG erstmals durch das AnSVG vom 28.10.2004 (Einl. Rz. 29) geändert (vgl. Einl. Rz. 30 und Vor § 12 Rz. 13). Das AnSVG wiederum dient der Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie 2003/6 vom 28.1.2003 (Einl. Rz. 29) sowie der zu dieser ergangenen Durchführungsrichtlinien (s. Einl. Rz. 29). Durch Art. 1 Nr. 11 des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (FRUG) vom 16.7.2007 (Einl. Rz. 36) wurden in Abs. 2 Satz 2 die Wörter „geregelten Markt“ durch die Wörter „regulierten Markt“ ersetzt. Dabei handelt es sich lediglich um eine Anpassung an die neue Terminologie des Börsengesetzes, welche wiederum dem Umstand geschuldet ist, dass am 1.11.2007 die seinerzeitigen Marktsegmente „amtlicher Markt“ und „geregelter Markt“ in den neuen „regulierten Markt“ überführt wurden (§ 12 Rz. 2). Vor der Reform des Insiderrechts durch das AnSVG (Rz. 1) differenzierte das Insider- 2 handelsverbot des § 14 WpHG noch zwischen zwei Normadressaten: Während § 14 Abs. 1 WpHG a.F. Primärinsider (d.h. Insider i.S. von § 13 Abs. 1 WpHG a.F.) einem Ausnutzungs-, Weitergabe- und Empfehlungsverbot unterwarf, unterlagen Sekundärinsider (d.h. alle Personen, die Kenntnis von Insidertatsachen hatten, ohne Insider i.S. von § 13 Abs. 1 WpHG a.F. zu sein) gemäß § 14 Abs. 2 WpHG a.F. nur einem, § 14 Abs. 2 Nr. 1 WpHG a.F. entsprechenden Ausnutzungsverbot. Heute trifft das in § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG enthaltene Insiderhandelsverbot jeden, der über eine Insiderinformation verfügt, d.h. sowohl Primärinsider wie Sekundärinsider. Die Unterscheidung zwischen Primärinsider und Sekundärinsider (zu dieser im Einzelnen § 38 Rz. 7 ff.) ist damit allerdings nicht hinfällig geworden: Zwar enthält § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG die einzelnen Tatbestände des Insiderhandelsverbots, doch ergeben sich die straf- bzw. bußgeldrechtlichen Sanktionen eines Verstoßes gegen die Verbote des § 14 Abs. 1 WpHG erst aus den Blanketttatbeständen der §§ 38 Abs. 1, 39 Abs. 2
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Verbot von Insidergeschäften
Nrn. 3 und 4 WpHG (zur Übersicht s. Vor § 12 Rz. 25 ff.). Diese Bestimmungen wiederum gründen auf der Trennung von Primär- und Sekundärinsidern, wobei die Umschreibung des Kreises der Primärinsider in § 38 Abs. 1 Nr. 2 WpHG weitgehend derjenigen in § 13 Abs. 1 WpHG a.F. entspricht (zur Übersicht s. Vor § 12 Rz. 26). Die Sanktionsdifferenzierung für Primär- und Sekundärinsider ist durch Art. 2 Abs. 1, 3 und 4 der Marktmissbrauchsrichtlinie (Rz. 1) gedeckt und damit richtlinienkonform. Ebenfalls richtlinienkonform ist die Art. 2 Abs. 1 Satz 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie entsprechende Versuchsstrafbarkeit der nach § 38 Abs. 1 WpHG strafbaren Verstöße gegen die Insiderhandelsverbote des § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG nach § 38 Abs. 4 WpHG. Neben dem Verstoß gegen § 14 Abs. 1 WpHG kann Insiderhandeln auch anderweitige (namentlich verbands-, berufs- und arbeitsrechtliche) Verhaltenspflichten verletzen (s. dazu Rz. 211)1. 3
§ 14 Abs. 1 WpHG verwendet Begriffe, die zum Teil in anderen Vorschriften des Gesetzes definiert sind. Im Einzelnen handelt es sich um die Tatbestandsmerkmale Insiderpapiere (§ 12 WpHG) und Insiderinformation (§ 13 WpHG). Dementsprechend sind auch die insiderhandelsrechtlichen Straf- und Ordnungswidrigkeitsvorschriften in §§ 38 Abs. 1, 39 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 WpHG als mehrstufige Blanketttatbestände zu verstehen. Wenn in der Neufassung des § 14 Abs. 1 WpHG der Begriff des Insiders fehlt, so ist dies darauf zurückzuführen, dass das Insiderhandelsverbot des § 14 Abs. 1 WpHG nicht mehr zwischen Primär- und Sekundärinsider unterscheidet und auf jede Person anwendbar ist, die über Insiderinformationen verfügt.
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§ 14 Abs. 2 WpHG enthält eine erste gesetzliche Beschränkung des Anwendungsbereichs des Insiderhandelsverbots nach § 14 Abs. 1 WpHG: Von diesem ausdrücklich ausgeschlossen sind der Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen und Maßnahmen zur Stabilisierung des Preises von Finanzinstrumenten, wenn diese in Übereinstimmung mit den Ausnahmeregelungen der Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 vom 22.12.2003 für Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen erfolgen. Eine weitere, früher in § 20 WpHG (a.F.) enthaltene Beschränkung des Anwendungsbereichs des Insiderhandelsverbots folgt aus § 1 Abs. 3 WpHG. Diese Bestimmung sieht u.a. vor, dass die Vorschriften des 3. Abschnitts des WpHG über die Insiderüberwachung nicht auf Geschäfte anzuwenden sind, die aus geld- oder währungspolitischen Gründen oder im Rahmen der öffentlichen Schuldenverwaltung von der Europäischen Zentralbank, dem Bund, einem seiner Sondervermögen, einem Land, der Deutschen Bundesbank, einem ausländischen Staat oder dessen Zentralbank oder einer anderen mit diesen Geschäften beauftragten Organisation oder mit für deren Rechnung handelnden Personen getätigt werden (s. die Erläuterungen in § 1 Rz. 5 ff.).
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Dienen § 14 Abs. 1 WpHG und §§ 38 Abs. 1, 39 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 WpHG der Umsetzung der insiderrechtlichen Regelungsvorgaben der Marktmissbrauchsrichtlinie in nationales Recht (s. Rz. 1), so scheint Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie darüber hinaus eine Erweiterung des Adressatenkreises des Insiderhandelsverbots zu verlangen: Da aufgrund der Wissenszurechnung von Organen und rechtsgeschäftlichen Vertretern auch Personenhandelsgesellschaften oder juristische Personen Insider sein können (vgl. § 38 Rz. 9), zahlreiche Mitgliedstaaten die Strafbarkeit solcher Gesellschaften aber nicht kennen, verlangt Art. 2 Abs. 2, das Insiderhandelsverbot auf diejenigen natürlichen Personen zu übertragen, die an dem Beschluss beteiligt sind, das Geschäft für Rechnung der betreffenden Gesellschaft zu tätigen. Einer besonderen, Art. 2 1 Hinweise bei Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 118 ff.
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Abs. 2 der Richtlinie nachgebildeten Vorschrift bedurfte es – wie schon zuvor bei der Umsetzung der Insiderrichtlinie vom 13.11.1989 (Einl. Rz. 13) durch §§ 14, 38 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG a.F. – für das deutsche Recht indes nicht. Soweit sich das Verbot von Insidergeschäften an das Unternehmen richtet, findet eine Pflichtendelegation nach § 14 StGB statt, der § 9 OWiG entspricht. Da im Übrigen der Verbotstatbestand auch Wertpapiertransaktionen „für einen anderen“ erfasst, sind die an den unerlaubten Geschäften beteiligten Personen bereits nach allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen – je nach Sachlage als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB), Gehilfen (§ 27 StGB) oder Anstifter (§ 26 StGB) – strafbar (vgl. dazu unten Rz. 183 ff.). Überdies kann im Falle einer Tätigkeit des Organs eine Geldbuße gegen das Unternehmen festgesetzt werden. 2. Rechtsgut Ein gesetzliches Verbot von Insidergeschäften dient nach traditioneller Auffassung 6 insbesondere dem Anlegerschutz; gelegentlich wird als Regelungszweck auch der Schutz von Unternehmensinteressen genannt. Daneben tritt zunehmend der Gedanke des Funktionenschutzes der Wertpapiermärkte (vgl. Vor § 12 Rz. 49). Nach h.M. schützt die Insiderregelung des WpHG in Übereinstimmung mit dem eu- 7 ropäischen Recht allein das überindividuelle Rechtsgut der Funktionsfähigkeit des organisierten Kapitalmarkts, so dass ein Verstoß gegen die Insiderhandelsverbote aus § 14 WpHG keine unmittelbaren (zu Rechtsfolgen, die sich wegen einer Insidertat aus der Verletzung anderweitiger, privatrechtlicher Vorschriften ergeben, s. Rz. 211) zivilrechtlichen Verantwortlichkeiten nach sich zieht1 Für die EG-Insiderregelung zeigt sich dieser marktbezogene Regelungsansatz bereits in der Wahl der Rechtsgrundlage (Art. 100a EG-Vertrag a.F. bei der Insiderrichtlinie von 1989, welcher die Rechtsangleichung zur Verwirklichung des Binnenmarkts zum Gegenstand hatte2, und dem auf die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes bezogenen Art. 95 EG-Vertrag bei der Marktmissbrauchsrichtlinie) sowie auch darin, dass die europäische Insiderregelung nach der Insiderrichtlinie 1989 bis zum Erlass der Marktmissbrauchsrichtlinie nur Börsengeschäfte erfasste, die unter Einschaltung eines Berufshändlers getätigt wurden. Demgegenüber waren Transaktionen, die nicht unter Inanspruchnahme der Institutionen hoheitlich geregelter Märkte zustande kommen, von der Verbotsbestimmung des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 der Insiderrichtlinie ausgenommen. Zwar fand sich im deutschen Recht keine entsprechende Einschränkung, weil das WpHG schon nach § 1 WpHG a.F. auch für den außerbörslichen Handel mit Wertpapieren und Derivaten anzuwenden war; gegen einen individualschützenden Charakter der Verbotsbestimmungen sprach allerdings insbesondere der Umstand, dass nur bestimmte Wertpapiere der Insiderregelung unterfielen3. Vom Insiderhandelsverbot ausgenommen waren und sind auch heute noch alle Pa1 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 47, 57; Hammen, in: BuB, Rz. 7/672, 7/764; Caspari, ZGR 1994, 532; Dickersbach, S. 198 f.; Happ, JZ 1994, 243; J. Hartmann, S. 249; F. Immenga, ZBB 1995, 205; Kaiser, WM 1997, 1559 f.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 16.67 ff.; Mennicke, S. 618 ff.; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 3; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 4 ff.; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 9; Steinhauer, S. 108. A.A. noch Assmann, AG 1994, 204; Claussen, AG 1997, 306 (307); Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 6; Krauel, S. 307; Schwark, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, Vor § 12 WpHG Rz. 9. Eingehend zum Ganzen Pananis, Insidertatsache und Primärinsider, S. 41 ff. Zur Frage des Schutzgesetzcharakters der §§ 38, 39 und 14 Abs. 1 WpHG s. auch Rz. 208 ff. 2 Näher dazu Pananis, Insidertatsache und Primärinsider, S. 41. 3 Vgl. Caspari, ZGR 1994, 533 f.
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piere, die nicht an einem der in § 12 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 WpHG a.F. und § 12 Satz 1 Nrn. 1 und 2 WpHG genannten börslichen Märkte des Inlands, der Mitgliedstaaten der EU oder derjenigen des EWR gehandelt wurden bzw. werden. Mit der Zielsetzung individuellen Anlegerschutzes ist dies schwerlich zu vereinbaren. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass § 12 Satz 1 Nr. 3 WpHG heute sämtliche an oder außerhalb einer Börse gehandelten Derivate zu Insiderpapieren macht, sofern sie sich nur auf eines der in § 12 Satz 1 Nrn. 1 oder 2 WpHG genannten Finanzinstrumente beziehen (s. § 12 Rz. 12), denn diese Erweiterung des Kreises der Insiderpapiere dient letztlich nur der Vermeidung der Umgehung des Insiderhandelsverbots in Bezug auf die genuinen Insiderpapiere nach Maßgabe von § 12 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 WpHG a.F. und § 12 Satz 1 Nrn. 1 und 2 WpHG. 8
Die Vertraulichkeitssphäre von Unternehmen wird nach deutschem Recht bereits durch eine Reihe von Spezialstraftatbeständen geschützt, welche die unbefugte Verwertung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen verbieten (vgl. z.B. § 204 i.V.m. § 203 StGB, § 404 Abs. 2 Satz 2 AktG, § 85 Abs. 2 Satz 2 GmbHG). Das WpHG verfolgt demgegenüber einen rein marktbezogenen Regelungsansatz1, wie er etwa in der Definition der Insiderinformation in § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG zum Ausdruck kommt. Diese umfasst nach ganz herrschender Meinung auch Marktinformationen (Marktdaten), d.h. Informationen, die sich auf die Rahmenbedingungen von Märkten oder die Märkte selbst beziehen und die Emittenten nur mittelbar betreffen (vgl. dazu § 13 Rz. 9, 45 f.).
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Auch wenn § 15 Abs. 6 WpHG mit dem 4. FFG von 2002 (s. Einl. Rz. 26) und aufgrund der von diesem eingeführten §§ 37b, 37c WpHG dahingehend geändert wurde, dass der Emittent bei Verstößen gegen § 15 Abs. 1–4 WpHG einem anderen nur unter den Voraussetzungen der §§ 37b und 37c WpHG zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet ist, muss eine zivilrechtliche Haftung eines Insiders aufgrund von Verstößen gegen die allein dem Funktionenschutz dienenden Vorschriften in § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG doch nach wie vor als ausgeschlossen angesehen werden. Zu beachten ist nämlich, dass eine individuelle Besserstellung der Anleger allenfalls durch die Offenlegung der Insiderinformation erfolgen kann, denn der wirtschaftliche Verlust des außenstehenden Investors beruht in aller Regel nicht auf der Insidertransaktion selbst. Da der Geschädigte ohnehin zur Vornahme des Wertpapiergeschäfts entschlossen war, hätte er sein Geschäft ohne das Marktengagement des Insiders mit einem anderen Outsider abgeschlossen. Ein Transaktionsverbot kann daher von vornherein keinen Vermögensschutz leisten2.
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Schutzwirkungen für die einzelnen Anleger werden aber mittelbar erreicht. Zum einen kommt die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts jedenfalls im Sinne einer Reflexwirkung auch den Anlegern zugute3. Zum anderen beruht die Funktionsfähigkeit des Marktes ihrerseits maßgeblich auf dem Vertrauen des Börsenpublikums, dass alle Marktteilnehmer gleichbehandelt und gegen die unrechtmäßige Verwendung von Insiderinformation geschützt werden4. Von daher lässt sich sagen, dass die Insiderregelung im Interesse des Marktes die Chancengleichheit der Anleger garantieren soll (vgl. Vor § 12 Rz. 39, 45).
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Ebenso Benicke, S. 735 f. Ausführlich dazu Pananis, Insidertatsache und Primärinsider, S. 24 ff. m.w.N. Vgl. auch Hopt, ZHR 159 (1995), 162; Assmann, AG 1994, 204; vgl. Vor § 12 Rz. 49. Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 33.
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II. Verbot von Insidergeschäften (§ 14 Abs. 1 WpHG) 1. Erwerbs- und Veräußerungsverbot (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG) § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG setzt voraus, dass der Täter unter Verwendung einer Insider- 11 information Insiderpapiere für eigene oder fremde Rechnung oder für einen anderen erwirbt oder veräußert (dazu unten Rz. 12 ff.). Bis zur Änderung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG durch das AnSVG (Rz. 1) enthielt das Erwerbs- und Veräußerungsverbot für Insider, neben dem objektiven Tatbestand des Erwerbs oder der Veräußerung von Insiderpapieren, als subjektives Tatbestandsmerkmal das Erfordernis des Erwerbs oder der Veräußerung von Wertpapieren unter Ausnutzung der Kenntnis einer Insidertatsache (dazu 3. Aufl. des Kommentars Rz. 23). Nachdem dieses Merkmal entfallen ist, setzt eine Insidertat wegen des Erwerbs oder der Veräußerung eines Insiderpapiers in subjektiver Hinsicht nur (noch) vorsätzliches Handeln des Täters voraus (dazu unten Rz. 56 ff.). a) Objektiver Tatbestand aa) Erwerb und Veräußerung Fraglich ist, was unter Erwerb und Veräußerung zu verstehen ist. Da die Marktmiss- 12 brauchsrichtlinie, deren Art. 2 Abs. 1 Satz 1 durch § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG umgesetzt wurde (Entsprechendes galt schon für § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG i.d.F. vor dem AnSVG, mit dem Art. 2 Abs. 1 der Insiderrichtlinie von 1989 umgesetzt wurde), für sämtliche Mitgliedstaaten der EU gilt und die meisten Mitgliedstaaten kein Abstraktionsprinzip kennen, ist zweifelhaft, ob Erwerb und Veräußerung im rechtstechnischen Sinne des deutschen Rechts zu verstehen sind, d.h. eine Änderung der dinglichen Rechtslage voraussetzen. Die Begriffe selbst sind nicht eindeutig, weil unter Erwerb und Veräußerung nach dem natürlichen Wortsinn auch das obligatorische Geschäft verstanden werden kann. So hat nach dem allgemeinen Sprachgebrauch auch derjenige ein Grundstück erworben, der einen entsprechenden Kaufvertrag abgeschlossen hat, ohne dass es insoweit eine Rolle spielt, ob der Käufer bereits in das Grundbuch eingetragen wurde und das Eigentum an dem Grundstück schon auf ihn übergegangen ist. Bei einer richtlinienkonformen Auslegung (s. Einl. Rz. 75) ist es daher als erforderlich, aber auch als ausreichend anzusehen, wenn eine Vertragsgestaltung vorliegt, bei der sichergestellt ist, dass der Insider den erwarteten Gewinn realisieren kann, was nicht voraussetzt, dass es tatsächlich zu dem erstrebten Gewinn gekommen ist1. Ausreichend ist mithin der Abschluss des schuldrechtlichen Geschäfts, d.h. es muss durch die Wertpapiertransaktion nicht zu einer Verschiebung der Verfügungsmacht gekommen sein2, da andernfalls erhebliche Strafbarkeitslücken entstehen würden. 1 Assmann, AG 1994, 246; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 127 Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 38; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.137; Lösler, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 44; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 39; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.522; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 16; Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 230; Schröder, in: Achenbach/Ransiek, X 2 Rz. 157; Sethe, ZBB 2006, 248; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 61. S. auch unten Rz. 179. 2 OLG Karlsruhe v. 4.2.2004 – 3 Ws 195/03, AG 2004, 512 (513) mit ausführlicher Darstellung und Auseinandersetzung mit der Gegenansicht. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 36 (vertragliche Absicherung des möglichen Gewinns). Ferner Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 255; Uwe H. Schneider, ZIP 1996, 1774; implizit auch Fürhoff, AG 1998, 84 zu Fn. 16;
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Dementsprechend liegt ein Erwerb oder eine Veräußerung von Insiderpapieren bereits mit der Ausführung einer Order zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers vor, da mit dieser ein möglicher Gewinn bereits vertraglich abgesichert ist1. Die Order selbst erfüllt den Tatbestand des Erwerbs oder der Veräußerung fraglos nicht2. Entsprechendes gilt für die Zeichnung von Wertpapieren3.
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Dass es nicht zu einer Verschiebung der Verfügungsmacht über die Insiderpapiere gekommen sein muss, um den mit bestimmten Orders möglichen Gewinn sichern zu können, gilt insbesondere für Wertpapiergeschäfte an ausländischen Börsen. So wird im Schrifttum4 zu Recht darauf hingewiesen, dass ein Insider z.B. eine positive Information an der Pariser Börse, die in den Schutzbereich des WpHG fällt, in der Weise verwenden kann, dass er einen Kaufvertrag über die betreffenden Insiderpapiere abschließt und die Papiere rechtzeitig vor dem (hinausgeschobenen) Fälligkeitszeitpunkt seines Lieferanspruchs wieder verkauft. Dies hat zur Folge, dass im Valutierungszeitpunkt, d.h. dem Monatsultimo, der Gewinn realisiert werden kann, ohne dass der Insider zu irgendeinem Zeitpunkt Eigentümer der Papiere geworden wäre.
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Erst recht muss die Wertpapiertransaktion nicht zu einem Vollerwerb auf der einen Vertragsseite und einem entsprechenden Rechtsverlust auf der anderen Seite geführt haben5. Der Verbotstatbestand erfasst daher neben Pensionsgeschäften (d.h. den Verkauf von Wertpapieren unter gleichzeitiger Vereinbarung ihres Rückkaufs zu einem bestimmten Zeitpunkt) auch die Wertpapierleihe (d.h. die Übertragung des Eigentums an Wertpapieren für einen bestimmten Zeitraum gegen Vergütung), ohne dass es dabei auf deren zivilrechtliche Einordnung als Leihe, Darlehen oder Kauf mit Rückkaufverpflichtung6 ankommt7. Entscheidend ist auch hier, dass derjenige, der über Pensions-
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Hammen, in: BuB, Rz. 7/722; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 124 ff.; Krauel, S. 279 ff.; Kümpel/Veil, Wertpapierhandelsgesetz, S. 66; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 15 Rz. 53; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.137; Lösler, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 44; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 39; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.522; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 10; Schröder, in: Achenbach/Ransiek, X 2 Rz. 157; Stoppel, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 253; Szesny, Rz. 93. Kritisch Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 12. Nach a.A. (Casper, WM 1999, 364 mit Fn. 10, 365 zu Fn. 16; J. Hartmann, S. 231 f.) ist zumindest eine Verschiebung der Verfügungsmacht erforderlich oder es wird (so Soesters, S. 151) der bloße Abschluss eines schuldrechtlichen Vertrags generell als nicht ausreichend zur Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des Erwerbs oder der Veräußerung angesehen. Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 23 verlangt „Änderung der rechtlichen Zuordnung“ und will den Abschluss eines schuldrechtlichen Vertrags, bei dem die Erfüllung ausbleibe, nicht ausreichen lassen. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 36; Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 14 WpHG Rz. 2; Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 230; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 57 m.w.N. Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 22, mit Hinweis darauf, dass bei Nichtausführung der Order ein Versuchsfall (§ 38 Abs. 3 WpHG) vorliegen könne. Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 22. Kümpel/Veil, Wertpapierhandelsgesetz, S. 66 f.; auch Schröder, in: Achenbach/Ransiek, X 2 Rz. 157; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 39. Vgl. Assmann, AG 1994, 246; Claussen, ZBB 1992, 281; i.E. auch Hopt, ZGR 1991, 42; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 10; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.522. Dazu etwa Dörge, Rechtliche Aspekte der Wertpapierleihe, 1992, S. 37 ff.; Kümpel, Bankund Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 13.6 ff. Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 36; Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 14 WpHG Rz. 2; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 35; Hammen, in: BuB,
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§ 14
Verbot von Insidergeschäften
oder Wertpapierleihgeschäfte Insiderpapiere erlangt, uneingeschränkt über diese verfügen kann und seine Verpflichtungen gegenüber dem Verkäufer bzw. Entleiher durch die Rückübertragung von Wertpapieren gleicher Art und Güte zu genügen vermag. Auch die Ausübung einer Option zum Erwerb oder zur Veräußerung eines Insiderpapiers oder eines Wandlungsrechts1 aus einer Wertpapierleihe stellt ein Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäft dar. Anders verhält es sich bei der bloßen Zeichnung (s. Rz. 13) sowie bei der Verpfändung2 von Wertpapieren, denn Letztere gewährt dem Sicherungsnehmer als solche noch kein Verfügungsrecht über die fraglichen Papiere. Auch das durch Insiderwissen veranlasste Unterlassen eines Erwerbs- oder Veräuße- 16 rungsvorhabens in Bezug auf Wertpapiere wird von dem Verbotstatbestand nicht erfasst. Das ist darauf zurückzuführen, dass sowohl die Marktmissbrauchsrichtlinie (ebenso wie die ihr vorausgegangene Insiderrichtlinie) als auch § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG einen rechtsgeschäftlichen Vorgang verlangen, an dem es aber fehlt, wenn jemand aufgrund einer Insiderinformation vom Erwerb oder der Veräußerung von Insiderpapieren absieht3 (s. auch Rz. 54). Das mag insoweit nicht plausibel erscheinen, als auch hier Insiderwissen zum eigenen Vorteil verwendet wird, doch setzt der Wortlaut des strafrechtlich sanktionierten Insiderhandelsverbots einer anderweitigen Auslegung eine klare Grenze. Nach den gleichen Grundsätzen müssen auch andere Verhaltensweisen straflos blei- 17 ben, die einem Unterlassen gleichzustellen sind, weil es nicht zum Abschluss eines Rechtsgeschäfts kommt. Dazu gehört insbesondere die Rücknahme einer bereits erteilten, aber noch nicht durchgeführten Kauf- oder Verkaufsorder4 (zur durchgeführ-
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Rz. 7/722, 7/731; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.137; i.E. auch Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 27; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 39; Rothenhöfer, in: Kümpel/ Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.523; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 13; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 9; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 58. Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 32; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.523. Claussen, Insiderhandelsverbot, Rz. 38; Lösler, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 45. Grundsätzlich auch Gehrmann, S. 120; Hammen, in: BuB, Rz. 7/722. I.E. ebenso auch Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 26; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 9. Für eine Ausnahme für den Fall, dass die Beteiligten von vornherein eine Umgehungsabsicht hatten und die Verpfändung mit der Absicht erfolgt, die gesicherte Forderung nicht zu erfüllen; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 13; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 58; ähnlich Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 40, für den Fall, dass der Verpfändende weiß, „dass er das Pfand nicht einlösen möchte oder nicht einlösen kann“. Assmann, AG 1994, 246 f.; Assmann, ZGR 1994, 519; Becker, S. 50; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 256; Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 14 WpHG Rz. 2; Hammen, in: BuB, Rz. 7/722; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 128; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 36; Kümpel/Veil, Wertpapierhandelsgesetz, S. 66; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.139; Lücker, S. 94 f.; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 34; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 41; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.527; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 14, 19; Schröder, in: Achenbach/Ransiek, X 2 Rz. 158, 160; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 11; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 62; Soesters, S. 153 f.; Szesny, Rz. 95. A.A. Claussen, ZBB 1992, 281; Claussen, Insiderhandelsverbot, Rz. 38 f.: teleologische Ausweitung; Soesters, S. 153 f.; Weber, BB 1995, 166. Eine Regelungslücke konstatiert J. Hartmann, S. 232 f. Dickersbach, S. 183; Heise, S. 167 f.; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 129; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 36; Hammen, in: BuB, Rz. 7/722; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.139; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG
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§ 14
Verbot von Insidergeschäften
ten Order oben Rz. 13) oder die Nichtausübung einer Kauf- oder Verkaufsoption1. Nicht erfasst wird damit bspw. auch der Fall, dass ein Aufsichtsratsmitglied auf einer Sitzung Kenntnis von einem geplanten Übernahmeangebot erlangt und daraufhin unverzüglich seine Verkaufsorder für Aktien des Zielunternehmens storniert. Da es hier nicht zu einer Veränderung der Verfügungsgewalt über die Wertpapiere gekommen ist, kann die Rücknahme der Order nicht als Veräußerung i.S. des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG angesehen werden2. 18
Der Erwerbs- bzw. Veräußerungsvorgang muss in dem Sinne abgeschlossen sein, dass der Insider den potenziellen Gewinn vertraglich abgesichert hat (s. Rz. 6)3. Daher ist zwar ein Pensionsgeschäft oder eine Wertpapierleihe (vgl. Rz. 15) ausreichend, nicht hingegen die nur bedingte Übertragung (§ 158 BGB) von Wertpapieren, wenn der Eintritt oder das Ausbleiben der Bedingung noch an eine Willenserklärung des Vertragspartners geknüpft ist4. Der Verkauf einer hinsichtlich der Ausübung des Optionsrechts vom Willen des Erwerbers abhängigen Option auf den Erwerb oder den Verkauf von Insiderpapieren ist damit kein Veräußerungsgeschäft5. Dabei kann es keine Rolle spielen, ob im Einzelfall eine aufschiebende oder eine auflösende Bedingung vereinbart worden ist. Hier ist zwar zivilrechtlich nach der konkreten Ausgestaltung des Geschäfts zu differenzieren, strafrechtlich vermag diese Unterscheidung jedoch keinen Wertungsunterschied zu begründen, da beide Formen der Bedingung bei wirtschaftlicher Betrachtung auf das gleiche Ziel hinauslaufen. Kein Erwerbs- oder Veräußerungsvorgang im insiderrechtlichen Sinne stellt die Vererbung oder die Schenkung von Wertpapieren dar6.
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Andere Fälle der Verwendung von Insiderwissen als durch ein Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäft in Bezug auf Insiderpapiere – wie etwa das Unterlassen der Belieferung eines Käufers aufgrund der Insiderinformation von dessen Insolvenz –
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Rz. 35; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.527; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 14; Schwark/Kruse, in: Schwark/ Zimmer, § 14 WpHG Rz. 11; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 62. Kritisch Hartmann, S. 232 f.; Schröder, NJW 1994, 2880. Dickersbach, S. 183; Hammen, in: BuB, Rz. 7/722; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 129; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 36; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 35; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.527; Schröder, NJW 1994, 2880. Schröder, NJW 1994, 2880. OLG Karlsruhe v. 4.2.2004 – 3 Ws 195/03, AG 2004, 512 (513): „gesicherte Erwerbs- bzw. Veräußerungsposition. OLG Karlsruhe v. 4.2.2004 – 3 Ws 195/03, AG 2004, 512 (513). BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 36; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 255; Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 14 WpHG Rz. 2; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 126; wohl auch Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 36; Kümpel/Veil, Wertpapierhandelsgesetz, S. 67; i.E. auch Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 24, 166; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 40; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.524; Widder/Kocher, AG 2209, 655. A.A. Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 59. Kritisch Hammen, in: BuB, Rz. 7/722. Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 255. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 36; Claussen, Insiderhandelsverbot, Rz. 38; Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 14 WpHG Rz. 2; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 127; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 36; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.137; Lösler, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 45; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 29, 33; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 40; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.526; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 9; Sethe, in: Assmann/ Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 58.
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Verbot von Insidergeschäften
unterfallen nicht der Vorschrift1. Das mag mancher etwa im Hinblick auf Universalbanken bedauern, die auf vielfältige Weise Insiderinformationen erlangen und diese nicht nur für Wertpapiergeschäfte, sondern bspw. auch im Bereich von Kreditbeziehungen zu ihrem Vorteil zu verwenden in der Lage sind. Eine entsprechende Anwendung des Insiderhandelsverbots auf solche Fälle ist aufgrund des strafrechtlichen Charakters des deutschen Insiderhandelsrechts und des strafrechtlichen Analogieverbots (Einl. Rz. 72) ausgeschlossen. Ob es überhaupt sinnvoll ist, jede „zweckfremde“ Verwendung von Insiderwissen zu 20 untersagen, und ob dies gegebenenfalls im Wege insiderrechtlicher Verhaltensanforderungen oder der Konkretisierung berufsrechtlicher Pflichten erfolgen sollte, ist eine hier nicht zu behandelnde rechtspolitische Frage. Gleiches gilt für den Vorhalt, das Insiderrecht nehme sich zwar der Wertpapiergeschäfte an, lasse indes die Verwertung von Insiderwissen in anderen Lebenssachverhalten und Sachzusammenhängen, wie z.B. im Bereich von Grundstücksgeschäften und Immobilienspekulationen im Zusammenhang mit kommunalen Planungsmaßnahmen, außer Betracht2. bb) Eigen- oder Fremdgeschäft Die Veräußerung oder der Erwerb muss für eigene oder fremde Rechnung oder für ei- 21 nen anderen erfolgen. § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG erfasst folglich zunächst sämtliche Wertpapiertransaktionen, die der Insider für sich selbst (im eigenen Namen und für eigene Rechnung) tätigt. Unter die Vorschrift fallen darüber hinaus aber auch Transaktionen zugunsten des Unternehmens, dem der Insider angehört, sowie alle Wertpapiergeschäfte, die der Insider in unmittelbarer offener (für andere, d.h. im fremden Namen und für fremde Rechnung) oder mittelbarer verdeckter (im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung) Stellvertretung für Dritte ausführt3. Unerheblich ist, in welcher Weise dem offen oder verdeckt Vertretenen das Eigentum an den fraglichen Wertpapieren verschafft oder vermittelt wird4. Vermögensverwalter etwa handeln nach dem in Deutschland vorherrschenden Vertretermodell (s. § 2 Rz. 79) in offener Stellvertretung des Kunden. Die Veräußerung oder der Erwerb von Insiderpapieren für ihre Kunden stellt damit ein Handeln „für einen anderen“ dar und kann als solches gegen das Insiderhandelsverbot verstoßen5. Ebenso verhält es sich in den Fällen, in denen eine Person kraft einer Konto- oder Depotvollmacht mit Insiderwissen für einen anderen tätig wird6. Für einen anderen handeln darüber hinaus die Organe einer Gesellschaft, die für diese Insiderpapiere erwerben oder veräußern7. 1 Assmann, AG 1994, 249; Assmann, ZGR 1994, 519; Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 14 WpHG Rz. 2; Hammen, in: BuB, Rz. 7/721; Kümpel/Veil, Wertpapierhandelsgesetz, S. 66; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.138; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 38; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 15; kritisch zu dieser Konsequenz etwa Hopt, in: FS Heinsius, S. 307 ff. 2 Vgl. Hopt, in: FS Heinsius, S. 308; Pfisterer, ZGR 1981, 318. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 35/36; Hammen, in: BuB, Rz. 723; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 131; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 41; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 39; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bankund Kapitalmarktrecht, Rz. 3.528; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 11; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 12. 4 Vgl. Kümpel, Wertpapierhandelsgesetz, 1996, S. 66 f.; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 40. 5 Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 43. 6 Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 43; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 11. 7 Etwa Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 42, Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 11; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 12.
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§ 14
Verbot von Insidergeschäften
cc) Insiderpapiere 22
Das Transaktionsgeschäft muss sich auf Insiderpapiere beziehen. S. dazu die Erläuterungen zu § 12 WpHG. dd) Verwendung (1) Regel
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Der Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren stellte nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. nur dann eine Insidertat dar, wenn der Insider sie „unter Ausnutzung“ seiner Kenntnis von einer Insidertatsache vornahm1. Der Verzicht auf das subjektive Tatbestandsmerkmal des „Ausnutzens“ und seine Ersetzung durch das objektive Tatbestandsmerkmal des „Verwendens“ einer Insiderinformation beruht auf einer bewussten gesetzgeberischen Entscheidung. Der Begriff „Ausnutzen“, so wird in der Begründung zum RegE AnSVG2 dargelegt, habe in der Vergangenheit zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Beweisführung geführt, weil er ein zweckgerichtetes Handeln voraussetze. Darüber hinaus sei der Begriff als „Alleinstellungsmerkmal“ interpretiert worden und habe beim Hinzutreten weiterer, oft kaum zu widerlegender Motive des Täters die Straflosigkeit desselben nach sich gezogen. Der Begriff der „Verwendung“ mache dagegen deutlich, dass ein subjektiv ausgerichtetes Handeln des Insiders, anders als bisher, nicht mehr verlangt werde. Der Zweck des Handelns, zum Beispiel die Erlangung eines wirtschaftlichen Vorteils, finde damit nicht mehr im Tatbestand, sondern nur noch bei der Straf- bzw. Bußgeldzumessung Berücksichtigung. Dementsprechend soll auch der aus einem Insidergeschäft resultierende Vermögensvorteil ein relevanter Gesichtspunkt für die Zumessung einer wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktion sein können3; s. dazu unten Rz. 200a.
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Der Verzicht auf das subjektive Tatbestandsmerkmal des „Ausnutzens“ einer Insiderinformation vollzieht im Übrigen aber nur eine Neuausrichtungtung des europäischen Insiderrechts nach: Während Art. 2 Abs. 1 der Insiderrichtlinie von 1989 von den Mitgliedstaaten noch verlangte, Insidern den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren zu untersagen, welche „unter Ausnutzung“ einer Insiderinformation erfolgt, sind nach Art. 2 Abs. 1 Satz 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie nur solche Transaktionen zu untersagen, die „unter Nutzung“4 einer Insiderinformation vorgenommen werden5. Mit der Aufgabe des subjektiven Tatbestandsmerkmals des Ausnutzens verband sich auf europäischer Ebene zugleich die Erwartung, die auf Erwerb oder Veräußerung von Insiderpapieren beruhenden Insiderverstöße auch im Wege des Verwaltungsverfahrens sanktionieren zu können und nicht auf aufwändige Strafverfahren angewiesen zu sein6. Dass das Merkmal der „Nutzung“ einer Insiderinformation in Art. 2 Abs. 2 der Marktmissbrauchsrichtlinie (Rz. 1) und das dieses umsetzende Merkmal der „Verwendung einer Insiderinformation“ keine subjektive 1 Zur Auslegung des Befgriffs in einem Altfall s. BGH v. 27.1.2010 – 5 StR 224/09 („Freenet“), AG 2010, 249 (Rz. 17 ff.) = ZIP 2010, 426. 2 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 34. 3 EuGH v. 23.12.2009 – Rs C-45/08 („Spector Photo Group“), AG 2010, 78 (Rz. 65 ff., Ls. 2) = ZIP 2010, 78. 4 Die englische Fassung der Richtlinie spricht von „using“. 5 Vgl. EuGH v. 23.12.2009 – Rs C-45/08 („Spector Photo Group“), AG 2010, 78 = ZIP 2010, 78 (Rz. 34): Das Verb „ausnutzen“ habe durch das Verb „nutzen“ ersetzt werden sollen, „um in der Definition der Insidergeschäfte kein Element der Finalität oder Vorsätzlichkeit zu belassen.“ 6 Vgl. Ziemons, NZG 2004, 539.
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§ 14
Verbot von Insidergeschäften
Voraussetzung festlegt, die sich auf den Vorsatz bezieht, der die tatsächliche Handlung der Tätigung eines Insidergeschäfts durch einen Primärinsider leitete, hat der EuGH in seinem Urteil vom 23.12.2009 bestätigt1. Nicht die der europäischen Rechtsakte bzw. dem AnSVG zu Grunde liegende Ent- 25 scheidung des Verzichts auf das subjektive Tatbestandsmerkmal des Ausnutzens ist hier zu kommentieren, sondern die sich aus dieser ergebenden Konsequenzen für das Insiderhandelsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG. Diese erscheinen vielen keineswegs als eindeutig, wobei allerdings der größte Teil von Zweifeln auf die Vorstellung zurückgeht, mit dem Begriff des „Verwendens“ könne jeder Erwerb oder jede Veräußerung von Insiderpapieren erfasst sein, die durch eine Person vorgenommen wird, die im Besitz von Insiderinformationen sei2. Wäre dem so, hätte der Gesetzgeber unschwer auf diese Wendung zurückgreifen und jeglichen Zweifel an der Auslegung des Insiderhandelsverbots des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG beseitigen können. Sie widerspräche zudem den Vorgaben der Missbrauchsrichtlinie, die im Deutschen von „Nutzung“ und im Englischen von „using“ spricht (s. Rz. 24) und die ebenfalls ohne Schwierigkeiten hätte so formuliert werden können, dass bereits Geschäfte einer über Insiderwissen verfügenden Person den Insiderverbotstatbestand erfüllen. Statt dessen wird durch die Wahl der Begriffe „Verwenden“, „Nutzen“ und „using“ deutlich gemacht, dass mehr als nur ein (im Hinblick auf die Insiderinformation) „passives“ Handeln in Kenntnis derselben vorzuliegen hat, nämlich ein Handeln unter „aktivem“ Gebrauchmachen von einer Insiderinformation. Das wird mittlerweile nahezu übereinstimmend so gedeutet, dass die Kenntnis der Insiderinformation (mit-)ursächlich für das Handeln des Insiders geworden sein muss3. Das Erfordernis 1 Vgl. EuGH v. 23.12.2009 – Rs C-45/08, AG 2010, 78 = ZIP 2010, 78 (Rz. 30 ff., 32). 2 Speziell dagegen zu Recht Cahn, Der Konzern 2005, 9; Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, 2426. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 36; Assmann, ZHR 172 (2008), 657; Baur, Die Bank 10/2004, 14; Brandi/Süßmann, AG 2004, 643; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 258; Bürgers, BKR 2004, 425; Cahn, Der Konzern 2005, 8; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 931; Cascante/Topf, AG 2009, 55 f.; von Dryander/Schröder, WM 2007, 538; Eichner, S. 72 ff. (76); Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, 2426 f.; Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 14 WpHG Rz. 3; Fürsich, S. 180 f.; Handelsrechtsausschuss des DAV, Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG), NZG 2004, 703 (704); Gehrmann, S. 112; Hammen, in: BuB, Rz. 7/724; Hammen, WM 2004, 1760; Hasselbach, NZG 2004, 1091 f.; Hemeling, ZHR 169 (2005), 285; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 134; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 37; Kümpel/Veil, Wertpapierhandelsgesetz, S. 67; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, S. 271; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.141; Lösler, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 48; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 52; Nikoleyczik/Gubitz, GWR 2010, 159; Ransiek, in: FS Harro Otto, 2007, S. 723, 725; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.531 f.; Schäfer in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 7; Schlitt/Schäfer, AG 2004, 354; Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 198; Schröder, in: Achenbach/Ransiek, X 2 Rz. 161 (Mitursächlichkeit ausreichend); Schwark/ Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 16, 18; Schwintek, S. 25; Sethe, in: Assmann/ Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 75; Spindler, NJW 2004, 3451; Stoppel, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 253; Szesny, Rz. 88, 90, 108; Versteegen/Schulz, ZIP 2009, 110 (114); Vogel, [Anm. zu BGH v. 27.1.2010 – 5 StR 224/09] JZ 2010, 370 (371); Widder, BB 2010, 515 (516). Auch Ziemons, NZG 2004, 539 f., sieht bei ordnungswidrigkeitsrechtlich und strafrechtlich sanktionierten Verbotstatbeständen das Kausalitätserfordernis als erforderlich. In der Sache auch EuGH v. 10.5.2007 – Rs C-391/04 („Georgakis“), AG 2007, 542 (Ls. und Rz. 36 ff.). A.A. Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 15 ff., 20 ff., der jedes Wertpapiergeschäft betreffend die Insiderpapiere „in Kenntnis der Insiderinformation“ als Verwendung der Information betrachten will; Bussian, S. 145 ff.
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der Ursächlichkeit einer Insiderinformation für den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren ist keineswegs neu, sondern ergab sich auch aus der früheren Fassung des § 14 Abs. 1 Satz 1 WpHG. Entfallen ist mit der Neufassung dieser Vorschrift durch das AnSVG allein die Notwendigkeit, dem Insider die Absicht nachzuweisen, mit der Verwendung einer Insiderinformation einen wirtschaftlichen Sondervorteil (für sich oder andere) erstrebt zu haben, den er, wäre die Tatsache öffentlich bekannt gewesen, so nicht hätte erzielen können1. Um ursächlich für den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren zu sein, muss die Insiderinformation deshalb in das Handeln des Täters mit einfließen2. 26
Die Entscheidung des EuGH vom 23.12.2009 („Spector Photo Group“)3 hat an dieser Auslegung Zweifel geweckt. Sie gründen auf dem Urteil des BGH, eine von Art. 2 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie (Rz. 1) verlangte „Nutzung“ einer Insiderinformation sei bereits dann gegeben, wenn ein „primärer Insider, der eine Insider-Information besitz(e), auf dem Markt ein Geschäft mit Finanzinstrumenten tätig(e), auf die sich diese Information bezieh(e)“ (Ls. 1 und Rz. 54). Dabei handele es sich um eine Vermutung, die vom Insider widerlegt werden könne, indem er nachweise, dass seine Geschäfte keine der Zielsetzung des Gesetzes zuwiderlaufende Nutzung der Insiderinformation darstellten (Rz. 56 ff., insbes. Rz. 61). Darin ist zumindest auch eine Vermutung für die Ursächlichkeit von Insiderwissen für die Geschäfte eines Insiders gesehen worden4. Das ist indes nicht der Fall, denn der Entscheidung lässt sich keine Aussage zum Kausalitätserfordernis entnehmen5. Sie beschränkt sich vielmehr ausschließlich auf die Feststellung, der Begriff der Nutzung dürfe keinerlei subjektive Elemente, d.h. keine „Elemente der Finalität oder Vorsätzlichkeit“ (Rz. 34 a.E.) enthalten, sowie daraus zu ziehende Konsequenzen. Wenn die ganz h.M. den Begriff der Verwendung einer Insiderinformation (und damit auch den der Richtlinie von der Nutzung des Insiderwissens) dahingehend auslegt, dass eine Insiderinformation zumindest in das Handeln des Insiders mit eingeflossen sein müsse, formuliert sie mit diesem Erfordernis ein ausschließlich objektives Tatbestandsmerkmal6, bei dem Finalität und Vorsätzlichkeit des Handelns nicht die geringste Rolle spielen. Dementsprechend beschränkt der EuGH die von ihm begründete Vermutung auch ausschließlich auf diejenige, dass der „Urheber“ des Insidergeschäfts und Primärinsider „dieses Geschäfts mit Vorsatz gehandelt“ hat. Für die Annahme, der EuGH habe mit seiner Entscheidung auch eine Kausalitätsvermutung begründen wollen, lässt sich allenfalls die einleitende Aussage (Rz. 32 a.E., Hervorhebung hinzugefügt) heranziehen: „Art. 2 Abs. 1 RL 2003/6 … besagt nicht ausdrücklich, dass der Nachweis erforderlich ist, dass die Insider-Information für die Entscheidung, das fragliche Geschäft 1 Hierzu ausführlich 3. Aufl. des Kommentars Rz. 24 f. Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 87. 2 So Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 34 re. Sp.; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 36. 3 EuGH v. 23.12.2009 – Rs C-45/08, AG 2010, 78 = ZIP 2010, 78. Die nachfolgend im Text der Rz. 26 in Klammern zu findenden Randzifferangaben beziehen sich auf die Randziffern dieser Entscheidung). Die Grundlage dieser Entscheidung bilden die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 10.9.2009, Slg. 2009, I-12073; zu diesen etwa Cascante/Bingel, AG 2009, 894 ff. 4 Etwa Bussian, WM 2010, 10 und 11; Cascante/Bingel, NZG 2010, 162; Gehrmann, ZBB 2010, 49/50; Ransiek, wistra 2011, 2; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 16a; Weber, NJW 2010, 274 (277). 5 Ebenso Nietsch, ZHR 174 (2010), 564; Schulz, ZIP 2010, 611. A.A. Ransiek, wistra 2011, 2 (Entscheidung handelt vom Kausalitätserfordernis). 6 Ebenso etwa Schulz, ZIP 2010, 610. A.A. Altenhein, in: KölnKomm. WpHG, § 38 Rz. 42, der das Kausalitätserfordernis zu einem „innerpsychischen Vorgang“ umdeutet.
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auf dem Markt zu tätigen, bestimmend war, und ebenso wenig sieht er ausdrücklich vor, dass der primäre Insider sich des Insider-Charakters der ihm bekannten Information bewusst gewesen sein muss“. Diese Ausführungen streiten indes weder gegen ein Kausalitätserfordernis noch gegen ein Vorsatzerfordernis, sondern sagen lediglich, dass sich solche Erfordernisse der Richtlinienbestimmung nicht „ausdrücklich“ entnehmen ließen, und dem lässt sich ebenso schwer widersprechen wie die Aussage entnehmen, die Richtlinienvorschrift schließe ein Kausalitätserfordernis aus. Bemerkenswerterweise findet sich in der Aufführung von Umständen, bei denen die Vermutung wiederlegt sein soll (Rz. 56 ff.), keine Fallgestaltung, bei der es um die Widerlegung einer vermuteten Ursächlichkeit von Insiderwissen und Insidergeschäften geht. Kurz: Die Entscheidung betrifft das Vorsatzelement und nicht das Kausalitätselement des Insiderhandelsverbots. Sie steht schon von daher der Annahme nicht entgegen, ein Insider verwende die Insiderinformation nur dann, wenn sie in sein Handeln mit einfließe1. Im Übrigen wäre eine Kausalitätsvermutung mit dem deutschen Insiderrecht, das Erwerbs- und Veräußerungsgeschäfte eines Insiders als Straftat behandelt (§§ 14 Abs. 1 Nr. 1, 38 Abs. 1 WpHG), auch nicht vereinbar2. Zu weiteren Einwänden gegen die Entscheidung des EuGH und namentlich denjenigen gegen die von dem Gericht formulierte widerlegliche Vorsatzvermutung s. unten Rz. 61a. Auf Grund der Fortgeltung des Erfordernisses der Ursächlichkeit der Information für 27 den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren hat sich auch nach dem Wegfall des subjektiven Tatbestandselements des Ausnutzens einer Insiderinformation die Regelungsreichweite des Insiderhandelsverbots in der Sache nicht verändert, und das heißt: auch nicht erweitert3. Dieser Befund mag auf den ersten Blick verwundern, kam doch gerade im Merkmal des Ausnutzens einer Insiderinformation das Regelungsanliegen des Insiderrechts zum Ausdruck, die Erzielung von Sondervorteilen aus der Innehabung von Insiderinformationen zu unterbinden und dadurch das Vertrauen in die Integrität der Kapitalmärkte und den chancengleichen Zugang zu Unternehmens- und Kapitalmarktinformationen zu sichern. Tatsächlich kommt dieser Aspekt im Begriff der Verwendung von Insiderinformationen weniger deutlich zum Tragen als in demjenigen des Ausnutzens von Insiderinformationen, ist aber bei seiner Auslegung gleichwohl unschwer und methodisch lege artis zur Anwendung zu bringen. Vielfach wird der Schutzzweck des Insiderhandelsverbots aber auch im Wege der teleologischen Reduktion des Erwerbs- und Veräußerungsverbots zur Geltung gebracht (s. bspw. Rz. 28). Das führt zu keinen anderen Ergebnissen, weshalb der Weg der teleologischen Auslegung des Begriffs der Verwendung nur deshalb vorzugswürdig ist, weil ihm – anders demjenigen der teleologischen Reduktion – nicht der Geruch einer Ausnahmemaßnahme anhaftet. So soll nach einhelliger Ansicht eine Insidertat ausscheiden, wenn bei einer außerbörslichen Transaktion – wie etwa beim Paketerwerb in sog. Face-to-face-Geschäften 1 Für die Fortgeltung des Kausalitätserfordernisses i.E. auch Heusel, [Anmerkung zu EuGH v. 23.12.2009 – Rs C-45/08] BKR 2010, 78; Schulz, ZIP 2010, 611; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 16a. 2 S. dazu näher Nietsch, ZHR 174 (2010), 576 f.; nach Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 16a stünde der „Nichtbeachtung des vom Wortlaut [des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG] geforderten Ursachenzusammenhangs … die Schranke des Art. 103 Abs. 2 GG entgegen“; Szesny, Rz. 89 f. („Regelvermutung schlägt sich nicht im Wortlaut des Strafgesetzes nieder“, Rz. 89). 3 So selbst BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 38. Ebenso Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 57.
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(s. zugleich zur grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG auf solche Geschäfte, Rz. 42) – beide Parteien über einen gleichen Wissensstand verfügen. Da dies unter dem bis durch das AnSVG geltenden Recht mit dem Argument abgelehnt wurde, hier entfalle ein Insiderhandeln, weil keine der Parteien ihr Insiderwissen zur Erzielung von Sondervorteilen ausnutzen könne1, wird das gleiche Ergebnis nach dem Wegfall des subjektiven Tatbestandsmerkmals der Ausnutzung durch eine teleologische Reduktion des Erwerbs- und Veräußerungsverbots zu erreichen versucht, die auf das Argument gegründet wird, eine Schädigung des Kapitalmarkts und der Kapitalmarktteilnehmer sei in solchen Fällen ausgeschlossen2. Das lässt sich aber auch mit der Überlegung rechtfertigen, dass es bei gleichem Insiderwissen an der Verwendung einer Insiderinformation fehlt3, wenn man nur unter der Verwendung einer Insiderinformation bei teleologischer Auslegung jeden Vorgang begreift, in dem der Wissensvorsprung eines Insiders in ein Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäft einfließt und ihm so objektiv die Möglichkeit der Erzielung eines Sondervorteils eröffnet4. Anders verhält es sich allein dann, wenn dem als Täter in Betracht Kommenden unbekannt war, dass die andere Partei über das gleiche Wissen verfügte, denn hier kommt der Versuch einer Insidertat in Betracht. Denselben Vorbehalt dürften aber auch diejenigen Stimmen anzubringen gezwungen sein, die das vorstehende Ergebnis im Wege der teleologischen Reduktion begründen. 29
An der Ursächlichkeit einer Insiderinformation für den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren fehlt es ganz fraglos, wenn der Betroffene im Zeitpunkt seines Handelns, etwa bei der Ordererteilung, über keine Insiderinformation verfügte5. Entsprechendes gilt, wenn Geschäfte erfüllt werden, zu denen sich der Leistende bereits verpflichtete, bevor er Kenntnis von einer Insiderinformation erhielt: Das ist bspw. für die „Dauer-Order“ eines Kunden der Fall, die dieser vor Erlangung einer Insiderinformation erteilte6; in gleicher Weise unbedenklich ist es für alle Parteien, wenn der Vermögensverwalter ohne jegliche Einflussnahme seines Kunden Insiderpapiere 1 EuGH v. 10.5.2007 – Rs C-391/04 („Georgakis“), AG 2007, 542 (Rz. 41). 3. Aufl. des Kommentars Rz. 28; Assmann, AG 1994, 246; Assmann, in: Lutter/Scheffler/U. H. Schneider, Handbuch Konzernfinanzierung, Rz. 12.19; Dickersbach, S. 180; Fürhoff, AG 1998, 87; Hilgendorf, in: Park (Hrsg.), Kapitalmarktstrafrecht, 1. Aufl. 2004, §§ 38 I Nr. 1–3, 12, 13, 14 WpHG Rz. 123; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 37; Krauel, S. 288; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 16.163; Schmidt-Diemitz, DB 1996, 1811; Schwark, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 14 WpHG Rz. 23. 2 Bachmann, ZHR 172 (2008), 628; Cahn, Der Konzern 2005, 8 (10 f.); Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 931; von Dryander/Schröder, WM 2007, 537; Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, 2427; Grothaus, ZBB 2005, 64; Kemnitz, S. 92; Koch, DB 2005, 269; Kümpel/Veil, Wertpapierhandelsgesetz, S. 68; Schwintek, S. 26. I.E. auch Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 37. 3 So auch Brandi/Süßmann, AG 2004, 645. 4 Vor allem hierauf abstellend Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 9. Auch BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 38; Schwark/Kruse, in: Schwark/ Zimmer, § 14 WpHG Rz. 17 (Verwenden setzt „das Gebrauchen eines Wissensvorsprungs zum Nachteil anderer Anleger“ voraus), 18, 25; Widder, WM 2010, 1887; Widder/Kocher, AG 2009, 658. Offen lassend, ob das Ergebnis durch eine teleologische Restriktion oder durch Ursächlichkeitserwägungen zu begründen ist, Hammen, in: BuB, Rz. 7/724; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 61; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.534. A.A. Grothaus, ZBB 2005, 63. 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 36. Ebenso Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 37; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.536; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 19. 6 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 36; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 20.
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§ 14
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erwirbt, über die oder deren Emittenten der Kunde nachträglich Insiderinformationen erlangt. Nicht anders liegen die Dinge, wenn eine Person (Organ, leitender Angestellter oder Mitarbeiter) erst nach ihrer Entscheidung, sich an einem Mitarbeiteroder Aktien(options)programm zu beteiligen, Insiderinformationen erhält und über diese im Zeitpunkt der Einbuchung der Finanzinstrumente oder der Gewinne aus diesen in ihr Depot noch verfügt1 (zu Aktienoptionsprogrammen für Führungskräfte s. Rz. 172 ff.). Ebenso verhält es sich schließlich, wenn Leerverkäufe vorgenommen werden, d.h. ein Marktteilnehmer eine bestimmte Menge etwa von Wertpapieren, die zu einem bestimmten zukünftigen Zeitpunkt zu liefern sind, zu einem bestimmten Preis veräußert, ohne im Zeitpunkt des Verkaufs über die veräußerten Papiere zu verfügen: Solange nicht der Veräußerer oder der Käufer im Zeitpunkt des Abschlusses des Geschäfts über Insiderinformationen über die fraglichen Papiere verfügten, ist jede spätere Erlangung solcher Informationen insiderrechtlich ohne Belang2. An der erforderlichen Ursächlichkeit einer Insiderinformation für den Erwerb oder 30 die Veräußerung von Insiderpapieren mangelt es des Weiteren auch im Falle von Transaktionen, die jeweils in gleicher Weise auch ohne die Kenntnis der Insiderinformation vorgenommen worden wären3. Das gilt namentlich für die von Insiderwissen nicht beeinflusste Eingehung oder Erfüllung einer Verbindlichkeit. Dazu führt schon Art. 2 Abs. 3 der Marktmissbrauchsrichtlinie (Rz. 1) aus, das in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie formulierte Erwerbs- und Veräußerungsverbot solle keine Anwendung auf Geschäfte finden, „die getätigt werden, um einer fällig gewordenen Verpflichtung zum Erwerb oder zur Veräußerung von Finanzinstrumenten nachzukommen, wenn diese Verpflichtung auf einer Vereinbarung beruht, die geschlossen wurde, bevor die betreffende Person die Insider-Information erhalten hat“. Dass der Gesetzgeber davon abgesehen hat, eine Art. 2 Abs. 3 der Marktmissbrauchsrichtlinie entsprechende Bestimmung in § 14 WpHG aufzunehmen, mag der eine oder die andere bedauern4, doch erforderlich war dies nicht, um der ohne weiteres aus dem Begriff des Verwendens folgenden Regel Geltung zu verschaffen. Entsprechendes gilt für Handlungen, mit denen aus vorausgegangenen Transaktionen begründete und sich zwangsläufig aus diesen ergebende Rechte wahrgenommen oder Pflichten erfüllt werden, wie dies regelmäßig etwa bei der Verwertung von Sicherheiten im Sicherungsfall anzunehmen ist: So verwendet der Darlehensgeber keine Insiderinformation, wenn er sich zur Befriedigung seiner Forderungen aus einem Not leidend gewordenen Kredit der zur Besicherung des Darlehens übereigneten Wertpapiere des Darlehensgebers bedient5.
1 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 37; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 39; Merkner/Sustmann, NZG 2005, 730; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 76. 2 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 37. Vgl. auch Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 203. 3 Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 34; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 36. Zum alten Recht schon 3. Aufl. des Kommentars Rz. 27; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 134 f.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 16.170 (fehlende Kausalität); Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.141; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 64; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 5, 7; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 16, 20. Ähnlich Hopt, in: FS Heinsius, S. 290, mit Hinweis auf das Beweisproblem („Tatfrage“). 4 Etwa Ziemons, NZG 2004, 539. 5 Beispiel bei BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 37; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 42; Hammen, in: BuB, Rz. 7/725; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 35; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.542; Schröder, Kapitalmarkt-
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An der Verwendung einer Insiderinformation fehlt es schließlich auch dann, wenn eine Person ihren – ohne Verwendung einer Insiderinformation zustande gekommenen – Entschluss, eine bestimmte Transaktion in Insiderpapieren durchzuführen, verwirklicht1. Entschlüsse werden, anders als Informationen, in Handlungen umgesetzt und nicht verwandt. Das kommt auch in Erwägungsgrund 30 der Marktmissbrauchsrichtlinie zum Ausdruck: „Da dem Erwerb oder der Veräußerung von Finanzinstrumenten notwendigerweise eine entsprechende Entscheidung der Person vorausgehen muss, die erwirbt bzw. veräußert, sollte die Tatsache dieses Erwerbs oder dieser Veräußerung als solche nicht als Verwendung von Insider-Informationen gelten“2. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Entschluss keine Insiderinformation sein könne. Deshalb kommt eine Insidertat der Person, die einen Erwerbsentschluss gefasst hat, in Betracht, wenn sie, ohne dass dies für die Umsetzung ihres Erwerbsoder Veräußerungsentschlusses erforderlich wäre, ihren Entschluss (oder m.a.W. ihr Vorhaben, s. dazu § 13 Rz. 20 f.) Dritten mitteilt oder auf der Grundlage ihres Entschlusses Dritten gegenüber eine Empfehlung zum Erwerb oder zur Veräußerung von Insiderpapieren abgibt3. (2) Einzelfälle
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Nachfolgend werden einige Sachverhalte behandelt, die schon nach altem Recht die Frage aufwarfen, inwieweit sie Verstöße gegen das Erwerbs- oder Veräußerungsverbot zum Gegenstand hatten und in denen sich diese Frage erst recht nach dem Wegfall des subjektiven Tatbestandsmerkmals des Ausnutzens von Insiderwissen stellt.
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Wie schon vor der Änderung des § 14 WpHG durch das AnSVG ist davon auszugehen, dass eine Insiderinformation verwandt wird, wenn in Kenntnis der Art oder des Umfangs einer Order, die im Falle ihres Bekanntwerdens geeignet ist, die Kursentwicklung von Insiderpapieren erheblich zu beeinflussen, Papiere dieser Art erworben oder veräußert werden, bevor der Auftrag öffentlich bekannt wird4. § 13 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 WpHG stellt zwar explizit nur klar, dass das Wissen um eine Order bei entsprechender Kurserheblichkeit (§ 13 Rz. 50 ff.) eine Insiderinformation darstellt, bringt
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strafrecht, Rz. 217; Schröder, in: Achenbach/Ransiek, X 2 Rz. 164; Sethe, in: Assmann/ Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 76. Schon Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 47. I.E. auch EuGH v. 23.12.2009 – Rs C-45/08, AG 2010, 78 = ZIP 2010, 78 (Rz. 60). S. ferner Brandi/Süßmann, AG 2004, 644; Cahn, Der Konzern 2005, 9; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.142; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 65, 73; Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 205; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 23. S. auch oben Rz. 25 a.E. m.w.N. und unten Rz. 35. S. auch EuGH v. 23.12.2009 – Rs C-45/08, AG 2010, 78 = ZIP 2010, 78 (Rz. 60). Cahn, Der Konzern 2005, 9 m.w.N. in Fn. 38; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 53; Ziemons, NZG 2004, 539. Im Ausgangspunkt auch Schlitt/Schäfer, AG 2004, 353, die allerdings (S. 354) davon ausgehen, dass der Entschluss erst durch die Äußerung der Absicht einen „Drittbezug“ erlange und damit wohl auch seine Eigenschaft, für den sich Entschließenden Insiderinformation zu sein, ablehnen. Nach der Georgakis-Entscheidung des EuGH v. 10.5.2007 – Rs C-391/04, AG 2007, 542 (dazu unten Rz. 68 und ausführlich § 13 Rz. 10), dürfte dies nicht mehr zu bestreiten sein. Caspari, ZGR 1994, 540; Claussen, DB 1994, 28; Claussen, Insiderhandelsverbot, Rz. 76; Hammen, in: BuB, Rz. 7/728; Hopt, in: FS Heinsius, S. 295; Hopt, ZGR 1991, 34 f.; Hopt, in: FS Beusch, S. 409 f.; Hopt, in: WM-Festgabe Hellner, S. 30; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 16.86; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 151; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 26; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 33. S. auch Bericht des Finanzausschusses BT-Drucks. 12/7981, S. 104.
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aber allein mit der besonderen Erwähnung dieses Falles implizit zum Ausdruck, dass durch dieses Wissen veranlasste und nicht in der Ausführung der Order bestehende Geschäfte – nämlich das sog. Vor-, Mit- oder Gegenlaufen (auch als Frontrunning bezeichnet) – einen Insiderverstoß darstellen. Das entspricht auch dem Standpunkt des BGH, der das „Frontrunning“ – anders als das „Scalping“ (dazu unten Rz. 49) – in einem obiter dictum als Verwendung einer Insiderinformation eingeordnet hat1. Regelmäßig geht mit diesem Verstoß auch eine Verletzung berufsrechtlicher Verhaltenspflichten einher2. Werden Wertpapiergeschäfte getätigt, die auch ohne Kenntnis der Insiderinformation 34 vorgenommen worden wären, so geschieht dies, wie an früherer Stelle (Rz. 29 ff.) festgestellt, ohne Verwendung des vorhandenen Insiderwissens. Anwendungsfälle dieses Grundsatzes sind etwa die Geschäfte von Maklern oder sog. Marketmakern im Rahmen ihrer beruflichen Aufgaben oder Geschäfte von Analysten, deren Portfolioanalyse ohne Rücksicht auf eine Insidertatsache das Geschäft oder eine Empfehlung trägt3. Ähnlich kann dies liegen bei zu Sicherungszwecken gegen Preisschwankungen vorgenommenen Hedginggeschäften einer Bank4, weil hier gerade nicht die Insidertatsache zu einem Vorteil umgemünzt, sondern der möglichen Kursbeeinflussung entgegengewirkt werden soll. Nach den gleichen Grundsätzen zu behandeln ist der Fall, dass ein Organ oder ein Mitarbeiter eines Emittenten Aktien des Unternehmens besitzt und mit diesen verbundene Bezugsrechte auf junge Aktien ausübt, obwohl er von Insidertatsachen erfahren hat, die das Unternehmen im konkreten Fall (gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG) berechtigterweise nicht zu veröffentlichen braucht5. Erlangen die Personen, die mit der Umsetzung unternehmerischer und nicht durch 35 Insiderwissen veranlasster Pläne oder Entscheidungen befasst sind, später Insiderinformationen, so fehlt es auch hier regelmäßig schon am Einfluss derselben auf das Handeln der betreffenden Personen und damit an der Verwendung von Insiderinformationen. Darüber hinaus kann aber auch in der Durchführung unternehmerischer Pläne und Entscheidungen oder von Entschlüssen zur Vornahme bestimmter Effektengeschäfte als solcher, selbst wenn sie für Dritte Insiderinformationen darstellen, keine Verwendung einer Insiderinformation gesehen werden6. Das gilt auch für den Fall, dass der Betreffende einen Gesamtplan verfolgt, der in mehreren Stufen reali1 BGH v. 6.11.2003 – 1 StR 24/03, NJW 2004, 302 (303). 2 Claussen, Insiderhandelsverbot, Rz. 76; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 16.86: Verstoß gegen § 32 Abs. 1 Nr. 3 WpHG; ebenso Bericht des Finanzausschusses BT-Drucks. 12/7981, S. 104; vor der Verabschiedung des WpHG schon Hopt, in: FS Heinsius, S. 294. 3 Vgl. Hammen, in: BuB, Rz. 7/725; Hopt, in: FS Heinsius, S. 290; Becker, S. 53; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 136; Schwark/Kruse, in: Schwark/ Zimmer, § 14 WpHG Rz. 21; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 78. 4 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 16.175; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 139; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 22; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 78. 5 Es bedarf hier deshalb nicht der für diese Sachverhaltskonstellation von Schröder, NJW 1994, 2880, vorgeschlagenen teleologischen Reduktion; wie hier Dickersbach, S. 184: mangelnde Kausalität. Differenzierend Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 79 f. 6 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 47; Assmann, ZGR 1994, 518; Assmann, AG 1994, 246; BAWe/Deutsche Börse, S. 20; Cahn, ZHR 126 (1998), 18 f.; Caspari, ZGR 1994, 542; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 141; Hopt, in: FS Lutter, S. 1395; F. Immenga, ZBB 1995, 204; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 23.
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siert werden soll1. Dabei ist es unerheblich, ob der Plan einen Änderungs- oder Anpassungsvorbehalt enthält oder im Verlaufe seiner Durchführung plangemäß durchgeführt oder abgewandelt wurde. So handelt etwa der Vermögensverwalter, der für einzelne der von ihm verwalteten Depots einen größeren Posten eines bestimmten Papiers zu erwerben beabsichtigt, auch dann nicht unter Verwendung von Insiderwissen, wenn er, um Preissprünge zu vermeiden und die Kosten des Erwerbs gering zu halten, einen zeitlich gestaffelten Aufkauf der Papiere vornimmt und die Zahl der zu erwerbenden Papiere im Zuge der Durchführung seines Plans noch erweitert2. Ebenso verhält es sich, wenn ein Investor den sukzessiven Auf- oder Ausbau einer Beteiligung plant und realisiert (dazu Rz. 31 und insbes. Rz. 45 f.). Nimmt der Vermögensverwalter seinen Entschluss, für einzelne oder mehrere Depots bestimmte Wertpapiergeschäfte zu tätigen, zum Anlass, komplementäre Wertpapiergeschäfte für andere Depots durchzuführen, so liegt auch hierin ein Gesamtplan, dessen Durchführung zwar im Einzelfall gegen die Verhaltenspflichten des Verwalters nach § 31 WpHG, nicht aber gegen das insiderrechtliche Erwerbs- und Veräußerungsverbot unter Verwendung einer Insiderinformation verstoßen kann3. Als allgemeine Regel kann für den Vermögensverwalter festgehalten werden, dass ihm bei der Verwaltung von Kundendepots insiderrechtlich „genau das erlaubt ist, was er auch bei der Verwaltung eines eigenen Depots tun dürfte“4. 36
Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 WpHG ist der Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen von dem Insiderhandelsverbot des § 14 Abs. 1 WpHG ausgenommen, wenn er nach Maßgabe der Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 der Kommission vom 22.12.2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates – Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen5 erfolgt. Davon erfasst ist gemäß Art. 1 der Durchführungsverordnung jedoch lediglich der (im Übrigen den Anforderungen aus Art. 4–6 der Verordnung genügende) Aktienrückkauf, der einzig und allein dem Zweck dient, das Kapital eines Emittenten herabzusetzen oder Verpflichtungen zu erfüllen, die entweder aus Schuldtiteln, welche in Beteiligungskapital umgewandelt werden können, oder aus Belegschaftsaktienprogrammen und anderen Formen der Zuteilung von Aktien an Mitarbeiter des Emittenten oder einer Tochtergesellschaft resultieren. Zu Einzelheiten s. Rz. 212 f. und 214 ff.
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Plant ein Emittent zu einem anderen der in § 71 Abs. 1 Nrn. 1–8 AktG angeführten, aber von der Bereichsausnahme des § 14 Abs. 1 Satz 1 WpHG nicht erfassten Zwecke den Rückkauf eigener Aktien (Entsprechendes gilt für den Verkauf von zuvor zurückgekauften eigenen Aktien) oder genügt das Rückkaufprogramm nicht den Anforderungen aus Art. 4–6 der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 2273/2003 (Rz. 36), so unterliegt er den Insiderhandelsverboten des § 14 Abs. 1 WpHG6. Davon betroffen ist insbesondere der Rückkauf eigener Aktien, um diese später als Akquisitionswährung für den Kauf eines Unternehmens oder den Erwerb einer Beteiligung an einem Unternehmen zu verwenden7. 1 Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 81. 2 Vgl. dazu auch Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 53; Schäfer, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 23 Rz. 41. 3 Schäfer, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 23 Rz. 41. 4 Cramer, AG 1997, 62. 5 ABl. EU Nr. L 336 v. 22.12.2003, S. 33. 6 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 39 f.; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 106, 395; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 26. 7 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 39/40; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 106.
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Vom Insiderverbot regelmäßig allerdings nicht erfasst sind die Beschlüsse und Maß- 38 nahmen, die der Vorbereitung des Rückkaufs eigener Aktien in Gestalt der Ermächtigung des Vorstands zur Durchführung des geplanten Rückkaufsprogramms dienen. Dazu gehören die Beschlüsse des Vorstands und des Aufsichtsrats, der Hauptversammlung die Ermächtigung des Vorstands zur Ausführung eines Rückkaufprogramms vorzuschlagen und der daraufhin vorgenommene Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung. Informationen über das Vorhaben und diesbezügliche Beschlüsse stellen keine konkreten Informationen i.S. des § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG dar, weil hinsichtlich des beabsichtigten Rückkaufprogramms auch nach solchen Beschlüssen regelmäßig eine hinreichende Eintrittswahrscheinlichkeit (vgl. § 13 Rz. 7 f.) in Bezug auf den Zeitpunkt und die Art und Weise der Durchführung des Programms noch nicht gegeben ist1. Anders verhält es sich mit dem Beschluss des Vorstands, von der Rückkaufermächtigung Gebrauch zu machen. Dieser stellt, weil im Hinblick auf die Durchführung des Rückkaufprogramms eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit besteht, i.d.R. eine Insiderinformation dar, vorausgesetzt, dass die diesbezügliche Information in Anbetracht der konkreten Umstände – etwa wegen seines Volumens, der Marktenge und/oder seiner Konzentration auf einen bestimmten Zeitpunkt – als kurserheblich (§ 13 Rz. 50 ff.) anzusehen ist2. Daran kann es mangeln, wenn der Rückerwerbsplan zeitlich und hinsichtlich seines Umfangs unbestimmt ist und dem Vorstand einen weit reichenden Handlungsspielraum einräumt. Für den Emittenten ergeben sich aus alledem jedoch keine Handlungsbeschränkun- 39 gen: Bei der Ausführung seines dem Insiderrecht unterfallenden Vorhabens zum Rückerwerb eigener Aktien handelt er regelmäßig in Durchführung seiner unternehmerischen Pläne und Entscheidungen und verwendet damit kein Insiderwissen3. Wird der Zeitpunkt des Erwerbs eigener Aktien dagegen vom Wissen der Vorstände um eine den Emittenten betreffende Insiderinformation bestimmt, so liegt die Verwendung von Insiderwissen vor, so dass ein Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG in Betracht kommt4. Deshalb liegt die Verwendung einer Insiderinformation vor, wenn zwar der Beschluss, Aktien zurückzukaufen, gefal1 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 40; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 107; Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 224. I.E. auch Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 106, allerdings mit dem Hinweis auf die fehlende Kursrelevanz der entsprechenden Maßnahmen. 2 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 40; Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 224. Nach früherem Recht wurde die Eintrittswahrscheinlichkeit des Rückkaufprogramms nur als Problem der Kurserheblichkeit betrachtet, doch kam man im Wesentlichen zu ähnlichen Ergebnissen: 3. Aufl. des Kommentars Rz. 27b; Begr. RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 40; Fürhoff, AG 1998, 84; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 107; von Rosen/ Helm, AG 1996, 440; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 106; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 24; auch Schreiben des BAWe vom 28.6.1999 zum „Erwerb eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 AktG“, abgedruckt in: WM 2000, 438 (dazu van Aerssen, WM 2000, 402 ff.): „Die Beschlüsse des Vorstandes und des Aufsichtsrates, der Hauptversammlung vorzuschlagen, den Vorstand zu ermächtigen“, eigene Aktien „zurückzukaufen, können ebenso wie der Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung eine Insidertatsache darstellen“ (Hervorhebung hinzugefügt). An der Kurserheblichkeit sollte es (nach Martens, AG 1996, 340) fehlen, wenn der Rückerwerbsplan zeitlich und hinsichtlich seines Umfangs unbestimmt war und dem Vorstand einen weit reichenden Handlungsspielraum einräumte. 3 S. Erwägungsgrund 30 der Marktmissbrauchsrichtlinie, wiedergegeben oben in Rz. 31; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 40; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 108; Schwark/ Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 26. 4 Dem folgend BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 40; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 108.
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len ist, nicht aber eine Entscheidung über den Zeitpunkt, wann dies geschehen soll, und Insiderwissen in die Ordererteilung des für das Unternehmen Handelnden eingeflossen ist1. Unter diesen Umständen können sich die Handelnden nicht darauf berufen, in Ausführung einer unternehmerischen Entscheidung oder eines entsprechenden Plans gehandelt zu haben, jedoch kann es keine Vermutung dafür geben, dass das Insiderwissen für den Zeitpunkt der Ordererteilung ursächlich war (s. oben Rz. 26). Unterlässt oder stoppt der Emittent die Durchführung des Rückkaufprogramms, so liegt darin, auch wenn dafür Insiderwissen verantwortlich ist, mangels Erwerb oder Veräußerung von Insiderpapieren keine Insidertat2. Gleiches gilt für den Fall der durch Insiderwissen bedingten Verschiebung des Programms, es sei denn, das Insiderwissen fließt in die Entscheidung zur Bestimmung des neuen Durchführungszeitpunkts ein. 40
Emittent und dessen Vorstände sind damit als Erwerber von Insiderpapieren, auch wenn es um den Kauf oder Verkauf eigener Aktien geht, nicht anders zu behandeln als andere Marktteilnehmer3. Im Schrifttum wurde deshalb nicht ohne Grund vorgeschlagen, der Emittent solle zur Vermeidung insiderrechtlicher Komplikationen den geplanten Aktienkauf im Voraus publizieren und alle kursrelevanten Informationen offen legen4. Ist die fragliche Insiderinformation nicht nach § 15 WpHG publizitätspflichtig, so kann der Aktienrückkauf allerdings ohne vorhergehende Veröffentlichung der Insiderinformation erfolgen, wenn dieser auch ohne Kenntnis der Insiderinformation vorgenommen worden wäre (Rz. 29 ff., 34). Je nachdem, ob das Vorhaben oder der Entschluss zum Erwerb eigener Aktien nach den Umständen des Einzelfalls als Insiderinformation einzuordnen ist, unterliegen die Vorstände und andere Personen, die von dem Vorhaben oder der Durchführung des Rückkaufprogramms wissen, den Insiderhandelsverboten aus § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG5.
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Um nicht durch die spätere Erlangung von Insiderwissen an der Durchführung zuvor getroffener Erwerbspläne oder anderweitiger unternehmerischer Entscheidungen gehindert zu sein, ist in der Praxis auf die Dokumentation entsprechender Entschlüsse, Beschlüsse, Vorhaben etc. zu achten. Das gilt namentlich für einige der nachfolgend behandelten Transaktionsformen, wie etwa Pläne zum sukzessiven Aufbau von Beteiligungen (Rz. 35, 45 f.), zum sog. Paketerwerb (Rz. 43, 47, 162 ff.) oder zur Kurspflege (Rz. 50 ff., 222 ff.). Zur Vermeidung jeglicher insiderrechtlicher Komplikationen für den Emittenten kann es sich als Vorsichtsmaßnahme empfehlen, einen unabhängigen Dritten (i.d.R. ein Kreditinstitut) mit der Durchführung des Rückkaufprogramms zu beauftragen und diesem diesbezüglich bindende Instruktionen zu erteilen: Übernimmt der Dritte „dann den Rückkauf in eigener Regie und kann diese Person insbesondere selbständig über den Zeitpunkt der Ordererteilung bestimmen, ist es unschädlich, wenn [der Emittent] vor der Ausführung z.B. der dritten oder vierten Order Kenntnis von Insiderinformationen erhält. Denn die rechtliche Verpflich1 Ähnlich, allerdings der Formulierung nach (wohl unbeabsichtigt) nahelegend, bereits die Ordererteilung in Kenntnis einer Insiderinformation stelle eine Verwendung der Information dar, BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 40; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 108. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 40; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 109. 3 So i.E. auch von Rosen/Helm, AG 1996, 440; Casper, WM 1999, 367; zweifelnd Fürhoff, AG 1998, 84. 4 S. von Rosen/Helm, AG 1996, 440. 5 Begr. RegE KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 14, empfiehlt deshalb Vorkehrungen, um Insidergeschäfte des Vorstands zu vermeiden; so sollen eigene Aktien nur in bestimmten Zeiträumen („Zeitfenstern“) gekauft oder verkauft werden, wie z.B. binnen drei Wochen nach der Vorlage eines Geschäfts- oder Zwischenberichts.
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tung zum Erwerb der Aktien lag hier bereits vor Kenntnis der Insiderinformationen [vgl. oben Rz. 30]. Dies gilt aber nur, wenn die für die Ausführung der einzelnen Order verantwortlich zeichnende Person selbst über keine relevanten Insiderinformationen über die zu erwerbenden Aktien verfügt und die Verpflichtung des Unternehmens zu einem Zeitpunkt ausgesprochen wurde, zu dem das Unternehmen über keine Insiderinformationen verfügte“1. Das Insiderhandelsverbot aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG ist nicht auf börsliche Trans- 42 aktionen unter Verwendung von Insiderwissen beschränkt2. Insiderinformationen können deshalb auch im Zusammenhang mit außerbörslichen, Insiderpapiere betreffenden Geschäften (sog. Face-to-face-Geschäften) unter Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG verwandt werden3. An der Verwendung einer Insiderinformation fehlt es jedoch, wenn diese beiden Seiten bekannt ist (dazu oben Rz. 28). Im Falle einer nur einseitigen Kenntnis einer Insiderinformation kommt dagegen ein Verstoß gegen das Verbot des Erwerbs oder der Veräußerung von Insiderpapieren unter Verwendung einer Insiderinformation in Betracht4. Das alles galt schon früher, weil der deutsche Gesetzgeber keinen Gebrauch von der Ermächtigung in Art. 2 Abs. 3 Satz 2 der Insiderrichtlinie von 1989 (Einl. Rz. 13) gemacht hat, Transaktionen ohne Einschaltung eines Berufshändlers vom Insiderhandelsverbot auszuschließen. An der Anwendbarkeit des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. wurden aber vereinzelt Zweifel geäußert, die mit dem Argument begründet wurden, § 1 WpHG a.F. habe den Anwendungsbereich des Gesetzes auf den außerbörslichen „Handel“ mit Wertpapieren unter Einschaltung von Berufshändlern beschränkt5. Bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des im Hinblick auf die Verwendung des Begriffs „Handel“ unverändert gebliebenen § 1 WpHG ist diesem Argument jedoch der Boden entzogen, denn nach Art. 9 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie (Rz. 1) sind deren Regelungsvorgaben auf alle Geschäfte in Finanzinstrumenten anwendbar, unabhängig davon, ob das Ge-
1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 40. 2 Kritisch Dickersbach, S. 181. Frühere Einwände gegen diese Annahme (zu diesen noch Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 8) sind spätestens aufgrund der Regelung in Art. 9 Abs. 1 der durch das AnSVG (Rz. 1) umgesetzen Marktmissbrauchsrichtlinie (Rz. 1) obsolet, in dem es heißt: „Diese Richtlinie gilt für jedes Finanzinstrument, das zum Handel auf einem geregelten Markt in mindestens einem Mitgliedstaat zugelassen ist oder für das ein entsprechender Antrag auf Zulassung zum Handel auf einem solchen Markt gestellt wurde, unabhängig davon, ob das Geschäft selbst tatsächlich auf diesem Markt getätigt wird oder nicht.“ 3 Das wurde schon unter dem früheren Recht angenommen, etwa: 3. Aufl. des Kommentars Rz. 28; Assmann, AG 1997, 55; Hasselbach, NZG 2004, 1088; Hilgendorf, in: Park (Hrsg.), Kapitalmarktstrafrecht, 1. Aufl. 2004, §§ 38 I Nr. 1–3, 12, 13, 14 WpHG Rz. 111, 123; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 62; Schmidt-Diemitz, DB 1996, 1809. Zum neuen Recht etwa Cahn, Der Konzern 2005, 7 f.; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 931; Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, 2427; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.520, 3.533; Hasselbach, NZG 2004, 1088; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 130, 142; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 11, 59, 72; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 8; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 15. 4 Assmann, AG 1994, 246; Assmann, in: Lutter/Scheffler/U. H. Schneider, Handbuch Konzernfinanzierung, Rz. 12.19; Fürhoff, AG 1998, 87; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bankund Kapitalmarktrecht, Rz. 3.533; Schmidt-Diemitz, DB 1996, 1809; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 25. 5 Hammen, WM 2004, 1759.
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schäft selbst tatsächlich auf diesem Markt (d.h. dem Markt, auf dem sie zum Handel zugelassen sind, d. Verf.) getätigt wird oder nicht1. 43
Folgenreich ist dies vor allem für den außerbörslichen Pakethandel (zu diesem Begriff näher Rz. 167 f.), der damit grundsätzlich vom Insiderhandelsverbot erfasst2 und nicht etwa dadurch von dem Verbot freigestellt wird, dass sich – wie früher vereinzelt argumentiert wurde – „beim Handel mit großen Beträgen und Unternehmensteilen typischerweise Parteien mit gleichwertigem Informationsstand gegenüberstehen“3. Das Insiderrecht erfasst also nicht nur die Geschäfte des anonymen Marktteilnehmers, dessen Transaktionen über die Börse oder Berufshändler laufen. Im Falle des Pakethandels ist allein entscheidend, ob eine der beiden Parteien das Geschäft unter Verwendung einer Insiderinformation tätigt. Daran fehlt es freilich dann, wenn beide Parteien über das gleiche Insiderwissen verfügen (dazu oben Rz. 28 und 42). Zu Einzelheiten s. Rz. 47.
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Da das nicht öffentlich bekannte Vorhaben eines Investors, durch entsprechende Akquisitionen eine größere Beteiligung an einem Unternehmen aufzubauen, als Insiderinformation in Betracht kommt (vgl. § 13 Rz. 20), kann auch diese Information durch diejenigen, die von ihr Kenntnis haben, zur Erlangung von Sondervorteilen in Wertpapiergeschäften ausgenutzt werden. Das ist etwa beim sog. Frontrunning der Fall (s. Rz. 33).
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Dabei handelt allerdings der Investor, der lediglich seinen eigenen Entschluss zum Auf- oder Ausbau einer Beteiligung in die Tat umsetzt, ohne zu diesem Plan durch Insiderwissen veranlasst oder beeinflusst worden zu sein, nicht unter Verwendung einer Insiderinformation, sondern „in Ausführung seines Entschlusses“4. Nach anderer Ansicht5 bedarf es hierzu nicht des Rückgriffs auf das Argument, in solchen Fällen setze der Erwerber nur seinen selbst geschaffenen Erwerbsentschluss (Gesamtplan, Rz. 35) in die Tat um und es fehle somit an der Ursächlichkeit einer Insiderinformation für sein Vorgehen (s. Rz. 25). Vielmehr sollen in diesen Fällen die Meldepflichten betreffend den Aufbau oder Abbau einer bedeutenden Beteiligung nach §§ 21 ff. WpHG das Insiderrecht verdrängen. Der Gesetzgeber sei sich der negativen Auswirkungen, die der heimliche Beteiligungsaufbau auf das Anlegervertrauen und die Marktintegrität habe, bewusst, und steuere ihnen mit detaillierten Meldepflichten (§§ 21 ff. WpHG) und – im Übernahmerecht – mit der preislichen Einbeziehung von Vor- und Nacherwerben entgegen (vgl. § 31 WpÜG). Auch wenn diese Normen grundsätzlich neben dem Insiderrecht stünden, werde man ihnen bei der Auslegung 1 Das wiederum sieht so auch Hammen, WM 2004, 1759 f. Ebenso Cahn, Der Konzern 2005, 8; Hasselbach, NZG 2004, 1088 m. Fn. 5; Leppert/Stürwald, ZBB 2002, 90 (93); Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 1 WpHG Rz. 5. 2 Assmann, AG 1994, 246; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 143; Hammen, in: BuB, Rz. 7/729; implizit auch Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 47; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 16.167; SchmidtDiemitz, DB 1996, 1809; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 25. 3 So im Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 3 EG-Insiderrichtlinie Claussen, ZBB 1992, 282. 4 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 47; Brandi/Süßmann, AG 2004, 644; Cahn, Der Konzern 2005, 9; Caspari, ZGR 1994, 542; Hasselbach, NZG 2004, 1091 f.; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 143; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 43; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.142; Lösler, in: Habersack/Mülbert/ Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 60; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 73; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 23, 24; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 82. A.A. Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 21. 5 Bachmann, ZHR 172 (2008), 629. Dagegen Assmann, ZHR 172 (2008), 658.
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des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG doch Beachtung schenken müssen. Nur so könne die insiderrechtliche Zulässigkeit des Sukzessiverwerbs auch in Zukunft aufrecht erhalten werden. Anders als das Kausalitätsargument steht diese Argumentation aber auf wackligem Boden: Das Informations- und Sanktionsmodell der §§ 21 ff. WpHG, die das Anschleichen eines Investors an die Zielgesellschaft verhindern sollen, ist nicht deckungsgleich mit dem Verbotsmodell des Insiderrechts, weshalb die Meldepflichten der §§ 21 ff. WpHG die Insiderhandelsverbote des § 14 Abs. 1 WpHG nicht verdrängen können. Da beim Abschluss von Geschäften über Insiderpapiere, die auch ohne Kenntnis der Insiderinformation vorgenommen worden wären, kein Insiderwissen verwandt wird (Rz. 30), ist es auch unschädlich, wenn der Investor im Rahmen eines beabsichtigten Beteiligungserwerbs eine Kontrolle der Zielgesellschaft in Gestalt einer Due Diligence-Prüfung vornimmt und hierbei von Insidertatsachen erfährt, die ihn in seinem Plan lediglich bestärken1: Wird nach der Erlangung der Insiderinformation vom geplanten Beteiligungserwerb Abstand genommen, so führt das Insiderwissen nicht zu einem Erwerb oder einer Veräußerung von Wertpapieren und ist damit insiderrechtlich irrelevant (s. dazu schon Rz. 16)2. Veranlasst die Kenntnis von der Insiderinformation den Investor dagegen, den geplanten Beteiligungserwerb durch entsprechende börsliche oder außerbörsliche Geschäfte über Insiderpapiere auszuweiten, so geschieht dies aufgrund des Insiderwissens und folglich unter Verwendung der dieses begründenden Insiderinformation3. Einzelheiten zur insiderrechtlichen Beurteilung von Handlungen im Zusammenhang mit einer Due Diligence-Prüfung s. Rz. 113, 154 f. Vorstehendes gilt uneingeschränkt auch für den Beteiligungserwerb durch Beteiligungsgesellschaften4.
1 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 47; BAWe/Deutsche Börse, S. 20 f. Auch EuGH v. 23.12.2009 – Rs C-45/08, AG 2010, 78 = ZIP 2010, 78 (Rz. 59 f.); Cahn, Der Konzern 2005, 10; Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, 2426 f.; Hasselbach, NZG 2004, 1091; Hemeling, ZHR 169 (2005), 284 f.; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 145 f.; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 43; Langenbucher, Aktienund Kapitalmarktrecht, § 15 Rz. 59; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 75, 77; Schwark/ Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 24; Schwintek, S. 26; Sethe, in: Assmann/ Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 82; Stoffels, ZHR 165 (2001), 380 f.; Stoppel, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 254. Nur i.E. ebenso Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 931, die allerdings von der nicht zutreffenden Prämisse ausgehen, „der Erwerb von Aktien einer Zielgesellschaft nach zuvor durchgeführter Due Diligence-Prüfung“ und der Erlangung von Insiderinformationen sei nach dem neuen Recht unzulässig, weshalb im Anschluss an Erwägungsgrund 29 der Marktmissbrauchsrichtlinie eine teleologische Reduktion zumindest „im Vorfeld öffentlicher Übernahmeangebote“ geboten, aber auch für den außerbörslichen Erwerb von Insiderpapieren „wünschenswert“ sei; der darin zum Ausdruck kommenden Deutung von Erwägungsgrund 29 der Marktmissbrauchsrichtlinie ist allerdings nicht zu folgen, denn diese deckt nicht die Verwendung von Insiderinformationen für Wertpapiertransaktionen (vgl. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 38). A.A. als hier wohl Ziemons, NZG 2004, 539 f., die unzutreffend jede Transaktion in Insiderpapieren unter Verwendung von Insiderinformationen als von § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG erfasst sieht. 2 Ebenso etwa Hasselbach, NZG 2004, 1091; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 76; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 82. 3 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 47; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 38; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 43. Zum Insiderrecht nach dem AnSVG etwa Brandi/ Süßmann, AG 2004, 646; Cahn, Der Konzern 2005, 11; Hasselbach, NZG 2004, 1092; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.142; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 77; Schlitt/ Schäfer, AG 2004, 354; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 24; Schwintek, S. 26; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 82; Stoppel, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 254. 4 Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 46.
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Auch der sukzessive Aufbau einer Beteiligung an einem Unternehmen geschieht in Ausführung eines Beteiligungsentschlusses1. Das wird im Schrifttum aber teilweise für den Fall anders gesehen, dass ein Aktionär eine im Zuge des Beteiligungsaufbaus eintretende Meldepflicht, etwa eine solche nach § 21 WpHG, unterlässt. Dies gestatte ihm, sich unter Fortführung seiner unternehmerischen Planung und unter Missachtung der Chancengleichheit der übrigen Anleger einen missbilligenswerten Vorteil zu verschaffen, der darin begründet sei, dass er durch die unterlassene Meldung einen Kursanstieg vermeide, der aller Voraussicht nach eingetreten wäre, hätte er sich rechtstreu verhalten2. Dem ist i.E. zuzustimmen, allerdings mit der Maßgabe, dass hier nicht der sukzessive Aufbau einer Beteiligung als solcher, sondern das Überschreiten einer meldepflichtigen Beteiligungsschwelle die Insiderinformation darstellt, die ausgenutzt wird3.
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Entsprechendes gilt für den Pakethandel (zum Begriff Rz. 167 f.), der gleichermaßen Bestandteil eines Plans zum sukzessiven Auf- oder Ausbau einer Beteiligung oder die Ausführung dieses Plans selbst sein kann. Der Pakethandel fällt schon deshalb regelmäßig nicht unter das Verbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG, weil die Durchführung eines Erwerbs- oder Veräußerungsvorhabens für den Erwerber oder den Veräußerer keine Verwendung einer Insiderinformation darstellt4. Anders verhält es sich indes, wenn in den Entschluss zum Erwerb oder zur Veräußerung eines Anteilspakets Insiderwissen eingegangen ist. Erlangt eine Partei im Rahmen der weiteren Vertragsverhandlungen Insiderinformationen, so liegt auch dann keine Verwendung einer Insiderinformation vor, wenn das Paketgeschäft in Ausführung der ursprünglich gefassten Entscheidung erfolgt5. In einem solchen Fall ist die Partei mithin nicht verpflichtet, bis zur Veröffentlichung der Insiderinformation von der Transaktion Abstand zu nehmen. Umgekehrt ist es ihr aber verboten, das erlangte Insiderwissen dergestalt zu verwerten, dass weitere Aktien des Emittenten im börslichen oder außerbörslichen Handel hinzugekauft werden6.
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Umstritten war lange Zeit, ob der als „Scalping“ bekannte Fall eines Vorlaufens den Tatbestand des Ausnutzens einer Insidertatsache erfüllt. Der zu beurteilende Vorgang ist dadurch gekennzeichnet, dass an die Stelle der die Möglichkeit des Vorlaufens eröffnenden Kenntnis von der Ordererteilung (Rz. 33) der Erwerb von Wertpapie1 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 47; Assmann, in: Lutter/Scheffler/U. H. Schneider, Handbuch Konzernfinanzierung, Rz. 12.15; Caspari, ZGR 1994, 542; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 47; Hammen, in: BuB, Rz. 7/730; Liebscher, ZIP 2001, 860 f.; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 79; i.E. auch Schacht, S. 69, 166 ff. (beabsichtigter Vorteil wird vom Insiderrecht nicht missbilligt); Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 23. 2 Caspari, ZGR 1994, 542 f. 3 Hopt, ZGR 2002, 351; Hammen, in: BuB, Rz. 7/730; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 81; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 24. 4 Allgemein schon oben Rz. 31 und 35. Zum Pakethandel Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 47; Assmann, AG 1994, 252 f.; Assmann, in: Lutter/Scheffler/U. H. Schneider, Handbuch Konzernfinanzierung, Rz. 12.15; BAWe/Deutsche Börse, S. 20; Cahn, Der Konzern 2005, 9; Hammen, in: BuB, Rz. 7/729; Hopt, ZHR 159 (1995), 155; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 47; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 16.165; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 71; Schmidt-Diemitz, DB 1996, 1809; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 25. 5 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 47. S. auch oben Rz. 45. Weiter etwa Assmann, WM 1996, 1344 f.; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 119; Schwark/Kruse, in: Schwark/ Zimmer, § 14 WpHG Rz. 27. 6 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 47; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 38.
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ren in der Absicht tritt, sie anschließend einem anderen zum Erwerb zu empfehlen, um sie dann bei infolge der Empfehlung steigendem Kurs wieder zu verkaufen1. Da der Erwerb der fraglichen Wertpapiere unter Berücksichtigung der bevorstehenden Empfehlung lediglich als Umsetzung des diesbezüglichen Entschlusses des Handelnden betrachtet wurde, war zunächst die Meinung vorherrschend, der fragliche Vorgang unterfalle nicht dem Erwerbs- und Veräußerungsverbot (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F.)2. Gegen diese Ansicht wurde sodann eingewandt, sie übersehe, dass zwischen dem Entschluss, die Papiere zu kaufen, und dem Entschluss, sie nach deren Ankauf später zu empfehlen, zu unterscheiden sei: In Frage stehe nicht etwa ein in einzelnen Stufen zu verwirklichender Gesamtplan, wie der Aufbau einer bestimmten Beteiligung. Vielmehr mache sich beim „Scalping“ der Handelnde als Wertpapierkäufer und -verkäufer (d.h. als aktiver Marktteilnehmer) eine „Insidertatsache“ zunutze, die er zuvor in der hiervon zu trennenden Rolle eines Empfehlenden (d.h. in der Rolle eines bloßen Marktintermediärs) geschaffen habe. „Scalping“ sei deshalb als Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG (a.F.) anzusehen3. Die instanzgerichtliche Rechtsprechung ist dieser Auffassung weitgehend gefolgt4 und hat sich damit zugleich gegen die nach wie vor beachtliche Zahl an Stimmen gewandt, die „Scalping“ nicht als Insiderstraftat betrachten wollten, weil mit diesem Verhalten keine Insiderinformation ausgenutzt wird5. In seinem Urteil vom 6.11.2003 hat der BGH sodann entschieden, „Scalping“ sei 49 „kein Insidergeschäft, sondern eine Kurs- und Marktpreismanipulation i.S. von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG“6. Zur Begründung führt der BGH aus, die Annahme, beim „Scalping“ sei „das Wissen des Täters, dass er die selbst erworbenen Aktien anschließend empfehle, eine Insidertatsache“, trage dem europarechtlichen Hintergrund der Insidervorschriften des WpHG nicht hinreichend Rechnung. Der Wortlaut der Insiderrichtlinie von 1989, der nicht von einer „Insidertatsache“, sondern von „Insiderinformation“ spreche, und darunter nur „präzise Informationen“ fasse, lasse es nicht zu, selbst geschaffene innere Tatsachen als Information zu betrachten, „weil eine ‚Information‘ regelmäßig einen Drittbezug aufweise“ und es schon der Sprachgebrauch ausschließe, dass eine Person sich über einen von ihr selbst gefassten Gedanken informiere7. Die in dieser Argumentation implizit zum Ausdruck kommende Annah1 So die Umschreibung in BGH v. 6.11.2003 – 1 StR 24/03, NJW 2004, 302 (Ls. 1) (303). 2 1. Aufl. des Kommentars Rz. 34; Hopt, in: FS Heinsius, S. 295, noch auf der Grundlage der EG-Insiderrichtlinie und unter Hinweis auf deren Erwägungsgrund 11; Becker, S. 53 f. 3 Assmann, WM 1996, 1345 f.; Cahn, ZHR 162 (1998), 20 f.; J. Hartmann, S. 237 f.; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2001, § 107 Rz. 21, 92; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 16.163; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, 1. Aufl. 2002, Rz. 10.51; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 160 f.; Uwe H. Schneider/Burgard, ZIP 1999, 381 ff.; Ziouvas, Anm. zu LG Stuttgart v. 30.8.2002 – 6 KLs 150 Js 77452/00, EWiR 2/2003, 85 = § 13 WpHG 1/03; i.E. auch schon Siebold, S. 120 f. 4 LG Frankfurt v. 9.11.1999 – 5/2 KLs 92 Js 23140.2/98 (P 2/98), NJW 2000, 301 = AG 2000, 187; LG Stuttgart v. 30.8.2002 – 6 KLs 150 Js 77452/00, ZIP 2003, 259. 5 Eichelberger, WM 2003, 2121 (2122 ff.); Lenenbach, ZIP 2003, 243; Petersen, wistra 1999, 329 ff.; Schäfer, in: Schäfer, § 14 WpHG Rz. 76 (vgl. auch Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 13 WpHG Rz. 19, 22); Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 33; Schwintowski/Schäfer, § 12 Rz. 54; Soesters, S. 180 ff., 184 (kein Insiderverstoß, solange der Transaktionsentschluss des Betroffenen allein auf der Absicht beruht, die entsprechenden Wertpapiere später zu empfehlen); Volk, BB 1999, 66; Volk, ZIP 1999, 788 f.; Weber, NZG 2000, 124 f.; Weber, NJW 2000, 562. 6 BGH v. 6.11.2003 – 1 StR 24/03, NJW 2004, 302 (Ls. 1) (303 f.) = AG 2004, 144. 7 BGH v. 6.11.2003 – 1 StR 24/03, NJW 2004, 302 (303) = AG 2004, 144. Des Weiteren führt der BGH (ebd. S. 303 f.) systematische Überlegungen an, die allerdings nicht zwingend gegen eine Behandlung des „Scalping“ (auch) als Insidertat sprechen. Der Entscheidung zu-
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me, die h.M. und bisherige Rechtsprechung beruhe auf mangelnder richtlinienkonformer Auslegung des Begriffs der Insidertatsache, musste ebenso überraschen wie das im Wege der petitio principii herbei gezauberte Ergebnis, von einer Information könne man nur dann reden, wenn sie einen „Drittbezug“ aufweise. Zur Kritik dieser Annahme s. schon § 13 Rz. 10. Immerhin führte die insiderrechtliche Beurteilung des „Scalping“ nicht zur Sanktionsfreiheit dieses das Vertrauen in die Integrität der Kapitalmärkte zerstörenden Verhaltens, sondern wurde vom BGH als Kurs- und Marktpreismanipulation (i.S. von § 20a WpHG) qualifiziert. 2007 hat der EuGH mit der Georgakis-Entscheidung1 eine neuerliche Richtungsänderung herbeigeführt und die Ansicht bestätigt, von einer Person selbst geschaffene „innere Tatsachen“ könnten auch für diese Insiderinformationen darstellen (s. schon § 13 Rz. 10). Das gelte umso mehr, wenn die fragliche Person an einer gemeinschaftlichen Entscheidung beteiligt war2. Können Personen damit in Bezug auf ihr Vorhaben über Insiderwissen verfügen, so sind sie dadurch allerdings nicht gehindert, ihren Plan wie vorgesehen auszuführen, denn nach nahezu einhelliger Ansicht stellt die Ausführung eines Vorhabens keine Verwertung einer Insiderinformation dar, weil es an der Ursächlichkeit der Insiderinformation für das Handeln des Betreffenden fehlt (Rz. 25 ff., § 13 Rz. 10). 50
Maßnahmen zur Stabilisierung des Preises von Finanzinstrumenten (auch Kurspflege oder Kursstabilisierung) sind gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 WpHG von dem Insiderhandelsverbot des § 14 Abs. 1 WpHG ausgenommen, wenn sie nach Maßgabe der Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 der Kommission vom 22.12.2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates – Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen3 erfolgen, doch ist der sich aus Art. 8–10 der Durchführungsverordnung ergebende Anwendungsbereich der Bereichsausnahme auf Kursstabilisierungsmaßnahmen innerhalb von 30 Tagen ab Aufnahme der Notierung (bei Erstplatzierung) bzw. ab der Zuteilung der Wertpapiere (bei einer Sekundärplatzierung) beschränkt (vgl. unten Rz. 212 f., 222 ff.). Kursstabilisierungsmaßnahmen, die von der engen Bereichsausnahme des § 14 Abs. 2 Satz 1 WpHG nicht erfasst werden, unterliegen damit, wie bisher, den Insiderhandelsverboten des § 14 Abs. 1 WpHG.
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Sofern Kurspflegemaßnahmen durch die Abweichung des Markt- oder Börsenpreises von Wertpapieren von einem bestimmten Preis oder Preiskorridor veranlasst sind und auf der Ausführung einer diesbezüglichen unternehmerischen Entscheidung des Emittenten beruhen, stellen sie – gleich ob sie vom Emittenten selbst oder von einem mit dieser Aufgabe betrauten Dritten durchgeführt werden – keine Verwendung einer Insiderinformation dar4; nach anderer Begründung fehlt es hier bereits an einer
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stimmend etwa Ekkenga, ZIP 2004, 782; Hammen, in: BuB, Rz. 7/728; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 78; Schmitz, JZ 2004, 526; Vogel, NStZ 2004, 254; auch Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 13 WpHG Rz. 16, § 14 WpHG Rz. 33. Kritisch Schröder, in: Achenbach/Ransiek, X 2 Rz. 132. EuGH v. 10.5.2007 – Rs C-391/04 („Georgakis“), AG 2007, 542. EuGH v. 10.5.2007 – Rs C-391/04 („Georgakis“), AG 2007, 542 Rz. 33, 35. ABl. EU Nr. L 336 v. 23.12.2003, S. 33. Ebenso Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 47 und Erwägungsgrund 12 der EG-Insiderrichtlinie; Assmann, AG 1994, 246; Assmann, ZGR 1994, 518; Assmann, WM 1996, 1344 f.; Bingel, S. 210 ff.; Bruchner/Pospischil, in: Lutter/Scheffler/U. H. Schneider, Handbuch Konzernfinanzierung, Rz. 11.55; Claussen, DB 1994, 31; Grundmann, in: BankrechtsHandbuch, § 112 Rz. 30; J. Hartmann, S. 236; Heldmann, ZgKW 1992, 483; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 140; Hopt, ZGR 1991, 46; Hopt, in: FS Heinsius, S. 290 f.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 16.172; Meißner, S. 155 ff., 157; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 27; Schäfer,
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Insiderinformation1. An diesem Befund ändert sich, entgegen mancher im Schrifttum geäußerten Zweifel2, auch dann nichts, wenn die Maßnahmen nicht nur der Kursglättung, sondern der Kurspflege „gegen den Markttrend“ dienen: Ganz abgesehen von den Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Begriffs des „Markttrends“3, sind die einschlägigen Maßnahmen nach wie vor von der eigenen Entscheidung bestimmt, Abweichungen der Kursentwicklung von festgelegten Zielgrößen auszugleichen4. Das schließt Bedenken gegen die Zulässigkeit von Kurspflegemaßnahmen, namentlich solcher „gegen den Markttrend“, unter gesellschafts- und börsen(straf)rechtlichen Gesichtspunkten5 nicht aus. Auch Änderungen in der Kurspflegepolitik sind eine selbst geschaffene Insiderinformationen, deren Ausführung grundsätzlich nicht gegen das Insiderverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG verstößt (zu möglichen Insidergeschäften in diesem Zusammenhang s. auch Rz. 52). Außer Frage steht auch, dass nicht alle Maßnahmen, die als Kurspflegemaßnahmen 52 deklariert werden, per se insiderrechtlich unbedenklich sind. So kommt etwa die Verwendung einer Insiderinformation (für sich oder andere) für den Fall in Betracht, dass der Entscheidung für Kurspflegemaßnahmen oder der Übernahme einer diesbezüglichen Verpflichtung durch Dritte die Kenntnis einer Insiderinformation (wie etwa eine bevorstehende Kapitalerhöhung oder ein geplanter Zusammenschluss) zu Grunde liegt6. Entsprechendes gilt für einzelne, von Insiderwissen veranlasste Maßnahmen im Rahmen einer allgemeinen Entscheidung zur Kurspflege. Auch wenn die Änderung der Kurspflegepolitik als solche insiderrechtlich unbedenklich ist (Rz. 51 a.E.), sind doch damit in Zusammenhang stehende Verhaltensweisen denkbar, die den Tatbestand der Verwendung einer Insiderinformation erfüllen. Das ist etwa für den Fall denkbar, dass sich das Unternehmen, welches Kurspflege „gegen den Markttrend“ betreibt, vor der Aufgabe seiner diesbezüglichen Maßnahmen in Anbetracht des zu erwartenden Kurseinbruchs und zur Vermeidung diesbezüglicher Verluste von seinen Kurspflegebeständen trennt7 (das entspricht dem Szenario, welches Caspari zu Unrecht veranlasst, die Kurspflege „gegen den Markttrend“ generell als insiderrechtlich unzulässig anzusehen8). Der Konstellation beim „Scalping“ (Rz. 48 f.) ver-
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WM 1999, 1350; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 83; Soesters, S. 157 f., 174 f. So in Bezug auf den Begriff der Insidertatsache in § 14 Abs. 1, 2 WpHG a.F. Weber, NZG 2000, 122. Caspari, ZGR 1994, 544; Grundmann, in: Bankrechts-Handbuch, § 112 Rz. 30; Hess/Krämer, in: FS Döser, S. 190; zur Megede, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 2. Aufl. 1997, § 14 Rz. 48. Dazu näher Bruchner/Pospischil, in: Lutter/Scheffler/U. H. Schneider, Handbuch Konzernfinanzierung, Rz. 11.56 ff. Ebenso Bingel, S. 215 (keine Verwendung einer Insiderinformation); Bruchner/Pospischil, in: Lutter/Scheffler/U. H. Schneider, Handbuch Konzernfinanzierung, Rz. 11.59; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 118; Schäfer, WM 1999, 1350; Schäfer, in: Schäfer, § 14 WpHG Rz. 69. Hinw. bei Bruchner/Pospischil, in: Lutter/Scheffler/U. H. Schneider, Handbuch Konzernfinanzierung, Rz. 11.60, im Hinblick auf § 88 BörsG a.F.; Lutter/Gehling, WuB II A. § 71a AktG 1.92; Hüffer, § 71 AktG Rz. 10. Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 47; Assmann, WM 1996, 1344 (1345); Bruchner/ Pospischil, in: Lutter/Scheffler/U. H. Schneider, Handbuch Konzernfinanzierung, Rz. 11.55: ungerechtfertigter Sondervorteil für die Aktionäre der betreffenden Gesellschaft; Schwark/ Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 27. Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 66; Lücker, S. 100; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 122. Caspari, ZGR 1994, 544. Gegen diese Ansicht auch Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 140.
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gleichbar, nutzt das betreffende Unternehmen hierbei die in seiner Rolle als kurspflegendes Unternehmen getroffene Entscheidung aus, um sich als Marktteilnehmer im Hinblick auf drohende Verluste so weit wie möglich schadlos zu halten und gegenüber dem Publikum einen Sondervorteil zu verschaffen1. Das schließt die Möglichkeit von Kurspflegemaßnahmen keineswegs von vornherein aus, weil es das betreffende Unternehmen selbst in der Hand hat, die Kursrelevanz seiner Entscheidung über die Aufgabe der Kurspflegemaßnahmen durch eine entsprechende Ausgestaltung dieses Entschlusses (etwa im Hinblick auf einen lediglich sukzessiven Verkauf der Kurspflegebestände) zu beseitigen. Schließlich ist des Zusammenhangs halber auch darauf hinzuweisen, dass Dritte, die um das nicht öffentlich bekannte Vorhaben von Kurspflegemaßnahmen wissen (§ 13 Rz. 20) oder Kenntnis von der nicht öffentlich bekannten Durchführung solcher Maßnahmen haben, über eine Insiderinformation verfügen, vorausgesetzt die Information ist kurserheblich2. 53
Insiderwissen wird des Weiteren dann nicht verwandt, wenn jemand aufgrund der Eigenart seiner beruflichen Tätigkeit Insiderinformationen erlangt und diese seinen beruflichen Pflichten entsprechend nutzt3. Dazu gehören etwa die Geschäfte der Kursmakler, Freimakler oder sog. Marketmaker4. Kreditinstitute sind durch das Verbot der Verwendung von Insiderinformation nicht gehindert, Kundenaufträge im Wertpapiergeschäft durchzuführen, solange sie dabei entsprechend dem üblichen Geschäftsgang verfahren und nicht eventuell bei ihnen vorhandenes Insiderwissen in die Auftragsausführung einfließen lassen5. Diesen – wie auch allen anderen Unternehmen oder Personen, die im Rahmen ihrer Tätigkeit mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Insiderinformationen erlangen – ist eine sorgfältige Dokumentation der rechtskonformen Berufsausübung anzuraten. Namentlich Angestellte von Kreditinstituten, die über Insiderinformationen verfügen, verwenden diese nicht, wenn sie weisungsgemäß eine eingehende und von ihnen nicht beeinflusste Kundenorder in Bezug auf die von ihrem Insiderwissen betroffenen Papiere durchführen6.
1 I.E. ebenso Hess/Krämer, in: FS Döser, S. 190; wohl auch Schäfer, WM 1999, 1351, der lediglich auf die geringe Bedeutung des Vorgangs hinweist. 2 Assmann, WM 1996, 1345. 3 Etwa Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 47; Assmann, WM 1996, 1346; Dreyling/ Schäfer, Rz. 169; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 139; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 54; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 21. 4 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 47; Assmann, AG 1994, 246; Assmann, ZGR 1994, 518; ausführlich Caspari, ZGR 1994, 543 f.; Claussen, Insiderhandelsverbot, Rz. 81; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 54; Krauel, S. 251; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 16.171; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 139 f.; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 54; Weber, BB 1995, 162; auch Erwägungsgrund 12 der EG-Insiderrichtlinie und, auf diese bezogen, Hopt, ZGR 1991, 46, sowie Hopt, in: FS Heinsius, S. 290 f. 5 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 47, Auch EuGH v. 23.12.2009 – Rs C-45/08, AG 2010, 78 = ZIP 2010, 78 (Rz. 58); Hammen, in: BuB, Rz. 7/725; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 137; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 149; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.539; Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 206 ff.; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 84 f. 6 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 47; Assmann, AG 1994, 246; Assmann, WM 1996, 1346; Caspari, ZGR 1994, 543; Cramer, AG 1997, 60; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 51; F. Immenga, ZBB 1995, 204; Krauel, S. 285; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 16.173; Lücker, S. 161; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 145; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 21. S. auch Erwägungsgrund
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§ 14
Verbot von Insidergeschäften
Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass der Kunde eine Order so erteilt, dass dem 54 Kreditinstitut ein Handlungsspielraum eröffnet wird. Das ist etwa dann gegeben, wenn die Order „interessewahrend“ ergeht und der Händler in Gefahr gerät, sein Insiderwissen bei der Erfüllung des Auftrags zur Anwendung zu bringen. Der Händler ist hierbei nicht darauf verwiesen, den Auftrag abzulehnen, sondern kann ihn zur Erfüllung an einen Nichtinsider weiterleiten1. Nimmt er den Auftrag an und fließt Insiderwissen in dessen Durchführung ein, so liegt darin die Verwendung einer Insiderinformation2, welche nicht etwa dadurch ausgeschlossen wird, dass das Vorgehen im Interesse und zum Nutzen des Kunden erfolgt (s. Rz. 107). Rät der Mitarbeiter dem Kunden auf der Grundlage von Insiderwissen von der Durchführung der Order ab, ohne ihm die Insidertatsache mitzuteilen, und wird der Auftrag daraufhin zurückgezogen, so verstoßen die Beteiligten weder gegen das Erwerbs- und Veräußerungsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG noch gegen die Insiderhandelsverbote aus § 14 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 WpHG (s. Rz. 16 f.): Weder kommt es (was für einen Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 3 WpHG unerlässlich wäre) zum Erwerb oder zur Veräußerung eines Wertpapiers, noch basiert das Verhalten des Kunden (was immer er aus dem Rat des Mitarbeiters schließen und worauf auch immer er seinen Entschluss letztlich gründen mag) nicht auf seiner Kenntnis einer präzisen Information, welche ihm vom Mitarbeiter mitgeteilt worden wäre3. Unzweifelhaft kann dem Mitarbeiter eines Kreditinstituts, der weder über eine einschlägige Insiderinformation verfügt noch von dem Umstand weiß, dass die von ihm durchgeführte Kundenorder auf der Grundlage von Insiderinformationen erteilt wurde, nicht vorgeworfen werden, bei der Ausführung der Order eine Insiderinformation verwandt zu haben (zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Durchführung einer Kundenorder, die durch Insiderwissen veranlasst wurde, als Beihilfe zu einer fremden Insidertat zu betrachten ist, s. Rz. 188 ff.). Nicht anders verhält es sich im Hinblick auf einen Bankangestellten, der eine Kundenorder in Kenntnis des Umstands ausführt, dass diese auf Insiderwissen des Ordererteilenden beruht4, doch kommt in diesem Falle Beihilfe (§ 27 StGB) an einer fremden Insidertat in Betracht (s. dazu unten Rz. 188 ff.). Weder das Kreditinstitut noch dessen im Wertpapier-
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12 der Insiderrichtlinie von 1989 (Einl. Rz. 13) und dazu Hopt, ZGR 1991, 46; schon Nr. 1 Ziff. 2 lit. a IHR (s. Vor § 12 Rz. 5) sah für diesen Fall eine ausdrückliche Freistellung vor. Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 47; Assmann, AG 1994, 246; Assmann, WM 1996, 1346; Caspari, ZGR 1994, 543; Cramer, AG 1997, 60; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 138; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 51; Krauel, S. 285; Lücker, S. 161; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 147; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.540; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 54; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 21. Assmann, AG 1994, 246; Assmann, WM 1996, 1346; Caspari, ZGR 1994, 543; Cramer, AG 1997, 60; Hammen, in: BuB, Rz. 7/726, 7/756; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 53; Krauel, S. 285; Lücker, S. 161; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 146; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.540; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 21. Deshalb sind die gegen diese Ansicht gerichteten Ausführungen von Sethe, in: Assmann/ Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 86 (Strafbarkeit des Mitarbeiters), unvertretbar. Wie hier Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.540; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 19; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 148. Assmann, WM 1996, 1346; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 52; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 149.
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§ 14
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geschäft tätige Mitarbeiter sind verpflichtet, Nachforschungen darüber anzustellen, ob ein Kunde über Insiderwissen verfügt, das in seine Order eingeflossen ist1. b) Subjektiver Tatbestand 56
Entgegen der durch das AnSVG (Rz. 1) geänderten früheren Regelung in §§ 14 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 38 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F., welche nur die Vorsatztat erfasste, ist nach der Neuregelung des Insiderrechts durch das AnSVG gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 WpHG sowohl der vorsätzliche als auch der leichtfertige Verstoß gegen das Erwerbsund Veräußerungsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG verboten und strafbar (s. auch § 38 Rz. 5)2. Eine Unterscheidung zwischen vorsätzlichem (s. Rz. 57 ff.) und leichtfertigem (s. Rz. 61 f.) Verhalten ist aber gleichwohl geboten, weil sich der vorsätzliche vom leichtfertigen Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG im Hinblick auf das Strafmaß unterscheidet: der vorsätzliche Verstoß ist gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 1 WpHG mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe, der leichtfertige dagegen gemäß § 38 Abs. 4 WpHG lediglich mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bedroht.
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Soweit es um vorsätzliches Handeln geht, muss sich der Vorsatz auf alle Merkmale des gesetzlichen (objektiven) Tatbestands beziehen. Vorsätzliches Handeln ist gegeben, wenn der Täter weiß, dass es sich bei dem angestrebten Geschäft um eine Transaktion handelt, die Insiderpapiere betrifft, und dass er hierfür eine Insiderinformation i.S. von § 13 WpHG verwendet. Des Weiteren muss er den Veräußerungsbzw. Erwerbsakt wollen3.
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Ausreichend ist bedingter Vorsatz (s. § 38 Rz. 81 f.). Im Hinblick auf § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. war umstritten, ob in Bezug auf die Insiderinformation dolus eventualis genügt4. Das war jedoch im Wesentlichen dem Umstand geschuldet, dass die Vorschrift seinerzeit verlangte, der Täter müsse „unter Ausnutzung“ seines Insiderwissens gehandelt haben. Aus dieser Formulierung und mit Hinweis auf ähnliche Formulierungen in anderen Tatbeständen5 wurde geschlossen, dass dolus eventualis auszuscheiden habe6. Überzeugte diese Auffassung schon seinerzeit nicht (vgl. 3. Aufl. des Kommentars Rz. 18), so ist ihr mit dem Wegfall des subjektiven Tatbestandsmerkmals „unter Ausnutzung“ der Boden entzogen worden7.
1 Assmann, WM 1996, 1347; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 51; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 150. 2 In der Ausklammerung leichter Fahrlässigkeit sieht Cahn, Der Konzern 2005, 12, ein Defizit bei der Umsetzung von Art. 4 der Marktmissbrauchsrichtlinie. 3 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 42; Hammen, in: BuB, Rz. 7/732d; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 172; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.544. 4 Dafür die h.M., etwa: 3. Aufl. des Kommentars Rz. 18; Hilgendorf, in: Park (Hrsg.), Kapitalmarktstrafrecht, 1. Aufl. 2004, §§ 38 I Nr. 1–3, 12, 13, 14 WpHG Rz. 114; Kohlmann, in: FS Vieregge, S. 451; Loesche, S. 227 f., 232. 5 Vgl. Heine, in: Schönke/Schröder, § 283c StGB Rz. 16; Tiedemann, in: Leipziger Kommentar StGB, § 283c StGB Rz. 27. 6 Schröder, NJW 1994, 2880. 7 Hammen, in: BuB, Rz. 7/732d; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 151; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.143; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 173 f.; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 36.
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Verbot von Insidergeschäften
Vorsatz setzt zunächst voraus, dass der Täter weiß, dass diese Information noch 59 nicht öffentlich bekannt ist1, wobei zur Frage der öffentlichen Bekanntheit die in § 13 Rz. 31 ff. dargelegten Grundsätze heranzuziehen sind. Es reicht daher nicht aus, wenn der Täter glaubt, die Information sei schon bereichsöffentlich, er aber positiv weiß, dass sein Vertragspartner – etwa bei einem Paketgeschäft (s. Rz. 28) – die Information nicht kennt2. Wer infolge der Annahme von Tatsachen, aufgrund derer ein Umstand als öffentlich bekannt anzusehen wäre (s. § 13 Rz. 31 ff.), fälschlich davon ausgeht oder ernsthaft darauf vertraut, ein Umstand sei bereits öffentlich bekannt, irrt über das Tatbestandsmerkmal Insiderinformation (s. § 38 Rz. 83). Überdies muss der Täter in der Vorstellung handeln, die Information sei geeignet, 60 den Börsenkurs erheblich zu beeinflussen3. Dies dürfte in der Praxis in allen Fällen, in denen die Eignung nicht auf der Hand liegt, zu erheblichen Nachweisschwierigkeiten führen. Ist der Täter etwa überzeugt davon, dass eine Information nur ein geringes Kursbeeinflussungspotenzial besitzt, und deckt er sich deswegen mit Call-Optionen größeren Umfangs ein, so muss er straflos bleiben, wenn – entgegen seinen Erwartungen – die Preise sprunghaft ansteigen, vorausgesetzt es lag nicht im Hinblick auf die Call-Optionen als Insiderpapiere eine kurserhebliche Information vor. Da die Geeignetheit einer Information zur erheblichen Kursbeeinflussung auf der Grundlage objektiver Umstände zu bestimmen ist (s. § 13 Rz. 54 ff.), ist es allerdings ausreichend, wenn dem Täter nachgewiesen werden kann, dass er die Umstände erkannt hat, welche die Information kurserheblich und damit zur Insiderinformation machen, und er ein Preisbeeinflussungspotenzial ernsthaft für möglich hält4. Nicht vorsätzlich handelt auch, wer aufgrund einer bestimmten Information Ge- 61 schäfte über Insiderpapiere tätigt, ohne zu wissen, dass diese eine Insiderinformation darstellt. Jedoch verstößt die Person, die leichtfertig nicht erkannte, dass es sich bei der fraglichen Information um eine Insiderinformation handelt, strafbar gegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG (§ 38 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 WpHG). An der Geltung dieser Grundsätze hat auch das Urteil des EuGH vom 23.12.2009 61a („Spector Photo Group“)5 nichts zu ändern vermocht. In dieser Entscheidung gelangte das Gericht – über die Auslegung des Merkmals der Nutzung einer Insiderinformation nach Art. 2 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie (s. oben Rz. 1), dem im deutschen Recht dasjenige der Verwendung entspricht – zu dem Ergebnis, es sei zu vermuten, dass der Insidergeschäfte tätigende Primärinsider mit Vorsatz gehandelt habe (EuGH Ls. 1 und Rz. 38, 54). An dem nach deutschem Insiderrecht unverzichtbaren Vorsatzerfordernis (§ 39 Abs. 1 WpHG i.V.m. § 15 StGB) selbst wird mithin nicht gerüttelt6. Die Vorsatzvermutung soll der Betreffende durch den Nachweis wi1 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 42; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 150. 2 Ebenso Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 150. 3 Zum Vorsatzerfordernis speziell zu diesem Merkmal Loesche, S. 224 ff.; ebenso Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 151. 4 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 42: „Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Täter das Preisbeeinflussungspotenzial präzise einschätzen kann“; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 151; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 177; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 87. 5 EuGH v. 23.12.2009 – Rs C-45/08, AG 2010, 78 = ZIP 2010, 78. 6 Ebenso etwa Bonin/Glos, WM 2010, 1821. Auf den Widerspruch, dass Vorsatz kein Tatbestandselement sein soll, aber durch die Formulierung einer Vermutung für den Vorsatz gerade als Tatbestandselement bestätigt wird, weisen vor allem hin: Bussian, WM 2011, 11 mit Fn. 52; Forst, [Anmerkung zu EuGH v. 23.12.2009 – Rs C-45/08] EWiR 2010, 129
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derlegen können, seine Geschäfte stellten keine der Zielsetzung des Gesetzes zuwiderlaufende Nutzung der Insiderinformation dar (EuGH Rz. 56 ff., insbes. Rz. 61). Ungeachtet der unzähligen Einwände, die gegen dieses Urteil vorgebracht wurden1, sind die Ausführungen des Gerichts zum subjektiven Tatbestand des Vorsatzes für das geltende deutsche Recht schon deshalb unbeachtlich, weil die vorsätzliche Tat eines Primärinsiders, auf dessen Insidergeschäfte sich die Vorsatzvermutung beschränkt, eine Straftat darstellt und eine Vorsatzvermutung mit dem deutschen Strafrecht und Strafverfahrensrecht nicht vereinbar ist2. Den Überlegungen des EuGH für eine effektive Umsetzung des Insiderhandelsverbots wird im deutschen Recht zudem bereits dadurch Rechnung getragen, dass auch ein nur leichtfertiger Verstoß von Primär- und Sekundärinsidern gegen das Erwerbs- und Veräußerungsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG strafbar ist (§ 38 Abs. 4 WpHG). Im Übrigen gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung, welche dem Richter auch die Heranziehung von Beweisvermutungen erlaubt. Doch selbst wenn man die Vorsatzvermutung für Insidergeschäfte von Primärinsidern (ungeachtet aller dagegen sprechenden Gründe) als eine reine Beweisvermutung ansehen würde3, könnte sie den Richter doch nicht binden4. Der Vorsatzvermutung des EuGH fehlt mithin im deutschen Recht, das vorsätzliche Insidergeschäfte als Straftat sanktioniert, der Anwendungsbereich, weshalb es schon von daher müßig ist, darüber nachzudenken, ob die Vorsatzvermutung
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(130); Hammen, [Anmerkung zu EuGH v. 23.12.2009 – Rs C-45/08] WuB I G 7. – 1.10 = 2010, 203 (207); Nietsch, ZHR 174 (2010), 564. Doch lässt sich dieser Widerspruch mit dem Hinweis aufheben, dass es dem EuGH lediglich darum ging, aus dem Vorliegen rein objektiver Tatbestandsmerkmale (Insiderwissen, Primärinsider, Insidergeschäfte) auf das subjektive des Vorsatzes zu schließen. Hauptkritikpunkte sind (neben den oben Rz. 36 und noch nachfolgend in dieser Rz. angeführten Monita): (1) Der EuGH hat seine Kompetenz überschritten, weil er zu Straf- und Strafverfahrensrechtsfragen urteilt: Nietsch, ZHR 174 (2010), 579; Schulz, ZIP 2010, 610 m.w.N. Nach a.A. bezieht sich das Urteil nur auf Verwaltungsverfahren: Langenbucher/ Brenner/Gellings, BKR 2010, 135; Nietsch, ZHR 174 (2010), 578; Rolshoven/Renz/Hense, [Anmerkung zu EuGH v. 23.12.2009 – Rs C-45/08] BKR 2010, 76 f. (2) Die Erfüllung des objektiven Tatbestands lässt keinerlei Vermutung auf den subjektiven Tatbestand und die Willensrichtung des Handelnden zu: Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 16a. (3) Die Auslegung des Begriffs „Nutzung“ und die Vorsatzvermutung verstoßen – entgegen den Ausführungen des EuGH – gegen den (in Art. 6 Abs. 2 EMRK anerkannten) Grundsatz der Unschuldsvermutung: Flick/Lorenz, RIW 2010, 383; Gehrmann, ZBB 2010, 51; Opitz, [Anmerkung zu EuGH v. 23.12.2009 – Rs C-45/08] BKR 2010, 71 (73); Schwark/ Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 16a; Widder, WM 2010, 1886 (auch Verstoß gegen Rechtsstaatsprinzip); Widder/Bedkowski, GWR 2010, 35. A.A. Ransiek, wistra 2011, 1 f.; wohl auch Forst, [Anmerkung zu EuGH v. 23.12.2009 – Rs C-45/08] EWiR 2010, 129 (130 zu 3.). (4) Die Vermutungsbasis trägt die abgeleitete Vermutung nicht: Gehrmann, ZBB 2010, 50 f. (5) Die effektive Rechtsverfolgung wird über Rechtsstaatlichkeitsaspekte gesetzt: Gehrmann, ZBB 2010, 49; Ransiek, wistra 2011, 1 f. (6) Viel zu wenig Aufmerksamkeit wird im Übrigen auf die Fehlerhaftigkeit der Richtlinienauslegung durch die Generalanwältin und den EuGH gerichtet. Ansätze bei Schulz, ZIP 2010, 611 f. Ebenso, überwiegend unter Berufung auf den Grundsatz der Unschuldsvermutung, Opitz, [Anmerkung zu EuGH v. 23.12.2009 – Rs C-45/08] BKR 2010, 71; Schulz, ZIP 2010, 611; Widder, WM 2010, 1886; Widder/Bedkowski, GWR 2010, 35. Weniger eindeutig Cascante/ Bingel, NZG 2010, 163. Ein Verstoß gegen die Unschuldsvermutung lehnen ab Ransiek, wistra 2011, 1 ff.; Flick/Lorenz, RIW 2010, 384. So wohl Flick/Lorenz, RIW 2010, 384 (Erfahrungssatz im Rahmen der Beweiswürdigung). Ebenso Gehrmann, ZBB 2010, 51 m.w.N. zur Rechtsprechung. Vgl. zur Unterscheidung von Vermutungen für die Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals und freier Beweiswürdigung auch Nietsch, ZHR 174 (2010), 574 f.
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zumindest im „Verwaltungsverfahren“ Anwendung finden könnte1. Soweit dies zumindest grundsätzlich bejaht wird, wird übersehen, dass der EuGH selbst einer gespaltenen, nach den verwaltungs-, ordnungswidrigkeits-, straf- und zivilrechtlichen Folgen eines Verstoßes gegen ein Insiderhandelsverbot differenzierenden Auslegung von Tatbestandsmerkmalen eines Insiderhandelsverbots entgegengetreten ist2. Bei alledem braucht der Gesetzgeber auch nicht tätig zu werden3, um das Urteil des EuGH durch Gesetzesänderung umzusetzen, denn an der angemessenen Umsetzung der Richtlinienvorgaben durch die Insiderregelung des deutschen Rechts (auch unter Heranziehung des Urteils) bestehen keine Zweifel4. Leichtfertig handelt, wer die gebotene Sorgfalt in einem ungewöhnlich hohen Maße verletzt5 (näher hierzu § 38 Rz. 44 ff.). Das ist bspw. der Fall, wenn ein Vorstand Geschäfte in Insiderpapieren tätigt und dabei davon ausgeht, die Insiderinformation sei bereits, einem diesbezüglichen Auftrag an eine Agentur entsprechend, veröffentlicht worden, dies jedoch nicht angemessen überprüft, obwohl ihm bekannt ist, dass es z.B. regelmäßig zu Verzögerungen bei der Veröffentlichung kommt6.
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2. Vorfeldtatbestände (§ 14 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 WpHG) Bei den in § 14 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 WpHG geregelten Weitergabe- und Empfehlungs- 63 bzw. Verleitungsverboten handelt es sich um sog. Vorfeldtatbestände, d.h. um Vorbereitungshandlungen zu Transaktionen mit Insiderpapieren als Geschäften, durch deren Vornahme Insiderwissen überhaupt erst verwertet werden kann und das Vertrauen der Marktteilnehmer in die Integrität der Kapitalmärkte verletzt wird. Vor allem das Weitergabeverbot mitsamt seiner Strafbewehrung ist unter rechtspolitischen Gesichtspunkten kritisiert worden7, doch verhindert es die Umgehung des Verwertungsverbots8, da ein Erwerbs- und Veräußerungsgeschäft unter Verwendung einer Insiderinformation umso schwerer zu ermitteln ist, je weiter die Person, die es vornimmt, von der Quelle der Information und den Primärinsidern entfernt ist. Im Gegensatz zu dem durch das AnSVG geänderten Recht treffen die in § 14 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 WpHG enthaltenen Verbote alle Insider und nicht nur Primärinsider. Differenzierungen zwischen Primär- und Sekundärinsider ergeben sich nur im Hinblick auf die straf- bzw. bußgeldrechtlichen Sanktionen eines Verstoßes gegen die Verbote des
1 So aber etwa Langenbucher/Brenner/Gellings, BKR 2010, 135; Nietsch, ZHR 174 (2010), 578; Rolshoven/Renz/Hense, [Anmerkung zu EuGH v. 23.12.2009 – Rs C-45/08] BKR 2010, 76 f. Dabei wird übersehen, dass Vermutungslösungen der fraglichen Art auch im Ordnungswidrigkeitenrecht ausscheiden. 2 EuGH v. 22.11.2005 – Rs C-384/02 („Grøngaard und Bang“), WM 2006, 612 (Rz. 28). S. auch Einl. Rz. 73. 3 Ebenso Nikoleyczik/Gubitz, GWR 2010, 159 zu III. Handlungsbedarf sehen dagegen etwa Langenbucher/Brenner/Gellings, BKR 2010, 134. Im Hinblick auf die Anführung einiger Regelbeispiele für die Widerlegung der Vermutung auch: Bonin/Glos, WM 2010, 1822; Bussian, WM 2011, 11 f., 13; Forst, [Anmerkung zu EuGH v. 23.12.2009 – Rs C-45/08] EWiR 2010, 129 (130). 4 Vgl. im Zusammenhang mit der „Spector“-Entscheidung Schulz, ZIP 2010, 612; auch Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.141. 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 44. Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 153; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 357. 6 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 44. Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 153; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.143. 7 Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 39. 8 Sethe, ZBB 2006, 244 ff.
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Verbot von Insidergeschäften
§ 14 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 WpHG nach Maßgabe der Blanketttatbestände der §§ 38 Abs. 1, 39 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 WpHG (s. Rz. 2 und Vor § 12 Rz. 25 ff.). a) Weitergabeverbot (§ 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG) 64
§ 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG verbietet es, einem anderen eine Insiderinformation unbefugt mitzuteilen oder zugänglich zu machen. Erfasst wird mithin nicht jede Weitergabe (Rz. 65) einer Insiderinformation, sondern nur die unbefugte. Die Vorschrift ist ihrem Wortlaut nach seit Erlass des WpHG unverändert geblieben. Mit ihr wurde ursprünglich Art. 3 lit. a der Insiderrichtlinie von 1989 (Einl. Rz. 13) und wird nunmehr Art. 3 lit. a der Marktmissbrauchsrichtlinie in nationales Recht umgesetzt. Neu ist allerdings seit der Änderung durch das AnSVG, dass sich das Verbot nunmehr aufgrund anderweitiger Änderungen in § 14 WpHG (s. Rz. 2) an alle Personen richtet, die Kenntnis von einer Insiderinformation haben. aa) Objektiver Tatbestand (1) Mitteilung und Zugänglichmachung
65
Den Gegenstand der Mitteilung bildet die Insiderinformation. Die Mitteilung einer Insiderinformation ist gegeben, wenn die Information willentlich oder unter grober Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt (Rz. 114 ff.) an einen anderen (Rz. 67) weitergereicht wird; deshalb ist im Folgenden, synonym zum Begriff der Mitteilung, auch von Weitergabe die Rede1. Die Art (etwa ausdrücklich oder konkludent) und das Medium der Informationsweitergabe (etwa schriftlich oder mündlich) spielen keine Rolle2. Dementsprechend ist es unerheblich, ob die Information vom Informierenden (Absender) unmittelbar oder mittelbar (etwa über eine andere Person) an einen anderen gelangt, sofern dies seitens des Informierenden intendiert ist3. Unerheblich ist auch, ob die Information als Insiderinformation kenntlich gemacht und von dem anderen als solche erkannt wurde4.
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Eine Insidertatsache wird einem anderen zugänglich gemacht, wenn der Insider, statt die Insiderinformation als solche an einen anderen weiterzugeben, lediglich die Voraussetzungen schafft, die einem anderen die Kenntnisnahme der Insiderinformation
1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 41, und schon BAWe/Deutsche Börse, S. 21. 2 Ebenso etwa Hammen, in: BuB, Rz. 7/733; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 153 f.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.153; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 188; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 43; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 19; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.549; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 41; Sethe, ZBB 2006, 246; Soesters, S. 185. 3 Missverständlich deshalb die von BAWe/Deutsche Börse, S. 21, übernommene und als Abgrenzung zum „Zugänglich machen“ gedachte Formulierung in BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 41, Mitteilung bedeute die „unmittelbare Weitergabe“. Wie hier Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.549; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 41; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 93; Sethe, ZBB 2006, 247. 4 Ebenso Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 188, 189; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 43; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 23; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.549; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 44; Sethe, ZBB 2006, 247; Süßmann, AG 1999, 163. A.A. Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 195.
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ermöglichen1. Das kann durch Tun oder Unterlassen2 geschehen. Ersteres ist etwa der Fall, wenn der Insider einem anderen ein Kennwort mitteilt, aufgrund dessen sich dieser Zugang zu elektronisch gespeicherten Informationen verschafft3, oder wenn er einem anderen ein Schriftstück zuleitet, das u.a. auch die Insiderinformation enthält. § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG setzt nicht voraus, dass der andere von der Möglichkeit der Kenntniserlangung weiß oder hierüber instruiert wurde4. Durch ein Unterlassen kann einem Dritten eine Insiderinformation etwa zugänglich gemacht werden, wenn vertrauliche Dokumente unverschlossen weitergeleitet werden. Keinesfalls kommt es darauf an, dass eine andere Person die ihr eröffnete Möglichkeit, von der Insiderinformation Kenntnis zu nehmen, Gebrauch macht5. Auf Seiten desjenigen, der einem anderen eine Insiderinformation zugänglich macht, ist vorsätzliches oder leichtfertiges Handeln erforderlich: In ersterer Hinsicht muss der Insider deshalb entweder wissen, dass der andere sich die Insiderinformation verschaffen wird, oder er muss mit diesem Ablauf rechnen und ihn in Kauf nehmen (Rz. 115); in letzterer Hinsicht ist erforderlich, dass der Insider, als er die Voraussetzungen schuf, die dem anderen die Möglichkeit der Kenntnisnahme eröffneten, die gebotene Sorgfalt in einem ungewöhnlich hohen Maße verletzte (Rz. 116)6. Wenn die Vorschrift verbietet, die Insiderinformation „einem anderen“ mitzuteilen 67 oder zugänglich zu machen, so ist damit jede andere Person als der Absender gemeint. Das muss nicht eine bestimmte Person, sondern können auch mehrere bestimmte Personen sein. Ob darunter aber auch ein unbestimmter Kreis von Personen fällt, wurde teilweise unter Berufung auf den Wortlaut „einem anderen“ bestritten7. Dabei konnte sich diese Auffassung auf Art. 3 lit. a der Insiderrichtlinie von 1989 (Einl. Rz. 13) berufen, welche es den Mitgliedstaaten auferlegte, die Weitergabe von Insiderinformationen „an einen Dritten“ zu untersagen. Die Marktmissbrauchsrichtlinie, nach deren Art. 3 lit. a die Mitgliedstaaten die Weitergabe von Insiderinformationen „an Dritte“ verbieten müssen, gibt solchen Überlegungen keine Stütze mehr8. Die richtlinienkonforme Auslegung des Tatbestandsmerkmals „einem anderen“ verlangt deshalb, hierunter auch eine unbegrenzte Anzahl Dritter zu verstehen, deren Identität und Zahl der Absender nicht zu bestimmen vermag9. Dementsprechend handelt bspw. auch derjenige verbotswidrig, der eine Insiderinformationen enthalten1 BAWe/Deutsche Börse, S. 21; auch Soesters, S. 185. 2 Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 57; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.550. 3 Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 48. 4 Auch Hammen, in: BuB, Rz. 7/734. 5 Hammen, in: BuB, Rz. 7/734; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 43. 6 Das kann unter Umständen auch derjenige sein, der Dokumente offen liegen lässt, obwohl er mit der Kenntnisnahme Dritter in dem Dritten zugänglichen Raum rechnen muss. Es kommt mithin entscheidend darauf an, in welchem Maße mit der Kenntnisnahme Dritter zu rechnen ist; deshalb zu undifferenziert Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 155, der nur den Fall betrachtet, dass der Insider die Dokumente auf seinem Schreibtisch liegen lässt, was wiederum in einem Großraumbüro schon leichtfertig sein kann. Ebenso Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 359; eher wie hier auch Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 178; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.550. 7 Schäfer, in: Schäfer, § 14 WpHG Rz. 16 und weiter in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 19. Eher in diese Richtung auch Schwark, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 14 WpHG Rz. 28. 8 Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 43; i.E. auch Sethe, in: Assmann/ Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 94; Sethe, ZBB 2006, 247. 9 Ebenso Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 15 Rz. 65; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 42.
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de Stellungnahme vorbereitet, die an die Teilnehmer eines Gesprächs mit Analysten ausgegeben werden soll, ohne dass ihm die Zahl oder die Identität der Teilnehmer bekannt wären (s. auch Rz. 104). Umgekehrt kann etwa derjenige, der durch sorglosen Umgang mit Insiderinformationen bewirkt, dass Dritte von diesen Kenntnis erlangen, nicht geltend machen, die Zahl und die Identität der potenziellen Informationsempfänger habe im Zeitpunkt seines Verhaltens nicht festgestanden. Allerdings ist ein solches sorgfaltswidriges Verhalten nur dann strafbar, wenn der subjektive Tatbestand des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG gegeben ist (s. Rz. 66 und 114 ff.). 68
Von der Weitergabe einer Insiderinformation ist auch für den Fall auszugehen, dass eine Person Dritten einen von ihr gefassten Entschluss oder ein Vorhaben mitteilt, welche sie selbst ohne Verstoß gegen das Verbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG, d.h. ohne Verwendung einer Insiderinformation, in die Tat umsetzen dürfte (s. Rz. 31). Deshalb ist es als Weitergabe einer Insiderinformation zu betrachten, wenn der Bieter seinen Entschluss, ein Übernahmeangebot abzugeben, einem Dritten mitteilt, vorausgesetzt, die Umsetzung des Entschlusses ist hinreichend wahrscheinlich und das Wissen um diesen Entschluss ist kurserheblich (§ 13 Abs. 1 WpHG; s. § 13 Rz. 8, 23 ff.). Schon die Entscheidung des 1. Strafrechtssenats des BGH vom 6.11.20031, eine Insiderinformation setze einen „Drittbezug“ voraus, woran es bei einer von einer Person selbst geschaffenen inneren Tatsache fehle (vgl. § 13 Rz. 10 und oben Rz. 49), stand dem nicht entgegen2. Zwar konnte man im Anschluss an diese Entscheidung geneigt sein, auch die vom Bieter selbst vorgenommene Mitteilung über die innere Tatsache (und als solche bspw. den Entschluss zur Abgabe eines Übernahmeangebots) an Dritte mangels Existenz einer Insiderinformation zu verneinen. Dabei wäre jedoch übersehen worden, dass Entschlüsse und Vorhaben einer Person für Dritte durchaus Gegenstand einer Information sein können, die unter den Voraussetzungen ihres hinreichend wahrscheinlichen Eintritts und ihrer Kurserheblichkeit eine Insiderinformation darstellt. Deshalb hätte jeder Dritte, der eine solche Insiderinformation unbefugt weitergibt oder auf ihrer Grundlage Empfehlungen abgibt, gegen die Insiderhandelsverbote nach § 14 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 WpHG verstoßen. Es war mithin schwerlich einzusehen, weshalb die Person, die ihren Entschluss oder ihr Vorhaben anderen mitteilt und die Adressaten damit – eine positive Eintrittsprognose und Kurserheblichkeit unterstellt – zu Insidern macht, hier ungeachtet der Kontrolle einer solchen Weitergabe unter dem Gesichtspunkt der Befugnis zur Weitergabe vom Insiderverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG ausgenommen sein sollte, bringt sie doch durch ihr Handeln die Insiderinformation erst in Umlauf. Entsprechend verhielt es sich für das Verbot, einem anderen eine Insiderinformation unbefugt zugänglich zu machen. Der Streit ist zwischenzeitlich insofern obsolet geworden, als die Georgakis-Entscheidung des EuGH3 die hier vertretene Ansicht bestätigt, auch selbst geschaffene „innere Tatsachen“ könnten Insiderinformationen sein (s. dazu § 13 Rz. 10).
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Der objektive Tatbestand des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG ist des Weiteren erst dann erfüllt, wenn der andere von der Insiderinformation tatsächlich Kenntnis erlangt4. Bei 1 2 3 4
BGH v. 6.11.2003 – 1 StR 24/03, NJW 2004, 302 (303) = AG 2004, 144. A.A. Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 94; Sethe, ZBB 2006, 248. EuGH v. 10.5.2007 – Rs C-391/04 („Georgakis“), AG 2007, 542. Ebenso Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 156; Hopt, Bankrechtstag 1995, S. 19; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.154; Schäfer, in: Schäfer/ Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 21; Lösler, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 53; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.551; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 42. A.A. Lü-
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einem bestimmten Kreis Dritter genügt die Kenntnisnahme durch eine Person aus diesem Kreis, bei einem unbestimmten Kreis die Kenntnisnahme einer der Personen aus dem Kreis derer, welche die Mitteilung vorhersehbar erreicht1. Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Dritte die Tatsache als Insiderinformation erkennt2. Eine Weitergabe kann daher auch dann vorliegen, wenn der Adressat der Mitteilung annimmt, die Information sei öffentlich bekannt. Ein Zusammenwirken zwischen den Beteiligten ist nicht erforderlich3. Ist dem Adressaten der Information die ihm weitergegebene oder zugänglich gemach- 70 te Information schon bekannt, also nicht neu, so fehlt es am Tatbestand4. Für den Dritten muss die Insiderinformation folglich etwas Neues, ihm Unbekanntes beinhalten. Doch kommt immerhin ein strafbarer Versuch in Betracht. (2) Mangelnde Befugnis zur Weitergabe oder zur Zugangseröffnung Die Weitergabe einer Insiderinformation an einen anderen stellt nur dann einen Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG dar, wenn sie unbefugt erfolgt. Gleiches gilt für den Fall, dass einem anderen der Zugang zu einer Insiderinformation eröffnet wird.
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(a) Das Tatbestandsmerkmal „unbefugt“ Anders als etwa in den vergleichbaren Straftatbeständen des § 203 Abs. 1 StGB oder des § 404 Abs. 1 AktG, welche die Verletzung einer Geheimnispflicht zum Gegenstand haben, ist das Merkmal „unbefugt“ nicht als allgemeines Verbrechensmerkmal, sondern als Tatbestandsmerkmal zu betrachten5. Ursprünglich hatte es eine Doppelfunktion (vgl. noch 5. Aufl. des Kommentars Rz. 72 mit Fn. 1). Diese bestand
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cker, S. 105 ff.; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 189, 193; Schröder, in: Achenbach/ Ransiek, X 2 Rz. 173; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 96; Sethe, ZBB 2006, 248 f. Auch Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.551. Ebenso Hammen, in: BuB, Rz. 7/733; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 150; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 57; Lösler, in: Habersack/ Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 2 Rz. 53; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 23; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 44; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 97; Sethe, ZBB 2006, 249; Süßmann, AG 1999, 163. Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 192; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.551. Ebenso Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 44; auch Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 14 WpHG Rz. 3 a.E. A.A., weil i.E. darauf abstellend, dass es auf den Erfolg und insbes. die Kenntnisnahme des Dritten von der Information nicht ankomme: Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 156; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.154; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 195; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 22; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 98; Sethe, ZBB 2006, 249; Szesny, Rz. 109. Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 264; Caspari, ZGR 1994, 545; Gehrmann, S. 135; Götz, DB 1995, 1949; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 157; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.155; Liekefett, S. 169; Lücker, S. 108 ff.; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 197; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 44; i.E. auch Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 25; Schmidt-Diemitz, DB 1996, 1810; Uwe H. Schneider, in: FS Wiedemann, S. 1261; Uwe H. Schneider/Singhof, in: FS Kraft, S. 588; Schröder, in: Achenbach/Ransiek, X 2 Rz. 174; Rothenhöfer, in: Kümpel/ Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.552; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 45; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 99; Sethe, ZBB 2006, 249; Singhof, ZGR 2001, 152; Süßmann, AG 1999, 163.
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darin, dass die bloße Weitergabe oder Zugänglichmachung von Insiderinformationen an Personen, die dadurch selbst zu Insidern werden, als solche keine Indizwirkung im Hinblick auf die Rechtswidrigkeit dieses Verhaltens entfaltete; vielmehr war von vornherein nur die Weitergabe bzw. Zugänglichmachung tatbestandsmäßig, die unter Umständen geschah, welche die Weitergabe von Insiderinformationen als Unrecht erscheinen ließen. Dagegen musste die Weitergabe bzw. Zugänglichmachung an Personen, die nicht dem Mitteilungs- und Empfehlungsverbot des § 14 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 WpHG unterlagen, durch die allgemeinen Rechtfertigungsgründe, z.B. den rechtfertigenden Notstand gemäß § 34 StGB, gedeckt sein, um von der Strafbarkeit ausgenommen werden zu können. Zu Recht ist darauf aufmerksam gemacht worden, dass diese Doppelfunktion dadurch entfallen ist, dass heute (nach den Änderungen des Insiderrechts durch das AnSVG, s. Vor § 12 Rz. 13, 17) Primär- und Sekundärinsider (gemäß §§ 38 Abs. 1 Nr. 2, 39 Abs. 2 Nr. 3 WpHG) gleichermaßen dem Weitergabeverbot unterliegen1. 73
Die Reichweite des Verbotstatbestandes des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG hängt mithin entscheidend davon ab, unter welchen Voraussetzungen die Weitergabe bzw. Zugänglichmachung einer Insiderinformation als unbefugt bzw. als befugt anzusehen ist. Bei der Beantwortung dieser Frage ist einerseits das Ziel des Insiderrechts zu berücksichtigen, die informationelle Chancengleichheit der Marktteilnehmer zu gewährleisten, die Erzielung von Sondervorteilen durch die status-, funktions- oder zufallsbedingte Erlangung von nicht öffentlich bekannten Tatsachen zu unterbinden und dementsprechend die Zahl möglicher Insider präventiv auf ein Minimum zu beschränken2. Entspräche diesen Aufgaben des Insiderrechts ein möglichst umfassendes Verbot der Weitergabe oder Zugänglichmachung von Insiderinformationen, so hätte dies den Nachteil, dass dadurch einschneidend in Informationsflüsse, wie sie für die Funktionsfähigkeit anerkannter Institutionen erforderlich und teils sogar gesetzlich geboten sind, eingegriffen würde. Was als unbefugte bzw. befugte Weitergabe oder Zugänglichmachung einer Insiderinformation zu gelten hat, ist deshalb – nicht unähnlich der sog. Immanenztheorie zur Bestimmung der Grenzen des Kartellverbots aus § 1 GWB3 – unter Abwägung zwischen den Zielen des Insiderrechts und den Funktionserfordernissen rechtlicher und wirtschaftlicher Institutionen zu ermitteln4. Als Abwägungsgrundlage kann dabei die schon Art. 3 lit. a der Insiderrichtlinie von 1989 (Einl. Rz. 13) zu entnehmende und in Art. 3 lit. a der Marktmissbrauchsrichtlinie (Rz. 1) übernommene Formel dienen, derzufolge die in einem normalen Rahmen der Ausübung einer Arbeit oder eines Berufs oder der Erfüllung einer Auf-
1 Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 45. 2 Assmann, AG 1994, 247; Caspari, ZGR 1994, 545; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 158; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 47; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.553; Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 289; Szesny, Rz. 112. Vgl. auch EuGH v. 22.11.2005 – Rs C-384/02 („Grøngaard und Bang“), WM 2006, 612 (615, Rz. 32 ff.). 3 Vgl. Zimmer, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Bd. 2: GWB, 4. Aufl. 2007, § 1 Rz. 175 ff. 4 Assmann, AG 1997, 55; Hammen, in: BuB, Rz. 7/735; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 158; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.155; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 203; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 46; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 27; Uwe H. Schneider/Singhof, in: FS Kraft, S. 588 ff., insbes. S. 590/591; Uwe H. Schneider, in: FS Wiedemann, S. 1257, 1261 ff.; Singhof, ZGR 2001, 153; Stoffels, ZHR 165 (2001), 380.
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gabe erfolgende Weitergabe oder Zugänglichmachung einer Insiderinformation keine Verletzung des Verbots des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG darstellt1. Somit kommt es maßgeblich darauf an, wann von einer normalen aufgaben-, tätig- 74 keits- oder berufsbedingten Weitergabe oder Zugänglichmachung gesprochen werden kann. Dabei wurde anfänglich eine Beschränkung der Befugnis zur Weitergabe und zur Zugänglichmachung der Information auf Fälle vertreten, in denen die Weitergabe bzw. Zugänglichmachung als zwingend erforderlich erschien2. Diese Ansicht konnte sich indes nicht behaupten3, weil sie auch solche Vorgänge wie etwa die Heranziehung eines fachkompetenten Beraters aus dem Bereich der befugten Weitergabe von Insiderinformationen ausgeschlossen hätte, in denen die Mitteilung oder Zugänglichmachung der Information an einen Dritten zur Wahrnehmung einer Aufgabe, einer Tätigkeit oder eines Berufs zwar nicht unverzichtbar, wohl aber sachlich – durch vernünftige Gründe – gerechtfertigt und in Abwägung gegenüber dem mit der Ausweitung des Insiderkreises verbundenen erhöhten Risikos von Insidergeschäften hinnehmbar ist. Deshalb hat sich die Meinung durchgesetzt, eine betriebsinterne Informationsweitergabe müsse lediglich „erforderlich“ sein, um als befugte Weitergabe zu gelten4, wobei die Erforderlichkeit nach der normalen Aufgabe, Tätigkeit oder Beruf im Rahmen der Betriebsorganisation bestimmt wurde. Gleichzeitig wurde aber darauf hingeweisen, dass das Kriterium einer „normalen“ tätigkeitsbedingten Weitergabe oder Zugänglichmachung zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch nicht im Sinne von „üblich“ zu verstehen sei5, weil eine Verhaltensweise auch gegen die Anforderungen des Gesetzes zur Übung geworden sein könne: sei es, weil sich das Verhalten vor dem Erlass des Insiderrechts herausgebildet habe, sei es, weil das Gesetz oder seine Auslegung sich geändert habe, oder sei es, weil ein gesetzeswidriges Verhalten, etwa aufgrund von Nachweisproblemen, nicht verfolgt worden sei. Auch das, was üblich ist, muss mithin erst noch die Prüfung auf seine Konformität mit dem geltenden Insiderrecht bestehen. In der Grøngaard und Bang-Entscheidung vom 22.11.2005 hat der EuGH6 die Auslegung des Merkmals einer normalen aufgaben-, tätigkeits- oder berufsbedingten Weitergabe wieder mehr in die Richtung der (eingangs in dieser Rz. angeführten) früheren Ansicht gerückt, welche die Weitergabe nur dann als befugt betrachtete, wenn 1 So auch BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 41; Schwintek, S. 26. Schon zum alten Recht RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 47; Hammen, in: BuB, Rz. 7/735; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 159, 161; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.155; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 46. 2 So noch Assmann, AG 1994, 247. Ähnlich auch J. Hartmann, S. 239 („Insidertatsachen dürfen … nur auf einer strengen Need-to-know-Basis weitergegeben werden“); Lücker, S. 111 ff., 113 („notwendig, das heißt einem dem Insiderrecht vorrangigem Rechtsgut dienlich“). 3 Assmann, AG 1997, 55; Götz, DB 1995, 1950; Krauel, S. 294; Schmidt-Diemitz, DB 1996, 1810; Schwark, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 14 WpHG Rz. 33; Soesters, S. 190. 4 Vgl. BAWe/Deutsche Börse, S. 21; Marsch-Barner, in: Semler/Volhard (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Unternehmensübernahmen, Bd. 1 2001, § 7 Rz. 123; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 27; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 47; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 100 f. („vernünftige Gründe“); Szesny, Rz. 112. In BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 41, 67, ist von „benötigen“ die Rede. Ähnlich Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 206 („angewiesen“ oder „benötigen“ sind „nicht streng objektiv“ zu verstehen). 5 4. Aufl. des Kommentars Rz. 74; Assmann, AG 1997, 55; Uwe H. Schneider, in: FS Wiedemann, S. 1262 f.; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 47. 6 EuGH v. 22.11.2005 – Rs C-384/02 („Grøngaard und Bang“), WM 2006, 612.
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sie als zwingend erforderlich angesehen werden konnte. Im Lichte der Ziele der Insiderrichtlinie, so heißt es in der Entscheidung, sei die Weitergabe einer Insiderinformation „nur dann gerechtfertigt, wenn sie für die Ausübung einer Arbeit oder eines Berufes oder für die Erfüllung einer Aufgabe unerlässlich“ sei „und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ beachte1. Dabei lassen sich diese Kriterien und insbesondere ihre Verknüpfung dahingehend deuten, dass die Weitergabe der Insiderinformation nur dann unerlässlich ist, wenn die in Frage stehende berufliche oder aufgabenbedingte Tätigkeit ohne sie nicht erledigt werden kann, d.h. die Information für die Erfüllung der Tätigkeit unverzichtbar ist, und die jeweils in Frage stehende Tätigkeit darüber hinaus im Lichte einer Abwägung zwischen dem Zweck des Weitergabeverbots und dem Grund der Tätigkeit gerechtfertigt sein muss2. Ob die Weitergabe einer Insiderinformation berufsbedingt unerlässlich sei und ob etwas in einem normalen Rahmen in Ausübung einer Arbeit oder eines Berufes oder in Erfüllung einer Aufgabe geschehe, bestimme sich im Übrigen „in Ermangelung einer Harmonisierung in diesem Bereich … weitestgehend nach den Vorschriften“, „die diese Fragen in den einzelnen nationalen Rechtsordnungen“ regelten3, doch müssten die Gerichte dabei Folgendem Rechnung tragen: erstens „dem Umstand, dass diese Ausnahme vom Verbot der Weitergabe von Insider-Informationen eng auszulegen“ sei; zweitens „dem Umstand, dass jede zusätzliche Weitergabe die Gefahr vergrößern“ (könne), dass diese Informationen mit einem der Richtlinie 89/592 [Insiderrichtlinie, s. Vor § 12 Rz. 10] zuwiderlaufenden Ziel ausgenutzt“ würden, und drittens „der Sensibilität“ der jeweiligen Insiderinformation4. Auf eine handhabbare Formel gebracht wird man die Weitergabe einer Insiderinformation dann als unerlässlich und verhältnismäßig ansehen können, wenn sie der Informationsempfänger benötigt, um eine aus betriebsorganisatorischer Sicht sinnvolle Aufgabe oder Tätigkeit beruflicher oder sonstiger Art sachgerecht wahrnehmen zu können5. 74b Wie nur allzu oft hat sich der EuGH auch in der Grøngaard und Bang-Entscheidung vom 22.11.2005 (Rz. 74a) nicht mit der Auseinandersetzung mit möglichen Gegenargumenten aufgehalten und erweckt den unbegründeten Eindruck, als könnten sich aus den mit der Richtlinie verfolgten Zielen, an denen er sich ausschließlich ausrichtet, keine anderen Folgerungen als die gezogenen ergeben6. Schon für die Annahme, die als Ausnahme vom Weitergabeverbot zu betrachtende Ausnahme berufsbedingter Weitergabe sei eng auszulegen7, findet sich keine Begründung8. Vor allem an betriebsbezogene Abläufe und Informationskanäle stellt das Gericht überzogene Anfor-
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EuGH v. 22.11.2005 – Rs C-384/02 („Grøngaard und Bang“), WM 2006, 612 (615, Rz. 34). Ähnlich schon Assmann, WuB I G 7. – 3.06 (WuB 2008, 553, 554). EuGH v. 22.11.2005 – Rs C-384/02 („Grøngaard und Bang“), WM 2006, 612 (615, Rz. 40). EuGH v. 22.11.2005 – Rs C-384/02 („Grøngaard und Bang“), WM 2006, 612 (613) Ls. 1 Satz 2 und ausführlich (615, Rz. 32 ff.). Ähnlich Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 46. So i.E. auch Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.160 f., der dem EuGH-Urteil das Erfordernis der „Erforderlichkeit“ der Informationsweitergabe entnimmt: „Unerlässlich meint … eine Insiderinformationsweitergabe, die für die Erfüllung der Aufgabe desjenigen, der die Information weitergibt, notwendig ist“. Ähnlich auch Szesny, Rz. 112. Dem Urteil selbst darin zustimmend Bachmann, ZHR 172 (2008), 624. Zu Recht kritisch schon zur Auslegungsmethodik des EuGH Gehrmann, S. 155 ff. EuGH v. 22.11.2005 – Rs C-384/02 („Grøngaard und Bang“), WM 2006, 612 (614, Rz. 27) und (615, Rz. 34). Kritisch hierzu Assmann, WuB I G 7. – 3.06 (WuB 2008, 553, 554) in der Besprechung dieser Entscheidung.
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derungen1. Sie mögen dadurch veranlasst worden sein, dass das Gericht die Weitergabe an Unternehmensexterne zu beurteilen hatte2, die sich, ohne den gebotenen unternehmensinternen Kommunikationskontext zu beeinträchtigen, problemlos auf unerlässliche Weitergaben beschränken lässt3. Wenn sich schon Gesetze teleologisch reduzieren lassen, so kann dies erst recht für die gerichtliche Auslegung von Gesetzesbestimmungen gelten, die über das Telos des europäischen Insiderrechts hinausgeschossen sind. Deshalb ist im betrieblich-unternehmerischen Kontext nur die Weitergabe von Insiderinformationen an Unternehmensexterne als befugt anzusehen, die berufsbedingt oder zur Wahrnehmung einer Aufgabe als unerlässlich anzusehen ist. Dagegen ist im innerbetrieblichen Ablauf jede Weitergabe als gerechtfertigt zu betrachten, welche – wie vorstehend ausgeführt – die Voraussetzungen schafft, um eine aus betriebsorganisatorischer Sicht sinnvolle Aufgabe oder Tätigkeit beruflicher oder sonstiger Art sachgerecht wahrnehmen zu können. Alles in allem besteht „jedenfalls für einen grundlegenden Perspektivwechsel gegenüber der bisherigen Auslegung des Begriffs ‚unbefugt‘“ kein Anlass4. Wie die Reaktionen der Praxis auf die in ihrer Weite und Undifferenziertheit in der Sache abzulehnende5, aber als Datum der Rechtsanwendung hinzunehmende Entscheidung zeigen, zieht diese erhebliche, zuvor nicht für möglich gehaltene Komplikationen der Betriebsorganistation nach sich. Vieles davon stellt eine Überreaktionen auf das Urteil dar, doch hat das Gericht diese mit der undifferenzierten und insiderfundamentalistischen Entscheidung provoziert. Das ist umso ärgerlicher als es zur Entscheidung des vorgelegten Falles der strikten Auslegung des Merkmals einer berufsbedingt befugten Weitergabe von Insiderinformationen nicht bedurft hätte, denn ebenso, wie es dem in den Aufsichtsrat eines Unternehmens entsandten Mitarbeiter einer Bank verwehrt ist, die in dem Aufsichtsorgan erlangten vertraulichen Informationen für die Erfüllung seiner Tätigkeit in der Bank zu verwenden oder an deren Mitarbeiter der Bank weiterzugeben (s. Rz. 98 und schon in den Voraufl.), ist dies auch – darin lag die Besonderheit des Falls – Gewerkschaftsmitgliedern untersagt, die in solche Organe entsandt wurden6. Entgegen vereinzelten Stimmen aus dem Schrifttum kommt es für die Beantwortung der Frage, ob die Weitergabe oder Zugänglichmachung einer Insiderinformation berechtigt („normal“) ist, nicht darauf an, ob der Informationsempfänger einer besonderen gesetzlichen (z.B. § 203 StGB, § 404 AktG) oder aufgrund einer Vertraulichkeitsvereinbarung einer vertraglich begründeten Verschwiegenheitspflicht unterliegt7. Zu 1 Vgl. insbes. Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.160: „Das Urteil stellt die Ziele des Insiderrechts in einer Weise über die Erfordernisse eines effizient funktioniernden Informationsflusses in einem Unternehmen, die gänzlich praxisfremd ist“. 2 Darauf weisen vor allem Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 46, hin. 3 Die bisherige Deutung des Merkmals hat zwischen der innerbetrieblichen Weitergabe von Insiderinformationen und der Weitergabe an Externe nicht grundsätzlich unterschieden und in beiden Fällen das Kriterium der Erforderlichkeit (Rz. 74) für maßgeblich betrachtet. Vgl. etwa Assmann, AG 1994, 247; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 47. 4 Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 46; Hammen, in: BuB, Rz. 7/735; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.161; Szesny, Rz. 112. 5 Lebhafte Zustimmung dagegen bei Fürsich, S. 193. 6 Ebenso Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.163; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 46 (die zu beurteilende Informationsweitergabe war „nach den bis dahin bestehenden Kriterien“ „klar verboten“). S. dazu auch die Arbeit von Bruder. 7 S. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 41. Ebenso schon Assmann, AG 1997, 55; Claussen/ Florian, AG 2005, 752; von Falkenhausen/Widder, BB 2005, 226; Hammen, in: BuB, Rz. 7/735; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 160; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 211 f.; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 47; Rothen-
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beachten ist nämlich, dass in den Fällen, in denen die Weitergabe oder Zugänglichmachung der Information „in einem normalen Rahmen in Ausführung des Berufs, der Tätigkeit oder Aufgabe“ und damit „befugt“ erfolgt, auch der Empfänger der Information zum Insider wird und damit den Verboten des § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG unterliegt1. Damit ist sichergestellt, dass auch der Informationsempfänger die Insiderinformation nicht für Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäfte verwenden, weitergeben, zugänglich machen oder als Grundlage für Empfehlungen verwenden darf und mithin vertraulich zu behandeln hat. 76
Demgegenüber wird im Schrifttum die Auffassung geäußert, aufgrund der Regelungen in dem neu in das Gesetz gelangten § 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG und in dem von dieser Bestimmung umgesetzten Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie (Rz. 1), sei nur diejenige Weitergabe von Insiderinformationen und Eröffnung eines Zugangs zu solchen Informationen befugt, die mit dem Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung einhergehe2. Diese Ansicht verkennt indes den Bedeutungsgehalt der Vorschrift, die keinerlei Aussage darüber enthält, wann die Weitergabe einer Insiderinformation oder die Eröffnung des Zugangs zu derselben als befugt i.S. von § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG zu betrachten ist. § 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG setzt ihrem Tatbestand nach vielmehr eine befugte Weitergabe voraus, denn sie verlangt, dass ein „Emittent … im Rahmen seiner Befugnisse einem anderen Insiderinformationen mitteilt oder zugänglich macht“ und knüpft daran als Rechtsfolge die Pflicht zur Veröffentlichung der fraglichen Insiderinformation. Ist der Empfänger der Insiderinformation im Hinblick auf dieselbe „rechtlich zur Vertraulichkeit verpflichtet“, so entfällt die Veröffentlichungspflicht. Die Vertraulichkeitsverpflichtung hat damit erkennbar nichts mit der Befugnis zur Weitergabe oder zur Zugänglichmachung einer Insiderinformation zu tun, sondern lässt lediglich die Veröffentlichungsverpflichtung aus § 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG entfallen. Dabei ist davon auszugehen, dass auch derjenige „rechtlich zur Vertraulichkeit verpflichtet ist“, der allein aufgrund der Erlangung der Insiderinformation den Insiderhandelsverboten des § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG – und unter diesen namentlich dem Weitergabeverbot aus § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG – unterliegt; einer anderweitigen gesetzlichen oder gar vertraglich vereinbarten Vertraulichkeitsverpflichtung bedarf es daneben nicht3. Das folgt auch aus Art. 6 Abs. 3 Satz 2 der Marktmissbrauchsrichtlinie, derzufolge die in Art. 6 Abs. 3 Satz 1 statuierte und durch § 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG umgesetzte Veröffentlichungspflicht entfallen soll, „wenn die Person, an die die Information weitergegeben wird, zur Vertraulichkeit verpflichtet ist, unabhängig davon, ob sich diese Verpflichtung aus Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, einer Satzung oder einem Vertrag ergibt“.
höfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.555; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 28; Schmidt-Diemitz, DB 1996, 1810; Uwe H. Schneider, in: FS Wiedemann, 2002, S. 1261 ff.; Uwe H. Schneider/Singhof, in: FS Kraft, S. 588; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 47; Sethe, in: Assmann/ Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 100; Sethe, ZBB 2006, 250; Stoffels, ZHR 165 (2001), 380. A.A. Götz, DB 1995, 1950; auch Rodewald/Tüxen, BB 2004, 2252, die fehlerhaft davon ausgehen, nach dem neuen Recht bedürfe zwar die Weitergabe von Insiderinformationen an „Berufsträger“ keiner Vertraulichkeitsvereinbarung, wohl aber diejenige „an Dritte“. 1 Zu § 14 WpHG a.F. etwa Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2001, § 107 Rz. 40; Pananis, Insidertatsache und Primärinsider, S. 139. 2 Etwa Liekefett, S. 184 f.; Rodewald/Tüxen, BB 2004, 2252. Dagegen schon, mit allerdings umständlicher Begründung, von Falkenhausen/Widder, BB 2005, 227; ablehnend mit ausführlicher Begründung auch Sethe, ZBB 2006, 250. 3 I.E. ebenso von Falkenhausen/Widder, BB 2005, 227; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 212 f.
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Setzt eine „befugte“ Weitergabe von oder die Eröffnung der Zugangsmöglichkeit zu 77 Insiderinformationen keine Vertraulichkeitsvereinbarung mit dem Empfänger der Information voraus, so ist allerdings die Weitergabe einer Insiderinformation oder die Eröffnung des Zugangs zu derselben an eine Person, die im Hinblick auf die Information nicht den Insiderhandelsverboten des § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG unterliegt, stets als unbefugt anzusehen, sofern nicht allgemeine Rechtfertigungsgründe eingreifen oder der Adressat der Information nicht einer anderweitigen gesetzlichen oder vertraglich begründeten Verschwiegenheitspflicht unterliegt, die im Falle ihrer Verletzungen Sanktionen nach sich zieht, welche denen der Verletzung der Verbote aus § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG im Hinblick auf ihre Präventionswirkung vergleichbar sind1. Die Fälle, in denen eine Person nicht bereits aufgrund der Erlangung der Insiderinformation zum Insider wird und den straf- und ordnungswidrigkeitsrechtlich sanktionierten Verboten aus § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG unterfällt, sind allerdings selten; sie sind praktisch weitgehend auf diejenigen beschränkt, in denen der Empfänger der weitergeleiteten oder zugänglich gemachten Information deren Eigenschaft als Insiderinformation nicht erkennen soll oder aus anderweitigen Gründen nicht erkennt. Des Weiteren steht außer Frage, dass die unbefugte Weitergabe oder Zugänglichma- 78 chung von Insiderinformationen nicht dadurch zur befugten wird, dass mit dem Empfänger eine Vertraulichkeitsvereinbarung vereinbart wurde2. Wird eine Insiderinformation unbefugt weitergegeben oder zugänglich gemacht, so stellt dies vielmehr einen Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG dar, der nur durch das Unterlassen dieses Verhaltens oder die gleichzeitige Veröffentlichung der Information (i.S. der Herstellung der Bereichsöffentlichkeit, s. § 13 Rz. 34 ff.) vermieden werden kann. Im Übrigen wird man nicht umhinkommen, die Grenzlinien zwischen einer befug- 79 ten (normalen) und einer unbefugten Weitergabe von Insiderinformationen – Gleiches gilt für den Fall, dass einem Anderen eine Insiderinformation zugänglich gemacht werden soll – einer Abwägung zwischen den Zielen des Insiderrechts auf der einen und den Interessen der Beteiligten im Einzelfall auf der anderen Seite anheim zu stellen und auf eine hierauf aufbauende fallgruppenorientierte Konkretisierung zu setzen3. Auch wenn die Weitergabe einer Insiderinformation nicht bereits deshalb berechtigt oder normal ist, weil der Empfänger aufgrund der Mitteilung Insider wird und den Verboten aus § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG unterliegt, so ist diese gesetzliche Regelung doch ein Umstand, der das Risiko von Insidertransaktionen gering hält und damit bei der gebotenen Interessenabwägung berücksichtigt werden darf. Darüber hinaus gilt es so weit wie möglich zu vermeiden, dass unternehmerische Entscheidungsprozesse von der insiderrechtlichen Frage, wer im Einzelfall in die Entscheidungsfindung einbezogen werden darf, überlagert und unangemessen verkompliziert werden.
1 Ebenso Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 215; Süßmann, AG 1999, 163. 2 Implizit von Falkenhausen/Widder, BB 2005, 227. 3 Assmann, AG 1997, 55; Hammen, in: BuB, Rz. 7/735; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 163; Marsch-Barner, in: Semler/Volhard (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Unternehmensübernahmen, Bd. 1 2001, § 7 Rz. 123; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 29 f.; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 47 a.E.
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(b) Informationsweitergabe aufgrund gesetzlicher Gebote und Obliegenheiten 80
Die Weitergabe oder das Zugänglichmachen einer Insiderinformation ist schon dann nicht tatbestandsmäßig, wenn sie in Erfüllung gesetzlich gebotener und sich gegenüber dem allgemeinen Insiderhandelsverbot durchsetzender Mitteilungspflichten erfolgt. Davon ist hinsichtlich der Weitergabe von Insidertatsachen – dies und das Folgende gilt entsprechend auch für das Zugänglichmachen einer Insiderinformation – innerhalb des Vorstands auszugehen1. Ebenso verhält es sich, wenn der Vorstand dem Aufsichtsrat im Rahmen seiner Informationspflichten nach §§ 90, 170 f., 337 AktG Insiderinformationen zur Kenntnis bringt2 oder dem Aufsichtsorgan bzw. einzelnen hierzu beauftragten Mitgliedern desselben im Hinblick auf deren Einsichtsund Prüfungsrechte nach § 111 Abs. 2 AktG Dokumente zugänglich macht, die Insiderinformationen enthalten3 (zur Weitergabe der Insiderinformation an Dritte, deren Hilfe oder Rat sich der Aufsichtsrat zur Erfüllung seiner Aufgaben bedient, s. Rz. 98). Gleiches gilt für die Weitergabe von Insiderinformationen bei der Erfüllung der gesetzlichen Unterrichtungspflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat4 nach §§ 80 Abs. 2, 90, 92, 111 BetrVG.
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Nicht anders verhält es sich auch im Hinblick auf gesellschaftsrechtliche, kapitalmarktrechtliche oder kartellrechtliche Mitteilungspflichten, bspw. in Gestalt von Meldepflichten bei Veränderungen von Stimmrechtsanteilen (nach § 21 AktG, §§ 21 ff. WpHG) sowie von Melde- und Mitteilungspflichten gegenüber der BaFin (etwa nach §§ 9, 15 Abs. 4, 21 WpHG), den Börsen (etwa nach § 15 Abs. 4 WpHG), dem Bundeskartellamt (etwa nach § 39 GWB) oder den Abschluss- oder Sonderprüfern (nach § 320 Abs. 2 HGB, § 145 Abs. 2 AktG). In den Fällen, in denen das Gesetz (wie etwa in §§ 106 Abs. 2, 43 Abs. 2 Satz 3 BetrVG) im Hinblick auf die Information des Wirtschaftsausschusses bzw. der Arbeitnehmer im Rahmen einer Betriebsversammlung keine vorbehaltlose Mitteilungspflicht anordnet (etwa indem es Informationsbeschränkungen zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen erlaubt), bedarf es einer einzelfallbezogenen Prüfung der Frage, ob die Weitergabe von Insiderinformationen unerlässlich und verhältnismäßig5 (Rz. 74) ist (s. auch Rz. 91). 1 Brandi/Süßmann, AG 2004, 647; Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 14 WpHG Rz. 6; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 174; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.164; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 225; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 48; Uwe H. Schneider/Singhof, in: FS Kraft, S. 591 f.; Schröder, in: Achenbach/Ransiek, X 2 Rz. 177; Soesters, S. 191; Süßmann, AG 1999, 164. 2 S. dazu auch Brandi/Süßmann, AG 2004, 647; Götz, DB 1995, 1951; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 174; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.164; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 225; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 49; Uwe H. Schneider/Singhof, in: FS Kraft, S. 592; Schröder, in: Achenbach/Ransiek, X 2 Rz. 177; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 48; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 103; Soesters, S. 191. 3 Ebenso Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 234; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 48. Enger Uwe H. Schneider/Singhof, in: FS Kraft, S. 593: Gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit ist nicht ausreichend, vielmehr muss die Informationsweitergabe auch tatsächlich in einem sachlichen Zusammenhang mit der Aufsichts- und Überwachungsfunktion stehen. 4 Bruder, S. 47; Claussen, Insiderhandelsverbot, Rz. 62; Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 14 WpHG Rz. 3; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 174; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 238; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 50; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 50; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 103. 5 Bruder, S. 47 f. Angesichts dieses Erfordernisses ist es wohl zu großzügig, wenn man mit Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 50 der Unternehmensleitung die Möglichkeit zu-
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Investor-Relations-Maßnahmen gehören nicht zu den gesetzlichen Aufgaben oder 82 Obliegenheiten des Emittenten bzw. seiner Organe und geben von daher keine Befugnis zur Mitteilung von Insiderinformationen. Aber auch der Umstand, dass es sich bei Investor-Relations-Maßnahmen um für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts willkommene Aktivitäten handelt, vermag die (zudem den Vorgaben zur Veröffentlichung von ad-hoc-publizitätspflichtigen Tatsachen nach § 15 WpHG entgegenlaufende) Kommunikation von Insiderinformationen nicht zu rechtfertigen1. Auch ohne dahin gehendes spezielles Gebot kann die Weitergabe von Insiderinfor- 83 mationen unerlässlich und verhältnismäßig sein, z.B. um bestimmte rechtlich vorgesehene Vorteile erlangen zu können. Dazu zählt etwa die Weitergabe von Insiderinformationen im Zusammenhang mit einem Genehmigungsverfahren, bspw. einem Verfahren zur Genehmigung eines Zusammenschlussvorhabens (§§ 39 ff. GWB). Hier besteht, nicht anders als in vergleichbaren Verfahren, zwar kein gesetzliches Gebot, wohl aber eine Obliegenheitspflicht zur Offenbarung dieser Tatsache gegenüber der Genehmigungsbehörde. Deshalb scheidet auch hier ein tatbestandsmäßiges Verhalten aus. Bedenken gegen die Nachrangigkeit des Insiderrechts in diesen Fällen bestehen schon deshalb nicht, weil die Mitarbeiter der Behörden, denen aufgrund der fraglichen Informationspflichten Insiderinformationen mitgeteilt werden, zu Insidern werden und den Insiderhandelsverboten nach § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG unterliegen. Einem Aktionär steht ein individuelles Auskunftsrecht außerhalb der Hauptver- 84 sammlung (§ 131 Abs. 1 AktG) nicht zu2. Das gilt auch dann, wenn er sich unter Berufung auf „informationelle Gleichbehandlung“ mit dem Begehren an den Emittenten wendet, die gleichen Informationen zu erhalten, die auch einzelnen anderen Aktionären gewährt worden seien3. Deshalb gibt es jedenfalls außerhalb der Hauptversammlung keinen Anspruch eines Aktionärs auf die Mitteilung von Insiderinformationen; umgekehrt kann die Mitteilung einer Insiderinformation nicht allein mit einem entsprechenden Auskunftsersuchen legitimiert werden4, sondern bedarf besonderer Rechtfertigungsgründe. So kann etwa die Mitteilung an einen Aktionär mit einer wesentlichen Beteiligung5 in Ausnahmefällen als befugt anzusehen sein, wie bspw. dann, wenn eine Kapitalerhöhung geplant ist, der die Hauptversammlung zustimmen muss. In einem solchen Fall wurde es vor der Grøngaard und Bang-Entscheidung des EuGH vom 22.11.2005 (s. Rz. 74a) als regelmäßig im Interesse des Unternehmens liegend angesehen, wenn sich dessen Verantwortliche schon vor der Hauptversammlung ein Bild über die Zustimmungsfähigkeit der geplanten Maßnahme verschaffen wollten6, doch reichen nach dem Urteil des EuGH bloße Zweck-
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billigt, sich „im Interesse einer offenen Unterrichtungspolitik zur Weitergabe der Insiderinformation an den Betriebsrat“ entschließen zu dürfen. Hierzu und zum Verhältnis von § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG und § 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG s. Ekkenga, NZG 2001, 4 f. Hüffer, § 131 AktG Rz. 42. Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 285; Uwe H. Schneider/Singhof, in: FS Kraft, S. 598 ff. Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 105. Das sind nach Uwe H. Schneider/Singhof, in: FS Kraft, S. 600 ff., Aktionäre, die zur Offenlegung nach § 21 verpflichtet sind. Auch Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 293; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 53; Sven H. Schneider, S. 63 ff.; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 51; Sethe, ZBB 2006, 251. Nach Beschlussgegenstand und Umständen differenzierend Veil, ZHR 172 (2008), 265 f. 4. Aufl. des Kommentars Rz. 84. Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 44; Marsch-Barner, in: Semler/Volhard (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Unternehmensübernahmen, Bd. 1
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mäßigkeitserwägungen nicht mehr aus. Vielmehr muss die Vorabinformation des Aktionärs unerlässlich sein, was in der Sache voraussetzt, dass es gute Gründe für die Annahme gibt, ohne diese sei die Zustimmung des Aktionärs nicht zu erreichen oder ernsthaft gefährdet1. Zu weiteren Fällen der Weitergabe von Insiderinformationen an einzelne Aktionäre oder Aktionärsgruppen s. Rz. 92. Stets ist aber zu beachten, dass die Weitergabe von Insiderinformationen nur in dem Umfang als befugt und normal zu betrachten ist, als sie erforderlich ist, um dem Empfänger die sachgerechte Wahrnehmung seiner Aufgabe, seiner Tätigkeit oder seines Berufs zu ermöglichen (Rz. 74). Ist beispielsweise ein Anwalt mit der Vertretung in einem Patentrechtsstreit beauftragt, so sind ihm grundsätzlich nur Tatsachen mitzuteilen, deren Kenntnis es zur interessengerechten Prozessführung tatsächlich bedarf; in einem solchen Falle wäre es daher unzulässig, den Anwalt über eine geplante Unternehmensübernahme zu unterrichten. 85
Umstritten ist hingegen, ob der Vorstand eines Emittenten verpflichtet ist, dem auf der Hauptversammlung vorgetragenen Auskunftsbegehren eines Aktionärs nach § 131 Abs. 1 AktG nachzukommen, wenn er dabei eine Insiderinformation offenbaren müsste (zum Fall der Bekanntgabe einer die Muttergesellschaft betreffenden Insiderinformation durch den Vorstand der nicht börsennotierten Tochtergesellschaft s. Rz. 105). Das wird nach einer Ansicht mit dem Argument bejaht, das nicht zuletzt auch den Schutz der Aktionäre bezweckende Insiderrecht dürfe nicht dazu führen, den der Stimmrechtsausübung dienenden Auskunftsanspruch zu beschneiden, indem es die Grundlage für ein Auskunftsverweigerungsrecht des Vorstandes schaffe2 und den Aktionär in ein Auskunftserzwingungsverfahren treibe. Nach anderer (herrschender) und vorzugswürdiger (s. unten Rz. 87) Ansicht handelt es sich bei dem Auskunftsersuchen eines Aktionärs nach § 131 Abs. 1 AktG um keinen Rechtfertigungsgrund für die Weitergabe von Insiderinformationen, weshalb auch dem Vorstand ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 131 Abs. 3 Nr. 5 AktG zustehe3. Eine dritte Auffassung sucht die Vermeidung des Konflikts zwischen insiderrechtlichem Weitergabeverbot und aktienrechtlicher Auskunftspflicht und plädiert für ein Auskunftsrecht nach der im Verlauf der Hauptversammlung vorgenommenen Herstellung der Bereichsöffentlichkeit4.
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2001, § 7 Rz. 124 (wenn zur Absicherung unternehmerischer Entscheidungen erforderlich); Uwe H. Schneider/Singhof, in: FS Kraft, S. 600 ff., 603 f.; Schwark, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 14 WpHG Rz. 35. Ebenso Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 105. Auch Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 293, 297. Benner-Heinacher, DB 1995, 766; ebenso Hammen, in: BuB, Rz. 7/740. Differenzierend Sven H. Schneider, S. 62 ff. Assmann, AG 1997, 57; Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 14 WpHG Rz. 6; J. Hartmann, S. 240 f.; Joussen, DB 1994, 2485 ff.; Kümpel, WM 1994, 2138; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 16.185; Krauel, S. 297; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.165; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 279; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 52; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 83; Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 290; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 52; Soesters, S. 194; Süßmann, AG 1999, 162; Waldhausen, S. 54; Ziemons, AG 1999, 498. I.E. auch Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 59. I.E. auch MarschBarner, in: Semler/Volhard (Hrsg.), Arbeitshandbuch Unternehmensübernahmen, Bd. 1 2001, § 7 Rz. 125. Götz, DB 1995, 1951; Hirte, S. 57; Hopt, ZHR 159 (1995), 157; Franken/Heinsius, in: FS Budde, 1995, S. 213, 240; Uwe H. Schneider/Singhof, in: FS Kraft, S. 596 ff.; i.E. auch Claussen, Insiderhandelsverbot, Rz. 43.
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§ 14
Verbot von Insidergeschäften
Dass eine Auskunftserteilung nach vorhergehender Herstellung der Bereichsöffent- 86 lichkeit gemäß der letztgenannten Ansicht zulässig ist, steht ebenso außer Frage wie der Umstand, dass mit dem vorgeschlagenen Verfahren eine systematische Benachteiligung der in der Hauptversammlung anwesenden Aktionäre in Kauf genommen wird, weil Versammlungsteilnehmer von der Insiderinformation zwangsläufig erst mit zeitlicher Verzögerung gegenüber der Bereichsöffentlichkeit erfahren, zu deren potenziellen Mitgliedern sie ansonsten gehören. Auch wenn man dies hinnehmen will, bleibt aber noch immer die Frage offen, wie sich ein Vorstand zu verhalten hat, dem die zur Herstellung der Bereichsöffentlichkeit erforderlichen Fazilitäten, aus welchem Grund auch immer, nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen. Die hierauf zu gebende Antwort hat davon auszugehen, dass die in Erfüllung des 87 Individualanspruchs eines Aktionärs auf Auskunftserteilung in einer Hauptversammlung vorgenommene Mitteilung einer Insiderinformation nur einen Teil der Bereichsöffentlichkeit erreicht und damit das Recht aller Aktionäre und des Marktpublikums auf informationelle Chancengleichheit, wie es auch in der Regelung des Verfahrens zur Veröffentlichung von Insiderinformationen in § 15 WpHG zum Ausdruck kommt, verletzen würde; im Übrigen gewährt § 131 Abs. 1 AktG dem Aktionär keinen Anspruch auf unbeschränkte Rechenschaft über die Verwaltung des von ihm investierten Kapitals1. Deshalb ist der in Rz. 85 angeführten (herrschenden) Meinung zu folgen, welche die Mitteilung der Insiderinformation in der Hauptversammlung als Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG betrachtet und dem Vorstand ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 131 Abs. 3 Nr. 5 AktG zugesteht2. Letzteres schließt freilich die Konsequenz, dass sich der Vorstand des Emittenten für 88 die Ordnungswidrigkeit der nicht rechtzeitigen Veröffentlichung einer der Ad-hocPublizität unterliegenden Insiderinformation nach §§ 15 Abs. 1, 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. a WpHG zu verantworten hat, nicht aus. Dies sollte Vorständen Anreiz genug sein, nicht auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht nach § 131 Abs. 3 Nr. 5 AktG zu vertrauen, sondern vor Eintritt in die Hauptversammlung die Erfüllung ihrer Pflichten aus § 15 WpHG zu überprüfen. (c) Innerbetrieblicher Informationsfluss, Information von Anteilseignern und konzerninterne Informationsweitergabe Im Hinblick auf den innerbetrieblichen Informationsfluss wird man des Weiteren 89 auch diejenige Weitergabe von Insiderinformationen als befugt zu betrachten haben, die zwar nicht durch spezielle gesetzliche Bestimmungen, wohl aber durch die Freiheit der Organisation von betrieblichen Abläufen im Rahmen der gesetzlichen und sonstigen rechtlichen Grenzen gedeckt sind (s. schon oben Rz. 74b)3. Allerdings ist unter Heranziehung der Formulierung in Art. 3 lit. a der Marktmissbrauchsrichtlinie nur die Weitergabe von Insiderinformationen als befugt anzusehen, die sich im be1 Uwe H. Schneider/Singhof, in: FS Kraft, S. 595 m.w.N. 2 A.A. Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 106; Sethe, ZBB 2006, 251 mit dem Argument „gesellschaftsinterne Befugnisse“ genössen „hier Vorrang“. Vorbehalte auch bei Hammen, in: BuB, Rz. 7/739 („angreifbar“) mit dem allerdings unvertretbaren Argument, was aktienrechtlich zulässig sei, müsse mangels gesetzlicher Ausnahmeregelung auch insiderrechtlich erlaubt sein (Rz. 7/740). 3 BAWe/Deutsche Börse, S. 21: „Der Umfang der betrieblichen Gründe ist weit auszulegen.“ Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 164; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.166; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 244; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 48; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 107.
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Verbot von Insidergeschäften
triebsorganisatorisch bestimmten und bedingten „normalen Rahmen“ der Ausübung einer Arbeit oder eines Berufes oder in Erfüllung einer Aufgabe bewegt (s. schon oben Rz. 73 f.)1. In der Grøngaard und Bang-Entscheidung des EuGH vom 22.11.2005 (s. oben Rz. 74a f.) ist dies vom dahingehend konkretisiert worden, dass sich die Weitergabe einer Insiderinformation nur dann im „normalen Rahmen“ der Ausübung einer Arbeit oder eines Berufes oder in Erfüllung einer Aufgabe bewegt, „wenn sie für die Ausübung einer Arbeit oder eines Berufes oder für die Erfüllung einer Aufgabe unerlässlich ist und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ beachtet (Rz. 74a). Das hat zur Folge, dass die Weitergabe einer Insiderinformation nicht dadurch gerechtfertigt werden kann, dass die Information, wäre sie keine Insiderinformation gewesen, ohne weiteres – im Rahmen der etablierten organisatorischen Abläufe und des üblichen Informationsflusses – an die fragliche Stelle weitergereicht worden wäre und hätte weitergereicht werden dürfen. Vielmehr ist im Einzelfall zu prüfen, ob es einer Weitergabe einer Insiderinformation zur Erfüllung der Tätigkeit, der Arbeit oder des Berufs des jeweiligen Adressaten der Information im Betrieb tatsächlich bedarf2. 90
Die Beantwortung der weiter gehenden Frage, ob es betriebliche Organisationspflichten zur Vermeidung von Insiderverstößen von Organen und Mitarbeitern gibt, wie etwa in Gestalt einer Pflicht der Schaffung von „Vertraulichkeitsbereichen“3 bspw. durch sog. Chinese Walls (s. unten Rz. 93), war schon vor den gravierenden Änderungen des Insiderrechts und anderer Vorschriften des WpHG durch das AnSVG nur wenig erörtert4 und ist auch nach denselben und einigen einschlägigen Arbeiten zu dem Thema5 ein noch immer offenes Feld. Das mag nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass namentlich das Recht der auf die Einhaltung von kapitalmarktrechtlichen Pflichten bezogenen Organisationspflichten „law in action“ ist, dessen Entwicklung nicht nur von den Entwicklungen des Gesellschaftsrechts und des Kapitalmarktrechts abhängt, sondern auch und vor allem von deren wechselseitiger Beeinflussung und damit einhergehenden Grenzverschiebungen. Auch wenn sich das Thema im Rahmen der Behandlung der Insiderverbote nicht vertiefen lässt, wird in der Sache doch zu differenzieren sein: Dabei darf nach wie vor davon ausgegangen werden, dass Unternehmen grundsätzlich – gemäß dem Grundsatz, dass Unternehmensträger und Unternehmensverantwortliche nicht verpflichtet sind, Straftaten Dritter zu verhindern – keinen auf die Einhaltung der Insiderhandelsverbote durch ihre Organe und Mitarbeiter gerichteten Organisationspflichten unterliegen, sofern 1 So schon im Hinblick auf die gleich lautende Regelung in Art. 3 lit. a der Insiderrichtlinie von 1989 (Einl. Rz. 13) BAWe/Deutsche Börse, S. 21; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 16.193; F. Immenga, ZBB 1995, 204; Assmann, in: Lutter/Scheffler/U. H. Schneider, Handbuch Konzernfinanzierung, Rz. 12.24; enger noch Assmann, AG 1994, 247: Weitergabe muss aus betrieblichen Anforderungen zwingend erforderlich sein. Zum neuen Recht etwa Brandi/Süßmann, AG 2004, 647. 2 Ähnlich Sethe, ZBB 2006, 252 (allgemeine Zweckmäßigkeitserwägungen vermögen die innerbetriebliche Weitergabe einer Insiderinformation nicht mehr zu rechtfertigen). Auch Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 48 („erforderlich ist“). 3 Buck-Heeb, in: FS Hopt, S. 1648 ff.; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 49. 4 Einige Hinweise fanden sich bei Assmann, AG 1994, 255 ff. m.w.N.; BAWe/Deutsche Börse, S. 21; Hopt, in: FS Heinsius, S. 319 ff.; Tippach, S. 220 ff.; Schweizer, S. 161 ff. (in Bezug auf Kreditinstitute). 5 Namentlich Sethe, ZBB 2006, 253 ff.; monografisch Sven H. Schneider, S. 225 ff. Partiell auch Uwe H. Schneider, ZIP 2003, 645 (648 f.) (Einrichtung von Compliance-Organisationen) und Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 222 (unter Konzentration auf die aufsichtsrechtlich veranlassten Organisationspflichten und auf Wertpapierdienstleistungsunternehmen).
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nicht besondere pflichtenbegründende Umstände hinzutreten1. Welcher Art diese sein können, ist jedoch umstritten. Unumstritten ist allein, dass dies für Wertpapierdienstleistungsunternehmen anders aussieht. Sie haben nämlich nach § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG angemessene Grundsätze aufzustellen, Mittel vorzuhalten und Verfahren einzurichten, die darauf ausgerichtet sein müssen, sicherzustellen, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen selbst und seine Mitarbeiter den Verpflichtungen dieses Gesetzes – und dazu gehört auch die Einhaltung der Insiderhandelsverbote – nachkommen. Doch ist über diese Grundlagen hinaus zu unternehmerischen Organisationspflichten zur Verhinderung von Insiderverstößen, die das einschläige Straftrecht, Ordnungswidrigkeitenrecht, Finanzmarktaufsichtsrecht, das Gesellschaftsrecht und das zivilrechtliche Deliktsrecht zu beachten haben, wenig Verlässliches auszumachen2. Das beginnt bereits bei der Frage, ob für die Emittenten von Insiderpapieren eine besondere Pflichtenlage besteht, aus der besondere Organisationspflichten zur Verhinderung von Insiderverstößen erwachsen können: Dass das WpHG sie im Hinblick auf die Veröffentlichung von Directors’ Dealings (§ 15a WpHG) und die Führung von Insiderverzeichnissen (§ 15b WpHG) in die Pflicht nimmt, erlaubt diesbezüglich keine eindeutigen Schlüsse: Man kann dies als Beleg dafür nehmen, dass Emittenten eine gesetzlich anerkannte besondere Verantwortung zur Verhinderung von Insiderverstößen haben3, man kann dies aber auch so deuten, dass sich die besondere Verantwortung der Unternehmen in der Erfüllung dieser Pflichten erschöpft und gerade nicht auf allgemeine Organisationspflichten, wie sie Wertpapierdienstleistungsunternehmen auferlegt wurden, erstreckt. Bejaht man besondere Organisationspflichten von Emittenten zur Verhinderung von Insiderverstößen, ist man auch leicht geneigt, einen Verstoß der Organe des Unternehmens gegen § 130 OWiG zu bejahen, wenn es zu Verstößen gegen das Insiderhandelsverbot durch Mitarbeiter des Unternehmens aus dem Unternehmen heraus kommt, die durch entsprechende Aufsichtsmaßnahmen hätten verhindert werden können. Doch kann man auch solchen Überlegungen Grundsätzliches entgegenhalten: Der Verstoß eines Mitarbeiters gegen ein Insiderhandelsverbot ist stets ein solcher gegen ein jedermann treffendes Verbot und nicht etwa eine Zuwiderhandlung gegen Pflichten, die „den Inhaber eines Betriebes oder Unternehmens“ treffen, wie § 130 OWiG dies verlangt. Unabhängig davon, ob man als Inhaberpflichten auch solche aus Allgemeindelikten (wie es das Insiderhandelsverbot darstellt) oder nur solche aus unternehmensleitungsbezogenen „Sonderdelikten“ erfasst, verletzt der gegen die Insiderverbote verstoßende Mitarbeiter doch niemals ein den Inhaber, sondern ein ihn treffendes Verbot. An alledem ändert sich auch dann nichts, wenn in dem Unternehmen aufgrund seines Unternehmensgegenstands in besonderem Maße Insiderinformationen entstehen oder anfallen4. Weiter können sich aus anderweitigen gesetzlichen Bestimmungen Organisationspflichten zur Wahrung der Vertraulichkeit von Informationen ergeben, die durch die Weitergabe von Insiderinformationen verletzt werden, wie etwa aus § 10 Abs. 1 Satz 3 WpÜG, der die Voraussetzungen regelt, unter denen die BaFin 1 Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 65 ff. und Sethe, ZBB 2006, 253 f., jeweils m.w.N. und berechtigter Kritik an Sven H. Schneider, der S. 306 ff. im Wege einer Gesamtanalogie zu den anerkannten zivilrechtlichen, gesellschaftsrechtlichen und kapitalmarktrechltich-aufsichtsrechtlichen Organisationspflichten eine Organisationspflicht zur Verhinderung von Insiderverstößen herleiten will. I.E. auch Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 249. 2 Zu den mögliche Ansätzen Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 65 ff.; Sethe, ZBB 2006, 254 ff. 3 Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 71; Sethe, ZBB 2006, 256. 4 Anders Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 70; Sethe, ZBB 2006, 255.
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den Bieter von der Veröffentlichung seiner Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots befreien kann. Zu diesen gehört vor allem, dass der Bieter durch geeignete Vorkehrungen sicherstellt, dass durch die Verzögerung der Veröffentlichung keine Marktverzerrungen, wie etwa aufgrund von Insidergeschäften, zu befürchten sind1. 91
Ein Emittent ist zur Weitergabe von Insiderinformationen an einen Wirtschaftsausschuss regelmäßig schon deshalb nicht verpflichtet, weil er diesen nach § 106 Abs. 2 BetrVG nur insoweit zu unterrichten hat, als dadurch nicht Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens gefährdet werden. Gleichwohl wurde dies vor der Grøngaard und Bang-Entscheidung des EuGH vom 22.11.2005 (s. oben Rz. 74a) nicht als Hinderungsgrund angesehen, dem Ausschuss gegebenenfalls auch Insiderinformationen mitzuteilen. Das Interesse beider Seiten an einer vertrauensvollen Zusammenarbeit und einer damit verbundenen vorbehaltlosen, offenen Unterrichtungspolitik einerseits und die Verschwiegenheitspflichten der Mitglieder des Wirtschaftsausschusses andererseits, so wurde argumentiert, seien geeignet, die Erweiterung des Kreises von Insidern und die damit verbundene Erhöhung des Risikos von Insidergeschäften als hinnehmbar und die Weitergabe von Insiderinformationen als berechtigt erscheinen zu lassen2. Nachdem die vorstehend angeführte Entscheidung des EuGH nur noch die unerlässliche und verhältnismäßige Weitergabe von Insiderinformationen gestattet (s. Rz. 74), lässt sich auch die Weitergabe von Insiderinformationen an den Wirtschaftsausschuss nicht mehr lediglich mit dem Argument rechtfertigen, dies sei einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Geschäftsleitung und Ausschuss dienlich3 (s. schon oben Rz. 81).
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Die Weitergabe von Insiderinformationen an einzelne Aktionäre ist (wie bereits oben in Rz. 84 dargelegt) in der Regel unzulässig und bedarf auch dann besonderer Rechtfertigungsgründe, wenn sie die Insiderinformation aufgrund ihrer Beteiligung i.S. von § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. b WpHG erhalten und damit zu Insidern werden und den Verboten aus § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG unterliegen. Nur so lässt sich der Gefahr begegnen, dass einzelne Aktionäre, unter Verletzung der informationellen Chancengleichheit, Sondervorteile auf Kosten anderer Aktionäre oder beitrittswilliger Anleger erzielen. Das schließt es indes nicht aus, dass unter besonderen Voraussetzungen die Mitteilung von Insiderinformationen an einzelne Aktionäre – wie etwa an Großaktionäre, Hauptaktionäre, Mehrheitsaktionäre oder Aktionärspools – im Interesse des Unternehmens nicht nur geboten, sondern auch unerlässlich im Sinne der Grøngaard und Bang-Entscheidung des EuGH vom 22.11.2005 (s. oben Rz. 74a) sein kann (vgl. Rz. 84). Eine systematische Vorabinformation von Mehrheitsgesellschaftern, Gesellschaftern mit einer wesentlichen Beteiligung, der einem bestimmten Familienstamm zugehörigen Aktionäre oder von Aktienpools würde diesen indes dauerhaft Sondervorteile gegenüber anderen Aktionären einräumen und kann deshalb nicht pauschal im Hinblick auf Unternehmensinteressen als unerlässlich gerechtfertigt werden. Aus diesem Grund ist insbesondere die vor Erlass des WpHG verbreitete Gepflogenheit, Gesellschafter von Familiengesellschaften (Familienpools) generell vor1 Näher hierzu Assmann, in: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 10 WpÜG Rz. 33 ff., 37. 2 4. Aufl. des Kommentars Rz. 91; Götz, DB 1995, 1950; Hilgendorf, in: Park (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht, 1. Aufl. 2004, §§ 38 I Nr. 1–3, 12, 13, 14 WpHG Rz. 134; Schäfer, in: Schäfer, § 14 WpHG Rz. 43; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 50. 3 Ebenso Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 14 WpHG Rz. 8; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 165 (nur zulässig, wenn zwingend im Interesse des Unternehmens erforderlich).
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ab vor der Information der übrigen Aktionären und des Publikums auch mit Insiderwissen zu versehen, mit § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG nicht vereinbar1. Unbefugt ist die innerbetriebliche Weitergabe auch dann, wenn Mitarbeiter eines 93 Unternehmens, das in unterschiedlichen Geschäftssparten tätig wird, die in ihrem Geschäftsbereich bekannt gewordenen Insiderinformationen an die mit Wertpapiergeschäften befasste Abteilung weitergeben2. Das gilt namentlich für Kreditinstitute im Hinblick auf die Weitergabe etwa der im Kreditgeschäft erlangten Insiderkenntnisse an die mit dem Wertpapierhandel (für das Unternehmen oder Dritte) befassten Stellen. Eine solche Weitergabe darf bereits heute als „nicht normal“ gelten: zum einen, weil eine solche Weitergabe die Gefahr von Interessenkonflikten sowohl zwischen Bank und Kunden als auch zwischen den Kunden selbst (etwa den Kunden aus dem Kreditgeschäft und denjenigen aus dem Wertpapiergeschäft) mit sich bringt (vgl. § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG), und zum anderen, weil die zur Vermeidung des Interessenkonflikts erforderlichen organisatorischen Maßnahmen (vgl. § 33 Abs. 1 Nr. 2 WpHG), insbesondere in Gestalt der Schaffung sog. Chinese Walls3 zwischen den einzelnen Geschäftsbereichen, heute weitgehend verbreitet sind. Auch wenn es sich bei Konzernunternehmen um rechtlich selbständige Unter- 94 nehmen handelt und die konzerninterne Weitergabe von Insiderinformationen im rechtlichen Sinne nicht als innerbetriebliche Informationsweitergabe zu betrachten ist, sind die für diese herausgebildeten Grundsätze auch auf die Kommunikation unter den Konzerngesellschaften zu übertragen4. Um ihren rechtlichen und wirtschaftlichen Verantwortlichkeiten im Konzern gerecht werden zu können, muss es den Beteiligten auch gestattet sein, die dazu gebotenen Kommunikationsstrukturen aufzubauen sowie die für die Verfolgung der Unternehmens- und Konzerninteressen erforderlichen Informationen weiterzugeben. Insbesondere ist es nicht Sache des Insiderrechts, Informationsweitergaben in unterschiedlichen Konzernierungsformen zu privilegieren oder zu benachteiligen und auf diese Weise Aufgaben des Konzernrechts zu übernehmen. Unabhängig von den Konzernformen, Beteiligungsstrukturen und Beteilungsgrößenordnungen kommt es deshalb auch hier entscheidend darauf an, ob in Abwägung mit den Zielen des Insiderrechts berechtigte Interessen für die 1 Mit ausführlicher Begründung und Hinweisen auch zu verbandsrechtlichen Bedenken Assmann, AG 1997, 56 f. Auch Hammen, in: BuB, Rz. 7/738; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 164 f.; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 290; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 41; Schlaus, S. 37; besondere Rechtfertigungsgründe verlangen auch Uwe H. Schneider/Singhof, in: FS Kraft, S. 603 f.; Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 257; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 53. A.A. Hopt, ZHR 159 (1995), 146: zulässig, wenn „zur einheitlichen Willensbildung zunächst im Pool und dann über diesen in der Familien-AG angezeigt“. 2 Ebenso Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 166; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.559. 3 Etwa Eisele, WM 1993, 1022 (1024 f.); Hoffmann, S. 148 ff.; Hopt, in: FS Beusch, S. 404 ff.; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 246 f., 251; Scharrenberg, in: Claussen/Schwark, S. 114 ff.; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 49; Schweizer, S. 176 ff.; Tippach, 1995, S. 231 ff.; Watter, SJZ 1991, 109 ff. 4 Assmann, in: Lutter/Scheffler/U. H. Schneider, Handbuch Konzernfinanzierung, Rz. 12.25, 12.27 ff.; BAWe/Deutsche Börse, S. 21 in Bezug auf faktischen Konzern; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 166; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 252; ausführlich Uwe H. Schneider, in: FS Wiedemann, S. 1255 ff., insbes. S. 1263 ff.; Schröder, in: Achenbach/Ransiek, X 2 Rz. 182; Schwark/Kruse, in: Schwark/ Zimmer, § 14 WpHG Rz. 54; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 107; Sethe, ZBB 2006, 252; Singhof, ZGR 2001, 146 ff.; Ziemons, AG 1999, 492 (499). Zur Weitergabe von Insiderinformationen im Aktienkonzern s. die Arbeit von Figiel.
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Weitergabe von Insiderinformationen sprechen. Dabei ist es grundsätzlich unerheblich, ob die Informationsweitergabe den unmittelbaren Beteiligungsverhältnissen folgt oder sich direkt an die dem informierenden Unternehmen nur mittelbar konzernverbundenen Gesellschaften sowie ihre Organe oder Mitarbeiter richtet. 95
Im Einzelnen lassen sich unterschiedliche Zwecke anführen, deren Verfolgung eine konzerninterne Informationsweitergabe als befugt und im Sinne der Grøngaard und Bang-Entscheidung des EuGH vom 22.11.2005 (s. oben Rz. 74a) auch als unerlässlich und verhältnismäßig erscheinen lässt: die Weitergabe zur Wahrnehmung der Konzernleitung, zur Sicherstellung der Konzernüberwachung, zur Ermöglichung der konzerninternen Arbeitsteilung und zur Schaffung der Voraussetzungen zur Ausübung konzernspezifischer Mitgliedschaftsrechte1. Die anderen Zwecken dienende Weitergabe von Insiderinformationen – wie etwa die Weitergabe von Informationen, die nur dem Ziel dient, der Konzernmutter lukrative Kapitalanlagen zu ermöglichen – ist dagegen unbefugt2, weil alles andere als unerlässlich. Aus der vorzitierten EuGH-Entscheidung folgt im Übrigen, dass bei jeder konzerninternen Weitergabe zu prüfen ist, ob es dieser im Einzelfall tatsächlich bedarf, um einer anderen Stelle im Konzern die Erfüllung ihrer konzernbezogenen Aufgaben zu ermöglichen3. Eine ganz andere Frage ist der Umgang mit den erlangten Informationen, der seinerseits an den Verbotstatbeständen des § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG zu messen ist: So liegt etwa ein Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG vor, wenn der Vorstand des herrschenden Unternehmens Insiderinformationen verwendet, welche ein Tochterunternehmen betreffen, um seine Beteiligung an der Tochter auszuweiten oder zurückzuführen4. (d) Informationsweitergabe an Betriebsexterne
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Wie schon an früherer Stelle (Rz. 73 f., 74b) ausgeführt, sind Insider zur Weitergabe von Insiderinformationen an Dritte befugt, wenn Letztere die Informationen zur normalen Ausübung ihrer Arbeit oder ihres Berufes oder zur Erfüllung ihrer Aufgabe benötigen oder, wie es in der Sprache der Grøngaard und Bang-Entscheidung des EuGH vom 22.11.2005 (s. oben Rz. 74a f.) heißt, die Weitergabe der Insiderinformation „für die Ausübung einer Arbeit oder eines Berufes oder für die Erfüllung einer Aufgabe unerlässlich“ ist. Gedeckt sind dadurch nur solche Mitteilungen von Insiderinformationen, ohne die eine sachgemäße Wahrnehmung der jeweiligen Arbeit oder Tätigkeit oder des jeweiligen Berufs nicht möglich wäre (vgl. Rz. 74a a.E., 74b, 84 a.E.).
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Ob die Ausübung einer Tätigkeit, einer Aufgabe oder eines Berufs ohne die Mitteilung der Insiderinformation nicht möglich wäre, ist für den Informanten insbesondere dann schwer zu beurteilen, wenn er sich des Dritten gerade als Berater oder Sachverständiger in einer von ihm, dem Informanten, nicht zu überblickenden Materie bedient. Gerade in den Fällen, in denen es sachangemessen (verhältnismäßig, Rz. 74) ist, externe Berater wie etwa Anwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater oder Kreditinstitute sowie Dienstleister und Geschäftsbesorger heranzuziehen, muss die Weitergabe einer Insiderinformation an diese schon dann als unerlässlich betrachtet werden, wenn der Informant bei Weitergabe der Information davon 1 So Uwe H. Schneider, in: FS Wiedemann, S. 1265 ff.; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 255; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 54. Ähnlich und ausführlich, sowohl zum Informationsfluss „von unten nach oben“, „von oben nach unten“ und „horizontal“ (d.h. unter Schwestergesellschaften), auch Singhof, ZGR 2001, 146 ff. 2 Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 255; Singhof, ZGR 2001, 163. 3 Ähnlich Sethe, ZBB 2006, 252. 4 Singhof, ZGR 2001, 171 f.
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ausgehen darf, dass der Informationsempfänger die Information benötigt, um seine Tätigkeit, Aufgabe oder seinen Beruf erfüllen zu können1. Entsprechendes gilt auch für die Weitergabe der erlangten Insiderinformation durch die Berater an deren Mitarbeiter: Auch diese ist nur zulässig, soweit sie zur Erfüllung des übernommenen Mandats unerlässlich ist2. Dabei wird es den mit der Insiderinformation versehenen Sachkundigen und Experten leichter fallen zu beurteilen, inweit die Weitergabe der Information notwendig ist, um Mitarbeitern die Erfüllung einer Tätigkeit oder einer Aufgabe zu erlauben, so dass an die Weitergabe der Information in diesem Falle strengere Anforderungen zu stellen sind als etwa bei der Information eines Experten durch den Ratsuchenden. Auch ein Aufsichtsrat, der sich zur Erfüllung seiner Aufgaben der Hilfe oder des Rats 98 Dritter bedient, darf an die hierfür herangezogenen Personen Insiderinformationen weitergeben3, sofern sie für die Erfüllung dieser Aufgabe unerlässlich (s. Rz. 74) sind, d.h. der Aufsichtsrat davon ausgehen darf, dass der Informationsempfänger die Information benötigt, um seine Tätigkeit, Aufgabe oder seinen Beruf erfüllen zu können (s. Rz. 97). Dies gilt allerdings nur in dem Umfange, als es dem Aufsichtsrat überhaupt aktienrechtlich gestattet ist, Fremde, namentlich fachkundige Mitarbeiter seines Hauses, in die Erfüllung seiner Pflichten einzubinden4, denn nur in diesen Grenzen bewegt sich die Informationsweitergabe noch im Rahmen der vom Mandatsträger übernommenen Aufgabe5. Allein unter diesen Umständen wird man die Heranziehung eines Beraters oder Sachverständigen auch als verhältnismäßig (s. Rz. 74) ansehen dürfen, um auf dieser Grundlage die Weitergabe einer Insiderinformation an diese Personen als für die Erfüllung ihrer Aufgabe als unerlässlich betrachten zu können. Unbefugt ist dagegen jede nicht der Ausübung des Mandats geschul-
1 Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 14 WpHG Rz. 3 a.E.; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 259 f., 262; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 56; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 29; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 63; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 108; Sethe, ZBB 2006, 252. Ähnlich schon für die Zeit vor der Grøngaard und Bang-Entscheidung (Rz. 74a) BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 41; Brandi/Süßmann, AG 2004, 647; Hasselbach, NZG 2004, 1094. 2 Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 167; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 261; Sethe, ZBB 2006, 252. Vor der Grøngaard und Bang-Entscheidung des EuGH v. 22.11.2005 – Rs C-384/02, WM 2006, 612 (oben Rz. 74a) durfte man dies großzügiger sehen: vgl. Hasselbach, NZG 2004, 1087 (1094); von Falkenhausen/Widder, BB 2004, 165 (166 ff.). 3 So vor der Grøngaard und Bang-Entscheidung des EuGH v. 22.11.2005 (Rz. 74a) Assmann, WM 1996, 1349; Assmann, AG 1997, 57; Claussen, Insiderhandelsverbot, Rz. 65; Götz, DB 1995, 1952; Hilgendorf, in: Park (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht, 1. Aufl. 2004, §§ 38 I Nr. 1–3, 12, 13, 14 WpHG Rz. 136; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 40; Kümpel, Wertpapierhandelsgesetz, 1996, S. 82 f.; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 47; Schlaus, S. 38 f.; Schwark, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 14 WpHG Rz. 33, 46. Das wird auch nach der Entscheidung nicht grundsätzlich anders gesehen. Etwa Hammen, in: BuB, Rz. 7/741; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 167; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 236; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 49; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 63. 4 Ebenso Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 236. Zu den verbandsrechtlichen Grenzen s. etwa Hüffer, § 111 AktG Rz. 23; Mertens, in: KölnKomm. AktG, 2. Aufl., § 111 Rz. 89 ff. 5 Schon Assmann, WM 1996, 1349; Assmann, AG 1997, 57; im Ergebnis ebenso Claussen, Insiderhandelsverbot, Rz. 65 a.E.
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dete Weitergabe von Insiderkenntnissen an Dritte, insbesondere an Organmitglieder und Mitarbeiter des Unternehmens, dem der Aufsichtsrat als Mitarbeiter angehört1. 99
In gleicher Weise wie externe Berater können auch andere Dienstleister und Geschäftsbesorger zur Erfüllung der von ihnen übernommenen Aufgaben oder Tätigkeiten auf die Mitteilungen von Insiderinformationen angewiesen sein2. Berechtigt ist deshalb namentlich die Weitergabe von Insiderinformationen an das mit der Veröffentlichung von Insiderinformationen betraute Informationsverbreitungssystem i.S. von § 5 Satz 1 Nr. 1 WpAIV nebst deren mit der Entgegennahme der zur publizierenden Informationen betrauten Mitarbeiter.
100 Vor der Änderung der §§ 14 und 15 WpHG durch das AnSVG (s. Rz. 1) wurde die vom Emittenten veranlasste Mitteilung von Insiderinformationen an „die Presse“ zum Zwecke ihrer Veröffentlichung als befugt angesehen, wenn es sich um nicht der Adhoc-Publizität nach § 15 WpHG a.F. unterfallende „Insidertatsachen“ handelte3. Dieser Ansicht lag die nach §§ 14, 15 WpHG a.F. gebotene Unterscheidung zwischen „Insidertatsachen“ zu Grunde, die der Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG unterfielen, und solchen, bei denen dies nicht der Fall war (3. Aufl. des Kommentars § 15 Rz. 36). Der Unterscheidung ist mit den auf das AnSVG zurückgehenden Änderungen des Gesetzes (Rz. 1) aber der Boden entzogen worden, denn nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG ist jede Insiderinformation i.S. des § 13 WpHG nach Maßgabe von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG i.V.m. §§ 4 ff. WpAIV zu veröffentlichen, sofern sie nur den Emittenten unmittelbar betrifft und kein Grund i.S. von § 15 Abs. 3 WpHG vorliegt, der den Emittenten von der Ad-hoc-Veröffentlichungspflicht zu befreien vermag4. Das bedeutet, dass jede vom Emittenten veranlasste Mitteilung einer Insidertatsache an die Presse und ihre Vertreter zum Zwecke ihrer an die Stelle von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG i.V.m. §§ 4 ff. WpAIV tretenden Veröffentlichung als unbefugt zu betrachten ist5. 101 In gleicher Weise ist regelmäßig auch jede andere Weitergabe einer Insiderinformation durch den Emittenten an die Medien – insbesondere die Tages- und Wirtschaftspresse (einschließlich sog. Börsendienste), den Rundfunk, das Fernsehen, Journalisten, Redakteure und sonstigen Mitarbeiter der angeführten Medien – als unbefugt anzusehen6. Das gilt auch für den Fall, dass die Insiderinformation zum Zwecke ei1 EuGH v. 22.11.2005 – Rs C-384/02 („Grøngaard und Bang“), WM 2006, 612. Assmann, WM 1996, 1349; Assmann, AG 1997, 57. I.E. ebenso Hammen, in: BuB, Rz. 7/741; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.163; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 49; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 48; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 63. 2 Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 60; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 108; Sethe, ZBB 2006, 252. 3 3. Aufl. des Kommentars Rz. 58; Assmann, AG 1997, 57; BAWe, Jahresbericht 1996, S. 18; BAWe/Deutsche Börse, S. 22; Götz, DB 1995, 1951; Hilgendorf, in: Park (Hrsg.), Wirtschaftsstrafrecht, 1. Aufl. 2004, §§ 38 I Nr. 1–3, 12, 13, 14 WpHG Rz. 137; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2001, § 107 Rz. 39; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, 1. Aufl. 2002, Rz. 10.54; Schlaus, S. 38; Schwark, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 14 WpHG Rz. 43 ff.; Süßmann, AG 1999, 166. 4 Auch Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 169; Schwark/ Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 60; Sethe, ZBB 2006, 252. 5 Ebenso Cloppenburg/Kruse, WM 2007, 1112 f.; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 51; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 60. A.A. Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 266. 6 Ebenso Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 51; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 108.
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ner sachlichen Berichterstattung über das Unternehmen mit der Maßgabe weitergegeben wird, die Information dürfe in den entsprechenden Publikationen nicht bekannt gemacht werden. Hier dominiert das Interesse an der Insiderprävention und der informationellen Chancengleichheit der Marktteilnehmer fraglos das Interesse des Unternehmens an seiner Darstellung in der Öffentlichkeit. Unter diesem Gesichtspunkt erst recht unbefugt ist die Mitteilung einer Insiderinformation an den Redakteur eines Börsenblatts, um diesen zur Empfehlung der Aktie des Emittenten zu veranlassen. Nichts anderes kann auch für den Fall gelten, dass die fragliche Mitteilung mit einem Sperrvermerk oder einem sachlichen oder zeitlichen Verwertungsvorbehalt versehen wird1. Eine andere Frage ist es, ob es dem seitens eines Insiders (etwa des Mitarbeiters eines 102 Emittenten oder gar eines dissentierenden Organs desselben) unbefugt informierten Presseorgan oder dem entsprechend unbefugt informierten Journalist oder Redakteur gestattet ist, das erlangte Insiderwissen zu publizieren. Das wurde in der 4. Aufl. des Kommentars (Rz. 58) in insiderrechtlicher Hinsicht jedenfalls für den Fall nicht ausgeschlossen, dass die Publikation durch Herstellung der Bereichsöffentlichkeit2 (und das heißt auch mittels der hierfür vorgesehenen Instrumente) erfolgt, da jede andere Veröffentlichung die Gefahr mit sich brächte, einem begrenzten Adressatenkreis einen informationellen Sondervorteil zu verschaffen. Danach musste jedenfalls die Veröffentlichung des Insiderwissens als Insidertipp in einem Börseninformationsdienst oder in einem sonst nicht zur Herstellung der Bereichsöffentlichkeit geeigneten Organ als unzulässig gelten3. Wenngleich die Vertreter der Presse in solchen Fällen gern (von Abwägungserfordernissen) freie Hand im Umgang mit der erlangten Insiderinformation hätten4 und das im Schrifttum mit dem „umfassenden Vorrang“ der Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 GG) untermauert wird5, sprechen doch gewichtige Gründe dafür, unter den angeführten Umständen die Veröffentlichung einer Insiderinformation dem geordneten Verfahren nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG i.V.m. §§ 4 ff. WpAIV zu unterwerfen6, was als genereller Vorrang dieses Veröffentlichungs1 Assmann, WM 1996, 1351; Hammen, in: BuB, Rz. 7/743; zweifelnd an der Zulässigkeit eines solchen Vorgehens schon Hopt, ZGR 1991, 47; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 55; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 62. Nach nicht überzeugender Ansicht von Götz, DB 1995, 1951, soll es auf die „konkreten Umstände des Einzelfalls“ ankommen. 2 Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 55; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 53, unter zutreffender Zurückweisung der Ansicht von Eichele, WM 1997, 509, wegen Art. 5 GG müsse auch die Veröffentlichung etwa in einem Regionalblatt als befugt zu betrachten sein. Ohne die Einschränkung einer den Anforderungen des § 15 WpHG entsprechenden Veröffentlichung Lücker, S. 174 f., der darüber hinaus die schwerlich vertretbare Auffassung vertritt, bei einer „verabredungswidrigen Veröffentlichung“ der Insidertatsache fehle es an einer Weitergabe. 3 I.E. auch Lücker, S. 175. 4 Jahn, Das Insiderrecht bringt die Pressefreiheit in Gefahr, FAZ vom 4.6.2008, Nr. 128, S. 21. Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 257. 5 Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 295, 297; Schröder, NJW 2009, 466 f., 469; Schröder, in: Schröder/Sethe (Hrsg.), S. 79 ff., 94. Auch Cloppenburg/Kruse, WM 2007, 1114; Eichele, WM 1997, 509; Gehrmann, S. 163 ff. 6 Ebenso Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 171; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 90 f., 108; Sethe, ZBB 2006, 252 f. I.E. auch Cloppenburg/Kruse, WM 2007, 1112 f. Grds. auch Hammen, in: BuB, Rz. 7/744, mit dem ebenso zutreffenden wie wenig operationalen, aber „restriktiv“ gedachten Vorbehalt, die Pressefreiheit müsse gewahrt bleiben. Einschränkender Cloppenburg/Kruse, WM 2007, 1114. A.A. Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 53; Sven H. Schneider, NZG 2005, 703 ff. Für eine Information des Emittenten durch den Journalisten,
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verfahrens zu begreifen und nicht als Verpflichtung der Betroffenen zur Vornahme einer – fraglos dem Emittenten vorbehaltenen – Ad-hoc-Veröffentlichung misszuverstehen ist1. Dafür ist zunächst der Umstand anzuführen, dass allein das gesetzliche Veröffentlichungsverfahren die Wahrung der informationellen Chancengleichheit der Marktteilnehmer bei der Publikation von Insiderinformationen zu gewährleisten vermag. Des Weiteren hat die Änderung des § 15 Abs. 1 WpHG durch das AnSVG (Rz. 1) Lücken in Bezug auf die Veröffentlichung von Insiderinformationen durch den Emittenten geschlossen, indem es diesen zur Veröffentlichung aller Insiderinformationen verpflichtet, die ihn unmittelbar betreffen, und nicht lediglich solcher, die – so die frühere Regelung – in seinem Tätigkeitsbereich eingetreten und wegen ihrer Auswirkungen auf die Vermögens- oder Finanzlage oder auf den allgemeinen Geschäftsverlauf des Emittenten kursrelevant sind. Sodann lässt sich nur auf diese Weise das Recht des Emittenten wahren, im Interesse des Unternehmens nach Maßgabe von § 15 Abs. 3 WpHG von der Veröffentlichung einer Insiderinformation Abstand nehmen zu dürfen. Und schließlich wird die unbefugt informierte und die Insiderinformation veröffentlichende Person dadurch auch vor möglichen rechtlichen (insbesondere schadensersatzrechtlichen) Folgen ihres Handelns bewahrt2. Dagegen ist die Veröffentlichung der Insiderinformation durch den Informierten dann als befugt i.S. des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG zu betrachten, wenn besondere Umstände dies „rechtfertigen“. Dabei ist indes nicht an Rechtfertigungsgründe für eine den Tatbestand einer Straftat erfüllende Handlung gedacht, was die in der 4. Aufl. des Kommentars (Rz. 102) noch verwandte Formulierung, es bedürfe hierfür besonderer Rechtfertigungungsgründe, nahe legte3. Vielmehr geht es – auf der Grundlage der Qualifikation des Merkmals „befugt“ als Tatbestandsmerkmal und nicht als Verbrechensmerkmal (Rz. 72) – um Umstände, die das Handeln des Journalisten als befugt erscheinen lassen. Zu diesen gehören etwa kriminelle Vorgänge im Unternehmen in Gestalt bspw. von Korruptionsfällen oder illegalen Abfallbeseitigungsmaßnahmen4, die nicht nur für das Anlagepublikum von Bedeutung sind, sondern auch ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit auslösen, hinter denen die Interessen an ein geordnetes Kapitalmarktinformationsverfahren zurückstehen müssen. Entsprechend ist auch in den Fällen zu verfahren, in denen die Insiderinformationen nicht durch
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dem eine Insiderinformation weitergegeben wurde, Bergmann/Löffler, in: Schröder/Sethe (Hrsg.), S. 104 ff. So aber Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 61. Diesen Hinweis empfinden Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 61, mit sachfremden Erwägungen als sachfremd. Dessen ungeachtet: Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Veröffentlichung einer Insiderinformation durch einen Dritten die Rechte des Emittenten verletzt, den sie unmittelbar betrifft, ist bislang nicht näher untersucht worden. Zu denken wäre etwa an die Verletzung eines nach § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechts, wie etwa eines Eigentumsrechts des Emittenten an der veröffentlichten Information (und damit auch an der Entscheidung über deren Veröffentlichung oder Nichtveröffentlichung) oder an einen Eingriff in den Gewerbebetrieb des Emittenten (namentlich, aber nicht nur für den Fall, dass die Insiderinformation aufgrund von § 15 Abs. 3 WpHG nicht ad hoc publiziert werden muss, wie etwa der Eintritt eines durch Kreditverhandlungen mit einer Bank zu beseitigenden Finanzierungsengpasses des Emittenten, wenn aufgrund der Veröffentlichung dieses Umstands durch einen Dritten die Kreditverhandlungen scheiterten). Hinsichtlich der sachlichen Erwägungen wie hier, aber noch offen, ob die Gesichtspunkte der Pressefreiheit und der Interessen der Öffentlichkeit auf der Tatbestandsebene oder der Ebene der Rechtfertigungsgründe berücksichtigt werden sollen, Schröder, in: Achenbach/ Ransiek, X 2 Rz. 184. Beispiele bei Schröder, in: Achenbach/Ransiek, X 2 Rz. 184.
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Insider an den Journalisten herangetragen, sondern von diesem – im Wege des investigativen Journalismus – selbst ermittelt wurden. Mit den vorstehend (Rz. 102) angeführten Erwägungen und Vorbehalten ist auch das Vorgehen einer nicht der Ad-hoc-Publizitätspflicht unterliegenden Person als unzulässig zu betrachten, die befugt oder zumindest auf eine nicht gegen das Weitergabeverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG verstoßende Weise in den Besitz einer Insiderinformation gelangte und diese an die Presse zum Zwecke der Veröffentlichung weitergibt. In solchen Fällen ist die Presse nicht das geeignete Organ zur Entsorgung von Insiderinformationsrückständen im Wege ihrer Publikation. Vermag der Insider in solchen Fällen die Presse zu informieren, ist ihm auch zumutbar, die Aufsichtsbehörde entsprechend in Kenntnis zu setzen, damit diese die Veröffentlichung der Information veranlassen kann.
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Aus den vorstehend dargelegten Grundsätzen folgt auch, dass die Weitergabe von In- 104 siderinformationen an Journalisten und Redakteure von Börsendiensten, Presse, Rundfunk und Fernsehen im Rahmen von Interviews, Betriebsbesichtigungen, sog. Vor-Ort-Gesprächen und dergleichen unbefugt erfolgt1. Dies gilt selbst dann, wenn die Einladung nicht auf einen speziellen Teilnehmerkreis beschränkt ist oder „an alle Interessenten“ gerichtet wurde2. So oder so werden hier nicht die Medien oder die Presse, sondern nur einzelne Vertreter derselben informiert (s. Rz. 58). Durch die Ausdehnung des Kreises von Insidern erhöht sich demzufolge die Gefahr von Insidergeschäften, ohne dass dem eine berechtigte Erwartung auf eine ordnungsgemäße Information des Publikums gegenüberstünde. Entsprechendes gilt für freiwillig („Hintergrundgespräche“) oder zur Erfüllung entsprechender Emittentenpflichten (etwa nach § 53 der Börsenordnung für die Frankfurter Wertpapierbörse) durchgeführte Analystengespräche3. Sind bei einer nicht börsennotierten und damit auch nicht der Ad-hoc-Publizi- 105 tätspflicht nach § 15 WpHG unterliegenden Tochtergesellschaft Umstände eingetreten, die eine von dem Mutterunternehmen nach § 15 Abs. 1 WpHG zu publizierende Insiderinformation darstellen, so sind auch die Vorstände der Tochtergesellschaft Insider und unterliegen dementsprechend dem Verbot der unbefugten Weitergabe der Insiderinformation nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG. Entsprechend den Grundsätzen, wie sie im Hinblick auf die Mitteilung von Insiderinformationen auf der Hauptversammlung einer börsennotierten Gesellschaft (Rz. 86 f.) und der Weitergabe von Insiderinformationen an Finanzanalysten und Journalisten (Rz. 104) ausgeführt wurden, ist die Bekanntgabe der fraglichen Umstände auf der Hauptversammlung oder einer Pressekonferenz der Tochtergesellschaft oder gegenüber einzelnen Finanzanalysten oder Journalisten erst nach deren öffentlichem Bekanntwerden als befugt zu betrachten4: Auch wenn die Tochtergesellschaft in diesem Falle nicht selbst zur Veröffentlichung der Insiderinformation nach § 15 WpHG verpflichtet ist, handelt es sich – im Hinblick auf die Muttergesellschaft – doch gleichwohl um eine 1 Assmann, AG 1997, 57; BAWe/Deutsche Börse, S. 22; J. Hartmann, S. 241 ff.; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 59; Schlaus, S. 38; Soesters, S. 194; auch Götz, DB 1995, 1951, mit der überflüssigen Einschränkung, die Mitteilung müsse „mit der Zielrichtung der Beeinflussung der Wertpapiermärkte“ erfolgen. 2 Kümpel, Wertpapierhandelsgesetz, 1996, S. 80. 3 Assmann, AG 1997, 57; Götz, DB 1995, 1991; Hopt, Bankrechtstag 1995, 19; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 263; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 55; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 42 f.; Soesters, S. 194; Süßmann, AG 1997, 65; Süßmann, AG 1999, 165. 4 Dazu ausführlich Götz, DB 1995, 1952.
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der Ad-hoc-Publizitätspflicht unterliegende Insiderinformation, deren Weitergabe ohne vorhergehende Veröffentlichung nach Maßgabe von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG i.V.m. §§ 4 ff. WpAIV unzulässig ist (vgl. oben Rz. 8 f.)1. (e) Weitergabebefugnis im Rahmen möglicher Interessenkonflikte von im Finanzwesen tätigen Unternehmen 106 Auch bei der Beurteilung der Frage, wie Kreditinstitute (§ 1 Abs. 1 KWG), Finanzdienstleistungsinstitute (§ 1 Abs. 1a KWG), Finanzunternehmen (§ 1 Abs. 3 KWG), Wertpapierdienstleistungsunternehmen (§ 1 Abs. 4 WpHG) und andere in der Anlageberatung tätige Unternehmen sowie deren jeweilige Mitarbeiter im Rahmen ihrer Geschäfts- und Beratungstätigkeit mit berufs-, aufgaben- oder tätigkeitsbedingt erlangten Insiderinformationen umzugehen haben (s. dazu schon Rz. 26 ff.), lassen sich keine allgemeingültigen Verhaltensregeln aufstellen. Sinnvolle Antworten sind vielmehr nur im Wege einer differenzierenden Behandlung konkreter Interessenkonflikte zu finden, wobei wiederum die Interessen der Betroffenen unter Berücksichtigung anderweitig begründeter Verhaltenspflichten der Unternehmen und Mitarbeiter auf der einen Seite und die Zielsetzung des Insiderrechts auf der anderen Seite gegeneinander abgewogen werden müssen. 107 Wurde noch vor Erlass des WpHG die Auffassung vertreten, Kreditinstitute und andere in der Anlageberatung tätige Unternehmen seien nicht nur berechtigt, sondern grundsätzlich auch verpflichtet, ihr Insiderwissen in die Anlageberatung ihrer Kunden eingehen zu lassen2, so ist diese Ansicht mit dem geltenden Insiderrecht nicht vereinbar3. Keinem Marktteilnehmer sollen Insidervorteile zufließen, nur weil er Kunde eines speziellen, mit Insiderwissen ausgestatteten Kreditinstituts oder eines anderen über Insiderinformationen verfügenden Unternehmens ist4. 108 Für den Umgang der zur Vermögenssorge für Dritte verpflichteten Unternehmen mit Insiderinformationen lässt sich deshalb der Grundsatz aufstellen, dass das Ziel des Insiderhandelsverbots, die informationelle Chancengleichheit der Anleger zu gewährleisten und Sondervorteile aus der Verwertung von Insiderwissen auszuschließen, es verbietet, einzelnen Marktteilnehmern solche Sondervorteile nur deshalb zu gewähren, weil sie mit einem Insider in vertraglicher Beziehung stehen. Käme niemand auf den Gedanken, die Weitergabe von Insiderinformationen durch einen Insider unter dem Gesichtspunkt als berechtigt anzusehen, dass sich dieser zur Weitergabe vertraglich verpflichtet hat, so kann es auch nicht angehen, eine solche Verpflichtung über den Umweg diesbezüglicher Nebenleistungs- oder Nebenpflichten 1 I.E. auch Götz, DB 1995, 1952, der darüber hinaus eine Befugnis der Tochtergesellschaft zur Herstellung der Bereichsöffentlichkeit in Bezug auf die fragliche Tatsache nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG a.F. analog annimmt; für eine solche Befugnis auch BAWe/Deutsche Börse, S. 22. Das ist nach der hierzu vertretenen Ansicht (s. Rz. 103) abzulehnen. 2 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 448 ff.; Schwark, DB 1971, 1605 (1607); hierzu, jeweils m.w.N., Dingeldey, DB 1982, 685, Hopt, in: FS Heinsius, S. 300 und Tippach, 1995, S. 266 ff., 272 ff. 3 Assmann, AG 1994, 253 ff.; Assmann, WM 1996, 1351 ff.; Assmann, AG 1997, 57 f.; Claussen, Insiderhandelsverbot, Rz. 78; Hammen, in: BuB, Rz. 7/745, 7/749; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 172; Krauel, S. 246; Lücker, S. 158; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 336; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 58; Schäfer, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 23 Rz. 47; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 45; Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 292; Schröder, in: Achenbach/Ransiek, X 2 Rz. 185; Soesters, S. 200 ff., 205. 4 Näher Assmann, WM 1996, 1352, und Rz. 62.
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aus einem allgemeinen Bankvertrag, einem Wertpapierkommissionsgeschäft, einem Beratungsvertrag oder einem Vermögensverwaltungsvertrag im Besonderen oder einem Geschäftsbesorgungsvertrag im Allgemeinen zu begründen. Vielmehr wirkt sich das Regelungsanliegen des Insiderrechts beschränkend auf die Ansprüche eines Kunden gegenüber einem Kreditinstitut oder anderen zur Vermögenssorge für Dritte verpflichteten Unternehmen aus. Es gibt mithin keinen Individualanspruch eines Kunden auf Erlangung von Insiderinformationen, der sich gegenüber dem Anspruch aller Marktteilnehmer auf die Wahrung ihrer informationellen Chancengleichheit in Bezug auf Insiderinformationen durchsetzen könnte1. Auch im Falle einer Pflichtenkollision beim Aufeinandertreffen sich widersprechen- 109 der insiderrechtlicher Verhaltenspflichten aus § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG einerseits und Verantwortlichkeiten von Kreditinstituten oder sonstigen Unternehmen für die Wahrung der Vermögensinteressen ihrer Kunden andererseits ist der daraus resultierende Interessenkonflikt zu Lasten des einzelnen Kunden und zugunsten der die Interessen des Marktpublikums schützenden Erwerbs- und Veräußerungs-, Weitergabeund Empfehlungsverbote zu entscheiden2. Ungeachtet der Interessenwahrungspflichten des jeweiligen Unternehmens darf deshalb die Kenntnis von Insiderinformationen nicht in der Weise verwandt werden, dass etwa Vermögensverwalter Wertpapiererwerbs- und -verkaufsgeschäfte zugunsten ihrer Kunden tätigen, Kreditinstitute ihr Insiderwissen an einzelne Anleger weitergeben, um diesen entsprechende Dispositionen zu ermöglichen, oder Anlageberater den von ihnen betreuten Investoren auf Insiderinformationen beruhende Empfehlungen erteilen. Vor diesem Hintergrund ist die Auffassung vertreten worden, um Kunden nicht se- 110 henden Auges ins Verderben rennen zu lassen, sei den von der Pflichtenkollision betroffenen Unternehmen zumindest ein die Weitergabe einer Insiderinformation rechtfertigendes Nothilferecht zu gewähren3. Abgesehen davon, dass sich ein Nothilferecht in Bezug auf eine von allgemeinen Marktdaten veranlasste Vermögensdisposition eines Anlegers (etwa in Gestalt einer erteilten oder unterlassenen Order) schon rechtsdogmatisch nur schwer begründen lässt4, ist die Anerkennung eines solchen auch sachlich nicht gerechtfertigt5. Zunächst spricht dagegen, dass das über Insiderwissen verfügende Unternehmen entweder (in eklatanter Verletzung des in1 Assmann, AG 1994, 254; Assmann, WM 1996, 1352; Hammen, in: BuB, Rz. 7/745; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.557; Tippach, S. 272 ff., 284. So auch vor Erlass des WpHG schon Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Rz. 1893 („Verzerrung der Chancengleichheit am Wertpapiermarkt“ ist zu verhindern), Dingeldey, DB 1982, 687, und Heinsius, ZHR 145 (1981), 194. 2 Assmann, AG 1994, 254; Dickersbach, S. 188 f.; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 172; Tippach, S. 272 ff.; schon vor Erlass des WpHG in diesem Sinne Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Rz. 1893, Dingeldey, DB 1982, 687 und Heinsius, ZHR 145 (1981), 194; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 58; ebenso, in Bezug auf entsprechende Pflichtenkollisionen bei der Vermögensverwaltung, Schäfer, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 23 Rz. 46; zur Frage des Verhältnisses des Untreuetatbestands des § 266 StGB zu § 14 Abs. 1 Nr. 2, 3 WpHG, vgl. Cramer, AG 1997, 62: Eine Treuepflicht wird durch § 14 WpHG begrenzt. A.A. Hopt, in: FS Heinsius, S. 303. 3 Canaris, Bankvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, Rz. 1894; Heinsius, ZHR 145 (1981), 194. 4 Dazu näher Tippach, S. 277 ff. 5 Assmann, WM 1996, 1352 f.; Benicke, S. 744 f.; Cramer, AG 1997, 62; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 172; Lücker, S. 159 f.; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 337; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 60; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 45; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 88; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 109; Tippach, S. 278.
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siderrechtlichen Chancengleichheitsgrundsatzes) sämtliche in ihrer Disposition von der Insiderinformation betroffenen Kunden informieren müsste, wollte man jede im Lichte der Insiderinformation voraussehbar nachteilige Anlagemaßnahme als Auslöser des Nothilferechts betrachten, oder zu einer Gratwanderung zwischen Strafbarkeit und Schadensersatzforderungen von Seiten ihrer Kunden gezwungen wäre, wollte man die Nothilfe von differenzierteren tatbestandlichen Voraussetzungen abhängig machen. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass Kreditinstitute und andere Beratungsunternehmen es in der Hand haben, Konfliktlagen wie die geschilderte durch geeignete Vorkehrungen zu vermeiden, ohne dass dadurch Erwartungen der Kunden in die Beratungsleistung enttäuscht werden müssen. Und schließlich ist nicht zu übersehen, dass das über Insiderkenntnisse verfügende Unternehmen ohne Verstoß gegen das Weitergabe- und Empfehlungsverbot von einer Transaktion abraten kann (s. Rz. 122)1 und damit bereits auf diese Weise einen erheblichen Teil möglicher „Nothilfelagen“ bewältigen kann. Als „Nothilfefall“ verbleibt damit praktisch nur derjenige, dass ein Anleger über erhebliche Bestände von Wertpapieren eines von einer negativen Insiderinformation betroffenen Unternehmens verfügt, doch ist schwerlich einzusehen, weshalb dieser Investor, selbst wenn die fraglichen Papiere – aus welchen Gründen auch immer – einen erheblichen Teil seines Vermögens ausmachen sollten, hinsichtlich seines Verlustrisikos gegenüber demjenigen anderer Anleger zu begünstigen wäre. Deshalb ist auch hier davon auszugehen, dass das Unternehmen dem Anleger weder die Insiderinformation weitergeben noch ihm zum Notverkauf raten darf2. 111 Entsprechendes gilt auch für die Kollision insiderrechtlicher Verhaltensgebote, namentlich das Weitergabeverbot, mit anderweitigen, aus einer Geschäftsbesorgung für Dritte folgenden Pflichten. Soweit mit der Geschäftsbesorgung auch gesetzliche oder rechtliche Pflichten verbunden sind, die nicht nur der Wahrnehmung der Interessen der anderen Vertragspartei zu dienen bestimmt sind (vgl. Rz. 80 ff.), ist eine spezielle Interessenabwägung vorzunehmen und nach Verhaltensregeln zu suchen, die eine optimale Erfüllung der mit den jeweiligen Pflichten verfolgten Ziele erlauben. Ein solcher Fall liegt etwa vor, wenn ein Kreditinstitut, das Kenntnisse von einer Insiderinformation hat, Mitverantwortung für einen Emissionsprospekt trägt, so dass insiderrechtliche und prospekthaftungsrechtliche Verhaltensanforderungen, bei denen es sich gleichermaßen um marktbezogene Pflichten handelt, kollidieren. Die Veröffentlichung der Insiderinformation in einem Emissionsprospekt hätte zur Konsequenz, dass sie nur von einem Teil des Publikums zur Kenntnis genommen werden könnte und so den Anspruch des anderen Teils desselben auf informationelle Chancengleichheit verletzen würde. Die mit den jeweiligen Pflichten verfolgten Ziele lassen sich jedoch dann miteinander in Einklang bringen, wenn man das Kreditinstitut verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass der Prospekt, im Lichte der Insiderinformation, keine falschen Angaben enthält und keinen unzutreffenden Gesamteindruck3 vermittelt4. Entsprechendes gilt für den Fall, dass ein über Insiderinformationen verfügendes Konzernunternehmen im Rahmen eines Emissionsvor1 Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 61; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 45. Unbedenklich ist auch die Empfehlung einer anderen als der geplanten Transaktion, Assmann, WM 1996, 1353. 2 Cramer, AG 1997, 62. 3 BGH v. 12.7.1982 – II ZR 175/81, WM 1982, 862 = AG 1982, 278. 4 Assmann, WM 1996, 1354. Ebenso Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 173; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 344; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 79; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 89a.
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gangs die (Mit-)Verantwortung für die Richtigkeit und Vollständigkeit eines Emissionsprospekts trägt1. Kennt ein in der Anlageberatung tätiges Unternehmen negative Insiderinformatio- 112 nen über bestimmte Emittenten, so stellt es keinen Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot dar, wenn es die Informationen zum Anlass nimmt, seine Mitarbeiter anzuhalten, Wertpapiere des betreffenden Emittenten auf weiteres nicht mehr zu empfehlen: In diesem Verhalten liegt weder Verwendung der Insiderinformation für eigene oder fremde Erwerbs- oder Veräußerungsgeschäfte noch die Weitergabe der Information noch die an einen anderen gerichtete Empfehlung, Wertpapiere zu erwerben oder zu veräußern2. Die fragliche Instruktion der Mitarbeiter könnte rein insiderrechtlich sogar mit Angabe der konkreten Gründe (d.h. unter Weitergabe der Insiderinformation) erfolgen, denn auch in diesem Fall würde es sich zwar nicht um eine zwingend erforderliche, aber gleichwohl noch berufsspezifische legitime Weitergabe handeln. Eine solche ist allerdings zu verneinen, wenn – was insbesondere für Kreditinstitute typisch ist – ein Unternehmen in unterschiedlichen Geschäftssparten tätig wird und Mitarbeiter die in ihrem Geschäftsbereich bekannt gewordenen Insiderinformationen an die mit Wertpapiergeschäften befasste Abteilung weitergeben (s. Rz. 93). Werden dem Interessenten am Erwerb eines Aktienpakets oder dem potenziellen Bie- 113 ter eines Wertpapiererwerbsangebots im Zuge einer aktienrechtlich (d.h. vor allem im Unternehmensinteresse) zulässigerweise eingeräumten Due Diligence-Prüfung Insiderinformationen mitgeteilt oder zugänglich gemacht, so stellt dies – auch unter Berücksichtigung der Grøngaard und Bang-Entscheidung des EuGH vom 22.11.2005 (s. oben Rz. 74a) – keine unbefugte Weitergabe oder Zugänglichmachung dar3; s. auch Rz. 154 ff. Die bloße Gewährung einer Due Diligence-Prüfung stellt im Übrigen noch keine Insiderinformation dar4, denn nur unter außergewöhnlichen Umständen rechtfertigt dieser Vorgang die Annahme, der Eintritt der beabsichtigten Transakton sei dadurch hinreich wahrscheinlich geworden; darüber hinaus wäre die Einräumung einer Due Diligence-Prüfung ohnehin nur kurserheblich, wenn auch die geplante Transaktion – würde sie sich realisieren – ihrerseits als kurserheblich zu betrachten wäre. bb) Subjektiver Tatbestand Im Hinblick auf den subjektiven Tatbestand des in § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG enthaltenen Verbots kommt die vorsätzliche oder leichtfertige Mitteilung bzw. das vorsätzli1 Assmann, in: Lutter/Scheffler/U. H. Schneider, Handbuch Konzernfinanzierung, Rz. 12.32. 2 Vgl. Cramer, AG 1997, 62; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 339; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 61; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 109. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 38; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 68; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 304 ff. (308), 319; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 58; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 111 („unerlässlich, um den Kaufgegenstand in Augenschein zu nehmen“); Sethe, ZBB 2006, 252; Widder/Kocher, AG 2009, 658. Davor Brandi/Süßmann, AG 2004, 647; Cahn, Der Konzern 2005, 8; Hasselbach, NZG 2004, 1088; Hemeling, ZHR 169 (2005), 283; Schroeder, DB 1997, 2165. Nach Liekefett, S. 178 ff., 180, 185, nur, wenn (entsprechend dem Maßstab in § 29 Abs. 2 WpÜG) eine Beteiligungshöhe von mehr als 30 % angestrebt wird. A.A. Bachmann, ZHR 172 (2008), 624 ff.; Sven H. Schneider, S. 67 ff. 4 Auch Eggenberger, Gesellschaftsrechtliche Voraussetungen und Folgen einer due-diligencePrüfung, 2001, S. 338; Götze, BB 1998, 2328 f.; Gunßer, S. 113, 143.
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che oder leichtfertige Zugänglichmachen einer Insiderinformation in Betracht (s. § 38 Rz. 41). Dabei ist einerseits zwischen dem Handeln eines Primär- oder Sekundärinsiders und andererseits zwischen der Sanktion eines Verstoßes gegen das Weitergabeverbot als Straftat oder als Ordnungswidrigkeit zu unterscheiden: Ein vorsätzlicher Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG ist für den Primärinsider eine Straftat (§ 38 Abs. 1 Nr. 2 WpHG), für den Sekundärinsider dagegen nur eine Ordnungswidrigkeit (§ 39 Abs. 2 Nr. 3 WpHG). Ein leichtfertiger Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG stellt sowohl für den Primärinsider als auch den Sekundärinsider eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 39 Abs. 2 Nr. 3 WpHG). 115 Vorsätzliches Handeln liegt vor, wenn der Täter weiß, dass es sich bei der mitgeteilten oder einem anderen zugänglich gemachten Information um eine Insiderinformation handelt1. Daran fehlt es, wenn der Betreffende infolge der Annahme von Tatsachen, aufgrund derer ein Umstand als öffentlich bekannt anzusehen wäre (s. § 13 Rz. 31 ff.), fälschlich davon ausgeht oder ernsthaft darauf vertraut, ein Umstand sei bereits öffentlich bekannt, also über das Tatbestandsmerkmal Insiderinformation irrt (s. § 38 Rz. 83). Beim Zugänglichmachen muss er wissen oder damit rechnen und dies in Kauf nehmen, dass der Dritte sich die Kenntnis von der Insiderinformation verschaffen wird2. Auch fehlt es am Vorsatz, wenn der Täter davon ausgeht, dass die Person, der die Insiderinformation mitgeteilt werden soll, sie schon kennt3. Ausreichend ist, dass der Betreffende mit bedingtem Vorsatz handelte (s. § 38 Rz. 81 f.). Am Vorsatzerfordernis hat auch das Urteil des EuGH vom 23.12.2009 („Spector Photo Group“)4 nichts geändert; s. dazu oben Rz. 61a. 116 Leichtfertig handelt, wer die gebotene Sorgfalt in einem ungewöhnlich hohen Maße verletzt (s. Rz. 62). So handelt bspw. leichtfertig, wer bei der Versendung einer E-Mail mit Insiderinformationen andere als die Adressaten einsetzt, denen die Nachricht mitgeteilt werden soll. Eine leichtfertige Mitteilung einer Insiderinformation liegt auch vor, wenn der Lebensgefährte der Vorstandssprecherin einer AG während eines gemeinsamen Urlaubs im Ferienhaus mitbekommt, dass seine Lebensgefährtin wegen wichtiger und vertraulicher Dinge angerufen wird und die Telefonate in seiner Gegenwart geführt werden5. Leichtfertig handelt aber auch derjenige, der an einem PC seine passwortgeschützten Dateien geöffnet hat, sein Dritten zugängliches Büro verlässt, ohne sich ordnungsgemäß abzumelden, und so anderen den Zugang zu Insiderinformationen ermöglicht. Entsprechendes gilt, wenn der Vorstand bspw. ein als vertraulich gekennzeichnetes Dokument in den Papierkorb wirft. b) Empfehlungs- und Verleitungsverbot (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG) 117 § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG verbietet es, einem anderen auf der Grundlage einer Insiderinformation den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren zu empfehlen oder 1 Auch Eggenberger, Gesellschaftsrechtliche Voraussetzungen und Folgen einer due-diligence-Prüfung, 2001, S. 338; Götze, BB 1998, 2328 f.; Gunßer, S. 113, 143. 2 Ebenso etwa Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 177; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 358; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 66. A.A. Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 113. 3 Ebenso Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 351. A.A. Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 113. 4 EuGH v. 23.12.2009 – Rs C-45/08, AG 2010, 78 = ZIP 2010, 78. 5 Beispiel in Anlehnung an BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 45 f.; hier wird im (hinsichtlich der Umstände nicht näher umschriebenen) Mithörenlassen der Lebensgefährtin ein leichtfertiges Zugänglichmachen gesehen, was allerdings auf dasselbe Ergebnis eines leichtfertigen Verstoßes gegen § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG hinausläuft.
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einen anderen auf sonstige Weise dazu zu verleiten. Bis zur Änderung der Vorschrift durch das AnSVG (Rz. 1) enthielt diese, Art. 3 lit. b der Insiderrichtlinie von 1989 (Einl. Rz. 13) entsprechend, lediglich ein Empfehlungsverbot. Mit dem aufgrund des AnSVG neu hinzugekommenen Verbot, andere Personen zu Insidergeschäften zu verleiten, wird Art. 3 lit. b der Marktmissbrauchsrichtlinie (Rz. 1) umgesetzt. Hinzu kommt, dass sich das Verbot aufgrund anderweitiger Änderungen des § 14 WpHG (s. Rz. 2) seither an alle Personen richtet, die Kenntnis von einer Insiderinformation haben. aa) Objektiver Tatbestand (1) Empfehlung Mit dem zunächst in § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG a.F. allein enthaltenen Empfehlungs- 118 verbot wurde dafür Sorge getragen, dass eine mögliche Lücke eines Insiderhandelsverbots gar nicht erst entstehen konnte: Eine Lücke, die es dem Insider hätte gestatten können, durch Empfehlung und kollusives Zusammenwirken mit dem Empfehlungsempfänger in den Genuss der Vorteile eines Insidergeschäfts zu gelangen, ohne gegen das Erwerbs- und Veräußerungsverbot und das Weitergabeverbot zu verstoßen1. Zur Definition des Empfehlungsbegriffs kann auf die Begriffsbestimmung Bezug ge- 119 nommen werden, wie sie sich im Hinblick auf das Merkmal der Empfehlung im Empfehlungsverbot des § 38 Abs. 1 Nr. 10 GWB a.F.2 und in §§ 22, 23 GWB3 als üblich herausgebildet hat. Dementsprechend ist als Empfehlung jede einseitige, rechtlich unverbindliche Erklärung zu betrachten, durch die jemand in der Absicht, den Willen des Adressaten zu beeinflussen, ein Verhalten als für den Adressaten vorteilhaft bezeichnet und die Verwirklichung dieses Verhaltens anrät4. Darunter fällt vor allem das, was im insiderrechtlichen Sprachgebrauch als „Tipp“ bezeichnet wird. Die Empfehlung muss den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren zum 120 Gegenstand haben und muss ursächlich auf die Kenntnis einer Insiderinformation zurückgehen5. Deshalb unterliegt eine Empfehlung, die auch ohne das Insiderwissen abgegeben worden wäre, nicht dem insiderrechtlichen Empfehlungsverbot. Nicht erforderlich ist, dass die Empfehlung die Insiderinformation preisgibt6. Wäre dies der 1 2 3 4
Vgl. Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 47/48; BAWe/Deutsche Börse, S. 23. Tiedemann, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 2. Aufl. 1992, § 38 Rz. 124 m.w.N. Sauter, in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl. 2001, § 23 Rz. 14 ff. Becker, S. 56; Cahn, Der Konzern 2005, 12; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 181; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.170; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 366; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 63; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 34; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 71; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.566; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 118; Soester, S. 197. Nach Schröder, in: Achenbach/Ransiek, X 2 Rz. 188, muss es dem Empfehlenden nicht um die Beeinflussung des Willens des anderen gehen; vielmehr soll es ausreichen, wenn ein Verhalten als vorteilhaft dargestellt wird. 5 Ebenso Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 63; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 375; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 35 f.; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.573; Schröder, in: Achenbach/Ransiek, X 2 Rz. 189; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 71; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 118. Einschränkend Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 65. 6 BAWe/Deutsche Börse, S. 23; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 35; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.573;
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Fall, würde dieser Vorgang bereits vom Weitergabeverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG erfasst. Dementsprechend wird auch derjenige, demgegenüber die Empfehlung erteilt wird, nicht seinerseits zu einem den Verhaltensverboten aus § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG unterliegenden Insider. Die Befolgung der Empfehlung stellt deshalb keine Insidertat dar. Umgekehrt setzt die Verletzung des Empfehlungsverbots nicht die Vornahme der empfohlenen Geschäfte voraus1; das Verbot ist vielmehr mit der Abgabe der Empfehlung verletzt. Ebenso wenig wie das Empfehlungsverbot die Mitteilung einer Insiderinformation verlangt, muss in der Empfehlung zum Ausdruck kommen oder erkennbar sein, dass sie auf der Grundlage der Kenntnis einer Insiderinformation erfolgt2, denn nicht die Befolgung der Empfehlung, sondern die Abgabe einer solchen aufgrund von Insiderwissen soll unterbunden werden. Keine Rolle spielt schließlich, ob der Empfehlende für die Empfehlung eine Gegenleistung erhält oder erwartet oder an dem mit der Durchführung der Empfehlung realisierten Gewinn partizipiert oder partizipieren soll3. 121 Die Empfehlung ist gegenüber „einem anderen“ abzugeben. „Anderer“ ist jede andere Person als der Empfehlende selbst. Zurechnungsfragen spielen hierbei keine Rolle, weshalb eine Empfehlung gegenüber einem anderen auch dann vorliegt, wenn, wie etwa in betrieblichen Zusammenhängen, sowohl das Handeln des Empfehlenden sowie dasjenige des Empfehlungsempfängers derselben natürlichen oder juristischen Person zuzurechnen sein sollte. Ein „anderer“ i.S. des § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG ist auch jedes rechtlich selbständige Konzernunternehmen4: Ist eines der Konzernunternehmen gehindert, sein Insiderwissen auszunutzen oder weiterzugeben, so würden diese Verbote leer laufen, wäre das gleiche Ziel, zumindest wirtschaftlich, durch eine entsprechende Empfehlung an ein anderes Konzernunternehmen zu erreichen5. Dass die Empfehlung auf Insiderwissen beruht, muss weder erkennbar sein, noch muss der Empfehlungsempfänger dies erkannt haben (s. oben Rz. 120). Ist dem Empfehlenden indes bewusst, dass die Empfehlung in Kenntnis einer Insiderinformation erteilt wurde, so kommt auch in diesem Falle lediglich eine Teilnahme am Insiderverstoß des Empfehlenden in Betracht6, nicht aber eine eigene Insidertat des Empfehlungsempfängers (s. oben Rz. 54). 122 Der Rat, vom Erwerb oder der Veräußerung eines Insiderpapiers abzusehen, fällt aufgrund des klaren Wortlauts der Bestimmung, welche nur eine Empfehlung zum Erwerb oder zur Veräußerung eines Insiderpapiers erfasst, nicht unter das Empfehlungsverbot. Warnt etwa ein Kreditinstitut einen Kunden vor dem Verkauf oder dem Erwerb von Insiderpapieren, so liegt darin weder ein Verstoß gegen das Empfehlungs-
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Schröder, in: Achenbach/Ransiek, X 2 Rz. 187; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 119. Ebenso Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 63; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bankund Kapitalmarktrecht, Rz. 3.566. Ebenso Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 63; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 375; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.573; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 119. Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 64; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 376; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.567. Ebenso Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 62; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 118. Assmann, in: Lutter/Scheffler/U. H. Schneider, Handbuch Konzernfinanzierung, Rz. 12.34. Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 37; Sethe, in: Assmann/ Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 118.
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verbot1 noch ein solcher gegen die anderen Verbotstatbestände des § 14 Abs. 1 WpHG2 (s. auch Rz. 54). Daran ändert sich auch dann nichts, wenn der Empfehlende dem Kunden „Insiderwissen“ als Grund des Rats, von der geplanten Transaktion Abstand zu nehmen, angibt, ohne dabei die Insidertatsache selbst bekannt zu geben3. Insiderrechtlich unbedenklich ist es auch, wenn der Empfehlende aufgrund seines Wissens von der geplanten Transaktion abrät, indem er gleichzeitig den Erwerb oder die Veräußerung eines anderen Insiderpapiers empfiehlt, zu dem er über keine Insiderinformationen verfügt4. Anders als im Schrifttum5 teilweise vertreten, kann in dem Abraten von einer Ver- 123 äußerung von Insiderpapieren nicht notwendigerweise die Empfehlung zum Zuerwerb gesehen werden. Wer bspw. die Empfehlung erhält „Ich würde die Dings-Papiere im Moment nicht abstoßen“, wird dies, wenn nicht weitere Informationen nachgeschoben werden, vernünftigerweise nur so deuten, dass der Empfehlende den Zeitpunkt einer Veräußerung der Dings-Papiere für nachteilig hält, nicht aber, dass es ratsam sei, sich noch weiter mit Papieren einzudecken, die man zwar besser nicht hätte, aber im Moment auch nicht verkauft6. Dagegen ist allerdings nicht zu bestreiten, dass, zusammen mit weiteren vom Empfehlenden eingesetzten Mitteln, auch die Empfehlung, bestimmte Insiderpapiere nicht zu veräußern, den Tatbestand des Verleitens erfüllen kann. Darüber hinaus wird gegen die vorstehend abgelehnte Ansicht aber vor allem eingewandt, ihr stehe die Wortlautgrenze des Art. 100 Abs. 2 GG entgegen7. Erfasst wird die Empfehlung, die Wertpapiere für sich oder einen anderen zu erwer- 124 ben oder zu veräußern (vgl. Rz. 5 ff.). Zwar spricht § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG nicht (wie § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG) von einer Transaktion für eigene oder fremde Rechnung oder für einen anderen, jedoch kann sich die Empfehlung auch darauf erstrecken, Wertpapiere für einen anderen zu kaufen oder zu verkaufen8.
1 Assmann, WM 1996, 1352; Becker, S. 56; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 267; Cramer, AG 1997, 62; Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 14 WpHG Rz. 4; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 183; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.170; Lücker, S. 115 f.; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 372; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 66; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.570; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 36, 45; Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 303; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 71. 2 Vgl. Cramer, AG 1997, 62. 3 Assmann, WM 1996, 1353; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 71. 4 Assmann, WM 1996, 1353; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 373. 5 Cahn, Der Konzern 2005, 12; Cahn, ZHR 162 (1998), 44. 6 Ähnlich sehen Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 86;, in der Annahme, eine Empfehlung, vom Kauf eines Insiderpapiers abzusehen, sei zugleich ein Rat zum Verkauf des Papiers, eine reine „Fiktion“. I.E. ebenso Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bankund Kapitalmarktrecht, Rz. 3.571. 7 Assmann, WM 1996, 1351 f.; Becker, S. 56; Cramer, AG 1997, 62; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 85. Ablehnend auch Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 183. 8 Art. 3 lit. b EG-Insiderrichtlinie; Becker, S. 56; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 184; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 63; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 374; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 64; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.572; Schwark/Kruse, in: Schwark/ Zimmer, § 14 WpHG Rz. 71; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 120. Kritisch Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 36 (die h.M. ge-
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125 Von einer Empfehlung i.S. des § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG ist auch für den Fall auszugehen, dass eine Person auf der Grundlage eines von ihr gefassten Entschlusses oder eines Vorhabens Dritten gegenüber eine Empfehlung abgibt. Zwar liegt weder eine Verwendung dieser inneren Tatsachen vor, wenn sie von der Person, die sie geschaffen hat, in die Tat umgesetzt werden (s. Rz. 31), noch sollen die inneren Tatsachen für die betreffende Person eine Insiderinformation darstellen, weil es ihnen an einem „Drittbezug“ fehle (s. § 13 Rz. 10). Würde aber das Wissen um den Entschluss für Dritte eine Insiderinformation darstellen, so wäre eine Empfehlung auf der Grundlage des Entschlusses als ein Verstoß gegen das Empfehlungsverbot zu betrachten (s. Rz. 68). (2) Verleitung 126 Des Weiteren erfasst § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG den Fall, dass eine Person auf der Grundlage einer Insiderinformation einen anderen auf sonstige Weise zum Erwerb oder zur Veräußerung von Insiderpapieren verleitet. Schon die Formulierung „oder einen anderen auf sonstige Weise dazu zu verleiten“ lässt erkennen, dass der Begriff des Verleitens nach den Vorstellungen des Gesetzgebers den Oberbegriff zu demjenigen der Empfehlung abgeben soll, oder – mit anderen Worten – die Empfehlung als ein „spezieller Unterfall des Verleitens als Mittel der Willensbeeinflussung“1 zu betrachten ist. Dementsprechend wird unter dem Begriff des Verleitens jede Verhaltensweise erfasst, deren Zweck darin besteht, den Willen eines anderen (zum Begriff des „anderen“ s. Rz. 121) im Hinblick auf den Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren zu beeinflussen2. 127 Die Verletzung des Verleitungsverbots setzt, ebenso wie diejenige des Empfehlungsverbots (s. Rz. 120), nicht voraus, dass der andere tatsächlich Insiderpapiere erworben oder veräußert hat. Dagegen ist, auch hierin dem Empfehlungsverbot entsprechend (s. Rz. 120), zu verlangen, dass das Verleiten ursächlich auf die Kenntnis einer Insiderinformation zurückgeht3. 128 Ebenso wenig wie die Empfehlung, vom Erwerb oder der Veräußerung eines Insiderpapiers abzusehen, das Empfehlungsverbot verletzt (s. Rz. 122), verstößt eine Person gegen das Verleitungsverbot, wenn sie eine andere dazu verleitet, den Erwerb oder die Veräußerung eines Insiderpapiers zu unterlassen4. Allerdings kann in einer Empfehlung, von der geplanten Veräußerung bestimmter Wertpapiere abzusehen, eine Verleitung zum Zuerwerb dieser Papiere gesehen werden, wenn weitere Mittel eingesetzt werden, um den Betreffenden hierzu zu veranlassen (s. Rz. 123).
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langt zu diesem Ergebnis, „obwohl der Wortlaut in Nr. 3 insoweit von dem von Nr. 1 abweicht“). Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 41; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 41; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 361, 379; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 67; Schwintek, S. 27; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 122. Begr. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 34; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 41. Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 379; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 67; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.574; Schäfer, in: Schäfer/ Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 32; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 122. Ebenso Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 122. Einschränkend Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 67 i.V.m. Rz. 65 („mitursächlich“). Ebenso Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 381; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 68; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 32. A.A. Cahn, Der Konzern 2005, 12; Cahn, ZHR 162 (1998), 44.
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Des Weiteren untersagt auch das Verleitungsverbot, nicht anders als das Empfehlungsverbot (s. Rz. 121), den anderen zum Erwerb oder zur Veräußerung von Insiderpapieren für sich oder einen Dritten zu verleiten. Die Person, die – ohne dass ihr Insiderinformationen mitgeteilt werden – zu solchen Geschäften verleitet wird, wird dadurch nicht selbst zum Insider und unterliegt damit auch nicht den Insiderverboten aus § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG1.
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Von einer Verleitung i.S. des § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG ist auch für den Fall auszugehen, dass eine Person auf der Grundlage eines von ihr gefassten Entschlusses oder eines Vorhabens Dritten gegenüber eine Empfehlung abgibt und so einen anderen zum Erwerb oder zur Veräußerung von Insiderpapieren verleitet (s. Rz. 125).
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bb) Subjektiver Tatbestand Der subjektive Tatbestand des § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG kann durch die vorsätzliche oder leichtfertige Empfehlung des Erwerbs oder der Veräußerung eines Insiderpapiers bzw. die vorsätzliche oder leichtfertige Verleitung hierzu auf sonstige Weise verwirklicht werden. Dabei ist einerseits zwischen dem Handeln eines Primär- oder Sekundärinsiders und andererseits zwischen der Sanktion eines Verstoßes gegen das Weitergabeverbot als Straftat oder als Ordnungswidrigkeit zu unterscheiden: Ein vorsätzlicher Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG ist für den Primärinsider eine Straftat (§ 38 Abs. 1 Nr. 2 WpHG), für den Sekundärinsider dagegen nur eine Ordnungswidrigkeit (§ 39 Abs. 2 Nr. 4 WpHG). So oder so muss sich der Vorsatz auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale beziehen; s. dazu oben Rz. 57, 59. Bedingter Vorsatz ist ausreichend (s. oben Rz. 58). Am Vorsatzerfordernis hat auch das Urteil des EuGH vom 23.12.2009 („Spector Photo Group“)2 nichts geändert; s. dazu oben Rz. 61a. Ein leichtfertiger Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG stellt sowohl für den Primärinsider als auch den Sekundärinsider eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 39 Abs. 2 Nr. 4 WpHG).
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3. Die Insiderhandelsverbote in komplexen Transaktionen (§ 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG) Komplexe Transaktionen, an deren Zustandekommen und Durchführung nicht nur die jeweiligen Vertragspartner, sondern eine Vielzahl von Unternehmen und Personen mitwirken, können zu Verhaltensweisen Anlass geben, die unter allen angeführten insiderrechtlichen Verbotstatbeständen relevant sein können und deren insiderrechtliche Überprüfung den Gesamtzusammenhang einzelner Aktionen und Geschäfte zu beachten hat.
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a) Übernahmeangebote aa) Das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz als Angelpunkt Zu solchen Transaktionen zählen vor allem öffentliche Übernahmeangebote. Sie gel- 133 ten von jeher als „locus classicus“ des Insiderhandels3. Obschon öffentliche Übernahmeangebote – und unter diesen namentlich „feindliche“ – bis zum Ende der neunziger Jahre in Deutschland nicht zu verzeichnen waren, hat doch bereits mit der Ablösung der auf Selbstregulierung beruhenden Insiderregelung durch die mit dem 1 Unstr., vgl. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 41. 2 EuGH v. 23.12.2009 – Rs C-45/08, AG 2010, 78 = ZIP 2010, 78. 3 Davies, in: Hopt/Wymeersch (eds.), S. 243.
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2. FFG eingeführte gesetzliche Regelung des Insiderhandels im WpHG auch in Deutschland die Diskussion der insiderrechtlichen Behandlung von Übernahmeangeboten eingesetzt1. Das war – ungeachtet des Umstands, dass auch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des WpHG („feindliche“) öffentliche Übernahmeangebote auf inlandsansässige Unternehmen wenig wahrscheinlich erschienen – schon deshalb geboten, weil die Insiderhandelsvorschriften des WpHG von jeher auch dann Anwendung finden konnten, wenn sich Übernahmeangebote nicht ausschließlich auf deutschem Boden vollzogen, wie etwa in dem Falle, dass ein deutsches Unternehmen ein Übernahmeangebot in Bezug auf ein Unternehmen abgibt, dessen Wertpapiere an der Börse eines Mitgliedstaats der EU oder des EWR gehandelt werden (s. § 12 Satz 1 Nr. 2 WpHG). 134 Mit dem Erlass des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG)2 konnte deshalb bereits auf die Grundzüge einer Dogmatik des Insiderrechts in Übernahmeangebotssituationen zurückgegriffen werden. Die Besonderheiten des WpÜG – darunter namentlich der Einsatz der Vorschriften des Gesetzes mit dem Zeitpunkt, in dem der Bieter die Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots getroffen hat (§ 10 WpÜG), sowie die Differenzierung der Regelungen des Gesetzes nach unterschiedlichen Angebotsformen in Gestalt von Wertpapiererwerbsangeboten, Übernahmeangeboten und Pflichtangeboten (§§ 2 Abs. 1, 29 Abs. 1, 35 Abs. 1 WpHG) – zwingen jedoch dazu, die bisher entwickelten Regeln auf die neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen zu übertragen3. Darüber hinaus hat der Grundsatz, dass das, was übernahmerechtlich erlaubt oder gar geboten ist, auch insiderrechtlich zulässig sein muss4, mit der Kodifikation des Übernahmerechts eine noch größere Bedeutung erlangt. 135 Dessen ungeachtet muss die insiderrechtliche Beurteilung von Angebotssachverhalten zu einem früheren Zeitpunkt der Entwicklung von Angeboten einsetzen als es das WpÜG in übernahmerechtlicher Hinsicht tut, beginnend mit dem Zeitpunkt erster Überlegungen eines Bieters über die Abgabe eines Angebots oder der Entscheidung über Maßnahmen, die ein Pflichtangebot erforderlich machen, bis hin zum Ablauf der Angebotsfrist eines sodann tatsächlich unterbreiteten Angebots. Um Ordnung in die Vielfalt der sich im Zuge der Anbahnung und Durchführung eines Angebots bildenden insiderrechtlich relevanten Sachverhalte zu bringen, empfiehlt sich eine Unterscheidung nach freiwilligen Angeboten (in Gestalt von Wertpapiererwerbs- oder Übernahmeangeboten, §§ 10 ff. bzw. 29 ff. WpÜG) und Pflichtangeboten (§§ 35 ff. WpÜG) und bei den freiwilligen Angeboten eine nach Angebotsphasen5 differenzierende Betrachtung. bb) Freiwillige Angebote 136 Wenn nachfolgend von Übernahmeangeboten (§ 29 Abs. 1 WpÜG) die Rede ist, gelten die diesbezüglichen insiderrechtlichen Ausführungen, soweit nichts Anderweitiges vermerkt ist, entsprechend auch für Wertpapiererwerbsangebote (§§ 1, 2 Abs. 1, 10 ff. WpÜG) d.h. für öffentliche Angebote, die nicht auf den Erwerb der Kontrolle ei1 S. 2. Aufl. des Kommentars Rz. 79 ff.; Schacht, insbes. S. 41 ff. 2 Art. 1 des Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen vom 20.12.2001 (BGBl. I 2001, 3822). 3 S. dazu schon Assmann, ZGR 2002, 697. 4 Vgl. Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 75. 5 Zur Übersicht Assmann, Erwerbs-, Übernahme- und Pflichtangebote nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz aus der Sicht der Bietergesellschaft, AG 2002, 114 ff.; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 32 VII.
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nes Zielunternehmens i.S. der Erlangung von mindestens 30 % der Stimmrechte an der Zielgesellschaft (§ 29 Abs. 2 WpÜG) gerichtet sind. (1) Planungsphase Auch wenn die Planungsphase von freiwilligen Angeboten, d.h. die Phase bis zur 137 Entscheidung über die Abgabe eines Angebots, übernahmerechtlich ohne Bedeutung ist, wirft gerade diese Phase eine Fülle insiderrechtlicher Fragen auf. Das hängt damit zusammen, dass es sich bei der Information über das Vorhaben zur Abgabe eines Angebots um eine solche über einen noch nicht eingetretenen Umstand handelt, die nach dem neuen Recht als konkrete Information zu betrachten ist, wenn nur mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass es in Zukunft eintreten werde (§ 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG)1. Auf diese Weise ist jede Stufe auf dem Weg zur Umsetzung des Vorhabens angefangen von ersten Erwägungen bis hin zur Entscheidung über die Abgabe eines Übernahmeangebots für sich genommen darauf hin zu überprüfen, ob diesbezügliches Wissen eine Insiderinformation darstellt (s. § 13 Rz. 28 ff.). Auf die übernahme- oder ad-hoc-publizitätsrechtliche Pflicht zur Veröffentlichung der jeweiligen Schritte zur Verwirklichung des Vorhabens kommt es insoweit nicht an; sie ist nur insoweit von Belang, als spätestens mit der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots nach §§ 10 Abs. 1, 34 WpÜG das Vorhaben öffentlich bekannt ist und damit keine Insiderinformation mehr darstellt. (a) Bieter Der Bieter ist dadurch an der Durchführung seines Vorhabens nicht gehindert2, da ei- 138 ne Person bei der Umsetzung ihrer Vorhaben oder Entschlüsse keine Insiderinformation in Bezug auf dieselben verwendet (s. Rz. 31). Anders verhält es sich dagegen, wenn der Bieter seinen Entschluss, ein Übernahmeangebot abzugeben, einem Dritten mitteilt, denn für diesen stellt das Wissen um einen solchen Entschluss – vorausgesetzt, seine Umsetzung ist hinreichend wahrscheinlich und die Information darüber kurserheblich – eine Insiderinformation dar (s. Rz. 68)3. Wird ein solcher Entschluss einem anderen mitgeteilt, so stellt dies nur dann keinen Verstoß gegen das Weitergabeverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG dar, wenn die Mitteilung befugt i.S. dieser Vorschrift erfolgt4. Unzweifelhaft verfügt der Dritte, der Kenntnis von einem Entschluss zur Abgabe eines Übernahmeangebots erlangt, welcher auch die übrigen Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG erfüllt, über eine Insiderinformation und unterliegt damit seinerseits den Verhaltensverboten nach § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG. Die vorstehenden Überlegungen gelten im Grundsatz auch für den Erwerb von Wertpapieren der Zielgesellschaft aufgrund sog. Dawn Raids. Bei diesen handelt es sich um die gezielte, möglichst am Anfang eines Unternehmensübernahmevorhabens 1 Vgl. § 13 Rz. 21. Auch nach dem alten Recht wurden Pläne als Insidertatsache angesehen, wenn sie kurserheblich waren. Vgl. 3. Aufl. des Kommentars § 13 Rz. 36 und § 14 Rz. 81; Assmann, ZGR 2002, 701; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2001, § 107 Rz. 60; Wittich, S. 381, 382. 2 Assmann, WM 1996, 1354; Assmann, ZGR 2002, 702; Cahn, ZHR 162 (1998), 19; Hopt, ZGR 1991, 37 (38); Hopt, in: FS Beusch, S. 406; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 47; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 87; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 76. 3 Assmann, ZGR 2002, 703. Anders 3. Aufl. Rz. 81b. 4 Dazu Assmann, ZGR 2002, 703.
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vorgenommene und i.d.R. auf einen kurzen Zeitraum zusammengedrängte Ansprache potenzieller Inhaber größerer Partien von Aktien des Zielunternehmens. Fraglos verstößt der Bieter auch hier nicht gegen das Erwerbs- und Veräußerungsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG, wenn es aufgrund solcher Aktivitäten zum Erwerb von Wertpapieren der Zielgesellschaft kommt, denn auch hier handelt der Bieter in Verfolgung seines Übernahmeplans und nicht in Verwendung einer Insiderinformation1. Allerdings werden der Bieter bzw. die für ihn handelnden Personen i.d.R. wohl kaum zu einem Abschluss gelangen, wenn sie den Angesprochenen nicht im Rahmen der einzelnen Verkaufsgespräche Informationen über den Grund des Erwerbsinteresses mitteilen. Vorausgesetzt, bei der Information über das Übernahmevorhaben handelt es sich bereits um eine Insiderinformation, ist dies jedoch bedenklich: zum einen, weil die Insiderinformation auf diese Weise an eine Vielzahl von Personen weitergegeben wird, die der Versuchung unterliegen könnten, ihren dadurch erlangten Wissensvorsprung gewinnbringend umzusetzen; und zum anderen, weil ein solches Vorgehen zumindest im Vorfeld öffentlicher Übernahmeangebote regelmäßig nicht als geboten erscheint, um den Erfolg des Angebots zu sichern, und der Bieter deshalb in diesem Verhalten nicht schutzwürdig ist. Auf jeden Fall sind Wertpapiergeschäfte der angesprochenen Inhaber von Wertpapieren der Zielgesellschaft, die auf die mitgeteilte Insiderinformation zurückgehen, durch § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG verboten. Auch wenn dem Angesprochenen keine Insiderinformationen weitergegeben werden und er in engem zeitlichen Zusammenhang mit seiner Ansprache durch den Bieter Wertpapiere der Zielgesellschaft zukauft, kommt ein bedingt vorsätzliches (zum dolus eventualis s. oben Rz. 58 und unten Rz. 192) oder zumindest leichtfertiges Handeln des Angesprochenen (§ 38 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 WpHG) und damit ein Verstoß gegen das Erwerbs- und Veräußerungsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG in Betracht2; dabei ist es unerheblich, ob man den Angesprochenen als Primär- oder Sekundärinsider betrachtet, da das Verbot aus § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG i.V.m. § 38 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 WpHG beide gleichermaßen trifft. 140 Ebenso wenig wie der Bieter als Insider handelt, wenn er seinen Entschluss, ein Übernahmeangebot abzugeben, zu verwirklichen beginnt, verwendet er eine Insiderinformation, wenn es zum Voraberwerb von Wertpapieren der Zielgesellschaft kommt, d.h. beim Erwerb von Wertpapieren derselben im Vorfeld der Entscheidung über die Abgabe eines Angebots durch den späteren Bieter. Folgte man der (durch die Georgakis-Entscheidung des EuGH3 so nicht mehr aufrecht zu erhaltenden) Entscheidung des BGH vom 6.11.2003 zur Strafbarkeit des „Scalping“, so fehlte es diesbezüglich schon an der Verwendung einer Insiderinformation i.S. einer Information mit „Drittbezug“4. Davon unabhängig hat sich das ganz überwiegende Schrifttum schon zuvor dagegen ausgesprochen, den Voraberwerb von Wertpapieren der Zielgesellschaft durch den Bieter als Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot anzusehen und dies im Wesentlichen mit der Überlegung begründet, solche Vorabkäufe seien Teil eines Gesamtplans, im Hinblick auf dessen Umsetzung der Bieter nicht Insider sein könne (s. Rz. 35, 138). Das mag zwar im Hinblick auf die Durchführung eines Übernahmeangebots und die diesbezüglich zu schützenden Interessen als bedenklich erscheinen, stellt deshalb aber noch keine insiderrechtlich zu sanktionierende Ver-
1 Brandi/Süßmann, AG 2004, 646. 2 So wohl auch Brandi/Süßmann, AG 2004, 646 (Verstoß gegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG wäre in diesem Falle nicht auszuschließen). A.A. Meyer/Kiesewetter, WM 2009, 342. 3 EuGH v. 10.5.2007 – Rs C-391/04 („Georgakis“), AG 2007, 542; s. § 13 Rz. 10. 4 BGH v. 6.11.2003 – 1 StR 24/03, NJW 2004, 302 (303 f.) = AG 2004, 144.
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haltensweise dar1. Den übernahmerechtlichen Aspekten von Vorabkäufen von Wertpapieren der Zielgesellschaft durch den Bieter ist dadurch Rechnung getragen worden, dass sie sich auf die Berechnung der vom Bieter zu offerierenden Gegenleistung für sein Übernahmeangebot auswirken (§ 31 Abs. 3 Nr. 1 WpÜG)2. Erfährt der Bieter nach seinem Entschluss und im Zuge der Vorbereitung zur Abgabe 141 eines Übernahmeangebots Insiderinformationen in Bezug auf die Zielgesellschaft, so unterliegt er grundsätzlich, wie jeder andere Marktteilnehmer auch, den Insiderhandelsverboten aus § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG. Deshalb sind ihm auch Käufe von Wertpapieren versagt, die – und sei es auch nur hinsichtlich des Zeitpunkts des Erwerbs der Papiere – ursächlich auf die Insiderinformation zurückzuführen sind3. Daran wird es regelmäßig fehlen, wenn der Bieter mit dem Voraberwerb der Wertpapiere sein Vorhaben verfolgt, im Vorfeld der Veröffentlichung möglichst viele Wertpapiere der Zielgesellschaft zu erwerben4. (b) Organmitglieder, Mitarbeiter und Hilfspersonen des Bieters Ist derjenige, der die Abgabe eines Übernahmeangebots plant oder sich zu einer sol- 142 chen entschlossen hat, eine Gesellschaft, so verfügen die Mitglieder der Organe im Hinblick auf ihr diesbezügliches Wissen – vorausgesetzt, es kann mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von der Umsetzung des Vorhabens ausgegangen werden und es handelt sich um nicht öffentlich bekanntes, kurserhebliches Wissen – über eine Insiderinformation und unterliegen damit den Verboten des § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG. Wenn man eine als Bieter in Betracht kommende natürliche Person im Hinblick auf 143 die Umsetzung ihres Vorhabens oder Entschlusses und den Voraberwerb von Wertpapieren der Zielgesellschaft nicht als Insider betrachtet (vgl. Rz. 31), so ist es nur folgerichtig, dies auch für den Fall anzunehmen, dass der potenzielle Bieter eine durch ihre Organe handelnde Gesellschaft ist. Ebenso wenig, wie eine Person bei der Umsetzung ihrer Vorhaben oder Entschlüsse Insider sein kann (Rz. 138), kann deshalb ein Organ im Hinblick auf die Umsetzung des nach verbandsrechtlichen Grundsätzen gebildeten Willens einer Gesellschaft Insider sein. Das schließt es nicht aus, dass Organmitglieder dieses Wissen für eigene Wertpapier- 144 geschäfte oder für solche Dritter verwenden, unbefugt weitergeben oder andere auf der Grundlage ihrer Insiderinformationen zu Wertpapiergeschäften verleiten und damit gegen die Verbote nach § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG verstoßen. Im Hinblick auf die Sanktion eines solchen Verhaltens nach §§ 38, 39 WpHG ist es von Belang, ob die Organmitglieder der Bietergesellschaft als Primär- oder Sekundärinsider zu betrachten sind: Soweit es um die Wertpapiere der Bietergesellschaft geht, sind sie Primärinsider, vorausgesetzt sie haben ihr Wissen um das Vorhaben oder den Entschluss der Gesellschaft als Organe i.S. von § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. a WpHG erlangt. Ob Organe der Bietergesellschaft allein aufgrund dieser Eigenschaft auch Primärinsider in Bezug auf die Wertpapiere der Zielgesellschaft sein können, mag man im Hinblick auf den Wortlaut des § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. a WpHG, welcher eine Organstellung bei dem 1 Hopt, in: FS Heinsius, S. 296; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 89; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 76; im Ansatz auch Tippach, S. 204 f. 2 Dazu näher Krause, in: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 31 WpÜG Rz. 74 ff. 3 Hopt, ZGR 2002, 358; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 91; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 76. 4 Assmann, WM 1996, 1354; Brandi/Süßmann, AG 2004, 645 f.; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 91.
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Emittenten (der Insiderpapiere) verlangt, skeptisch beurteilen, doch erlangen die Organmitglieder ihre Informationen über geplante Angebote betreffend Wertpapiere der Zielgesellschaft regelmäßig berufs-, tätigkeits- oder aufgabenbedingt sowie bestimmungsgemäß1 und sind damit, weil diesbezüglich kein spezifischer Emittentenbezug vorliegen muss, jedenfalls als Primärinsider i.S. des § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. c WpHG anzusehen2. 145 Mitarbeiter des Bieters und von diesem zur Verfolgung seines Plans eingesetzte, zu Rate gezogene oder zur Finanzierung des geplanten Angebots konsultierte Hilfspersonen verfügen über Insiderinformationen, wenn sie Kenntnis von dem nicht öffentlich bekannten Vorhaben erhalten3 und dieses die übrigen Anforderungen von Insiderinformationen (d.h. hinreichende Eintrittswahrscheinlichkeit und Kurserheblichkeit) erfüllt. Dies vorausgesetzt unterliegen sie sowohl im Hinblick auf die Wertpapiere des Bieters als auch in Bezug auf diejenigen der Zielgesellschaft den Insiderhandelsverboten nach § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG. (c) Mit dem Bieter gemeinschaftlich handelnde Personen 146 Ist es als Mitteilung einer Insiderinformation zu betrachten, wenn der Bieter einem Dritten sein Vorhaben oder seinen Entschluss zur Abgabe eines Übernahmeangebots kundgibt und diesem jeweils sowohl hinreichende Eintrittswahrscheinlichkeit als auch Kurserheblichkeit beizumessen ist (s. Rz. 138), so erfolgt die Weitergabe doch gleichwohl befugt, wenn sie gegenüber Personen vorgenommen wird, die mit dem Bieter gemeinschaftlich zu handeln beabsichtigen oder die der Bieter zum gemeinschaftlichen Handeln gewinnen möchte, denn in beiden Fällen ist die Weitergabe der Information zur Erreichung des legitimen Ziels des Bieters unerlässlich. Gemeinsam mit dem Bieter handelnde und nach § 2 Nr. 1 WpÜG-AngVO in der Angebotsunterlage aufzuführende Personen sind nach § 2 Abs. 5 WpÜG natürliche oder juristische Personen, die ihr Verhalten im Hinblick auf ihren Erwerb von Wertpapieren der Zielgesellschaft oder ihre Ausübung von Stimmrechten aus Aktien der Zielgesellschaft mit dem Bieter aufgrund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise abstimmen, wobei Tochterunternehmen des Bieters als mit diesem gemeinsam handelnde Personen gelten. Diese Bestimmungen zeigen, dass die mit dem Bieter gemeinschaftlich handelnden oder zu handeln beabsichtigenden Personen zwar nicht „Bieter“ i.S. des § 2 Abs. 4 WpÜG sind, das Gesetz ihnen aber gleichwohl eine übernahmerechtliche Sonderrolle zuerkennt, die eine Anpassung der insiderrechtlichen Bestimmungen an dieselbe rechtfertigt und unerlässlich macht4. Das hat insbesondere zur Folge, dass die Weitergabe von Informationen über den Plan zur Abgabe eines Angebots durch den Bieter an Personen, die er zum gemeinschaftlichen Handeln für den Fall der Abgabe eines Angebots gewonnen hat oder gewinnen möchte, in gleicher Weise zulässig sein muss, wie etwa die Versuche der Zielgesellschaft, einen „White Knight“ als konkurrierenden Bieter zu gewinnen (s. Rz. 150). Die Weitergabe wird nicht etwa dadurch nachträglich unbefugt, dass die angesprochene Person ein gemeinschaftliches Handeln ablehnt.
1 Vgl. BGH v. 17.9.1996 – 4 A Rs 21/95, AG 1997, 40 (41). S. auch 3. Aufl. des Kommentars § 13 Rz. 11. 2 Ebenso Schacht, S. 62. Dass sich die in § 38 Abs. 1 Nr. 2 WpHG erfassten Insiderkreise überschneiden können, ist unbestritten; vgl. Pananis, S. 122 ff. zu § 13 Abs. 1 WpHG a.F. 3 Assmann, ZGR 2002, 704; F. Immenga, ZBB 1995, 200; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 95, 96, 321; Schacht, S. 62 f. 4 Ebenso Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 77.
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Hat die über den Entschluss zur Abgabe eines Übernahmeangebots oder den An- 147 gebotsplan informierte und damit über eine Insiderinformation verfügende Person das Ansinnen gemeinschaftlichen Handelns abgelehnt, unterliegt sie in jeder Hinsicht den Insiderhandelsverboten aus § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG. Folgt sie dagegen dem Ansinnen, so liegt im Erwerb von Wertpapieren der Zielgesellschaft, allgemein auch als „Warehousing“ bezeichnet, oder in der Ausübung von Stimmrechten aus Aktien der Zielgesellschaft i.S. des § 2 Abs. 5 WpÜG keine Verwendung der erlangten Insiderinformation1. Das alles setzt freilich voraus, dass die informierte Person die vorstehend (Rz. 146) angeführten Voraussetzungen „gemeinschaftlichen Handelns“ i.S. des § 2 Abs. 5 WpÜG erfüllt und später in der Angebotsunterlage als mit dem Bieter „gemeinschaftlich handelnd“ benannt wird. Bleibt dies aus, ist die informierte Person, die nach Kenntniserlangung des Angebotsplans Wertpapiere der Zielgesellschaft erwirbt, so zu behandeln wie jeder sonst durch den Bieter über seinen Plan in Kenntnis gesetzte oder unter Mitteilung des Vorhabens zum Erwerb von Aktien der Zielgesellschaft aufgeforderte Dritte2. (d) Zielgesellschaft sowie deren Organmitglieder, Mitarbeiter und Hilfspersonen Nimmt der mit der Vorbereitung eines Übernahmeangebots befasste Bieter mit der 148 Zielgesellschaft Kontakt auf und informiert Organmitglieder oder (leitende) Angestellte der Zielgesellschaft über sein Vorhaben, so ist darin keine unzulässige Weitergabe einer Insiderinformation zu sehen: Auch wenn ein solches Vorgehen nicht gesetzlich geboten ist und auch das WpÜG ein solches nicht vorsieht, liegt dieses doch im schützenswerten Interesse der Bietergesellschaft, der Zielgesellschaft und namentlich der Aktionäre der Letzteren im Hinblick auf die Abklärung der Möglichkeit einer „freundlichen“ Übernahmetransaktion und ist damit als befugt zu betrachten3. Dessen ungeachtet erlangen die Informierten damit – wiederum unterstellt, die Umsetzung des noch nicht öffentlich bekannten Vorhabens ist hinreichend wahrscheinlich und die Information über den Plan kurserheblich – eine Insiderinformation4. Bedienen sich die vorab informierte Zielgesellschaft oder deren Organe (Vorstand 149 und/oder Aufsichtsrat) im Hinblick auf das zu erwartende Angebot des Rats oder der Hilfe sachverständiger Dritter, denen die Zielgesellschaft zu diesem Zweck die erlangten Informationen mitteilt, so handelt es sich hierbei um eine befugte Weitergabe. Diese hat allerdings zur Konsequenz, dass auch die Informierten zu Insidern (nämlich Primärinsidern i.S. von § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. c WpHG) werden und den Insiderhandelsverboten nach § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG unterliegen. Gleiches gilt für den Fall, dass sich die Zielgesellschaft auf die Suche nach einem „White Knight“ begibt und dem jeweils angesprochenen potenziellen Konkurrenten 1 Assmann, WM 1996, 1355; Brandi/Süßmann, AG 2004, 645; Davies, in: Hopt/Wymeersch (eds.), S. 254 f.; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 48; Hopt, in: FS Heinsius, S. 297; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 99, 324; Schacht, S. 71 f., 168 f.; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 77. 2 Ebenso Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 324; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 77. A.A. Brandi/Süßmann, AG 2004, 645. 3 I.E. auch Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 322; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 79. 4 Wie nach dem früheren Recht werden sie damit zu Primärinsidern: Die Organe kraft ihrer Organstellung (§ 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. a WpHG), die Angestellten – sofern sie die Information nicht nur zufällig, sondern bestimmungsgemäß erhalten – berufs-, tätigkeits- oder aufgabenbedingt (§ 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. c WpHG). Zum alten Recht Assmann, ZGR 2002, 706 f.; Schacht, S. 73; Wittich, S. 382.
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des Bieters die von diesem erlangten Informationen mitteilt, damit sich der Angesprochene auf ein konkurrierendes Angebot vorbereiten kann1. Vorbehalte hiergegen sollten mit der Regelung in § 33 Abs. 1 Satz 2 WpÜG, welche „die Suche nach einem konkurrierenden Angebot“ von dem grundsätzlichen Angebotsverhinderungsverbot nach § 33 Abs. 1 Satz 1 WpÜG ausdrücklich ausnimmt, entfallen sein. Im Interesse der Funktionsfähigkeit eines Übernahmemarkts, die durch die Möglichkeit des Auftretens konkurrierender Bieter gesteigert wird, ist deshalb die Weitergabe des Insiderwissens über ein bevorstehendes Angebot an einen potenziellen „White Knight“ als befugt zu betrachten2. Dagegen wird man es weiterhin als unzulässig anzusehen haben, wenn die Weitergabe der erlangten Insiderinformation über ein bevorstehendes Übernahmeangebot nicht der Suche nach einem „White Knight“ (also eines Bieters für ein vom WpÜG vorgesehenes und sogar gefördertes konkurrierendes Angebot) dient, sondern das Zielunternehmen Verbündete im Verteidigungskampf zu gewinnen sucht, welche die Wertpapiere der Zielgesellschaft aufkaufen sollen, um (entgegen dem Angebotsvereitelungsverbot aus § 33 WpÜG) die Erfolgschancen des geplanten Angebots des Bieters zu vermindern3. 151 Die vom (nicht öffentlich bekannten, im Hinblick auf seine Umsetzung hinreichend wahrscheinlichen sowie kurserheblichen) Vorhaben des Bieters zur Abgabe eines Angebots auf Seiten der Zielgesellschaft vorab Informierten (d.h. Organmitglieder, Angestellte und Dritte, einschließlich der potenziellen Angebotskonkurrenten des Bieters) haben auf diese Weise eine Insiderinformation erlangt und unterliegen damit den Insiderhandelsverboten des § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG. Das hat vor allem zur Folge, dass die Insider weder für die Zielgesellschaft noch für sich oder andere Wertpapiere der Zielgesellschaft erwerben dürfen, es sei denn, sie können jeweils nachweisen, dass der Entschluss zum Erwerb solcher Wertpapiere nicht auf die Erlangung der Kenntnis vom Angebotsvorhaben des Bieters zurückzuführen ist. Das bedeutet, dass eine Zielgesellschaft, die sich bei Erhalt der fraglichen Informationen in der Durchführung eines Plans zum Rückerwerb eigener Aktien befunden hat, nicht deshalb zur Aussetzung desselben gezwungen wird, weil sie Kenntnis vom Vorhaben des Bieters erlangte4. 152 Wer sich, von der Zielgesellschaft informiert, in Kenntnis des Angebotsplans zur Übernahme der Rolle eines „White Knight“ entschließt, sollte hinsichtlich des Erwerbs von Wertpapieren der Zielgesellschaft vor (und selbstredend auch nach) der Veröffentlichung seines Entschlusses zur Abgabe eines konkurrierenden Angebots bzw. vor Veröffentlichung der Angebotsunterlage nicht anders behandelt werden als die mit dem Bieter gemeinschaftlich handelnden Personen5. Das gebietet schon die Herstellung von „Waffengleichheit“ in Übernahmeverfahren, nachdem der Gesetzgeber in § 33 Abs. 1 Satz 2 WpÜG die Suche nach einem konkurrierenden Anbieter 1 Brandi/Süßmann, AG 2004, 647; Hasselbach, NZG 2004, 1094; Hopt, in: FS Lutter, S. 1395; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 48; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 78, 80. 2 Assmann, ZGR 2002, 706 f.; Brandi/Süßmann, AG 2004, 647; Hasselbach, NZG 2004, 1094; Hopt, in: FS Lutter, S. 1395; Hopt, ZGR 2002, 357; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 101, 330; Schacht, S. 84 f., 170; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 78. 3 Ebenso Wittich, S. 382; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 78. 4 Insiderrechtlich verboten sind insoweit nur Transaktionen, „die über die vorherige unternehmerische Entscheidung hinausgehen“ und unter Verwendung der Insiderinformation getätigt werden; so schon Hopt, in: FS Lutter, S. 1396. 5 Assmann, ZGR 2002, 706 f.; Hopt, ZGR 2002, 357; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 78.
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nicht nur aus dem Kreis verbotener Abwehrmaßnahmen ausscheidet, sondern als eine willkommene Maßnahme zur Förderung eines auktionsähnlichen Übernahmeverfahrens zählt. Wer allerdings, ohne einen solchen Entschluss gefasst zu haben und ohne später als konkurrierender Bieter aufzutreten, Wertpapiere der Zielgesellschaft erwirbt, handelt diesbezüglich in Ausnutzung einer Insiderinformation1. Das gilt erst recht, und auch insoweit parallel zum „Warehousing“ beim Bieter (Rz. 147), für diejenigen, welche von der Zielgesellschaft über das bevorstehende Angebot informiert und aufgefordert wurden, zum Zwecke der Reduzierung der Chancen des geplanten Angebots Aktien der Zielgesellschaft zu erwerben. Der Erwerb eigener Aktien durch die vorab informierte Zielgesellschaft zum Zwecke 153 der Abwehr des Erfolgs des zu erwartenden Angebots stellt weder auf Seiten der Zielgesellschaft noch der für sie handelnden Personen eine Verwendung der bei ihnen vorhandenen Insiderinformation dar2. Das lag nach bisherigem Recht auf der Hand, weil in dem Erwerb der Papiere kein Ausnutzen einer „Insidertatsache“ zur Erzielung von Gewinnen aus dem Wertpapiergeschäft gesehen werden konnte3. Das ist jedoch auch nach dem Wegfall des subjektiven Tatbestandselements des Ausnutzens nicht anders zu beurteilen, denn in dem Erwerb der Wertpapiere zur Abwehr einer drohenden Übernahme liegt keine Verwendung einer Insiderinformation in Gestalt der dieser notwendigerweise innewohnenden Kurserheblichkeit und der mit dieser verbundenen Chance, von Kursbewegungen nach ihrem öffentlichen Bekanntwerden profitieren zu können. Nichts anderes kann für den Fall des durch die Vorabinformation ausgelösten und vor der Veröffentlichung der Entscheidung des Bieters über die Abgabe eines Angebots veranlassten Erwerbs von Aktien der Bietergesellschaft durch die Zielgesellschaft oder durch von ihr informierte Dritte gelten, solange es sich hierbei um eine Abwehrmaßnahme in Gestalt der Vorbereitung eines Gegenangebots auf Wertpapiere des Bieters (sog. Pac-man-defense) handelt. (e) Weitergabe von Insiderinformationen in Bezug auf die Zielgesellschaft durch dieselbe Von der Information eines potenziellen „White Knight“ über die Pläne oder Ent- 154 schlüsse eines Bieters zur Abgabe eines Angebots zu unterscheiden ist die Frage, ob die Zielgesellschaft dem potenziellen „White Knight“ oder dem potenziellen Bieter Insiderinformationen im Hinblick auf ihre eigenen Angelegenheiten, die über die Information über das geplante Übernahmeangebot auf ihre Wertpapiere hinausgehen, mitteilen darf. Die Zulässigkeit der Weitergabe von Insiderinformationen an den potenziellen Erwerber von Anteilen der Zielgesellschaft wird im Zusammenhang mit Unternehmenskäufen, dem Erwerb von Unternehmensbeteiligungen außerhalb des formalisierten Angebotsverfahrens nach dem WpÜG und dem so genannten Paketerwerb heute nahezu einhellig bejaht (s. Rz. 164) und ist auch nach der Grøngaard und Bang-Entscheidung des EuGH vom 22.11.2005 (s. oben Rz. 74a) als unerlässlich anzusehen. Es besteht kein Grund, dies im Falle von Wertpapiererwerbs- und Übernahmeangeboten anders zu sehen, weil auch hier ein Interesse der Zielgesellschaft an einer umfassenden Information des mit der Prüfung eines möglichen Angebots betrauten Bieters anzuerkennen ist4. Ebenso wie der Vorstand der Zielgesellschaft 1 2 3 4
Ebenso Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 78. Auch Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 102. Ebenso Schacht, S. 82 ff., 170. Das bestätigt Erwägungsgrund 29 der Marktmissbrauchsrichtlinie: „Der Zugang zu InsiderInformationen über eine andere Gesellschaft und die Verwendung dieser Informationen bei einem öffentlichen Übernahmeangebot mit dem Ziel, die Kontrolle über dieses Unter-
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nicht gehindert ist, einem potenziellen Bieter im Rahmen einer eventuellen Due Diligence-Prüfung der Zielgesellschaft Insiderinformationen über dieselbe mitzuteilen oder zugänglich zu machen (s. Rz. 113), ist es ihm auch nicht untersagt, dies im Vorfeld der Veröffentlichung der Entscheidung eines Bieters zur Abgabe eines Angebots im Zusammenhang mit der Suche nach einem „White Knight“ zu tun. Dafür spricht auch der Umstand, dass der als „White Knight“ in Betracht kommende Bieter einen besonderen Informationsbedarf hat, weil er in kürzester Zeit über ein potenziell weit reichendes Engagement zu entscheiden hat. 155 Die insiderrechtliche Befugnis der Zielgesellschaft, dem potenziellen Bieter oder „White Knight“ im Rahmen einer sog. Due Diligence-Prüfung Insiderinformationen über die Zielgesellschaft zugänglich zu machen oder mitzuteilen, hängt nicht davon ab, ob der Betroffene einer besonderen gesetzlichen oder vertraglich begründeten Verschwiegenheitspflicht unterliegt (s. Rz. 75, 165)1, solange dieser das Insiderwissen – wie regelmäßig der Fall (Rz. 75) – zumindest berufs-, tätigkeits- oder aufgabenbedingt und bestimmungsgemäß erlangt und damit das umfassende Insiderhandelsverbot des § 14 Abs. 1 WpHG zu beachten hat2. Damit steht außer Frage, dass diejenigen, die auf die vorstehend behandelte Weise Insiderinformationen in Bezug auf die Zielgesellschaft erlangt haben, diese nicht zu Wertpapiergeschäften nützen dürfen, welche durch das Wissen um Insiderinformationen veranlasst wurden (s. Rz. 165)3. (2) Vorangebotsphase und Angebotsphase 156 Die Veröffentlichung der Entscheidung des Bieters zur Abgabe eines Angebots nach § 10 Abs. 1 Satz 1 WpÜG leitet die Vorangebotsphase ein. Diese geht mit der Veröffentlichung der Angebotsunterlage nach § 11 Abs. 1 Satz 1 WpÜG in die Angebotsphase über. Die mit der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots einsetzende Regelung des Angebotsverfahrens für freiwillige Angebote durch das WpÜG enthält zwar keine insiderrechtlichen Regelungen, trägt aber, der Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG vergleichbar, insbesondere dadurch zur Prävention des Insiderhandels bei, dass sie die unverzügliche Veröffentlichung der Bieterentscheidung verlangt4.
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nehmen zu erwerben oder einen Zusammenschluss mit ihm vorzuschlagen, sollten als solche nicht als Insider-Geschäft gelten.“ Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 38; Bachmann, ZHR 172 (2008), 627 f.; Brandi/Süßmann, AG 2004, 646; Fromm-Russenschuck/Banerjea, BB 2004, 2427; Gunßer, S. 195 f.; Hasselbach, NZG 2004, 1089; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 30; i.E. auch Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 80. Assmann, AG 1997, 55; Klie, S. 101 (in insiderrechtlicher Hinsicht); Schmidt-Diemitz, DB 1996, 1810. A.A. Götz, DB 1995, 1950. Das schließt es nicht aus, zur Vermeidung rechtlicher Unsicherheiten, den Adressaten der Insiderinformation zur Geheimhaltung oder gegebenenfalls zum temporären Verzicht auf den Handel mit den fraglichen Insiderpapieren zu verpflichten. Das bedeutet, dass in dem hier in Frage stehenden Kontext die Weitergabe an eine Person, die nicht dem Mitteilungs- und Empfehlungsverbot des § 14 Abs. 1 WpHG unterliegt, als unbefugt anzusehen ist, sofern nicht besondere Rechtfertigungsgründe eingreifen; Rz. 48b. Hopt, in: FS Lutter, S. 1396; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 101. Daran ändert auch Erwägungsgrund 29 der Marktmissbrauchsrichtlinie nichts; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 38: „Allerdings ist die Abgabe eines öffentlichen Übernahmeangebots, in welchem der Bieter eine Insiderinformation nach Maßgabe der oben dargestellten Definition verwendet, erst möglich, nachdem der Emittent eine entsprechende Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 WpHG veröffentlicht hat.“ Weitere insiderpräventive Maßnahmen sind etwa die Verschwiegenheitspflicht der Personen, die mit der Beaufsichtigung von Angebotsverfahren befasst sind (§ 9 WpÜG), sowie
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Die Entscheidung über die Abgabe eines Angebots ist ein nach § 10 WpÜG unverzüg- 157 lich zu veröffentlichender Umstand, der – sofern er kurserheblich ist – bis zu seiner Veröffentlichung eine Insiderinformation darstellt. Selbiges ist auch in Bezug auf die Eckpunkte des Angebotsinhalts anzunehmen, sofern diese bei der Entscheidung über die Angebotsangabe – was allerdings rechtlich nicht erforderlich ist – bereits feststehen und mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Bestand haben werden. Sobald sich im Zuge der für die Veröffentlichung der Angebotsunterlage nach § 11 WpÜG zur Verfügung stehenden Vier-Wochen-Frist (§§ 14 Abs. 1 Satz 1, 34 WpÜG) bestimmte Angebotsbedingungen konkretisieren, können sie Gegenstand von Insiderinformationen sein, wenn sie mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Bestandteil des nach § 11 Abs. 1 Satz 1 WpÜG zu veröffentlichenden Angebots sein werden und als kurserheblich zu betrachten sind. Für die in dieser Phase von Angeboten besonders wahrscheinliche Suche der Zielgesellschaft nach möglichen „White Knights“ und die sich daraus ergebenden insiderrechtlichen Verhaltensregeln bezüglich der Weitergabe von Insiderwissen betreffend die Zielgesellschaft an den potenziellen „Weißen Ritter“ gilt das an früherer Stelle (in Rz. 150, 152, 154 f.) Ausgeführte entsprechend.
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Im Rahmen der mit der Veröffentlichung der Angebotsunterlage beginnenden und 159 mit Ablauf der Annahmefrist endenden Angebotsphase mag es immer wieder bieterund zielgesellschaftsbezogene Vorgänge geben, die für die Wertpapiere von Bieter und/oder Zielgesellschaft kurserheblich sind und deshalb, solange sie nicht öffentlich bekannt sind, als Insiderinformationen zu behandeln sein können. Das kann etwa im Hinblick auf die Daten über die Entwicklung der Akzeptanz des Angebots der Fall sein, die anfangs nur wöchentlich und erst in der letzten Woche vor Ablauf der Annahmefrist täglich zu veröffentlichen sind (§ 23 Abs. 1 WpÜG). Umgekehrt kann auch das Wissen um die Einleitung von nach § 33 WpÜG zulässigen und unzulässigen Abwehrmaßnahmen, einsetzend mit einem sich konkretisierenden diesbezüglichen Plan, bei entsprechender Kurserheblichkeit der Information Insiderwissen darstellen. (3) Nachangebotsphase Die Nachangebotsphase, d.h. Vorgänge nach Ablauf der (ersten) Angebotsfrist, wirft keine übernahmerechtsspezifischen insiderrechtlichen Fragen auf. Hier kann im Hinblick auf verschiedene der vom Bieter zu veröffentlichenden Informationen1 immer wieder zu erwägen sein, inwieweit diese bis zu ihrer pflichtgemäßen Veröffentlichung Insiderinformationen darstellen.
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cc) Pflichtangebote Pflichtangebote sind Angebote, die kraft Gesetzes (§ 35 WpÜG) abgegeben werden müssen, wenn eine Person unmittelbar oder mittelbar die Kontrolle, d.h. mindestens 30 % der Stimmrechte (§§ 29 Abs. 2, 39 WpÜG), über eine Zielgesellschaft (i.S. von § 2 Abs. 3 WpÜG) erlangt hat. Die Erlangung der Kontrolle über die Zielgesellschaft kann eine dem Insiderhandelsverbot unterfallende Insiderinformation sowohl im Hinblick auf die Wertpapiere der Bietergesellschaft als auch diejenigen der Zielgesellschaft darstellen, wenn sie geeignet ist, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens die generell auf eine rasche Durchführung des Angebots (vgl. den allgemeinen Verfahrensgrundsatz in § 3 Abs. 4 WpÜG) angelegte Verfahrensregelung des Gesetzes. 1 S. Assmann, AG 2002, 123 f.
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den Kurs dieser Papiere erheblich zu beeinflussen1. Selbiges kann jedoch auch schon im Vorfeld der tatsächlichen Kontrollerlangung der Fall sein, wenn die Kontrollerlangung und damit die Pflicht zur Abgabe eines Angebots hinreichend wahrscheinlich werden. Auf jeden Fall ist die Kontrollerlangung nach § 35 Abs. 1 WpÜG unverzüglich zu veröffentlichen, so dass die Gefahr des Insiderhandels zwischen Kontrollerlangung und Veröffentlichung damit zumindest in zeitlicher Hinsicht begrenzt ist. b) Unternehmenskauf, Erwerb von Unternehmensbeteiligungen, Paketerwerb und sog. Management Buy-Outs 162 Wie bei Übernahmeangeboten tätigt der Erwerber bei der Umsetzung seines öffentlich unbekannten, im Hinblick auf seine Verwirklichung hinreichend wahrscheinlichen und kurserheblichen Plans, ein Unternehmen zu kaufen, ein Anteilspaket oder eine bedeutende Beteiligung zu erwerben (Begriffe Rz. 167 f.) oder sich auf andere Weise an dem Unternehmen zu beteiligen (vgl. schon oben Rz. 35, 43, 47), keine den Insiderhandelsverboten des § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG unterfallenden Geschäfte. Ob es sich bei dem Erwerber um eine natürliche oder juristische Person, um institutionelle Investoren oder Beteiligungsgesellschaften handelt, ist diesbezüglich unerheblich2. 163 Auch im Übrigen sind die im Zusammenhang mit Übernahmeangeboten geltenden insiderrechtlichen Grundsätze auf den Unternehmens- und Beteiligungserwerb entsprechend anzuwenden. Das bedeutet bspw., dass Organe der als Erwerber oder als Verkäufer in Betracht kommenden Gesellschaften mit ihrem Wissen über das diesbezügliche Vorhaben, dessen hinreichende Eintrittswahrscheinlichkeit und Kurserheblichkeit wiederum vorausgesetzt, über eine Insiderinformation verfügen. Soweit diese allerdings nur zur Durchführung des Vorhabens verwandt wird, liegt kein Verstoß gegen das Verbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG vor. Entsprechendes gilt für die in die Planung und Durchführung eines Erwerbs- oder Veräußerungsvorhabens eingeschalteten unternehmensinternen Mitarbeiter und externen Berater sowie deren Mitarbeiter3. 164 Dessen ungeachtet verbinden sich mit den hier in Frage stehenden Vorhaben und Transaktionen einige Besonderheiten: So wird etwa der Käufer, der eine bedeutende Beteiligung an einem Unternehmen (Zielgesellschaft) oder ein Paket von Anteilen an demselben erwerben möchte, vom Verkäufer – etwa im Rahmen einer Due Diligence-Prüfung – umfassende Informationen über die Zielgesellschaft verlangen. Da der Verkäufer als Anteilseigner regelmäßig nicht in der Lage sein wird, die erbetenen Auskünfte selbst zu erbringen, und diesbezüglich auf die Mitwirkung (der Organe) der Zielgesellschaft angewiesen ist, stellt sich die Frage, inwieweit die Zielgesellschaft dem potenziellen Käufer, sei es durch Einzelauskunft oder im Zuge einer bei ihr stattfindenden „Due Diligence-Prüfung, auch Insiderinformationen mitteilen oder zugänglich machen darf. Das wird im Schrifttum nahezu einhellig und mit Recht für zulässig erachtet4. Zur Begründung lässt sich vor allem anführen, dass der 1 2 3 4
Ebenso Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 94. Vgl. Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 46. Auch Dreyling/Schäfer, Rz. 119; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 74. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 38 („Zielgesellschaften können wie bisher grundsätzlich alle Informationen im Rahmen einer Due Diligence-Prüfung an den Bieter weitergeben, auch wenn diese in Einzelfällen Insiderinformationen enthalten“). S. auch, jeweils m.w.N., Assmann, AG 1997, 56; Assmann, Konzernfinanzierung und Kapitalmarktrecht, in: Lutter/Scheffler/U. H. Schneider, Handbuch Konzernfinanzierung, Rz. 12.28 f.; Ham-
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Erwerber einer bedeutenden Beteiligung, die als unternehmerische Beteiligung mehr ist als eine bloße Anlagebeteiligung, ordnungsgemäß über die Lage des Unternehmens informiert werden muss; nur so ist zu vermeiden, dass sich der zukünftige Hauptaktionär nach Erwerb der Mehrheitsbeteiligung zu Maßnahmen gezwungen sieht, mit denen er enttäuschte Erwartungen zu korrigieren versucht. Da sich die fragliche Informationsweitergabe i.d.R. nur auf das Ob und Wie des Kaufs (etwa den Preis des in Frage stehenden Aktienpakets) bezieht und auswirkt, werden von der Weitergabe der Insiderinformation auch keine Kursbewegungen zu Lasten der anderen Aktionäre oder Sondervorteile für den Erwerber auf Kosten der übrigen Aktionäre ausgehen. Hinzu kommt, dass der Käufer eines Pakets oder einer Mehrheitsbeteiligung seinerseits ein schützenswertes Interesse daran hat, zu erfahren, was er erwirbt. Dabei kann es im Interesse des Funktionierens eines Marktes für Unternehmenskäufe1 keine Rolle spielen, dass derjenige, der über die einschlägigen Informationen verfügt, nicht mit demjenigen identisch ist, der die fraglichen Anteile hält. Und schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Due diligence-Prüfung heute ein essenzieller Bestandteil des Erwerbs bedeutender Beteiligungen geworden ist und ihre Behinderung eine beträchtliche Einschränkung dieser Transaktionsform darstellen würde: Der Geschäftsführer einer Gesellschaft, die ein Paket von Anteilen einer anderen Gesellschaft erwirbt, ohne eine Due Diligence durchgeführt zu haben, würde – sofern nicht besondere Gründe für diese Unterlassung vorliegen – ohne die gebotene Sorgfalt und damit pflichtwidrig handeln. Umgekehrt täte der Vorstand der Zielgesellschaft, der dem Risiko ausgesetzt ist, mit der Gestattung der Due Diligence dem Erwerbsinteressenten möglicherweise auch Insiderwissen zugänglich zu machen, gut daran, keine Due Diligence zu erlauben. Deshalb darf die Weitergabe von Insiderinformationen im Rahmen einer Due Diligence-Prüfung aus institutionellen Gründen auch als „unerlässlich“ im Sinne der Grøngaard und Bang-Entscheidung des EuGH vom 22.11.2005 (s. Rz. 74a) angesehen werden2. Nach anderer Ansicht3 soll die Weitergabe einer Insiderinformation im Rahmen einer Due Diligence-Prüfung erst dann unbedenklich sein, wenn sie einen dreistufigen gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Test bestanden hat; dieser soll umfassen: erstens die Ernsthaftigkeit des beabsichtigten Paketerwerbs, zweitens die Vereinbarung hinreichender Schutzvorkehrungen gegen eine unbefugte Verwendung der Informationen und drittens die im „Interesse des Marktes“ vorzunehmenden Prüfung der Unerlässlichkeit der Weitergabe der Informationen „aus kapitalmarktrechtlicher“ Sicht. Wenn schon die Zielgesellschaft aus den vorstehend angeführten Gründen befugt ist, dem potenmen, in: BuB, Rz. 7/736 f.; Hasselbach, NZG 2004, 1090; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 43, 61; Klie, S. 107 ff.; Marsch-Barner, in: Semler/Volhard (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Unternehmensübernahmen, Bd. 1 2001, § 7 Rz. 127; Müller, NJW 2000, 3456; Roschmann/Frey, AG 1996, 453; Schröder, DB 1997, 2165; Stoffels, ZHR 165 (2001), 380 f.; Süßmann, AG 1999, 169; Treeck, Die Offenbarung von Unternehmensgeheimnissen durch den Vorstand einer Aktiengesellschaft im Rahmen einer Due Diligence, in: FS Fikentscher, 1998, S. 434, 440 f.; Werner, ZIP 2000, 992; Ziegler, DStR 2000, 253. Nicht ausdrücklich behandelt, aber vom Ansatz her in die gleiche Richtung weisend, Schmidt-Diemitz, DB 1996, 1810, und Götz, DB 1995, 1950; Widder/Kocher, AG 2009, 658. A.A. Schäfer, in: Schäfer/ Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 75 f.; Weimann, DStR 1998, 1560 f. 1 Zur Einschränkung der Verbotstatbestände des § 14 WpHG zum Zweck der Gewährleistung der Funktionserfordernisse rechtlicher und wirtschaftlicher Institutionen s. Rz. 48. 2 Vgl. Assmann, ZHR 172 (2008), 652; Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 214; Schwark/ Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 57. 3 Bachmann, ZHR 172 (2008), 625 f. Ablehnend, insbesondere hinsichtlich der zweiten und dritten Stufe Assmann, ZHR 172 (2008), 652 (allein das bloße Gesellschaftsinteresse ist ausreichend, um eine Due Diligence-Prüfung auch kapitalmarktrechtlich für unbedenklich zu halten).
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ziellen Paketkäufer Insiderinformationen mitzuteilen, handelt erst recht der Verkäufer des Pakets, der über Insiderwissen in Bezug auf die Zielgesellschaft verfügt, nicht unbefugt, wenn er dieses dem Erwerbsinteressenten im Zuge der Vertragsverhandlungen offenbart1. 165 Hier wie in anderen Fällen des Unternehmenskaufs oder Paketerwerbs darf das erlangte Insiderwissen allerdings nicht anderweitig zum börslichen oder außerbörslichen Erwerb von Wertpapieren der Zielgesellschaft verwendet werden. Das macht sog. Alongside-Käufe von Papieren der Zielgesellschaft durch den Investor oder die für seine Rechnung handelnden Dritten2 nicht unmöglich, solange die Transaktionen nicht von der Kenntnis der Insiderinformation veranlasst wurden (Rz. 35)3. Um den möglichen Vorwürfen des Insiderhandels zu begegnen, empfiehlt sich auch diesbezüglich eine sorgfältige Dokumentation der einzelnen Vorgänge (Rz. 41). Nach hier vertretener Ansicht (Rz. 75) ist es rechtlich nicht erforderlich, wenngleich als Akt der Absicherung durchaus zu empfehlen, den Adressaten der Insiderinformation zur Geheimhaltung oder ggf. zum temporären Verzicht auf den Handel mit den fraglichen Insiderpapieren zu verpflichten. Die Geheimhaltungsgebote aus §§ 93 Abs. 1 Satz 2, 404 Abs. 1 Nr. 1 AktG stehen der Weitergabe der Insiderinformationen allenfalls dann entgegen, wenn das objektive Interesse der Gesellschaft, etwa wegen drohender materieller oder immaterieller Schäden, die Nichtweitergabe verlangt4. 166 Hat der als Verkäufer auftretende Anteilseigner selbst Kenntnis von Insiderinformationen über das Zielunternehmen, so ist auch er aus den vorstehend angeführten Gründen zur Weitergabe derselben als befugt anzusehen5. Bei ihm kommt noch hinzu, dass er seinerseits aufgrund des vorvertraglichen Rechtsverhältnisses (c.i.c.) nach § 311 Abs. 2 BGB aufklärungspflichtig ist. Diese Pflicht ist bei der gebotenen Interessenabwägung selbst dann berücksichtigungsfähig, wenn man eine vorvertragliche Offenbarungspflicht allein noch nicht als geeignet betrachtet, jede Weitergabe von Insiderinformationen als befugt erscheinen zu lassen6. 167 Die Befugnis zur Weitergabe oder zum Zugänglichmachen von Insiderinformationen in den vorstehend angeführten Fällen setzt freilich voraus, dass tatsächlich der Kauf einer bedeutenden Beteiligung oder ein Paketerwerb vorliegt. Unter welchen Voraussetzungen dies angenommen werden kann, ist – zumal es an einer gesetzlichen Definition der Begriffe fehlt – insiderrechtsspezifisch zu beantworten. Diesbezüglich ist wiederum der Umstand zu berücksichtigen, dass das Insiderrecht im Hinblick auf das Verbot, Insiderinformationen weiterzugeben oder zugänglich zu machen, einen institutionellen Vorbehalt (vgl. Rz. 73) enthält, demzufolge die Weitergabe oder das 1 Assmann, AG 1997, 56; Fürhoff, AG 1998, 87; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 43; Schmidt-Diemitz, DB 1996, 1810. 2 Tippach, S. 208. 3 BAWe/Deutsche Börse, S. 20; Brandi/Süßmann, AG 2004, 646 (657); Fischer zu Cramburg/ Royé, in: Heidel, § 14 WpHG Rz. 9; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 43; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 69; Schlitt/Schäfer, AG 2004, 354. 4 S. näher Hüffer, § 93 AktG Rz. 7, und Otto, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1997, § 404 Rz. 15 ff.; bei § 404 Abs. 1 Nr. 1 AktG ist zudem vorsätzliches Handeln erforderlich; bei irrtümlicher Annahme einer Befugnis zur Offenbarung des Geheimnisses kommt Tatbestands- oder Verbotsirrtum – §§ 16, 17 StGB – in Betracht, Otto, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1997, § 404 Rz. 31, 47 f. 5 Schmidt-Diemitz, DB 1996, 1810 f. 6 Fleischer, S. 561; Schmidt-Diemitz, DB 1996, 18101810; i.E. wohl auch Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 25.
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Zugänglichmachen von Insiderinformationen als befugt zu betrachten ist, wenn dies zur Schaffung oder Aufrechterhaltung der Funktionsvoraussetzungen bestimmter Transaktionsformen oder rechtlicher Institute geboten ist. Da der Erwerb eines Anteilspakets nicht notwendigerweise immer sogleich als sol- 168 cher zum Erwerb einer bedeutenden Beteiligung führen muss, sondern eine Stufe zur Erlangung einer solchen darstellen kann, kommt es in erster Linie auf die Voraussetzungen an, unter denen von einem Paketkauf gesprochen werden kann. Dies wird, als eine Art Daumenregel, jedenfalls nur für den Fall anzunehmen sein, dass das in Frage stehende Anteilsbündel „mehr ist als die Summe der wirtschaftlichen Einzelwerte der zum Paket gehörenden Aktien“1. Das kann etwa deshalb zu bejahen sein, weil der Erwerber mit den Anteilen einen besonderen Einfluss auf das Zielunternehmen zu erlangen, abzusichern oder zu verstärken vermag2, oder weil die in dem Bündel enthaltenen Anteile oder eine diesen vergleichbare Summe von Anteilen nicht über die Börse erworben werden könnte. Unterscheidet sich der für das Anteilspaket verlangte Preis erheblich von demjenigen, der für die zu veräußernden Anteile nach deren aktuellem Kurswert zu zahlen wäre, so stellt dies ein Indiz für einen Paketerwerb dar. Erlaubt jeder jenseits dieser Schwelle liegende Anteilserwerb auch die zum Zustandekommen solcher Transaktionen erforderliche Weitergabe von Insiderinformationen unter den Parteien, so durfte man, davon unabhängig, den Erwerb einer bedeutenden Beteiligung jedenfalls schon dann annehmen, wenn es – der ehedem unteren Schwelle eines nach § 21 WpHG a.F. meldepflichtigen Anteilserwerbs entsprechend – um Transaktionen über mindestens 5 % der (stimmrechtsbefugten) Anteile einer Gesellschaft ging3. Da der Gesetzgeber, einer von der Transparenzrichtlinie (Einl. Rz. 35) eröffneten Option folgend, in § 21 WpHG eine noch unter der 5 %-Meldeschwelle liegende Schwelle von 3 % eingefügt hat, liegt es nahe, Letztere auch im Hinblick auf die Kennzeichnung einer bedeutenden Beteiligung beim Paketerwerb zu übernehmen. Dafür spricht, dass mit der neuen Eingangsschwelle von 3 % der vor allem der Erkenntnis Rechnung getragen werden sollte, dass Aktionäre bereits mit einer Beteiligung unterhalb von 5 % entscheidenden Einfluss auf den Emittenten nehmen könnten4. Des Weiteren wird es im Rahmen geplanter Unternehmenskäufe, gleich ob sie als 169 sog. Asset-Deals oder als sog. Share-Deals ausgestaltet werden sollen, regelmäßig zu „Due Diligence-Prüfungen“ beim Zielunternehmen kommen (s. Rz. 164). Wie bereits an früherer Stelle ausgeführt (s. Rz. 45 mit weiteren Einzelheiten), hindern eventuell im Zuge dieser Kontrolle erlangte Insiderinformationen den Erwerber weder an der Fortführung seines Erwerbsplans noch daran, diesen aufzugeben. 1 Assmann, AG 1997, 56; Schmidt-Diemitz, DB 1996, 1810. 2 Schmidt-Diemitz, DB 1996, 1810. 3 Ebenso Hasselbach, NZG 2004, 1089; Kemnitz, S. 84 f.; Th. Koch, S. 195; Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 31. Anders und für 10 % Ziemons, NZG 2004, 539. Wieder anders und für 30 % Liekefett, S. 178 ff., 180, 185; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 76. 4 RegE Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 16/2498 v. 4.9.2006, S. 1, 28. Klie, S. 114 f., will es bei der 5 %-Schwelle belassen, da nur diese ein Squeeze-Out nach §§ 327a ff. AktG verhindert werden könne, doch kann nicht auf spezielle Minderheitenrechte abgestellt werden, denn sonst ließe sich die Schwelle ebenso gut bei 1 % (Recht zur Bestellung eines Sonderprüfers, § 142 Abs. 2 AktG), 10 % (etwa Widerspruch einer Minderheit gegen Verzicht auf Ersatzansprüche der Gesellschaft, §§ 50, 93 Abs. 4 AktG) oder 25 % (Sperrminorität) ansetzen. I.E. ebenso Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 300; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 76; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 58.
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170 Sog. Management Buy-Outs1 stellen insiderrechtlich vor keine besonderen Probleme, weil es sich bei diesen in der Sache um nichts anderes als um den Versuch des Managements handelt, eine bedeutende (die Unternehmenskontrolle erlaubende) Beteiligung an dem von ihnen geleiteten Unternehmen zu erwerben und diese Ziele entweder durch Börsengeschäfte oder durch außerbörsliche Transaktionen oder durch eine Kombination der vorgenannten Wege zu erreichen. Die dem geplanten „Management Buy-Out“ dienenden börslichen Wertpapiergeschäfte sind grundsätzlich ebenso zu behandeln wie Transaktionen, die Vorstände oder andere leitende Angestellte in der Verfolgung eigener Interessen und außerhalb ihrer Organ- oder Vertreterfunktion in Bezug auf Wertpapiere tätigen. Dabei ist die Umsetzung des Plans, ein „Management Buy-Out“ durchzuführen, für die Mitwirkenden kein Insidergeschäft (Rz. 35), kann aber für Dritte, die von dem Vorhaben Kenntnis erlangen, eine Insiderinformation darstellen (Rz. 44; § 13 Rz. 20). Ist eine dem Management bekannte Insiderinformation der Auslöser des „Buy-Out“-Plans oder die Ursache des Entschlusses, ihn zu einem bestimmten Zeitpunkt durch entsprechende Börsengeschäfte umzusetzen, so verstoßen die Beteiligten gegen das Erwerbs- und Veräußerungsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG. 171 Für außerbörsliche Geschäfte, wie sie zur Durchführung eines „Management BuyOuts“ vorgenommen werden, gelten zunächst die im Hinblick auf sog. Face-to-faceGeschäfte (Rz. 42) und Paketkäufe (Rz. 43, 47, 162 ff.) dargelegten Grundsätze. Vollzieht sich das „Management Buy-Out“, was die Regel darstellt, ausschließlich oder überwiegend im Wege von Verhandlungen und außerbörslichen Transaktionen zwischen dem Management und den Anteilseignern, ist dieses (unter Einschluss der für „Face-to-face-Geschäfte“ und Paketkäufe geltenden Grundsätze) nicht anders als ein Unternehmenskauf (Rz. 162 ff.) zu behandeln. Insiderrecht ist hierbei in vollem Umfang anwendbar (Rz. 42). Offenbaren die beteiligten Manager (Käufer) der Anteilseignergruppe (Verkäufer) ihnen bekannte Insiderinformationen, um einen Verstoß gegen das Erwerbs- und Veräußerungsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG zu vermeiden und ihren vorvertraglichen Aufklärungspflichten zu genügen, so ist die Weitergabe der Informationen i.S. des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG als befugt zu betrachten2. c) Aktienoptionsprogramme für Führungskräfte („stock option plans“) 172 Unter den zahlreichen Möglichkeiten einer unternehmenserfolgsbezogenen Gestaltung der Vergütung von Führungskräften wird seit geraumer Zeit zur Auflage von Aktienoptionsprogrammen („stock option plans“) gegriffen. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass die leitenden Mitarbeiter des Emittenten statt Aktien, Genussscheinen oder Personalobligationen Optionsrechte auf Aktien der Gesellschaft erhalten. Mit der Verabschiedung des KonTraG (Einl. Rz. 21) und den mit diesem verbundenen Änderungen des AktG sind die Möglichkeiten zur Begründung und Bedienung von Aktienoptionsprogrammen nicht unwesentlich erleichtert worden. Als Gestaltungsmodelle kommen heute die Begründung eigener Optionen (namentlich im Wege von Wandel- oder Optionsanleihen, § 221 AktG) durch das betreffende Unternehmen sowie der Erwerb von Dritten geschaffener Optionen auf Aktien der fraglichen Gesellschaft in Betracht (zur Frage, inwieweit es sich bei den fraglichen Optionen um Insiderpapiere handelt, s. § 12 Rz. 13); im ersteren Falle werden die Optionen mit Aktien unterlegt, die entweder im Wege der Kapitalerhöhung (etwa über die be1 Näher Fürhoff, AG 1998, 86 ff.; auch Claussen, Insiderhandelsverbot, Rz. 70 f. 2 Fürhoff, AG 1998, 88; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 84, 316; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 82; vgl. Rz. 166 für Insiderkenntnisse der Verkäufer.
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dingte Kapitalerhöhung nach § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG) geschaffen oder durch den Kauf eigener Aktien (nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG) beschafft werden können. Da es sich bei den Begünstigten von Aktienoptionsprogrammen um Personen han- 173 delt, die kraft ihrer Organfunktion (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 WpHG) oder ihrer beruflichen Tätigkeit (§ 13 Abs. 1 Nr. 3 WpHG) Insiderkenntnisse erlangen und damit regelmäßig als Insider anzusehen sind, kann es im Zusammenhang mit der Auflage und der Durchführung der fraglichen Programme zu Konflikten mit den Insiderhandelsverboten des § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG kommen. Das hat seinerzeit die Aufsichtsbehörde veranlasst, in einem (zwischenzeitlich aufgehobenen) Schreiben vom 1.10.1997 die insiderrechtliche Behandlung von Aktienoptionsprogrammen für Führungskräfte anzusprechen1. Auch nach der Einführung des § 14 Abs. 2 WpHG (s. Rz. 4 und 212 ff.) und dem Erlass der in dieser Bestimmung angeführten Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 hat sich an der Anwendbarkeit der Insiderhandelsverbote auf solche Aktienoptionsprogramme nichts geändert, denn von Art. 3 lit. b der Verordnung werden nur Belegschaftsaktienprogramme und andere Formen der Zuteilung von Aktien an Mitarbeiter des Emittenten oder einer Tochtergesellschaft desselben erfasst (s. Rz. 217). Die typischerweise als Wandel- oder Optionsanleihen aufgelegten Aktienoptionen 174 sind bis zur Zuteilung an die Führungskräfte regelmäßig noch nicht zum Handel an der Börse zugelassen oder in den Freiverkehr eingeführt (§ 12 Rz. 13) und stellen deshalb keine Insiderpapiere dar2. Anders verhält es sich, wenn die Optionsrechte ausnahmsweise aus bereits zugelassenen/eingeführten Wandel- oder Optionsanleihen stammen und die jungen Aktien bereits mit der jeweiligen Anleihe zugelassen/eingeführt wurden3. Handelt es sich bei den fraglichen Papieren nicht um Insiderpapiere, sind folglich bei der Bereitstellung und Zuteilung der Aktienoptionen Verstöße gegen das Insiderhandelsverbot ausgeschlossen4. Dementsprechend können auch die vor diesem Ereignis liegenden Vorgänge des Abschlusses oder der Änderung des Anstellungsvertrags der begünstigten Führungskräfte als insiderrechtlich irrelevant angesehen werden5. Da zwischen der Ausgabe der Optionen und dem Zeitpunkt, zu dem sie erstmalig ausgeübt werden können, typischerweise eine längere (i.d.R. mehrjährige) Wartefrist liegt und die Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG höchstens 18 Monate betragen darf, sind bis zum Zuteilungszeitpunkt Insidergeschäfte im Zusammenhang mit dem Rückkauf eigener Aktien zur Bedienung von Aktienoptionen unwahrscheinlich6. Sollte es dennoch schon vor diesem Zeitpunkt zu entsprechenden Geschäften kommen, sind diesbezüglich die bereits an früherer Stelle (Rz. 37 ff.) dargelegten Grundsätze anwendbar. Werden zur Durchführung eines Aktienoptionsplans nicht eigene Optionen geschaffen, sondern fremde Optionen auf Aktien des betreffenden Unternehmens beschafft 1 Dazu und in der Sache identisch Fürhoff, AG 1998, 83. Näher zur insiderrechtlichen Beurteilung von Aktienoptionsprogrammen auch Casper, WM 1999, 363. 2 Schreiben des BAWe vom 1.10.1997 (aufgehoben), S. 1; Casper, WM 1999, 364; Feddersen, ZHR 161 (1997), 288 f.; Fürhoff, AG 1998, 84; Uwe H. Schneider, ZIP 1996, 1775. 3 Fürhoff, AG 1998, 85 Fn. 20, unter Hinweis auf Gericke, Handbuch für die Börsenzulassung von Wertpapieren, 1992, S. 76; Casper, WM 1999, 364. 4 Assmann, AG 1997, 58. I.E. ebenso Casper, WM 1999, 364; Feddersen, ZHR 161 (1997), 288 ff.; Fürhoff, AG 1998, 84. 5 Assmann, AG 1997, 58, unter Ablehnung entsprechender Überlegungen bei Uwe H. Schneider, ZIP 1996, 1774 f.; Casper, WM 1999, 364. 6 Auch Versteegen/Schulz, ZIP 2009, 113; Widder/Kocher, AG 2009, 657 f.; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 29.
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und sodann den zu begünstigenden Führungskräften zugeteilt (s. Rz. 172), so steht außer Frage, dass der Erwerb der Optionen, bei denen es sich regelmäßig um Insiderpapiere handeln dürfte, dem Insiderhandelsverbot aus § 14 Abs. 1 WpHG unterliegt1; doch sind Insiderverstöße in diesem Zusammenhang eher unwahrscheinlich, weil das Unternehmen mit dem Erwerb typischerweise einem im Voraus festgelegten Plan folgt (Rz. 35) und Insiderwissen allenfalls dann relevant werden dürfte, wenn der Plan hinsichtlich des Zeitpunkts des Erwerbs der Optionen keine Datierung enthält und diesen, wie etwa auch bei der Fixierung bloßer Zeitfenster, der Entscheidung der Verantwortlichen überlässt. Die Zuteilung der fremden (wie auch der eigenen) Optionen erfolgt üblicherweise in Erfüllung eines dem Aktienoptionsplan entsprechenden Erwerbsgeschäfts zwischen dem Emittenten und den Begünstigten. Der Zuteilungszeitpunkt kann deshalb nur dann selbständiger Anknüpfungspunkt eines Insidergeschäfts sein, wenn dem Begünstigten bis zum geplanten Termin das Recht zusteht, das Angebot zur Teilnahme am Aktienoptionsprogramm (und damit das der Zuteilung zu Grunde liegende obligatorische Erwerbsgeschäft) anzunehmen oder abzulehnen2. Verfügt der Begünstigte bei der Ausübung dieses Wahlrechts zugunsten des Optionsprogramms über Insiderwissen, so wird aber auch in diesem Falle kein Ausnutzen einer Insiderinformation vorliegen, wenn die Option erst nach einer Wartezeit ausgeübt werden kann, zu der die fraglichen Insiderinformationen – für den Betreffenden vorhersehbar – längst öffentlich bekannt sind oder ihr Potenzial zur Herbeiführung erheblicher Kursänderungen verloren haben3. 176 Auch in der Ausübung der Option ist erst dann ein insiderrechtlich relevanter Akt zu sehen, wenn die zur Bedienung derselben zu liefernden Aktien Insiderpapiere i.S. von § 12 WpHG darstellen, d.h. bereits an einer Börse zum Handel zugelassen, in den Freiverkehr eingeführt oder entsprechende Anträge gestellt sind4. Selbst wenn dies der Fall ist, kommt für mögliche Verstöße gegen das Insiderhandelsverbot nur der Zeitpunkt in Frage, von dem ab die Option „im Geld“ und die Ausübung derselben überhaupt wirtschaftlich sinnvoll ist5. Der Optionsausübung vor diesem Zeitpunkt kann deshalb eine Absicht auf Erzielung eines Sondervorteils aus vorhandenem Insiderwissen abgesprochen werden, denn jede andere Handlungsweise wäre wirtschaftlich vorzugswürdiger. Kommt dagegen das Unterlassen der Ausübung einer nicht „im Geld“ befindlichen Option durch einen mit Insiderwissen ausgestatteten Begünstigten in Betracht, so fehlt es (mangels eines Erwerbs- oder Veräußerungsvorgangs) nicht nur an einer insiderrechtlich relevanten Handlungsweise, sondern (weil ein solches Verhalten zur Wahrnehmung der eigenen Interessen wirtschaftlich geboten ist) auch an einem durch Insiderkenntnisse veranlassten Akt (s. Rz. 34). 1 Fürhoff, AG 1998, 84. 2 Casper, WM 1999, 365; i.E. auch Fürhoff, AG 1998, 85; Klasen, AG 2006, 29; Lotze, S. 57 ff.; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 133. 3 Vgl. auch von Dryander/Schröder, WM 2007, 537; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.147 f. 4 Ebenso Casper, WM 1999, 365, unter Erörterung des demgegenüber zwar insiderrechtlich relevanten, aber wenig wahrscheinlichen Sonderfalls eines Optionsrechts, das auf einer Wandel- oder Optionsanleihe beruht, bei deren Zulassung zum Handel auch die Zulassung der zur Bedienung der Option in Frage kommenden jungen Aktien – diesbezüglich würde es sich um Insiderpapiere handeln – beantragt wurde (WM 1999, 365 f.), mit der Folgerung, dass ein Insiderverstoß hier auch dann in Betracht komme, wenn die Ausübung der Option während eines vorab festgelegten Ausübungszeitraums erfolge; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.150. 5 Ebenso von Dryander/Schröder, WM 2007, 537; Feddersen, ZHR 161 (1997), 291 f.; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 136; Widder, WM 2010, 1884 (1887); Widder/Kocher, AG 2009, 657.
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Ist die Option „im Geld“, so mangelt es bei jedem durch positive Insiderkenntnisse 177 veranlassten Hinauszögern der Optionsausübung wiederum an einem Erwerbstatbestand1. Kommt es dann nach dem öffentlichen Bekanntwerden der Insiderinformation zur Ausübung der Option, so wird keine öffentlich unbekannte Information verwendet2. Wird dem aus einer „im Geld“ befindlichen Option Begünstigten eine negative Insiderinformation bekannt und übt er daraufhin seine Option aus, so kann darin keine Verhaltensweise gesehen werden, die objektiv geeignet ist, dem Betreffenden einen Sondervorteil zu verschaffen, denn er wird mit den erworbenen Aktien, wie jeder andere Aktionär auch, am voraussichtlichen Kursverfall derselben partizipieren, es sei denn, er veräußert die Papiere aufgrund seines Insiderwissens noch vor der Veröffentlichung der fraglichen Information3. Es ist mithin nicht die Ausübung der Option selbst, sondern die Disposition über die aus jener erlangten Papiere, auf die insiderrechtlich abzustellen ist4. Zur Veräußerung von Aktien, die aufgrund der Ausübung der Option erlangt wurden, gelten im Übrigen die allgemeinen Regeln für Wertpapiergeschäfte unter Verwendung einer Insiderinformation (Rz. 23 ff.)5. 4. Rechtfertigungsgründe Die Einwilligung des durch die Insiderinformation betroffenen Unternehmens ist un- 178 erheblich, da § 14 WpHG das Funktionieren des Kapitalmarkts als überindividuelles Rechtsgut schützt, das nicht der Disposition eines Emittenten unterliegt. Entsprechendes gilt für die mutmaßliche Einwilligung. Ausnahmsweise kommt § 34 StGB in Betracht, wenn es um den Verkauf der Aktien eines bankrotten Unternehmens geht und dies erforderlich ist, um die eigene Gesellschaft und damit Arbeitsplätze zu erhalten, weil durch die Erreichung dieses Ziels das höherrangige Rechtsgut gewahrt wird6. Ebenso geht die prozessuale Zeugnispflicht der Pflicht vor, eine Insiderinformation nicht mitzuteilen, es sei denn, dass dem Täter in den Verfahrensordnungen ein Zeugnisverweigerungsrecht eingeräumt ist (vgl. § 383 Abs. 1 Nr. 5 ZPO, § 53 StPO, § 84 Abs. 1 FGO i.V.m. § 102 AO)7. Hier ist insbesondere an das Zeugnisverweigerungsrecht der Rechtsanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, vereidigten Buchprüfer und Steuerberater zu denken.
1 Ebenso Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 91. 2 I.E. ebenso Fürhoff, AG 1998, 85. 3 Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 137; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 31; Versteegen/Schulz, ZIP 2009, 115; Widder/Koch, AG 2009, 657. 4 Assmann, AG 1997, 58; i.E. ebenso Fürhoff, AG 1998, 85; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 137; Süßmann, AG 1997, 63; Uwe H. Schneider, ZIP 1996, 1775; auch Claussen, Insiderhandelsverbot, Rz. 69. 5 Zur Vermeidung von Insiderverstößen bei der Ausübung der Option aus dem Aktienoptionsprogramm und der Veräußerung der auf diese Weise erlangten Aktien durch eine entsprechende Ausgestaltung der Aktienoptionsprogramme s. Casper, WM 1999, 367 ff. (insbesondere zur Frage, ob Transaktionen innerhalb eines zeitlichen „Handelsfensters“ Insiderverstöße generell ausschließen können, was für den Fall bejaht wird, dass die Wertpapiere innerhalb des fraglichen Zeitraums sowohl durch Ausübung der Option erworben als auch veräußert wurden und die Insidertatsache nicht nach § 15 veröffentlicht werden musste); Deutsches Aktieninstitut, Der Umgang von Führungskräften mit Aktien des eigenen Unternehmens im Rahmen von Aktienoptionsplänen, 1998 (dazu von Rosen, WM 1998, 1810); Fürhoff, AG 1998, 85 f. 6 Ebenso etwa Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 410; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 91. 7 Zustimmend etwa Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 64.
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5. Vollendung und Versuch 179 Vollendet ist die Tat nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG, wenn die vertragliche Gestaltung derart abgeschlossen ist, dass der zu realisierende Vorteil abgesichert ist. Nicht erforderlich ist für die Vollendung, dass der durch die Ausnutzung der Insiderinformation erstrebte Vorteil eingetreten ist. Nicht ausreichend ist die Erteilung einer Order, sofern diese noch nicht ausgeführt wurde. 180 Bei § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG ist die Tat vollendet, wenn derjenige, dem die Insiderinformation mitgeteilt oder zugänglich gemacht werden soll, tatsächlich Kenntnis von ihr erlangt hat. 181 Bei § 14 Abs. 1 Nr. 3 WpHG ist die Tat vollendet, wenn die Empfehlung zum Anoder Verkauf dem Empfänger bekannt gegeben worden ist. In den zuletzt genannten Fällen ist nicht erforderlich, dass der Adressat der Information bzw. Empfehlung sich entschließt, Insiderpapiere zu kaufen oder zu verkaufen. 182 Bis zur Änderung des Insiderrechts durch das AnSVG (s. Rz. 1, Einl. Rz. 29 f. und Vor § 12 Rz. 13) war der Versuch einer Insidertat nicht mit Strafe bedroht. Heute ist gemäß § 38 Abs. 3 WpHG der Versuch des Erwerbs oder Veräußerung von Insiderpapieren unter Verwendung einer Insiderinformation (§§ 14 Abs. 1 Nr. 1, 38 Abs. 1 WpHG) strafbar1. Dies gilt sowohl für Primärinsider (i.S. des § 38 Abs. 1 Nr. 2) wie für Sekundärinsider (d.h. jede Person, die über eine Insiderinformation verfügt, ohne Primärinsider zu sein). Ein Primärinsider ist darüber hinaus wegen des Versuches einer Insidertat i.S. des § 14 Abs. 1 Nrn. 2 (Weitergabeverbot) und 3 (Empfehlungs- und Verleitungsverbot), §§ 38 Abs. 1, 39 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 WpHG strafbar. Der Versuch einer Insidertat liegt vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Zu Einzelheiten s. die Erläuterungen in § 38 Rz. 42 f. 6. Täterschaft und Teilnahme a) Allgemeines 183 Für Täterschaft und Teilnahme in Bezug auf Insiderdelikte gelten die allgemeinen Grundsätze sowie die Vorschriften der §§ 25 ff. StGB und § 14 OWiG. 184 Da der Erwerb oder die Veräußerung von Insiderpapieren unter Verwendung einer Insiderinformation auch fremdnützig begangen werden kann, ist der Erwerb oder die Veräußerung von Wertpapieren für fremde Rechnung oder für einen anderen schon als Täterschaft strafbar. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn Organe oder vertretungsberechtigte Gesellschafter eines Unternehmens für dieses eine Wertpapiertransaktion durchführen. Hierbei genügt eine Mitwirkung am Beschluss eines mehrgliedrigen Organs, da die Mitwirkung im Vorbereitungsstadium nach h.M. als ausreichender Tatbeitrag im Rahmen der Mittäterschaft angesehen wird2.
1 § 38 Abs. 3 WpHG beruht auf Art. 2 Abs. 1 Satz 1 und Art. 14 der Marktmissbrauchsrichtlinie (Rz. 1). Kritisch zur Strafbarkeit des Versuchs der Weitergabe einer Insiderinformation Vogel, 4. Aufl. des Kommentars § 38 Rz. 13. Dagegen Sethe, ZBB 2006, 246. 2 Cramer/Heine, in: Schönke/Schröder, § 25 StGB Rz. 76b m.w.N.; Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 252; Joecks, in: MünchKomm. StGB, 2003, § 25 Rz. 216. Zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit für die Entscheidung eines Kollegialorgans vgl. im Übrigen BGH v. 6.7.1990 – 2 StR 549/89, NJW 1990, 2560; OLG Stuttgart v. 1.9.1980 – 3 Ss 440/80, NStZ 1981, 27.
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Die unterschiedliche Regelung der Verbotsmaterie (d.h. der verschiedenen Insiderhandelsverbote) für Primär- und Sekundärinsider in § 14 Abs. 1, Abs. 2 WpHG a.F. hatte die Frage aufgeworfen, inwieweit sich ein Sekundärinsider, der, ohne damit (wegen § 14 Abs. 2 WpHG a.F.) gegen ein Insiderhandelsverbot zu verstoßen, eine Insiderinformation an einen anderen weitergegeben hat, als Anstifter oder Gehilfe für dessen dadurch ermöglichten Verstoß gegen das Erwerbs- und Veräußerungsverbot strafbar gemacht hat (s. 3. Aufl. des Kommentars Rz. 93 ff.). Nachdem Primär- und Sekundärinsider den gleichen Verboten unterliegen und eine Differenzierung zwischen denselben nur noch im Bereich der Sanktion ihrer jeweiligen Tat vorzunehmen ist, ist für die nach § 14 Abs. 1 WpHG n.F. zu beurteilenden Fälle die angeführte Frage obsolet geworden.
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b) Sonderfall: Ausführung von Kundenorders Besondere Probleme stellen sich bei der Ausführung von Kundenorders, die in Kennt- 186 nis einer Insiderinformation erteilt wurden (s. schon oben Rz. 36 ff.). Hierzu gilt Folgendes: aa) Täterschaft Täterschaft scheidet aus, wenn der Bankmitarbeiter die Order nicht beeinflusst hat, 187 da der fragliche Mitarbeiter zur Vornahme der Wertpapiertransaktion nicht durch die Kenntnis einer Insiderinformation, sondern durch die ihm erteilte Order veranlasst wurde (vgl. oben Rz. 53). Etwas anderes kommt nur dann in Betracht, wenn die Order „interessewahrend“ erteilt wurde und sich so Handlungsspielräume ergeben: Lässt der Bankangestellte sein Insiderwissen in die Durchführung des Auftrags einfließen, so hat er eine Insiderinformation verwendet und mithin als Täter (Wertpapiertransaktion für fremde Rechnung) gegen das Erwerbs- und Veräußerungsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG verstoßen (vgl. Rz. 54). bb) Beihilfe Eine Beihilfe zu einem Insidervergehen kommt in Betracht, wenn ein Wertpapierhändler in Ausführung einer von ihm nicht beeinflussten Order handelt, die der Auftraggeber unter Verwendung einer Insiderinformation erteilt hat. Da der Angestellte die Tat des Kunden mit der Durchführung des Auftrags objektiv fördert, hängt seine Strafbarkeit nach dem Wortlaut des § 27 StGB lediglich davon ab, ob er auch vorsätzlich gehandelt hat1.
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Gegen eine solche Betrachtung sind im Schrifttum Bedenken erhoben worden2. Ausgangspunkt der Einwände ist dabei die Ansicht, bei den in Frage stehenden Geschäften der Kreditinstitute handele es sich um „neutrale Handlungen“, und zwar in dem Sinne, dass hier Leistungen erbracht würden, welche eine Bank regelmäßig und grundsätzlich legalerweise anbieten werde und die der Täter auch von jedem anderen Kreditinstitut erhalten könne3. Aktualität hatten diese Positionen insbesondere im Rahmen der Frage einer Beihilfestrafbarkeit von Bankmitarbeitern in Bezug auf die
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1 Etwa Pawlik, in: KölnKomm. WpHG, § 14 Rz. 59; Soesters, S. 168. 2 Vgl. Assmann, WM 1996, 1346 ff.; Zweifel auch bei Hammen, in: BuB, Rz. 7/757; ähnlich bereits Hopt, in: FS Heinsius, S. 299. 3 Eingehend dazu Assmann, WM 1996, 1347.
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Steuerflucht inländischer Gelder ins Ausland gewonnen1. Eine Strafbarkeit wird hier trotz aller Unterschiede in den Begründungsansätzen im Ergebnis jeweils schon nach objektiven Kriterien verneint, wenn es sich bei der möglichen Beihilfehandlung um eine „berufstypische“ Tätigkeit handelt, die aus der Sicht eines beliebigen Beobachters keine objektive Unrechtstendenz aufweist. Nach diesen Grundsätzen wäre eine Beihilfe folglich selbst für den Fall abzulehnen, dass der Händler einer Bank im sicheren Wissen um den Insiderverstoß des Kunden dessen Order zum Erwerb oder zur Veräußerung von Insiderpapieren ausführt2. 190 Ob diese Erwägungen jedoch von der Rechtsprechung im Ernstfall aufgegriffen würden, erscheint zweifelhaft3. So hat das Reichsgericht4 die Kreditgewährung zum Betreiben eines Bordells als Beihilfe zur schweren Kuppelei beurteilt, der Bundesgerichtshof5 die Mitwirkung bei äußerlich neutralen Umsatzgeschäften als Beihilfe zur Steuerhinterziehung eingestuft. Auch in einer Taxifahrt zum Tatort wurde eine Beihilfe, im Abholen vom Tatort eine Begünstigung gesehen6, obwohl es dem Taxifahrer nur auf den üblichen Fahrpreis ankam. In einem Beschluss vom 23.1.19857 hat der Bundesgerichtshof sogar ausdrücklich entschieden, dass Beihilfe zu einer vorsätzlichen Straftat auch durch „äußerlich neutrale Handlungen“ geleistet werden könne. Dieser Rechtsprechung ist aus folgenden Gründen zu folgen: 191 Ein Verstoß gegen das Erwerbs- und Veräußerungsverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG setzt in objektiver Hinsicht lediglich voraus, dass eine Transaktion vorgenommen wird. Rein äußerlich liegt hier also auch bei einem täterschaftlichen Verstoß ein „neutrales“ Verhalten vor, so dass sich der Unrechtsgehalt der Tat nur mit Blick auf die innere Tatseite feststellen lässt: Strafbarer Insiderhandel ist gegeben, wenn die Motivation, die den Täter zu seiner Tat bewogen hat, Besonderheiten aufweist, die das Geschehen gegenüber einem „normalen“, alltäglichen Börsengeschäft abgrenzt, d.h. er muss in Kenntnis einer Insiderinformation und in der Absicht handeln, dieses Wissen durch den Erwerb oder die Veräußerung der betreffenden Insiderpapiere für sich oder einen anderen wirtschaftlich auszunutzen (vgl. im Einzelnen oben Rz. 25 ff.). Wie bereits dargelegt wurde (Rz. 53, 55), lässt sich bei Ausführung einer Kundenorder eine Täterschaft des Händlers, trotz der Sozialüblichkeit eines solchen Geschäfts, nur mit Blick auf die subjektive Tatseite verneinen. Ein Verhalten, das aber bereits den objektiven Verbotstatbestand ausfüllt, kann auch im Rahmen der Beihilfe nicht „per se“ strafrechtlich irrelevant sein, mag das Geschäft auch für einen beliebigen Beobachter keine objektive Unrechtstendenz aufweisen. Eine Begrenzung des Kreises möglicher Beihilfehandlungen mittels objektiver Kriterien ist daher abzulehnen. 192 Entscheidend ist somit allein die innere Tatseite8. Fraglich ist also, ob der Wertpapierhändler bei Ausführung der Kundenorder weiß, dass dieser eine Insiderinfor-
1 Vgl. etwa Hassemer, wistra 1995, 41 (48); Löwe-Krahl, wistra 1995, 201; Meyer-Arndt, wistra 1989, 281; Otto, ZgKW 1994, 775. 2 Vgl. Assmann, WM 1996, 1347; ebenso schon Hopt, in: FS Heinsius, S. 299. 3 Ablehnend auch Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 256 f. 4 RGSt 39, 45. 5 BGH v. 13.4.1988 – 3 StR 33/88, MDR 1988, 818. 6 BGH v. 12.2.1953 – 3 StR 718/52, BGHSt 4, 107. 7 BGH v. 29.11.1984 – III ZB 29/84, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1985, 429. 8 Auch Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 257. I.E. ebenso Soesters, S. 165 ff., 168.
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mation zu Grunde liegt1. Für den entsprechenden Vorsatz sind zwei Fälle zu unterscheiden: Ein sicheres Wissen (dolus directus2) dürfte in aller Regel nur dann gegeben sein, wenn eine offene Unterredung stattgefunden hat, der Kunde dem Wertpapierhändler also offenbart, dass er über eine Insiderinformation verfügt. Ausreichend im Rahmen des § 27 StGB ist jedoch auch bedingter Vorsatz (dolus eventualis). Dieser setzt nach der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung im Schrifttum sowohl ein kognitives (intellektuelles) wie auch ein voluntatives Element voraus3. Der Angestellte der Bank muss also zunächst mit der Möglichkeit rechnen, dass die Order auf die Ausnutzung einer Insiderinformation gerichtet ist, und er muss dies auch billigend in Kauf nehmen. An den Nachweis des bedingten Vorsatzes sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen, wenn es um sozialtypische Handlungen bei der Berufsausübung geht4: Ein Anwalt z.B. handelt nach der Rechtsprechung nicht mit bedingtem Vorsatz, wenn er im Prozess eine Urkunde vorlegt, die er als möglicherweise gefälscht erkennt5.
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Bei der Feststellung des intellektuellen Moments wäre es rechtsfehlerhaft, bedingten Vorsatz schon deshalb zu bejahen, weil sich dem Händler die wahre Sachlage hätte aufdrängen müssen. Hier kommt nur Fahrlässigkeit in Betracht, die nicht strafbar ist. Es wäre daher eine unzulässige Unterstellung des bedingten Vorsatzes, würde nur darauf abgestellt, dass der Kunde ein ungewöhnliches Geschäft in Auftrag gibt, also beispielsweise eine außergewöhnlich hohe Summe in ein spekulatives, marktenges Papier investiert. Erst recht muss dies gelten, wenn der Transaktion eine Kreditaufnahme vorangeht, denn Wertpapiergeschäfte werden häufig von Banken finanziert6. Ein Anhaltspunkt für das Vorliegen eines bedingten Vorsatzes könnte aber unter Umständen darin zu sehen sein, dass das Geschäft über das Konto eines Dritten abgewickelt werden soll bzw. der Kunde sich eingehend über die Möglichkeiten informiert, wie er als Käufer nicht in Erscheinung treten wird.
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Da sich in allen diesen Fällen jedoch auch Erklärungen für das Verhalten des Auftrag- 195 gebers finden lassen, die in keinem Zusammenhang mit einem möglichen Insiderverstoß stehen, kann es am voluntativen Element des Vorsatzes fehlen. So kann etwa das Bestreben, nicht als Käufer in Erscheinung zu treten, darin seine Ursache finden, dass dem Ehepartner Vermögenswerte verschleiert werden sollen. Hat auch der Wertpapierhändler möglicherweise daran gedacht, dass der Kunde unter Ausnutzung einer Insiderinformation die Order erteilt, so fehlt es doch am voluntativen Vorsatzelement: Ebenso wie der Anwalt nicht den Gebrauch eines Falsifikats billigt, wird der Händler darauf vertrauen, dass der Bankkunde die Order nicht in Ausnutzung einer Insiderinformation erteilt. Der Nachweis des bedingten Vorsatzes liegt allerdings, wie man zugeben muss, unter Umständen auf des Messers Schneide. So liegt die Annahme eines bedingt vorsätzlichen Handelns nahe, wenn nicht nur die Transaktion Besonderheiten aufweist (etwa den Einsatz eines Strohmanns), sondern dem Händler zudem bspw. auch die Kennt1 Vgl. BGH v. 1.8.2000 – 5 StR 624/99, NJW 2000, 3010 f. (Beihilfe eines Bankangestellten zur Steuerstraftat eines Bankkunden). 2 Vgl. dazu Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, § 15 StGB Rz. 68. 3 Zum Meinungsstand vgl. Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, § 15 StGB Rz. 73a m.w.N. 4 Zustimmend Hilgendorf, in: Park, §§ 12–14, 38 I, III-V, 39 II Nr. 3–4, IV WpHG Rz. 258. 5 BGH v. 1.9.1992 – 1 StR 281/92, BGHSt 38, 345, 350 f. Dazu Anm. Beulke, JR 1994, 116 (118 ff.); Scheffler, StV 1993, 471. 6 Vgl. aber Hopt, in: FS Heinsius, S. 299.
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nis nachzuweisen ist, dass das betreffende Papier zur fraglichen Zeit auf der Beobachtungsliste („Watch-List“) geführt wurde. Aber auch diese Übereinstimmung kann auf einem Zufall beruhen. Ein sicherer Schluss darauf, dass der Händler erkannt hat, dass es sich um ein Insidergeschäft handelt, und er dies auch billigend in Kauf genommen hat, bedarf auch hier besonders sorgfältiger Feststellungen. 197 Festzuhalten bleibt damit, dass der Nachweis des erforderlichen Gehilfenvorsatzes in der Praxis kaum zu erbringen sein wird1. Das gilt vor allem dann, wenn die Ausführung einer normalen Wertpapierorder zur Beurteilung steht. Dies ist aber auch dann der Fall, wenn die Wertpapierorder Besonderheiten aufweist, zum Beispiel bei Tafelgeschäften. Hier fehlt es an den Voraussetzungen für den Nachweis des Beihilfevorsatzes, wenn sich für die Abweichungen vom Normaltypus einer Wertpapierorder vernünftige Gründe finden lassen. Nur dann, wenn der Kunde seine Kenntnis von der Insiderinformation offenbart, oder der Wertpapierhändler ihn berät, wie er am besten die Verwendung einer Insiderinformation verschleiern kann, kommt auch der Nachweis eines entsprechenden Vorsatzes in Betracht. 7. Sanktion 198 Eine Insidertat i.S. eines Verstoßes gegen § 14 Abs. 1 Nrn. 1, 2 oder 3 WpHG unterliegt den sich aus §§ 38 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 4, 39 Abs. 2 Nrn. 3 und 4, Abs. 4 WpHG ergebenden Sanktionen und kann damit sowohl eine Straftat wie eine Ordnungswidrigkeit darstellen; s. im Einzelnen § 12 Rz. 25 ff. Den Verboten aus § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3, § 38 Abs. 1 WpHG i.V.m. § 39 Abs. 2 Nrn. 3, 4 WpHG steht ein entsprechendes ausländisches Verbot gleich (§ 38 Abs. 5); s. im Einzelnen § 38 Rz. 61 ff. 199 Ein Berufsverbot nach § 70 StGB ist möglich, wenn der Täter unter Missbrauch seines Berufs oder Gewerbes oder unter grober Verletzung seiner Berufspflichten gehandelt hat und die Gefahr begründet ist, dass er bei weiterer Berufsausübung usw. erhebliche rechtswidrige Taten nach § 14 WpHG oder vergleichbaren Tatbeständen begehen wird. Die Anordnung eines Berufsverbots steht im Ermessen des Gerichts. Ein Verstoß gegen ein Berufsverbot ist strafbar nach § 145c StGB, sofern es hinreichend bestimmt ist2. 200 Außerdem kommt die Anordnung des Verfalls von Vermögensvorteilen nach § 73 StGB in Betracht3. Voraussetzung hierfür ist, dass der Täter oder Teilnehmer aus der Tat nach § 14 WpHG einen Vermögensvorteil erlangt hat. Entgegen instanzgerichtlicher Rechtsprechung und h.M.4 stellt das im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB Erlangte nach einem Beschluss des 5. Strafrechtssenats des BGH vom 27.1.20105 nur der durch das verbotene Insidergeschäfte erzielte Sondervorteil dar. Dieser Sondervorteil soll sich nach dem bestimmen, was letztlich strafbewehrt ist: Soweit das Geschäft an sich verboten sei, wie etwa bei Rauschgiftgeschäften, könne der gesamte hieraus erlöste Wert dem Verfall unterliegen; soweit dagegen – wie bei Insiderdelikten – „strafrechtlich nur die Art und Weise bemakelt“ sei, in der das Ge1 2 3 4 5
Ebenso Hammen, in: BuB, Rz. 7/758. OLG Karlsruhe v. 19.1.1995 – 2 Ss 177/94, NStZ 1995, 446 m. Anm. Stree. § 38 Rz. 90. Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 128. S. dazu Vogel, [Anm. zu BGH v. 27.1.2010 – 5 StR 224/09] JZ 2010, 370 (372 m.w.N.). BGH v. 27.1.2010 – 5 StR 224/09 („Freenet“), AG 2010, 249 (Rz. 29 ff.) = ZIP 2010, 426. Zustimmend Klöhn, DB 2010, 772; Hinterhofer, Der Freenet-Beschluss des BGH zum Insiderhandel, ZfR 2010, 247 (249), im Rechtsvergleich mit Österreich. Ablehnend Vogel, [Anm. zu BGH v. 27.1.2010 – 5 StR 224/09] JZ 2010, 370 (371).
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schäft ausgeführt werde, sei nur der hierauf entfallende Sondervorteil erlangt1. Im Falle der Ausübung einer Aktienoption und des Verkaufs der hieraus erlangten Wertpapiere durch Primärinsider vor Veröffentlichung der Insiderinformation wird der durch die Insidergeschäfte erlangte Sondervorteil in der Verschonung von dem Wertverlust gesehen, den uninformierte Marktteilnehmer infolge verspäteter Veröffentlichung der aktienkursrelevanten (negativen) Tatsache erlitten haben2. Das habe zur Folge, dass etwaige Aufwendungen im Zusammenhang mit dem tatbestandlichen Handeln (etwa Kreditzinsen, Provisionen) das Erlangte nicht mindern, sondern allenfalls über die Härteklausel des § 73c StGB Berücksichtigung finden könnten. Im Gegensatz zum Berufsverbot ist die Anordnung des Verfalls zwingend vorgeschrieben, weil es sich bei dieser Maßnahme weniger um eine von der Tatschwere und dem Grad des Verschuldens abhängige Strafe handelt, als um eine Ausgleichsmaßnahme, für deren Entzug ein richterliches Ermessen nicht bestehen kann3. Nach Art. 14 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie (s. oben Rz. 1) haben die Mit- 200a gliedstaaten dafür zu sorgen, dass die bei Verstößen gegen die gemäß dieser Richtlinie erlassenen Verbote von Insidergeschäften verhängten Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind. Für die Beurteilung der Frage, ob dies der Fall ist, hat die Richtlinie keine Kriterien festlegt. Die Definition dieser Kriterien ist daher, wie der EuGH in seiner Entscheidung vom 23.12.2009 („Spector Photo Group“)4 ausführt, Sache des nationalen Rechts. Doch weist der EuGH darauf hin, dass nach Erwägungsgrund 38 der Marktmissbrauchsrichtlinie die Sanktionen abschreckend genug sein, im Verhältnis zur Schwere des Verstoßes und zu den erzielten Gewinnen stehen und konsequent vollstreckt werden sollten. Daraus folgert das Gericht, „dass der aus einem Insider-Geschäft resultierende Vermögensvorteil ein relevanter Gesichtspunkt für die Zumessung einer wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktion sein“ könne, die „Methode für die Berechnung dieses Vermögensvorteils und insbesondere der dafür zu Grunde zu legende Zeitpunkt oder Zeitraum“ sich aber nach dem nationalen Recht eines jeden Mitgliedstaats richte5. 8. Konkurrenzen Idealkonkurrenz kommt in Betracht mit Betrug (§ 263 StGB), sofern der Täter entgegen einer Rechtspflicht verschweigt, dass er unter Verwendung einer Insiderinformation handelt. Im Übrigen aber besteht Exklusivität zwischen § 263 StGB und § 14 WpHG, da die Insiderinformation, sofern sie dem Geschäftspartner offenbart wird, wahr ist, und falls dies nicht geschieht, keine Rechtspflicht zur Offenbarung besteht. Exklusivität besteht auch zum Verbot der Kurs- und Marktmanipulation nach §§ 20a, 38 Abs. 1 Nr. 4 WpHG, weil diese jeweils eine Täuschung über unwahre Umstände oder ein entsprechendes Täuschungsmanöver voraussetzen.
1 BGH v. 27.1.2010 – 5 StR 224/09 („Freenet“), AG 2010, 249 (Rz. 30) = ZIP 2010, 426. 2 Hierzu und zum Folgenden BGH v. 27.1.2010 – 5 StR 224/09 („Freenet“), AG 2010, 249 (Rz. 31) = ZIP 2010, 426. 3 Vgl. Eser, in: Schönke/Schröder, § 73 StGB Rz. 44. 4 EuGH v. 23.12.2009 – Rs C-45/08, AG 2010, 78 (Rz. 71) = ZIP 2010, 78. 5 EuGH v. 23.12.2009 – Rs C-45/08, AG 2010, 78 (Rz. 73, Ls. 2) = ZIP 2010, 78.
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9. Verjährung 202 Die Verjährungsfrist für Insiderstraftaten richtet sich nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB und beträgt fünf Jahre. Die Verjährung beginnt nach § 78a Satz 1 StGB, sobald die Tat beendigt ist (s. Rz. 179 ff.). 203 Die Verjährungsfrist für Insidertaten, die eine Ordnungswidrigkeit darstellen, richtet sich nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 OWiG und beträgt drei Jahre. Die Verjährung beginnt nach § 31 Abs. 3 OWiG, sobald die Handlung beendet ist (s. Rz. 179 ff.). 10. Auslieferungsfragen 204 Da es nach § 3 IRG für die gegenseitige Strafbarkeit auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Auslieferung ankommt, ist diese auch zulässig, falls die Tat, derentwegen die Auslieferung begehrt wird, vor dem 1.8.1994 begangen worden ist. Dies gilt allerdings nur, soweit nicht anderweitiges, zwischenstaatliches Vertragsrecht in Betracht zu ziehen ist. Dies ist etwa der Fall im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten von Amerika, weil hier Art. 4 des Zusatzvertrages vom 21.10.1986 zum Auslieferungsvertrag von 1978 bestimmt, dass für Taten, die vor Inkrafttreten des Zusatzabkommens begangen wurden, das ist der 11.3.1993, auf die Strafbarkeit in diesem Zeitpunkt abzuheben ist. Eine Auslieferung wegen in den USA begangener Insiderstraftaten, die vor diesem Zeitpunkt begangen wurden, kommt daher nicht in Betracht1. 11. Zivilrechtliche Fragen 205 Ein Verstoß gegen die Verbotsbestimmungen des § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG kann auch zivilrechtliche Konsequenzen haben2. 206 Fraglich ist zunächst, ob die Geschäfte in Insiderpapieren, die unter Verstoß eines Insiders gegen § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG zustande kamen, nach § 134 BGB nichtig sind. Bei der Beantwortung dieser Frage darf als unstreitig gelten, dass nicht jedes gesetzlich verbotene oder unter Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot zustande gekommene Rechtsgeschäft als nichtig zu betrachten ist. Die Rechtsfolge der Nichtigkeit nach § 134 BGB tritt vielmehr nur dann ein, wenn Sinn und Zweck des in Frage stehenden Verbotsgesetzes dies fordern3. Das wird schon regelmäßig für den Fall verneint, dass sich das Verbot nicht gegen beide Vertragsparteien richtet, sondern nur gegen eine derselben4. Dies gilt für Geschäfte, deren Vornahme gegen ein Strafgesetz verstößt, wie es das Insiderhandelsverbot nach §§ 14 Abs. 1, 38 Abs. 1, Abs. 3 WpHG darstellt, jedenfalls dann, wenn sich das strafrechtliche Verbot nur gegen eine der Vertragsparteien richtet und die anderen am Vertrag Beteiligten weder Kenntnis von dem Verstoß haben noch mit einem solchen rechnen5. Darüber hinaus hat das Verbot von Insidergeschäften auch nicht das Verbot des Gegenstands (des Inhalts) der fragli-
1 Ebenso BGH v. 17.9.1996 – 4 A Rs 21/95, BGHSt 42, 243 = AG 1997, 40. 2 Dazu Steinhauer, S. 73 ff., 111 („Keine zivilrechtlichen Haftungsansprüche gegen Insider wegen der Vornahme von Insidergeschäften“); Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 131 ff.; Wolf, in: FS Döser, S. 255 ff. 3 St. Rspr., etwa BGH v. 5.5.1992 – X ZR 134/90, BGHZ 118, 182 (188 m.w.N.). 4 Heinrichs, in: Palandt, 70. Aufl. 2011, § 134 BGB Rz. 9 m.w.N. 5 Vgl. Heinrichs, in: Palandt, 70. Aufl. 2011, § 134 BGB Rz. 8, 9.
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chen Wertpapiergeschäfte zum Gegenstand, so dass auch aus dieser Sicht von der vorgenannten Regel nicht abgewichen zu werden braucht1. Gegenteilige Argumente2 lassen sich auch aus Sinn und Zweck des Insiderhandels- 207 verbots nicht herleiten: Weder wird durch den Verstoß gegen dieses Verbot ein Marktteilnehmer zu einem Wertpapiergeschäft mit schlechterdings nicht zu duldendem Inhalt verleitet, noch ist (wegen der in Rz. 198 ff. angeführten gesetzlichen Folgen eines Insidergeschäfts) die Nichtigkeitsfolge geboten, um eine auf andere Weise nicht erreichbare, für die Durchsetzung des Verbots aber zwingende Sanktion bereitzustellen. Des Weiteren ist auch darauf hinzuweisen, dass die Nichtigkeitsfolge solcher Geschäfte schon deshalb eine fragliche Konsequenz des Insiderhandelsverbots wäre, weil sich selbst nach der Änderung der AGB für Wertpapiergeschäfte, welche den Selbsteintritt der Kreditinstitute zugunsten von dokumentationspflichtigen Kommissionsgeschäften (§§ 383, 384 Abs. 2 HGB i.V.m. § 666 BGB) ausschließen, nur schwer wird feststellen lassen, welcher Marktteilnehmer Insiderpapiere an den Insider verkauft oder von ihm erworben hat. Die gesetzlich vorgesehene Rechtsfolge liefe damit überwiegend leer und würde zudem den Wertpapierhandel mit unüberschaubaren Risiken sowie Rückabwicklungsproblemen belasten und verunsichern. Hinzu kommt, dass es ohnehin mehr oder weniger Zufall ist, wer unter den kaufoder verkaufswilligen Aktionären gerade Vertragspartner des Insiders oder eines anderen Marktteilnehmers wurde. Diese Gesichtspunkte wird man umso eher zu vernachlässigen bereit sein, als man eine Zurückdrängung strafrechtlicher Sanktionen kapitalmarktrechtlicher Verhaltenspflichten im Allgemeinen und des Insiderrechts im Besonderen befürwortet. Dann mag man unter Hintanstellung rechtsdogmatischer Bedenken zu dem Ergebnis gelangen, dem Schutzbedürfnis des einzelnen Anlegers und des Kapitalmarkts insgesamt müsse dadurch Rechnung getragen werden, dass die verbotswidrigen Rechtsgeschäfte (d.h. das regelmäßig zwischen Banken als Kommissionären zustande kommende Erwerbs- oder Ausführungsgeschäft sowie das Kommissionsgeschäft zwischen Insider und Bank) gemäß § 134 BGB als nichtig anzusehen seien, was dem Anleger erlauben würde, das vom Insider verbotswidrig Erlangte (d.h. Aktien und Kaufpreis) im Wege der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung herauszuverlangen und dadurch seine Verluste wieder auszugleichen3. Umstritten ist die Frage, ob das Insiderhandelsverbot ein Schutzgesetz i.S. des § 823 208 Abs. 2 BGB ist, dessen Verletzung gegenüber dem durch den Verstoß geschädigten Anleger schadensersatzpflichtig macht. Diese Frage wird heute überwiegend verneint4 (s. Rz. 7 und Vor § 12 Rz. 49).
1 Gegen Nichtigkeit nach § 134 BGB auch Hammen, in: BuB, Rz. 7/762; Krauel, S. 308; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.202; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 423, 440; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 96; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 4; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 131; Steinhauer, S. 90. 2 Zu solchen namentlich Wolf, in: FS Döser, S. 260 f. (dazu Rz. 106 a.E.). 3 Wolf, in: FS Döser, S. 260 ff. 4 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 281; Happ, JZ 1994, 243; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.198; Kaiser, WM 1997, 1559 f.; Mennicke, S. 618 ff., 624; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 442 ff.; Rothenhöfer, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 3.460; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 133; Steinhauer, S. 106 ff. Offen gelassen bei Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 97. Differenzierend nach positiver und negativer Insiderinformation und § 14 WpHG als „partielles Schutzgesetz“ betrachtend Grechening, ZBB 2010, 239 f.
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209 Freilich ist die Entscheidung für oder gegen den Schutzgesetzcharakter weitgehend theoretischer Natur: Zunächst steht es außer Frage, dass eine Schadensersatzpflicht des Insiders gegenüber allen Anlegern der Marktgegenseite – d.h. allen Anlegern, die aufgrund ihrer Börsengeschäfte zum fraglichen Zeitpunkt potenzielle Vertragspartner des Insiders hätten sein können1 – ausscheidet2. Stehen damit Schadensersatzansprüche nur demjenigen zu, der nachweisen kann, durch den Insiderverstoß einen Schaden3 erlitten zu haben, so ist ein solcher Beweis nach wie vor schwer zu führen. Sollte der Vertragspartner des Insiders identifiziert werden können (zu den diesbezüglich günstigeren Bedingungen nach Änderung der AGB für Wertpapiere und der diesen folgenden Praxis der Abwicklung von Wertpapiergeschäften s. Rz. 207), so dürfte ihm, der ganz offenbar auf jeden Fall zum Kauf oder Verkauf der fraglichen Insiderpapiere entschlossen war, ein Schadensnachweis i.S. der §§ 249 ff. BGB nur vor dem Hintergrund ganz unwahrscheinlicher Konstellationen gelingen, wie etwa derjenigen, dass der Kauf oder Verkauf der Papiere vor dem späteren Bekanntwerden der Insiderinformation ohne den Insider als Marktgegenseite nicht zustande gekommen wäre und der Anleger später hätte günstiger kaufen oder verkaufen können4. 210 Die Schwierigkeiten, Geschädigte und Schäden eines Insiderverstoßes nachzuweisen, waren längst vor Erlass des WpHG bekannt5. Angesichts dessen und der auf der Hand liegenden Behauptung, Insiderverstöße seien ein „victimless crime“, mag die Schlussfolgerung nicht ganz fern liegen, es seien eigentlich kaum vernünftige Gründe denkbar, die einen Gesetzgeber dazu veranlassen könnten, einem Insiderhandelsverbot private Schadensersatzpflichten auslösenden Schutzgesetzcharakter beizumessen. Weitaus relevanter als die Frage nach der Schutzgesetzeigenschaft des § 14 WpHG ist denn auch diejenige, ob der der Prävention von Insiderverstößen durch Publizitätspflichten dienenden Bestimmung des § 15 WpHG Schutzgesetzeigenschaft zuzuerkennen ist. Das beruht darauf, dass es einem Anleger ungleich leichter fallen wird, den Nachweis zu führen, bei rechtzeitiger Information von der Kurssteigerung profitiert oder ein Geschäft unterlassen zu haben. Wegen des daraus resultierenden unermesslichen (und nicht allein auf Schäden aus Wertpapiergeschäften begrenzten) Schadensersatzrisikos der publizitätspflichtigen Emittenten hatte der Gesetzgeber in der ursprünglichen Fassung des § 15 Abs. 6 WpHG zunächst sämtli1 Hopt, ZHR 159 (1995), 162. 2 Denkbar aber ist eine Schadensersatzpflicht gegenüber denjenigen, deren Aufträge wegen des Insidergeschäfts nicht zur Ausführung gelangten; Schweizer, S. 136. 3 Zur Schadensfrage etwa Steinhauer, S. 52 ff., 71 f., mit allerdings wenig praktikablen Ergebnissen. 4 Ebenso Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 133. Zu möglichen Fällen der zivilrechtlichen Haftung von Insidern s. Kaiser, WM 1997, 1558 ff.; zur Kausalitätsproblematik s. auch J. Hartmann, S. 249 ff.; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 97; Steinhauer, S. 83 ff., 88; Wolf, in: FS Döser, S. 258, 259. Kritisch Grechening, ZBB 2010, 234. Für eine Berücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe bei der Ermittlung eines Anlegerschadens Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2001, § 107 Rz. 76. Dagegen Geibel, Der Kapitalanlegerschaden, 2002, S. 441 ff.; Grechening, ZBB 2010, 234; Schwark/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 14 WpHG Rz. 6. 5 S. schon Arbeitskreis Gesellschaftsrecht, S. 13 ff.; Hasslinger, S. 72 ff.; Holschbach, NJW 1973, 2006; Hopt/Will, S. 87 ff.; Jenckel, S. 31 ff.; Will, NJW 1973, 645 (646 ff.); der von Kirchner (in: FS Kitagawa, S. 679) unternommene Versuch einer Schadensbegründung stellt auf das Unterlassen einer Veröffentlichungspflicht des Insiders ab, die jedoch de lege lata nicht zu begründen ist (die Publizitätspflicht aus § 15 WpHG trifft nur den Emittenten); zur Übersicht über zivilrechtliche Sanktionen in anderen EG-Mitgliedstaaten s. Wymeersch, in: Hopt/Wymeersch, S. 120 ff., und entsprechend zu den USA etwa Mennicke, S. 386 ff.; zur Problematik und den Gestaltungsmöglichkeiten zivilrechtlicher Sanktionen allgemein s. Mennicke, S. 522 ff.
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che Schadensersatzansprüche Dritter wegen Verstoß gegen § 15 Abs. 1–3 WpHG ganz ausgeschlossen (s. 1. und 2. Aufl. des Kommentars Rz. 187 ff.), bevor er diese mit der Einführung von §§ 37b und 37c WpHG durch das 4. FFG (Einl. Rz. 26) und die entsprechende Anpassung des § 15 Abs. 6 WpHG – manchen aber noch immer nicht weitgehend genug – zuließ. Verneint man die Schutzgesetzeigenschaft des § 14 Abs. 1 WpHG, so schließt dies 211 nicht aus, einen Schadensersatzanspruch gegen den Insider oder eine andere Rechtsfolge auf allgemeine zivilrechtliche1, insbesondere auch verbandsrechtliche Rechtsgrundlagen zu stützen. So kann etwa die Weitergabe einer Insiderinformation eine unzulässige Offenbarung eines Geheimnisses nach § 404 AktG darstellen und wegen des Schutzgesetzcharakters dieser Bestimmung zu Schadensersatzpflichten zumindest gegenüber der Gesellschaft und ihren Aktionären führen2. Des Weiteren mag der Insiderverstoß eines Wertpapierhändlers oder eines Vermögensverwalters neben Ansprüchen aus Vertragspflichtverletzung auch ein außerordentliches Kündigungsrecht auslösen, und im Falle der Insidertat eines Organmitglieds wird regelmäßig ein Verstoß gegen §§ 76, 93, 116 AktG in Betracht kommen3. Denkbar ist auch, dass Insiderhandeln im Rahmen von sog. Face-to-face-Geschäften (wie etwa beim Unternehmenskauf, beim Erwerb einer bedeutenden Beteiligung oder beim Paketerwerb) ansonsten abzulehnende4 Gewährleistungsansprüche oder Ansprüche aus § 311 Abs. 2 BGB (c.i.c.) entstehen lässt5. Schließlich können die besonderen Umstände, unter denen ein Insiderhandelsverstoß erfolgt, auch zu einem Schadensersatzanspruch des Geschädigten aus § 826 BGB führen6.
III. Verweis auf EU-Verordnungsrecht (§ 14 Abs. 2 WpHG) 1. Übersicht § 14 Abs. 2 WpHG dient der Umsetzung von Art. 8 der Marktmissbrauchsrichtlinie 212 (Rz. 1). Des in § 14 Abs. 2 Satz 1 WpHG zu findenden Verweises auf die zur Durchführung von Art. 8 der Marktmissbrauchsrichtlinie ergangenen Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 hätte es nicht bedurft, denn die Verordnung gilt in den Mitgliedstaaten der EU unmittelbar (Art. 249 Abs. 2 EG, jetzt Art. 288 Abs. 2 AEUV); er dient der Klarstellung und ist auch als Merkposten angebracht. Zur geringfügigen Änderung der Vorschrift durch das FRUG s. oben Rz. 1. Nach § 14 Abs. 2 WpHG ist der Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rück- 213 kaufprogrammen und Stabilisierungsmaßnahmen von den Insiderhandelsverboten des § 14 Abs. 1 WpHG ausgenommen, sofern die Voraussetzungen des Art. 8 und der Marktmissbrauchsrichtlinie und der Vorschriften der aufgrund der Richtlinie ergan1 Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2001, § 107 Rz. 82 ff.; F. Immenga, ZBB 1995, 205; Kaiser, WM 1997, 1558 ff. 2 Hierzu und zur möglichen Verletzung weiterer Geheimnisschutzvorschriften Kaiser, WM 1997, 1561 f.; zu den mit Insiderhandeln verbundenen Geheimnispflichtverletzungen von Wirtschaftsprüfern s. Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2001, § 107 Rz. 87 f. 3 Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2001, § 107 Rz. 90 ff. bzw. 83 f. und 3. Aufl. 2007, § 107 Rz. 119. 4 S. Wolf, in: FS Döser, S. 257 f. 5 Kaiser, WM 1997, 1558 f.; Mennicke, S. 624 f.; Mennicke, in: Fuchs, § 14 WpHG Rz. 433; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 132. 6 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 282; Grechening, ZBB 2010, 240; Kaiser, WM 1997, 1560 f. zgl. zur Schadensfrage; Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 99; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 134.
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genen Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 erfüllt sind. Da die Marktmissbrauchsrichtlinie und die Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 unmittelbar nur für Finanzinstrumente gelten, die zum Handel auf einem „geregelten Markt“ – das ist ein organisierter Markt i.S. des § 2 Abs. 5 WpHG (s. § 2 Rz. 158) – in mindestens einem Mitgliedstaat zugelassen sind oder für die ein entsprechender Antrag auf Zulassung zum Handel auf einem solchen Markt gestellt wurde, (s. Art. 9 i.V.m. Art. 1 Nr. 4 der Marktmissbrauchsrichtlinie), die in § 14 Abs. 1 Nrn. 1–3 WpHG statuierten Insiderhandelsverbote sich aber auch auf Finanzinstrumente beziehen, die in den regulierten Markt (s. Rz. 1) als ein organisierter Markt und in den Freiverkehr einbezogen sind, wird die sich aus § 14 Abs. 2 Satz 1 WpHG ergebende gesetzliche Beschränkung des Anwendungsbereichs des Insiderhandelsverbots durch § 14 Abs. 2 Satz 2 WpHG auf in den regulierten Markt und den Freiverkehr einbezogene Finanzinstrumente erstreckt. Der in dieser Vorschrift ebenfalls ausgesprochenen Erstreckung auf den regulierten Markt hätte es nicht bedurft, da es sich bei diesem um einen „geregelten Markt“ i.S. der Marktmissbrauchsrichtlinie und einen organisierten Markt i.S. des § 2 Abs. 2 WpHG handelt (s. § 2 Rz. 158 f.). 2. Freistellung von Aktienrückkaufprogrammen 214 Ein Aktienrückkaufprogramm ist nach Art. 2 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 der „Handel mit eigenen Aktien“ (gemäß Art. 19–24 der Richtlinie 77/91/EWG, d.h. der sog. Kapitalrichtlinie1). Um in den Genuss der in Art. 8 der Marktmissbrauchsrichtlinie (Rz. 1) und § 14 Abs. 2 WpHG vorgesehenen Freistellung vom Insiderhandelsverbot zu gelangen, muss ein Rückkaufprogramm einzig und allein den in Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 angeführten Zwecken dienen. In Betracht kommen danach: 215 – Der Aktienrückkauf zum Zweck der Herabsetzung des Grundkapitals eines Emittenten „in Wert oder Zahl der Aktien“. Hierunter fällt für inlandsansässige Emittenten der Erwerb eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 6 AktG aufgrund eines Beschlusses der Hauptversammlung zur Einziehung (s. § 237 Abs. 1 Satz 1 AktG) nach den Vorschriften über die Herabsetzung des Grundkapitals in §§ 237–239 AktG sowie der Erwerb eigener Aktien nach Maßgabe von § 71 Abs. 1 Nr. 8 (insbes. Satz 6) AktG. 216 – Der Aktienrückkauf zum Zweck der Erfüllung von Verpflichtungen aus Schuldtiteln, die in Beteiligungskapital umgewandelt werden können. Hiervon erfasst sind namentlich Wandelschuldverschreibungen. Inlandsansässige Emittenten können die Ansprüche auf Lieferung von Wertpapieren aufgrund der Ausübung des Umtauschrechts aus einer Wandelschuldverschreibung sowohl im Wege der Durchführung einer bedingten Kapitalerhöhung nach § 192 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AktG als auch durch den Erwerb eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG bedienen. Da Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 nicht vorschreibt, auf wessen Veranlassung die Umwandlung eines „Schuldtitels“ in „Beteiligungskapital“ zurückzugehen hat, sind neben den Wandelschuldverschreibungen auch sog. Aktienanleihen als erfasst anzusehen, die dessen Emittenten das (als facultas alternativa einzuordnende) Recht einräumen, unter den in den Anleihebedingungen angeführten Umständen statt der Rückzahlung der Darlehensvaluta eigene Aktien liefern zu können. 1 Zweite gesellschaftsrechtliche Richtlinie vom 13.12.1976, ABl. EG Nr. L 26 v. 31.1.1977, S. 1 ff.
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– Der Aktienrückkauf zum Zweck der Erfüllung von Verpflichtungen aus Beleg- 217 schaftsaktienprogrammen und anderen Formen der Zuteilung von Aktien an Mitarbeiter des Emittenten oder einer Tochtergesellschaft desselben. Aktienoptionsprogramme für Organmitglieder und Führungskräfte des Emittenten werden davon nicht erfasst und mithin auch nicht von den Insiderhandelsverboten des § 14 Abs. 1 WpHG freigestellt. Anders als Belegschaftsmitglieder haben Organmitglieder, namentlich Mitglieder der Geschäftsführung, und leitende Angestellte regelmäßig Zugang zu den Emittenten betreffenden Insiderinformation. Dieser Umstand kann im Rahmen von Aktienoptionsprogrammen für diesen Personenkreis leicht zur Erzielung von Sondervorteilen genutzt werden. Inlandsansässige Emittenten können zur Bedienung der Belegschaftsaktienprogramme und der anderen erfassten Formen der Zuteilung von Aktien an Mitarbeiter auf die Möglichkeit des Erwerbs eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 8 AktG zurückgreifen. Von den Insiderhandelsverboten freigestellt sind die fraglichen Rückkaufprogramme des Weiteren nur, wenn sie die in Art. 4–6 der Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 aufgestellten Voraussetzungen erfüllen:
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– Das Rückkaufprogramm muss die in Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 77/91/EWG (Ka- 219 pitalrichtlinie, Rz. 214) angeführten Voraussetzungen erfüllen (Art. 4 Abs. 1 der Verordnung). Zu diesen gehört vor allem die Genehmigung des (in den Einzelheiten des vorgesehenen Erwerbs ausgearbeiteten) Rückkaufprogramms durch die Hauptversammlung (Art. 19 Abs. 1 lit. a der Richtlinie). – Weitere Voraussetzungen bezwecken die Herstellung von Transparenz zur Ver- 220 meidung von Marktmissbrauch (d.h. von Insiderhandel und Marktmanipulation): So etwa die Verpflichtung zur „angemessenen Bekanntgabe“ des von der Hauptversammlung genehmigten Programms sowie nachträglicher Änderungen nach Maßgabe von Art. 4 Abs. 2 der Verordnung; „angemessene Bekanntgabe“ ist nach Art. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 eine Bekanntgabe von Informationen gemäß Art. 102 Abs. 1 und Art. 103 der Richtlinie 2001/34/EG1. Des Weiteren die Bekanntmachung aller Transaktionen spätestens am Ende des siebten Handelstages nach deren Ausführung mit den in Art. 3 der Richtlinie (welche ihrerseits auf Art. 20 Abs. 1 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie2 verweist) angeführten Informationen. – Ebenfalls der Prävention von Marktmissbrauch zu dienen bestimmt sind die in 221 Art. 5 und 6 der Verordnung enthaltenen Anforderungen an die Geschäfte zur Durchführung des Rückkaufprogramms. Sie betreffen den Erwerbspreis (Art. 5 Abs. 1) sowie die Höchstmenge der Aktien, die an einem Tag erworben werden dürfen (Art. 5 Abs. 1, Abs. 3) und legen dem Emittenten gewisse Handlungsbeschränkungen auf (Art. 6 Abs. 1). Dazu gehört etwa das Unterlassen des Verkaufs eigener Aktien während der Laufzeit des Rückkaufprogramms (Art. 6 Abs. 1 lit. a).
1 Richtlinie 2001/34/EG vom 28.5.2001 über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen, ABl. EG Nr. L 184 v. 6.7.2001, S. 1 ff. 2 Richtlinie 93/22/EWG vom 10.5.1993, ABl. EG Nr. L 141 v. 11.6.1993, S. 27 ff.
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3. Freistellung von Kursstabilisierungsmaßnahmen 222 Kursstabilisierung ist nach Art. 2 Nr. 7 „jeder Kauf bzw. jedes Angebot zum Kauf relevanter Wertpapiere und jede Transaktion mit vergleichbaren verbundenen Instrumenten, die Wertpapierhäuser oder Kreditinstitute im Rahmen eines signifikanten Zeichnungsangebots für diese Wertpapiere mit dem alleinigen Ziel tätigen, den Marktkurs dieser relevanten Wertpapiere zu stützen, wenn auf diese Wertpapiere Verkaufsdruck besteht. Um in den Genuss der in Art. 8 der Marktmissbrauchsrichtlinie (Rz. 1) und § 14 Abs. 2 WpHG vorgesehenen Freistellung vom Insiderhandelsverbot zu gelangen, müssen Maßnahmen zur Stabilisierung des Kurses eines Finanzinstruments die in Art. 8–10 der Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 aufgestellten Voraussetzungen erfüllen: 223 – Die Kursstabilisierungsmaßnahmen sind zeitlich befristet und dementsprechend auch nur in dem einzuhaltenden Zeitfenster von den Insiderhandelsverboten freigestellt. So beträgt etwa bei erstmals platzierten Aktien und Aktien entsprechenden Wertpapieren der Zeitraum 30 Kalendertage, beginnend an dem Tag, an dem auf dem börslichen Markt der Handel mit den relevanten Wertpapieren aufgenommen wird (Art. 8 Abs. 2). Für Zweitplatzierung von Aktien und Aktien entsprechenden Wertpapieren, Schuldverschreibungen, Schuldtiteln mit sowie Schuldtiteln ohne Umtausch- oder Umwandlungsrecht in Aktien oder Aktien entsprechenden Wertpapiere gelten die in Art. 8 Abs. 3–5 angeführten zeitlichen Grenzen. 224 – Emittenten, Bieter oder Unternehmen, die die Kursstabilisierung durchführen, unterliegen der Pflicht zur angemessenen Bekanntgabe (s. Rz. 220) und Meldung von Kursstabilisierungsmaßnahmen nach Art. 9. Vor Beginn der Zeichnungsfrist der fraglichen Wertpapiere ist etwa der Zeitraum, innerhalb dessen die Maßnahme „durchgeführt werden könnte, beginnt und endet“ (Art. 9 Abs. 1 lit. c) oder die Person, die für die Durchführung der Maßnahme zuständig ist (Art. 9 Abs. 1 lit. d), bekannt zu geben. Innerhalb einer Woche nach Ablauf des Stabilisierungszeitraums ist dann nach Maßgabe von Art. 9 Abs. 3 über die Durchführung der (gemäß Art. 9 Abs. 4 zu dokumentierenden) Kursstabilisierungsmaßnahme zu berichten. Der für den relevanten Markt zuständigen Behörde sind die Einzelheiten der Maßnahme spätestens am Ende des siebten Handelstags nach dem Tag ihrer Ausführung mitzuteilen. 225 – Art. 10 schließlich bestimmt den Höchstkurs, zu dem im Falle eines Zeichnungsangebots für Wertpapiere Kursstabilisierungsmaßnahmen durchgeführt werden dürfen.
§ 15 Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen an das Unternehmensregister (1) Ein Inlandsemittent von Finanzinstrumenten muss Insiderinformationen, die ihn unmittelbar betreffen, unverzüglich veröffentlichen; er hat sie außerdem unverzüglich, jedoch nicht vor ihrer Veröffentlichung dem Unternehmensregister im Sinne des § 8b des Handelsgesetzbuchs zur Speicherung zu übermitteln. Als Inlandsemittent gilt im Sinne dieser Vorschrift auch ein solcher, für dessen Finanzinstrumente erst ein Antrag auf Zulassung gestellt ist. Eine Insiderinformation betrifft den Emit-
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tenten insbesondere dann unmittelbar, wenn sie sich auf Umstände bezieht, die in seinem Tätigkeitsbereich eingetreten sind. Wer als Emittent oder als eine Person, die in dessen Auftrag oder auf dessen Rechnung handelt, im Rahmen seiner Befugnis einem anderen Insiderinformationen mitteilt oder zugänglich macht, hat diese gleichzeitig nach Satz 1 zu veröffentlichen und dem Unternehmensregister im Sinne des § 8b des Handelsgesetzbuchs zur Speicherung zu übermitteln, es sei denn, der andere ist rechtlich zur Vertraulichkeit verpflichtet. Erfolgt die Mitteilung oder Zugänglichmachung der Insiderinformation nach Satz 4 unwissentlich, so ist die Veröffentlichung und die Übermittlung unverzüglich nachzuholen. In einer Veröffentlichung genutzte Kennzahlen müssen im Geschäftsverkehr üblich sein und einen Vergleich mit den zuletzt genutzten Kennzahlen ermöglichen. (2) Sonstige Angaben, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 offensichtlich nicht erfüllen, dürfen, auch in Verbindung mit veröffentlichungspflichtigen Informationen im Sinne des Absatzes 1, nicht veröffentlicht werden. Unwahre Informationen, die nach Absatz 1 veröffentlicht wurden, sind unverzüglich in einer Veröffentlichung nach Absatz 1 zu berichtigen, auch wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht vorliegen. (3) Der Emittent ist von der Pflicht zur Veröffentlichung nach Absatz 1 Satz 1 solange befreit, wie es der Schutz seiner berechtigten Interessen erfordert, keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten ist und der Emittent die Vertraulichkeit der Insiderinformation gewährleisten kann. Die Veröffentlichung ist unverzüglich nachzuholen. Absatz 4 gilt entsprechend. Der Emittent hat die Gründe für die Befreiung zusammen mit der Mitteilung nach Absatz 4 Satz 1 der Bundesanstalt unter Angabe des Zeitpunktes der Entscheidung über den Aufschub der Veröffentlichung mitzuteilen. (4) Der Emittent hat die nach Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 2 zu veröffentlichende Information vor der Veröffentlichung 1. der Geschäftsführung der inländischen organisierten Märkte, an denen die Finanzinstrumente zum Handel zugelassen sind, 2. der Geschäftsführung der inländischen organisierten Märkte, an denen Derivate gehandelt werden, die sich auf die Finanzinstrumente beziehen, und 3. der Bundesanstalt mitzuteilen. Absatz 1 Satz 6 sowie die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend. Die Geschäftsführung darf die ihr nach Satz 1 mitgeteilte Information vor der Veröffentlichung nur zum Zweck der Entscheidung verwenden, ob die Ermittlung des Börsenpreises auszusetzen oder einzustellen ist. Die Bundesanstalt kann gestatten, dass Emittenten mit Sitz im Ausland die Mitteilung nach Satz 1 gleichzeitig mit der Veröffentlichung vornehmen, wenn dadurch die Entscheidung der Geschäftsführung über die Aussetzung oder Einstellung der Ermittlung des Börsenpreises nicht beeinträchtigt wird. (5) Eine Veröffentlichung von Insiderinformationen in anderer Weise als nach Absatz 1 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 darf nicht vor der Veröffentlichung nach Absatz 1 Satz 1, 4 oder 5 oder Absatz 2 Satz 2 vorgenommen werden. Der Inlandsemittent hat gleichzeitig mit den Veröffentlichungen nach Absatz 1 Satz 1, Satz 4 oder Satz 5 oder Absatz 2 Satz 2 diese der Geschäftsführung der in Absatz 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 erfassten organisierten Märkte und der Bundesanstalt mitzuteilen; diese Verpflichtung entfällt, soweit die Bundesanstalt nach Absatz 4 Satz 4 gestattet hat, bereits die Mitteilung nach Absatz 4 Satz 1 gleichzeitig mit der Veröffentlichung vorzunehmen.
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(6) Verstößt der Emittent gegen die Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 4, so ist er einem anderen nur unter den Voraussetzungen der §§ 37b und 37c zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Schadenersatzansprüche, die auf anderen Rechtsgrundlagen beruhen, bleiben unberührt. (7) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen erlassen über 1. den Mindestinhalt, die Art, die Sprache, den Umfang und die Form der Veröffentlichung nach Absatz 1 Satz 1, 4 und 5 sowie Absatz 2 Satz 2, 2. den Mindestinhalt, die Art, die Sprache, den Umfang und die Form einer Mitteilung nach Absatz 3 Satz 4, Absatz 4 und Absatz 5 Satz 2 und 3. berechtigte Interessen des Emittenten und die Gewährleistung der Vertraulichkeit nach Absatz 3. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übertragen. In der Fassung des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 5.1.2007 (BGBl. I 2007, 10). Schrifttum: van Aerssen, Erwerb eigener Aktien und Wertpapierhandelsgesetz: Neues von der Schnittstelle Gesellschaftsrecht/Kapitalmarktrecht, WM 2000, 391; Assmann, Die Konzernfinanzierung und das Kapitalmarktrecht, in: Lutter/Scheffler/U. H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Konzernfinanzierung, 1998, S. 332; Assmann, Übernahmeangebote im Gefüge des Kapitalmarktrechts, insbesondere im Lichte des Insiderrechts, der Ad hoc-Publizität und des Manipulationsverbots, ZGR 2002, 697; Assmann, Ad-hoc Publizitätspflichten im Zuge von Enforcementverfahren zur Überprüfung der Rechnungslegung nach §§ 342b ff. HGB und §§ 37n ff. WpHG, AG 2006, 261; Assmann, Unternehmenszusammenschlüsse und Kapitalmarktrecht, ZHR 172 (2008), 635; Bacher/Dörner, Ad-hoc-Publizität nach dem WpHG samt Verbesserungsvorschläge, StB 2002, 52; Bachmann, Kapitalmarktrechtliche Probleme bei der Zusammenführung von Unternehmen, ZHR 172 (2008), 597; Baetge (Hrsg.), Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität, 1995; BaFin, Emittentenleitfaden der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, 2009; BAWe/Deutsche Börse, Insiderhandelsverbote und Ad hoc-Publizität nach dem Wertpapierhandelsgesetz, 2. Aufl. 1998; Becker, Das neue Wertpapierhandelsgesetz, 1995; Bednarz, Pflichten des Emittenten bei einer unterlassenen Mitteilung von Directors’ Dealings, AG 2005, 835; Benzinger, Zivilrechtliche Haftungsansprüche im Zusammenhang mit Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität, 2008; Bernards, Verpflichtung zur sofortigen Veröffentlichung nach den Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes, WPrax 1995, 383; Bosse, Melde- und Informationspflichten nach dem Aktiengesetz und dem Wertpapierhandelsgesetz im Zusammenhang mit dem Rückkauf eigener Aktien, ZIP 1999, 2047; Bosse, Wesentliche Neuregelungen ab 2007 aufgrund des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes für börsennotierte Unternehmen, DB 2007, 39; Brandi/Süßmann, Neue Insiderregeln und Adhoc-Publizität – Folgen für Ablauf und Gestaltung von M&A-Transaktionen, AG 2004, 642; Braun/Rotter, Können Ad-hoc-Mitteilungen Schadensersatzansprüche im Sinne der allgemeinen zivilrechtlichen Prospekthaftung auslösen?, BKR 2003, 918; Bürgers, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, BKR 2004, 424; Büche, Die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität als Baustein eines integrierten Finanzmarkts, 2005; Burgard, Ad-hoc-Publizität bei gestreckten Sachverhalten und mehrstufigen Entscheidungsprozessen, ZHR 162 (1998), 51; von Buttlar, Kapitalmarktrechtliche Pflichten in der Insolvenz, BB 2010, 1355; Cahn, Entscheidungen des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel, WM 1998, 272; Cahn, Grenzen des Markt- und Anlegerschutzes durch das WpHG, ZHR 162 (1998), 1; Cahn/Götz, Ad-hoc-Publizität und Regelpublizität, AG 2007, 221; Caspari, Die Problematik der erheblichen Kursbeeinflussung einer publizitätspflichtigen Tatsache, in: Baetge (Hrsg.), Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität, 1995, S. 65; Claussen, Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität, 1996; Claussen/Florian, Der Emittentleitfaden, AG 2005, 753; Diehl/Loistl/Rehkugler, Effiziente Kapitalmarktkommunikation, 1998; Diekmann/Sustmann, Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (An-
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Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
legerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG), NZG 2004, 929; Dier/Fürhoff, Die geplante europäische Marktmissbrauchsrichtlinie, AG 2002, 604; Dreher, Leniency-Anträge und Kapitalmarktrecht, WuW 2010, 731; Dreyling, Erste Erfahrungen mit dem WpHG – Ad-hoc-Publizität, Insiderrecht, Verfahrensnormen, in: Bankrechtstag 1995: Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz in der praktischen Umsetzung, 1996, S. 158; Dreyling, Die Umsetzung der Marktmissbrauchs-Richtlinie über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation, Der Konzern 2005, 1; Dreyling/Schäfer, Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität: Praxis und Entwicklungstendenzen, 2001; Edelmann, Haftung von Vorstandsmitgliedern für fehlerhafte Ad-hoc-Mitteilungen – Besprechung der Infomatec-Urteile des BGH, BB 2004, 2031; Eichner, Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität nach dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz, 2009; Ekkenga, Anlegerschutz, Rechnungslegung und Kapitalmarkt, 1998; Ekkenga, Die Ad hoc-Publizität im System der Marktordnungen – Plädoyer für eine kapitalmarktrechtliche statt gesellschaftsrechtliche Interpretation des § 15 WpHG, ZGR 1999, 165; Ensthaler/Bock/Strübbe, Publizitätspflichten beim Handel von Energieprodukten an der EEX – Reichweite des geänderten § 15 WpHG, BB 2006, 733; Feddersen, Aktienoptionsprogramme für Führungskräfte aus kapitalmarktrechtlicher und steuerlicher Sicht, ZHR 161 (1997), 269; Fleischer, Ad-hoc-Publizität beim einvernehmlichen vorzeitigen Ausscheiden des Vorstandsvorsitzenden, NZG 2007, 401; Fleischer/Schmolke, Gerüchte im Kapitalmarktrecht, AG 2007, 841; Franken, Das Spannungsverhältnis der allgemeinen Publizität zum Auskunftsrecht des Aktionärs, in: FS Budde, 1995, S. 214; Fülbier, Regulierung der Ad-hoc-Publizität, 1998; Fürhoff, Kapitalmarktrechtliche Ad-hoc-Publizität zur Vermeidung von Insiderkriminalität, 2000; Fürhoff, Neuregelung der Ad-hoc-Publizitätspflicht auf europäischer Ebene – Auswirkungen auf § 15 WpHG und systematische Einordnung, AG 2003, 80; Fürhoff/Wölk, Aktuelle Fragen zur Ad-hoc-Publizität, WM 1997, 449; Gehrt, Die neue Ad-hoc-Publizität nach § 15 Wertpapierhandelsgesetz, 1997; Gelhausen/Hönsch, Das neue Enforcement-Verfahren für Jahres-Konzernabschlüsse, AG 2005, 511; Gerke/Bank/Lucht, Die Wirkungen des WpHG auf die Informationspolitik der Unternehmen, Die Bank 1996, 612; Götze, Ad-hoc-Publizitätspflicht bei Zulassung einer Due Diligence durch AG-Vorstand?, BB 1998, 2326; Grimme/von Buttlar, Neue Entwicklungen in der Ad-hoc-Publizität, WM 2003, 901; Grub/Streit, Börsenzulassung und Insolvenz, BB 2004, 1397; Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, ZGR-Sonderheft 15, 1999; Gruson/ Wiegmann, Die Ad-hoc-Publizitätspflicht nach amerikanischem Recht und die Auslegung von § 15 WpHG, AG 1995, 173; Gunßer, Ad-hoc-Publizität bei Unternehmenskäufen und -übernahmen, 2008; Gunßer, Ad-hoc-Veröffentlichungspflicht bei zukunftsbezogenen Sachverhalten, NZG 2008, 855; Habermann, Mitteilungs- und Bekanntmachungspflichten im Zusammenhang mit Konzernumstrukturierungsmaßnahmen im Versicherungsbereich, VersR 1998, 801; Happ/Semler, Ad-hoc-Publizität im Spannungsfeld von Gesellschaftsrecht und Anlegerschutz – Zum Begriff der „Tatsache“ in § 15 WpHG bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen, ZGR 1998, 117; Harbarth, Ad-hoc-Publizität beim Unternehmenskauf, ZIP 2005, 1898; Harm, Compliance in Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Emittenten von Finanzinstrumenten, 2008; Heidmeier, Die Ad-hoc-Publizität gemäß § 44a BörsG im System der Berichtspflichten für börsennotierte Aktiengesellschaften, AG 1992, 110; Hemeling, Gesellschaftsrechtliche Fragen der Due Diligence beim Unternehmenskauf, ZHR 169 (2005), 274; Henze, Der Schadensersatzanspruch des Anlegers bei fehlerhaften Ad-hoc-Mitteilungen in der Rechtsprechung des BGH, in: FS Schwark, 2009, S. 425; Hirte, Die Ad-hoc-Publizität im System des Aktien- und Börsenrechts, in: Bankrechtstag 1995 – Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz in der praktischen Umsetzung, 1996, S. 47; Hirte, Ad-hoc-Publizität und Krise der Gesellschaft. Aktuelle Fragen im Grenzbereich zwischen Kapitalmarkt- und Insolvenzrecht, ZInsO 2006, 1289; Holzborn/Israel, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, WM 2004, 1948; Hopt, Insiderwissen und Interessenkonflikte im europäischen und deutschen Bankrecht, in: FS Heinsius, 1991, S. 289; Hopt, Zum neuen Wertpapierhandelsgesetz – Stellungnahme für den Finanzausschuss des Deutschen Bundestages – in: WM-Festgabe für Thorwald Hellner vom 9. Mai 1994, S. 29; Hopt, Grundsatz- und Praxisprobleme nach dem Wertpapierhandelsgesetz, ZHR 159 (1995), 135; Hopt, Verhaltenspflichten des Vorstands der Zielgesellschaft bei feindlichen Übernahmen, in: FS Lutter, 2000, S. 1361; Hutter/Kaulamo, Das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz: Änderungen der anlassabhängigen Publizität, NJW 2007, 471; Hutter/Kaulamo, Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz: Änderungen der Regelpublizität und das neue Veröffentlichungsregime für Kapitalmarktinformationen, NJW 2007, 550; Jürgens/Rapp, Ad-hoc-Publizität: Ablauf und Technik, Die Bank 2/1995, 97; Kaserer/Nowak, Die Anwendung von Ereignisstudien bei Ad-hoc-Mitteilungen, ZfB 71 (2001), 1353; Kersting,
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Der Neue Markt der Deutsche Börse AG, AG 1997, 222; Kiem/Kotthoff, Ad-hoc-Publizität bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen, DB 1995, 1999; Klein, Praktische Erfahrungen eines Weltkonzerns mit Vorschriften der Ad-hoc-Publizität in Deutschland und im Ausland, in: Bankrechtstag 1995: Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz in der praktischen Umsetzung, 1996, S. 95; Kleinmann, Die Ausgestaltung der Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG, 1998; Kleinmann, Die Wirkung der Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG, Finanz Betrieb 1999, 254; von Klitzing, Die Ad-hoc-Publizität: Zwischen europäischer Vorgabe und nationaler Umsetzung und zwischen Kapitalmarktrecht und Gesellschaftsrecht, 1999; Klöhn, Die Regelung selektiver Informationsweitergabe gem. § 15 Abs. 1 Satz 4 u. 5 WpHG – eine Belastungsprobe, WM 2010, 1869; Koch, Neuerungen im Insiderrecht und der Ad-hoc-Publizität, DB 2005, 267; Kocher/Widder, Ad-hoc Publizität in Unternehmenskrise und Insolvenz, NZI 2010, 925; Kocher/Widder, Ad-hoc-Publizität bei M&A-Transaktionen, CFL 2011, 88; Köndgen, Die Ad hoc-Publizität als Prüfstein informationsrechtlicher Prinzipien, in: FS Druey, 2002, S. 791; Körner, Infomatec und die Haftung von Vorstandsmitgliedern für falsche ad hoc-Mitteilungen, NJW 2004, 3386; Krause, Ad-hoc-Publizität und haftungsrechtlicher Anlegerschutz, ZGR 2002, 799; Kübler, Institutioneller Gläubigerschutz oder Kapitalmarkttransparenz? Rechtsvergleichende Überlegungen zu den „stillen Reserven“, ZHR 159 (1995), 550; Kümpel, Aktuelle Fragen der Ad hoc-Publizität, AG 1997, 66; Kuthe, Änderungen des Kapitalmarktrechts durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, ZIP 2004, 883; Leis/Nowak, Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG, 2001; Lettl, Die wettbewerbswidrige Ad hoc-Mitteilung, ZGR 2003, 853; Letzel, Ad-hoc-Publizität: Änderungen durch das 4. Finanzmarktförderungsgesetz, WM 2003, 1757; Leuering, Die Ad-hoc-Pflicht auf Grund der Weitergabe von Insiderinformationen (§ 15 I 3 WpHG), NZG 2005, 12; Leuering, Behandlung zukünftiger Umstände im Recht der Ad-hoc-Publizität, DStR 2008, 1287; Leuering, Praxisprobleme der Ad-hoc-Mitteilungspflicht, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2008, 2009, S. 171; Liekefett, Due diligence bei M&A-Transaktionen, 2005; Loistl, Empirisch fundierte Messung kursrelevanter Tatsachen, Die Bank 4/1995, S. 232; Matusche, Insider und Insidertatsachen im Wertpapierhandelsgesetz, in: Herrmann/Bergen/Wackerbarth (Hrsg.), Deutsches und Internationales Bank- und Wirtschaftsrecht im Wandel, 1997, S. 100; Mennicke, Ad-hoc-Publizitätspflicht bei gestreckten Entscheidungsprozessen und die Notwendigkeit einer Befreiungsentscheidung des Emittenten, NZG 2009, 1059; Merkner/Sustmann, Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz „in der Fassung durch den Emittentenleitfaden der BaFin“, NZG 2005, 729; Messerschmidt, Die neue Ad-hoc-Publizitätspflicht bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen – Ist der Aufsichtsrat damit überflüssig?, BB 2004, 2538; Mock, Berichts-, Auskunfts- und Publizitätspflichten des besonderen Vertreters, AG 2008, 839; Möllers, Anlegerschutz durch Aktien- und Kapitalmarktrecht, ZGR 1997, 334; Möllers, Die unterlassene Ad-hoc-Mitteilung als sittenwidrige Schädigung gem. § 826 BGB, WM 2003, 2393; Möllers, Wechsel von Organmitgliedern und „key playern“: Kursbeeinflussungspotential und Pflicht zur Ad-hoc-Publizität, NZG 2005, 459; Möllers, Insiderinformation und Befreiung von der Adhoc-Publizität nach § 15 Abs. 3 WpHG, WM 2005, 1393; Möllers, Zur „Unverzüglichkeit“ einer Ad-hoc-Mitteilung im Kontext nationaler und europäischer Dogmatik, in: FS Horn, 2006, S. 473; Möllers, Der BGH, die BaFin und der EuGH: Ad-hoc-Publizität beim einvernehmlichen vorzeitigen Ausscheiden des Vorstandsvorsitzenden Jürgen Schrempp, NZG 2008, 330; Möllers/Rotter (Hrsg.), Ad-hoc-Publizität, 2003; Monheim, Ad-hoc-Publizität nach dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz, 2007; Nießen, Harmonisierung der kapitalmarktrechtlichen Transparenzregeln durch das TUG, NZG 2007, 41; Nietsch, Schadensersatzhaftung wegen Verstoßes gegen Ad-hoc-Publizitätspflichten nach dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz, BB 2005, 785; Nikoleyczik, Ad-hoc-Publizität bei zukunftsbezogenen Sachverhalten – der Fall „Schrempp“, GWR 2009, 82; Noack, Neue Publizitätspflichten und Publizitätsmedien für Unternehmen – eine Bestandsaufnahme nach EHUG und TUG, WM 2007, 377; Nowak, Ad hoc-Publizität bei M&A-Transaktionen, DB 1999, 601; Nowak, Eignung von Sachverhalten in Ad-hoc-Mitteilungen zur erheblichen Kursbeeinflussung, ZBB 2001, 449; Pananis, Zur Abgrenzung von Insidertatsache und ad-hoc-publizitätspflichtigem Sachverhalt bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen, WM 1997, 460; Parmentier, Ad-hoc-Publizität bei Börsengang und Aktienplatzierung, NZG 2007, 407; Pavlova, Anlassbezogene Informationspflichten der Emittenten nach dem Wertpapierhandelsgesetz, 2008; Pellens, Ad-hoc-Publizitätspflicht des Managements börsennotierter Unternehmen nach § 44a BörsG, AG 1991, 62; Pellens/Fülbier, Publizitätspflichten nach dem Wertpapierhandelsgesetz, DB 1994, 1381; Pellens/Fülbier, Adhoc-Publizität, DBW 1995, 255; Pellens/Fülbier, Gestaltung der Ad-hoc-Publizität unter
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Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
Einbeziehung internationaler Vorgehensweisen, in: Baetge (Hrsg.), Insiderrecht und Ad-hocPublizität, 1995, S. 23; Pfitzer/Streib, Bestimmungen über die Unternehmenspublizität im Rahmen des Wertpapierhandelsgesetzes, BB 1995, 1947; Pirner/Lebherz, Wie nach dem Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz publiziert werden muss, AG 2007, 19; Pötzsch, Der Diskussionsentwurf des Dritten Finanzmarktförderungsgesetzes, AG 1997, 193; Pötzsch, Das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz, WM 1998, 949; Rattunde/Berner, Insolvenz einer börsennotierten Aktiengesellschaft, WM 2003, 1313; Renzenbrink/Holzner, Das Verhältnis von Kapitalerhaltung und Ad-hoc-Haftung, BKR 2002, 434; Riedel, Falsche Ad-hoc-Mitteilungen, wistra 2001, 447; Röder, Die Informationswirkung von Ad hoc-Mitteilungen, ZfB 70 (2000), 567; Röder/Merten, Ad-hoc-Publizitätspflicht bei arbeitsrechtlich relevanten Maßnahmen, NZA 2005, 268; Rodewald-Siems, Haftung für die „frohe Botschaft“ – Rechtsfolgen falscher Ad-hoc-Mitteilungen, BB 2001, 2437; Rubel, Erfüllung von WpHG-Pflichten in der Insolvenz durch Insolvenzverwalter oder Vorstand?, AG 2009, 615; Sangiovanni, Die Ad-hoc-Publizität im deutschen und italienischen Recht, 2003; Schander/Lucas, Die Ad-hoc-Publizität im Rahmen von Übernahmevorhaben, DB 1997, 2109; Schlittgen, Die Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG, 2000; Sven H. Schneider, Befreiung des Emittenten von Wertpapieren von der Veröffentlichungspflicht nach § 15 WpHG, BB 2001, 1214; Sven H. Schneider, Selbstbefreiung von der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität, BB 2005, 897; Uwe H. Schneider/Gilfrich, Die Entscheidung des Emittenten über die Befreiung von der Ad-hoc-Publizität, BB 2007, 53; Schockenhoff/Wagner, Ad-hoc-Publizität beim Aktienrückkauf, AG 1999, 548; Sönke Schröder, Die Selbstbefreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Absatz 3 WpHG, 2011; Schruff/Nowak/Feinendegen, Ad-hoc-Publizitätspflicht des Jahresergebnisses gemäß § 15 WpHG: Wann muss veröffentlicht werden?, BB 2001, 719; Schumacher, Ad-hoc-Publizitätspflichten börsennotierter Fußballclubs, NZG 2001, 769; Schumacher/Schwartz/Lüke, Investor Relations Management und Ad-hoc-Publizität, 2001; Schwark, Das neue Kapitalmarktrecht, NJW 1987, 2041; Schwarze, Ad-hoc-Publizität und die Problematik der Notierungsaussetzung, in: Baetge (Hrsg.), Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität, 1995, S. 97; Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, 2005; Seibt/Bremkamp, Erwerb eigener Aktien und Ad-hoc-Publizitätspflicht, AG 2008, 469; Simon, Die neue Ad-hoc-Publizität, Der Konzern 2005, 13; Sladeczek, Die Ad-hoc-Publizitätspflicht gem. § 15 WpHG, BuW 2000, 456; Speier, Insiderhandel und Ad-hoc-Publizität nach Anlegerschutzverbesserungsgesetz: rechtliche Grundlagen und ausgewählte Fragen in einem veränderten kapitalmarktrechtlichen Gewand, 2009; Spindler, Kapitalmarktreform in Permanenz – Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, NJW 2004, 3449; Spindler/Speier, Die neue Ad-hoc-Publizität im Konzern, BB 2005, 2031; Staake, Die Vorverlagerung der Ad-hoc-Publizitätspflicht bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen – Hemmnis oder Gebot einer guten Corporate Governance?, BB 2007, 1573; Steinhauer, Insiderhandelsverbot und Ad-hoc-Publizität, 1999; Strieder, Abgrenzung der Regelberichterstattung von Ad-hoc-Publizität, Finanz Betrieb 2002, 735; Struck, Ad-hoc-Publizitätspflicht zum Schutz der Anleger vor vermögensschädigendem Wertpapierhandel, 2003; Thümmel, Haftung für geschönte Ad-hoc-Meldungen: Neues Risikofeld für Vorstände oder ergebnisorientierte Einzelfallrechtsprechung?, DB 2001, 2331; Thümmel, Haftung für fehlerhafte oder fehlende Regel- oder Ad-hoc-Publizität, WM 2002, 477; Tippach, Das Insiderhandelsverbot und die besonderen Rechtspflichten der Banken, 1995; Tollkühn, Die Ad-hocPublizität nach dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz, ZIP 2004, 2215; Vaupel, Zum Tatbestandsmerkmal der erheblichen Kursbeeinflussung bei der Ad hoc Publizität, WM 1999, 521; Veil, Die Ad-hoc-Publizitätshaftung im System kapitalmarktrechtlicher Informationshaftung, ZHR 167 (2003), 365; Veith, Die Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 III WpHG, NZG 2005, 254; Waldhausen, Die ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache – Eine Untersuchung zu § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG unter Berücksichtigung der Ad-hoc-Publizität im Vereinigten Königreich, 2002; Warmer, Börsenzulassung und Insolvenz der Aktiengesellschaft, 2009; Weisgerber, Neue Informationskultur durch das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz, WM 1995, 19 f.; Wertenbruch, Die Ad-hoc-Publizität bei der Fußball-AG, WM 2001, 193; Widder, Befreiung von der Ad-hoc-Publizität ohne Selbstbefreiungsbeschluss?, BB 2009, 967; Widder, Ad-hoc-Publizität bei gestreckten Sachverhalten – BGH legt Auslegungsfragen dem EuGH vor, GWR 2011, 1; Widder/Gallert, Ad-hoc-Publizität infolge der Weitergabe von Insiderinformationen – Sinn und Unsinn von § 15 I 3 WpHG, NZG 2006, 451; Wittich, Erfahrungen mit der Ad-hoc-Publizität in Deutschland, AG 1997, 1; Wittich, Übernahmen und die Regelungen des Wertpapierhandelsgesetzes, in: v. Rosen/Seifert (Hrsg.), Die Übernahme börsennotierter Unternehmen, 1999, S. 377; Wölk, Ad-hoc-Publizität – Erfahrungen aus der Sicht
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Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel, AG 1997, 73; Wüsthoff, Der Auskunftsanspruch des Aktionärs nach § 131 Aktiengesetz zwischen Insider-Verboten und Ad-hoc-Publizität nach dem Wertpapierhandelsgesetz, 2000; Ziemons, Neuerungen im Insiderrecht und bei der Ad hoc-Publizität durch die Marktmissbrauchsrichtlinie und das Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes, NZG 2004, 537; Zimmer, Die Selbstbefreiung: Achillesferse der Ad-hoc-Publizität?, in: FS Schwark, 2009, S. 669. S. auch das Vor § 12 angegebene Schrifttum.
Inhaltsübersicht I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtssystematische Stellung der Ad-hoc-Publizität und Überblick . . a) Ad-hoc-Publizität als Teil des kapitalmarktrechtlichen Publizitätssystems . . . . . . . . . . . . b) Normentwicklung und Überblick über die Regelung der Adhoc-Publizität in § 15 WpHG . . . 2. Allgemeine Anwendungsfragen. . . . a) Entwicklung der Ad-hocPublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutzzweck der Ad-hocPublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ad-hoc-Publizitätspflicht als insiderrechtliche Präventivmaßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Spannungsverhältnis zwischen Regelpublizität sowie anderen kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten und der Ad-hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . II. Die Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen (§ 15 Abs. 1 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Veröffentlichungstatbestände im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen mit unmittelbarem Emittentenbezug (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 und Abs. 1 Satz 2 WpHG). . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Normadressaten . . . . . . . . . . . . . . aa) Normentwicklung, Übersicht und Allgemeines . . . . . . bb) Inlandsemittent (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 und Abs. 1 Satz 2 WpHG) . . . . . . . . . . . . . cc) Veröffentlichungspflichtiger . b) Publizitätspflichtige Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . bb) Insiderinformation . . . . . . . . . cc) Unmittelbarer Emittentenbezug (§ 15 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 1 Satz 3 WpHG) . . . . . . . (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . .
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40 40
42 42 42 44 49 51 51 54 55 55
(2) Im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetretene Insiderinformationen . . . . 58 (3) Von außen kommende Insiderinformationen . . . . 63 (a) Insiderinformationen ohne unmittelbaren Emittentenbezug . . . . . 64 (b) Insiderinformationen mit unmittelbarem Emittentenbezug . . . . . 68 dd) Besondere Anwendungsfälle . 73 (1) Wertpapiererwerbs-, Übernahme- und Pflichtangebote . . . . . . . 73 (2) Nicht dem WpÜG unterfallende Anteilserwerbe . . . . . . . . . . . . . . 79 (3) Squeeze-Out (§§ 327a ff. AktG). . . . . . 83 (4) Erwerb eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . 85 (5) Außerordentliche Erträge oder Aufwendungen . 88 (6) Wechsel von Organmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . 89 (7) Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. . . . . . . . 90 (8) Strafbare Handlungen . . 91 (9) Veränderungen des Stimmrechtsanteils (§§ 21 ff. WpHG) . . . . . . 92 (10) „Directors’ Dealings“ (§ 15a WpHG) . . . . . . . . . 96 (11) Enforcement-Verfahren (§§ 37n ff. WpHG) . . . . . 97 c) Befreiung von der Veröffentlichungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . 107 d) Unverzügliche Information . . . . . 108 e) Übermittlung an das Unternehmensregister . . . . . . . . . . . . . 108a 3. Die Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen auf Grund ihrer Weitergabe (§ 15 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 1 Satz 5 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Überblick und Allgemeines . . . . . 109
§ 15
Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen b) Wissentliche Weitergabe (§ 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG) . . . . . . 112 c) Unwissentliche Weitergabe (§ 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG) . . . . . . 122 III. Die Pflicht zur Übermittlung der Insiderinformationen an das Unternehmensregister (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2, Abs. 1 Satz 4 und 5 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128a IV. Befreiung von der Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG (§ 15 Abs. 3 WpHG). . 129 1. Übersicht und Allgemeines . . . . . . . 129 2. Befreiungsvoraussetzungen (§ 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG) . . . . . . . . . . . . . 133 a) Berechtigte Interessen . . . . . . . . . 135 aa) Regel (§ 6 Satz 1 WpAIV) . . . . 136 bb) Gesetzliche Regelbeispiele (§ 6 Satz 2 Nrn. 1 und 2 WpAIV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (1) § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV . . . 137 (2) § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV . . . 141 cc) Regelauslegung und -anwendung . . . . . . . . . . . . . . . 148 (1) Ausgangspunkt . . . . . . . . . 148 (2) Interesse des Emittenten . 150 (3) Interessenabwägung . . . . . 155 b) Keine Irreführung der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 c) Gewährleistung der Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . 161 d) Legalausnahme oder Erfordernis einer Befreiungsentscheidung? . 165a 3. Nachholung der Veröffentlichung (§ 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG) . . . . . . . . 166 a) Nachholungspflicht . . . . . . . . . . . 166 b) Wegfall der Aufschubvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 c) Gegenstand der Veröffentlichung und Wegfall der Veröffentlichungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . 171 d) Vorabmitteilung über die Nachholung der Veröffentlichung (§ 15 Abs. 3 Satz 3 und 4 WpHG). 175 e) Vornahme der Veröffentlichung . 181 f) Übersendung der Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 V. Die Pflicht zur Aktualisierung und Berichtigung von Ad-hoc-Mitteilungen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 WpHG) . . . . . . . . . . . . . 183 1. Aktualisierung einer Ad-hoc-Mitteilung (§ 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG) . 183 2. Berichtigung einer Ad-hoc-Mitteilung (§ 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG) . . . . 186
VI. Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Anforderungen an den Inhalt . . . . . . a) Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Allgemeine Anforderungen . . . . . aa) Zulässige Kennzahlen (§ 15 Abs. 1 Satz 6 WpHG) . . . . . . . bb) Unzulässige Angaben (§ 15 Abs. 2 Satz 1 WpHG) . . . . . . . cc) Sprache (§ 3b WpAIV) . . . . . . c) Spezielle Anforderungen . . . . . . . aa) Die Regelform der Ad-hocPublizität (§ 15 Abs. 1 Sätze 1, 4 und 5 WpHG, § 4 Abs. 1 WpAIV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Angaben zur Urheberschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kennzeichnung der Adhoc-Veröffentlichung . . . . (3) Angaben zum Emittenten und zu den Finanzinstrumenten . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Angaben zur Insiderinformation . . . . . . . . . . . . (5) Art der Darstellung. . . . . . bb) Aktualisierung einer Adhoc-Veröffentlichung (§ 15 Abs. 1 Sätze 1, 4, 5 WpHG, § 4 Abs. 2 WpAIV) . . . . . . . . . cc) Berichtigung einer Ad-hocVeröffentlichung (§ 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG, § 4 Abs. 3 WpAIV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahren der Veröffentlichung . . . . a) Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zeitpunkt der Veröffentlichung (Unverzüglichkeit) . . . . . . . . . . . . c) Die Vorabmitteilung (§ 15 Abs. 4 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Mitteilungspflicht . . . . . . . . . bb) Inhalt der Mitteilung . . . . . . . (1) Regel (§ 8 Abs. 1 WpAIV) . (2) Ergänzende Informationen bei Ad-hoc-Berichtigungen nach § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG . . . . . . . . . . . (3) Ergänzende Informationen bei Ad-hoc-Mitteilungen wegen Informationsweitergabe nach § 15 Abs. 1 Satz 4 und 5 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Ergänzende Informationen im Hinblick auf den Aufschub einer Ad-hocMitteilung nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG . . . . .
Assmann
191 191 193 193 199 206 210
210 211 212 214 219 227
228
237 246 246 248 254 254 261 261
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270
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§ 15
Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen cc) Art und Form sowie Zeitpunkt der Mitteilung (§ 9 WpAIV) . . . . . . . . . . . . . . . 271 dd) Verwendungsbeschränkung (§ 15 Abs. 4 Satz 3 WpHG). . . 276 d) Art und Form der Ad-hoc-Veröffentlichung (§§ 3a, 5 WpAIV) . . 277 aa) Veröffentlichung über Medien (§ 3a WpAIV) . . . . . . . . . . 278 (1) Medien und Medienwahl (§ 3a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 WpAIV) . . . . . . . . . . 278 (2) Übermittlung der Information an die Medien (§ 3a Abs. 2 Nrn. 2 und 3, Abs. 4 WpAIV) . . . . . . . . . 280c (3) Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten (§ 3a Abs. 3, Abs. 4 WpAIV) . . . . . . . . . . . . . . . 280f bb) Veröffentlichung über ein elektronisch betriebenes Informationsverbreitungssystem und Internet (§ 5 WpAIV) . . . . . . . . . . . . . . . . . 280h e) Übermittlung an das Unternehmensregister (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 WpHG) . . . . . . . . . . . 280l f) Übersendung eines Belegs der Veröffentlichung (§ 15 Abs. 5 Satz 2 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . 281
g) Folgepflichten (Jährliches Dokument nach § 10 WpPG) . . . . . . . . 282 VII. Sanktionen und Haftung . . . . . . . . . 283 1. Ordnungswidrigkeiten . . . . . . . . . . . 284 a) Die erfassten Verstöße . . . . . . . . . 284 b) Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . 291 c) Organisatorische Maßnahmen . . 293 d) Festsetzung von Geldbußen gegen Emittenten . . . . . . . . . . . . . 299 e) Verantwortlichkeit unternehmensexterner Berater der Emittenten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 2. Anderweitige Ordnungswidrigkeits- und Straftatbestände . . . . . . . 305 3. Einschränkung der zivilrechtlichen Haftung der Emittenten (§ 15 Abs. 6 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 a) Fehlender Schutzgesetzcharakter (§ 15 Abs. 6 Satz 1 WpHG) . . . 307 b) Kein Ausschluss sonstiger Schadensersatzansprüche (§ 15 Abs. 6 Satz 2 WpHG) . . . . . . 308 4. Weitere Folgen fehlerhafter Ad-hoc-Mitteilungen . . . . . . . . . . . 310a VIII. Verordnungsermächtigung (§ 15 Abs. 7 WpHG). . . . . . . . . . . . . . 311
I. Allgemeines 1. Rechtssystematische Stellung der Ad-hoc-Publizität und Überblick a) Ad-hoc-Publizität als Teil des kapitalmarktrechtlichen Publizitätssystems 1
Nach ihrer Entstehungsgeschichte gehört die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität, wie sie im Zuge der Umsetzung der Börsenzulassungsrichtlinie vom 5.3.19791 durch die Börsengesetznovelle 1986 zunächst in den §§ 44–44d BörsG und sodann (nach der Einführung des WpHG durch das 2. FFG, s. Einl. Rz. 12 ff.) in § 15 WpHG begründet wurde2, zu den kapitalmarktrechtlichen Informationspflichten3. Als Teil des in sei1 Richtlinie 79/279/EWG des Rates vom 5.3.1979 zur Koordinierung der Bedingungen für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse, ABl. EG Nr. L 66 v. 16.3.1979, S. 21; aufgehoben gemäß Art. 111 (i.V.m. Anhang II Teil A) der Richtlinie 2001/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen vom 28.5.2001, ABl. EG Nr. L 184 v. 6.7.2001, S. 1, 36, 52 (sog. Börsenzulassungsrichtlinie). 2 Gemeinschaftsrechtliche Grundlage der seinerzeitigen Regelung der Ad-hoc-Publizität in § 15 WpHG waren Art. 68 und 81 der Börsenzulassungsrichtlinie vom 28.5.2001 (ABl. EG Nr. L 184 v. 6.7.2001, S. 1). 3 Zur Ad-hoc-Publizität im Gefüge der (kapitalmarkt)rechtlichen Informationsordnung s. Köndgen, in: FS Druey, S. 791 ff.; Fülbier, Regulierung, S. 107 ff.; von Klitzing, S. 7 ff., 49 ff.
548 Assmann
§ 15
Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
ner Bedeutung seither beständig gewachsenen kapitalmarktrechtlichen Publizitätssystems (s. unten Rz. 2 ff.) hat die Regelung der Ad-hoc-Publizität zunächst nur wenige und eher redaktionelle Änderungen erfahren (s. Rz. 8 ff.), wurde jedoch mit Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie vom 28.1.2003 (Einl. Rz. 29) und der zu dieser ergangenen Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG vom 22.12.2003 (ABl. EU Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 70) durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG) vom 28.10.2004 (Einl. Rz. 29) in wesentlichen Teilen neu gestaltet. Das führte zwar zu einer Ausweitung des Anwendungsbereichs der Ad-hoc-Publizität, ließ aber deren Stellung im Gefüge kapitalmarktrechtlicher Publizitätspflichten im Kern unberührt. Die Änderungen, die § 15 WpHG (zusammen mit den die Bestimmung konkretisierenden Vorschriften der §§ 3a ff. WpAIV) durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG) vom 5.1.2007 (Einl. Rz. 35) erfahren hat, dienen der Umsetzung von Art. 19 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 1 der Transparenzrichtlinie (Einl. Rz. 35) nebst Art. 12 der Durchführungsrichtlinie 2007/14/EG vom 8.3.2007 zur Transparenzrichtlinie (ABl. EG Nr. L 69 v. 9.3.2007, S. 27) sowie des in diesen niedergelegten neuen Publikations- und Mitteilungsregimes, dessen Kernelemente die Veröffentlichung einer Insiderinformation durch europaweite Verbreitung, die Speicherung der veröffentlichten Insiderinformationen in einem zentralen Speicherungssystem und die diesbezüglichen Mitteilungen an die Aufsichtsbehörde darstellen. Ungeachtet ihrer stärkeren Anbindung an das Insiderhandelsverbot des § 14 Abs. 1 2 WpHG und ihrer Anknüpfung an den Begriff der Insiderinformation als Gegenstand der Veröffentlichung durch das AnSVG (Einl. Rz. 29) ist es die vorrangige Aufgabe der Ad-hoc-Publizität, die laufende Publizität in Gestalt der jährlichen aktienrechtlichen Rechnungslegung und der obligatorischen Zwischenberichterstattung – die sog. Regelpublizität – zu ergänzen1. Sie ist deshalb eine tragende Säule des kapitalmarktrechtlichen Informationssystems, dessen Zweck wiederum darin besteht, dem Markt die benötigten Informationen zur Verfügung zu stellen2 und für die informationelle Chancengleichheit der Marktteilnehmer zu sorgen3. Zentrale Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts ist seine Transparenz, die eine weitest mögliche Vermeidung von Informationsdefiziten und Informationsasymmetrien bei den Marktteilnehmern voraussetzt. Die kapitalmarktrechtliche Publizität bezweckt deshalb im Unterschied zur aktienrechtlichen Rechnungslegung nicht nur die Unterrichtung der Gesellschafter und Gläubiger der Aktiengesellschaft als Emittentin. Sie soll vielmehr neben den Aktionären dem sonstigen Anlegerpublikum solche Infor1 BörsZulG, BT-Drucks. 10/4296, S. 16. S. auch Bekanntmachung zum Verhältnis von Regelpublizität und Ad-hoc-Publizität vom 19.7.1996, BAnz. v. 19.7.1996, S. 8167, abgedruckt in 2. Aufl. des Kommentars S. 991; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 59; Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 15 WpHG Rz. 2; Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 1; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 6; Hopt, ZHR 159 (1995), 147 f.; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 32 V (S. 486); Kümpel/Veil, Wertpapierhandelsgesetz, S. 85; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 17 Rz. 18; Möllers, ZGR 1997, 344; Waldhausen, S. 52 f.; Wölk, AG 1997, 76; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 10 f. A.A. allein Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 130. Zum Spannungsverhältnis von Regel- und Ad-hoc-Publizität unten Rz. 35 ff. 2 Wiedemann, BB 1975, 1593; von Caemmerer, in: Das Frankfurter Publizitätsgespräch, 1963, S. 157. 3 S. dazu schon Vor § 12 Rz. 39, 45. Der Emittentenleitfaden 2009 der BaFin (S. 47) spricht insoweit eher irreführend vom Zweck der Ad-hoc-Publizität, einen „gleichen Informationsstand“ der Marktteilnehmer herbeizuführen. Nicht dies, sondern die Chancengleichheit des Informationszugangs ist die Aufgabe der Ad-hoc-Publizität. Die weiteren Ausführungen des Emittentenleitfadens belegen aber, dass in der Sache kein Dissens besteht.
Assmann
549
§ 15
Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
mationen vermitteln, die für eine fundierte Kauf- oder Verkaufsentscheidung erforderlich sind1. Diese kapitalmarktbezogene Informationsvermittlung erspart den Marktteilnehmern Zeit und Kosten für die Beschaffung der benötigten Informationen und fördert dadurch die Effizienz des Markts2. Die publizitätsbezogene Aufgabe der Veröffentlichungspflicht nach § 15 WpHG im Gefüge kapitalmarktrechtlicher Informationspflichten besteht mithin – kurz – darin, „eine schnelle und gleichmäßige Unterrichtung des Marktes zu erreichen, damit sich keine unangemessenen Börsenoder Marktpreise aufgrund fehlerhafter oder unvollständiger Unterrichtung des Marktes bilden“; sie dient damit „dem Interesse des gesamten Anlegerpublikums, sichert die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes und schafft gleiche Chancen und Transparenz“3. 3
Das System der kapitalmarktrechtlichen Publizität, zu dem die Ad-hoc-Publizität gehört, hat durch die Neustrukturierung der Marktsegmente des organisierten Kapitalmarkts (s. Einl. Rz. 4), namentlich die Abschaffung des amtlichen und des geregelten Markts und dessen Überführung in den regulierten Markt (s. § 2 Rz. 161), im Zusammenhang mit dem Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 16.7.2007 (FRUG; Einl. Rz. 36) und die Ausrichtung der kapitalmarktrechtlichen Informationspflichten an dem Herkunftsstaatsprinzips durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 5.1.2007 (Einl. Rz. 35) ein neues Gesicht erhalten. Grundlage des Systems der kapitalmarktrechtlichen Publizität bildet weiterhin die Regelpublizität in Gestalt der Rechnungslegungspublizität, d.h. die sich aus den Bestimmungen des HGB ergebende Pflicht zur Erstellung (§§ 242 ff., 264 ff., 290 ff. HGB), Prüfung (§§ 316 ff. HGB) und Veröffentlichung (§§ 325 ff. HGB) eines Jahresabschlusses und eines Lageberichts und ggf. eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts. Nimmt das Unternehmen – insbesondere als Emittent von Aktien oder von Inhaberschuldverschreibungen (§ 2 Abs. 6 Nr. 1 WpHG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG; s. § 2 Rz. 167) – den organisierten Kapitalmarkt (namentlich einen organisierten Markt im Inland, aber auch, unter weiteren Voraussetzungen, einen organisierten Markt in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Vertragsstaat des EWR) in Anspruch und ist es Inlandsemittent (i.S. des § 2 Abs. 7 WpHG; s. § 2 Rz. 175 ff.) oder zumindest Emittent, für den Deutschland der Herkunftsstaat ist (§ 2 Abs. 6 WpHG; s. § 2 Rz. 162 ff.), treffen es darüber hinaus eine Reihe kapitalmarktrechtlicher Informationspflichten, die de facto Informationsfolgepflichten der Zulassung oder der Einbeziehung in einen organisierten Markt i.S. von § 2 Abs. 5 WpHG darstellen. Dabei lassen sich gesetzliche Informationsfolgepflichten der Inanspruchnahme des organisierten Kapitalmarkts und auf Börsenordnungen beruhende Folgepflichten für die Inanspruchnahme von Teilbereichen des regulierten Markts (§ 42 BörsG) unterscheiden.
4
Die gesetzlichen Informationsfolgepflichten (Publizitätsfolgepflichten), die einen Inlandsemittenten oder einen Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, im Falle der Inanspruchnahme organisierter Märkte (namentlich des regulierten Markts) treffen, sind im Wesentlichen im WpHG geregelt; die Art und Weise, in der sie zu veröffentlichen sind, richtet sich nach den Bestimmungen der WpAIV. Zu den allgemeinen Informationsfolgepflichten gehören:
1 Schwark, ZGR 1976, 294; Wiedemann, BB 1975, 1593. 2 Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 32 II 2, 3 (S. 469 f.), § 32 V 1a (S. 487); Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 8; Wittich, AG 1997, 1. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 47.
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§ 15
Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
– Die Pflicht eines Inlandsemittenten zur Erstellung und Veröffentlichung eines Jahresfinanzberichts nach § 37v WpHG (und gegebenenfalls i.V.m. § 37y WpHG) und eines Halbjahresfinanzberichts nach § 37w WpHG (und gegebenenfalls i.V.m. § 37y WpHG), mit den in § 37v Abs. 2 WpHG bzw. in § 37w Abs. 2 WpHG angeführten Bestandteilen. Zu diesen gehört im Falle des Jahresfinanzberichts der Jahresabschluss (§ 37v Abs. 2 Nr. 1 WpHG) und im Falle des Halbjahresfinanzberichts ein lediglich verkürzter Abschluss (§ 37w Abs. 2 Nr. 1 WpHG). Unverzichtbar ist in beiden Fällen der so genannte Bilanzeid, d.h. eine den Vorgaben von §§ 264 Abs. 2 Satz 3, 289 Abs. 1 Satz 5 HGB entsprechende Erklärung. Die Finanzberichte sind nach den Vorgaben von §§ 3a-3c und §§ 22–24 WpAIV zu veröffentlichen. – Die Pflicht eines Inlandsemittenten zur Erstellung und Veröffentlichung von Zwischenmitteilungen der Geschäftsführung nach § 37x WpHG (und gegebenenfalls i.V.m. § 37y WpHG). Funktional den Quartalsberichten entsprechend, welche einzelne Börsenordnungen von den Emittenten verlangen, etablieren sie eine Art quartalsbezogene Form der Zwischenberichterstattung (zum Veröffentlichungszeitpunkt und zur Periode, über die zu berichten ist, s. § 37x Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpHG). Die Zwischenmitteilungen sind nach den Vorgaben von §§ 3a-3c und §§ 22–24 WpAIV zu veröffentlichen. – Die Pflicht des Emittenten von Aktien, für den Deutschland der Herkunftsstaat ist, die in § 30b Abs. 1 WpHG aufgeführten Informationen zur Hauptversammlung sowie zur Ausschüttung und Auszahlung von Dividenden, zur Ausgabe neuer Aktien und zur Vereinbarung oder Ausübung von Umtausch-, Bezugs-, Einziehungs- und Zeichnungsrechten in der in § 30b Abs. 1 und Abs. 3 WpHG bestimmten Weise zu veröffentlichen. Entsprechende Veröffentlichungspflichten treffen nach § 30b Abs. 2 WpHG den Emittenten zugelassener Schuldtitel i.S. von § 30a Abs. 1 Nr. 6 WpHG, für den Deutschland der Herkunftsstaat ist, in Bezug auf die Gläubigerversammlung, die Ausübung von Umtausch-, Zeichnungs- und Kündigungsrechten sowie über die Zinszahlungen, die Rückzahlungen, die Auslosungen und die bisher gekündigten oder ausgelosten, noch nicht eingelösten Stücke. Vorstehende Pflichten treffen nach § 30d WpHG auch Emittenten, für die nicht Deutschland, sondern ein anderer Mitgliedstaat der EU oder des EWR der Herkunftsstaat ist, wenn ihre Wertpapiere zum Handel an einem inländischen organisierten Markt zugelassen sind und ihr Herkunftsstaat für sie keine den §§ 30a oder 30b WpHG entsprechenden Vorschriften vorsieht. – Die Pflicht eines Inlandsemittenten zur Veröffentlichung zusätzlicher Angaben (etwa über Änderung der mit den zugelassenen Wertpapieren verbundenen Rechte) oder von Informationen, die der Inlandsemittent in einem Drittstaat veröffentlicht und die für die Öffentlichkeit im Inland oder in anderen Mitgliedstaaten der EU Bedeutung haben können nach § 30e WpHG i.V.m. §§ 3a-3c, 26 WpAIV. – Die Pflicht eines Inlandsemittenten zur Veröffentlichung der dem Emittenten zugegangenen Mitteilungen über Directors’ Dealings i.S. von § 15a Abs. 1 WpHG (§ 15a Abs. 4 WpHG i.V.m. §§ 3a-3c, 12 f. WpAIV) und über Veränderungen von Stimmrechtsanteilen am Emittenten gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1a und § 25 Abs. 1 Satz 1 WpHG (§ 26 Abs. 1 WpHG i.V.m. §§ 3a-3c, 19 f. WpAIV). – Die sich aus § 10 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 WpPG ergebende Pflicht eines Emittenten, dessen Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt i.S. des § 2 Abs. 5 WpHG – de facto mithin des regulierten Markts – zugelassen sind, zur Veröffentlichung des so genannten jährlichen Dokuments, d.h. eines Dokuments, das alle Informationen enthält oder auf sie verweist, die der Emittent in den vorausgegangenen zwölf Monaten auf Grund (1) der §§ 15, 15a, 26, 30b Abs. 1 und 2, 30e, 30f Assmann
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§ 15
Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
Abs. 2, 37v, 37w, 37x, 37y, 37z Abs. 4 WpHG, (2) des § 42 Abs. 1 BörsG i.V.m. mit einer Börsenordnung oder (3) den vorstehend angeführten Bestimmungen entsprechenden ausländischen Vorschriften veröffentlicht oder dem Publikum zur Verfügung gestellt hat. Die Veröffentlichung hat in der in § 10 Abs. 1 Satz 2 WpHG vorgeschriebenen Weise zu erfolgen. – Und nicht zuletzt die Pflicht eines Inlandsemittenten zur Ad-hoc-Veröffentlichung von Insiderinformationen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG i.V.m. §§ 3–5 WpAIV). 5
Neben den gesetzlichen Informationsfolgepflichten können den Emittenten von Wertpapieren, die in einem Teilbereich des regulierten Markts zum Handel zugelassen sind, auf Grund entsprechender Regelungen der jeweiligen Börsenordnung (s. § 42 Abs. 1 BörsG) weitere Informationspflichten treffen. Als Teilbereiche des regulierten Markts sind etwa an der Frankfurter Wertpapierbörse der General Standard und der Prime Standard eingeführt worden, wobei nach der Börsenordnung für die Frankfurter Wertpapierbörse (im Folgenden: BO FWB)1 allein die Zulassung zum Letzteren zusätzliche Informationspflichten mit sich bringt. Hervorzuheben sind: – Die Pflicht zur Abfassung des Jahresfinanzberichts in Deutsch und Englisch (§ 50 Abs. 1 BO FWB) und zur Übermittlung desselben zwecks Veröffentlichung an die Geschäftsführung der Börse (§ 50 Abs. 2 BO FWB). – Die Pflicht zur Erstellung eines Quartalsfinanzberichts entsprechend den Vorgaben des § 37w Abs. 2 Nrn. 1 und 2, Abs. 3 und 4 WpHG oder (falls der Emittent verpflichtet ist, einen Konzernabschluss und Konzernlagebericht aufzustellen) einen solchen entsprechend den Vorgaben des § 37y Nr. 2 WpHG in deutscher und in englischer Sprache und zur Übermittlung des Berichts zwecks Veröffentlichung an die Geschäftsführung der Börse (§ 51 BO FWB). – Die Pflicht, mit Aufnahme des Handels sowie fortlaufend zu Beginn jedes Geschäftsjahres für die Dauer mindestens des jeweiligen Geschäftsjahres einen Unternehmenskalender (mit Angaben über die wesentlichen Termine des Emittenten, insbesondere die Hauptversammlung, die Pressekonferenzen und Analystenveranstaltungen) in deutscher und englischer Sprache zu erstellen, fortlaufend zu aktualisieren, im Internet unter seiner Adresse zu veröffentlichen und zur weiteren Veröffentlichung an die Geschäftsführung der Börse zu übermitteln (§ 52 BO FWB). – Die Pflicht, mindestens einmal jährlich eine Analystenveranstaltung außerhalb der Pressekonferenz zur Bekanntgabe der Jahresabschlusszahlen durchzuführen (§ 53 BO FWB). – Und schließlich die Pflicht, Ad-hoc-Mitteilungen nach § 15 WpHG zeitgleich in Englisch vorzunehmen (§ 54 BO FWB).
6
Die Ad-hoc-Publizität soll die Regelpublizität ergänzen (s. Rz. 2). Ungeachtet dieses Normzwecks steht die gesetzliche Regelung der Ad-hoc-Publizität nicht mehr, wie noch gemäß § 44a BörsG a.F., im engen Kontext der im Börsengesetz geregelten kapitalmarktrechtlichen Informationspflichten. Mit Rücksicht darauf, dass die Ad-hocPublizität auch eine Maßnahme zur Bekämpfung des Insiderhandels sein soll (s. Vor § 12 Rz. 38), ist sie von Anfang an hinter den insiderrechtlichen Verbotstatbeständen 1 Stand 11.7.2011, abrufbar unter http://deutsche-boerse.com über die Rubriken Listing . Listing . Regularien . Regelwerke der Frankfurter Wertpapierbörse oder über den Ersteintrag bei Google-Eingabe: Börsenordnung für die Frankfurter Wertpapierbörse.
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Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
platziert worden1. War bis zur Änderung des Insiderrechts durch das AnSVG (Einl. Rz. 29, s. auch Vor § 12 Rz. 48) die dem Insiderhandelsverbot unterliegende „Insidertatsache“ nicht vollständig deckungsgleich mit der nach § 15 zu veröffentlichenden Information (Vor § 12 Rz. 50), so sind die Begriffe der den Insiderhandelsverboten und der Ad-hoc-Publizität unterliegenden Insiderinformation heute identisch. Das lässt die Aufgabe der Ad-hoc-Mitteilungen, Insiderhandel vorzubeugen, deutlicher hervortreten und unterstreicht zugleich die Doppelfunktion der Ad-hoc-Publizität als Publizitäts- und Präventionsinstrument. Die Ad-hoc-Publizität als insiderrechtliche Präventivmaßnahme (s. Vor § 12 Rz. 38 f. 7 und unten Rz. 32 ff.) soll verhindern, dass die mit den publizitätspflichtigen Sachverhalten vertrauten Insider missbräuchliche Vorteile aus ihrem Informationsvorsprung ziehen können. Die unverzügliche Veröffentlichung der publizitätspflichtigen Insiderinformation entzieht dem Insiderhandel den Boden. Mit der Publizierung werden die kursrelevanten Sachverhalte öffentlicht bekannt und verlieren dadurch ihre Rechtsqualität als Insiderinformationen (§ 13 Abs. 1 WpHG; s. § 13 Rz. 31 ff.). Darüber hinaus soll die Ad-hoc-Publizität als kapitalmarktrechtliche Informationspflicht verhindern, dass das Anlegerpublikum die Wertpapiere zu Kursen kauft oder verkauft, welche die publizitätspflichtigen Sachverhalte nicht widerspiegeln. Auf Grund der mit dem 4. FFG vom 21.6.2002 (Einl. Rz. 26) neu in das WpHG eingefügten §§ 37b und 37c, denen zufolge unterlassene, verspätete oder unwahre Ad-hoc-Veröffentlichungen schadensersatzpflichtig machen, ist die Funktion der Ad-hoc-Publizität, zur informationellen Chancengleichheit der Marktteilnehmer2 beizutragen, erheblich aufgewertet worden. b) Normentwicklung und Überblick über die Regelung der Ad-hoc-Publizität in § 15 WpHG Die Norm ist seit dem Erlass des WpHG mehrfach Gegenstand von Änderungen gewesen. Die meisten dieser Änderungen waren jedoch lediglich redaktioneller Art oder von nur begrenzter Tragweite und sind durch die grundlegenden Neugestaltung der Ad-hoc-Publizität durch das AnSVG vom 28.10.2004 (Einl. Rz. 29) weitgehend überholt und für die Anwendung der Vorschrift irrelevant geworden. Deshalb kann auf die ausführliche Darstellung der früheren Änderungen des § 15 WpHG in der 3. Auflage (Rz. 8) und die Hinweise zu den Änderungen des WpHG seit dessen Einführung durch das 2. FFG (Rz. 1) in Einl. Rz. 16 ff. verwiesen werden. Soweit einzelne Bestimmungen des § 15 WpHG auf frühere Fassungen der Vorschriften zurückgehen, wird dies im Rahmen der jeweiligen Erläuterungen angemerkt. Stets hat die Regelung des § 15 WpHG eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe enthalten. Das hat Zweifel an ihrer Verfassungsmäßigkeit aufkommen lassen, die sich vor allem am aufsichts- und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Charakter der Vorschrift ausrichteten und in letzterer Hinsicht vor allem einen Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG geltend machten. Solche Vorwürfe sind indes unbegründet3 und haben sich verflüchtigt. 1 RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 48. 2 Im Gegensatz zur Gewährleistung von Chancengleichheit durch Beseitigung von Informationsvorsprüngen (als Element der Insiderhandelsprävention) wird dies auch als „positiver“ Schutz der Chancengleichheit der Anleger verstanden. S. Hopt, ZHR 159 (1995), 147; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 5; Pananis, WM 1997, 460. 3 Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 27; Peltzer, ZIP 1994, 749.
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Die Änderungen des § 15 WpHG durch Art. 1 Ziff. 5 AnSVG (s. Einl. Rz. 29, s. auch Vor § 12 Rz. 39) und seine heutige Fassung gehen zurück auf die Marktmissbrauchsrichtlinie vom 28.1.2003 (Rz. 1) sowie auf die zu dieser ergangenen Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG vom 22.12.2003 (Rz. 1), welche die bisherigen EG-Rechtsakte zur Ad-hoc-Publizität (s. Rz. 1) ersetzen1. Die vom Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG) vom 5.1.2007 (Einl. Rz. 35) veranlassten Änderungen des § 15 WpHG dienen der Umsetzung von Art. 19 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 1 der Transparenzrichtlinie und betreffen vor allem die Veröffentlichung der Ad-hoc-Mitteilung (s. Rz. 1). Lässt man Einzelheiten beiseite, so können die wesentlichen Änderungen, die § 15 WpHG durch das AnSVG und das TUG erfahren hat, in vier Punkten zusammenfasst werden:
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– Gegenstand der Veröffentlichung: Während der Emittent nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. lediglich solche nicht öffentlich bekannten Tatsachen zu veröffentlichen hatte, die in seinem Tätigkeitsbereich eingetreten und wegen ihrer Auswirkungen auf die Vermögens- oder Finanzlage oder auf den allgemeinen Geschäftsverlauf des Emittenten geeignet waren, den Börsenpreis der zugelassenen Wertpapiere erheblich zu beeinflussen, muss er seit der durch das AnSVG (Einl. Rz. 29) bewirkten Änderung der Vorschrift alle ihn unmittelbar betreffenden Insiderinformationen publizieren, gleich ob sie in seinem Tätigkeitsbereich eingetreten sind oder nicht.
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– Normadressaten und Anwendungsbereich der Vorschrift: Bis zur Änderung des Rechts der Ad-hoc-Publizität durch das AnSVG (Einl. Rz. 29) unterlag allein der Emittent einer Veröffentlichungspflicht nach § 15 WpHG. Heute trifft diese auch Personen, die Insiderinformationen weitergeben, sofern sie hierzu vom Emittenten beauftragt sind oder für dessen Rechnung handeln und die Insiderinformation befugtermaßen an nicht zur Vertraulichkeit verpflichtete Dritte weitergeben (zunächst § 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG und nach der Änderung der Vorschrift durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz [TUG, Einl. Rz. 35] § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG). Galt bis zur Novellierung des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG durch das TUG der Emittent von Finanzinstrumenten, die zum Handel an einem inländischen organisierten Markt zugelassen sind oder für die er eine solche Zulassung beantragt hat, als Adressat der Ad-hoc-Publizität, so ist dies jetzt der Inlandsemittent von Finanzinstrumenten. Dieser in § 2 Abs. 7 WpHG auf der Grundlage des Begriffs des Emittenten, für den Deutschland der Herkunftsstaat ist, umschriebene und hinsichtlich seiner Extension nicht leicht und schon gar nicht intuitiv zu erfassende Begriff, hat in der Sache teils zu einer Einschränkung, teils zu einer Erweiterung des Kreises der Normadressaten des § 15 WpHG geführt. Zu einer Einschränkung des Normadressatenkreises hat die Änderung insofern geführt, als ein Emittent mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR nur noch dann der Ad-hoc-Mitteilungspflicht nach § 15 WpHG unterliegt, wenn seine Wertpapiere ausschließlich in Deutschland zum Handel an einem organisierten Markt (d.h. derzeit dem regulierten Markt) zugelassen sind. Diese Beschränkung des Adressatenkreises führt jedoch nicht zu einer Beeinträchtigung der Offenlegung von Insiderinformationen oder der Information des Publikums, sondern ist Bestandteil eines neuen, auf dem Herkunftsstaatsprinzip aufbauenden integrierten europäischen Informationssystems, das nicht mehr an der Zulassung eines Emittenten an einer Börse, sondern an den Sitz des Emittenten anknüpft. Zusammen mit weiteren Änderungen des § 15 WpHG und den die Veröffentlichung von Ad-hoc-Mel1 S. Art. 20 der Marktmissbrauchsrichtlinie (Einl. Rz. 29).
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dungen konkretisierenden neuen Bestimmungen in §§ 3a-9WpAIV wird dadurch ein Publizitätssystem etabliert, dessen zentrale Merkmale die Veröffentlichung der Insiderinformation durch europaweite Verbreitung, die Speicherung der Information in einem zentralen Speicherungssystem und die Mitteilung der Information an die Aufsichtsbehörde sind. Dessen ungeachtet hat die Einführung des Begriffs des Inlandsemittenten aber auch zu einer Erweiterung des Adressatenkreises der Ad-hoc-Publizität geführt. Diese ist freilich nicht auf den Begriff des Inlandsemittenten, sondern darauf zurückzuführen, dass sich der Kreis der Finanzinstrumente, in Bezug auf die ein Unternehmen (Inlands-)Emittent sein kann, durch die teils auf das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (Einl. Rz. 35), teils durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (Einl. Rz. 36) zurückgehende Neufassung des § 2 WpHG erweitert hat (s. § 2 Rz. 3). – Verfahren und Inhalt der Veröffentlichung: Das Verfahren zur Veröffentlichung 12 der Ad-hoc-Mitteilung und die Anforderungen an den Inhalt der Veröffentlichung sind seit der Änderung des Rechts der Ad-hoc-Publizität durch das AnSVG (Einl. Rz. 29) und auf der Ermächtigung in § 15 Abs. 7 Satz 1 WpHG beruhend im Wesentlichen und weitaus ausführlicher als zuvor in Vorschriften der WpAIV geregelt: bis zur neuerlichen Änderung dieser Bestimmungen durch das TUG (Einl. Rz. 35) in §§ 4–9 WpAIV und seither in §§ 3a-3e und §§ 4–9 WpAIV. Darüber hinaus hat das TUG die Verpflichtung des Inlandsemittenten als Normadressat eingeführt, die Insiderinformation nicht nur zu veröffentlichen, sondern außerdem unverzüglich, jedoch nicht vor ihrer Veröffentlichung, dem Unternehmensregister i.S. von § 8b HGB zur Speicherung zu übermitteln (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 WpHG). Entsprechendes gilt für Personen, die nach § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG der Ad-hoc-Publizität unterliegen (s. Rz. 1, 109 und 128a ff.). – Befreiung von der Veröffentlichungspflicht: Bis zur Änderung des § 15 WpHG 13 durch das AnSVG (Einl. Rz. 29) war die Befreiung von der Pflicht zur Ad-hoc-Veröffentlichung mitteilungspflichtiger Tatsachen nur durch eine vom Emittenten zu beantragende Befreiung durch die Aufsichtsbehörde möglich; diese konnte erteilt werden, wenn die Veröffentlichung der Tatsache geeignet war, den berechtigten Interessen des Emittenten zu schaden (§ 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG in seiner durch das AnSVG geänderten Fassung). Nach der Neufassung des § 15 WpHG durch das AnSVG ist der Ad-hoc-Publizitätspflichtige dagegen von der Pflicht zur Veröffentlichung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG solange befreit, wie es der Schutz seiner berechtigten Interessen erfordert, keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten ist und der Emittent die Vertraulichkeit der Insiderinformation gewährleisten kann (§ 15 Abs. 3 WpHG i.V.m. §§ 6 f. WpAIV), ohne dass es dazu einer Entscheidung der Aufsichtsbehörde bedürfte. Streitig ist insoweit lediglich, ob es sich bei § 15 Abs. 3 WpHG um eine Legalausnahme handelt oder ob an die Stelle der Befreiungsentscheidung durch die Behörde ein Akt der Selbstbefreiung durch den Emittenten treten muss (dazu Rz. 165a ff.). Mit der Novellierung des § 15 WpHG durch das AnSVG (Einl. Rz. 29) und der Auslage- 14 rung verschiedener Regelungsbereiche in die WpAIV ist die Regelung der Ad-hoc-Publizität differenzierter und komplizierter geworden. Eine Übersicht über die Zentralnorm der Ad-hoc-Publizität in Gestalt des § 15 WpHG und ihre einzelnen Regelungsfelder mag deshalb zugleich Leitfaden der Rechtsanwendung im Detail sein: – Den Kern der Regelung der Ad-hoc-Publizität bildet diejenige der Publizitätspflicht in § 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 WpHG: Nach dieser Vorschrift muss ein Inlandsemittent Insiderinformationen, die ihn unmittelbar betreffen, unverAssmann
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züglich veröffentlichen. Wer als Inlandsemittent anzusehen ist, ist § 2 Abs. 7 WpHG zu entnehmen; ergänzend zu dieser Vorschrift bestimmt § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG, dass als Inlandsemittent i.S. des § 15 WpHG auch ein solcher gilt, für dessen Finanzinstrumente erst ein Antrag auf Zulassung gestellt ist. Unter welchen Voraussetzungen ein Inlandsemittent von einer Insiderinformation unmittelbar betroffen ist, erläutert § 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG in einem Regelbeispiel. § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG erweitert den sachlichen und personellen Bereich der Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 WpHG für den Fall, dass der Emittent oder eine von diesem beauftragte oder für dessen Rechnung handelnde Person wissentlich oder unwissentlich eine Insiderinformation befugtermaßen an „einen anderen“ weitergibt, der seinerseits nicht zur Vertraulichkeit verpflichtet ist. Erfolgt die Mitteilung oder Zugänglichmachung der Insiderinformation unwissentlich, so ist die Veröffentlichung und die Übermittlung gemäß § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG unverzüglich nachzuholen. Der Ad-hoc-Publizitätspflichtige muss, über seine Pflicht zur Veröffentlichung der Insiderinformation hinaus, die Insiderinformation unverzüglich, jedoch nicht vor ihrer Veröffentlichung, dem Unternehmensregister i.S. des § 8b HGB zur Speicherung übermitteln (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 WpHG bzw. § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG). Ad hoc publizierte „unwahre Informationen“ sind im Wege einer neuerlichen Ad-hoc-Mitteilung zu berichtigen, und dies auch dann, wenn die zu korrigierende Information keine Insiderinformation darstellte und damit nicht im Wege der Ad-hoc-Publizität hätte veröffentlicht werden dürfen (§ 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG). 16
– Die inhaltlichen Anforderungen an die Ad-hoc-Veröffentlichung sind teils in § 15 Abs. 1 Satz 6 und Abs. 2 Satz 1 WpHG, teils in § 4 WpAIV geregelt: § 15 Abs. 1 Satz 6 WpHG verbietet die Verwendung unüblicher und keinen Vergleich mit den bisher verwandten Zahlen erlaubender Kennzahlen, und § 15 Abs. 2 Satz 1 WpHG untersagt die Veröffentlichung anderer Informationen als die zu publizierende Insiderinformation. § 4 WpAIV enthält nicht nur einen Katalog der in die Ad-hocVeröffentlichung aufzunehmenden Angaben, sondern auch Anforderungen an die Gliederung und die sprachliche Präsentation der erforderlichen Angaben. Die Insiderinformation ist regelmäßig in deutscher Sprache zu veröffentlichen (§ 3b Abs. 2 Satz 1 WpAIV), doch kann die Veröffentlichung unter bestimmten (sich aus § 3b Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 und 4 WpAIV ergebenden) Voraussetzungen auch in Englisch, Deutsch und Englisch und ggf. auch einer zusätzlichen Sprache vorzunehmen sein.
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– Die Bestimmungen über das Verfahren und die Art der Veröffentlichung sind durch das AnSVG (Einl. Rz. 29) weitgehend aus § 15 WpHG herausgenommen und in § 5 WpAIV überführt worden. In § 15 WpHG verblieben und teils in § 15 Abs. 4 WpHG, teils in § 15 Abs. 5 Satz 2 WpHG erfasst, sind die Vorschriften über die vor und nach einer Ad-hoc-Veröffentlichung vorzunehmenden Mitteilungen gegenüber der Aufsichtsbehörde und der Geschäftsführung der betroffenen inländischen organisierten Märkte; aber auch sie werden ergänzt durch die den Inhalt dieser Meldungen regelnden Bestimmungen in §§ 5a, 8 und 9 WpAIV. Wie sich aus § 15 Abs. 5 Satz 1 WpHG ergibt, hat der Ad-hoc-Publizitätspflichtige das in § 15 WpHG i.V.m. den angeführten Bestimmungen der WpAIV vorgeschriebene Veröffentlichungsverfahren einzuhalten und darf sich damit keiner anderweitigen Wege bedienen, um die Insiderinformation bekannt zu machen.
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– Wie sich aus § 15 Abs. 3 WpHG ergibt, ist der Emittent von der Pflicht zur Veröffentlichung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG solange befreit, wie es der Schutz
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seiner berechtigten Interessen erfordert, keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten ist und der Emittent die Vertraulichkeit der Insiderinformation gewährleisten kann. Ergänzend hierzu bestimmen §§ 6 und 7 WpAIV, wann berechtigte Interessen für die Befreiung von der Veröffentlichungspflicht vorliegen bzw. welche Anforderungen erfüllt sein müssen, um die Vertraulichkeit während der Befreiung von der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität zu gewährleisten. Die Befreiung von der Veröffentlichungspflicht aus § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG soll nach der Konzeption des Gesetzes nur eine Verzögerung der Veröffentlichung darstellen, denn nach § 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG ist, sobald die Befreiungsgründe entfallen sind, die Veröffentlichung unverzüglich nachzuholen. Für die Vornahme der verzögerten Veröffentlichung gelten die sich aus § 15 Abs. 4 WpHG ergebenden Anforderungen, die durch § 8 Abs. 1 und § 9 WpAIV ergänzt werden, entsprechend. Aus diesen folgt, dass die Aufsichtsbehörde und die Geschäftsführungen der betroffenen inländischen organisierten Märkte von der Veröffentlichung der Insiderinformation in Kenntnis zu setzen sind, wobei die Mitteilung an die Aufsichtsbehörde nach § 15 Abs. 3 Satz 4 WpHG i.V.m. § 8 Abs. 5 WpAIV zugleich Angaben über die Gründe der Befreiung und den Zeitpunkt der Entscheidung über den Aufschub der Veröffentlichung enthalten muss. – § 15 Abs. 6 WpHG beschränkt die zivilrechtliche Haftung des Emittenten für unterlassene oder fehlerhafte Ad-hoc-Veröffentlichungen auf den Ersatz des daraus entstandenen Schadens nach Maßgabe von §§ 37b und 37c WpHG. § 15 Abs. 7 WpHG enthält die Ermächtigung zum Erlass von Verordnungen im Hinblick auf die in dessen Satz 1 Nrn. 1–3 aufgeführten Gegenstände, von welcher das Bundesministerium der Finanzen zum Erlass der WpAIV Gebrauch gemacht hat.
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2. Allgemeine Anwendungsfragen a) Entwicklung der Ad-hoc-Publizität Der gesetzliche Tatbestand der Ad-hoc-Publizität in § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG der ur- 20 sprünglichen Fassung der Vorschrift entsprach im Wesentlichen der von dieser abgelösten Regelung des § 44a Abs. 1 Satz 1 BörsG (a.F.)1. Mit der börsengesetzlichen Bestimmung wiederum ist die diesbezügliche Regelung der Börsenzulassungsrichtlinie vom 5.3.1979 (s. oben Rz. 1) umgesetzt worden2. Die Richtlinie umschreibt die Adhoc-Publizität wie folgt: „Die Gesellschaft muss das Publikum unverzüglich über neue erhebliche Tatsachen in Kenntnis setzen, die in ihrem Tätigkeitsbereich eingetreten sind und die der breiten Öffentlichkeit nicht bekannt sind, die aber wegen ihrer Auswirkung auf ihre Vermögens- und Finanzlage oder auf den allgemeinen Geschäftsverlauf zu einer beträchtlichen Änderung der Kurse ihrer Aktien führen können bzw. die erheblich ihre Fähigkeit beeinträchtigen können, ihren Verpflichtungen nachzukommen“3. Die Keimzelle der Ad-hoc-Publizität in Gestalt des § 44a BörsG a.F. ist in ihrer Bedeutung nie recht ausgelotet4 und in ihrer konkreten Ausgestaltung allenfalls ansatzweise erörtert worden5. Die Praxis war sich auch zu keiner Zeit des Risikos der Ad1 RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 48; Assmann, ZGR 1994, 494 (528). 2 RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 48. 3 Vgl. Anhang der Börsenzulassungsrichtlinie (Rz. 1), Schema C, Nr. 5a für Aktien und Schema D, Nr. 4a für Schuldverschreibungen. 4 Schwark, NJW 1987, 2045. 5 Pellens, AG 1991, 63.
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hoc-Publizität im Hinblick auf zivil- und strafrechtliche Sanktionen bewusst1. Bei den Emittenten wie auch bei den Börsen bestand vielmehr große Rechtsunsicherheit über die Reichweite der aus § 44a BörsG a.F. folgenden kapitalmarktrechtlichen Informationspflicht2. Diese Unsicherheit dürfte auch der Grund für die Zurückhaltung der Emittenten bei der Ad-hoc-Publizität gewesen sein, die unter der Geltung des § 44a BörsG a.F. „totes Recht“ geblieben ist3. 22
Die Erwartung, mit der Neugestaltung der Ad-hoc-Publizität einerseits und ihrer Überführung in eine der Beaufsichtigung durch die neu geschaffene Kapitalmarktaufsicht unterliegende Vorschrift des WpHG andererseits werde sich die Informationspraxis der Emittenten grundlegend ändern4, haben bereits die ersten Erfahrungen des seinerzeitigen BAWe als zuständiger Marktaufsichtsbehörde bestätigt5. So kam es während der Geltungsdauer des § 44a BörsG a.F. nur zu 6 Ad-hoc-Meldungen. Im Jahr 1995, zu dessen Beginn § 15 WpHG in Kraft getreten ist, erfolgten dagegen 1001 Veröffentlichungen; 1996 waren es 1058 und 1997 1279 Ad-hoc-Meldungen6. Dass sich mit dem von der früheren Regelung im Börsengesetz keineswegs signifikant abweichenden § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. eine solche Veränderung im Publizitätsverhalten der Emittenten verband, hatte vor allem zwei Gründe: Zum einen die – bewusst auf die Herbeiführung dieses Zwecks gerichtete7 – Heraufsetzung des Höchstbetrages der Geldbuße, die bei einer vorsätzlichen oder leichtfertigen Verletzung der Publizitätspflicht verhängt werden konnte, von ehemals einhunderttausend DM (§ 90 Abs. 4 BörsG a.F.) auf drei Millionen DM (§ 39 Abs. 3 WpHG a.F.; aktuell bis zu 1 Mio. Euro, § 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. a, Abs. 4 WpHG)8; und zum anderen die Beaufsichtigung der Erfüllung der Ad-hoc-Publizitätspflicht durch die neu geschaffene Aufsichtsbehörde.
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Die Zahl der jährlichen Ad-hoc-Mitteilungen hat sich seit der Einführung derselben im Jahr 1995 vervielfacht, wobei mit dem Jahr 1998 (1856 Mitteilungen) ein bereits kräftiger und mit dem Jahr 1999 (3417 Mitteilungen) ein sprunghafter Anstieg der Ad-hoc-Mitteilungen zu verzeichnen war, der – nachdem er sich auch im Jahr 2000 (5693 Mitteilungen) noch fortsetzte, erst im Jahr 2001 (5421 Mitteilungen) ein Ende fand9. Ausschlaggebend für diese Entwicklung war einerseits die sprunghafte Zunahme der der Ad-hoc-Publizität unterliegenden Unternehmen sowie die 1999 einsetzende Konjunktur der Anlage in Wertpapieren und andererseits die zunehmende Nutzung von Ad-hoc-Mitteilungen als Mittel von Investor-Relations-Aktivitäten insbesondere von jungen Unternehmen, deren Papiere im seinerzeitigen Neuen Markt gehandelt wurden. Den Rückgang der Ad-hoc-Mitteilungen im Jahr 2001 führt die Aufsichtsbehörde darauf zurück, dass „die Anzahl der überflüssigen Meldungen abgenommen hat“10. Das mit dem 4. FFG vom 21.6.2002 (Einl. Rz. 26) in das Gesetz 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Hopt, ZGR 1991, 50. Pellens, AG 1991, 63. Heidmeier, AG 1992, 110; vgl. weiter RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 35. Hopt, ZHR 159 (1995), 147. Wittich, AG 1997, 4; Wölk, AG 1997, 80. Angeführt ist die Anzahl aller Ad-hoc-Meldungen, einschließlich derjenigen von Emittenten mit Sitz im Ausland. S. Jahresbericht des BAWe für 1996, S. 21, 45; Jahresbericht des BAWe für 1997, S. 25, 54. Zusammenfassung im Jahresbericht des BAWe für 2001, S. 58. Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (2. FFG), BT-Drucks. 12/7918, S. 96. Zu den Bußgeldverfahren s. jeweils die Hinweise in den Jahresberichten der Aufsichtsbehörde unter der Rubrik „Markttransparenz – Ad-hoc-Publizität“. S. die Zusammenstellung im Jahresbericht des BAWe für 2001, S. 31, 58. Jahresbericht des BAWe für 2001, S. 32.
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eingefügte Verbot der Veröffentlichung überflüssiger Angaben in Ad-hoc-Mitteilungen (§ 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG a.F., dem § 15 Abs. 2 Satz 1 WpHG entspricht; s. unten Rz. 25, 199 ff.) hat diesen Trend noch verstärkt: 2002 waren nur noch 4491 Mitteilungen, 2003 3301 Mitteilungen und 2004 3260 Mitteilungen zu verzeichnen1. Der Anstieg der Ad-hoc-Veröffentlichung im Jahr 2005 auf 3746 Mitteilungen ist nach den Ausführungen der BaFin in ihrem Jahresbericht 20052 vor allem auf die Umstellung der Bilanzierung und den Umstand zurückzuführen, dass viele Emittenten erstmalig nicht mehr nach den Vorgaben des HGB, sondern nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) bilanzierten und die jeweiligen Abschlusszahlen per Ad-hoc-Mitteilung bekanntgaben. Die Mitteilungszahlen sind dann wieder gesunken, lagen aber – wohl auf die konjunkturelle Entwicklung zurückzuführen – über dem Niveau von 2004: 2006 waren es 3516 und 2007 waren es 3493 Mitteilungen. Ab 2008 sanken die Ad-hoc-Mitteilungen von Jahr zu Jahr beträchtlich: auf 3037 im Jahr 2008, 2657 im Jahr 2009 und 2207 im Jahr 20103. Auch die Zahl der Anträge auf Befreiung von der Veröffentlichung ad-hoc-publizitätspflichtiger Informationen nach dem alten Regelungsregime (Befreiungsentscheidung durch die Aufsichtsbehörde, s. unten Rz. 129) stand offenbar im Zusammenhang mit der Entwicklung der Wirtschaftslage. Sie sind nach Angaben der Aufsichtsbehörde im Jahre 2001 sprunghaft von 2 Anträgen im Vorjahr auf 36 angestiegen4, jedoch nicht als Folge wirtschaftlichen Aufschwungs, sondern umgekehrt „als Reflex auf die allgemein verschlechterte Wirtschaftslage“5. Bis zur Umstellung des Befreiungsverfahrens von der Befreiung durch die BaFin auf die „Selbstbefreiung“ nach § 15 Abs. 3 WpHG im Jahre 2005 (s. unten Rz. 129) wurden bei der Aufsichtsbehörde nur wenige Anträge auf Befreiung von der Veröffentlichungspflicht eingereicht: 26 Anträge im Jahre 2002, 16 Anträge im Jahre 2003 (zu 2004 keine Angaben)6. Unter der Geltung des neuen § 15 Abs. 3 WpHG stiegen die jetzt als „Selbstbefreiungen“ vorzunehmenden Befreiungsfälle beträchtlich an: bereits im Jahr 2005 waren es 168. Die Zahl der Selbstbefreiungen nahm in der Folgezeit kontinuierlich zu (2006: 192, 2007: 209, 2008: 218, 2009: 240)7, um erst 2010 auf 177 zurückzugehen. 2010 spiegelte sich dann auch der Trend der seit 2008 zurückgehenden Zahl von Ad-hoc-Meldungen in einem Rückgang der Zahl der Selbstbefreiungen wider: 2010 waren es nur noch 1778. Im Jahresbericht 2007 berichtet die BaFin, die Unternehmen befreiten sich vor allem bei gestuften Entscheidungsprozessen und Unternehmensübernahmen, wobei die Befreiung meist bis zur Entscheidung des Aufsichtsrats erfolge, um diese nicht zu präjudizieren9. In ihrem Jahresbericht 2008 äußert die BaFin die Auffassung, der weitere Anstieg der Befreiungen zeige, dass es sich bei der Befreiung um ein Instrument handele, mit dem die Emittenten mittlerweile gut vertraut seien10. Doch wie dem auch sei: Der Befreiungsvorgang ist durch die Umstellung auf die „Selbstbefreiung“ weder einfacher noch sicherer geworden, und die Risiken einer fehlerhaften „Selbstbefreiung“ liegen heute beim Emittenten und seinen Organen. Wenig verwunderlich
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Jahresbericht der BaFin für 2004, S. 197. Jahresbericht der BaFin für 2005, S. 166. Jahresbericht der BaFin für 2010, S. 206. Jahresbericht des BAWe für 2001, S. 33. Jahresbericht des BAWe für 2001, S. 34. Hintergrund der meisten Anträge seien akut aufgetretene Liquiditätsprobleme oder Sanierungsfälle gewesen. Jahresbericht der BaFin für 2003, S. 195. Jahresbericht der BaFin für 2009, S. 190, und für 2010, S. 206. Jahresbericht der BaFin für 2010, S. 206. Jahresbericht der BaFin für 2007, S. 185. Jahresbericht der BaFin für 2008, S. 166.
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war die Rechtmäßigkeit der „Selbstbefreiung“ von Anfang an Gegenstand einer großen Zahl von Verfahren1. 24
Der inhaltliche Schwerpunkt der Ad-hoc-Publizität lag anfangs (d.h. in den Jahren 1995 und 1996) bei den Mitteilungen zum Jahresabschluss und zu unterjährigen Zwischenergebnissen2, hat sich in den folgenden Jahren zugunsten von Mitteilungen über strategische Unternehmensentscheidungen (etwa in Gestalt von Veränderungen in der Unternehmensstruktur, des Erwerbs oder der Veräußerung von Beteiligungen oder von Fusionen) verschoben3 und konzentrierten sich seit den Jahren 2002 und 20034 wieder auf Periodenergebnisse. Für 2010 vermeldet die BaFin, Emittenten hätten sich „besonders häufig mit Fragen zur Meldepflicht bei Insolvenzen und einer sich abzeichnenden Zahlungsunfähigkeit an die Aufsicht“ gewandt5.
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Auch wenn die Entwicklung der Ad-hoc-Publizität ein Spiegel der Entwicklung der Wertpapiermärkte und der Wirtschaft ist, finden sich in der erst kurzen Geschichte ihrer Regelung im WpHG immer wieder bestimmte „Entwicklungsengpässe“ in Gestalt besonders auffälliger Phänomene oder sich in den Vordergrund drängender Anwendungsprobleme. So wurde etwa im Verlauf des Jahres 1999 offenkundig, dass zahlreiche Emittenten Ad-hoc-Mitteilungen zu Zwecken der Werbung oder der Selbstdarstellung nutzen, was zunächst die Aufsichtsbehörde6 und sodann auch den Gesetzgeber7 veranlasste, gegen einen solchen Missbrauch von Ad-hoc-Mitteilungen vorzugehen. Darüber hinaus sah sich die Aufsichtsbehörde auch gehalten daran zu erinnern, dass § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG vom Emittenten die unverzügliche Veröffentlichung ad-hoc-publizitätspflichtiger Informationen verlangt, weshalb es ihm verwehrt ist, die Publikation der Information auf einen ihm opportun erscheinenden oder auf einen mit den Börsenhandelszeiten zusammenhängenden Zeitpunkt zu verschieben8. Darüber hinaus kommt es im Zuge der Entwicklung der Wirtschaft und der Wertpapiermärkte immer wieder zu gleichförmigen Vorgängen, welche die Frage aufwerfen, ob sie ad-hoc-publizitätspflichtige Informationen darstellen. Anfang des neuen Jahrtausends stellte sich diese Frage vor allem im Hinblick auf das Delisting von am seinerzeitigen Neuen Markt notierten Unternehmen, wobei die Aufsichtsbehörde im Ausschluss eines Unternehmens aus diesem Marktsegment lediglich eine die Handelbarkeit der Wertpapiere berührende, aber keine die finanzielle oder wirtschaftliche Situation des Unternehmens betreffende und damit nach § 15 WpHG
1 Jahresbericht der BaFin für 2006, S. 177; Jahresbericht der BaFin für 2007, S. 186. 2 Jahresbericht des BAWe für 1995, S. 23, und für 1996, S. 22. Vgl. Wölk, AG 1997, 74 ff. 3 S. die Zusammenstellung für die Jahre 1999–2001 im Jahresbericht des BAWe für 2001, S. 33, und die Zusammenstellung für die Jahre 1997 und 1998 im Jahresbericht des BAWe für 1998, S. 24. 4 Jahresbericht der BaFin für 2003, S. 195. Strategische Unternehmensentscheidungen rangieren aber auch in diesen Jahren immerhin auf Platz 2 der Sachverhalte von Ad-hoc-Meldungen. 5 Jahresbericht der BaFin für 2010, S. 206. 6 S. Jahresbericht des BAWe für 2000, S. 27. Schreiben des BAWe vom 22.3.2000 (Missbrauch der Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG). 7 S. den seinerzeit auf Grund von Art. 2 Ziff. 7 lit. a des 4. FFG (Rz. 7) in das Gesetz eingefügten § 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG (a.F.), dem § 15 Abs. 2 Satz 1 WpHG entspricht; dazu auch unten Rz. 199 ff. 8 S. Jahresbericht des BAWe für 2000, S. 25 f. Zum Problem schon Jahresbericht des BAWe für 1997, S. 27.
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Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
zu veröffentlichende Information sieht1. Schließlich zwingen mitunter auch gesetzgeberische Maßnahmen zu einer Neubeurteilung von Ad-hoc-Publizitätspflichten, wie vor einigen Jahren etwa das WpÜG vom 20.12.2001 mit seiner Regelung von Wertpapiererwerbs-, Übernahme- und Pflichtangeboten2. Generelle Aussagen darüber, in welcher Weise die Novellierung der Ad-hoc-Publizi- 26 tät durch das AnSVG (Einl. Rz. 29) zu einer Neuorientierung der Informationspolitik und des Kommunikationsverhaltens der Emittenten geführt hat, sind mit Vorsicht zu handhaben. Halbwegs sicher lässt sich sagen, dass der Gehalt des Rechtsinstituts der Ad-hoc-Publizität stets auch eine Funktion seiner Handhabung und Wahrnehmung durch die Emittenten und die Adressaten der Veröffentlichung darstellte. So ist die Ad-hoc-Publizität anfangs als lästige weitere kapitalmarktrechtliche Pflicht wahrgenommen worden, wurde in den Boomzeiten der Wertpapiermärkte zu einem Medium der Öffentlichkeitsdarstellung, der Werbung und der Investor-Relations-Beziehungen instrumentalisiert, um aus dieser Degeneration gestärkt und haftungsbewehrt als Medium der Markt- und Anlegerinformation u.a. zum Zwecke der Herstellung der informationellen Chancengleichheit an den Kapitalmärkten hervorzugehen. Nicht bestätigt hat sich dagegen die Vermutung, die mit ihrer Neuregelung in § 15 WpHG verbundene Effektivierung der Ad-hoc-Publizität könne zu einer sowohl verbandsrechtlich wie kapitalmarktrechtlich problematischen, signifikanten Verzögerung unternehmerischer Entscheidungen führen. Gleiches gilt auch für die Annahme, die Neugestaltung der Ad-hoc-Publizität werde zu einer Ausweitung und inhaltlichen Verbesserung einer kontinuierlichen, über die gesetzlichen Mindestanforderungen der Regelpublizität hinausgehenden Berichterstattung führen, weil so von der Ad-hoc-Publizität erfasste Sachverhalte gar nicht erst eintreten könnten und der Emittent sich auf diese Weise von Ad-hoc-Publizitätspflichten entlaste3. Dagegen hat das neue Recht der Ad-hoc-Publizität den Emittenten im Falle gestreckter (auch: gestaffelter oder gestufter) Entscheidungsvorgänge, namentlich im Hinblick auf Zustimmungserfordernisse des Aufsichtsrats, einige Probleme beschert (s. oben Rz. 24). Durfte man zuvor als Regel von der Zulässigkeit der Zurückhaltung einer Ad-hocMitteilung in Bezug auf den kurserheblichen zustimmungsbedürftigen Vorgang bis zur Entscheidung des Aufsichtsrats ausgehen, so kann die Mitteilung nunmehr nur dann aufgeschoben werden, wenn die Zustimmung des Rats nicht hinreichend wahrscheinlich ist oder die Voraussetzungen einer verzögerten Mitteilung nach § 15 Abs. 3 WpHG vorliegen. Trotz der Risiken einer fehlerhaften Beurteilung der Befreiungsvorausetzungen, scheint sich die „Selbstbefreiung“ von der Ad-hoc-Publizitätspflicht im Falle gestreckter Entscheidungsvorgänge zu einem Automatismus entwickelt zu haben. b) Schutzzweck der Ad-hoc-Publizität Der Normzweck der Ad-hoc-Publizität ist nicht der Schutz der Individualinteressen der Anleger, sondern ausschließlich die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts. § 15 WpHG dient damit nur dem Schutz des Anlegerpublikums als Gesamtheit der potentiellen Anleger (s. Rz. 28, 30). Das kommt auch in den Gesetzesmaterialien zu § 15 WpHG (a.F.) zum Ausdruck, wie etwa im Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zum 2. FFG, demzufolge die Ad-hoc-Publizi1 So zum alten Recht Jahresbericht des BAWe für 2001, S. 33. S. auch die Hinweise im Jahresbericht des BAWe für 2001, S. 32, im Hinblick auf „Gewinnwarnungen“ von Emittenten. 2 Näher dazu unten Rz. 46 f., 109 ff. Zum Überblick Assmann, ZGR 2002, 711 ff. 3 So noch 2. Aufl. des Kommentars Rz. 13 f.
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tät dazu beizutragen hat, dass sich keine unangemessenen Marktpreise infolge mangelhafter oder fehlender Information bildeten und die für die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte notwendige Markttransparenz hergestellt wurde1. 28
Verschiedene Änderungen der Ad-hoc-Publizitätsregelung selbst sowie anderer Normen des WpHG haben daran nichts geändert: Das gilt zunächst für die Einführung der §§ 37b und 37c WpHG durch Art. 2 Ziff. 7 lit. e des 4. FFG (Einl. Rz. 26), welche dem Emittenten Schadensersatzpflichten bei unterlassener unverzüglicher Veröffentlichung kursbeeinflussender Tatsachen bzw. bei Veröffentlichung unwahrer Tatsachen in einer Mitteilung über kursbeeinflussende Tatsachen auferlegen, und in gleichem Maße für die durch diese Maßnahme vorgenommene und auch heute noch gültige Neufassung der Bestimmung des § 15 Abs. 6 Satz 1 WpHG. Letztere stellt mit der Formulierung, Verstöße des Emittenten gegen Pflichten aus § 15 Abs. 1–4 WpHG machten diesen nur unter den Voraussetzungen des § 37b WpHG oder des § 37c WpHG schadensersatzpflichtig, vielmehr sogar klar, dass es sich bei § 15 WpHG nicht um ein Schutzgesetz i.S. des § 823 Abs. 2 BGB handelt (s. unten Rz. 30 und 307) und Schutzgut der Norm allein die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts ist2. Auch die Änderungen, die § 15 WpHG durch das AnSVG (Einl. Rz. 29) erfahren hat, geben keinen Anlass, an diesem auf den überindividuellen Schutz des Anlegerpublikums und des Funktionenschutzes der Wertpapiermärkte beschränkten Normzweck der Ad-hoc-Publizität zu zweifeln3.
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Die Ad-hoc-Publizität soll die Bildung unangemessener Börsenpreise infolge von Informationsdefiziten der Marktteilnehmer vermeiden helfen. Sie dient insoweit der Markttransparenz und der Preiswahrheit durch Beseitigung von Informationsasymmetrien4. Daneben soll der Kreis der potentiellen Insider möglichst klein gehalten und der Zeitraum für das missbräuchliche Ausnutzen von Insiderwissen soweit wie möglich verkürzt werden5.
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Die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts, wie sie durch die Ad-hoc-Publizität mit geschützt werden soll, ist nach den Gesetzesmaterialien ein Schutzgut, das „ausschließlich dem öffentlichen Interesse“ dienen soll. Der die Ad-hoc-Publizität nor1 Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (2. FFG), BT-Drucks. 12/7918, S. 102. Ebenso etwa Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.249; Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 14.233 f.; Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 34 ff.; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 6, 135. 2 Begr. RegE 4. FFG, BR-Drucks. 936/01 (neu) v. 14.11.2001, S. 245. 3 S. etwa RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 34, und BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 47, wo es (die Hervorhebung ist hinzugefügt) heißt: „Zweck der Ad-hoc-Publizitätspflicht ist es, einen gleichen Informationsstand der Marktteilnehmer durch eine schnelle und gleichmäßige Unterrichtung des Marktes zu erreichen, damit sich keine unangemessenen Börsen- oder Marktpreise aufgrund fehlerhafter oder unvollständiger Unterrichtung des Marktes bilden. Die Ad-hoc-Publizitätspflicht dient daher dem Interesse des gesamten Anlegerpublikums, sichert die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes und schafft gleiche Chancen und Transparenz. Die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität ist gleichzeitig eine wichtige Präventivmaßnahme gegen den Missbrauch von Insiderinformationen.“ 4 Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (2. FFG), BT-Drucks. 12/7918, S. 96; Schreiben des BAWe vom 8.2.2002 (zur unverzüglichen Veröffentlichung von Ad-hocTatsachen), S. 1; s. auch BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 47. Ferner Bressler, in: BuB, Rz. 7/774; Eichner, S. 91 f.; Hopt, ZHR 159 (1995), 147; Pananis, WM 1997, 460; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 8. 5 Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (2. FFG), BT-Drucks. 12/7918, S. 102; RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 35; s. auch BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 47.
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mierende § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG hat deshalb keinen drittschützenden Charakter und kann schon deshalb kein Schutzgesetz i.S. des § 823 Abs. 2 BGB sein, bei dessen pflichtwidriger Verletzung der geschädigte Anleger Schadensersatzansprüche gegen den Emittenten geltend machen könnte (s. unten Rz. 307). Dementsprechend kann auch ein Versäumnis der BaFin bei der Überwachung der Einhaltung der Ad-hoc-Publizität keine Amtspflichtverletzung i.S. des § 839 BGB darstellen, die eine Staatshaftung begründen könnte (Art. 34 GG). Die BaFin nimmt die ihr nach dem WpHG zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahr (§ 4 Abs. 4 FinDAG). Auch wenn die gesetzliche Regelung der Ad-hoc-Publizität keine die Individualinte- 31 ressen der Anleger schützende Norm darstellt, so bedeutet dies nicht, dass die Regelung überhaupt keine anlegerschützende Wirkung zu entfalten vermag. Wesentliche Funktion des Börsenmarkts neben der staatlich kontrollierten Preisfeststellung ist es, Kapitalangebot und -nachfrage des Anlegerpublikums zusammenzuführen und möglichst effizient auszugleichen. Dieser Marktfunktion dient auch die Ad-hoc-Publizität als kapitalmarktrechtliche Informationspflicht und als insiderrechtliche Präventivmaßnahme (Rz. 32 ff.). Die Ad-hoc-Publizität trägt deshalb mit ihrer vertrauensbildenden Wirkung zum Funktionieren des Marktes bei, der auf Angebot und Nachfrage in ausreichendem Umfang angewiesen ist; hierzu wird wiederum das Vertrauen des Anlegers in die Ordnungsmäßigkeit des Marktes benötigt. Die Ad-hoc-Publizität schützt also im Sinne eines Rechtsreflexes auch das Individualinteresse der Anleger an einem integren und liquiden Markt, um dort Wertpapiere zu fairen Preisen1 kaufen und verkaufen zu können. c) Ad-hoc-Publizitätspflicht als insiderrechtliche Präventivmaßnahme In der Diskussion um ein gesetzliches Verbot des Insiderhandels ist früh die Bedeu- 32 tung einer kurzfristigen Veröffentlichung kursrelevanter Sachverhalte für die Unterbindung verbotenen Insiderhandelns betont worden2. Wie die langjährigen Erfahrungen in den USA gezeigt haben, ist eine vernünftig praktizierte und durchgesetzte Ad-hoc-Publizität das beste präventive Korrelat jeder Insidervorschrift3. Die Veröffentlichung einer Insiderinformation nimmt ihr die Rechtsqualität einer Insiderinformation und entzieht damit dem verbotenen Insiderhandel den Boden4. Das Insiderhandelsverbot soll nur verhindern, dass nicht öffentlich bekannte kursrelevante Informationen von Insidern ausgenutzt werden und dadurch die Chancengleichheit aller Anleger beeinträchtigt wird. Insidergeschäfte können das Vertrauen des Anlegerpublikums auf einen integren und seriösen Markt erschüttern; die Funktionsfähigkeit des Marktes ist deshalb auf dieses Vertrauen in hohem Maße angewiesen.
1 Zur Ad-hoc-Publizität als Mechanismus, der zur „Bildung ‚realistischer‘ Wertpapierpreise“ beiträgt, s. Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 7. 2 Hopt, ZGR 1991, 50. 3 Hopt, ZHR 159 (1995), 147; Hopt/Will, Europäisches Insiderrecht, 1973, S. 175. 4 Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (2. FFG), BT-Drucks. 12/7918, S. 96; RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 35; s. auch BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 47. Ferner Assmann, ZGR 1994, 528; Bressler, in: BuB, Rz. 7/774b; Eichner, S. 93; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 1; Hopt, ZGR 1994, 50; Köndgen, in: FS Druey, S. 798; Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 14.235; Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 36; Zimmer/Kruse, in: Schwark/ Zimmer, § 15 WpHG Rz. 8.
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Der Gesetzgeber hat dementsprechend die Ad-hoc-Publizität auch als Instrument zur Bekämpfung des Missbrauchs von Insiderwissen konzipiert1. Aus rechtsvergleichender Sicht ist deshalb die deutsche Regelung durch eine doppelte Zielrichtung der Ad-hoc-Publizität gekennzeichnet: kapitalmarktrechtliche Informationspflicht und insiderrechtliche Präventivmaßnahme. Durch die unverzügliche Veröffentlichung kursrelevanter Tatsachen soll zum einen der Kreis der potentiellen Insider möglichst klein gehalten und zum anderen der Zeitraum, in dem Insiderwissen missbräuchlich ausgenutzt werden kann, weitest möglich verkürzt werden2. § 15 WpHG begrenzt also die Möglichkeiten zur Vornahme von Insidergeschäften3. Die Regelung der Ad-hoc-Publizität ist deshalb aus dem Börsengesetz (§ 44a BörsG a.F.) herausgenommen und den insiderrechtlichen Bestimmungen des Wertpapierhandelsgesetzes zugeordnet worden. Hierdurch wird verdeutlicht, dass die Ad-hoc-Publizität für die Bekämpfung des Missbrauchs von Insiderinformationen aktiviert werden sollte4.
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Mit Rücksicht auf die konzeptionellen Vorstellungen des Gesetzgebers, wie sie in den Gesetzesmaterialien deutlich zum Ausdruck gekommen sind, kann sich die Auslegung des § 15 Abs. 1 WpHG nicht nur an der Funktion der Ad-hoc-Publizität als eine die kapitalmarktrechtliche Regelpublizität ergänzenden Informationspflicht orientieren. Gleichgewichtig ist auch die Funktion der Ad-hoc-Publizität als insiderrechtliche Präventivmaßnahme zu berücksichtigen. d) Spannungsverhältnis zwischen Regelpublizität sowie anderen kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten und der Ad-hoc-Publizität
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Auslegungsprobleme bei der Bemessung der Reichweite der Ad-hoc-Publizität ergeben sich daraus, dass diese Veröffentlichungspflicht als kapitalmarktrechtliche Informationspflicht die Regelpublizität ergänzt (Rz. 1 f.), also nicht (partiell) verdrängen soll. Nach der missverständlichen Begründung des Regierungsentwurfs des 2. FFG soll sich die Ad-hoc-Publizität deshalb nicht auf solche Tatsachen beziehen, die bereits im Rahmen der laufenden Veröffentlichung der Jahresabschlüsse und Lageberichte oder der regelmäßigen Zwischenberichterstattung darzustellen sind5. In der Begründung des Regierungsentwurfs der Börsengesetznovelle 1986, welche die in der Börsenzulassungsrichtlinie geregelte Ad-hoc-Publizität durch Schaffung des § 44a BörsG a.F. in deutsches Recht umgesetzt hat, heißt es jedoch, dass „alle für die Beurteilung der zugelassenen Wertpapiere wichtigen Tatsachen schon unverzüglich nach ihrem Eintreten zu veröffentlichen sind“6. Mit dieser Bestimmung sollte den Kapitalmarktteilnehmern zwischen den Stichtagen der Regelpublizität der schnelle Zugang zu Informationen über wichtige Ereignisse in der Unternehmenssphäre des Emittenten ermöglicht werden7. Wenn die Ad-hoc-Publizität die Regelpublizität ergänzt, so heißt dies, dass „Ereignisse, die im Rahmen der Regelpublizität darzustellen sind, … unter bestimmten Voraussetzungen bereits vor der Veröffentlichung im Rahmen der Regelpublizität der in § 15 WpHG geregelten Ad-hoc-Publizität unterlie1 RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 48; RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 35. 2 RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 102; RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 35; s. auch BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 47. 3 Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (2. FFG), BT-Drucks. 12/7918, S. 96, 102. 4 RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 35. 5 RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 48. 6 RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 16. 7 Pellens, AG 1991, 63; Baumbach/Hopt, HGB, 29. Aufl. 1995, § 44a BörsG Rz. 1.
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gen“ können1. Das gilt insbesondere für Geschäftsergebnisse, die in kursrelevanter Höhe von dem jeweiligen Ergebnis des Vergleichszeitraumes z.B. bei saisonabhängigem Geschäftsverlauf abhängen2. M.a.W.: Mit der Veröffentlichung von der Regelpublizität unterliegenden Informationen kann nicht bis zum nächsten Regelpublizitätstermin gewartet werden, wenn es sich um Informationen handelt, die für sich genommen ad-hoc-publizitätspflichtig sind3. Das schließt nicht aus, dass es unter Abwägung der Interessen des Emittenten und des Kapitalmarkts gerechtfertigt sein kann, die Veröffentlichung von unerwarteten Geschäftszahlen oder von Prognoseabweichungen gemäß § 15 Abs. 3 WpHG i.V.m. § 6 WpAIV über einen kurzen Zeitraum bis zu dem Zeitpunkt aufzuschieben, in dem nach dem Finanzkalender des Emittenten die Regelberichterstattung vorgesehen ist, namentlich, wenn der Zeitpunkt der Regelberichterstattung unmittelbar bevorsteht4. Die Ad-hoc-Publizität, welche die Regelpublizität ergänzt und nicht ersetzt5, kann 36 es mit sich bringen, dass der Regelpublizität unterliegende Sachverhalte vorab im Wege der Ad-hoc-Publizität zu veröffentlichen sind. Das war von Anfang an auch der Standpunkt der Aufsichtsbehörde, die ihre Auffassung bereits in ihrer Bekanntmachung zum Verhältnis von Regelpublizität und Ad-hoc-Publizität vom 9.7.19966 dargelegt hat. In dieser heißt es u.a.: „Resultiert eine neue, potentiell kursrelevante Tatsache, z.B. ein erheblicher Gewinn oder ein erheblicher Verlust, aus einem einzelnen Ereignis, so ist diese Tatsache unverzüglich nach ihrem Eintritt zu veröffentlichen. Werden Einzelereignisse, denen bei isolierter Betrachtung kein Potential zur erheblichen Beeinflussung des Börsenpreises zuzumessen ist, in Jahresabschlüssen oder unterjährigen Berichten summiert, so stellt das Ergebnis der Summierung eine Tatsache dar, die zur erheblichen Beeinflussung des Börsenpreises geeignet sein kann. In diesem Fall ist das Ergebnis der Summierung als Ad-hoc-Mitteilung zu veröffentlichen. Die einer solchen Mitteilung zugrunde liegende Tatsache tritt ein, sobald das Ergebnis der Summierung dem Vorstand oder dem sonst für die Veröffentlichung nach § 15 WpHG Verantwortlichen des Unternehmens zur Verfügung steht. Für den Fall von potentiell kursrelevanten Tatsachen im Jahresabschluss bedeutet dies, dass die Tatsache spätestens mit der Aufstellung des Jahresabschlusses durch den Vorstand eingetreten ist. Im Rahmen der Berichterstattung nach § 15 WpHG ist lediglich die Tatsache zu veröffentlichen, der die potentielle Kurserheblichkeit zukommt, d.h. nicht der gesamte Jahresabschluss oder Zwischenbericht, der diese Tatsache beinhaltet.“ Die Bekanntmachung ist zwar zwischenzeitlich aufgehoben, doch haben die Ausführungen auch nach der Änderung des § 15 WpHG durch das AnSVG (Einl. Rz. 29) in der Sache ihre Gültigkeit nicht verloren7. 1 Bekanntmachung des BAWe zum Verhältnis von Regelpublizität und Ad-hoc-Publizität vom 9.7.1996, BAnz. v. 19.7.1996, S. 8167. Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 59; Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 15 WpHG Rz. 14; Kümpel/Veil, Wertpapierhandelsgesetz, S. 94; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 130. 2 BAWe/Deutsche Börse, Insiderhandelsverbote, S. 31; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 59. 3 Cahn/Götz, AG 2007, 222; Fürhoff/Wölk, WM 1997, 450; Hirte, S. 51 (Pflicht zur „‚Vorab‘-Mitteilung“); Kümpel, AG 1997, 70; Schäfer, in: Dreyling/Schäfer, Rz. 324; Geibel/ Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 8; Wölk, AG 1997, 76. 4 Cahn/Götz, AG 2007, 223 ff. (226). 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 58. 6 S. Bekanntmachung des BAWe zum Verhältnis von Regelpublizität und Ad-hoc-Publizität vom 9.7.1996, BAnz. v. 19.7.1996. Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 59. 7 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 59, mit dem ausdrücklichen Hinweis, an der in der Bekanntmachung vom 9.7.1996, BAnz. v. 19.7.1996, S. 8167, dargelegten Position werde festgehalten.
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Dem Zweck der Ad-hoc-Publizität entsprechend ist mit einer Ad-hoc-Veröffentlichung nicht jeweils der gesamte Jahresabschluss, Quartalsbericht oder Zwischenbericht ad hoc zu publizieren, sondern lediglich die Information, die nicht öffentlich bekannt und als kurserheblich anzusehen ist1. Dazu können auch Prognosen und Plandaten gehören2. Die Veröffentlichung ist, sofern sie nicht nach § 15 Abs. 3 WpHG verzögert werden kann, unverzüglich und unabhängig von den Terminen vorzunehmen, zu denen die Berichts- und Rechenwerke der Regelpublizität vorgelegt oder veröffentlicht werden sollen3.
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In neuerer Zeit sind Konflikte der Ad-hoc-Publizität mit anderen kapitalmarktrechtlichen Publizitätsinstrumenten in den Vordergrund getreten: Diese offenbaren sich in erster Linie in Gestalt des Verhältnisses der Ad-hoc-Publizität zu den Informationspflichten der börsennotierten Bietergesellschaft und der Zielgesellschaft nach dem WpÜG. Einen Teil der Fälle, in denen Ad-hoc-Publizitätspflicht und Informationspflichten nach dem WpÜG kollidieren können, hat das WpÜG bereits zugunsten eines Vorrangs der speziellen Veröffentlichungspflichten nach dem WpÜG bei gleichzeitiger Verdrängung der Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG entschieden. So bestimmt bspw. § 10 Abs. 6 WpÜG, dass § 15 WpHG „nicht für Entscheidungen zur Abgabe eines Angebots“ nach § 10 Abs. 1 WpÜG gilt4. Die Vielzahl von Fällen, in denen sich die Frage stellt, inwieweit die Ad-hoc-Publizität neben oder ergänzend zu den im WpÜG geregelten Informationspflichten tritt, wird von dieser Vorschrift allerdings nicht berührt. So vertreten etwa der RegE zum WpÜG und die h.M. die Ansicht, dass Eckdaten eines beabsichtigten Angebots, welche in einer Veröffentlichung nach § 10 nicht aufgeführt werden müssen (weil sie in diesem Zeitpunkt regelmäßig noch nicht feststehen) und auch tatsächlich nicht aufgeführt wurden, „bei ihrem Vorliegen nach § 15 WpHG zu veröffentlichen“ seien5.
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Zum Zwecke der Vermeidung eines überkomplexen und überkomplizierten Informationssystems ist – auf die Schaffung eines integrierten Publizitätssystems gerichtet – vorgeschlagen worden, eine Überlagerung kapitalmarktrechtlicher Publizitätspflichten dadurch zu vermeiden, dass sonderkapitalmarkrechtliche Regelungen wie das WpÜG, in den von ihnen erfassten Regelungsfeldern als abschließende und § 15 WpHG verdrängende Regelung auch der Publizitätspflichten der betroffenen Normadressaten betrachtet werden6. Dieser zugleich das Konkurrenzverhältnis kapitalmarktrechtlicher Publizitätsanforderungen betreffende Vorschlag hat sich indes nicht durchzusetzen vermocht7. So vertritt etwa die BaFin in ihrem Emittentenleit-
1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 59; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 10. A.A. Merkner/Sustmann, NZG 2005, 738. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 60. S. schon § 13 Rz. 22, 27, 68. Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 53 ff. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 59, 60. 4 S. dazu ausführlich Assmann, in: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 10 WpÜG Rz. 77 ff. Eine (kraft Verweises auf § 10 Abs. 5 WpÜG) entsprechende Regelung findet sich etwa in § 35 Abs. 1 Satz 4 WpÜG für Pflichtangebote. 5 Begr. RegE WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 40. Ebenso Bachmann, ZHR 172 (2008), 615; Hirte, in: KölnKomm. WpÜG, § 10 Rz. 102; Thoma/Stöcker, in: Baums/Thoma, § 10 WpÜG Rz. 149; Wackerbarth, in: MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, Bd. 9/1, § 10 WpÜG Rz. 81; Walz, in: Haarmann/Schüppen, Frankfurter Kommentar zum WpÜG, § 10 WpÜG Rz. 62. 6 Assmann, ZGR 2002, 697 (713 f.); Assmann, in: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 10 WpÜG Rz. 79. Vgl. unten Rz. 73 ff. 7 Ablehnend etwa BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 59. S. 18; Gunßer, S. 134.
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faden1 die Ansicht, „Pflichten zur Kapitalmarkttransparenz bzw. -kommunikation (z.B. Mitteilung bedeutender Stimmrechtsveränderungen, Publizitätsvorschriften nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, Veröffentlichungspflichten im Zusammenhang mit Aktienrückkaufprogrammen, Transparenzvorschriften hinsichtlich der Erhebung einer Anfechtungsklage)“ stellten „keine der Ad-hoc-Publizität vorrangigen oder sie gar ersetzenden Transparenzvorschriften dar“, soweit dies nicht gesetzlich, wie etwa in § 10 Abs. 6 WpÜG, ausdrücklich angeordnet sei. Vielmehr müsse der Emittent „in allen Fällen jeweils zusätzlich prüfen, ob eine Insiderinformation“ vorliege. Sei dies der Fall und sehe die jeweilige Vorschrift nicht ausdrücklich vor, dass eine Ad-hoc-Publizität in diesem Fall nicht bestehe, sei „ebenfalls eine unverzügliche Veröffentlichung der Insiderinformation durch eine Ad-hoc-Mitteilung erforderlich“. Die Ad-hoc-Mitteilung sei auch dann unverzüglich zu veröffentlichen, wenn in dem jeweiligen Gesetz hinsichtlich der dort geregelten Transparenzvorschrift eine andere Veröffentlichungsfrist genannt werde.
II. Die Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen (§ 15 Abs. 1 WpHG) 1. Die Veröffentlichungstatbestände im Überblick In seiner auf das AnSVG (Einl. Rz. 29) zurückgehenden Fassung kennt § 15 Abs. 1 40 WpHG drei Tatbestände einer Publizitätspflicht: § 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 WpHG, der Grundtatbestand der Ad-hoc-Publizität, verpflichtet den Inlandsemittenten von Finanzinstrumenten, ihn unmittelbar betreffende Insiderinformationen unverzüglich zu veröffentlichen. Nach § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG muss derjenige, der als Emittent oder als eine Person, die in dessen Auftrag oder auf dessen Rechnung handelt, im Rahmen seiner Befugnis einem anderen Insiderinformationen mitteilt oder zugänglich macht, die Information zeitgleich veröffentlichen, es sei denn, der andere ist rechtlich zur Vertraulichkeit verpflichtet. § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG schließlich verpflichtet den Emittenten oder die Person, die einem anderen befugtermaßen, aber unwissentlich eine Insiderinformation mitgeteilt oder zugänglich gemacht hat, die Veröffentlichung unverzüglich nachzuholen. Das Gesetz erlaubt keine freiwillige Ad-hoc-Publizität2. Eine Ad-hoc-Mitteilung darf vielmehr nur dann veröffentlicht werden, wenn einer der vorgenannten Veröffentlichungstatbestände erfüllt ist und eine Pflicht zur Veröffentlichung der Insiderinformation besteht3. Das mag Emittenten von Wertpapieren, die in den Freiverkehr einbezogen sind und damit keiner Ad-hocPublizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG unterliegen, nicht daran hindern, Insiderinformationen im Wege einer Publikation öffentlich bekannt zu machen, solange sie nicht den Eindruck erwecken, eine ad-hoc-publizitätspflichtige Insider1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 59/60. 2 Auch die insoweit ablehnenden Ausführungen von Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 93 (m.w.N.), raten, um Insiderinformationen öffentlich bekannt zu machen, zu nicht mehr als zu „einer freiwilligen Veröffentlichung entsprechend den Anforderungen des § 15“ und zu „ein(em) der WpAIV nachempfundene(n) Veröffentlichungsverfahren“ (Hervorh. hinzugefügt). 3 Auch Gunßer, S. 78 f., der dies (auch) aus der Regelung des § 15 Abs. 2 Satz 1 WpHG herleiten will. Für eine (mangels erkennbarer Regelungslücke nicht akzeptable) analoge Anwendung des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG etwa auf nur mittelbar von einer Insiderinformation betroffene Emittenten, andere Personen, die Kenntnis von Insiderinformation erlangen oder Emittenten des Freiverkehrs, Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.334 f.; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 119 f.; modifiziert auch Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 93.
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information im Wege der Ad-hoc-Publizität nach Maßgabe von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG und der Bestimmungen der WpAIV zu veröffentlichen. Eine zu diesem Zwecke und zur Verhinderung verbotener Insidergeschäfte vorgenommene Weitergabe der Insiderinformation wird man dementsprechend nicht als unbefugt zu betrachten haben. 41
Veröffentlichte Ad-hoc-Mitteilungen sind nach § 10 Abs. 1 Satz 1 WpPG in ein sog. Jährliches Dokument aufzunehmen, das dem Publikum nach Maßgabe von § 10 Abs. 1 Satz 2 WpPG zur Verfügung zu stellen (s. unten Rz. 282) und nach § 10 Abs. 2 WpPG bei der BaFin zu hinterlegen ist. 2. Die Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen mit unmittelbarem Emittentenbezug (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 und Abs. 1 Satz 2 WpHG) a) Normadressaten aa) Normentwicklung, Übersicht und Allgemeines
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Adressat der Ad-hoc-Publizität war bis zur Änderung des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG, Einl. Rz. 35) der Emittent von Finanzinstrumenten, die zum Handel an einem inländischen organisierten Markt zugelassen waren oder für die eine solche Zulassung beantragt war. § 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 WpHG umschreibt den Adressatenkreis der Ad-hoc-Publizität unter Verwendung des in § 2 Abs. 7 WpHG definierten Begriffs des Inlandsemittenten. Die Vorschrift setzt damit, wie § 2 Abs. 7, die das Herkunftsstaatsprinzip verwirklichenden Artt. 2 Abs. 1 lit. i, 21 Abs. 1 sowie die Sonderregelung des Art. 21 Abs. 3 der Transparenzrichtlinie (Einl. Rz. 35) um1. Die Änderung dient der Anpassung des Rechts der Ad-hoc-Publizität an das neue, auf dem Herkunftsstaatsprinzip aufbauende europäische Publikations- und Mitteilungsregime (s. Rz. 1, 11). Dieses sieht zum einen die Veröffentlichung einer Insiderinformation durch ihre europaweite Verbreitung und die Speicherung der veröffentlichten Insiderinformationen in einem zentralen Speicherungssystem vor (s. Rz. 1) und stellt zugleich sicher, dass sich ein Emittent im Regelfall nur mit einer Rechtsordnung und einer Aufsichtsbehörde beschäftigen muss2. Das neue Veröffentlichungssystem bringt damit nicht nur eine Erweiterung des Verbreitungskreises von Ad-hoc-Mitteilungen, sondern auch eine gewisse Integration der Veröffentlichungspflichten namentlich in Gestalt der Vermeidung von Mehrfachveröffentlichungen nach Maßgabe unterschiedlicher Rechtsordnungen mit sich. Gegenüber der bisherigen Bestimmung des Adressatenkreises verbindet sich mit dieser Änderung teils eine Einschränkung, teils eine Erweiterung des Kreises der Normadressaten des § 15 WpHG (s. Rz. 11).
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Umgesetzt wird das neue Publizitätssystem, indem, anders als bisher, nicht mehr in erster Linie an die Zulassung von Finanzinstrumenten eines Emittenten an einer Börse, sondern an den Sitz des Emittenten und erst in zweiter Linie an den Zulassungsplatz und die zugelassenen Finanzinstrumente (i.S. von § 2 Abs. 2b WpHG) angeknüpft wird (s. auch Rz. 11). Das führt u.a. dazu, dass Emittenten mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Vertragsstaat des EWR nur noch dann der Ad-hoc-Mitteilungspflicht nach § 15 WpHG unterliegen, wenn die von ihnen begebenen Finanzinstrumente ausschließlich in Deutschland zum Handel an einem organisierten Markt, d.h. dem regulierten Markt, zugelassen sind. Geblieben ist die 1 S. § 2 Rz. 175, 162 f. Vgl. auch RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 32. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 48.
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(sich aus § 2 Abs. 7 WpHG i.V.m. § 2 Abs. 6 WpHG ergebende) Beschränkung der Adhoc-Publizität auf die Emittenten von Finanzinstrumenten, die zum Handeln an einem organisierten Markt i.S. von § 2 Abs. 5 WpHG zugelassen sind. Das bedeutet zum einen, dass die Emittenten von Finanzinstrumenten, die nur an einem nicht organisierten Markt, wie etwa dem Freiverkehr (§ 48 BörsG), gehandelt werden, nicht der Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG unterliegen1; und es hat zum anderen zur Folge, dass auch Emittenten von Finanzinstrumenten, die lediglich in den Handel an einem organisierten Markt einbezogen wurden, wie diese gemäß §§ 32 Abs. 1, 33 BörsG nicht zu den Adressaten des § 15 WpHG gehören. Entsteht eine Pflicht zur Ad-hoc-Publizität mithin nur für Emittenten, deren Finanzinstrumente an einem organisierten Markt zugelassen sind, so bestimmt § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG, dass Emittenten auch dann der Ad-hoc-Publizität unterliegen können, wenn für deren Finanzinstrumente lediglich ein Antrag auf Zulassung gestellt wurde. Maßgeblich ist der Eingang des Zulassungsantrags bei der Geschäftsführung der fraglichen Börse2. bb) Inlandsemittent (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 und Abs. 1 Satz 2 WpHG) Wer Inlandsemittent ist und damit der Ad-hoc-Publizität unterliegt, ist nach Maß- 44 gabe von § 2 Abs. 7 WpHG zu bestimmen, wobei die in dieser Bestimmung enthaltene Definition des Inlandsemittenten auf den in § 2 Abs. 6 WpHG definierten Begriff des Emittenten, für den „die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist“, zurückgreift. Dabei ist zu beachten, dass die Bestimmung des Herkunftsstaats nach der Konzeption der Transparenzrichtlinie (Einl. Rz. 35) nicht an den emittierten Finanzinstrumenten, sondern am Emittenten anknüpft (§ 2 Rz. 162). Das hat zur Folge, dass ein Emittent nur einen Herkunftsstaat haben kann3. Dazu führt die BaFin als Beispiel an4: „Sind etwa seine Aktien in Deutschland an einem organisierten Markt zugelassen, kann er beispielsweise für seine größer als 1000 t gestückelten Schuldtitel keinen anderen Herkunftstaat als Deutschland wählen, weil er kein Wahlrecht mehr hat. Hat er umgekehrt beispielsweise zuerst für seine größer als 1000 t gestückelten Schuldtitel einen anderen Herkunftstaat als Deutschland gewählt und lässt dann in Deutschland an einem organisierten Markt seine Aktien zu, ist die vorherige Wahl gegenstandslos. Deutschland ist Herkunftstaat. Divergierende Herkunftstaaten je nach Finanzinstrument (z.B. Deutschland für Aktien und Italien für Schuldtitel) sind also nicht möglich.“ Durch die Einbeziehung der komplexen Vorschrift des § 2 Abs. 6 WpHG in die den Inlandsemittenten definierende Bestimmung des § 2 Abs. 7 WpHG wird die genaue Bestimmung des Adressatenkreises der Ad-hoc-Publizität nicht unkompliziert. Zur Ermittlung der Publizitätspflicht eines Emittenten können die Prüfungsschemata herangezogen werden, die in den zu § 2 Rz. 163 und Rz. 175 wiedergegebenen Schaubildern enthalten sind. Des Weiteren ist auf die Erläuterungen zu § 2 Abs. 6 und Abs. 7 WpHG (§ 2 Rz. 162 ff. bzw. 175 ff.) zu verweisen. Im Einzelnen ist die Bestimmung des Inlandsemittenten eine Funktion aus drei Va- 45 riablen: dem Sitz des Emittenten (das ist der effektive Verwaltungssitz und nicht der Satzungssitz, § 2 WpHG Rz. 169), den in Frage stehenden Finanzinstrumenten (deren 1 Unstr. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 49. Vgl. etwa Bressler, in: BuB, Rz. 7/778b; Eichner, S. 97 f.; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 33; Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 48; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 26 f. S. auch unten Rz. 46. 2 Vgl. Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 45. S. auch § 12 Rz. 8. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 50. S. auch § 2 Rz. 166. 4 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 50.
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Kreis sich durch die teils auf das TUG [Einl. Rz. 35], teils durch das FRUG [Einl. Rz. 36] zurückgehende Neufassung des § 2 WpHG erweitert hat, s. Rz. 11 und § 2 Rz. 3) und der Zulassung der Instrumente zum Handeln an einem organisierten Markt im Inland, in einem Mitgliedstaat der EU, einem Vertragsstaat des EWR oder in einem Drittstaat. – Zu den Inlandsemittenten zählen auf jeden Fall „deutsche“ börsennotierte Unternehmen, d.h. Unternehmen, die ihren Sitz (i.S. des effektiven Verwaltungssitzes) in Deutschland haben und deren Aktien oder Schuldtitel mit einer Stückelung von weniger als 1 Tsd. Euro – zu diesen gehören namentlich Genussscheine und Inhaberschuldverschreibungen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 lit. a WpHG) – in Deutschland zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind (§ 2 Abs. 7 Nr. 1 WpHG i.V.m. § 2 Abs. 6 Nr. 1 lit. a WpHG). Sie dürften die bei weitem überwiegende Zahl der nach § 15 WpHG ad-hoc-publizitätspflichtigen Unternehmen stellen. Sind die von dem inlandsansässigen Unternehmen emittierten Aktien oder Schuldtitel an einem organisierten Markt in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Vertragsstaat des EWR zugelassen, so handelt es sich bei dem Emittenten zwar um einen solchen mit Herkunftsstaat Deutschland (§ 2 Abs. 6 Nr. 1 lit. a WpHG), doch ist er Inlandsemittent gemäß § 2 Abs. 7 Nr. 1 WpHG nur, wenn er in dem anderen Staat keinen Veröffentlichungs- und Mitteilungspflichten nach Maßgabe der Richtlinie 2004/109/EG (Transparenzrichtlinie, Einl. Rz. 35) unterliegt. Aber auch Unternehmen mit Sitz in Deutschland, die keine Aktien oder Schuldtitel emittieren, sind als Inlandsemittenten zu qualifizieren, wenn sie Finanzinstrumente (§ 2 Abs. 2b WpHG) begeben und diese ausschließlich zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind (§ 2 Abs. 7 Nr. 1 WpHG i.V.m. § 2 Abs. 6 Nr. 2 WpHG). Ist Letzteres nicht der Fall und sind die fraglichen Finanzinstrumente statt dessen zum Handel an einem organisierten Markt auch oder ausschließlich in einem anderen EU- oder EWR-Staat oder in mehreren anderen EUoder EWR-Staaten zugelassen, so handelt es sich bei dem jeweiligen Emittenten gleichwohl um einen Inlandsemittenten, wenn er Deutschland nach Maßgabe von § 2b WpHG als Herkunftsstaat gewählt oder keine Wahl getroffen hat (§ 2 Abs. 7 Nr. 1 WpHG i.V.m. § 2 Abs. 6 Nr. 3a WpHG). Wenn die fraglichen Finanzinstrumente lediglich in einem anderen EU-Staat oder EWR-Staat zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, greift die sich auf die Emittenten von Wertpapieren i.S. von § 2 Abs. 1 WpHG beschränkende Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 7 Nr. 1 WpHG (Veröffentlichungs- und Mitteilungspflichten nach Maßgabe der Richtlinie 2004/109/EG, Einl. Rz. 35) nur dann, wenn es um Finanzinstrumente geht, die (ohne Aktien oder Schuldverschreibungen zu sein) Wertpapiere i.S. des § 2 Abs. 1 WpHG darstellen. Entsprechendes hat für die Einstellung der Notierung und des Börsenhandels von Finanzinstrumenten zu gelten, die an organisierten Märkten in anderen EU- oder EWR-Staaten zugelassen sind. – Weiter sind auch Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat Inlandsemittenten und unterliegen als solche der Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG, wenn von ihnen begebene Aktien oder Schuldtitel mit einer Stückelung von weniger als 1 Tsd. Euro am geregelten Markt oder einem organisierten Markt in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Vertragsstaat des EWR zugelassen sind und sie das jährliche Dokument i.S. von § 10 WpPG zu hinterlegen haben (§ 2 Abs. 7 WpHG i.V.m. § 2 Abs. 6 Nr. 1 lit. b WpHG). Für Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat, die keine Aktien oder Schuldtitel emittieren, handelt es sich um Inlandsemittenten, wenn die von ihnen begebenen Finanzinstrumente ausschließlich zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind (§ 2 Abs. 7 WpHG i.V.m. § 2 Abs. 6 Nr. 2
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WpHG). Sind diese Finanzinstrumente dagegen auch in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Vertragsstaat des EWR zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen, so handelt es sich bei dem jeweiligen Emittenten nur dann um einen Inlandsemittenten, wenn er entweder Deutschland nach Maßgabe von § 2b WpHG als Herkunftsstaat gewählt oder – falls keine Wahl getroffen wurde – das jährliche Dokument i.S. des § 10 WpPG bei der BaFin zu hinterlegen ist (§ 2 Abs. 7 WpHG i.V.m. § 2 Abs. 6 Nr. 3 lit. c WpHG). – Für Aktien oder Schuldtitel emittierende Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Vertragsstaat des EWR – darin verwirklicht sich das Herkunftsstaatsprinzip – kann Deutschland nicht der Herkunftsstaat sein, so dass sie schon von daher niemals als Inlandsemittenten in Betracht kommen und der Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG unterliegen können. Davon macht § 2 Abs. 7 Nr. 2 WpHG allerdings für den Fall eine Ausnahme, dass ein EU- oder EWR-Staat ihr Herkunftsstaat ist und die von ihnen begebenen Aktien oder Schuldtitel ausschließlich im regulierten Markt zugelassen sind. Im Übrigen können Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Vertragsstaat des EWR allein dann nach § 15 WpHG ad-hoc-publizitätspflichtig werden, wenn sie lediglich andere Finanzinstrumente als Aktien oder Schuldtitel emittieren, die Instrumente an einem organisierten Markt auch in Deutschland oder ausschließlich in Deutschland zum Handel zugelassen sind und Deutschland nach Maßgabe von § 2b WpHG als Herkunftsstaat gewählt haben (§ 2 Abs. 7 WpHG i.V.m. § 2 Abs. 6 Nr. 3 lit. b WpHG). Aus § 2 Abs. 6 und 7 WpHG, auf die § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG durch die Verwendung 46 des Begriffs des Inlandsemittenten verweist, folgt, dass Adressaten der Ad-hoc-Publizität nur die Emittenten von Finanzinstrumenten sein können, die zum Handel an einen organisierten Markt zugelassen sind. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn die fraglichen Finanzinstrumente in einem anderen Handelssystem als einem organisierten Markt zum Handel zugelassen sind1, weshalb die Emittenten von Finanzinstrumenten, die lediglich in den Freiverkehr (§ 48 BörsG) als einem nicht organisierten Markt einbezogen sind, nicht der Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG unterliegen (s. schon Rz. 43). Auch bei der Umsetzung der Transparenzrichtlinie (Einl. Rz. 35) hat der Gesetzgeber davon abgesehen, die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität auf Unternehmen auszudehnen, deren Wertpapiere in den Freiverkehr einbezogen wurden, obschon sich die Insiderhandelsverbote des § 14 Abs. 1 auf Grund der Regelung in § 12 Abs. 2 WpHG auf Papiere beziehen, die in den regulierten Markt oder in den Freiverkehr einbezogen sind. Weiterhin lässt sich hierfür anführen, dass die Einbeziehung der Wertpapiere eines Unternehmens in den Freiverkehr auch ohne dessen Zustimmung erfolgen kann und es nicht angeht, ein Unternehmen mit Folgepflichten der ihm nicht zuzurechnenden Einbeziehung in ein Handelssystem zu belasten2. 1 Unstr. vgl. Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 41. 2 So sehen etwa die Allgemeine Geschäftsbedingungen für den Freiverkehr an der Frankfurter Wertpapierbörse kein Widerspruchsrecht des Emittenten gegen die Einbeziehung von Wertpapieren vor, so dass dem auf ein Widerspruchsrecht gestützten Argument einer vermeidbaren Belastung des Emittenten von Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 32, zwischenzeitlich der Boden entzogen wurde. Darüber hinaus sollte mit der Ausklammerung der Freiverkehrswerte von der Ad-hoc-Publizität im Interesse der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der inländischen Wertpapierbörsen der Gefahr begegnet werden, der börseninterne Freiverkehr könne „austrocknen“, weil insbesondere die ausländischen Emittenten wegen einer für sie nicht akzeptablen Ad-hoc-Publizität einem Handel ihrer Wertpapiere im Freiverkehr künftig widersprechen könnten; RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 76. Kritisch zu der Nichteinbeziehung des Freiverkehrs Bur-
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Nicht zu den Adressaten der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität zählen auch die Emittenten solcher Finanzinstrumente, die lediglich in den Handel an einem organisierten Markt einbezogen wurden, wie dies etwa nach §§ 31 Abs. 1, 33 BörsG für den regulierten Markt der Fall sein kann (s. schon oben Rz. 43). Kann Inlandsemittent mithin nur der Emittent von Finanzinstrumenten sein, die an einem organisierten Markt zugelassen sind, so erweitert § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG den Begriff des Inlandsemittenten, wie er sich aus § 2 Abs. 7 WpHG ergibt, für die Zwecke des § 15 WpHG dahingehend, dass der Zulassung von Finanzinstrumenten bereits der Antrag auf Zulassung zum Handel in einem organisierten Markt entspricht. § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG entspricht inhaltlich dem zweiten Teil des früheren ersten Relativsatzes in § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG in seiner durch das TUG (Einl. Rz. 35) geänderten Fassung. Dass Unternehmen auch in Bezug auf Finanzinstrumente, für die nur ein Zulassungsantrag besteht, Emittenten sein und so der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität unterfallen können, geht auf die Änderung der Bestimmung des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG durch Art. 9 Abs. 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie (s. oben Rz. 1) zurück. Anders als bei der Umschreibung des Begriffs der Insiderpapiere in § 12 WpHG reicht es in Bezug auf die Ad-hoc-Publizität allerdings nicht aus, dass ein Antrag auf Zulassung oder Einbeziehung der als Insiderpapiere in Betracht kommenden Finanzinstrumente öffentlich angekündigt wurde (§ 12 Satz 2 WpHG; s. § 12 Rz. 3). § 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 WpHG erfasst nur Inlandsemittenten von Finanzinstrumenten. Anders als nach der durch das TUG geänderten Fassung des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG kommt dem Begriff hier aber keine den Adressatenkreis der Ad-hoc-Publizität eingrenzende Funktion zu, da Inlandsemittenten nach § 2 Abs. 7 WpHG ohnehin nur Emittenten sein können, deren Herkunftsstaat Deutschland ist, und als solche wiederum nur Emittenten von Finanzinstrumenten in Betracht kommen. Der Begriff der Finanzinstrumente ist in § 2 Abs. 2b WpHG definiert und umfasst Wertpapiere i.S. von § 2 Abs. 1 WpHG, Geldmarktinstrumente i.S. von § 2 Abs. 1a WpHG, Derivate i.S. von § 2 Abs. 2 WpHG und Rechte auf Zeichnung von Wertpapieren.
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Der Ad-hoc-Publizität fehlt eine Konzernklausel1, wie sie etwa die Definition des Primärinsiders in § 13 Abs. 1 Nr. 1 WpHG in seiner alten, durch das AnSVG (Einl. Rz. 29) geänderten Fassung verwandte und die bestimmte Konzernunternehmen auf Grund ihrer bloßen Konzernzugehörigkeit einer Ad-hoc-Publizitätspflicht unterwerfen würde. Deshalb ist jedes Konzernunternehmen im Hinblick auf die Ad-hoc-Publizität grundsätzlich als selbstständiges Unternehmen zu betrachten, das nur dann Adressat der Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 WpHG ist, wenn es selbst ein Inlandsemittent ist, den die in Frage stehende Insiderinformation unmittelbar betrifft. Daran fehlt es etwa bei der Konzernmuttergesellschaft, deren Wertpapiere nicht an einem organisierten Markt zugelassen sind oder die aus anderem Grund nicht als Inlandsemittentin gilt. Sie unterliegt deshalb auch dann nicht der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität, wenn die Finanzinstrumente einer Konzerntochtergesellschaft zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind oder die Tochterge-
gard, ZHR 162 (1998), 58; Fülbier, S. 238 ff.; Fürhoff, Kapitalmarktrechtliche Ad-hoc-Publizität, S. 152; Gehrt, S. 117 ff.; Hopt, ZHR 159 (1995), 151; Hopt, in: WM-Festgabe Hellner, S. 32; von Klitzing, S. 63 ff., 263; Lenenbach, Kapitalmarkt- und Börsenrecht, Rz. 10.65; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 34, 36 ff.; Schlittgen, S. 66 ff.; Waldhausen, S. 166 ff.; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 28 f. 1 Burgard, ZHR 162 (1998), 58; Hopt, ZHR 159 (1995), 151; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 29; Waldhausen, S. 172, 197.
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sellschafter aus einem anderen Grunde als Inlandsemittentin anzusehen ist1. Gleiches gilt für den Fall, dass ein Konzernunternehmen, das kein Inlandsemittent ist, Wertpapiere begibt, die zwar Rechte zum Bezug von im Inland börsenzugelassenen Wertpapieren eines als Inlandsemittent anzusehenden anderen Konzernunternehmens gewähren, aber nicht selbst an einem inländischen organisierten Markt zugelassen sind; Emittent der Papiere, deren Bezug dadurch ermöglicht wird, ist allein das an dem inländischen organisierten Markt notierte Unternehmen2. cc) Veröffentlichungspflichtiger Die Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 49 Halbsatz 1 WpHG trifft den Inlandsemittenten. Wahrzunehmen hat sie der Vorstand der Emittenten. Für ihre ordnungsgemäße Erfüllung haftet der Vorstand ordnungswidrigkeitsrechtlich nach § 130 OWiG (s. Rz. 291 f.) und zivilrechtlich nach § 93 Abs. 2 AktG (s. Rz. 309a) gegenüber der Gesellschaft. Zur Festsetzung von Geldbußen gegen Emittenten und zu dessen zivilrechtlicher Haftung s. Rz. 299 ff. bzw. Rz. 307 ff. Die Pflicht des Emittenten zur Veröffentlichung von Insiderinformationen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 WpHG endet nicht mit der Insolvenz des Emittenten3. Sie besteht vielmehr als vom Vorstand zu erfüllende Pflicht des Emittenten fort, wobei der Insolvenzverwalter den Vorstand nach § 11 zu unterstützen hat4. Streng genommen (und so auch von der BaFin vertreten) endet die Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG nicht einmal mit der Einstellung der Notierung der im regulierten Markt zugelassenen Finanzinstrumente des Emittenten, weil – wie sich aus § 39 Abs. 1 BörsG ergibt – die Einstellung der Notierung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG nicht mit der Beendigung der Zulassung der Finanzinstrumente zum Börsenhandel nach § 39 BörsG gleichzusetzen ist, die fraglichen Instrumente also nach wie vor zum Handel an einem inländischen organisierten Markt zugelassen sind. Dem ist allerdings nicht zu folgen5, weil die Einstellung der Notierung im regulierten Markt nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG eine endgültige (und anders als die bloße Aussetzung des Handels nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BörsG nicht nur zeitweilige) Beendigung der Notierung und des Börsenhandels darstellt und die Geschäftsführung der Börse nach § 39 Abs. 1 Alt. 1 BörsG gleichzeitig zum Widerruf der Zulassung ermächtigt. Auch wenn die Geschäftsführung von ihrem diesbezüglichen Ermessen noch keinen Gebrauch ge1 In Bezug auf die durch das TUG (Einl. Rz. 35) geänderte Fassung des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG, in der Sache aber weiterhin zutreffend, Assmann, in: Lutter/Scheffler/U. H. Schneider, Handbuch Konzernfinanzierung, Rz. 12.43; Hopt, ZHR 159 (1995), 151; Schäfer, in: Dreyling/Schäfer, Rz. 350. Zum neuen Recht etwa Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 9. 2 Vgl. Assmann, in: Lutter/Scheffler/U. H. Schneider, Handbuch Konzernfinanzierung, Rz. 12.43, in Bezug auf die durch das TUG geänderte Fassung des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG, aber weiterhin gültig. Auch Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 69. 3 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 52; von Buttlar, BB 2010, 1355; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 30; Grub/Streit, BB 2004, 1399; Hirte, ZInsO 2006, 1292; Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 214 f.; Rattunde/Berner, WM 2003, 1314; Rubel, AG 2009, 616; Warmer, S. 101 ff.; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 20. 4 Zur Auseinandersetzung vor der Einfügung des § 11 WpHG durch das TUG s. Grub/Streit, BB 2004, 1408 f.; Hirte, ZInsO 2006, 1295 ff.; Rattunde/Berner, WM 2003, 1315 ff.; Warmer, S. 100 f. Zur Änderung der Rechtslage nach Einfügung des § 11 WpHG Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 30; Rubel, AG 2009, 616 f. A.A. von Buttlar, BB 2010, 1356 („keine abschließende Zuständigkeitsverteilung“). 5 Ebenso Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 30.
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macht hat, setzt die (zum Widerruf der Zulassung berechtigende) Einstellung der Notierung doch voraus, dass ein ordnungsgemäßer Börsenhandel mit den fraglichen Instrumenten nicht mehr gewährleistet ist. Bereits mit der Einstellung der Notierung und nicht erst mit dem Widerruf der Zulassung der fraglichen Instrumente wird dem Publikum unmissverständlich vor Augen geführt, dass die Voraussetzungen für die Bildung eines Börsenpreises für die fraglichen Papiere und damit auch ein wesentlicher Bezugspunkt zur Ermittlung der Kurserheblichkeit einer Insiderinformation entfallen sind, kurz: dass die Emittentenpapiere keine Insiderpapiere mehr darstellen. 50
Ebensowenig wie der Insolvenzverwalter in der Insolvenz des Inlandsemittenten zum Adressaten der Ad-hoc-Publizität wird, wird es auch der nach § 147 Abs. 2 AktG von der Hauptversammlung oder einem (nach § 14 AktG zuständigen) Gericht auf Antrag von Aktionären zur Geltendmachung der in § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG bezeichneten Ersatzansprüche der Gesellschaft bestellte besondere Vertreter1. Mit seiner Bestellung wird der besondere Vertreter zwar gesetzlicher Vertreter und damit Organ der Gesellschaft, doch beschränken sich seine Aufgaben und Rechte auf die Geltendmachtung der Ersatzansprüche und nur in diesem Aufgabenbereich verdrängt er die anderen Vertretungsorgane und namentlich den Vorstand2. Die Pflicht des Emittenten aus § 15 Abs. 1 WpHG wird damit durch die Bestellung eines besonderen Vertreters ebensowenig berührt wie die Pflicht des Vorstands, für Erfüllung der Emittentenpflicht zu sorgen. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn es um Insiderinformationen geht, welche im Zusammenhang mit der Geltendmachung der Ersatzansprüche durch den besonderen Vertreter entstehen und von denen der besondere Vertreter auch oder gar ausschließlich Kenntnis erlangt. In beiden Fällen ist es zur Geltendmachtung der Ersatzansprüche nicht erforderlich, dass die Pflicht des Emittenten zur Veröffentlichung von Insiderinformationen von dem besonderen Vertreter statt von dem Vorstand des Emittenten vorgenommen wird. Selbst wenn man mit der überwiegenden Ansicht eine Auskunfts- und Berichtspflicht des besonderen Vertreters gegenüber dem Vorstand und dem Aufsichtsrat der Gesellschaft im Hinblick auf Vorgänge im Zusammenhang mit der Geltendmachung der Ansprüche ablehnen wollte3, würde dies den besonderen Vertreter doch nicht hindern, die fragliche Information zum Zwecke ihrer Veröffentlichung oder der Prüfung der Voraussetzungen einer verzögerten Veröffentlichung an den Vorstand weiterzugeben. Eine solche Weitergabe entspräche einer gesetzlichen Pflicht des besonderen Vertreters, wäre zudem unerlässlich, um die Veröffentlichung durch den Emittenten herbeizuführen und träfe zudem auf Adressaten, die ihrerseits einer besonderen gesetzlichen Vertraulichkeitspflicht und als Primärinsider besonderen Sanktionen für die Beachtung der Insiderhandelsverbote des § 14 Abs. 1 WpHG unterliegen4. Dessen ungeachtet ist es in der Sache auch nur der Vorstand und nicht der besondere Vertreter, der die Verhältnisse des Emittenten so kennt, dass er umfassend und verlässlich prüfen kann, 1 A.A. Mock, AG 2008, 847 f. 2 S. statt vieler Bezzenberger, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 147 Rz. 52; Hüffer, § 147 AktG Rz. 7; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, § 147 AktG Rz. 23. Zur Organstellung des besonderen Vertreters schon BGH v. 18.12.1980 – II ZR 140/79, AG 1981, 223; LG München I v. 6.9.2007 – 5 HK O 12570/07, AG 2007, 756 (757). 3 LG München I v. 6.9.2007 – 5 HK O 12570/07, AG 2007, 756 (760). S. auch, jeweils m.w.N., Kling, ZGR 2009, 190 (219); Mock, AG 2008, 839 ff.; Schröer, in: MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2004, § 147 Rz. 46; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, § 147 AktG Rz. 28. Anders Bezzenberger, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 147 Rz. 58. 4 Anders Mock, AG 2008, 848, der seine Ansicht „nicht zuletzt“ auf die fehlende Auskunftsund Berichtspflicht des besonderen Vertreters stützt.
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ob eine verzögerte Veröffentlichung der Insiderinformation nach § 15 Abs. 3 WpHG in Betracht kommt. Eine Gefahr für die Geltendmachung der Ersatzansprüche kann sich damit nicht verbinden: zum einen wegen der vorstehend angeführten Pflichten des Vorstands im Umgang mit der Information und zum anderen, weil den Betroffenen die Information im Falle ihrer unverzüglichen Veröffentlichung durch den besonderen Vertreter ohnehin zeitnah bekannt würde. Im Übrigen ist die Situation dem Fall der gesetzlichen Vertretung des Emittenten durch den Aufsichtsrat (etwa §§ 111 Abs. 2 Sätze 2 und 3, 112, 246 Abs. 2 Satz 2, 249 Abs. 1 Satz 1 AktG1) vergleichbar. Auch dieser erlangt durch die Wahrnehmung seiner Aufgabe nicht eine ausschließliche Annexkompetenz und -pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen, die etwa dann entstehen können, wenn der Aufsichtsrat über die Wahrnehmung seiner Aufgabe einen Beschluss fasst. b) Publizitätspflichtige Informationen aa) Allgemeines Der Ad-hoc-Publizitätspflicht unterliegen Insiderinformationen, die den Emittenten 51 unmittelbar betreffen. Darin unterscheidet sich die Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie (Rz. 1) umsetzende Fassung von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG in mehrfacher Hinsicht von der mit dem AnSVG (Einl. Rz. 29) geänderten früheren Fassung der Bestimmung: Diese erfasste nur Tatsachen, die im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten und nicht öffentlich bekannt waren, vorausgesetzt sie waren wegen der Auswirkungen auf die Vermögens- oder Finanzlage oder auf den allgemeinen Geschäftsverlauf des Emittenten geeignet, den Börsenpreis der zugelassenen Wertpapiere erheblich zu beeinflussen, oder im Fall zugelassener Schuldverschreibungen die Fähigkeit des Emittenten, seinen Verpflichtungen nachzukommen, zu beeinträchtigen. Diese Anforderungen an eine ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache hatte vor allem zur Folge, dass – ungeachtet der gesetzgeberischen Konzeption, die Ad-hoc-Publizität sowohl als kapitalmarktrechtliche Informationspflicht wie auch als Präventivmaßnahme gegen Insiderhandel auszugestalten – nicht jede emittentenund wertpapierbezogene Insiderinformation auch von der Ad-hoc-Publizität erfasst wurde und der Begriff der ad-hoc-publizitätspflichtigen Tatsache erheblich enger war als derjenige der Insidertatsache (s. 3. Aufl. des Kommentars Rz. 36). Daran, dass nicht jede Insiderinformation, über die ein Emittent verfügt, zugleich 52 auch eine von ihm ad hoc zu veröffentlichende Information darstellt, hat sich auch nach der Neufassung des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG durch das AnSVG (Einl. Rz. 29) nichts geändert. Die nach wie vor zu findende Beschränkung folgt allerdings anderen Gesichtspunkten als bisher: Zum einen trägt sie dem Umstand Rechnung, dass nicht jedermann dem aufwändigen Verfahren zur Veröffentlichung einer ihm bekannt gewordenen (aber nicht öffentlich bekannten) Insiderinformation unterworfen werden kann; und zum anderen würde eine solche Pflicht einem geordneten Veröffentlichungsverfahren unter Berücksichtigung berechtigter Interessen der von der Insiderinformation betroffenen Emittenten am Aufschub der Veröffentlichung entgegenlaufen. Mit der alleinigen Einschränkung, dass der Emittent nur solche Insiderinformationen ad hoc publizieren muss, die ihn unmittelbar betreffen, ist die Fortsetzung des Insiderhandelsverbots in der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität und damit die insiderpräventive Wirkung der Letzteren deutlicher als zuvor verwirklicht wor-
1 S. etwa Hüffer, § 112 AktG Rz. 1; Hopt/Roth, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 2005, § 112 Rz. 55 ff.
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den. Der Umstand, dass damit alle den Emittenten unmittelbar betreffenden und nicht nur die in seinem Tätigkeitsbereich eingetretenen und wegen der Auswirkungen auf die Vermögens- oder Finanzlage oder auf den allgemeinen Geschäftsverlauf des Emittenten kurserheblichen und öffentlich unbekannten Informationen zu veröffentlichen sind, hat freilich zu einer deutlichen Ausweitung des Anwendungsbereichs der Ad-hoc-Publizität geführt1. Daran ändert auch der Hinweis der BaFin nichts, erste Erfahrungen hätten gezeigt, dass nur wenige von außen kommende Umstände den Emittenten unmittelbar beträfen2, denn die Erweiterung des Kreises publizitätspflichtiger Insiderinformationen auf von außen kommende Informationen ist nur ein Teil der Änderungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG, die zur Erweiterung der Ad-hoc-Publizitätspflicht beitragen. Darüber hinaus ist zu beachten, dass auch die in § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. enthaltene Sonderregelung für Schuldverschreibungen (s. 3. Aufl. des Kommentars Rz. 39 ff.) entfallen ist. 53
Die Ausweitung der Ad-hoc-Publizität bringt dem Publikum allerdings nicht nur Vorteile und führt nicht unbedingt zur Verbesserung der informationellen Voraussetzungen der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte. „Mehr, mehr“, schrie der in Brüssel zu hohem Ansehen gelangte Kleine Hävelmann, wo die Devise multum non multa lauten müsste: Ad-hoc-Veröffentlichungen sind kostspielige Informationsinstrumente: unmittelbar für den Emittenten, mittelbar aber auch für seine Aktionäre und die Anleger. Die Ausweitung der Ad-hoc-Publizitätspflicht trägt darüber hinaus zu Überlagerungen mit anderen kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten bei (s. Rz. 35 ff.) und vermehrt die Flut der von den Marktteilnehmern zu verarbeitenden Informationen. Schließlich bestärkt die nahezu konturlose Ausweitung der ad hoc zu veröffentlichenden Informationen die gerade erst eingedämmte Neigung der Emittenten, eher öfter als zu selten und eher mehr als zu wenig zu publizieren, um den für unterlassene oder fehlerhafte Ad-hoc-Veröffentlichungen drohenden Sanktionen zu entgehen. Das wiederum hat zur Folge, dass „die wirklich wichtigen Informationen in den Fluten untergehen“3. bb) Insiderinformation
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Die Verpflichtung zur Ad-hoc-Publizität setzt eine Insiderinformation voraus. Unter welchen Voraussetzungen eine Information eine Insiderinformation darstellt, ergibt sich aus der auch für § 15 WpHG maßgeblichen Begriffsbestimmung des § 13 WpHG (s. dazu die Erläuterungen in § 13 Rz. 4 ff.). cc) Unmittelbarer Emittentenbezug (§ 15 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 1 Satz 3 WpHG) (1) Allgemeines
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Die Verpflichtung zur Ad-hoc-Publizität greift des Weiteren nur ein, wenn die Insiderinformation den Emittenten unmittelbar betrifft (§ 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG). Das ist nach § 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG „insbesondere“ dann der Fall, wenn sie sich auf Umstände bezieht, die in seinem Tätigkeitsbereich eingetreten sind. Diese Bestimmung greift eine Formulierung von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG in seiner durch das AnSVG (Einl. Rz. 29) geänderten Fassung auf (s. oben Rz. 51) und entspricht § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG in der durch das TUG (Einl. Rz. 35) geänderten Fassung des § 15 1 In dieser Beurteilung ebenso Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 934; Dreyling, Der Konzern 2005, 3; Harbarth, ZIP 2005, 1903; Kuthe, ZIP 2004, 885; Simon, Der Konzern 2005, 14; Tollkühn, ZIP 2004, 2216. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 53. 3 Dreyling, Der Konzern 2005, 3.
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Abs. 1 WpHG (s. Rz. 11). Sie stellte klar, dass jedenfalls alle Sachverhalte, die schon nach seinerzeitigem altem Recht der Ad-hoc-Publizität unterfielen, auch nach dem durch das AnSVG geschaffenen Recht ad-hoc-publizitätspflichtig sind. Da § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG aber, wie es in der Wendung „insbesondere“ zum Ausdruck kommt, nur ein Regelbeispiel für eine Insiderinformation mit unmittelbarem Emittentenbezug anführt, erfasst die Neuregelung aber auch Insiderinformationen, die nicht im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten sind und mithin von außen kommen1. Die Abgrenzungsprobleme zwischen im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetretenen und von außen kommenden Insiderinformationen, wie sie die Fassung des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG vor seiner Änderung durch das AnSVG in nicht geringem Ausmaß aufwarf (dazu noch 3. Aufl. des Kommentars Rz. 44 ff.), sind damit entfallen. Dafür stellt sich aber seither die Frage, wann eine von außen kommende Insiderinformation den Emittenten unmittelbar betrifft. Der unmittelbare Emittentenbezug einer Insiderinformation kann darin bestehen, 56 dass diese den Emittenten (als Unternehmen) selbst oder die von ihm emittierten Finanzinstrumente betrifft. Das wird zwar in § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG nicht ausdrücklich erwähnt, folgt aber daraus, dass bereits die Qualifikation einer Information als Insiderinformation nach § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG den Emittenten- oder den Insiderpapierbezug verlangt und jeweils genügen lässt2. Zudem ist nicht erkennbar, welcher Vorgang einen Emittenten mehr betreffen soll, als derjenige, der speziell und unmittelbar seine Finanzinstrumente betrifft, sofern die Betroffenheit nicht nur auf allgemeinen Marktinformationen (s. § 13 Rz. 9) beruht. Im Falle derivativer Finanzinstrumente (Instrumente, deren Preis sich unmittelbar oder mittelbar auf andere Finanzinstrumente bezieht, §§ 12 Satz 1 Nr. 3, 2 Abs. 2 WpHG) ist der Emittent dieser Instrumente nur zur Veröffentlichung derjenigen Insiderinformationen verpflichtet, die ihn selbst betreffen. Dagegen erstreckt sich die Veröffentlichungspflicht nicht auf solche Insiderinformationen, die den Emittenten des Basiswerts („underlying“), d.h. des Finanzinstruments, auf den sich das fragliche derivative Instrument bezieht, berühren3.
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(2) Im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetretene Insiderinformationen Begriffliche Anstrengungen zur trennscharfen Abgrenzung der im Tätigkeitsbereich 58 des Emittenten eingetretenen von den von außen kommenden Insiderinformationen sind nach der heutigen Fassung des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG müßig. Grenzfälle, die die Frage aufwerfen, ob ein Ereignis einer eher emittenteninternen oder -externen Quelle zuzuordnen ist und zu denen etwa Vorgänge in Konzernunternehmen, die Insolvenz des Hauptschuldners des Emittenten, der Widerruf oder die Streichung von Kreditlinien oder die bevorstehende Abgabe eines Übernahmeangebots auf Aktien des Emittenten gehören, bedürfen damit keiner eindeutigen Zuordnung in den einen 1 Vgl. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 35. 2 I.E. ebenso Eichner, S. 102; Simon, Der Konzern 2005, 15; Ziemons, NZG 2004, 541. Teilweise anders, aber ohne nähere Begründung, BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 53 („Die Information muss außerdem den Emittenten selbst und nicht nur die von ihm emittierten Finanzinstrumente betreffen“). A.A. weiter Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 88; Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 121; Sönke Schröder, S. 72 f.; Stoppel, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 262; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 58, 76 („Bezug gerade zum Emittenten“ erforderlich); Zimmer/ Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 34. 3 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 55; Bressler, in: BuB, Rz. 7/779h; Eichner, S. 102; Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 139.
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oder anderen Bereich. In gleicher Weise ist es auch unerheblich, ob ein innerer oder von außen kommender Vorgang den in- oder ausländischen Tätigkeitsbereich des Emittenten betrifft1. 59
Zu den klassischen Vorgängen, die im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten sind, zählen die Maßnahmen der Geschäftsführung und die Akte anderer Organe des Emittenten, gleich ob sie sich im oder außerhalb des räumlich-betrieblichen Bereichs des Unternehmens abgespielt haben: Etwa Beschlüsse des Vorstands jedweder Art2, dessen Entscheidung, von der Ermächtigung der Hauptversammlung zur Durchführung eines Rückkaufprogramms Gebrauch zu machen3, Vertragsabschlüsse durch ein Vorstandsmitglied oder einen Bevollmächtigten des Unternehmens, der Beschluss des Aufsichtsrats zur Abberufung eines Vorstandsmitglieds, die Billigung oder Ablehnung eines zustimmungspflichtigen Geschäfts durch den Aufsichtsrat, dessen Feststellung des Jahresabschlusses usw. Darüber hinaus können auch bloße Absichten, Pläne oder Vorhaben des Vorstands eine Ad-hoc-Veröffentlichungspflicht auslösen, wenn sie nur die Voraussetzung einer Insiderinformation erfüllen (vgl. § 13 Rz. 20 f.).
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Sowohl die Neufassung des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG und die damit verbundene Einschränkung der Anforderungen an eine vom Emittenten ad hoc zu publizierende Information (Rz. 51 ff.) als auch die Neubestimmung des Begriffs der Insiderinformation in § 13 WpHG durch das AnSVG (Einl. Rz. 29, s. § 13 Rz. 4 ff.) hat dazu geführt, dass – anders als nach früherem Recht (3. Aufl. des Kommentars Rz. 36) – auch nicht abgeschlossene unternehmensinterne Entwicklungs-, Planungs- und Entscheidungsprozesse der Ad-hoc-Publizität unterliegen. Das bedeutet vor allem, dass jede einzelne Stufe eines mehrstufigen Entscheidungsprozesses Gegenstand einer vom Emittenten ad hoc zu publizierenden Insiderinformation sein kann4. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit zur Umsetzung des Vorhabens und die Kurserheblichkeit einer diesbezüglichen Information unterstellt, kann so schon der schiere Plan des Vorstands eine der Ad-hoc-Publizitätspflicht unterworfene Insiderinformation darstellen. Will der Emittent die mit einer solch frühzeitigen Information verbundenen Nachteile vermeiden, ist er auf den Weg der Verzögerung der Veröffentlichungspflicht nach Maßgabe von § 15 Abs. 3 WpHG verwiesen5. Allein der Umstand, dass der erforderliche Zustimmungsbeschluss des Aufsichtsrats noch aussteht, ist damit kein hinreichender Grund, um die Veröffentlichung einer Information aufzuschieben, die sich auf einen dem Beschluss vorausgehenden Planungsakt oder Vorstandsbeschluss bezieht und eine Insiderinformation darstellt. Auch hier ist der Emittent verpflichtet zu prüfen, ob unter den konkreten Umständen des Einzelfalls die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 WpHG für den Aufschub einer Ad-hoc-Veröffentlichung erfüllt sind.
1 So schon zu § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. Fürhoff/Wölk, WM 1997, 451; Geibel, in: Schäfer, § 15 WpHG Rz. 37. 2 Etwa Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 26; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 82. 3 Entgegen Claussen/Florian, AG 2005, 754, kann diese auch eine Insiderinformation darstellen, denn das Marktpublikum kennt zwar die Entscheidung der Hauptversammlung, nicht aber den Zeitpunkt, zu dem sich der Vorstand entschließt, von der ihm erteilten Ermächtigung Gebrauch zu machen und das Rückkaufsprogramm einzuleiten. 4 S. schon die Erläuterungen in § 13 Rz. 28. Speziell im vorliegenden Zusammenhang RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 35; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 58; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 935; Simon, Der Konzern 2005, 15 f.; Veith, NZG 2005, 256; Ziemons, NZG 2004, 541. 5 S. das in der vorigen Fn. angeführte Schrifttum.
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Eindeutig im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten sind auch unternehmensbezogene Handlungen von Angestellten und Vorgänge, die sich im räumlich-betrieblichen Bereich des Unternehmens zugetragen haben: etwa Erfindungen, die Entwicklung neuer Produkte, Unterschlagungen und Veruntreuungen, Unfälle usf.
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Die BaFin hat in ihrem Emittentenleitfaden einen als „Empfehlung“ und keinesfalls 62 als erschöpfend oder abschließend zu verstehenden Katalog von Umständen und Ereignissen dargestellt, die im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten und ad hoc zu veröffentlichen sind. Der Katalog ist in § 13 Rz. 68 wiedergegeben. Bei den in diesem angeführten Sachverhalten handelt es sich um solche, die typischerweise auch kurserheblich sind, über deren tatsächliche Kursrelevanz im konkreten Fall damit jedoch noch nichts ausgesagt ist. So sind in Bezug auf die Beurteilung der Kurserheblichkeit eines der in dem Katalog genannten Sachverhalte vor allem Faktoren wie die Größe und Struktur des Unternehmens, die Verhältnisse der betroffenen Branche, die für das Unternehmen maßgebliche Wettbewerbssituation und die sich daraus ergebenden Markterwartungen zu berücksichtigen. Der Katalog ist selbst in den ihm so gezogenen Grenzen rechtlich unverbindlich und vermag, da er nur potentiell ad-hoc-publizitätspflichtige Vorgänge benennt, nicht einmal Bindungswirkungen für die Aufsichtsbehörde zu entfalten. (3) Von außen kommende Insiderinformationen Ebenfalls vom Emittenten ad hoc zu publizieren sind Insiderinformationen in Bezug auf Umstände oder Ereignisse, die nicht im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten sind oder m.a.W. von außen kommen, ihn aber unmittelbar betreffen. Zwar mögen erste Erfahrungen in der Anwendung der Vorschrift gezeigt haben, dass nur wenige von außen kommende Umstände den Emittenten unmittelbar betreffen1, doch kommt dem Merkmal der Unmittelbarkeit eine erhebliche Aufgabe bei der Separierung publizitätspflichtiger Insiderinformationen von nicht publizitätspflichtigen zu, ohne dass ihm eine große Trennschärfe zu attestieren und eine fallgruppenweise Präzisierung des Merkmals vermeidbar wäre2.
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(a) Insiderinformationen ohne unmittelbaren Emittentenbezug Von außen kommend, aber den Emittenten nicht unmittelbar betreffend sind 64 Umstände und Ereignisse, die zu den allgemeinen Marktdaten zu rechnen sind und damit die für jeden Marktteilnehmer maßgeblichen Wirtschafts- und Wettbewerbsverhältnisse bestimmen3. Bei solchen Informationen fehlt es mitunter schon an einer konkreten Information i.S. des § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG und damit an der Eigenschaft, Insiderinformation zu sein (s. § 13 Rz. 9). Haben einzelne Marktdaten dagegen spezifische kurserhebliche Auswirkungen auf einen Emittenten, so handelt es 1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 53. 2 Ebenso Spindler, NJW 2004, 3451. 3 S. schon 3. Aufl. des Kommentars Rz. 45. Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 53; Brandi/Süßmann, AG 2004, 649; Bressler, in: BuB, Rz. 7/779i; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 293; Bürgers, BKR 2004, 426; Eichner, S. 103; Frowein, in: Habersack/Mülbert/ Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 32; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 84; Harbarth, ZIP 2005, 1903; Holzborn/Israel, WM 2004, 1952; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 82, 26; Kuthe, ZIP 2004, 885; Simon, Der Konzern 2005, 17; Stoppel, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 263; Tollkühn, ZIP 2004, 2216; Ziemons, NZG 2004, 541; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 38. Im Grundsatz wie hier, aber im Detail (nicht überzeugend) anders Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 85 ff.
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sich bei diesen damit regelmäßig zugleich um den Emittenten unmittelbar betreffende Insiderinformationen1. Die Entwicklung einzelner Rohstoffpreise dürfte deshalb nur in seltenen Fällen, nämlich dann, wenn sie für den fraglichen Emittenten einen außergewöhnlichen Produktionskostenfaktor darstellen, der dessen Preisgestaltung nachhaltig beeinflusst, Gegenstand einer den Emittenten unmittelbar betreffenden Insiderinformation sein2. Der Umstand allein, dass ein Marktteilnehmer vor allen anderen von der bevorstehenden Veränderung von Marktdaten erfährt, ist nicht ausreichend, um seine unmittelbare Betroffenheit zu begründen3. 65
Auch Markterwartungen, die von einer vom Emittenten ad hoc oder auf andere Weise veröffentlichten Prognose (zu Prognosen als ad-hoc-publizitätspflichtige Informationen s. Rz. 37 und § 13 Rz. 22, 27, 68) abweichen, sind allein dadurch keine den Emittenten unmittelbar betreffenden Informationen und scheiden schon von daher und ungeachtet des Umstands, dass solche Markterwartungen i.d.R. keine öffentlich unbekannten Informationen darstellen dürften, aus dem Kreis der ad-hoc-publizitätspflichtigen Informationen aus4.
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Nach den – freilich zu keiner Zeit rechtsverbindlichen, die Prüfung der Veröffentlichungspflicht im Einzelfall keineswegs ersetzenden, aber zumindest Fingerzeige selbst für die aufsichtsrechtliche Praxis gebenden (s. schon oben Rz. 62) – Empfehlungen des Komitees der europäischen Aufsichtsbehörden (CESR)5, der Vorgängerorganisation der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA (s. Einl. Rz. 82), handelt es sich bei folgenden Informationen, auch wenn sie Insiderinformationen darstellen, um den Emittenten lediglich mittelbar betreffende Informationen: – „allgemeine Marktstatistiken, – zukünftig zu veröffentlichende Ratingergebnisse, Research-Studien, Empfehlungen oder Vorschläge, die den Wert der börsennotierten Finanzinstrumente betreffen, – allgemeine Zinssatzentwicklungen, Zinssatzentscheidungen, – Entscheidungen der Regierungsbehörden bezüglich der Besteuerung, der Regulierung, des Schuldenmanagements, – Entscheidungen über Regeln zur Marktaufsicht, – wichtige Verfügungen durch Behörden oder andere öffentliche Institutionen (z.B. löst die Information, die Aufsicht habe Untersuchungen in Aktien des Emittenten
1 Büche, S. 181 f.; Eichner, S. 103; Simon, Der Konzern 2005, 17. A.A. Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 88. 2 I.E. ebenso Simon, Der Konzern 2005, 17; Ziemons, NZG 2004, 541. A.A. Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 88, der allerdings ohne Grund insinuiert, die hier vertretene Ansicht wolle Marktdaten bereits dann Emittentenbezug zuschreiben, wenn sie für den Emittenten „von großer Bedeutung“ sei. 3 Ebenso Eichner, S. 103. Anders aber wohl Simon, Der Konzern 2005, 17, der Marktdaten für vom Emittenten zu veröffentlichen ansieht, wenn dieser „Vorabkenntnisse von solchen unternehmensexternen Umständen“ erlangt, wie bspw. als Teilnehmer an einer „Kanzlerrunde“. 4 I.E. ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 60. 5 CESR’s Advice on Level 2 Implementing Measures for the proposed Market Abuse Directive, CESR/02-089d, Rz. 36, nachfolgend wiedergegeben in der Übersetzung der Empfehlungen in BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 54.
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wegen des Verdachts der Verletzung wertpapierhandelsrechtlicher Vorschriften aufgenommen, keine Ad-hoc-Publizitätspflicht aus), – Entscheidungen über die Regeln der Indexzusammensetzung und -berechnung, – Entscheidungen der Börsen, der Betreiber außerbörslicher Handelsplattformen und von Behörden zur jeweiligen Marktregulierung, – Entscheidungen der Wettbewerbs- und Marktüberwachungsbehörden hinsichtlich börsennotierter Unternehmen, – Kauf- und Verkaufsaufträge in den Finanzinstrumenten des Emittenten, – Veränderung in den Handelsbedingungen (u.a. Wechsel des Zulassungs- oder Handelssegments, Wechsel des Handelsmodells z.B. vom fortlaufenden Handel in das Einzelauktionsmodell, Wechsel des Market Makers).“ Des Weiteren geht die BaFin in folgenden Fällen regelmäßig von einer nur mittelbaren Betroffenheit des Emittenten aus1:
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– „Informationen über allgemeine Wirtschaftsdaten, politische Ereignisse, Arbeitslosenzahlen, Naturereignisse oder z.B. die Ölpreisentwicklung, – Information über eine für den Emittenten relevante Veränderung der Situation des Konkurrenten (z.B. bevorstehende Insolvenz eines Konkurrenten), – Informationen, die nur das Finanzinstrument selbst betreffen, z.B. Erwerb oder Veräußerung eines größeren Aktienpaketes durch eine Investmentgesellschaft aus Anlagegesichtspunkten, – Aktiensplits.“ (b) Insiderinformationen mit unmittelbarem Emittentenbezug Zu den von außen kommenden und den Emittenten unmittelbar betreffenden Informationen über Umstände oder Ereignisse sind ganz sicher solche zu zählen, die ihre Quelle zwar nicht im Tätigkeitsbereich des Emittenten haben, diesen aber ausschließlich oder maßgeblich betreffen. Dazu gehören etwa: die Information, dass ein Emittent mit einem Großauftrag bedacht werden soll, vorausgesetzt es handelt sich um eine diesem bekannt gewordene konkrete Information i.S. des § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG2; Informationen über die Änderung eines externen Ratings des Emittenten, namentlich eine Herabstufung3; die Zustellung der Klage eines Dritten gegen den Emittenten4; oder die Entscheidung einer Behörde in Angelegenheiten des Emitten-
1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 54. Kritisch zu den im Emittentenleitfaden (und wohl auch den in den CESR-Empfehlungen Rz. 66) aufegeführten Fällen mittelbarer Betroffenheit Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 103 f. 2 Droht eine frühzeitige Ad-hoc-Veröffentlichung das Zustandekommen des Geschäfts zu vereiteln, so kann der Emittent nach § 15 Abs. 3 WpHG von der Veröffentlichung Abstand nehmen. 3 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 35; Bürgers, BKR 2004, 426; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 17 Rz. 27; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.274; Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 14.243; Simon, Der Konzern 2005, 16, der zu und in Fn. 14 auf die frühere anderweitige Ansicht verweist; Stoppel, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 263; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 94. A.A. Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 87 i.V.m. Rz. 86; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 37. 4 Bei entsprechender Eintrittswahrscheinlichkeit auch der dem Emittenten mitgeteilte Entschluss; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 95.
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ten, wie bspw. die Entscheidung einer Finanz- oder Verwaltungsbehörde, welche die Bildung von Rückstellungen oder eine preiserhebliche Prognosekorrektur verlangt1. Entscheidungen Dritter oder externe Ereignisse, die den Emittenten nur reflexartig und wie andere Marktteilnehmer betreffen, sind keine Insiderinformationen mit unmittelbarem Emittentenbezug2. 69
Fraglos gehören zu den von außen kommenden, den Emittenten unmittelbar betreffenden Umständen oder Ereignissen auch dem Emittenten bekannt werdende Vorhaben zur Ausübung von Aktionärsrechten, vorausgesetzt, diese sind jeweils hinreichend wahrscheinlich und kurserheblich (§ 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG). Dazu gehören vor allem Vorhaben eines Mehrheitsaktionärs etwa in Gestalt eines Entschlusses zur Einleitung eines „Squeeze Out“3 (s. auch Rz. 83 f.), aber auch solche von Minderheitsaktionären, wie etwa das Verlangen einer Sonderprüfung nach § 142 Abs. 2 Satz 1 AktG oder die Stellung eines Antrags nach § 148 Abs. 1 AktG auf Zulassung, im eigenen Namen die in § 147 Abs. 1 Satz 1 AktG bezeichneten Ersatzansprüche der Gesellschaft geltend machen zu dürfen.
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Weniger eindeutig als diese Vorgänge sind solche, welche eine eingetretene oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit (§ 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG) zu erwartende Veränderung in der Aktionärsstruktur des Emittenten zum Gegenstand haben. So bestehen etwa Zweifel, ob „einfache“ Veränderungen in der Struktur der Anteilseigner, welche keine Kontrollmehrheit begründen4, vorhandene Mehrheiten oder Minderheiten nicht berühren und damit auch keine Änderung bei der Wahrnehmung gesetzlicher oder satzungsmäßiger Mehrheits- oder Minderheitenrechte erwarten lassen, den Emittenten unmittelbar berühren. Das wird zwar vereinzelt mit dem Hinweis verneint, in solchen Fällen fehle es an einem unmittelbaren Einfluss auf die zukünftige Vermögens- und Finanzlage, den Geschäftsverlauf oder die Geschäftspolitik des Emittenten5, doch vermischt diese Ansicht die Merkmale zur Bestimmung einer Insiderinformation (namentlich dasjenige der Kurserheblichkeit einer Information) mit dem Merkmal der Unmittelbarkeit, das der Separierung ad-hoc-publizitätspflichtiger von nicht ad-hoc-publizitätspflichtigen Insiderinformationen dient6. Deshalb wird man von außen kommende Informationen über die Veränderungen der Aktionärsstruktur des Emittenten, die in Bezug auf den Emittenten als kurserheblich und damit als Insiderinformationen zu qualifizieren sind, auch als diesen unmittelbar be-
1 Etwa BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 60; Simon, Der Konzern 2005, 16. 2 Eichner, S. 103; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 79; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.274. Besondere Hervorhebung bei Zimmer/ Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 37, obwohl, soweit erkennbar, niemand Gegenteiliges behauptet. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 53, 64. S. auch Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 934; Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 15 WpHG Rz. 13; Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 53 (häufig, aber nicht zwingend); Simon, Der Konzern 2005, 16. S. auch unten Rz. 83 ff.; Stoppel, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 263; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 95. 4 Das Erfordernis der Erlangung einer Kontrollmehrheit als Voraussetzung einer den Emittenten unmittelbar berührenden Information in Bezug auf die Veränderung der Aktionärsstruktur wird überwiegend abgelehnt. Vgl. etwa Bürgers, BKR 2004, 426; Frowein, in: Habersack/ Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 29; Holzborn/Israel, WM 2004, 1952; Kuthe, ZIP 2004, 885; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 17 Rz. 23; Simon, Der Konzern 2005, 16. A.A. dagegen Nitsch, BB 2005, 786. 5 So Brandi/Süßmann, AG 2004, 656 f. Ähnlich Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 93. 6 Ebenso Gunßer, S. 160; Kuthe, ZIP 2004, 884.
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treffend zu betrachten haben1, denn anders als die durch das AnSVG (Einl. Rz. 29) geänderte Fassung der Vorschrift2 kennt § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG keine Parameter, über deren Beeinflussung die Kurserheblichkeit eingetreten oder die Unmittelbarkeit zu bestimmen sein müssten. Sofern die übrigen Voraussetzungen einer Insiderinformation gegeben sind, ist deshalb auch die Kenntnis des Emittenten (als Zielgesellschaft) von einem bevorstehenden Wertpapiererwerbsangebot und erst recht von einem bevorstehenden Übernahmeangebot3 auf von ihm emittierte Aktien als Kenntnis einer ihn unmittelbar betreffenden Insiderinformation anzusehen.
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Ist der Emittent ein verbundenes Unternehmen (i.S. des § 15 AktG), so können ihn 72 auch zahlreiche Vorgänge im Konzern unmittelbar betreffen, denn ohne die Berücksichtigung der Einordnung eines Emittenten in den Konzernverbund ist eine zutreffende Beurteilung seiner wirtschaftlichen Lage nicht möglich4. Das ist insbesondere bei Ereignissen der Fall, die bei einer „voll konsolidierten Tochter“ (s. §§ 290 ff. HGB) des Emittenten eintreten5. Als veröffentlichungspflichtige Insiderinformation 1 Bressler, in: BuB, Rz. 7/779k; i.E. auch Bürgers, BKR 2004, 426; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/ Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 90; Holzborn/Israel, WM 2004, 1952. Enger Brandi/Süßmann, AG 2004, 657 (Kontrollwechsel ähnliche strategische Beteiligung und nicht bloß reine Finanzbeteiligung); Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 17 Rz. 23 (jedenfalls bei signifikanten „Machtverschiebungen oder Umgruppierungen im Aktionärskreis“, zur Schwelle nach unten aber offen); Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 29 (Veränderungen in der Beteiligungsstruktur nur dann, wenn die Gesellschaft Kenntnis habe, dass diese strategischer Natur seien und in ihrer „Wirkung der in der Regierungsbegründung genannten Übermittlung eines Übernahmeangebots nach §§ 29 ff. WpÜG vergleichbar sein“ könnten). A.A. im Grundsatz Zimmer/ Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 41, mit Anerkennung einer Ausnahme (in Rz. 42) für den Fall, dass „im Bereich der Unternehmensverwaltung Entscheidungen mit Bezug zu der Veränderung der Aktionärsstruktur bzw. zu der Abgabe [eines] Übernahmeangebots getroffen werden (müssen)“. 2 Nach dieser unterlagen Tatsachen u.a. nur dann der Ad-hoc-Publizitätspflicht, wenn sie „wegen der Auswirkungen auf die Vermögens- oder Finanzlage oder auf den allgemeinen Geschäftsverlauf des Emittenten geeignet“ waren, den Börsenpreis der zugelassenen Wertpapiere erheblich zu beeinflussen. S. 3. Aufl. des Kommentars Rz. 81 ff. 3 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 35; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 53, 64; Brandi/Süßmann, AG 2004, 654 f.; Bressler, in: BuB, Rz. 7/779h; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 294; Bürgers, BKR 2004, 426; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 934; Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 30; Geibel/ Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 95; Gunßer, S. 141; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 92; Simon, Der Konzern 2005, 16; Tollkühn, ZIP 2004, 2216; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 93. 4 Bei Differenzen im Detail i.E. ebenso Burgard, ZHR 162 (1998), 96; Cahn, ZHR 162 (1998), 30 f.; Eichner, S. 105 („Im Konzern gilt, dass jedes Unternehmen, für welches eine Insiderinformation kurserheblich ist, grundsätzlich der Ad-hoc-Publizitätspflicht unterliegt“); Fürhoff/Wölk, WM 1997, 451 f.; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 91; von Klitzing, S. 108 ff.; Nietsch, BB 2005, 786; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 98 f.; Waldhausen, S. 198 ff.; Wölk, AG 1997, 77. A.A. Spindler/Speier, BB 2005, 2032; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 96 (mit Ausnahmen Rz. 96 f.). Zur Darstellung der Konzernproblematik Schäfer, in: Dreyling/Schäfer, Rz. 389 ff. 5 Bressler, in: BuB, Rz. 7/779m; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 293; Cahn, ZHR 162 (1998), 31; Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 14.243; Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 161 f.; Simon, Der Konzern 2005, 16; Spindler/Speier, BB 2005, 2031; Stoppel, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 266; Zimmer/Krause, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 45. Ebenso (aber auch über den Konsolidierungskreis hinausgehend) Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 98
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kommen weiter Ereignisse in Betracht, die bei der Muttergesellschaft oder einer Schwestergesellschaft des Emittenten eingetreten sind1, vorausgesetzt es handelt sich um für die Papiere des Letzteren kurserhebliche Informationen. Die Überlegung, eine Tochtergesellschaft solle nicht ad-hoc-publizitätspflichtig sein, wenn die börsennotierte Muttergesellschaft ad-hoc-publizitätspflichtig sei2, findet im Gesetz keine Grundlage und ist deshalb abzulehnen3. Ist die Information aber von der Ersteren ad hoc publiziert, ist sie öffentlich bekannt und verliert damit ihre Eigenschaft als Insiderinformation. Im Übrigen will aber auch die Ansicht, die eine der Ad-hoc-Publizität unterliegende Tochtergesellschaft einer nicht börsennotierten Muttergesellschaft grundsätzlich nicht unmittelbar von Umständen betroffen sieht, die bei der Muttergesellschaft eingetreten sind, Ausnahmen von dieser Regel zulassen4. Zu diesen sollen etwa Umstände zählen, welche die Fähigkeiten des Mutterunternehmens betreffen, seinen Verpflichtungen gegenüber der Tochtergesellschaft nachzukommen5. dd) Besondere Anwendungsfälle (1) Wertpapiererwerbs-, Übernahme- und Pflichtangebote 73
Wie bereits an anderer Stelle (§ 13 Rz. 77 f.) ausgeführt, ist die einzige Bestimmung des WpÜG in Bezug auf Wertpapiererwerbs- und Übernahmeangebote, die sich mit Pflichten zur Ad-hoc-Publizität beschäftigt6, diejenige des (gemäß § 34 WpÜG auf Übernahmeangebote anwendbaren) § 10 Abs. 6 WpÜG. Dieser zufolge ist § 15 WpHG auf Entscheidungen des Bieters als Emittent (i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG) zur Abgabe eines Angebots nicht anwendbar. Das bedeutet, dass die Entscheidung eines Bieters zur Abgabe eines Angebots (samt aller in diesem Zusammenhang nach § 10 Abs. 1 und 3 WpÜG zu veröffentlichenden Angaben) ausschließlich nach den Vorschriften des § 10 WpÜG zu veröffentlichen ist und keine Ad-hoc-Meldepflicht des Bieters nach § 15 WpHG auslöst.
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Nach ganz herrschender Meinung hat dies etwa zur Folge, dass Eckdaten eines beabsichtigten Angebots, die in einer Veröffentlichung nach § 10 WpHG nicht aufgeführt
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i.V.m. Rz. 99. Zur Maßgeblichkeit des Konsolidierungskreises namentlich Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 91. Bressler, in: BuB, Rz. 7/779m; Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 27; Kuthe, ZIP 2004, 885; Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 163; Simon, Der Konzern 2005, 16 f.; Spindler/Speier, BB 2005, 2034; Stoppel, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 267. A.A. im Grundsätzlichen Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 100; Tollkühn, ZIP 2004, 2216 f.; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 97. Nach Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 48, ist die Tochtergesellschaft von Ereignissen bei der Muttergesellschaft oder einer Schwestergesellschaft (von wenigen Ausnahmen abgesehen) immer nur mittelbar betroffen. Möllers, ZBB 2003, 391; erwogen von Spindler/Speier, BB 2005, 2034, aber i.E. ebenfalls verworfen. Ebenso Eichner, S. 104; Kuthe, ZIP 2004, 885; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 97. Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 100; Tollkühn, ZIP 2004, 2216 f. (Ereignisse bei der Muttergesellschaft haben „in der Regel keine Auswirkungen“ auf die Tochter); Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 97 (unmittelbare Betroffenheit der Tochter nur in Ausnahmefällen). Vgl. Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 100. Auch die Marktmissbrauchsrichtlinie und die Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG (Rz. 1) sowie die Übernahmeangebotsrichtlinie (Richtlinie 2004/25/EG vom 21.4.2004, ABl. EG Nr. L 142 v. 30.4.2004, S. 12) schweigen; s. Brandi/Süßmann, AG 2004, 651.
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werden müssen und die, weil sie im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Entscheidung noch nicht vorlagen, auch tatsächlich nicht aufgeführt wurden, unverzüglich nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG zu veröffentlichen sind, sobald sie vorliegen und als kurserheblich für die vom Bieter emittierten und von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG erfassten Finanzinstrumente zu betrachten sind1. Nicht anders soll es sich für alle übrigen nach der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots eintretenden Ereignisse verhalten: Sie sollen, sofern sie nur die Voraussetzungen einer den Bieter betreffenden Insiderinformation erfüllen und ihre Veröffentlichung nicht nach § 15 Abs. 3 WpHG aufgeschoben werden kann, vom Bieter ad hoc zu publizieren sein2. Da § 15 WpHG nach herrschender Ansicht einen universellen Anwendungsbereich 75 hat und nur in dem Umfang von anderen Publizitätsregelungen verdrängt wird als diesbezügliche Spezialbestimmungen dies vorsehen (s. Rz. 39) und § 10 Abs. 6 WpÜG eine die Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG verdrängende Wirkung nur im Hinblick auf die nach § 10 Abs. 1, 3 WpÜG vorzunehmenden Veröffentlichungen in Bezug auf die Entscheidung zur Abgabe eines Angebots zukommt (s. Rz. 73), können auch alle dieser Entscheidung vorausgehenden Vorgänge eine Pflicht zur Ad-hoc-Veröffentlichung auslösen3. Das bedeutet, dass schon das Vorhaben des Vorstands zur Abgabe eines Übernahmeangebots ein ad-hoc-publizitätspflichtiger Umstand sein kann und ein späterer Beschluss des Vorstands oder gar eine eventuell erforderliche Zustimmung des Aufsichtsrats der Bietergesellschaft nicht unter Berufung auf § 10 Abs. 6 WpÜG abgewartet werden dürfen. Der Bieter ist auch insoweit gehalten, die Möglichkeit der Verzögerung der Ad-hoc-Veröffentlichung des fraglichen Umstands nach § 15 Abs. 3 WpHG zu prüfen. Ob der Entschluss des potentiellen Bieters, vor der Entscheidung über die Abgabe eines Angebots Gespräche mit der potentiellen Zielgesellschaft aufzunehmen, eine ad hoc zu publizierende Insiderinformation darstellt, hängt allein davon ab, ob schon auf Grund dieses Umstands die Abgabe des Angebots als hinreichend wahrscheinlich angesehen werden darf, was regelmäßig zu verneinen ist4. Gleiches gilt, wenn lediglich ein „nicht bindendes Angebotsschreiben“ („non binding indicative offer letter“) vorliegt5. Und nicht anders verhält es sich, wenn die Zielgesellschaft dem potentiellen Bieter (oder später einem „White Knight“) die Möglichkeit einer Due Diligence Prüfung einräumt (s. § 14 Rz. 113)6, es sei denn außergewöhnliche Umstände sprechen dafür, dass diese Maßnahme bereits eine konkrete und kursrelevante Information im Hinblick auf die Angebotsabgabe darstellt7. Dagegen kann der Abschluss eines „Letter of Intent“, in dem bereits Eckpunkte eines Angebots, eines zukünftigen Vorgehens des Bieters nach einem erfolgreichen Angebot oder die Haltung des Managements der Zielgesellschaft zu einem 1 Assmann, in: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 10 WpÜG Rz. 78. S. auch Kocher/ Widder, CFL 2011, 89. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 59. 3 Brandi/Süßmann, AG 2004, 652; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 301; Eichner, S. 169; Gunßer, S. 135; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 134. 4 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 63. 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 63. 6 Speziell im Hinblick auf die Ad-hoc-Publizität auch Brandi/Süßmann, AG 2004, 655; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 96; Hemeling, ZHR 169 (2005), 285; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 42. 7 Zu solchen Umständen (etwa der Durchführung einer bloßen „confirmatory due diligence“) Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 40; vgl. auch Brandi/Süßmann, AG 2004, 655. A.A. Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 201, der der Einräumung einer Due Diligence bereits als solcher („Vorbereitungshandlung“) Kursrelevanz zusprechen will.
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Angebot festgeschrieben werden, eine Insiderinformation sowohl im Hinblick auf die Bietergesellschaft wie die Zielgesellschaft darstellen1. Vereinbarungen zwischen Bieter und Zielgesellschaft auf Vorstandsebene, die keiner Zustimmung der Aufsichtsräte der Beteiligten bedürfen, sind ad hoc publizitätspflichtig, wenn sie als kurserheblich anzusehen sind; für zustimmungsbedürftige Vereinbarung gelten die Regeln über mehrstufige Entscheidungsprozesse (s. Rz. 60)2. 76
Entsprechendes gilt für Pflichtangebote nach §§ 35 ff. WpÜG. Zwar erklärt § 35 Abs. 1 Satz 4 WpÜG im Hinblick auf die sich aus § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG ergebende Verpflichtung, die Erlangung der Kontrolle über eine Zielgesellschaft zu veröffentlichen, u.a. § 10 Abs. 6 WpHG für anwendbar, doch wird dadurch die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG nur in dem Umfange verdrängt als es um die Veröffentlichung der Kontrollerlangung geht. Vor oder nach derselben eingetretene Ereignisse sind, soweit kurserheblich und den Bieter als Emittenten betreffend, ganz unabhängig von anderweitigen übernahmerechtlichen Veröffentlichungs- und Meldepflichten gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG zu veröffentlichen. Ein Aufschub der Veröffentlichung ist auch hier nur unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 WpHG möglich.
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Für die Zielgesellschaft wurde bis zur Änderung des § 15 WpHG durch das AnSVG (Einl. Rz. 29) eine Verpflichtung zur Ad-hoc-Veröffentlichung ihr bekannt gewordener Informationen über die bevorstehende Abgabe von Wertpapiererwerbs-, Übernahme- und Pflichtangeboten ganz überwiegend verneint3. Das hierfür ausschlaggebende Argument, eine diesbezügliche Information betreffe kein im Tätigkeitsbereich der Zielgesellschaft als Emittentin eingetretenes Ereignis, ist seit der Neufassung des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG durch das AnSVG nicht mehr aufrecht zu erhalten4: Die bevorstehende Abgabe eines Wertpapiererwerbs-, Übernahme- oder Pflichtangebots ist ein Sachverhalt, der zwar nicht im Tätigkeitsbereich der Zielgesellschaft eingetreten sein mag, der sie aber jedenfalls unmittelbar betrifft (s. Rz. 71). Damit besteht auch für eine Differenzierung zwischen feindlichen Übernahmeangeboten, bei denen eine Mitwirkung der Zielgesellschaft per definitionem ausgeschlossen ist und folglich auch keinen selbständigen Informationsgegenstand bilden kann, und freundlichen Übernahmeangeboten, bei denen eine solche eigenständige Veröffentlichungspflichten auslösende Mitwirkung angenommen werden kann, kein Bedarf mehr5.
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Da die Zielgesellschaft, anders als nach dem bis zur Änderung durch das AnSVG (Einl. Rz. 29) geltenden Recht6, auch durch Kontrollerwerbsvorgänge i.S. von § 35
1 Ähnlich BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 63/64; Frowein, in: Habersack/Mülbert/ Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 41; Gunßer, S. 112; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 92; Veith, NZG 2005, 255. 2 Undifferenziert Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 93, die eine Verpflichtung zur Ad-hoc-Mitteilung „in der Regel bereits mit Abschluss der entsprechenden Vereinbarungen auf Vorstandsebene“ annehmen (Hervorh. hinzugefügt). 3 S. 3. Aufl. des Kommentars Rz. 46 mit den Nachw. in Fn. 1 S. 405. 4 Vgl. Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 92. 5 Auch Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 30; Gunßer, S. 141. Zu dieser Differenzierung unter dem alten Recht vgl., jeweils m.w.N., Brandi/ Süßmann, AG 2004, 655; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 934. 6 S. Brandi/Süßmann, AG 2004, 653; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 35 WpÜG Rz. 182.
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WpÜG unmittelbar betroffen ist1, können auch damit im Zusammenhang stehende Vorgänge die unmittelbare Betroffenheit der Zielgesellschaft begründen und eine Pflicht zur Ad-hoc-Publizität auslösen. Vielfach wird eine Pflicht der Zielgesellschaft aber schon deshalb entfallen, weil der Bieter den zu einem Pflichtangebot führenden Vorgang bereits seinerseits nach § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG öffentlich gemacht hat. Doch gibt es auch andere Konstellationen: Konnte das OLG Schleswig2 unter Anwendung von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG in seiner Fassung vor dem AnSVG noch zutreffend zu der Ansicht gelangen, in der Absicht eines Dritten (d.h. des Bieters), nach § 37 Abs. 1 WpÜG einen Antrag auf Befreiung von der Verpflichtung zur Abgabe eines Pflichtangebots zu stellen, sei keine Tatsache zu sehen, die in die „unternehmerische Sphäre“ des Emittenten (d.h. der Zielgesellschaft) falle und damit in dessen Tätigkeitsbereich eingetreten sei, lässt sich dieses Urteil unter § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG in seiner durch das AnSVG geänderten Fassung nicht mehr aufrechterhalten. Entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer Ad-hoc-Publizitätspflicht ist auch in diesem Falle nur noch die Kurserheblichkeit der diesbezüglichen Information im Hinblick auf die Wertpapiere der Zielgesellschaft. (2) Nicht dem WpÜG unterfallende Anteilserwerbe Plant ein Emittent den Aufbau oder die Erweiterung einer Beteiligung durch den Er- 79 werb von Finanzinstrumenten, ohne dass hierauf das WpÜG Anwendung findet, so können bereits diesbezügliche Informationen und erst recht solche über weitere Schritte zur Umsetzung dieses Vorhabens Insiderinformationen sein und als den Emittenten als Käufer unmittelbar betreffende Informationen der Veröffentlichung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG unterliegen. Das gilt namentlich für kleinere börsliche oder außerbörsliche Transaktionen zum Ausbau einer bestehenden Beteiligung bis hin zum außerbörslichen Erwerb größerer Aktienpakete. Die Veröffentlichung zur Ad-hoc-Veröffentlichung hängt hier allein von der Kurserheblichkeit der Information in Bezug auf den als Käufer auftretenden Emittenten ab. Anderweitige Veröffentlichungspflichten, wie etwa solche nach §§ 21 ff. WpHG, stehen einer Veröffentlichungspflicht aus § 15 WpHG nicht entgegen. Entsprechende Pflichten können auch den Verkäufer treffen, wenn dieser als Emittent der Ad-hoc-Publizität unterliegt und die Veräußerung der Papiere für die von ihm emittierten Finanzinstrumente als kurserheblich anzusehen ist.
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Die Beantwortung der Frage, inwieweit nicht dem WpÜG unterfallende M&A-Trans- 81 aktionen auch eine Pflicht der über die Vorgänge informierten Zielgesellschaft zur Ad-hoc-Publizität auslösen können, wird im Schrifttum bisweilen vom Umfang der fraglichen Transaktion abhängig gemacht3. Dem kann indes nicht gefolgt werden, denn für die Beantwortung dieser Frage ist allein maßgeblich, ob die von den fraglichen Vorgängen ausgehende Veränderung in der Aktionärsstruktur die Zielgesellschaft unmittelbar betrifft4, und dies hängt nicht vom Ausmaß der Änderung ab. 1 S. Rz. 77 und speziell zum Kontrollerwerb als Auslöser eines Pflichtangebots Brandi/Süßmann, AG 2004, 653; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 35 WpÜG Rz. 183. 2 OLG Schleswig v. 16.12.2004 – 5 U 50/04, WM 2005, 696 (697). 3 Brandi/Süßmann, AG 2004, 656 f.; Parmentier, NZG 2007, 414, die die Beurteilung der Transaktion als die Zielgesellschaft unmittelbar betreffend von der dieser bekannten Erlangung oder Aufgabe einer Kontrollposition des Erwerbers und der von dem Erwerber beabsichtigten Veränderung in der strategischen Ausrichtung der Gesellschaft abhängig machen will. Auch Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 93. 4 Wie hier generell bejahend Kuthe, ZIP 2004, 885.
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Dieses ist vielmehr allein im Hinblick auf die Beurteilung der Kurserheblichkeit von Bedeutung (Rz. 70). Erfährt die Zielgesellschaft, etwa indem sie von einer der Parteien um die Gewährung einer Due-diligence-Prüfung ersucht wird, von einer geplanten Transaktion in Bezug auf von ihr emittierte Wertpapiere, so kann diese nicht öffentlich bekannte Information mithin eine Pflicht zur Ad-hoc-Publizität auslösen, wenn die Durchführung des Geschäfts als hinreichend wahrscheinlich zu betrachten, kurserheblich und nicht nach § 15 Abs. 3 WpHG aufzuschieben ist. 82
Für Vorgänge im Vorfeld eines Entschlusses eines Emittenten zur Eingehung einer M&A-Transaktion – etwa in Gestalt von Vorgesprächen mit dem potentiellen Verkäufer bzw. der Zielgesellschaft, einer dem potentiellen Erwerber (Emittenten) von der Zielgesellschaft eingeräumten Due Diligence Prüfung oder des Abschlusses eines „Letter of Intent“ mit dem potentiellen Verkäufer – gelten die Ausführungen oben Rz. 75 entsprechend. Kommt es zwischen mehreren Beteiligten zu der Absprache, dass der Verkäufer dem in einem Auktionsverfahren oder in einem auktionsähnlichen Verfahren Meistbietenden die zu veräußernden Wertpapiere der Zielgesellschaft verkauft, so stellt dies, wegen des ungewissen Zustandekommens einer solchen Transaktion, für die Bieter-Emittenten regelmäßig keinen ad hoc zu publizierenden Umstand dar; dagegen kann dies aus der Sicht der von der Transaktion betroffenen und von dem Verfahren Kenntnis erlangenden Zielgesellschaft eine Insiderinformation darstellen1; diese muss sie aber, wenn die Veröffentlichung ihres Wissens das in ihrem Interesse liegende Zustandekommen der Transaktion gefährden würde, gemäß § 15 Abs. 3 WpHG nicht publizieren (s. unten Rz. 154). Wird die Transaktion nach ihrem Zustandekommen veröffentlicht, entfällt auch die Pflicht zur nachholenden Veröffentlichung nach § 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG (s. Rz. 173). (3) Squeeze-Out (§§ 327a ff. AktG)
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Auf Grund von Art. 7 Ziff. 2 des am 1.1.2002 in Kraft getretenen Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und Unternehmensübernahmen vom 20.12.2001 (BGBl. I 2001, 3822, 3838 f.) ist das Aktienrecht um die §§ 327a–327f AktG über den „Ausschluss von Minderheitsaktionären“ erweitert worden. Die Vorschriften räumen einem Aktionär, dem 95 % des Grundkapitals einer Aktiengesellschaft gehören, das Recht ein, die übrigen Minderheitsaktionäre durch Beschluss der Hauptversammlung gegen Zahlung einer Barabfindung zwangsweise aus der Gesellschaft auszuschließen.
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Die Entscheidung des Hauptaktionärs zur Durchführung eines „Squeeze-Out“ kann nicht nur für den Aktionär selbst (sofern es sich bei diesem um einen Inlandsemittenten i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG handelt), sondern auch für die Zielgesellschaft eine publizitätspflichtige Insiderinformation darstellen, denn auf Grund der mit dem Squeeze-Out einhergehenden Folgen für die Aktionärsstruktur der Gesellschaft ist die Entscheidung ein sie unmittelbar berührendes Ereignis2. Dabei dürfte die Entscheidung des Hauptaktionärs, von der die Zielgesellschaft spätestens durch die Unterbreitung des Verlangens eines Übertragungsbeschlusses der Gesellschaft 1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 64; Gunßer, S. 119. 2 I.E. ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 64; Bressler, in: BuB, Rz. 7/779h; BuckHeeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 295; Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 30, 53; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 94; Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 202. S. auch oben Rz. 77 ff. A.A. Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 44, denen zufolge nur der aktienrechtliche Squeeze-out den „Emittenten (im weitesten Sinne) unmittelbar“ betrifft.
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nach § 327a Abs. 1 Satz 1 AktG erfährt, für die Wertpapiere der Zielgesellschaft regelmäßig kurserheblich sein. Ob sie dies auch für die Wertpapiere des Hauptaktionärs ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Schon zum alten, durch das AnSVG (Einl. Rz. 29) geänderten Recht heißt es in einem Schreiben der Aufsichtsbehörde vom 26.4.2002 (Ad-hoc-Publizität und neues Übernahmerecht, zu Abs. 1 Satz 2): „Hierbei können auch steuerliche Vorteile für den Hauptaktionär zu berücksichtigen sein, wenn beispielsweise die vollständige Übernahme einer Tochtergesellschaft zu einer Neubewertung führt, da möglicherweise die Gewinne der Tochtergesellschaft steuermindernd mit den eigenen Verlusten verrechnet werden können. Die Entscheidung über die Durchführung des Squeeze-out oder die Festlegung der Höhe der Barabfindung wird jedoch nur in Ausnahmefällen geeignet sein, den Börsenpreis der zugelassenen Wertpapiere des Hauptaktionärs erheblich zu beeinflussen.“ Diese Ausführungen können auch nach der Änderung des Gesetzes durch das AnSVG (Einl. Rz. 29) Gültigkeit beanspruchen. Entsprechendes gilt für die Entscheidung über die Höhe der Barabfindung, wie sie auch schon in dem vorstehend zitierten Schreiben angesprochen ist. (4) Erwerb eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG Unter den vielfältigen Möglichkeiten des Emittenten, Aktien nach § 71 Abs. 1 AktG zurück zu erwerben, kommt dem Erwerb eigener Aktien nach dem durch Art. 1 Nr. 5 lit. a des KonTraG (Einl. Rz. 21) eingeführten § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG, der keinerlei Zweckbezug des Aktienrückerwerbs vorgibt oder herzustellen verlangt, besondere Bedeutung zu. Da er aus komplexen Entscheidungszusammenhängen hervorgeht, wirft er auch im Hinblick auf Ad-hoc-Publizitätspflichten verschiedene Fragen auf, denen sich die Aufsichtsbehörde in ihrem (im Kern nach wie vor aktuellen) Schreiben vom 28.6.1999 zugewandt hatte1.
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Der Erwerb eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG erfolgt auf der Grundlage 86 eines entsprechenden Beschlusses der Hauptversammlung, in dem der Vorstand u.a. ermächtigt werden kann, die eigenen Aktien ohne weiteren Hauptversammlungsbeschluss einzuziehen. Nicht dieser Ermächtigungsbeschluss2, welcher der Emittent im Übrigen aber der BaFin nach § 71 Abs. 3 Satz 4 AktG mitzuteilen hat, sondern die Beschlüsse des Vorstands und des Aufsichtsrats, der Hauptversammlung eine Ermächtigung des Vorstands zum Erwerb eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG vorzuschlagen, stellen vor die Frage einer Ad-hoc-Publizitätspflicht. Eine solche ist indes regelmäßig zu verneinen, da keinem dieser Beschlüsse – selbst wenn man sie nach § 13 Abs. 1 Satz 1, 3 WpHG als konkrete Information betrachten wollte – je für sich genommen Kurserheblichkeit zukommen wird, und zwar selbst dann nicht, wenn an der Zustimmung der Hauptversammlung keine Zweifel bestünden, denn auch in diesem Fall bliebe unsicher, wann und in welchem Umfang der Vorstand tatsächlich von der Ermächtigung Gebrauch macht3.
1 Schreiben des BAWe an die Vorstände der börsennotierten Aktiengesellschaften betreffend den Erwerb eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 vom 28.6.1999, abgedruckt in: WM 2000, 438 unter 2.a. Zu diesem ausführlich van Aerssen, WM 2000, 391; Bosse, ZIP 1999, 2047. 2 Ebenso Bosse, ZIP 1999, 2048 f.; Schäfer, in: Dreyling/Schäfer, Rz. 454; Schockenhoff/Wagner, AG 1999, 555. 3 Schreiben des BAWe vom 28.6.1999, WM 2000, 438, unter Hinweis auf eine mögliche Adhoc-Publizitätspflicht für den Sonderfall, dass „schon zu einem früheren Zeitpunkt die überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Umsetzung der Aktienrückkaufsermächtigung besteht“. Ebenso Bosse, ZIP 1999, 2048; Schäfer, in: Dreyling/Schäfer, Rz. 453; Schocken-
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Dagegen ist der Beschluss des Vorstands, von der ihm durch die Hauptversammlung eingeräumten Ermächtigung Gebrauch zu machen, eine ad-hoc-publizitätspflichtige Information, wenn er nur kurserheblich ist1. In der Veröffentlichung des Beschlusses nach § 15 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 WpHG ist – unter Bezugnahme auf die Ermächtigung der Hauptversammlung – der wesentliche Inhalt des Beschlusses anzugeben2. Verlangt der Ermächtigungsbeschluss für den Erwerb eigener Aktien durch den Vorstand die Zustimmung des Aufsichtsrats, entsteht die Ad-hoc-Publizitätspflicht erst mit derselben3 (vgl. Rz. 143, 147, 151). (5) Außerordentliche Erträge oder Aufwendungen
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Ob außerordentliche Erträge oder Aufwendungen ad hoc zu veröffentlichen sind, ist im Wesentlichen eine Sache ihrer Kurserheblichkeit. Als außerordentliche Erträge oder Aufwendungen mit regelmäßig erheblichem Preisbeeinflussungspotential führt die BaFin im Emittentenleitfaden4 an: – Gewinne/Verluste aus der Veräußerung ganzer Betriebe, wesentlicher Betriebsteile oder bedeutender Beteiligungen; – außerplanmäßige Abschreibungen auf Grund eines außergewöhnlichen Ereignisses, z.B. Stilllegung von Betrieben, Enteignung, Zerstörung von Betrieben durch Katastrophen; – außergewöhnliche Schadensfälle, etwa verursacht durch Unterschlagungen; – Erträge/Aufwendungen auf Grund des Ausgangs eines für das Unternehmen existentiellen Prozesses; – Entschädigungen bei Massenentlassungen; – Gewinne/Verluste aus Umwandlungen; – Erträge auf Grund eines allgemeinen Forderungsverzichts der Gläubiger (sog. Sanierungsgewinn), sowie – einmalige Zuschüsse der öffentlichen Hand zur Umstrukturierung von Branchen. (6) Wechsel von Organmitgliedern
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Beim Wechsel von Organmitgliedern ist die entscheidende Frage die der Kurserheblichkeit des Vorgangs, die freilich eng mit der Stellung und dem Einfluss der jeweiligen Person im Unternehmen zusammenhängt5. Unerheblich ist dagegen, ob der Per-
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hoff/Wagner, AG 1999, 553 f.; Seibt/Bremkamp, AG 2008, 472; van Aerssen, WM 2000, 401, aber kritisch zu der vom BAWe angeführten Ausnahme (ebd. S. 400). Schreiben des BAWe vom 28.6.1999, WM 2000, 438. Auch Bosse, ZIP 1999, 2049; Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 49; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 77; Leis/Nowak, S. 55; Schäfer, in: Dreyling/Schäfer, Rz. 456 f.; Schockenhoff/Wagner, AG 1999, 555 f.; van Aerssen, WM 2000, 399 f. (401, 406). Nach a.A. ist diese Aussage zu pauschal: Seibt/Bremkamp, AG 2008, 470 f. Schreiben des BAWe vom 28.6.1999, WM 2000, 438. Schreiben des BAWe vom 28.6.1999, WM 2000, 438; Waldhausen, S. 254. A.A. Schockenhoff/Wagner, AG 1999, 556 (für den Regelfall; Ausnahmen im Hinblick auf Zweifeln ausgesetzte Zustimmung möglich); van Aerssen, WM 2000, 402. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 62/63. Das OLG Stuttgart v. 15.2.2007 – 901 Kap 1/06, AG 2007, 250 (252 ff.), und der BGH v. 25.2.2008 – II ZB 9/07, AG 2008, 380 (382), haben die Frage, ob (die Absicht) des einvernehmlichen Ausscheidens des Vorstandsvorsitzenden der seinerzeitigen DaimlerChrysler
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sonalwechsel im Anhang zum Jahresabschluss (§ 285 Satz 1 Nr. 10 HGB) anzugeben ist oder nicht1. Zur Ad-hoc-Publizitätspflicht in Bezug auf Personalveränderungen beim Emittenten innerhalb der Führungsebene heißt es im Emittentenleitfaden der BaFin2: „Personalveränderungen innerhalb der Führungsebene eines Unternehmens können im Einzelfall eine Ad-hoc-Publizitätspflicht auslösen. Insbesondere wenn es sich um die Berufung oder Abberufung von Organmitgliedern in Schlüsselpositionen handelt, d.h. wenn es sich um Personen handelt, bei denen eine maßgebliche Einwirkung auf den Geschäftsverlauf zu erwarten ist oder bislang bestand, kann eine solche Veränderung ein erhebliches Preisbeeinflussungspotential besitzen. So kann das überraschende Ausscheiden des Vorsitzenden oder des Sprechers des Organs oder das Ausscheiden eines Gründungsmitglieds aus einem Organ eine Signalwirkung für den Kapitalmarkt haben. Bei Unternehmen, deren Entwicklung von der Innovationsfähigkeit oder Kreativität einzelner Personen abhängt, können dies auch Personalveränderungen außerhalb der Organe in den Bereichen Forschung und Entwicklung oder Design sein.“ Was für den Wechsel von Organmitgliedern gilt, gilt entsprechend auch für den Wechsel anderer Schlüsselpositionen im Unternehmen, denn die Kurserheblichkeit von Personalia ist zwar regelmäßig, nicht zwangsläufig und in jedem Fall an eine Organstellung des Betreffenden gebunden3. Dessen ungeachtet sind es vielfach weniger die Personalwechsel als solche als die Umstände4, die sich mit diesem Verbinden, welche als solche oder in Verbindung mit der Personalie die Kurserheblichkeit einer Information ausmachen (s. auch Rz. 91). (7) Verwaltungs- und Gerichtsverfahren Ob Vorgänge im Zusammenhang mit einem den Emittenten betreffenden Verwal- 90 tungs- oder Gerichtsverfahren ad-hoc-publizitätspflichtig sind, hängt ganz davon ab, ob es sich bei diesen jeweils um eine Insiderinformation handelt; s. dazu § 13 Rz. 30a. Ist dies der Fall, so trifft den Emittenten eine Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG nur, wenn ihn die Information über ein Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren unmittelbar betrifft. Daran bestehen keine Zweifel, wenn der Emittent (oder ein Konzernunternehmen, s. Rz. 48 und 157) selbst ein solches Verfahren initiiert. Nichts anderes hat aber auch für den Fall zu gelten, dass das jeweilige Verfahren von Dritten in Gang gesetzt wurde und der Emittent (oder ein Konzernunternehmen) Verfahrensbeteiligter wird, den der Ausgang des Verfahrens (bspw. als Beklagter oder als Betroffener eines Bußgeldverfahrens) unmittelbar trifft. Das etwa ist dann nicht gegeben, wenn der Betreffende lediglich (wie etwa in Verfahren vor den Kartellbehörden) Beigeladener ist und ihn die Entscheidung (etwa als Wettbewerber die Entscheidung über die Freigabe eines Zusammenschlussvorhabens) nur mittelbar trifft. Deshalb wird man die Entscheidung einer Wettbewerbsbehörde zur Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens, auch als Folge der Stellung eines so genannten
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AG ein ad hoc zu publizierender Vorgang sei, (völlig zu Recht) nur implizit behandelt und lediglich von der Eintrittswahrscheinlichkeit des beabsichtigten zukünftigen Ereignisses als Bestandteil der Erfordernisse einer präzisen Information und der Kurserheblichkeit derselben (s. § 13 Rz. 8) abhängig gemacht. Dazu Fleischer, NZG 2007, 402 f., der (S. 403) einige Aspekte für die Beurteilung der Kursrelevanz eines Organwechsels anführt und damit implizit die hier vertretene Ansicht bestätigt. Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 76. Anders noch Zimmer, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 15 WpHG Rz. 74. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 62. Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 76. Auch Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 51. Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 52; Fleischer, NZG 2007, 403.
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Leniency-Antrags (auf Geldbußenerlass im Zusammenhang mit der unternehmensinternen Aufdeckung von Kartellverstössen und der damit faktisch verbundenen Selbstbezichtigung eines Wettbewerbsverstoßes)1, als eine den Antragsteller unmittelbar betreffende ad-hoc-publizitätspflichtige Information zu betrachten haben2. In diesem Falle ist der Emittent darauf angewiesen, die für Leniency-Anträge von den Wettbewerbsbehörden verlangte Vertraulichkeit durch Selbstbefreiung von der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität nach Maßgabe von § 15 Abs. 3 WpHG herbeizuführen. Ein solches Bedürfnis wird sich, je nach Einzelfall und der mit diesem verbundenen Kurserheblichkeit der Information, bereits in dem Zeitpunkt einstellen, in dem die Entscheidung zur Stellung eines Leniency-Antrags fällt oder der Emittent, unabhängig vom Verfahrensausgang, Maßnahmen ergreift, die für sich genommen (wie möglicherweise die Bildung von Rückstellungen, s. § 13 Rz. 30a)3 kurserheblich sind und damit Insiderinformationen darstellen. Im Hinblick auf die Voraussetzungen einer Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG ist der Aufschub einer Ad-hoc-Meldung für die Stellung des Antrags und die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens grundsätzlich als zum Schutz der berechtigten Interessen des Emittenten erforderlich anzusehen4. Jedoch wird man in der Regel davon auszugehen haben, dass dieses Schutzinteresse nur bis spätestens zu dem Zeitpunkt besteht, in dem die Kartellbehörde mit Ermittlungen bei anderen Unternehmen (den Kartellbeteiligten) beginnt oder (aufgrund bereits vorhandener Erkenntnisse) erklärt, keinen Anlass zu solchen weiteren Ermittlungen zu sehen5. (8) Strafbare Handlungen 91
Strafbare Handlungen von Organen des Emittenten, die diese im Rahmen ihrer Organtätigkeit begangen haben, oder strafbare Handlungen Dritter, die von Organen im Rahmen ihrer Organtätigkeit veranlasst wurden, sind regelmäßig als im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetretene Ereignisse zu betrachten und kommen deshalb, sofern die diesbezügliche Information auch als kurserheblich anzusehen ist, als Gegenstand einer Ad-hoc-Mitteilung in Betracht. Da mit einer solchen, durch selbige Organe zu bewirkenden Ad-hoc-Veröffentlichung aber regelmäßig ein Zwang zur öffentlichen Selbstbezichtigung einhergeht und ein strafrechtliches Verwertungsverbot der solchermaßen bekannt gemachten Vorgänge – anders als im Falle der Auskunft gegenüber einer zur Verschwiegenheit verpflichteten Stelle – den schutzwürdigen Belangen der Betroffenen nicht hinreichend Rechnung zu tragen vermag, wäre in diesem Falle die Verpflichtung zur Ad-hoc-Veröffentlichung der fraglichen Ereignisse verfassungswidrig: Sie wäre, auf eine Entscheidung des BVerfG aus dem Jahre 1981 zurückgreifend6, nicht nur ein Eingriff in die Handlungsfreiheit und eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts i.S. des Art. 2 Abs. 1 GG, sondern würde zugleich
1 Zu solchen Anträgen und den von ihnen aufgeworfenen kapitalmarktrechtlichen Fragen ausführlich Dreher, WuW 2010, 731 ff. 2 Anders in diesem Ausgangspunkt Dreher, WuW 2010, 733, im Ergebnis (ebd. S. 734 ff.) aber ebenso. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 62. 4 Ebenso Dreher, WuW 2010, 738 ff. (abwägungsrelevant ist „der voraussichtliche finanzielle Erfolg eines Leniency-Antrags in Form der Herabsetzung einer Geldbuße nach unternehmensinterner Aufdeckung des Kartellsachverhalts“ als Folge einer Kooperation mit der Kartellbehörde, ebd. S. 739). 5 Darin ist Dreher, WuW 2010, 739 f. (mit weiteren Einzelheiten), zu folgen. 6 BVerfG v. 13.1.1981 – 1 BvR 116/77, BVerfGE 56, 37 (41 f.).
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Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
die Würde des Menschen, dessen Offenbarung als Mittel gegen ihn selbst verwendet wird, verletzten1. (9) Veränderungen des Stimmrechtsanteils (§§ 21 ff. WpHG) §§ 21 ff. WpHG, denen zufolge Veränderungen bedeutender Beteiligungen an börsen- 92 notierten Gesellschaften melde- und veröffentlichungspflichtig sind (§§ 21 Abs. 1 Satz 1, 25 ff. WpHG), sind nicht lex specialis zu § 15 WpHG (Vor § 21 Rz. 57)2. Meldepflichtige Emittenten, die Beteiligungen an einem anderen Unternehmen erwerben oder veräußern, müssen deshalb stets prüfen, ob die nach §§ 21 ff. WpHG meldepflichtige (§ 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1a WpHG) Veränderung von Stimmrechten an einem börsennotierten Unternehmen eine sie betreffende nicht öffentlich bekannte, kurserhebliche und damit ad-hoc-publizitätspflichtige Information ist (Vor § 21 Rz. 58). Deshalb steht auch außer Frage, dass § 15 WpHG auf von §§ 21 ff. WpHG nicht er- 93 fasste Veränderungen der Beteiligung eines Emittenten an einer nicht börsennotierten Gesellschaft anwendbar ist3. Das kann selbst dann nicht anders sein, wenn man § 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1a WpHG als Sonderregelung zu § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG betrachten wollte, denn der Umstand, dass ein Emittent nicht der schematisch (nach dem Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten von Schwellenwerten) eingreifenden Veröffentlichungspflicht nach §§ 21 ff. WpHG unterliegt, kann nicht bedeuten, dass er Veränderungen von Beteiligungen an Unternehmen, die öffentlich unbekannt und i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG kurserheblich sind, nicht zu veröffentlichen braucht. Umgekehrt befreit eine Ad-hoc-Veröffentlichung der Veränderung einer bedeutenden 94 Beteiligung nach § 15 WpHG durch den nach § 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1a WpHG meldepflichtigen Emittenten weder diesen von seiner Meldepflicht noch den Emittenten, der Adressat der Meldung ist und diese nach § 25 WpHG zu veröffentlichen hat, von seiner Veröffentlichungspflicht4. Eine andere Frage ist die, ob das nach § 25 WpHG veröffentlichungspflichtige 95 Unternehmen, das zugleich Adressat des § 15 WpHG ist, die Meldung nach § 21 Abs. 1 Satz 1, 21 Abs. 1a WpHG sowohl nach Maßgabe von § 25 WpHG als auch nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG zu veröffentlichen hat. Auch dies lässt sich nicht unter Hinweis auf § 25 WpHG als lex specialis zu § 15 WpHG verneinen5. Unter § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG der alten, durch das AnSVG (Einl. Rz. 29) geänderten Fassung war die Veränderung einer Beteiligung des Meldepflichtigen am Unternehmen des 1 I.E. auch Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 229. A.A. Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 113. 2 Ebenso Burgard, ZHR 162 (1998), 74; Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 28; Parmentier, NZG 2007, 413; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 135; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 15. A.A. Caspari, in: Baetge, S. 71; Schäfer, in: Dreyling/Schäfer, Rz. 326; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 11; Gehrt, S. 140. 3 Ebenso Caspari, in: Baetge, S. 71. 4 S. Vor § 21 Rz. 58. Vgl. auch BAWe/Deutsche Börse, Insiderhandelsverbote, S. 41. Ebenso Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 135. 5 So aber im Hinblick auf § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. Geibel, in: Schäfer, § 15 WpHG Rz. 9, der allerdings im Schwerpunkt darauf abstellt, dass in einem solchen Fall die Voraussetzungen einer Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG nicht vorlägen. I.E. wie hier BAWe/Deutsche Börse, Insiderhandelsverbote, S. 41. Auch Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 135.
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nach § 25 WpHG Veröffentlichungspflichtigen weder als eine Tatsache, die in dessen Tätigkeitsbereich eingetreten ist1, betrachtet worden, noch als eine solche, die wegen ihrer Auswirkungen auf die Vermögens- oder Finanzlage oder den allgemeinen Geschäftsverlauf dieses Unternehmens als kurserheblich geltend durfte. Dagegen ist nach heutigem Recht die von außen kommende Information über die Veränderung von Beteiligungen am Emittenten als diesen unmittelbar betreffend zu betrachten (s. Rz. 70). Um eine Insiderinformation darzustellen, muss die Veränderungsinformation darüber hinaus allerdings kurserheblich und nicht öffentlich bekannt sein. Letzteres dürfte aber regelmäßig anzunehmen sein, wenn die Meldung den nach § 25 WpHG veröffentlichungspflichtigen Emittenten erreicht. Sind dagegen beide Voraussetzungen gegeben, so kommt der Emittent nicht an einer Ad-hoc-Mitteilung vorbei. (10) „Directors’ Dealings“ (§ 15a WpHG) 96
Wie §§ 21 ff. WpHG ist § 15a WpHG, demzufolge Geschäfte von Organmitgliedern eines Emittenten oder eines Mutterunternehmens des Emittenten und von nahen Angehörigen der fraglichen Organmitglieder v.a. in Wertpapiere des Emittenten dem Emittenten mitzuteilen und von diesem zu veröffentlichen sind, nicht lex specialis zu § 15 WpHG (s. auch § 15a Rz. 146). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass § 15a WpHG in räumlicher Nähe zu § 15 WpHG steht, unterscheiden sich beide Vorschriften doch in den Tatbestandsvoraussetzungen, der Art und Weise, in der die jeweilige Mitteilung an den Veröffentlichungspflichtigen von diesem zu veröffentlichen ist, und insbesondere im Normzweck. Allerdings sind die von § 15a WpHG erfassten Wertpapiergeschäfte – anders als Transaktionen, die eine Veränderung der Beteiligungsstruktur beim Emittenten bewirken2 – regelmäßig weder als im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten oder diesen unmittelbar betreffend noch als kurserheblich anzusehen3. (11) Enforcement-Verfahren (§§ 37n ff. WpHG)
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An verschiedenen Stellen des in §§ 37n WpHG ff. (i.V.m. §§ 342b ff. HGB) geregelten Enforcement-Verfahrens – ein Verfahren, mit dem überprüft werden soll, ob die Rechnungslegungswerke eines Emittenten (d.h. der Jahresabschluss nebst Lagebericht und gegebenenfalls der Konzernabschluss nebst Konzernlagebericht) ordnungsgemäß erstellt wurden (s. § 342b Abs. 2 Satz 1 HGB, § 37n WpHG)4 – stellt sich dem Emittenten die Frage, ob er zu einer Ad-hoc-Mitteilung verpflichtet ist5. Dabei bestehen an der Anwendbarkeit des § 15 WpHG keine Zweifel, denn die Regelung des Enforcement-Verfahrens ist nicht als lex specialis zu verstehen, welches generell die Vorschriften über die Ad-hoc-Publizität verdrängt.
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Die Frage nach Ad-hoc-Publizitätspflichten wird sich dem Emittenten erstmalig stellen, wenn er von der Einleitung des Verfahrens erfährt. Diese wird regelmäßig von 1 In dieser Hinsicht ebenso Geibel, in: Schäfer, § 15 WpHG Rz. 9, 39; Waldhausen, S. 55, 193 ff. 2 Ebenso Bednarz, AG 2005, 840; Dreyling, Der Konzern 2005, 3; Gunßer, S. 84 f., 160; Kuthe, ZIP 2004, 885. 3 Auch Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 54; Gunßer, S. 167; Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 230 (anders nur im Hinblick auf die Kurserheblichkeit, Rz. 231); Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 135. 4 S. dazu die Erläuterungen Vor § 37n und zu §§ 37n ff. S. auch Gelhausen/Hönsch, Das neue Enforcement-Verfahren für Jahres-Konzernabschlüsse, AG 2005, 511; Assmann, AG 2006, 261 ff. 5 Dazu Assmann, AG 2006, 261 ff.
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der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) als Prüfstelle i.S. des § 342b HGB ausgehen und kann erstens eine bloße „stichprobenartige“, zweitens eine durch Verdachtsmomente veranlasste („anlassbezogene“) oder eine von der BaFin auf Grund dort vorliegender Erkenntnisse verlangte („verlangt-anlassbezogene“) Prüfung zum Gegenstand haben. Die Benachrichtigung des Emittenten ist zunächst auf die Herbeiführung von dessen Kooperation bei Prüfung der Abschlüsse, der diesen zu Grunde liegenden Unterlagen und der Buchführung gerichtet. Auch wenn die Verfahrenseinleitung und die Durchführung des Verfahrens von den Mitarbeitern der DPR und der BaFin vertraulich zu behandeln ist (s. § 342c HGB bzw. § 8 WpHG) und keine der das Enforcement-Verfahren regelnden Vorschriften eine Einleitungspublizität kennt, fehlt Letzteren doch auch eine Bestimmung, welche den Emittenten zur vertraulichen Behandlung der Einleitung des Verfahrens berechtigt oder verpflichtet. Deshalb ist die Mitteilung von der Einleitung des Enforcement-Verfahrens als eine Information zu betrachten, die – wenn man sie nicht schon als eine in seinem Tätigkeitsbereich eingetretene Information betrachten will – ihn jedenfalls unmittelbar betrifft. Geht man davon aus, dass die Information über die Einleitung des Enforcement-Ver- 99 fahrens – wegen der Vertraulichkeitsverpflichtung der Mitarbeiter der DPR und der BaFin – den Emittenten als öffentlich unbekannte erreicht, so kommt es im Hinblick auf die Beantwortung der Frage, ob sie eine ad hoc zu publizierende Insiderinformation ist, zunächst darauf an, ob es sich um eine konkrete Information i.S. des § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG handelt. Dagegen könnte sprechen, dass das Enforcement-Verfahren auf die Überprüfung der Einhaltung der Rechnungslegungsvorschriften gerichtet ist, über die eine Aussage erst am Ende des Verfahrens möglich ist, und die deshalb eine zukunftsbezogene Information darstellt, welche nach § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG nur dann eine Insiderinformation darstellt, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass sie in Zukunft eintreten werde. Dem ist indes zumindest für den Fall nicht zu folgen, dass es sich um eine anlassbezogene Einleitung eines Enforcement-Verfahrens handelt: Zunächst ist die Einleitung eines solchen Verfahrens fraglos eine Tatsache und als solche eine konkrete Information. Des Weiteren darf eine anlassbezogene Prüfung nach § 342b Abs. 2 Satz 3 Nr. 1, 4 HGB und §§ 37o Abs. 1 Satz 1, 37p Abs. 2 WpHG nur eingeleitet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften vorliegen und ein öffentliches Interesse an der Prüfung besteht. Das wiederum setzt voraus, dass die DPR bzw. die BaFin Grund für die Annahme eines hinreichend wahrscheinlichen und nicht ganz unerheblichen Verstoßes des Emittenten gegen Rechnungslegungsvorschriften haben. Geben sie dies durch die Einleitung eines Verfahrens kund, kann auch der verständige Anleger davon ausgehen, dass ein Verstoß hinreichend wahrscheinlich ist1. Eine Information muss aber, um eine ad-hoc-veröffentlichungspflichtige Insiderinfor- 100 mation darzustellen, auch als kurserheblich i.S. des § 13 Abs. 1 Satz 1, 2 WpHG zu betrachten sein. Das wird man im Falle einer lediglich stichprobenartig veranlassten Prüfung vorbehaltlos verneinen können. Im Falle einer von der DPR oder der BaFin ausgehenden anlassbezogenen Prüfung wird man dagegen eher von einer regelmäßig kurserheblichen Information auszugehen haben, denn – wie bereits vorstehend (Rz. 99) ausgeführt – darf ein anlassbezogenes Prüfverfahren nur dann eingeleitet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen nicht ganz unerheblichen Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften vorliegen. Ist die Einleitung eines Enforce1 Ebenso Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 235.
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ment-Verfahrens unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte und der Umstände des Einzelfalls als ad hoc zu publizierende Insiderinformation zu betrachten, so kann der Emittent die Veröffentlichung der Information nur noch aufschieben, wenn die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG i.V.m. §§ 6, 7 WpAIV gegeben sind. Berechtigte Interessen am Aufschub der Veröffentlichung wird man hier etwa für den Fall bejahen können, dass der Emittent begründeten Anlass dafür hat, den Verdacht eines Verstoßes gegen Rechnungslegungsvorschriften entkräften zu können und die Veröffentlichung der Einleitung einer Prüfung geeignet wäre, den berechtigten Interessen des Unternehmens zu schaden1. 101 Wirkt der Emittent bei der Prüfung mit, so teilt die DPR dem Emittenten das Ergebnis ihrer Prüfung mit (§ 342b Abs. 5 Satz 1 HGB). Erklärt der Emittent sich mit dem Ergebnis einverstanden, so meldet die DPR dies der BaFin (§ 342b Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 HGB). Hat die Prüfung, mit der sich der Emittent einverstanden erklärte, einen Fehler ergeben, so ordnet die BaFin nach § 37q Abs. 2 Satz 1 WpHG an, dass das Unternehmen den festgestellten Fehler samt den wesentlichen Teilen der Begründung der Feststellung unverzüglich nach Maßgabe von § 37q Abs. 2 Satz 4 WpHG zu veröffentlichen hat. Da diese Veröffentlichung, wie es auch bei einer solchen im Wege einer Ad-hoc-Mitteilung der Fall wäre, unverzüglich zu erfolgen hat, § 37q Abs. 2 Satz 4 WpHG aber eine Alternative im Hinblick auf die Art der Veröffentlichung eröffnet, welche – wie bei § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpAIV – die Veröffentlichung über ein elektronisches Informationsverbreitungssystem einschließt, verdrängt die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG2. Die Sonderregelung in § 37q Abs. 2 Satz 1 WpHG ist zudem weiter als die des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG, da sie auch zur Veröffentlichung eines Fehlers bei der Rechnungslegung zwingt, der für sich genommen oder wegen seiner Abweichung vom Einleitungsverdacht nicht als kurserheblich zu betrachten wäre. Schließlich geht § 37q Abs. 2 Satz 1 WpHG der Ad-hoc-Publizität nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG vor, damit der Emittent sein aus § 37q Abs. 1 Satz 3 WpHG folgendes Recht wahren kann, bei der BaFin den Antrag zu stellen, die Behörde möge von der Anordnung der Bekanntmachung des Ergebnisses der Prüfung absehen, weil die Veröffentlichung geeignet sei, seinen berechtigten Interessen zu schaden. 102 Wirkt der Emittent bei der Prüfung mit, erklärt sich aber mit dem ihm von der DPR mitgeteilten Ergebnis der Prüfung nicht einverstanden, so hängt die Beurteilung der Frage, ob es sich bei Ergebnismitteilung um eine Insiderinformation handelt, im Wesentlichen von der Kurserheblichkeit des Ergebnisses ab. Dagegen spricht nicht, dass das Ergebnis mangels Zustimmung des Emittenten als ein nur vorläufiges anzusehen ist und nach der erforderlichen Prüfung durch die BaFin auf der zweiten Stufe des Enforcement-Verfahrens (§§ 37p Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 37o Abs. 1 Satz 5 WpHG) durch ein anderes ersetzt werden kann, denn die schon bei Einleitung des Verfahrens erforderlichen (und die Eigenschaft der Verfahrenseinleitung als Insiderinformation mitbegründenden) Verdachtsmomente für einen nicht ganz unerheblichen Verstoß des Emittenten gegen Rechnungslegungsvorschriften (s. Rz. 99) haben sich im Falle der Feststellung eines Fehlers eher noch erhärtet. Allerdings kann der festgestellte Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften für sich genommen so gering sein oder so sehr vom anfänglichen Verdacht abweichen, dass das mitgeteilte Ergebnis der Prü1 In Anlehnung an § 37q Abs. 2 Satz 3 WpHG, welcher der BaFin erlaubt, auf Antrag des Emittenten von einer Veröffentlichung des Ergebnisses der Prüfung der BaFin nach § 39q Abs. 1 WpHG abzusehen. Auch Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 236. 2 Ebenso Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 237. A.A. Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 137.
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fung nicht als kurserheblich zu betrachten ist. Ist jedoch von der Kurserheblichkeit des Ergebnisses auszugehen, ist der Aufschub seiner Veröffentlichung im Wege einer Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 Abs. 3 WpHG zu prüfen, welcher etwa für den Fall in Betracht kommt, dass die Veröffentlichung geeignet wäre, den berechtigten Interessen des Unternehmens zu schaden. Die Bereitschaft zur Mitwirkung an einer von der DPR eingeleiteten Prüfung selbst ist i.d.R. – sofern ihr nicht auf Grund ganz außergewöhnlicher Umstände eine besondere Signalwirkung zukommt – nicht als kurserhebliche Information zu betrachten und darf deshalb auch nicht als Ad-hoc-Mitteilung publiziert werden. Dagegen bestehen keine Bedenken, wenn der Emittent mit der Ad-hoc-Mitteilung des kurserheblichen Ergebnisses der Prüfung der DPR seine Nichtanerkennung desselben kundgibt.
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Ordnet die BaFin, nachdem der Emittent sich nicht mit dem Ergebnis der Prüfung 104 durch die DPR einverstanden erklärt hat, eine Prüfung der Rechnungslegung an, so kann sie dies und den Grund der Anordnung nach § 37p Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG im elektronischen1 Bundesanzeiger bekannt machen (§ 37o Abs. 1 Satz 5 WpHG). Da die Anordnung einer Prüfung auf der zweiten Stufe eine zwangsläufige Folge der Nichtanerkennung des Prüfungsergebnisses der DPR darstellt und deshalb auch nicht als kurserheblich anzusehen ist, ist der Emittent, der das kurserhebliche Ergebnis der DPR-Prüfung mit dem Hinweis seiner Nichtanerkennung ad hoc publiziert hat, nicht verpflichtet, in einer weiteren Ad-hoc-Mitteilung auch die fragliche Anordnung der BaFin in einer Ad-hoc-Mitteilung zu veröffentlichen. Verweigert der Emittent die Mitwirkung an einer Prüfung durch die DPR, so kann 105 die BaFin die Prüfung durchsetzen, indem sie gemäß §§ 37p Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 37o Abs. 1 Satz 5 WpHG nach § 37o WpHG auf zweiter Stufe eine Prüfung der Rechnungslegung anordnet, bei der sie sich nach § 37o Abs. 3 WpHG der DPR sowie anderer Einrichtungen bedienen kann. Auch diese Anordnung ist eine zwangsläufige Folge der Nichtmitwirkung an dem von der DPR eingeleiteten und grundsätzlich ad hoc zu publizierenden Enforcement-Verfahren der ersten Stufe und ist deshalb mangels Kurserheblichkeit nicht ad hoc zu publizieren. Stellt die BaFin als Ergebnis der Prüfung einen Fehler bei der Rechnungslegung fest (§ 37q Abs. 1 WpHG), so ist dieser samt den wesentlichen Teilen der Begründung der Feststellung nach § 37q Abs. 2 Satz 1 WpHG unverzüglich nach Maßgabe von § 37q Abs. 2 Satz 4 WpHG zu veröffentlichen. Aus den bereits (Rz. 101) dargelegten Gründen verdrängt diese Vorschrift die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG. Ergibt die Prüfung durch die BaFin keine Beanstandungen, so teilt die Behörde dies dem Unternehmen nach § 37q Abs. 3 WpHG mit. Geht man davon aus, dass die Einleitung eines Enforcement-Verfahrens, insbesondere wegen der hierfür erforderlichen Verdachtsmomente, regelmäßig eine ad hoc zu publizierende Insiderinformation ist, so wird auch der Feststellung, dass sich der Einleitungsverdacht nicht bestätigt hat, regelmäßig Kurserheblichkeit zukommen, so dass diese Information durch Ad-hocMitteilung veröffentlicht werden muss und darf. 1 Mit dem am 10.11.2011 vom Bundestag angenommenen Gesetz zur Änderung von Vorschriften über Verkündung und Bekanntmachungen sowie der Zivilprozessordnung, des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung (BRDrucks. 747/11 v. 25.11.2011; RegE, BR-Drucks. 320/11 v. 27.5.2011) wird der (gedruckte) Bundesanzeiger eingestellt und eine dauerhaft verfügbare elektronische Veröffentlichung unter der Bezeichnung „Bundesanzeiger“ eingeführt. Der Bundesrat hat am 16.12.2011 zugestimmt.
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c) Befreiung von der Veröffentlichungspflicht 107 Der Emittent kann die nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG gebotene Veröffentlichung aufschieben, solange es der Schutz seiner berechtigten Interessen erfordert, keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten ist und der Emittent die Vertraulichkeit der Insiderinformation gewährleisten kann (§ 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG). Zu Einzelheiten s. unten Rz. 129 ff. d) Unverzügliche Information 108 Die Veröffentlichung einer Insiderinformation nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG muss unverzüglich erfolgen. S. dazu die Erläuterungen Rz. 248 ff. e) Übermittlung an das Unternehmensregister 108a
Der Emittent muss die von ihm nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 WpHG zu veröffentlichende Insiderinformationen gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 WpHG unverzüglich, jedoch nicht vor ihrer Veröffentlichung dem Unternehmensregister i.S. des § 8b HGB zur Speicherung übermitteln. S. dazu die Erläuterungen Rz. 128a ff. 3. Die Pflicht zur Veröffentlichung von Insiderinformationen auf Grund ihrer Weitergabe (§ 15 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 1 Satz 5 WpHG) a) Überblick und Allgemeines
109 § 15 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 1 Satz 5 WpHG verknüpfen die befugte Weitergabe einer Insiderinformation an eine rechtlich nicht zur Vertraulichkeit verpflichtete Person mit der Pflicht zur unverzüglichen Veröffentlichung und Übermittlung der Information an das Unternehmensregister i.S. des § 8b HGB. § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG betrifft die wissentliche Weitergabe von Insiderinformationen. Die Vorschrift verpflichtet denjenigen, der als Emittent oder als eine Person, die in dessen Auftrag oder auf dessen Rechnung handelt, im Rahmen seiner Befugnis einem anderen Insiderinformationen mitteilt oder zugänglich macht, die Information gleichzeitig nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG zu veröffentlichen und unverzüglich dem Unternehmensregister zu übermitteln, es sei denn, der andere ist rechtlich zur Vertraulichkeit verpflichtet. § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG behandelt den Fall, dass die in § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG erfasste Mitteilung oder Zugänglichmachung einer Insiderinformation unwissentlich erfolgte: In diesem Falle kann eine gleichzeitig mit der Weitergabe der Insiderinformation erfolgende Veröffentlichung und Übermittlung der Information an das Unternehmensregister, wie sie in § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG vorgesehen ist, nicht verlangt werden, weshalb das Gesetz es genügen lässt, dass die Veröffentlichung und Übermittlung unverzüglich nachgeholt wird. In beiden Fällen entfällt eine Veröffentlichungspflicht, wenn derjenige, dem die Insiderinformation befugt mitgeteilt oder zugänglich gemacht wurde, rechtlich zur Vertraulichkeit verpflichtet ist. 110 Die Vorschriften in § 15 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 WpHG setzen Art. 6 Abs. 3 der Marktmissbrauchsrichtlinie (Rz. 1) um. Sie dienen der Verwirklichung der informationellen Chancengleichheit der Marktteilnehmer, indem sie gewährleisten, „dass Dritte von Insiderinformationen grundsätzlich nicht zu einem früheren Zeitpunkt als die Öffentlichkeit erfahren“. Darin ist sie ihrem amerikanischen Regelungsvorbild Regulation FD der SEC – 17 CFR §§ 243.100–1031 vergleichbar, doch sind im Üb1 Dazu auch Simon, Der Konzern 2005, 17; Leuering, NZG 2005, 12.
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rigen die Unterschiede größer als die Ähnlichkeiten1. § 15 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 bildeten vor der Änderung des § 15 Abs. 1 WpHG durch das TUG (Einl. Rz. 35) Satz 3 und Satz 4 der Vorschrift. Von der neuen Zählweise abgesehen, ist der Wortlaut der ehemaligen Sätze 3 und 4 durch Art. 1 lit b cc TUG geringfügig geändert worden: Im neuen Satz 4 wurden das Wort „zeitgleich“ durch die Wörter „gleichzeitig nach Satz 1“ ersetzt und nach dem Wort „veröffentlichen“ die Wörter „und dem Unternehmensregister im Sinne des § 8b des Handelsgesetzbuchs zur Speicherung zu übermitteln“ eingefügt. Im neuen Satz 5 wurde die Angabe „Satz 3“ durch die Angabe „Satz 4“ ersetzt und nach dem Wort „Veröffentlichung“ wurden die Wörter „und die Übermittlung“ eingefügt. Die Verpflichtung zur Übermittlung der nach Satz 4 und 5 zu veröffentlichenden Informationen an das Unternehmensregister entspricht derjenigen aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 WpHG (s. Rz. 1, 42 und 128a ff.). Die Ersetzung des Wortes „zeitgleich“ durch die Wörter „gleichzeitig nach Satz 1“ in Satz 4 dient im Übrigen lediglich der Klarstellung, dass der Emittent auch bei Weitergabe der Insiderinformation an einen anderen die Information nach den Vorgaben von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG publik machen muss, wobei die Ersetzung des Wortes „zeitgleich“ durch „gleichzeitig“ allein der Vereinheitlichung der Terminologie des Gesetzes geschuldet ist2. Trifft die Verpflichtung zur Veröffentlichung einer Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 111 Abs. 1 Satz 4 oder Satz 5 WpHG eine Person, die im Auftrag oder auf Rechnung des Emittenten handelt, so hat diese im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Insiderinformation nach § 5 Abs. 1 WpAIV den Emittenten gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 WpAIV unverzüglich zu informieren und in der Meldung selbst durch Nennung ihres Namens und ihrer Anschrift ihre Urheberschaft kenntlich zu machen (s. unten Rz. 211). Zum Veröffentlichungsverfahren s. unten Rz. 246 ff. Die Bedeutung und der Anwendungsbereich der Vorschrift sind umstritten: Zum ei- 111a nen ist nicht zu übersehen, dass sich die Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 WpHG weitgehend mit derjenigen nach § 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG deckt3, denn die in § 15 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 WpHG vorausgesetzte befugte Weitergabe einer Insiderinformation ist regelmäßig nur dann möglich, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, nach denen der Emittent gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG von der Ad-hoc-Veröffentlichung einer Insiderinformation absehen kann. Ist derjenige, an den in einer solchen Situation (seitens des Emittenten oder einer Person, die in dessen Auftrag oder auf dessen Rechnung handelt) eine Insiderinformation weitergegeben wird, nicht rechtlich zur Vertraulichkeit i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG verpflichtet, so bedeutet dies gleichzeitig, dass der Emittent nicht mehr in der Lage ist, die Vertraulichkeit der Insiderinformation i.S. des § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG zu gewährleisten und die Veröffentlichung unverzüglich nachholen muss. Zum anderen ist schwerlich zu bestreiten, dass dem Veröffentlichungsgebot des § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG nahezu kein Anwendungsbereich verbleibt, wenn man (nach der hier Rz. 117 ff. vertretenen Ansicht folgerichtig und zwingend) das sich an jeden Insider richtende Verbot der unbefugten Weitergabe einer Insiderinformation in § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG als eine Regelung ansieht, die den Empfänger der Information „recht1 Die US-amerikanische Vorschrift erfasst (anders als § 15 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 WpHG) sowohl die befugte wie die unbefugte Weitergabe von Informationen. Sie erstreckt sich nicht nur auf Insiderinformationen, sondern auf alle erheblichen Informationen („material information“), erfasst dafür aber nur die Weitergabe an einen eng definierten Personenkreis. 2 RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 32. 3 Hierzu und zum Ganzen ausführlich Klöhn, WM 2010, 1869 (1876 ff.).
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lich zur Vertraulichkeit“ verpflichtet. Und schließlich würde der Anwendungsbereich der Vorschrift um ein Weiteres verengt, wenn man (wie hier ebenfalls, unten Rz. 114, vertreten) die Bestimmung nur auf die Weitergabe solcher Insiderinformationen anwendet, die – wie dies in der Grundnorm der Ad-hoc-Publizitätspflicht des § 15 Abs. 1 Satz 1 verlangt wird – den Emittenten unmittelbar betreffen. b) Wissentliche Weitergabe (§ 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG) 112 Adressat der Veröffentlichungspflicht aus § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG ist ein Emittent oder eine in dessen Auftrag oder auf dessen Rechnung handelnde Person. Emittent ist der nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG der Ad-hoc-Publizität unterliegende Inlandsemittent, denn die Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG kann nur den treffen, der auch nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG Insiderinformationen ad hoc zu veröffentlichen hat1. Eine im Auftrag des Emittenten handelnde Person ist nicht nur eine solche, der der Emittent einen rechtsverbindlichen Auftrag i.S. des § 662 BGB erteilt hat2, sondern jede Person, die auf Veranlassung des Emittenten handelt3. Diese Auslegung gebietet schon die ansonsten eröffnete Umgehungsmöglichkeit der Vorschrift und der Umstand, dass die umzusetzende Richtlinienbestimmungen (s. Rz. 110) sich nicht des gesetzlichen Sprachgebrauchs einzelner Mitgliedstaaten bedienen. Umgehungsmöglichkeiten verhindern soll auch die Erfassung der Personen, die für Rechnung des Emittenten handeln, wobei wiederum entscheidend ist, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen den Emittenten treffen sollen4. Die vorstehende Auslegung der Begriffe „im Auftrag“ und „auf Rechnung“ entspricht derjenigen, wie sie diesen Merkmalen im Rahmen des § 15b WpHG zuteil wird, in welchem sie den Kreis der neben dem Emittenten zur Führung von Insiderverzeichnissen Verpflichteten eingrenzen (s. § 15b Rz. 17). Zur Umschreibung des Adressatenkreises der Verpflichtung kann deshalb auf die Grundsätze zur Bestimmung des entsprechenden Adressatenkreises in § 15b WpHG5 und Erläuterungen zu § 15b Rz. 17 ff. verwiesen werden. 113 Erfasst ist jede Mitteilung oder Zugänglichmachung einer Insiderinformation durch den Emittenten einerseits oder die in dessen Auftrag oder auf dessen Rechnung handelnde Person andererseits. Im Falle der im Auftrag des Emittenten handelnden Person ist nicht erforderlich, dass sich der Auftrag gerade auf die Weitergabe der Insiderinformation bezog, weshalb auch abredewidriges Handeln des Beauftragten dessen
1 Ebenso Leuering, NZG 2005, 13; Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 280; Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, Hdb. Börsennotierte AG, § 14 Rz. 29; Zimmer/Kruse, in: Schwark/ Zimmer, § 15 WpHG Rz. 82. 2 Ebenso im Ausgangspunkt Leuering, NZG 2005, 13, der dann allerdings eine Vertragsbeziehung mit auftragstypischen Elementen (Weisungsrecht, Aufwendungsersatz) verlangt und damit doch wieder – Verträge mit auftragstypischen Elementen sind Aufträge oder es handelt sich um einen gemischttypischen Vertrag, der jedenfalls insoweit vom Auftragsrecht bestimmt wird – beim Auftragsrecht landet. Wie hier etwa Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 110; Simon, Der Konzern 2005, 18 (jedes vertragliche Schuldverhältnis); Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 220. 3 Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 58; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 220 (jede Person, die mit „Wissen und Wollen“ des Emittenten tätig wird). 4 Wie hier Leuering, NZG 2005, 13. 5 Ebenso Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.261; Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 282; Sönke Schröder, S. 151; Schwintek, S. 37; Simon, Der Konzern 2005, 18; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 120.
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Pflicht zur Veröffentlichung der weitergegebenen Information auslöst1. Die Begriffe „mitteilen“ und „zugänglich machen“ finden ihre Entsprechung in § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG, in welchem sie zur Umschreibung des Weitergabeverbots herangezogen werden. Deshalb kann auf die Erläuterung dieser Merkmale in § 14 Rz. 65 ff. verwiesen werden. Die Mitteilung oder Zugänglichmachung muss eine den Emittenten unmittelbar betreffende Insiderinformation zum Gegenstand haben2. Nur solche Insiderinformationen ist der Emittent zu veröffentlichen verpflichtet und nur solche Insiderinformationen sind deshalb auch von denjenigen zu veröffentlichen, die in seinem Auftrag oder für seine Rechnung handeln. Es ist nicht erkennbar, dass die im Zusammenhang mit der Ad-hoc-Publizitätspflicht des Emittenten stehende Regelung die Normadressaten des § 15 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 1 Satz 5 WpHG zur Veröffentlichung einer jeden ihnen bekannten Insiderinformation verpflichten wollte und damit weitergehen sollte als die Verpflichtung des Emittenten nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG.
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Wie sich aus § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG folgern lässt, erfasst § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG, 115 mit der Rechtsfolge der Pflicht zur gleichzeitigen Veröffentlichung einer Insiderinformation mit deren Weitergabe, nur die wissentliche Mitteilung oder Zugänglichmachung einer Insiderinformation. Das von der Vorschrift verlangte Wissen muss sich sowohl auf die Weitergabe als auch auf die Eigenschaft der weitergegebenen Information, Insiderinformation zu sein, beziehen: Wer nicht weiß, dass er eine Insiderinformation weitergibt, geht von einem Vorgang aus, der zweifellos keine Pflicht zur Ad-hoc-Publizität auslöst und den Weitergebenden damit auch nicht zu einer gleichzeitigen Veröffentlichung zu veranlassen vermag. Von wissentlicher Mitteilung oder Zugänglichmachung einer Insiderinformation lässt sich im Übrigen nur ausgehen, wenn sie auch willentlich erfolgt. Die versehentliche Weitergabe einer Insiderinformation kann deshalb keine Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG auslösen, sondern ist erst dann nach § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG „nachzuholen“, wenn der Vorgang bemerkt wird. § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG erfasst ausweislich seines Wortlauts, der eine Weitergabe durch den Veröffentlichungspflichtigen „im Rahmen seiner Befugnis“ verlangt, nur die i.S. des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG befugte Weitergabe3. Das ergibt sich auch aus dem durch § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG umgesetzten Art. 6 Abs. 3 Satz 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie (Rz. 1), deren Regelungsauftrag sich auf die Weitergabe einer Insiderinformation durch „Emittenten oder in ihrem Auftrag oder für ihre Rechnung 1 Auch Leuering, NZG 2005, 13; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 223. 2 Ebenso Kümpel/Veil, Wertpapierhandelsgesetz, S. 102; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 85. A.A. Brandi/Süßmann, AG 2004, 649 (ohne Begründung); Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 61; Klöhn, WM 2010, 1878; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 17 Rz. 48 (ohne Begründung); Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.267 (ohne Begründung); Leuering, NZG 2005, 14 (mit unschlüssiger Argumentation); Schwintek, S. 36 (unter Berufung auf Wortlaut und Zweck der Vorschrift); Simon, Der Konzern 2005, 18, unter unzutreffender Berufung auf Art. 6 Abs. 3 Unterabsatz 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie, welche für die von diesem vertretene Ansicht nicht einmal andeutungsweise etwas hergibt; Stoppel, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 267 (ohne Begründung); Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 218. 3 S. schon die Erläuterungen in § 14 Rz. 76. Ebenso Bressler, in: BuB, Rz. 7/786; Eichner, S. 123 f.; Leuering, NZG 2005, 14; Sönke Schröder, S. 155 f. (unter Zurückweisung des Arguments, dies führe zu einer „Privilegierung“ des unbefugt Weitergebenden); Schwintek, S. 36; Simon, Der Konzern 2005, 18; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 223; i.E. auch von Falkenhausen/Widder, BB 2005, 225, 227. A.A. Klöhn, WM 2010, 1880 f.
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handelnde Personen“ bezieht, welche „im normalen Rahmen der Ausübung ihrer Arbeit oder ihres Berufes oder der Erfüllung ihrer Aufgaben im Sinne von Artikel 3 Buchstabe a) an einen Dritten“ erfolgt. 117 Die Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG entfällt, wenn derjenige, dem die Insiderinformation befugt mitgeteilt oder zugänglich gemacht wird, rechtlich zur Vertraulichkeit verpflichtet ist. Die rechtliche Verpflichtung zur Vertraulichkeit kann vertraglich oder gesetzlich begründet sein1. Umstritten ist im Hinblick auf die Auslegung dieses Merkmals die Beantwortung der Frage, ob das Verbot der Weitergabe von Insiderinformationen nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG eine rechtliche Verpflichtung zur Vertraulichkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG darstellt und, sofern ihm der Informierte unterliegt, schon für sich ausreicht, die Veröffentlichungspflicht nach Maßgabe dieser Vorschrift ausscheiden zu lassen. Der Emittentenleitfaden der BaFin gibt hierzu keine Auskunft und lässt es bei dem Hinweis bewenden, dass „vertragliche oder gesetzliche Verpflichtungen zur Vertraulichkeit“ genügten und die „Vereinbarung einer Vertragsstrafe … nicht erforderlich“ sei2. Unhaltbar sind damit, aber auch schon auf Grund des insoweit eindeutigen Gesetzeswortlauts, jedenfalls die Ansichten, die als Ausschlussgrund der Veröffentlichungspflicht aus § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG nur spezielle und ausdrückliche Vertraulichkeitsvereinbarungen3 gelten lassen wollen4. Dafür, dass das Weitergabeverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG ein Ausschlussgrund für die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität nach § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG darstellt5, spricht zunächst, dass es sich bei diesem unbestreitbar um eine rechtliche Verpflichtung zur Vertraulichkeit handelt, denn eine Pflicht zur Vertraulichkeit wird sachlich dadurch geschaffen bzw. gewahrt, dass die erlangte Information nicht weitergegeben werden darf bzw. nicht weitergegeben wird. Darüber hinaus ist zu beachten, dass das teils strafbewehrte, teils bußgeldbewehrte Weitergabeverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG als weitaus strenger anzusehen ist als eine vertragliche Vertraulichkeitsvereinbarung, die nach den vorstehend wiedergegebenen Ausführungen der BaFin im Emittentenleitfaden nicht einmal eine Vertragsstrafevereinbarung enthalten muss, um eine Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG entfallen zu lassen, und der nach im Schrifttum6 ebenfalls vertretener Ansicht selbst eine aus (vor)vertraglichen Nebenpflichten folgende Pflicht zur Vertraulichkeit gleichstehen soll. 118 Gegen die Annahme, § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG stelle eine Regelung dar, die den Empfänger der Information „rechtlich zur Vertraulichkeit“ verpflichtet, konnte bis heute nur eingewandt werden, dadurch verbliebe § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG nahezu kein
1 Unstr., etwa BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 58; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 115; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 226. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 58. 3 So etwa Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 115; Holzborn/Israel, WM 2004, 1952. 4 I.E. ebenso Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 65; Simon, Der Konzern 2005, 19; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 226. 5 Wie hier Eichner, S. 124; Falkenhausen/Widder, BB 2005, 227; Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 312; Simon, Der Konzern 2005, 19; Widder/Gallert, NZG 2006, 453; Zimmer/ Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 89 („nach dem Wegfall der Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärinsidern [im Bereich des Verbotstatbestands] nunmehr unbestreitbar“). I.E. mit dem Argument verneinend, das Weitergabeverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 2 sei „nicht drittschützend“, Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.259. 6 S. Leuering, NZG 2005, 16; Schwintek, S. 37; Simon, Der Konzern 2005, 18.
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Anwendungsbereich1. Tatsächlich sind – wie bereits an anderer Stelle (§ 14 Rz. 77) ausgeführt – die Fälle, in denen eine Person nicht bereits auf Grund der Erlangung der Insiderinformation zum Insider wird und dem Verbot des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG unterliegt, praktisch auf diejenigen beschränkt, in denen der Adressat der weitergeleiteten oder zugänglich gemachten Information deren Eigenschaft als Insiderinformation nicht erkennen soll oder aus anderweitigen Gründen nicht erkennt. Allein deshalb kann man aber einer gesetzlichen Regelung, die ihre Adressaten weitaus effektiver und umfassender zur Vertraulichkeit verpflichtet als andere anerkannte Vertraulichkeitsbestimmungen, nicht die Eignung absprechen, eine Vorschrift zu sein, die i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG „rechtlich zur Vertraulichkeit verpflichtet“. Wollte man dagegen einwenden, das Weitergabeverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG 119 sei, weil es sich an die Allgemeinheit richte2, nicht hinreichend adressatenspezifisch und werde deshalb, anders als etwa berufsspezifische Vertraulichkeitsverpflichtungen, von seinen Allerweltsadressaten nicht als rechtliche Vertraulichkeitsverpflichtung wahrgenommen, so könnte dies, so wenig überzeugend dieses Argument ohnehin schon ist, doch nicht die Unbeachtlichkeit dieses Verbots als gesetzliche Verpflichtung zur Vertraulichkeit zur Folge haben. Vielmehr könnte hier allenfalls verlangt werden, dass derjenige, der die Information einem anderen mitteilt oder zugänglich macht, den Adressaten, der keiner anderweitigen tätigkeits- oder berufsspezifischen Vertraulichkeitsverpflichtung unterliegt, auf das Weitergabeverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG hinweist oder belehrt. Eine sinnvolle Regelung stellt dies aber schon deshalb nicht dar, weil der die Information Weitergebende in der Folge verpflichtet wäre, die den Empfänger treffenden Vertraulichkeitsverpflichtungen zu überprüfen. Umgekehrt sollte aber jedenfalls derjenige auf der sicheren Seite sein, der den Adressaten einer befugtermaßen weitergegebenen Insiderinformation auf seine Vertraulichkeitsverpflichtung aus § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG hinweist. Rechtlich bedeutsam wird die Frage, ob § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG eine rechtliche Ver- 120 traulichkeitsverpflichtung i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG darstellt, allerdings nur, wenn es an einer vertraglichen Vertraulichkeitsvereinbarung oder einer vertraglichen Nebenpflicht zur Vertraulichkeit fehlt und kein anderweitiges rechtliches, namentlich gesetzliches Vertraulichkeitsgebot eingreift. Zu diesen zählen etwa Vertraulichkeitsverpflichtungen für Anwälte (§ 43a Abs. 2 BRAO), Wirtschaftsprüfer (§ 43 Abs. 1 Satz 1 WPO), Steuerberater (§ 57 Abs. 1 Satz 1 StBerG), Richter (§§ 43, 45 Abs. 1 DRiG), Beamte (§§ 61 f. BBG, § 39 BRRG), die für eine Börse und in der Börsenauf1 Bressler, in: BuB, Rz. 7/786a; Leuering, NZG 2005, 15; Sönke Schröder, S. 160 f.; Schwintek, S. 37; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 225 (die Bestimmung würde sonst „eben leer laufen“). Der sonst fehlende Anwendungsspielraum der Vorschrift ist zwar auch der Ausgangspunkt von Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 63, doch lässt er dieses Argument allein nicht genügen, sondern macht darüber hinaus geltend, der Gesetzgeber habe erkennbar gesetzlich zur Vertraulichkeit verpflichtete besondere Berufsgruppen vor Augen gehabt (was wiederum die Frage aufwirft, weshalb auch die vertragliche Vertraulichkeitsverpflichtung genügen soll). Allerdings hat auch diese Ansicht erkennbar Schwierigkeiten mit dem Wortlaut der Bestimmung. Der Hinweis „Die Grenze zur Analogie wird damit noch nicht überschritten“ ist eine nicht näher begründete Behauptung, die den Kern des gegen diese Ansicht durchschlagenden Arguments enthält: Vom BVerfG vielfach bekräftigt – vgl. Assmann/Wagner, ZfIR 2007, 562 (564) m.N. in Fn. 14 –, ist selbst ein anderweitiger gesetzlicher Wille unbeachtlich, wenn er Gesetzeswortlaut nicht zum Ausdruck kommt. Das Argument vom fehlenden sachlichen Anwendungsbereich zurückweisend Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 89. 2 Schwintek, S. 37.
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sicht (§ 7 BörsG) und der Finanzdienstleistungsaufsicht im Übrigen tätigen Personen (§ 9 KWG, § 8 WpHG, § 9 WpÜG), die Mitarbeiter der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (§ 342c HGB) oder die nach § 376 Abs. 1 ZPO im Rahmen einer Vernehmung zur Amtsverschwiegenheit Verpflichteten. 121 Sind die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG erfüllt, ist der Betroffene verpflichtet, die einem anderen mitgeteilte oder zugänglich gemachte Insiderinformation gleichzeitig nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG zu veröffentlichen und dem Unternehmensregister i.S. des § 8b HGB zur Speicherung zu übermitteln. Die Verpflichtung zur gleichzeitigen Veröffentlichung der Insiderinformation bedeutet, dass vor der Mitteilung oder vor dem Zugänglichmachen der Information für ihre Veröffentlichung (dazu unten Rz. 246 ff.) zu sorgen ist, so dass die Weitergabe der Insiderinformation mit deren Veröffentlichung zusammenfällt und nicht vor dieser erfolgt1. Der Verweis des § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG auf § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG kann mithin nicht so gedeutet werden, dass die Veröffentlichung lediglich unverzüglich nach der Weitergabe erfolgen müsste, denn das Gebot der unverzüglichen Veröffentlichung in § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG bezieht sich nur auf die Veröffentlichung der Insiderinformation und nicht auf die Veröffentlichungspflicht für den Fall ihrer Weitergabe nach § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG. Dafür spricht nicht nur das allgemeine Verständnis des Wortes „gleichzeitig“, welches zudem lediglich zur Herstellung terminologischer Einheitlichkeit des Gesetzes an die Stelle des früheren Begriffs „zeitgleich“ getreten ist (s. Rz. 110 a.E.), sondern auch der Sinn und Zweck der Vorschrift, denjenigen, der als Empfänger der Insiderinformation nicht zur Vertraulichkeit verpflichtet ist, hinsichtlich des Wissens um die Information nicht besser zu stellen als die Öffentlichkeit (s. Rz. 110). Ein Aufschub der Veröffentlichungspflicht aus § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG nach § 15 Abs. 3 WpHG ist nicht möglich, da diese Vorschrift es nur erlaubt, sich unter den in ihr genannten Voraussetzungen von der Veröffentlichung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG zu befreien2. Der Verweis des § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG auf § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG soll insoweit nur sicherstellen, dass die Veröffentlichung der auf Grund ihrer Weitergabe nach § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG veröffentlichungspflichtigen Information nach Maßgabe von Satz 1 erfolgen soll, bringt die Veröffentlichungspflicht damit aber nicht in den Anwendungsbereich des § 15 Abs. 3 WpHG. Dafür spricht im Übrigen auch der Umstand, dass ein Aufschub der Veröffentlichung einer Insiderinformation nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG gerade voraussetzt, dass Emittent die Vertraulichkeit der Insiderinformation gewährleisten kann. Zur Pflicht zur gleichzeitigen Übermittlung der Insiderinformation an das Unternehmensregister s. Rz. 128a ff.
1 Mit Hinweis auf das Regelungsziel der Vorschrift, einen zeitlichen Vorsprung des nicht zur Vertraulichkeit verpflichteten Dritten im Hinblick auf die Kenntnis der Insiderinformation auszuschließen, ebenso Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 116. Auch Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 307. 2 Ebenso Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 118; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.296; Sönke Schröder, S. 149; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 229. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass auch die nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG befugte Weitergabe i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG nur dann umfassend erlaubt sein kann, wenn die Befreiungsvoraussetzungen des § 15 Abs. 3 WpHG vorliegen, denn diese haben mit der Befugnis zur Weitergabe als solcher nichts zu tun, weshalb sich, entgegen Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 278, durchaus die Frage stellt, ob sich nach § 15 Abs. 3 WpHG auch eine Befreiung von der Veröffentlichungspflicht bei Weitergabe ergeben könnte.
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c) Unwissentliche Weitergabe (§ 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG) Die Bestimmung des § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG baut auf § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG auf: 122 Wie diese Vorschrift verlangt sie befugte Weitergabe oder Zugänglichmachung einer Insiderinformation durch einen Emittenten oder eine Person, die in dessen Auftrag oder auf dessen Rechnung handelt; auf die Erläuterungen zu diesen Merkmalen (oben Rz. 112 ff.) kann deshalb verwiesen werden. Anders als § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG knüpft § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG aber an die un- 123 wissentliche Mitteilung oder Zugänglichmachung einer Insiderinformation an. Das ist, entsprechend den Erläuterungen zur wissentlichen Weitergabe (s. oben Rz. 115), dann der Fall, wenn jemand nicht wahrnimmt, dass er eine Handlung vornimmt, mit der er einem anderen eine Insiderinformation mitteilt oder zugänglich macht. Eine unwissentliche Weitergabe ist aber auch dann anzunehmen, wenn der Betreffende nicht erkennt, dass die Information, die er einem anderen mitteilt oder zugänglich macht, eine Insiderinformation ist. Der unwissentlichen Mitteilung ist die nicht willentliche Mitteilung oder Zugänglichmachung gleichzustellen: Demjenigen, der einem anderen de facto eine Insiderinformation mitteilt oder zugänglich macht, ohne dies zu wollen, handelt entweder in Unkenntnis des Weitergabevorgangs oder in Unkenntnis der Eigenschaft der Information, Insiderinformation zu sein1. Hat der Betreffende einem anderen eine Insiderinformation unwissentlich oder un- 124 willentlich weitergegeben oder zugänglich gemacht, so scheidet eine gleichzeitige Veröffentlichung, wie sie § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG verlangt, aus. Dafür muss er aber, sobald er erkennt, dass eine solche Weitergabe stattgefunden hat, die Veröffentlichung der weitergegebenen Insiderinformation unverzüglich (s. Rz. 127) nach Maßgabe von §§ 4 ff. WpAIV (s. Rz. 246 ff.) nachholen. Für die Beantwortung der Frage, ob eine Insiderinformation weitergegeben wurde, 125 kommt es auf den Zeitpunkt der Weitergabe an. Zu veröffentlichen ist dagegen die Insiderinformation, so wie sie sich im Zeitpunkt der Veranlassung der Veröffentlichung darstellt. Ist die weitergegebene Insiderinformation dagegen zwischenzeitlich öffentlich bekannt (s. dazu § 13 Rz. 33 ff.), macht eine nachholende Veröffentlichung der seinerzeit weitergegebenen Information keinen Sinn mehr2, denn die Vorschrift schützt die informationelle Chancengleichheit der Marktteilnehmer (s. Rz. 110), die nach dem öffentlichen Bekanntwerden der fraglichen Information gegeben ist, und stellt keine Sanktion für das Verhalten desjenigen dar, der sie unwissentlich oder nicht willentlich weitergegeben hat. Wie die Pflicht zur Veröffentlichung einer wissentlich und willentlich weitergegebe- 126 nen Insiderinformation nach § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG entfällt auch die Pflicht zur Nachholung einer unwissentlich oder nicht willentlich weitergegebenen Insiderinformation, wenn die Person, der die Insiderinformation mitgeteilt oder zugänglich gemacht wurde, rechtlich zur Vertraulichkeit verpflichtet ist3. Zur Beantwortung der Frage, wann dies der Fall ist, ist auf die Erläuterungen oben in Rz. 117 ff. zu verweisen. Ein Aufschub der Veröffentlichung unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 127 WpHG scheidet auch hier (wie im Zusammenhang mit § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG, s. 1 Vgl. auch Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.266; Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 316; Schwintek, S. 36; Simon, Der Konzern 2005, 18. 2 I.E. auch Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 228. 3 Ebenso Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 318.
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Rz. 121) aus, da diese Bestimmung nur auf die sich aus § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG ergebende Pflicht zur Ad-hoc-Publizität anwendbar ist. 128 Die Veröffentlichung einer Insiderinformation für den Fall ihrer unwissentlichen Weitergabe gemäß § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG muss unverzüglich (dazu Rz. 248 ff.) entsprechend § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG erfolgen. Bezugspunkt der Pflicht zur unverzüglichen Veröffentlichung ist der Zeitpunkt, zu dem der Betreffende erkennt, dass er die Insiderinformation unwissentlich oder unwillentlich (s. Rz. 123) weitergegeben hat (s. Rz. 124). Zur Pflicht zur ebenfalls unverzüglichen Übermittlung der Insiderinformation an das Unternehmensregister s. Rz. 128c.
III. Die Pflicht zur Übermittlung der Insiderinformationen an das Unternehmensregister (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2, Abs. 1 Satz 4 und 5 WpHG) 128a
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 WpHG ist die nach Halbsatz 1 zu veröffentlichende Insiderinformation unverzüglich, jedoch nicht vor ihrer Veröffentlichung dem Unternehmensregister i.S. des § 8b HGB zur Speicherung zu übermitteln. Eine entsprechende Übermittlungspflicht besteht nach § 15 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 WpHG im Hinblick auf die sich aus diesen Bestimmungen ergebende Pflicht zur Veröffentlichung einer Insiderinformation für den Fall ihrer befugten Weitergabe oder Zugänglichmachung an eine nicht zur Vertraulichkeit verpflichtete Person (Satz 4) bzw. zur Nachholung einer solchen für den Fall, dass die Information unwissentlich weitergegeben oder zugänglich gemacht wurde (Satz 5).
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§ 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 WpHG entspricht dem Erfordernis des Art. 21 Abs. 1 der Transparenzrichtlinie (Einl. Rz. 35), der eine Übermittlung der Insiderinformation an ein Speicherungsmedium i.S. von Art. 21 Abs. 2 der Transparenzrichtlinie verlangt. Diese Vorgabe der Richtlinie ist bereits in § 8b Abs. 2 Nr. 9 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 HGB umgesetzt, so dass die Regelung in § 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 WpHG im Hinblick auf die Übermittlungspflicht nur der Klarstellung dient. Über die Übermittlungspflicht nach § 8b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB hinaus verlangt § 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 WpHG aber, dass der Emittent die Übermittlung der Insiderinformation unverzüglich, aber nicht vor ihrer Veröffentlichung vorzunehmen hat. Auf diese Weise wird der Transparenzrichtlinie Genüge getan und sichergestellt, dass die Öffentlichkeit in der EU und im EWR gleichmäßig informiert ist, bevor die Information gespeichert und unter einer Internetadresse abrufbar ist1.
128c
Entsprechendes gilt für die Übermittlungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 WpHG: Sind die Voraussetzungen einer Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG gegeben, so ist die Insiderinformation kraft des Verweises auf § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG gleichzeitig mit der Weitergabe der Information zu veröffentlichen und unverzüglich, aber nicht vor ihrer Veröffentlichung an das Unternehmensregister zu übermitteln. Kann die Veröffentlichung nicht gleichzeitig mit der Weitergabe vorgenommen werden, weil sie unwissentlich oder unwillentlich (s. Rz. 123) geschah, so hat der Betreffende, sobald er die unwissentliche oder unwillentliche Weitergabe erkennt, nach § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG die Veröffentlichung der Insiderinformation und die Übermittlung der Information an das Unternehmensregister entsprechend § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG unverzüglich nachzuholen, wobei die 1 Vgl. RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 32.
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Übermittlung an das Unternehmensregister wiederum nicht vor der Veröffentlichung erfolgen darf.
IV. Befreiung von der Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG (§ 15 Abs. 3 WpHG) 1. Übersicht und Allgemeines Bis zur Änderung des § 15 Abs. 3 WpHG durch das AnSVG (Einl. Rz. 29) konnte die 129 Aufsichtsbehörde nach § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG (a.F.) den Emittenten auf dessen Antrag von der Pflicht zur Ad-hoc-Veröffentlichung einer publizitätspflichtigen Information befreien, wenn die Information geeignet war, den berechtigten Interessen des Emittenten zu schaden (3. Aufl. des Kommentars Rz. 132 ff.). Durch die Neufassung des § 15 Abs. 3 WpHG ist die Möglichkeit, die Veröffentlichung einer ad-hoc-publizitätspflichtigen Information aufzuschieben, wenn dies der Schutz der berechtigten Interessen des Emittenten erfordert, nicht entfallen, doch bedarf es hierfür nicht mehr der Entscheidung durch die BaFin. Vielmehr ist der Emittent nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG auch ohne eine Befreiungsentscheidung der Aufsichtsbehörde von der Pflicht zur Veröffentlichung einer Insiderinformation nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG solange befreit, wie es der Schutz seiner berechtigten Interessen erfordert, keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten ist und der Emittent die Vertraulichkeit der Insiderinformation gewährleisten kann. Fraglich ist allein, ob es sich bei der Neufassung des § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG um eine Legalausnahme von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG handelt, die bereits dann eingreift, wenn ihre Voraussetzungen gegeben sind, oder ob ein Aufschub der Veröffentlichung nur dann zulässig ist, wenn beim Emittenten eine eigenverantwortliche Entscheidung über den Aufschub einer veröffentlichungspflichtigen Insiderinformation getroffen wurde; dazu unten Rz. 165a ff. Die Möglichkeit des Aufschubs der Veröffentlichung einer Insiderinformation be- 130 zieht sich nur auf die Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG; die Veröffentlichungspflichten nach § 15 Abs. 1 Satz 4 und 5 WpHG sind davon nicht erfasst (s. schon Rz. 121, 127). Für die Dauer des Aufschubs ist der Emittent von den Pflichten aus § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG befreit. Sobald eine der in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG aufgeführten Voraussetzungen des Aufschubs der Veröffentlichung entfällt, ist diese unverzüglich nachzuholen (§ 15 Abs. 3 Satz 2). Über die nachholende Veröffentlichung sind die in § 15 Abs. 4 Satz 1 WpHG angeführten Stellen, darunter insbesondere die BaFin, durch Vorabmitteilung zu informieren (§ 15 Abs. 3 Satz 3 WpHG). Hierbei muss der Emittent der BaFin die Gründe für die Befreiung unter Angabe des Zeitpunktes der Entscheidung über den Aufschub der Veröffentlichung mitteilen (§ 15 Abs. 3 Satz 4 WpHG). Ist die Veröffentlichung vorgenommen worden, ist diese den vorab informierten Stellen zu übersenden (§ 15 Abs. 4 Satz 2 WpHG). Mit § 15 Abs. 3 WpHG wird Art. 6 Abs. 2 der Marktmissbrauchsrichtlinie (s. Rz. 1) 131 umgesetzt. Der in diesem formulierte Befreiungstatbestand ist auf die Initiative Deutschlands in die Richtlinie gelangt1. In der Tat wäre die Ausweitung der Ad-hocPublizitätspflicht, wie sie Art. 6 Abs. 2 der Marktmissbrauchsrichtlinie mit sich gebracht hat, ohne eine (zudem entsprechend erweiterte) Befreiungsklausel nicht praktikabel gewesen. Bei der Umsetzung der Richtlinienvorgabe hat der Gesetzgeber zulässigerweise davon abgesehen, das Aufschubverfahren dadurch zu verkomplizieren, dass dem Emittenten, wie Art. 6 Abs. 2 Satz 2 es erlaubt, die Pflicht auferlegt wird, 1 Vgl. Sven H. Schneider, BB 2005, 897.
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die Aufsichtsbehörde unverzüglich über den Aufschub einer Ad-hoc-Veröffentlichung zu unterrichten (s. Rz. 131). Das wird wohl gemeinhin gebilligt1. Dafür ist der Gesetzgeber zu Recht dafür gerügt worden, Art. 3 Abs. 1 lit. a der zur Durchführung der Marktmissbrauchsrichtlinie ergangenen Richtlinie 2003/124/EG (Rz. 1) nicht ordnungsgemäß umgesetzt zu haben, in dem er in § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV regele, eine Veröffentlichung über laufende Verhandlungen jedweder Art dürfe nur dann aufgeschoben werden, wenn diese die Interessen der Anleger „ernsthaft“ gefährden würde, wohingegen die umzusetzende Bestimmung der Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG diese Einschränkung nur für Sanierungsfälle kenne2; dazu unten Rz. 137. 132 Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 der Marktmissbrauchsrichtlinie (Rz. 1) ist es den Mitgliedstaaten erlaubt, den Aufschub der Ad-hoc-Veröffentlichung davon abhängig zu machen, dass der Emittent die zuständige Behörde durch eine Vorabmitteilung unverzüglich über den Aufschub unterrichtet. Der Gesetzgeber hat hiervon jedoch keinen Gebrauch gemacht, weil er mit einer solchen Regelung den Sinn und Zweck der Entscheidung über einen Veröffentlichungsaufschub, zur Deregulierung beizutragen und den Prüfungsaufwand der Bundesanstalt zu reduzieren, als beeinträchtigt betrachtete. Dazu wird angeführt, dass die BaFin im Falle einer solchen Vorabmitteilung schon wegen der Pflicht zur Missstandsaufsicht nach § 4 WpHG untersuchen müsste, ob die Aufschubvoraussetzungen vorliegen, was faktisch der bisherigen Befreiungsprüfung gleichkäme3. 2. Befreiungsvoraussetzungen (§ 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG) 133 Der Aufschub der Veröffentlichung von nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG ad hoc zu publizierenden Insiderinformationen ist zulässig, wenn drei Voraussetzungen gegeben sind: 1. der Aufschub ist zum Schutz der berechtigten Interessen des Emittenten erforderlich; 2. es ist nicht zu befürchten, dass der Aufschub zu einer Irreführung der Öffentlichkeit führt, und 3. der Emittent kann die Vertraulichkeit der Insiderinformation gewährleisten. 134 Allgemein ist bei der Prüfung und der Auslegung der Befreiungsvoraussetzungen zu beachten, dass das auf dem Schutz berechtigter Interessen des Emittenten aufbauende Recht zum Aufschub einer ad-hoc-publizitätspflichtigen Insiderinformation gleichsam das Gegenstück und Korrektiv einer auf Grund der Absenkung der Erfordernisse an die von einem Emittenten zu publizierenden Informationen erheblich erweiterten Pflicht zur Ad-hoc-Publizität darstellt. Als berechtigte Interessen kommen nur solche des Emittenten selbst in Betracht (s. Rz. 157). a) Berechtigte Interessen 135 Zur Beurteilung der Frage, wann der Emittent ein berechtigtes Interesse am Aufschub einer Ad-hoc-Veröffentlichung hat, ist auf die Bestimmungen in § 6 WpAIV zurückzugreifen. § 6 WpAIV entspricht im Wesentlichen Art. 3 Abs. 1 der Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG, die sich wiederum auf die Anwendung von Art. 6 Abs. 2 der Marktmissbrauchsrichtlinie (zu beiden Richtlinien Rz. 1) bezieht. 1 Etwa Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 935. 2 Möllers, WM 2005, 1395 f. 3 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 35.
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aa) Regel (§ 6 Satz 1 WpAIV) Nach § 6 Satz 1 WpAIV ist als Regel immer dann von einem berechtigten Interesse des Emittenten auszugehen, wenn seine Interessen an der Geheimhaltung der Information die Interessen des Kapitalmarkts an einer vollständigen und zeitnahen Veröffentlichung überwiegen1. Dieser Grundsatz wird in § 6 Satz 2 Nrn. 1 und 2 WpAIV durch zwei Regelbeispiele2 konkretisiert.
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bb) Gesetzliche Regelbeispiele (§ 6 Satz 2 Nrn. 1 und 2 WpAIV) (1) § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV Nach § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV kann ein solches überwiegendes Interesse des Emitten- 137 ten gegeben sein, wenn das Ergebnis oder der Gang laufender Verhandlungen über Geschäftsinhalte, die geeignet wären, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis erheblich zu beeinflussen, von der Veröffentlichung wahrscheinlich erheblich beeinträchtigt würden und eine Veröffentlichung die Interessen der Anleger ernsthaft gefährden würde. Zu Recht ist darauf aufmerksam gemacht worden, dass Art. 3 Abs. 1 lit. a Satz 1 der 138 Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG (Rz. 1), welche durch § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV umgesetzt wird, keine ernsthafte Gefährdung verlangt, es vielmehr genügen lässt, dass das Ergebnis oder der normale Verlauf der Verhandlungen durch eine Veröffentlichung „wahrscheinlich beeinträchtigt werden“ würde (s. Rz. 137). Eine ernsthafte Beeinträchtigung verlangt Art. 3 Abs. 1 lit. a der Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG seinerseits nur für den dort – ebenfalls nur beispielhaft aufgeführten – Sonderfall, dass Verhandlungen zur Sicherung der finanziellen Überlebensfähigkeit des Emittenten, d.h. Sanierungsverhandlungen, geführt werden und ist auch dort nur als ein Beispiel für einen Fall zu begreifen, in dem solche Verhandlungen als „wahrscheinlich beeinträchtigt“ anzusehen wären. Da die Marktmissbrauchsrichtlinie und die Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG in diesem Punkt nicht nur eine Mindestharmonisierung anstreben, die den Mitgliedstaaten strengere Regelungen erlaubt, ergibt die richtlinienkonforme Auslegung3 von § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV, dass ein überwiegendes Interesse des Emittenten am Aufschub der Veröffentlichung einer Insiderinformation dann besteht, wenn das Ergebnis oder der Gang laufender Verhandlungen über Geschäftsinhalte durch die Veröffentlichung wahrscheinlich beeinträchtigt werden würde4.
1 Das entspricht weitgehend der auch nach altem Recht von der Aufsichtsbehörde vorzunehmenden Interessenabwägung; vgl. 3. Aufl. des Kommentars Rz. 136 m.w.N. 2 Wie hier gehen von Regelbeispielen aus Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 308; Eichner, S. 111; Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 78; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 132 („Fallbeispiele“); Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 97; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.298; Seibt/Bremkamp, AG 2008, 473; Sönke Schröder, S. 91; Stoppel, in: Grunewald/ Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 264; Veith, NZG 2005, 356. A.A. allein Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Anh. § 6 WpAIV Rz. 27 ff. 3 Zutreffend Möllers, WM 2005, 1396. Auch Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.298; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Anh. § 6 WpAIV Rz. 35. Kritisch gegen dieselbe („erübrigt sich“) Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 60, und ablehnend Zimmer, in: FS Schwark, S. 674. 4 Ähnlich Eichner, S. 112 f.; Merkner/Sustmann, NZG 2005, 736; Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 358, 359.
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139 Auch im Übrigen kann das in Art. 3 Abs. 1 lit. a Satz 1 der Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG angeführte „Fallbeispiel“ von Sanierungsverhandlungen als Konkretisierung zu dem in § 6 Satz 1 WpAIV angeführten Grundsatz und zusätzlich zu dem in § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV angeführten Regelbeispiel angesehen und herangezogen werden. Die Richtlinienvorschrift lautet: „Insbesondere wenn die finanzielle Überlebensfähigkeit des Emittenten stark und unmittelbar gefährdet ist – auch wenn er noch nicht unter das geltende Insolvenzrecht fällt – kann die Bekanntgabe von Informationen für einen befristeten Zeitraum verzögert werden, sollte eine derartige Bekanntgabe die Interessen der vorhandenen und potentiellen Aktionäre ernsthaft gefährden, indem der Abschluss spezifischer Verhandlungen vereitelt werden würde, die eigentlich zur Gewährleistung einer langfristigen Erholung des Emittenten gedacht sind.“ 140 Als Grund zum Aufschub der Ad-hoc-Veröffentlichung nach § 6 Satz 2 Nr. 1 WpAIV kommt nicht nur die mögliche Gefährdung eingeleiteter Verhandlungen in Betracht, sondern jede Beeinträchtigung derselben. Das können etwa Wettbewerbsnachteile, Schwächung der Verhandlungsposition, Kostensteigerungen oder Störmanöver durch Politik und Dritte sein1. (2) § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV 141 Der Aufschub einer Ad-hoc-Veröffentlichung kann nach § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV auch dann im überwiegenden Interesse des Emittenten liegen, wenn durch das Geschäftsführungsorgan des Emittenten abgeschlossene Verträge oder andere getroffene Entscheidungen zusammen mit der Ankündigung bekannt gegeben werden müssten, dass die für die Wirksamkeit der Maßnahme erforderliche Zustimmung eines anderen Organs des Emittenten noch aussteht, und dies die sachgerechte Bewertung der Information durch das Publikum gefährden würde. Hiervon erfasst sind vor allem Beschlüsse des Vorstands eines Emittenten, die lediglich einen Akt eines mehrstufigen Entscheidungsvorgangs darstellen und noch der Zustimmung anderer Organe des Emittenten, namentlich des Aufsichtsrats, bedürfen. Zum Aufschub einer Ad-hocVeröffentlichung im Hinblick auf die noch ausstehende Zustimmung der Hauptversammlung s. im Folgenden Rz. 143, 146. 142 Besonderer Beachtung bedarf der Umstand, dass das in § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV angeführte Regelbeispiel nicht deshalb einen Aufschub der Ad-hoc-Veröffentlichung gestattet, weil die Respektierung der Entscheidungsfreiheit anderer Organe dieses verlangt. Vielmehr macht das Regelbeispiel den Aufschub der Ad-hoc-Veröffentlichung allein davon abhängig, dass der in der Veröffentlichung anzubringende Hinweis auf die ausstehende Zustimmung eines anderen Organs die sachgerechte Bewertung der Information durch das Publikum gefährden würde2. Das bedeutet, dass nicht per se jede noch ausstehende Zustimmung eines anderen Organs den Aufschub einer Adhoc-Veröffentlichung nach § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV erlaubt. 143 § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV enthält jedoch keine abschließende Antwort auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Emittent wegen einer noch ausstehenden Zustimmung eines anderen Organs zum Aufschub einer Ad-hoc-Veröffentlichung be-
1 S. etwa Gunßer, S. 95, 98; Harbarth, ZIP 2005, 1904 f.; Tollkühn, ZIP 2004, 2218; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Anh. § 6 WpAIV Rz. 34. 2 Ebenso Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 370; Sönke Schröder, S. 209; Staake, BB 2007, 1575; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Anh. § 6 WpAIV Rz. 39, 41.
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rechtigt sein soll1. Das kommt auch in der Ansicht der BaFin zum Ausdruck, ein berechtigtes Interesse des Emittenten könne „z.B. auch dann vorliegen, wenn die Veröffentlichung einer bereits vom Geschäftsführungsorgan getroffenen Maßnahme die ausstehende Zustimmung durch den Aufsichtsrat oder die Durchführbarkeit der Maßnahme gefährden würde“2. Unabhängig vom Regelbeispiel des § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV ist deshalb als Grundsatz festzuhalten, dass die noch ausstehende und notwendige Zustimmung des Aufsichtsrats in der Regel einen Aufschub im berechtigten Interesse des Emittenten nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG rechtfertigt3, während dies in Bezug auf die allein ausstehende und erforderliche Zustimmung der Hauptversammlung regelmäßig nicht der Fall ist (s. Rz. 146). Im Hinblick auf die Stimmen, die an die auf Seiten des Emittenten liegenden Interessen sehr hohe Anforderungen stellen und die Möglichkeiten des Aufschubs einer Veröffentlichung sehr restriktiv interpretieren, stellt die BaFin in ihrem Emittentenleitfaden4 fest, dass im Hinblick auf die nach den Änderungen des § 15 durch das AnSVG von 2004 (s. Rz. 8) auch für die Ad-hoc-Publizität geltende Definition der Insiderinformation und die damit verbundene zeitliche Vorverlagerung der Veröffentlichungspflicht (z.B. bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen) eine solche restriktive Auslegung nicht mehr aufrechterhalten werden könne; der Anwendungsbereich der Befreiungsvorschrift in § 15 Abs. 3 WpHG sei gegenüber der bis zum Inkrafttreten des AnSVG geltenden Formulierung erheblich erweitert worden. Aus alledem zieht auch die Aufsichtsbehörde die Schlussfolgerung, eine Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht sei „angesichts der dem Aufsichtsrat nach dem Aktienrecht zugewiesenen gesetzlichen Aufgaben zur Überwachung des Vorstands … bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen … regelmäßig zulässig“5. 1 Dies unterstellend, rügt Messerschmidt, BB 2004, 253, zu Recht, das Abwarten der Zustimmung des Aufsichtsrats nur in Einzelfällen stehe im Widerspruch zum Aktiengesetz. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 66. 3 Auch Harbarth, ZIP 2005, 1905, geht davon aus, dass eine noch ausstehende Aufsichtsratszustimmung regelmäßig den Aufschub der Ad-hoc-Veröffentlichung rechtfertigt, sieht dies jedoch als Ergebnis der Auslegung von § 6 Satz 2 Nr. 2 WpAIV und versieht die Regel deshalb mit dem Vorbehalt, anderes habe dann zu gelten, wenn – was „allenfalls in außergewöhnlichen Fällen anzunehmen“ sei – die Zustimmung des Aufsichtsrats als sicher gelte; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.281, 13.298, 13.300; Zimmer/Kruse, in: Schwark/ Zimmer, § 15 WpHG Rz. 64 („zwar nicht pauschal, so doch regelmäßig“). Ähnlich Sven H. Schneider, BB 2005, 899, der die „Möglichkeit eines ablehnenden Beschlusses“ des Aufsichtsrats als Aufschubgrund anerkennt. I.E. ebenso Frowein, in: Habersack/Mülbert/ Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 92 ff.; am Beispiel des Vorstandsbeschlusses über die Ausübung der Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien Seibt/Bremkamp, AG 2008, 474. Nach Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 66, soll einerseits das Fehlen der Aufsichtsratszustimmung zumindest „indizielle Wirkung“ für das berechtigte Interesse des Emittenten am Aufschub der Information haben, doch wird andererseits (in Rz. 68) geltend gemacht, nach der Neufassung des § 15 WpHG (durch das AnSVG) könne „nicht mehr von einer vom Kapitalmarktrecht zu respektierenden Kompetenzzuweisung des Verbandsrechts gesprochen werden“. A.A. und umgekehrt Kümpel/Veil, Wertpapierhandelsgesetz, S. 98 f.; Staake, BB 2007, 1575 ff. (bereits der Vorstandsbeschluss ist im Regelfall zu veröffentlichen); Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Anh. § 6 WpAIV Rz. 42 ff., jedoch (Rz. 46) mit dem Hinweis, der gegenteilige Meinungsstand sei dergestalt, dass die Betroffenen sich auf diesen zurückziehen und sich auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen könnten. 4 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 67. 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 67 (Hervorh. nicht im Orig.). Im Grundsatz auch Claussen/Florian, AG 2005, 752; Eichner, S. 114; Geibel, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 66 („indizielle Wirkung“); Harbarth, ZIP 2005, 1905; Lebherz, S. 114 f.; Merkner/Sustmann, NZG 2005, 737; Möllers, WM 2005, 1396; Sven H. Schneider, BB 2005, 899; Veith, NZG 2005, 256. Enger Sönke Schröder, S. 214 ff., 217 (nicht pauschal
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144 Soweit es um die noch ausstehende Zustimmung des Aufsichtsrats geht, will ein Teil des Schrifttums die Gefahr einer nicht sachgerechten Bewertung der Veröffentlichung durch das Publikum dann als ausgeräumt ansehen, wenn die Zustimmung des Aufsichtsrats als wahrscheinlich1 gelten dürfe. Sehr viel weitergehend ist sogar geltend gemacht worden, die Veröffentlichung dürfe nur dann unterbleiben, wenn mit einem ablehnenden Votum „ernsthaft zu rechnen“ sei2. Sehr viel enger dagegen ist die Ansicht, der Aufschubtatbestand sei nur dann nicht erfüllt, wenn die Zustimmung des Aufsichtsrats sicher sei3. Das würde so oder so den für die Entscheidung über eine Ad-hoc-Veröffentlichung verantwortlichen Vorstand dazu zwingen, eine „Prognose darüber anzustellen, wie wahrscheinlich eine Weigerung des Aufsichtsrats ist, einer bestimmten Maßnahme des Vorstands seine Zustimmung zu erteilen“4. Solchen Konsequenzen ist jedoch im Interesse der Funktionsfähigkeit der aktienrechtlichen Organisationsverfassung und der betroffenen Emittenten zu begegnen: Die zustimmende oder ablehnende Haltung des Aufsichtsrats zu einer Entscheidung des Vorstands ist (gerade bei börsennotierten Unternehmen wie den erfassten Emittenten) selbst dann nicht sicher prognostizierbar, wenn alle Mitglieder oder Gruppen Zustimmung signalisieren. Aber um eine solche auch nur halbwegs sichere Prognose zu erhalten, könnte der Vorstand des Emittenten zu sondierenden Gesprächen mit dem Aufsichtsrat gezwungen sein, welche entweder nur Teile des Aufsichtsrats einbeziehen oder den Aufsichtsrat zu einer unsorgfältigen und/oder verfrühten Befassung mit einem Sachverhalt zwingen: weder das eine noch das andere ist rechtlich hinnehmbar. Jenseits solcher Fälle wäre eine Prognose dem Vorstand schon deshalb schlechterdings nicht zuzumuten, weil dies eine Beurteilung des Verhaltens des Gremiums und seiner Mitglieder verlangen würde, welches die gedeihliche Zusammenarbeit der Organe beschädigen und das Gegenteil dessen hervorrufen würde, was prognostiziert wurde. Und schließlich würde eine solche Prognose, wie auch immer sie ausfällt, die Entscheidungsfreiheit der Mitglieder des Aufsichtsorgans erheblich beeinträchtigen. 144a
Nicht vertretbar ist es auch, die Frage der Zustimmung des Aufsichtsrats als normative oder als empirische zu behandeln. So wird normativ – gegen jede Erfahrung des genau gegenteiligen Verhaltens von Aufsichtsräten – geltend gemacht, von einem „professionalisierten Aufsichtsrat“ müsse erwartet werden, „sich durch die allein aus insiderrechtlichen Gründen erfolgte Publizität nicht in seiner Entscheidung beeinträchtigen zu lassen“5. Im Gegenteil wird ein professionalisierter Aufsichtsrat in seine Entscheidung nicht nur seine Beurteilung der Sache, sondern auch die gar nicht von dieser zu trennenden Wirkung seines Handelns einbeziehen; und zum anderen hat die dem angeführten Einwand zu Grunde liegende Haltung, „dass nicht sein
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und ohne zusätzliche Voraussetzungen möglich, aber „in relativ weitem Maße“ zulässig). Kritisch Bachmann, ZHR 172 (2008), 608 ff. und gegen dessen Kritik wiederum Assmann, ZHR 172 (2008), 648 ff.; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 934 f.; Messerschmidt, BB 2004, 2539; Schlitt/Schäfer, AG 2005, 74 („nur in Ausnahmefällen“); Staake, BB 2007, 1577 f.; Ziemons, NZG 2004, 541. Veith, NZG 2005, 256. Ebenfalls Prognosen verlangend, aber andere Wahrscheinlichkeitsurteile zu Grunde legend: Harbarth, ZIP 2005, 1905 (der Aufschub ist nur dann unberechtigt, wenn die Entscheidung des Aufsichtsrats als „sicher“ anzusehen ist); Sven H. Schneider, BB 2005, 899 („Möglichkeit eines ablehnenden Beschlusses“ ist Aufschubgrund). Bachmann, ZHR 172 (2008), 633 (zu VI.1.), 610 ff. Dagegen Assmann, ZHR 172 (2008), 648 ff. Dem kommt i.E. nahe Staake, BB 2007, 1575 ff. (Veröffentlichungspflicht regelmäßig mit Vorstandsbeschluss). Gunßer, S. 91 f., 94. So Veith, NZG 2005, 256. Bachmann, ZHR 172 (2008), 609.
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kann, was nicht sein darf“ in einer realitätsbezogenen Rechtssetzung und Rechtsanwendung keine Berechtigung. Umgekehrt wird die Frage nach der Zustimmungswahrscheinlichkeit des Aufsichtsrats aber auch als eine rein empirische angegangen und behauptet, die Zustimmung des Aufsichtsrats stelle die Regel dar1 und könne deshalb in der Regel auch den Aufschub der Veröffentlichung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG nicht rechtfertigen. Selbst wenn es empirisch nachweisbar sein sollte, dass Aufsichtsräte in der Mehrzahl ihrer Beschlüsse zustimmungsbedürftigen Vorschlägen des Vorstands folgen, kann daraus nicht gefolgert werden, das sei auch bei dem konkret anstehenden Beschluss zu erwarten: So können etwa die bisherigen Beschlüsse in ihrer großen Mehrzahl gänzlich unproblematische und keinesfalls kurserhebliche Fälle zum Gegenstand gehabt haben oder es mögen solchen Beschlüssen sogar Vorinformationen des Vorstands oder Vorabstimmungen mit demselben vorausgegangen sein. Solche Erwägungen mögen auch den Ausführungen des Bundesgerichtshofs in der DaimlerChrysler-Entscheidung vom 25.2.2008 zu Grunde gelegen haben, mit denen er den Versuch zurückweist, aus dem früheren Abstimmungsverhalten eines Aufsichtsrats einen „Automatismus im Hinblick auf zukünftiges Abstimmungsverhalten“ herzuleiten2. Als Fazit darf festgehalten werden: Ist die Zustimmung zu einer Entscheidung des Vorstands oder deren Ablehnung durch den Aufsichsrat mithin im Besonderen nur schwer prognostizierbar und ist eine solche Prognose dem für die Veröffentlichung verantwortlichen Vorstand im Allgemeinen nicht zumutbar, so wird jede Ad-hocVeröffentlichung einer zustimmungsbedürftigen Vorstandsentscheidung unter Hinweis auf die noch ausstehende Zustimmung des Aufsichtsrats eine sachgerechte Bewertung der Information durch das Publikum in Frage stellen. Das bedeutet, dass solche Veröffentlichungen regelmäßig bis zur Entscheidung des Aufsichtsrats aufgeschoben werden können.
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Anders verhält es sich mit Entscheidungen der Hauptversammlung: Zwar sind auch diese nicht immer sicher prognostizierbar, doch lässt sich schwerlich behaupten, die Veröffentlichung des Sachverhalts, über den die Hauptversammlung zu entscheiden hat, würde diesem Organ die Entscheidungsfreiheit nehmen. Darüber hinaus ist ein Aufschub der Ad-hoc-Veröffentlichung bis zur Entscheidung der Hauptversammlung unter Gewährleistung der Vertraulichkeit der fraglichen Insiderinformation ohnehin nicht möglich, da diese spätestens mit der Einladung zur Hauptversammlung öffentlich bekannt würde3.
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Aber auch unabhängig von dem Regelbeispiel des § 6 Satz 1 Nr. 2 WpAIV sind die 147 vorstehend (in Rz. 144 ff.) ausgeführten Argumente geeignet, regelmäßig ein die Interessen des Kapitalmarkts an einer vollständigen und zeitnahen Veröffentlichung überwiegendes Interesse des Emittenten an der Geheimhaltung der Information bis 1 So implizit Bachmann, ZHR 172 (2008), 609 (633), wenn er geltend macht, die Zustimmung des Aufsichtsrats sei oftmals nur Formsache (609) und ein Aufschub der Veröffentlichung sei nur gerechtfertigt, wenn mit einem ablehnenden Votum ernsthaft zu rechnen sei (633). 2 BGH v. 25.2.2008 – II ZB 9/07, AG 2008, 380 (383). Aus der Entscheidung wird auch gefolgert, die Ad-hoc-Veröffentlichung einer Vorstandsentscheidung komme erst in Betracht, „wenn die Zustimmung des Aufsichtsorgans mit an Sicherheit grenzender, hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten“ sei (Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 376), wohingegen bei „‚einfacher‘ Wahrscheinlichkeit oder berechtigten Zweifeln an der Zustimmung … grundsätzlich vom berechtigten Interesse an einer Selbstbefreiung gemäß § 15 Abs. 3 S. 1 WpHG auszugehen“ sei (ebd. Rz. 377). 3 Ebenso Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 379; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 65.
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zur Entscheidung des Aufsichtsrats anzunehmen (s. schon Rz. 143). Vor allem zeigen die angeführten Gründe, dass der Aufschub der Veröffentlichung einer noch der Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfenden Entscheidung regelmäßig sogar dem Interesse der Anteilseigner des Emittenten und im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit der als Emittenten in Betracht kommenden Unternehmen auch dem Interesse des Marktpublikums entspricht. Das Regelbeispiel schließt, auch wenn es sich mit Veröffentlichungspflichten im Zuge mehrstufiger Entscheidungsprozesse befasst, nicht aus, dass andere als die in ihm zum Ausdruck gebrachten Gesichtspunkte den Aufschub rechtfertigen. Das Regelbeispiel ist mithin auch im Hinblick auf die in ihm enthaltene Verbindung eines bestimmten Sachverhalts (hier die erforderliche und noch ausstehende Zustimmung von Organen) mit bestimmten Abwägungskriterien (hier die Gefährdung einer sachgerechten Bewertung der Information durch das Publikum) nicht abschließend. cc) Regelauslegung und -anwendung (1) Ausgangspunkt 148 § 6 Satz 2 Nrn. 1 und 2 WpAIV konkretisiert durch zwei Regelbeispiele, wann Interessen des Emittenten am Aufschub einer Ad-hoc-Veröffentlichung in Abwägung gegenüber den Interessen des Kapitalmarkts an einer vollständigen und zeitnahen Veröffentlichung einer Insiderinformation als berechtigt anzusehen sind. Das schließt es indes nicht aus, auch andere als die in § 6 Satz 2 Nrn. 1 und 2 WpAIV angeführten Interessen eines Emittenten als berechtigte Interessen des Emittenten anzuerkennen und sodann der Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Interessen des Kapitalmarkts zu unterziehen1. 149 Im Hinblick darauf finden sich im Schrifttum Appelle sowohl für eine enge2 wie eine weite3 Auslegung des § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG i.V.m. § 6 Satz 1 WpAIV. Rechtsdogmatische Bedeutung können solche Appelle allerdings nur auf Grund der ihnen zu Grunde liegenden Vorstellungen vom Zweck der Bestimmung oder der „Politik des Gesetzes“ erlangen. Diesbezüglich ist daran zu erinnern, dass der Aufschub der Veröffentlichung einer ad-hoc-publizitätspflichtigen Insiderinformation das Gegenstück einer auf Grund der Absenkung der Erfordernisse an die von einem Emittenten zu publizierenden Informationen erheblich erweiterten Pflicht zur Ad-hoc-Publizität darstellt und dem Korrektiv einer dem Schutz der berechtigten Interessen des Emittenten dienenden Befreiung von der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität deshalb eine gegenüber dem früheren Recht noch gesteigerte Bedeutung zukommt (s. schon Rz. 134)4.
1 Ebenso Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 307 f.; Cahn/Götz, AG 2007, 223; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 130; Hopt, in: BankrechtsHandbuch, § 107 Rz. 97, 106; Stoppel, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 264; Zimmer, in: FS Schwark, S. 672. A.A. allein Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Anh. § 6 WpAIV Rz. 16 f., der für eine Interessenabwägung keinen Raum sieht. 2 Dreyling, Der Konzern 2005, 3. Diese Haltung entspricht der früheren Handhabung der Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG a.F., welche die BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 67, „im Hinblick auf die nunmehr auch für die Ad-hocPublizität geltende Definition der Insiderinformation und die damit verbundene zeitliche Vorverlagerung der Veröffentlichungspflicht (z.B. bei mehrstufigen Entscheidungsprozessen)“ für nicht mehr aufrecht zu erhalten erklärt. 3 Simon, Der Konzern 2005, 19 f. 4 I.E. ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 67, im Anschluss an die Ausführungen zur restriktiven Handhabung der Befreiungsmöglichkeit nach § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG a.F.: „Der Anwendungsbereich der Befreiungsvorschrift in § 15 Abs. 3 WpHG ist gegenüber der
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(2) Interesse des Emittenten Allgemein ist deshalb ein berechtigtes Interesse des Emittenten am Aufschub einer 150 Ad-hoc-Veröffentlichung dann anzunehmen, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit („eher als nicht“)1 die Veröffentlichung einerseits den Erfolg, den Eintritt oder die Durchführbarkeit des Ereignisses, auf das sich die Insiderinformation bezieht, gefährden oder andererseits den Eintritt eines für den Emittenten negativen, aber durch geeignete Maßnahmen abwendbaren Ereignisses herbeiführen würde2 und dem Emittenten daraus ein nicht unerheblicher Nachteil entstehen würde. Was den Aufschub der Veröffentlichung einer Insiderinformation betrifft, die der Beseitigung eines eingetretenen oder der Abwendung eines zu erwartenden negativen Ereignisses betrifft, ist im Hinblick auf deren Erfolg der hierzu eingeleiteten oder einzuleitenden Maßnahmen wiederum nicht mehr als eine überwiegende Wahrscheinlichkeit aus der Sicht eines verständigen, mit den Marktgegebenheiten vertrauten Anlegers (s. § 13 Rz. 58) zu verlangen3. Die Frage, in welchem Zeitraum mit der erfolgreichen Abwendung des Ereignisses zu rechnen sein muss, wird dagegen eher im Rahmen der Abwägung der Interessen des Emittenten einerseits und des Kapitalmarkts an einer zeitgemäßen Information (s. dazu unten Rz. 155 ff.) andererseits zu beantworten sein. Der enge Zeithorizont, den die Aufsichtsbehörde und das Schrifttum diesbezüglich bei ihrer Befreiung von der Ad-hoc-Publizität nach § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG a.F. zu Grunde legte (vgl. 3. Aufl. des Kommentars Rz. 136), ist heute nicht mehr maßgeblich4. Dieser Regel folgend ist ein berechtigtes Interesse des Emittenten am Aufschub einer Ad-hoc-Veröffentlichung zum Beispiel in den folgenden Fällen anzunehmen: – Die Veröffentlichung einer bereits vom Geschäftsführungsorgan getroffenen Maßnahme würde die ausstehende Zustimmung durch den Aufsichtsrat oder die Durchführbarkeit der Maßnahme gefährden5. – Aufschub der Veröffentlichung der Insiderinformationen in Bezug auf die Neuentwicklung etwa von Produkten, Patenten oder Erfindungen, bis die erforderlichen
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bis zum In-Kraft-Treten des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes geltenden Formulierung erheblich erweitert worden“. Ähnlich Sven H. Schneider, BB 2005, 898 (es reicht, wenn die Veröffentlichung den berechtigten Interessen schaden könnte). I.E. auch Sönke Schröder, S. 92. Eher weiter noch, die Gefährdung oder erhebliche Beeinträchtigung unternehmerischer Ziele oder Entwicklungen einbeziehend, etwa: Simon, Der Konzern 2005, 19; Veith, NZG 2005, 257. Das würde es dem Emittenten allerdings grundsätzlich erlauben, die Veröffentlichung negativer Insiderinformationen aufzuschieben, weil dies das Unternehmen von dem angestrebten Entwicklungspfad abbringen könnte. Ebenso Zimmer, in: FS Schwark, S. 672; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 56, 61. Noch geringere, allerdings wenig präzise Anforderungen stellt Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Anh. § 6 WpAIV Rz. 13: „gewisse (nicht notwendig überwiegende) Wahrscheinlichkeit“. Schwer einzuordnen Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 132, die „ausreichende Erfolgswahrscheinlichkeit“ verlangen. So deutlich BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 67, gegen die zuvor restriktive Auslegung der Befreiungsvoraussetzungen. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 67, mit dem zusätzlichen Hinweis: „Bei einer Befreiung sollte jedoch im Hinblick auf die erforderliche Vertraulichkeit eine endgültige Entscheidung in einem angemessenen Zeitraum herbeigeführt werden. Ggf. sollte die Entscheidung in entsprechenden Ausschüssen erfolgen, um eine zeitnahe Veröffentlichung herbeizuführen.“
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Maßnahmen ergriffen wurden, um die fraglichen Rechte (z.B. bis zur Patentanmeldung) abzusichern1. – Als Folge der Veröffentlichung drohen dem Emittenten erhebliche Wettbewerbsnachteile oder unverhältnismäßigen Kostensteigerungen2. Letzteres kann etwa der Fall sein bei der Veröffentlichung der Entdeckung einer Rohstoffquelle, wenn die zum Abbau notwendigen Grundstücke noch zu erwerben sind. – Aufschub der Veröffentlichung von unerwarteten Geschäftszahlen oder Prognoseabweichungen bis zum Zeitpunkt einer nach dem Finanzkalender des Emittenten unmittelbar bevorstehenden Regelberichterstattung (s. Rz. 35 a.E.). – Stellung von Leniency-Anträgen auf Geldbußenerlass im Zusammenhang mit der unternehmensinternen Aufdeckung und Anzeige von Kartellverstößen im Hinblick auf die Gewährleistung der von den Wettbewerbsbehörden verlangte Vertraulichkeit (s. dazu schon oben Rz. 90). 152 Berechtigte Interessen des Emittenten am Aufschub einer Ad-hoc-Veröffentlichung sind dagegen selbst dann nicht gegeben, wenn der Emittent zu Recht davon ausgeht, die Veröffentlichung negativer Insiderinformationen würde seiner Geschäftsentwicklung nicht förderlich sein3. Deshalb ist es auch zu allgemein zu sagen, berechtigte Interessen des Emittenten seien immer dann gegeben, wenn durch eine Veröffentlichung der Information unternehmerische Ziele oder Entwicklungen vereitelt, gefährdet oder erheblich beeinträchtigt würden4. 153 Im Hinblick auf Wertpapiererwerbs- und Übernahmeangebote nach dem WpÜG ist regelmäßig ein berechtigtes Interesse des Bieters an der Nichtveröffentlichung eines diesbezüglichen Vorhabens bis zu dem Zeitpunkt einer nach § 10 Abs. 1 Satz 1 WpÜG zu veröffentlichenden Entscheidung über die Abgabe eines Angebots anzunehmen5. Dabei darf die Zustimmung des Aufsichtsrats abgewartet werden, soweit sie für die Wirksamkeit eines Angebots erforderlich ist (§ 10 Abs. 1 Satz 2 WpHG)6. Der dafür maßgebliche Grund – der Umstand, dass eine der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots vorausgehende Meldung über ein bevorstehendes Angebot den Erfolg desselben nachhaltig gefährden oder die Kosten desselben erheblich vergrößern kann – vermag den Aufschub entsprechender Veröffentlichungspflichten bei Anteils- und Unternehmenserwerbsvorgängen („M&A-Transaktionen“) allerdings regelmäßig nicht zu begründen7. Hier müssen vielmehr konkrete Umstände vorliegen, die die Annahme als wahrscheinlich erscheinen lassen, eine Veröffentlichung werde die diesbezüglichen Verhandlungen und damit den Erfolg der Transaktion gefährden oder
1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 67; Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 102. 2 Auch Stoppel, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 264; Tollkühn, ZIP 2004, 2218; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Anh. § 6 WpAIV Rz. 49; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 62. 3 Ähnlich Simon, Der Konzern 2005, 20 (schlechte Geschäftsentwicklung, negative Kennzahlen); Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Anh. § 6 WpAIV Rz. 22. 4 Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 307; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 17 Rz. 34 ff.; Simon, Der Konzern 2005, 19. 5 Vgl. Assmann, AG 2002, 117; Brandi/Süßmann, AG 2004, 652; Gunßer, S. 137; Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 361; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 134; Zimmer, in: FS Schwark, S. 673. 6 Assmann, in: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 10 WpÜG Rz. 16 ff. 7 Ähnliche Vorbehalte bei Brandi/Süßmann, AG 2004, 653/654; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/ Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 97; Gunßer, S. 97.
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nicht akzeptable Preisveränderungen nach sich ziehen1. Jedenfalls kann auch hier die Veröffentlichung des Vertragsabschlusses bis zu einer eventuell erforderlichen Zustimmung des Aufsichtsrats des Emittenten2 oder ggf. auch der anderen Partei aufgeschoben werden. Erfährt die Zielgesellschaft von einem bevorstehenden Wertpapiererwerbs- und 154 Übernahmeangebot, so sollte sie, auch wenn es sich dabei um eine Insiderinformation handeln sollte, entsprechend § 10 Abs. 6 WpÜG solange keiner Pflicht zur Adhoc-Veröffentlichung unterliegen, wie der Bieter von einer Veröffentlichungspflicht nach § 10 Abs. 1 Satz 1 WpÜG befreit ist3. Im Übrigen kann sie aber auch – davon unabhängig – ein berechtigtes Interesse am Aufschub einer eventuellen Verpflichtung zur Ad-hoc-Veröffentlichung haben. Insbesondere kann sie ein eigenes berechtigtes Interesse an der Abgabe eines Angebots oder an dessen Scheitern haben. Das gilt auch für den Fall, dass Dritte über Transaktionen in Bezug auf Wertpapiere der Zielgesellschaft verhandeln und das Wissen darüber eine Insiderinformation in Bezug auf die Zielgesellschaft darstellt (s. unten Rz. 157). (3) Interessenabwägung Die berechtigten Interessen des Emittenten am Aufschub der Ad-hoc-Veröffentlichung müssen indes, um tatsächlich einen solchen zu rechtfertigen, die Interessen des Kapitalmarkts an einer vollständigen und zeitnahen Veröffentlichung einer Insiderinformation überwiegen. Das erfordert eine Interessenabwägung4.
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Dabei sind die Folgen, die eine nicht zeitnahe Veröffentlichung der Insiderinformation für den Kapitalmarkt, und das heißt namentlich für die aktuellen und potentiellen Aktionäre des Emittenten, mit sich bringen würde, in Rechnung zu stellen. Bestehen zwar berechtigte Erwartungen am Erfolg von Maßnahmen zur Beseitigung eines negativen, nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG ad-hoc-publizitätspflichtigen Ereignisses (etwa einer Illiquidität des Emittenten), so kann doch gleichwohl das Interesse des Kapitalmarkts an zeitnahen Informationen einem Aufschub der zu veröffentlichenden Insiderinformation entgegenstehen, wenn der Eintritt des Erfolges nicht kurzfristig zu erwarten ist5. Allein der Umstand, dass jede verspätete Veröffentlichung einer Insiderinformation für den Zeitraum des Veröffentlichungsaufschubs einen „falschen Kurs“ mit sich bringt, ist eine zwangsläufige Folge des Aufschubs und vermag nicht bereits als solche das Interesse des Emittenten am Aufschub der Veröffentlichung entfallen zu lassen.
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1 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 64; Gunßer, S. 97; Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 84; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 17 Rz. 39; Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 361; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Anh. § 6 WpAIV Rz. 50; Zimmer, in: FS Schwark, S. 674. 2 Brandi/Süßmann, AG 2004, 654. 3 Ebenso Gunßer, S. 144; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 17 Rz. 40; Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 363. I.E. auch Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 81. 4 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 67; Cahn/Götz, AG 2007, 223; Langenbucher, Aktienund Kapitalmarktrecht, § 17 Rz. 34; Lebherz, S. 115 ff.; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.297; Seibt/Bremkamp, AG 2008, 473; Simon, Der Konzern 2005, 19; Sven H. Schneider, BB 2005, 898; Tollkühn, ZIP 2004, 2218; Veith, NZG 2005, 256 f.; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 57, 58. A.A. Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Anh. § 6 WpAIV Rz. 17 f. 5 A.A. Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Anh. § 6 WpAIV Rz. 14, 16.
Assmann
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§ 15
Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
157 Bei der Interessenabwägung sind nur die berechtigten Interessen des Emittenten selbst zu berücksichtigen und nicht die Interessen, die dritte Personen – wie Verhandlungspartner, Vertragspartner, Anteilseigner oder sonstige Dritte – an einer Verzögerung der Ad-hoc-Mitteilung haben können1. Allerdings ist zu beachten, dass es ein schutzwürdiges Interesse des Emittenten darstellen kann, dass die Interessen Dritter durch eine Ad-hoc-Veröffentlichung nicht verletzt werden2. So würde die Veröffentlichung des Umstands, dass demjenigen, der den Erwerb eines Pakets von Wertpapieren des Emittenten plant, die Möglichkeit einer „Due-diligence-Prüfung“ eingeräumt wurde, nicht nur die Interessen der potentiellen Vertragsparteien, sondern auch diejenigen des Emittenten am Zustandekommen der Transaktion verletzen. Gleiches gilt für Konzernsachverhalte: Konzerninteressen und Interessen eines Konzernunternehmens können zugleich diejenigen des Emittenten als Konzernspitze oder konzerneingebundenes Unternehmen sein, denn die Konzernierung ist Merkmal der wirtschaftlichen und finanziellen Lage des Emittenten3. b) Keine Irreführung der Öffentlichkeit 158 Ein Aufschub der Ad-hoc-Veröffentlichung ist des Weiteren nur zulässig, wenn und solange keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten ist (§ 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG). Für die Beurteilung der Frage, ob eine Irreführung zu befürchten ist, ist eine Ex-ante-Betrachtung erforderlich4: Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Eintritts der Veröffentlichungspflicht. 159 Eine Irreführung ist nicht bereits darin zu sehen, dass wegen des Aufschubs der Veröffentlichung der Insiderinformation ein Informationsungleichgewicht besteht5 und sich wegen der Nichteinbeziehung der Insiderinformation in den Preis der betroffenen Wertpapiere ein „falscher Kurs“ bildet6. Beides ist die zwangsläufige Folge eines jeden Aufschubs der Veröffentlichung7.
1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 67; Bressler, in: BuB, Rz. 7/781; Hopt, in: BankrechtsHandbuch, § 107 Rz. 97; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 130; Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 14.251; Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 352; Sven H. Schneider, BB 2005, 898; Veith, NZG 2005, 257; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Anh. § 6 WpAIV Rz. 12. 2 Ähnlich Brandi/Süßmann, AG 2004, 649 (Verhandlungen Dritter über Sachverhalte, die den Emittenten unmittelbar betreffen, an denen er aber nicht beteiligt ist, können berechtigtes Interesse an Nichtveröffentlichung auslösen); Frowein, in: Habersack/Mülbert/ Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 105. 3 Eichner, S. 115; Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 163, 165; Sönke Schröder, S. 103, S. 100 ff. umfassend zu den berechtigten Interessen des Emittenten im Konzern; Spindler/ Speier, BB 2005, 2033 (für eine „konzernweite Interpretation“ des Merkmals berechtigter Interessen); Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Anh. § 6 WpAIV Rz. 12. 4 Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 384; Ziemons, NZG 2004, 543. 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 67; Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 15 WpHG Rz. 16; Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 110; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 135; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.302; Veith, NZG 2005, 257 (mehr als bloßes Fehlen einer Information erforderlich). 6 OLG Stuttgart v. 22.4.2009 – 20 Kap 1/08, AG 2009, 454 (Rz. 122) = ZIP 2009, 962; Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 110; Harbarth, ZIP 2005, 1905; Simon, Der Konzern 2005, 20; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 67. 7 Ebenso Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 384.
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§ 15
Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
Im Übrigen wirft das Irreführungsverbot einige Zweifel an seiner Auslegung und sei- 160 ner Funktion zur Selektion der Fälle eines zulässigen von denjenigen eines unzulässigen Aufschubs einer Ad-hoc-Veröffentlichung auf1. Der Versuch, das Merkmal durch die Differenzierung zwischen positiven und negativen Insiderinformationen zu konkretisieren2, wird im Schrifttum zu Recht ganz überwiegend abgelehnt3, denn mehr als die „Tendenzaussage“, bei positiven Insiderinformationen sei eine Irreführung eher zu verneinen, bei negativen Insiderinformationen dagegen eher zu bejahen, bringt er nicht hervor. Eine eigenständige Abgrenzungsfunktion kommt dem Irreführungsverbot aber zu, wenn man anderweitige Marktinformationen oder anderweitiges Verhalten des Emittenten als Bezugspunkt wählt: Dann ist eine Irreführung immer dann anzunehmen, wenn dem Publikum Informationen vorliegen, die mit der zu veröffentlichenden Insiderinformation im Widerspruch stehen oder der Emittent durch sein sonstiges Verhalten, einschließlich seines anderweitigen Informationsverhaltens4, Vorstellungen weckt, die im Lichte der Insiderinformation unzutreffend sind5 oder „im Markt schon konkrete Informationen ‚gehandelt‘ werden, so dass ein weiteres Schweigen des Emittenten dazu in die Irre führt“6. c) Gewährleistung der Vertraulichkeit Ein Aufschub der Ad-hoc-Veröffentlichung ist schließlich nur unter der Vorausset- 161 zung gestattet, dass der Emittent die Vertraulichkeit der Insiderinformation gewährleisten kann (§ 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG). Das ist nach § 7 WpAIV der Fall, wenn der 1 Simon, Der Konzern 2005, 20: „Zweifelhaftes Tatbestandsmerkmal, das weder durch den europäischen noch den deutschen Gesetzgeber näher erläutert wurde“. Auch Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 135: Kein eigenständiges Tatbestandsmerkmal, „da das Verhalten des Emittenten bereits bei der Güterabwägung zwischen seinen berechtigten Interessen und dem Informationsinteresse des Kapitalmarktes zu berücksichtigen ist“. 2 Brandi/Süßmann, AG 2004, 649; Ziemons, NZG 2004, 543. 3 Bressler, in: BuB, Rz. 7/782b; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 316; Eichner, S. 116; Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 110; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 1; Gunßer, S. 99 f.; Harbarth, ZIP 2005, 1905; Möllers, WM 2005, 1396; Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 14.253; Simon, Der Konzern 2005, 20; Sönke Schröder, S. 129; Stoppel, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 265; Veith, NZG 2005, 257; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 156; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 67. 4 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 68: „Der Emittent darf aber während des Befreiungszeitraums aktiv keine Signale setzen, die zu der noch nicht veröffentlichten Insiderinformation in Widerspruch stehen“; Gunßer, S. 99; Veith, NZG 2004, 543. 5 I.E. ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 67 („Der Emittent darf aber während des Befreiungszeitraums aktiv keine Signale setzen, die zu der noch nicht veröffentlichten Insiderinformation in Widerspruch stehen“), 68. Ähnlich Bressler, in: BuB, Rz. 7/7782b; Eichner, S. 116; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 135 (der Emittent hat durch „eigenes Zutun eine Nachrichten- oder Gerüchtelage geschaffen, auf Grund derer erhebliche Fehlvorstellungen in der Öffentlichkeit über die Umstände, die Gegenstand der Veröffentlichung sein sollen, entstanden sind“); Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.302; Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 14.253; Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 387, 389; Schwintek, S. 34; Seibt/Bremkamp, AG 2008, 477; Simon, Der Konzern 2005, 20; Stoppel, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 264 f.; Tollkühn, ZIP 2004, 2218 f.; Veith, NZG 2004, 537 (543); Veith, NZG 2005, 257 f. Grundsätzlich zustimmend Sönke Schröder, S. 131 ff. Ablehnend und eine stärkere Berücksichtigung des Emittenteninteresses verlangend, für die Interessenabwägung aber wenig operationale Kriterien anbietend, Zimmer, in: FS Schwark, S. 676 ff., 678. 6 OLG Stuttgart v. 22.4.2009 – 20 Kap 1/08, AG 2009, 454 (Rz. 122) = ZIP 2009, 962.
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§ 15
Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
Emittent während der Befreiung nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG den Zugang zur Insiderinformation kontrolliert: zum einen, indem er wirksame Vorkehrungen dafür trifft, dass andere Personen als solche, deren Zugang zu Insiderinformationen für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben beim Emittenten „unerlässlich“ ist, keinen Zugang zu dieser Information erlangen; und zum anderen, indem er gemäß § 7 Nr. 2 WpAIV dafür sorgt, dass er die Information unverzüglich bekannt zu geben vermag, wenn er ihre Vertraulichkeit nicht länger gewährleisten kann1. 162 Das Erfordernis, die Eröffnung des Zugangs zu Insiderinformationen müsse „unerlässlich“ sein, ist Art. 3 Abs. 2 lit b der Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG (Rz. 1) entnommen, doch wurde der Begriff zunächst als eine inadäquate Übersetzung der in der englischen Fassung der Durchführungsrichtlinie verwandten Formulierung „who require it for the exercise of their functions“ (Hervorhebung hinzugefügt) betrachtet, da es nach der englischen Fassung der Bestimmung allein darum gehe, den Zugang zur Insiderinformation auf diejenigen zu beschränken, die sie zur Wahrnehmung der ihnen übertragenen Aufgaben benötigten2; dass die Aufgaben – was der Begriff „unerlässlich“ suggeriert – ohne die Insiderinformation überhaupt nicht mehr erfüllbar sein müssen, wurde als nicht verlangt angesehen (4. Aufl. des Kommentars Rz. 162)3. Ungeachtet dessen hat der EuGH in der Grøngaard und Bang-Entscheidung vom 22.11.20054 im Hinblick auf das Weitergabeverbot des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG die Weitergabe einer Insiderinformation nur dann als gerechtfertigt angesehen, wenn sie für die Ausübung einer Arbeit oder eines Berufes oder für die Erfüllung einer Aufgabe „unerlässlich“ ist (s. § 14 Rz. 74a). Da die Regelung des § 7 Nr. 1 WpAIV zur Gewährleistung der Vertraulichkeit während der Befreiung von der Veröffentlichungspflicht im Kern die gleichen Ziele verfolgt wie das Weitergabeverbot nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG, muss die Entscheidung des EuGH auch für die Auslegung des Begriffs unerlässlich i.S. des § 7 Nr. 1 WpAIV als maßgeblich betrachtet werden. Dementsprechend wird der Emittent, gemäß der in § 14 Rz. 74a f. dargelegten Auslegung der Entscheidung, während der Dauer der Befreiung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG nur solchen Personen den Zugang zu einer Insiderinformation gewähren dürfen, welche die Information benötigen, um eine aus betriebsorganisatorischer Sicht sinnvolle Aufgabe oder Tätigkeit beruflicher oder sonstiger Art sachgerecht wahrnehmen zu können (s. § 14 Rz. 74a)5, wobei auch hier nach den Ausführungen in § 14 Rz. 74b insbesondere zwischen unternehmensinterner und unternehmensexterner Weitergabe zu differenzieren ist. 163 Wenn Art. 3 Abs. 2 lit. b der Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG (Rz. 1) verlangt, der Emittent habe zum Zweck der Kontrolle des Zugangs zu Insiderinformationen auch sicherzustellen, dass jede Person, die Zugang zu derlei Informationen hat, die sich daraus ergebenden rechtlichen sowie regulatorischen Pflichten anerkennt und sich der Sanktionen bewusst ist, die bei einer missbräuchlichen Verwendung bzw. 1 Ebenso Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 137. A.A. Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 164, nach dem die Vorkehrung einer unverzüglichen Veröffentlichung (entgegen der Überschrift des § 7 WpAIV) nicht zur Gewährleistung der Vertraulichkeit gehört, doch ändert dies nichts an der sich aus § 7 Nr. 2 WpAIV ergebenden Pflicht. 2 Der Begriff „benötigen“ wird in diesem Zusammenhang auch von der BaFin in ihrem Emittentenleitfaden 2009, S. 67, verwandt. 3 So auch Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 393. 4 EuGH v. 22.11.2005 – Rs C-384/02 („Grøngaard und Bang“), WM 2006, 612. 5 Ebenso etwa Cahn/Götz, AG 2007, 226; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.304; Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 393; Simon, Der Konzern 2005, 21; Veith, NZG 2005, 257 f.; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 70 („erforderlich“).
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§ 15
Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
bei einer nicht ordnungsgemäßen Verbreitung derartiger Sanktionen verhängt werden, so ist dieses Anerkennungs- und Aufklärungserfordernis in § 15b Abs. 1 Satz 3 WpHG aufgenommen worden: Es wird dadurch erfüllt, dass der Emittent die Personen, die bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen haben und in das nach § 15b Abs. 1 Satz 1 WpHG zu führende Insiderverzeichnis aufzunehmen sind, nach § 15b Abs. 1 Satz 3 WpHG über die rechtlichen Pflichten, die sich aus dem Zugang zu Insiderinformationen ergeben sowie über die Rechtsfolgen von Verstößen aufklärt1. Die Anforderungen des § 7 WpAIV verlangen nur die Kontrolle des Zugangs zur Insiderinformation, d.h. die generelle oder anlassbezogene Möglichkeit, von der Insiderinformation Kenntnis zu erlangen2. Soweit es um die konkrete unmittelbare Weitergabe der Insiderinformation geht, sind allein die sich aus § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG ergebenden Anforderungen an die befugte Weitergabe einer Insiderinformation maßgeblich. Das entspricht dem Zweck der Vorschrift, die sich aus der arbeitsteiligen Organisation und den dieser folgenden Informationskanälen eröffnenden Möglichkeit des Zugangs zu der fraglichen Insiderinformation auf das Notwendige zu reduzieren und damit das aus dem Aufschub der Veröffentlichung der Insiderinformation folgende Risiko der missbräuchlichen Verwendung3 derselben zu minimieren.
164
Welche Vorkehrungen der Emittent trifft, um die Vertraulichkeit der Insiderinforma- 165 tion während des Aufschubs ihrer Veröffentlichung zu gewährleisten, ist seine Sache. Er mag dazu „zumindest vorübergehend die Schaffung einer Compliance-Struktur mit der Einrichtung strikter Vertraulichkeitsbereiche und klarer Regeln, unter welchen Voraussetzungen eine Insiderinformation in- und extern weitergegeben werden kann“4, erwägen, doch ist dies nicht generell erforderlich5. Beschränkt sich die Kenntnis von der Insiderinformation etwa auf den nur aus wenigen Mitgliedern bestehenden Vorstand des Emittenten, kann schon ein wechselseitiges Versprechen, die Information an niemanden weiterzugeben, ausreichen6. Eine Dokumentation der ergriffenen Maßnahmen zur Gewährleistung der Vertraulichkeit der Insiderinformation ist ebenfalls nicht zwingend geboten7, aber zum Zwecke des Nachweises der Erfüllung der Voraussetzungen des Aufschubs der Veröffentlichung der Insiderinformation und wegen der zivilrechtlichen und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Sanktionen
1 I.E. ebenso Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 115; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 136; Harbarth, ZIP 2005, 1906; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.305; Sönke Schröder, S. 147; Tollkühn, ZIP 2004, 2219; Veith, NZG 2005, 258; Ziemons, NZG 2004, 543; Zimmer, in: FS Schwark, S. 678. RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 35, führt das Erfordernis als ein sich aus § 15 Abs. 3 WpHG ergebendes an, obwohl es weder im Wortlaut dieser Bestimmung noch in demjenigen des § 7 WpAIV einen Niederschlag gefunden hat. 2 Zum Begriff des Zugangs vgl. die Erläuterungen zu § 15b Rz. 39 f. und BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 115. 3 S. Sven H. Schneider, BB 2005, 900. 4 Brandi/Süßmann, AG 2004, 650, als generelle Anforderung aber überzogen. 5 Ebenso Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 14.254; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 164. A.A. Brandi/Süßmann, AG 2004, 650; Tollkühn, ZIP 2004, 2218. 6 Im Grundsatz ebenso Seibt/Bremkamp, AG 2008, 478 (dokumentiertes wechselseitiges Versprechen ausreichend). 7 Anders wiederum Brandi/Süßmann, AG 2004, 650, allerdings ohne Begründung, woraus sich diese Pflicht ergeben soll. Diesen folgend, aber ebenfalls ohne Begründung, Schwintek, S. 35. Wie hier aber das in der nachfolgenden Fn. angeführte Schrifttum.
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§ 15
Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
eines unzulässigen Aufschubs der Veröffentlichung von Insiderinformationen (§§ 15 Abs. 6, 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. a WpHG) anzuraten1. d) Legalausnahme oder Erfordernis einer Befreiungsentscheidung? 165a
Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG ist der Emittent von der Pflicht zur Veröffentlichung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG solange befreit, wie es der Schutz seiner berechtigten Interessen erfordert, keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten ist und der Emittent die Vertraulichkeit der Insiderinformation gewährleisten kann. Das spricht dafür, dass es sich bei der Bestimmung um eine Legalausnahme von der Pflicht zu Ad-hoc-Publizität handelt, die „automatisch“ eingreift, wenn die in ihr genannten Voraussetzung zum Aufschub der Veröffentlichung einer Insiderinformation vorliegen. Gleichwohl ging das Schrifttum zu der erst durch das AnSVG (Einl. Rz. 29) in das Gesetz gelangten Vorschrift wie selbstverständlich davon aus, dass der auf § 15 Abs. 3 WpHG gestützte Aufschub der nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG gebotenen Veröffentlichung einer Insiderinformation eine Entscheidung des Emittenten voraussetzt, sich von der Veröffentlichungspflicht zu befreien. Das mag an dem Umstand gelegen haben, dass der Emittent bis zur Neufassung des § 15 Abs. 3 WpHG durch das AnSVG nur dann von der Veröffentlichung einer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG ad hoc zu publizierenden Insiderinformation befreit war, wenn die Aufsichtsbehörde auf dessen Antrag entschieden hatte, diesen von der Pflicht zur Ad-hoc-Veröffentlichung einer publizitätspflichtigen Information zu befreien (s. Rz. 129). Deshalb war schnell davon die Rede, der Emittent könne sich eigenverantwortlich von der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität befreien, was bereits das Erfordernis einer diesbezüglichen Entscheidung des Emittenten – kurz: eine Selbstbefreiungsentscheidung – insinuierte (so auch 4. Aufl. des Kommentars Rz. 129).
165b
Nur wenige Stimmen hielten es anfänglich überhaupt für angezeigt, der Frage nachzugehen, ob § 15 Abs. 3 WpHG eine Befreiungsentscheidung voraussetze und falls ja, wer diese in welcher Form zu treffen habe. Sämtlich gelangten sie zu dem Ergebnis, § 15 Abs. 3 WpHG verlange eine mit dem Eintritt der veröffentlichungspflichtigen Insiderinformation zeitnah2 zur Entstehung der Veröffentlichungspflicht zu treffende und konkrete3 Entscheidung des Emittenten, sich von der Pflicht zur Veröffentlichung einer Insiderinformation zu befreien4. In § 15 Abs. 3 Satz 4 WpHG bringe das Gesetz „zum Ausdruck, dass es eine Befreiung gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG ohne
1 Ebenso Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 935; Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 116; Gunßer, S. 102; Harbarth, ZIP 2005, 1906; Simon, Der Konzern 2005, 21; Sven H. Schneider, BB 2005, 902; Veith, NZG 2005, 259; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 164. 2 Uwe H. Schneider/Gilfrich, BB 2007, 55 f. 3 Uwe H. Schneider/Gilfrich, BB 2007, 55 (56) (Zsf. Nr. 3). 4 Harbarth, ZIP 2005, 1904; Sven H. Schneider, BB 2005, 900. Nicht eindeutig sind die Ausführungen von Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), Handbuch börsennotierte AG, 2005, § 14 Rz. 51, bei dem es (Hervorhebung hinzugefügt) heißt, dass „nicht mehr die BaFin … entscheidet, … sondern der Emittent“ selbst, um im Anschluss daran aber festzustellen: Der Emittent „ist nach § 15 Abs. 3 WpHG n.F. automatisch von der Pflicht zur Veröffentlichung befreit, solange …“; unklar auch in der 2. Aufl. 2009, § 14 Rz. 34 ff. Ähnlich Kuthe, ZIP 2004, 885. Auch im Emittentenleitfaden der BaFin von 2005 heißt es S. 53, nach der neuen Gesetzeslage könne „der Emittent den Aufschub der Veröffentlichung einer Insiderinformation eigenverantwortlich vornehmen, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben“ seien, wobei sich aus den weiteren Ausführungen ergibt, dass die BaFin davon ausgeht, die Vornahme der Befreiung verlange eine diesbezügliche Entscheidung.
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Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
eine entsprechende Entscheidung für nicht denkbar“ halte1. Allerdings wurde überwiegend konzediert, die Entscheidung könne formfrei2, damit auch konkludent vorgenommen werden3 und sei in dem Sinne delegierbar, dass sie nicht vom Vorstand selbst, sondern auch von der Compliance- oder Rechtsabteilung vorgenommen werden könne4. Uwe H. Schneider/Gilfrich5 haben diese Ansicht in einer ausführlichen Untersuchung bekräftigt und um die (auch bei der Annahme eines Selbstbefreiungserfordernisses schwerlich haltbare) Annahme einer Pflicht zur Dokumentation der Selbstbefreiungsentscheidung6 ergänzt. Auch die BaFin gibt im Emittentenleitfaden7 kund, der Wortlaut des § 15 Abs. 3 WpHG könne zwar so verstanden werden, dass eine Befreiung automatisch erfolge, beziehe man jedoch § 8 Abs. 5 WpAIV mit ein, ergebe sich, „dass die Befreiung aktiv in Anspruch genommen werden“ müsse. Diesbezüglich geht die BaFin davon aus, für die Selbstbefreiung sei ein „Beschluss des geschäftsführenden Organs“ herbeizuführen. Liege eine veröffentlichungspflichtige Insiderinformation vor und werde keine Befreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG beschlossen, stelle das Unterlassen der Veröffentlichung selbst dann einen Verstoß gegen § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG dar, wenn theoretisch die Möglichkeit einer Befreiung bestanden hätte. Das gibt die anfangs überwiegende Ansicht8 wieder, die heute aber zunehmend von der Auffassung einer Legalausnahme (dazu unten Rz. 165d) verdrängt wird. Misslich ist diese Ansicht weniger für diejenigen, die aus Nachlässigkeit eine In- 165c siderinformation übersehen haben, die aber de facto nicht hätte veröffentlicht werden müssen, sondern vor allem für diejenigen, die mit guten Gründen und bona fide davon ausgegangen sind, es läge keine Insiderinformation vor, dementsprechend keinen weiteren Handlungsbedarf sehen, die Veröffentlichung der Information aber auf Grund der Umstände ohne Weiteres nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG hätten aufschieben können. Letztere werden in Zukunft vorsorglich Entscheidungen zur Selbstbefreiung („Vorratsbeschlüsse“9) herbeiführen, stehen dann aber vor der Frage, wie sie mit dieser und der potentiellen Insiderinformation im Hinblick auf die sich aus § 15 Abs. 3 Sätze 2–4, Abs. 4 Satz 1 WpHG ergebende Pflicht zur unverzüglichen Nachholung der Veröffentlichung der Information und zur Mitteilung der Gründe für die Befreiung unter Angabe des Zeitpunktes der Entscheidung über den Aufschub der
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Harbarth, ZIP 2005, 1898 (1904). Uwe H. Schneider/Gilfrich, BB 2007, 56. Harbarth, ZIP 2005, 1904; Sven H. Schneider, BB 2005, 900. Sven H. Schneider, BB 2005, 900. Auch Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 75. Uwe H. Schneider/Gilfrich, BB 2007, 53 ff. Uwe H. Schneider/Gilfrich, BB 2007, 56. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 65. Dreyling, Der Konzern 2005, 3; Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 74; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 129 (ohne nähere Begründung); Harbarth, ZIP 2005, 1904; Lebherz, S. 131; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.292; Mennicke, NZG 2009, 1061; Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 345; Uwe H. Schneider/Gilfrich, BB 2007, 55 f.; Sven H. Schneider, BB 2005, 900; Sönke Schröder, S. 167; Widder, BB 2009, 971. Wohl auch Bressler, in: BuB, Rz. 7/780. Sven H. Schneider, BB 2005, 900; Uwe H. Schneider/Gilfrich, BB 2007, 55, mit Ausführungen zu den Anforderungen an die Entscheidung. Kritisch, aber wohl nur auf die irreführende Terminologie „Vorratsbeschluss“ zurückzuführen, Frowein, in: Habersack/Mülbert/ Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 122 i.V.m. Rz. 73 (keine „Vorratsentscheidung“ möglich, da Bezugspunkt eine konkrete Insiderinformation sein muss; deshalb kommt lediglich Befreiung im Falle der Unsicherheit über das Vorliegen einer Insiderinformation in Betracht).
Assmann
623
§ 15
Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
Veröffentlichung umgehen sollen. All dies sind höchst überflüssige Komplikationen, denn in der Sache ist der Ansicht, § 15 Abs. 3 WpHG erfordere eine Entscheidung des Emittenten, nicht zu folgen. Die umzusetzende Marktmissbrauchsrichtlinie (s. Rz. 1, 131) verlangt sie nicht1 und andere europäische Staaten, wie namentlich Frankreich2, kommen ohne eine Selbstbefreiungsentscheidung aus. Auch das WpHG verlangt sie nicht. 165d
Der Wortlaut der die Befreiungsvoraussetzungen enthaltenden Vorschrift des § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG gibt für das Erfordernis einer Selbstbefreiungsentscheidung als Bedingung einer Befreiung von der Pflicht zur Veröffentlichung einer Insiderinformation nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG keinerlei Anhaltspunkte3. Vielmehr ist § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG als eine Legalausnahme von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG zu betrachten, so dass es der Veröffentlichung einer Insiderinformation solange nicht bedarf, wie die Voraussetzungen des Aufschubs der Veröffentlichung nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG gegeben sind4. Eine Entscheidung über die Verzögerung der Veröffentlichung einer Insiderinformation wird durch das Gesetz, in Gestalt des § 15 Abs. 3 Satz 4 WpHG, erst für den Zeitpunkt ins Spiel gebracht, in dem die Veröffentlichung nach § 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG nachzuholen ist. Die zur Nachholung erforderliche Vorabmitteilung an die BaFin verlangt zwar die „Angabe des Zeitpunkts der Entscheidung über den Aufschub der Veröffentlichung“ (§ 15 Abs. 3 Satz 4 WpHG, entsprechend § 8 Abs. 5 Nr. 2 lit. a WpAIV), doch ist diese Angabe zur Kontrolle der Frage, ob die Voraussetzungen der Befreiung nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG vorgelegen haben, keineswegs erforderlich; deshalb reicht diesbezüglich die Angabe des Zeitpunkts, in dem die Insiderinformation, hätten die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG nicht vorgelegen, zu veröffentlichen gewesen wäre.
1 Weder Art. 6 Abs. 2 der Marktmissbrauchsrichtlinie (Rz. 1) noch die Erwägungsgründe oder andere Bestimmungen der Richtlinie geben Anhaltspunkte dafür, dass der Aufschub der Veröffentlichung einer veröffentlichungspflichtigen Insiderinformation eine Selbstbefreiungsentscheidung des Emittenten voraussetze. Ebenso Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 170. 2 S. Art. 223-2 Abs. 2 Règlement général de l’Autorité des marches financiers (abrufbar unter http://www.amf-france.org/documents/general/7552_1.pdf): „L’émetteur peut, sous sa propre responsabilité, différer la publication d’une information privilégiée afin de ne pas porter atteinte à ses intérêts légitimes, sous réserve que cette omission ne risque pas d’induire le public en erreur et que l’émetteur soit en mesure d’assurer la confidentialité de ladite information en contrôlant l’accès à cette dernière, et en particulier, …“. 3 OLG Stuttgart v. 22.4.2009 – 20 Kap 1/08, AG 2009, 454 (Rz. 155) = ZIP 2009, 962: Gegen das Erfordernis einer bewussten und dokumentierten Entscheidung über die Inanspruchnahme der Befreiung „sprechen der Wortlaut von § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG, wonach der Emittent unter den genannten Voraussetzungen von dieser Pflicht befreit ist …, und der Umstand, dass der Emittent bei Vorliegen der Voraussetzungen die Befreiung ohnehin in Anspruch zu nehmen hat“. Zustimmend Nikoleyczik, GWR 2009, 84. Der den Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG ignorierenden Ansicht wird dementsprechend auch entgegengehalten, die Annahme des Erfordernisses einer bewussten Selbstbefreiungsentscheidung des Emittenten verstoße gegen das Analogieverbot des Art. 103 Abs. 2 GG: Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 171; Zimmer, in: FS Schwark, S. 671; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 54. A.A. Uwe H. Schneider/Gilfrich, BB 2007, 54. 4 OLG Stuttgart v. 22.4.2009 – 20 Kap 1/08, AG 2009, 454 Ls. 2a („Für den Aufschub der Veröffentlichung einer Insiderinformation nach § 15 Abs. 3 WpHG bedarf es keiner bewussten Entscheidung des Emittenten“) (Rz. 155) = ZIP 2009, 962. Ebenso Eichner, S. 119; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 171, mit ausführlicher Auseinandersetzung mit den möglichen Gegenargumenten in Rz. 168 ff.; Zimmer, in: FS Schwark, S. 671, 682; Zimmer/ Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 54. Auch Kuthe, ZIP 2004, 885; Nietsch, BB 2005, 786; Veith, NZG 2005, 254.
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§ 15
Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
Dafür, dass es sowohl de iure als auch in der Sache einer Selbstbefreiungsentscheidung des Emittenten nicht bedarf, um die Pflicht zur Veröffentlichung einer Insiderinformation bei Vorliegen der in § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG formulierten Voraussetzungen bis zum Wegfall dieser Voraussetzungen entfallen zu lassen, sprechen eine Reihe von Gründen: – Zunächst wird es in einer Vielzahl von Fällen gar nicht zur Nachholung der aufgeschobenen Veröffentlichung der Insiderinformation kommen, weil diese im Zeitpunkt, in dem die Aufschubgründe entfallen sind, nicht mehr als solche existiert1. So ist etwa ein Liquiditätsengpass, der zwar eine Insiderinformation darstellt, aber gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG zulässigerweise nicht veröffentlicht wurde, dann nicht mehr nach § 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG nachträglich bekanntzumachen, wenn er nach erfolgreichen Verhandlungen behoben wurde und damit die Aufschubgründe entfallen sind2. Ob der Nichtveröffentlichung des Liquiditätsengpasses eine Entscheidung des Emittenten zu Grunde lag oder nicht, wird die BaFin unter diesen Umstände regelmäßig nicht erfahren; jedenfalls kennt das Gesetz für diesen Fall keine Mitteilungspflicht gegenüber der Aufsichtsbehörde. Erlangt die Aufsichtsbehörde aber gleichwohl tatsächlich Kenntnis von den Umständen und dem Aufschub einer Insiderinformation, die vorbehaltlich der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG ad hoc zu veröffentlichen gewesen wäre, kann es nur darauf ankommen, ob die Aufschubvoraussetzungen – mit oder ohne Entscheidung zur Selbstbefreiung – vom Eintritt der Insiderinformation bis zum Wegfall der fraglichen Insiderinformation auf andere Weise als durch öffentliches Bekanntwerden tatsächlich vorgelegen haben. Die Vorschrift des § 15 Abs. 3 WpHG ist auch unter diesen Umständen weder außer Kraft gesetzt noch hängt ihre Durchsetzung in irgendeiner Weise davon ab, ob der Emittent eine Entscheidung zur Selbstbefreiung getroffen hat oder nicht. – Ob eine Selbstbefreiungsentscheidung vorgelegen hat oder nicht, ist des Weiteren auch dann belanglos, wenn an die Stelle der ursprünglichen Insiderinformation eine andere getreten ist. Entsprechendes gilt, wenn sich die ursprüngliche Insiderinformation nur graduell geändert hat. In diesem Falle ist sie „in ihrer zum Veröffentlichungszeitpunkt aktuellen Fassung zu veröffentlichen“3. Auch hier kommt es allein darauf an, dass der Emittent nachweisen kann, dass die Aufschubvoraussetzungen des § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG mit Eintritt der Insiderinformation bis zur Vornahme der Nachholung der Veröffentlichung vorgelegen haben. Weshalb in diesem Zusammenhang eine Entscheidung des Emittenten erforderlich sein sollte, ist nicht erkennbar4. Es genügt vielmehr die Entscheidung des Emittenten, die Information nach Wegfall der Aufschubgründe zu veröffentlichen. – Sodann ist die Vornahme einer Selbstbefreiungsentscheidung auch dann nicht erforderlich, wenn es – etwa weil die Insiderinformation zwischenzeitlich anderweitig öffentlich bekannt wurde – um die unterlassene Nachholung der aufgeschobenen Veröffentlichung nach Wegfall der Aufschubgründe nach § 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG und die unterlassene Nachholung der Mitteilung nach § 15 Abs. 3 Satz 4 1 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 65: „Es sind Sachverhalte denkbar, bei denen im Befreiungszeitraum die veröffentlichungspflichtige Insiderinformation entfällt bzw. sich erledigt. Der Gesetzgeber hat bewusst in Kauf genommen, dass solche Insiderinformationen dann nicht mehr veröffentlicht werden und auch keine Mitteilung über die vorgenommene Befreiung gegenüber der BaFin erfolgt.“ 2 Ähnliches Beispiel in BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 65. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 65, 69. 4 Ebenso Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 169.
Assmann
625
165e
§ 15
Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
WpHG geht. Im Hinblick auf die Frage, ob in diesem Falle gegen §§ 15 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 4 und Abs. 4, 39 Abs. 2 Nr. 2 lit c und Nr. 5 lit. a WpHG verstoßen wurde, wird es allein darauf ankommen, ob eine veröffentlichungspflichtige Insiderinformation vorlag, die Aufschubvoraussetzungen nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG mit Eintritt der Insiderinformation erfüllt waren und die Aufschubvoraussetzungen als Auslöser der Nachholungs- und Mitteilungspflicht nach § 15 Abs. 3 Sätze 2 und 4 WpHG später entfallen sind. – Schließlich ist die Vornahme oder Nichtvornahme einer Selbstbefreiungsentscheidung erst recht dann belanglos, wenn die Voraussetzungen des Aufschubs der Veröffentlichung von vornherein nicht vorlagen. 165f
Der Gesetzeszweck des § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG, die Nichtveröffentlichung einer ad-hoc-publizitätspflichtigen Insiderinformation so lange zu erlauben, als es der Schutz der berechtigten Interessen rechtfertigt und die übrigen Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG gegeben sind, sowie die Überwachung der Voraussetzungen dieser Bestimmungen und der an den Wegfall der Aufschubvoraussetzungen anknüpfenden Verhaltenspflichten (nach § 15 Abs. 3 Sätze 2–4 WpHG) im Rahmen des gesetzlich Vorgesehenen, machen es mithin nicht erforderlich, vom Emittenten eine Selbstbefreiungsentscheidung zu verlangen, wenn die Nichtveröffentlichung einer Insiderinformation durch Erfüllung der in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG genannten Voraussetzungen objektiv gerechtfertigt ist. Auch die Erfüllung der in § 7 WpAIV aufgestellten Anforderung an die Gewährleistung der Vertraulichkeit der Insiderinformation während der Dauer des Aufschubs ihrer Veröffentlichung – die Kontrolle des Zugangs zur Insiderinformation – ist nicht von einer Selbstbefreiungsentscheidung des Emittenten abhängig und ist auch ohne eine solche durch die BaFin ohne weiteres kontrollierbar. Zwar fördert eine Selbstbefreiungsentscheidung das Bewusstsein für die Schaffung und Aufrechterhaltung von Mechanismen zur Kontrolle des Zugangs zu Insiderinformationen und erleichtert gegebenenfalls ihren Nachweis, doch ist allein entscheidend, dass eine solche Zugangskontrolle tatsächlich bestand. Zwar mag eine Entscheidung zur Selbstbefreiung auch insoweit im Interesse des Selbstschutzes des Emittenten sinnvoll sein1, als sie ihn zur Überprüfung der Voraussetzungen und der Fortdauer des Aufschubs der Veröffentlichung einer ihn unmittelbar betreffenden Insiderinformation zwingt, doch ist dieser Selbstschutz ein Nebeneffekt und nicht das Ziel des Gesetzes. Auch der Hinweis der BaFin im Emittentenleitfaden, „der gesamte Prozess sollte ausreichend dokumentiert werden“2, ist erkennbar nur als Ratschlag im Hinblick auf die Möglichkeit des Nachweises der Aufschubvoraussetzungen zu deuten. Obschon § 15 Abs. 3 Satz 4 WpHG im Hinblick auf die der Aufsichtsbehörde vor Nachholung einer aufgeschobenen Insiderinformation mitzuteilenden Informationen die Angabe des „Zeitpunkts der Entscheidung über den Aufschub der Veröffentlichung“ verlangt, kann diese im Zusammenhang mit Überwachungsaufgaben der BaFin stehende Angabe, die beim Fehlen einer Selbstbefreiungsentscheidung ohne weiteres durch die Benennung des Zeitpunkts der Entstehung der Veröffentlichungspflicht ersetzt werden kann, aus den dargelegten Gründen (Rz. 165d f.) nicht zu den Befreiungsvoraussetzungen gezählt werden. Nur am Rande sei erwähnt, dass die Deutung des § 15 Abs. 3 WpHG als eine Legalausnahme einem Regelungssystem entspricht, das dem deutschen und europäischen Wirtschaftsrecht keineswegs unbekannt ist und insbesondere weitgehend demjenigen gleicht, wie es die Verordnung EG Nr. 1/2003 vom 16.12.2002 zur Durchführung der in den Artt. 81, 82 EG, jetzt Artt. 101, 102 AEUV niedergelegten Wettbewerbs1 Uwe H. Schneider/Gilfrich, BB 2007, 55. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 65.
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Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
regeln1 im Hinblick auf das Verhältnis von Wettbewerbsverboten und bestimmten Ausnahmen von diesen Verboten geschaffen hat. 3. Nachholung der Veröffentlichung (§ 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG) a) Nachholungspflicht Sobald eine der in § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG aufgeführten Voraussetzungen des Aufschubs der Veröffentlichung (s. Rz. 133 ff.) entfällt, lebt die Veröffentlichungspflicht wieder auf und der Emittent hat die Veröffentlichung der Insiderinformation gemäß § 15 Abs. 3 WpHG unverzüglich nachzuholen. Eine solche Pflicht zur Nachholung der Veröffentlichung steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass die diesbezüglichen Voraussetzungen nicht ihrerseits weggefallen sind (s. unten Rz. 173 f.).
166
Um die aufgeschobene Veröffentlichung der Insiderinformation nachholen zu können, ist es angezeigt, alle für die Erstellung der Ad-hoc-Veröffentlichung und alle zur Begründung der Befreiung erforderlichen Informationen so vorzuhalten, dass sowohl die Mitteilung der Befreiung (§ 15 Abs. 3 Satz 4 WpHG) als auch die Vorabmitteilung über die Veröffentlichung und die Veröffentlichung der Insiderinformation selbst (§ 15 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 WpHG) unverzüglich erfolgen können (vgl. § 7 Nr. 2 WpAIV)2; s. dazu auch Rz. 248 ff.
167
b) Wegfall der Aufschubvoraussetzungen Unterschiedlich beantwortet wird die Frage, ob aufkommende Gerüchte hinsichtlich 168 des suspendierten Sachverhalts eine Veröffentlichung der Insiderinformation gebieten. Eine Mindermeinung verneint dies grundsätzlich, nimmt eine Veröffentlichungspflicht aber ausnahmsweise für den Fall an, dass die Gerüchte geeignet sind, eine Irreführung der Öffentlichkeit herbeizuführen3. Anders die herrschende Ansicht: Ihr zufolge können den Gegenstand der Insiderinformation betreffende Gerüchte eine Veröffentlichungspflicht begründen4, doch wird ganz überwiegend danach differenziert, ob das Gerücht ein aus der Sicht des Emittenten von außen kommendes „Marktgerücht“ darstelle oder auf eine Vertraulichkeitslücke im Herrschaftsbereich des Emittenten zurückzuführen sei: im erstgenannten Fall soll der Emittent weiterhin zum Aufschub der Veröffentlichung berechtigt sein; im letztgenannten Fall soll er dagegen verpflichtet sein, die Veröffentlichung der Insiderinformation unverzüglich vorzunehmen5. Da die Ermittlung der Herkunft eines Gerüchts regelmäßig Schwierigkeiten bereitet, will eine weitere Mindermeinung im 1 2 3 4
ABl. EG Nr. L 1 v. 4.1.2003, S. 1 ff. Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 76. Bürgers, BKR 2004, 426; Gunßer, S. 100; Spindler, NJW 2004, 3452. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 67 f.; Brandi/Süßmann, AG 2004, 652 f. (656); Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 935; Harbarth, ZIP 2005, 1906 f.; Kuthe, ZIP 2004, 885; Möllers, WM 2005, 1397; Veith, NZG 2005, 258. 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 67/68; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 935; Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 15 WpHG Rz. 16; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 57, 138; Gunßer, S. 100, 102, in Bezug auf Marktgerücht; Harbarth, ZIP 2005, 1906 f.; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 104; Merkner/Sustmann, NZG 2005, 731; Möllers, WM 2005, 1397; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.307; Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 14.255; Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 395; Veith, NZG 2005, 258. I.E. ebenso, aber neben der Quelle auch auf den Inhalt des Gerüchts abstellend, Bachmann, ZHR 172 (2008), 611; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 159, 165.
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§ 15
Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
Aufkommen von Gerüchten stets den Wegfall der Aufschubvoraussetzungen annehmen1. Abgesehen davon, dass sich aus der Schwierigkeit der Ermittlung der Herkunft eines Gerüchts genauso gut die gegenteilige Schlussfolgerung rechtfertigen lässt und selbst die Frage, unter welchen Voraussetzungen überhaupt von einem Gerücht ausgegangen werden kann, würde diese Mindermeinung die Befreiungsmöglichkeit erheblich einschränken2. Der herrschenden Ansicht ist gewiss, aber auch allein darin zu folgen, dass eine Veröffentlichungspflicht jedenfalls dann entsteht, wenn der Emittent weiß oder Grund zu der Annahme hat, dass die Gerüchte oder das Bekanntwerden der Details auf eine Vertraulichkeitslücke in seinem Herrschaftsbereich zurückzuführen sind. In diesem Falle ist aber ohnehin eine Aufschubvoraussetzung entfallen und das Gerücht allenfalls Indiz3 oder Beleg für eine Vertraulichkeitslücke. Da der Emittent aber dessen ungeachtet stets die Wahrung der Vertraulichkeit der Insiderinformation zu überprüfen hat, um sie gewährleisten zu können, besteht für ihn im Übrigen kein Grund, Gerüchte, die den Gegenstand der Insiderinformation mehr oder weniger betreffen, als Anlass einer Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG zu nehmen. 169 Nicht anders als bei aufkommenden Gerüchten, die sich ganz oder teilweise mit dem Gegenstand der Insiderinformation decken, ist der Emittent auch dann nicht verpflichtet, den Aufschub der Veröffentlichung der Insiderinformation zu beenden und Letztere unverzüglich zu veröffentlichen, wenn die Information ganz oder in Teilen öffentlich bekannt wird und er eine Vertraulichkeitslücke in seiner Sphäre ausschließen kann4. Ist die Information dadurch als öffentlich bekannt anzusehen, entfällt aber ohnehin ihre Eigenschaft, Insiderinformation zu sein, so dass auch die Nachholung der Veröffentlichung derselben nicht mehr in Betracht kommt (s. unten Rz. 171 ff.). 170 Es versteht sich von selbst, dass der Emittent, der trotz aufkommender einschlägiger „Marktgerüchte“ oder öffentlich bekannt werdender Teile der Insiderinformation zur Fortsetzung des Aufschubs der Veröffentlichung der Insiderinformation berechtigt ist, jedoch „aktiv keine gegenläufigen Erklärungen abgeben oder Signale setzen (Dementis)“ darf, „da andernfalls das Tatbestandsmerkmal der Irreführung der Öffentlichkeit erfüllt sein könnte“5. In diesen Fällen rät der Emittentenleitfaden der BaFin dem Emittenten, sich auf eine „no comment policy“ zu beschränken6. c) Gegenstand der Veröffentlichung und Wegfall der Veröffentlichungspflicht 171 Gegenstand der nachzuholenden Veröffentlichung ist die Insiderinformation, deren Veröffentlichung aufgeschoben wurde. Veröffentlichungspflichtig ist die fragliche Insiderinformation allerdings nur in der Gestalt, die sie im Zeitpunkt, in dem die Pflicht zur Nachholung ihrer Veröffentlichung entsteht, aufweist.
1 Fleischer/Schmolke, AG 2007, 851; Brandi/Süßmann, AG 2004, 653 (657); Kuthe, ZIP 2004, 885. 2 Zutreffend Bachmann, ZHR 172 (2008), 611. 3 Ebenso Bachmann, ZHR 172 (2008), 611. 4 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 67. 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 68; Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 15 WpHG Rz. 16; Gunßer, S. 100; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 935; Veith, NZG 2005, 357; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 165. 6 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 67; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 104.
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§ 15
Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
Hat sich der Sachverhalt, der Gegenstand der Insiderinformation war, zwischenzeit- 172 lich verändert, so ist in der nachholenden Veröffentlichung nach § 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG der aktuelle Sachstand zu veröffentlichen, vorausgesetzt, die Information über denselben stellt zu diesem Zeitpunkt (noch) eine Insiderinformation dar1. Wäre ursprünglich bspw. über einen „Letter of Intent“ über ein Kooperationsabkommen im Hinblick auf die Produktion und den Vertrieb von Dings zu berichten gewesen, wurde auf Grund der nachfolgenden Verhandlungen jedoch eine Vertriebskooperation vereinbart, so ist in der nachholenden Veröffentlichung allein die Letztere zu publizieren. Fraglos wäre die Veröffentlichung einer mit der Wirklichkeit nicht mehr übereinstimmenden Information irreführend. Wollte man dies vermeiden, wäre in der nachholenden Ad-hoc-Veröffentlichung über die Geschichte des Aufschubs der Veröffentlichung der ursprünglichen Insiderinformation und ihre Veränderung über den Zeitraum des Aufschubs der Veröffentlichung zu berichten, obwohl die gebotenen Erläuterungen selbst keine Insiderinformationen darstellen und am Ende doch allein die Mitteilung der Insiderinformation in ihrem aktuellen Gehalt maßgeblich wäre. Auch wenn der eine oder andere Anleger ein Interesse an der Geschichte der Aufschiebung einer Insiderinformation haben mag, ist es Aufgabe der Ad-hoc-Publizität allein, unverzüglich, präzise und entsprechend § 15 Abs. 2 Satz 1 WpHG ohne störendes Beiwerk aktuelle Insiderinformationen publik zu machen. Das gilt auch für den Fall, dass der Umstand, der Gegenstand der nicht veröffentlich- 173 ten Insiderinformation war, zwischenzeitlich ganz entfallen ist2. Zu denken ist etwa daran, dass die Vertragsverhandlungen, über die zu berichten aufgeschoben wurde, zwischenzeitlich eingestellt wurden oder der nicht veröffentlichte, durch die Kündigung einer Kreditlinie eingetretene Liquiditätsengpass des Emittenten auf Grund erfolgreicher Verhandlung mit dem Kreditgeber beseitigt wurde. Wiederum mag der 1 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 65 („Liegt nach Ablauf des Befreiungszeitraums noch eine Insiderinformation vor, ist die Insiderinformation in ihrer zum Veröffentlichungszeitpunkt aktuellen Fassung zu veröffentlichen“), S. 69 („Sollte ein Befreiungssachverhalt nach § 15 Abs. 3 WpHG vorliegen und verändern sich die zugrunde liegenden Umstände im Laufe des Befreiungszeitraums bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Ad-hoc Mitteilung, ist hinsichtlich des Datums des Eintritts der Information auf diese geänderten Umstände abzustellen“); Bachmann, ZHR 172 (2008), 611 f.; Bressler, in: BuB, Rz. 7/778c; Eichner, S. 121; Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 15 WpHG Rz. 17; Eichner, S. 121; Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 126; Harbarth, ZIP 2005, 1906 f.; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 107; Kümpel/Veil, Wertpapierhandelsgesetz, S. 100; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.308; Merkner/Sustmann, NZG 2005, 738; Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 14.257; Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 400; Sven H. Schneider, BB 2005, 901; Sönke Schröder, S. 175; Schwintek, S. 35; Simon, Der Konzern 2005, 22; Veith, NZG 2005, 258; Zimmer, in: FS Schwark, S. 680; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 76. A.A. Holzborn/Israel, WM 2004, 1952; Tollkühn, ZIP 2004, 2219 (2220); unklar, aber wohl ebenfalls a.A. Bürgers, BKR 2004, 426. Unentschieden Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 935; Kuthe, ZIP 2004, 886; Spindler, NJW 2004, 3452; Ziemons, NZG 2004, 543. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 65; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 311; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 935; Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 15 WpHG Rz. 17; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 139; Harbarth, ZIP 2005, 1906; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 107; Kuthe, ZIP 2004, 886; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 17 Rz. 45; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.308; Merkner/Sustmann, NZG 2005, 738; Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bankund Kapitalmarktrecht, Rz. 14.257; Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 400; Simon, Der Konzern 2005, 22; Sven H. Schneider, BB 2005, 901; Veith, NZG 2004, 258 (allerdings mit Vorbehalten); Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 186 f.; Zimmer, in: FS Schwark, S. 680; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 75. A.A. Gunßer, S. 106; Tollkühn, ZIP 2004, 2219 f.; wohl auch Kuthe, ZIP 2004, 886.
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§ 15
Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
Markt durchaus an Informationen über beseitigte Krisen und die Art ihrer Bewältigung interessiert sein, doch sind diesbezügliche Informationen nicht Aufgabe der Adhoc-Publizität, die ausschließlich Insiderinformationen zum Gegenstand hat1. Dass hinsichtlich ihrer Veröffentlichung aufgeschobene „Insiderinformationen dann nicht mehr veröffentlicht werden und auch keine Mitteilung über die vorgenommene Befreiung gegenüber der BaFin erfolgt“, hat der „Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen“2. 174 Ist die ursprüngliche Insiderinformation, etwa der Abschluss des „Letter of Intent“ über eine Produktions- und Vertriebskooperation“ nicht bekannt geworden, so stellt auch das Ereignis – wie etwa das endgültige Scheitern der weiteren Verhandlungen über die beabsichtigte Produktions- und Vertriebskooperation – regelmäßig keine veröffentlichungspflichtige Information dar, da nicht bestehende und geweckte Erwartungen nicht enttäuscht werden können und es somit an einem kurserheblichen Ereignis oder Umstand fehlt3. d) Vorabmitteilung über die Nachholung der Veröffentlichung (§ 15 Abs. 3 Satz 3 und 4 WpHG) 175 Auf Grund der in § 15 Abs. 3 Satz 3 WpHG angeordneten entsprechenden Anwendung von § 15 Abs. 4 WpHG sind die in § 15 Abs. 4 Satz 1 WpHG angeführten Stellen, darunter insbesondere die BaFin, über die nachholende Veröffentlichung durch Vorabmitteilung zu informieren. In der Vorabmitteilung an die BaFin sind die Gründe für die Befreiung unter Angabe des Zeitpunktes der Entscheidung über den Aufschub der Veröffentlichung mitzuteilen (§ 15 Abs. 3 Satz 4 WpHG). Dadurch wird eine nachträgliche Überprüfung der Entscheidungen der Emittenten über einen Aufschub der Veröffentlichung eingeleitet und es werden die Voraussetzungen für diese Kontrolle geschaffen. 176 Ist der Umstand oder das Ereignis, welche Gegenstand der nicht veröffentlichten Insiderinformation waren, zwischenzeitlich entfallen, besteht weder eine Pflicht zur Nachholung der Veröffentlichung noch zur Vornahme einer Mitteilung an die in § 15 Abs. 4 Satz 1 WpHG angeführten Stellen nach § 15 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 WpHG, darunter die BaFin4. Erst recht entfällt damit auch eine Mitteilungspflicht nach § 15 Abs. 5 Satz 2 WpHG über die Veröffentlichung einer Insiderinformation. Das hat der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen5. 177 In die Vorabmitteilung nach § 15 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 WpHG an die in § 15 Abs. 4 Satz 1 WpHG genannten Stellen sind die in § 8 Abs. 1 WpAIV vorgeschriebenen Angaben aufzunehmen. S. dazu Rz. 261 ff.
1 Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 187. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 65. Ebenso etwa Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 139; Harbarth, ZIP 2005, 1907; Merkner/Sustmann, NZG 2005, 738; Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 400; Sven H. Schneider, BB 2005, 899; Sönke Schröder, S. 174; Schwintek, S. 35; Veith, NZG 2004, 258; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 186 f. Anders Koch, DB 2005, 273; Kuthe, ZIP 2004, 886. 3 Anders Tollkühn, ZIP 2004, 2220. 4 S. schon oben Rz. 173. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 65; Sven H. Schneider, BB 2005, 901; Veith, NZG 2005, 258. Kritisch, aber i.E. ebenso Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 193. A.A. Bachmann, ZHR 172 (2008), 612 f.; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 77. 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 65.
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Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
Die Vorabmitteilung an die BaFin – und allein diese – hat im Hinblick auf die sich 178 aus § 15 Abs. 3 Satz 4 WpHG ergebende Verpflichtung, die Gründe für die Befreiung unter Angabe des Zeitpunkts der Entscheidung über den Aufschub der Veröffentlichung mitzuteilen, den Anforderungen von § 8 Abs. 5 WpAIV zu genügen. Danach muss die Mitteilung an die BaFin folgende Angaben enthalten: – die Gründe für die Befreiung von der Pflicht zur Veröffentlichung, – die Angabe des Zeitpunktes der Entscheidung über den Aufschub der Veröffentlichung, – die Angabe der späteren Termine, an denen der Fortbestand der Gründe überprüft wurde, – die Angabe des Zeitpunktes der Entscheidung über die nunmehr vorzunehmende Mitteilung und Veröffentlichung und – den Vor- und Familiennamen sowie die Geschäftsanschriften und Rufnummern aller Personen, die an der Entscheidung über die Befreiung beteiligt waren. Der Umfang der danach erforderlichen Begründung des Aufschubs einer Ad-hoc-Ver- 179 öffentlichung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, muss es der Aufsichtsbehörde aber in jedem Fall erlauben zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Aufschubs der Veröffentlichung erfüllt waren. Die Begründung hat dementsprechend auf alle diesbezüglichen Voraussetzungen einzugehen. Vor allem muss sie die „berechtigten Interessen“ des Emittenten erkennen lassen und die vorgenommene Abwägung der Interessen des Emittenten am Aufschub der Mitteilung mit denjenigen des Kapitalmarkts an einer Veröffentlichung nachvollziehbar machen1. Hinsichtlich der Form der Vorabmitteilung nach § 15 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 WpHG i.V.m. § 8 Abs. 1–4 WpAIV sind die Vorschriften in § 9 WpAIV zu beachten. S. dazu Rz. 271 f.
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e) Vornahme der Veröffentlichung Die nach § 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG nachzuholende Veröffentlichung muss nach In- 181 halt und Art der Veröffentlichung den Anforderung genügen, die an eine Ad-hoc-Veröffentlichung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG zu stellen sind. Maßgeblich sind deshalb die Bestimmungen von § 15 Abs. 1 Satz 5, Abs. 2 WpHG und §§ 4, 5 WpAIV. S. dazu Rz. 246 ff. f) Übersendung der Veröffentlichung Der Emittent hat die nachzuholende Veröffentlichung i.S. von § 15 Abs. 3 Satz 2 182 WpHG unverzüglich den in § 15 Abs. 4 Satz 1 WpHG angeführten Stellen zu übersenden, es sei denn, die BaFin hat es nach § 15 Abs. 4 Satz 4 WpHG gestattet, die Vorabmitteilung über die Veröffentlichung nach § 15 Abs. 4 Satz 1 WpHG gleichzeitig mit der Veröffentlichung selbst vorzunehmen.
1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 66.
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Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
V. Die Pflicht zur Aktualisierung und Berichtigung von Ad-hoc-Mitteilungen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 WpHG) 1. Aktualisierung einer Ad-hoc-Mitteilung (§ 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG) 183 § 15 WpHG enthält keine Vorschriften, die explizit eine Pflicht zur Aktualisierung einer Ad-hoc-Mitteilung begründen. In § 4 Abs. 2 WpAIV wird aber der Inhalt einer Ad-hoc-Mitteilung für den Fall geregelt, dass wegen einer erheblichen Veränderung einer bereits veröffentlichten Information erneut eine Veröffentlichung nach § 15 Abs. 1 WpHG zu erfolgen hat. Dabei enthält die Bestimmung selbst keine Angaben, unter welchen Voraussetzungen „erneut eine Veröffentlichung“ zu erfolgen hat, sondern setzt ganz offenbar voraus, dass sich die Beantwortung der Frage, ob die „Veränderung“ ad-hoc-publizitätspflichtig ist, an den Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG auszurichten hat. Danach muss der neue Umstand, der die Veränderung zu dem bereits ad hoc publizierten bewirkt, selbst eine (den Emittenten unmittelbar betreffende) Insiderinformation darstellen1: sei es, weil die Abweichung des bereits gemeldeten vom neuen Sachverhalt, oder sei es, weil der neue Sachverhalt für sich genommen die Kurserheblichkeit der diesbezüglichen Information begründet (s. auch § 13 Rz. 22 in Bezug auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Prognose zu korrigieren ist). 184 In beiden der vorgenannten Fälle ist der zu meldende Umstand oder das mitzuteilende Ereignis eine eigenständige, der Ad-hoc-Publizität unterliegende Insiderinformation, und das legt die Frage nahe, ob es auch hier nicht ausreicht, die zu veröffentlichenden Angaben im Wege einer Ad-hoc-Veröffentlichung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG i.V.m. § 4 Abs. 1 WpAIV zu publizieren. Aus aufsichtsrechtlicher Sicht bestehen hierbei nach den Ausführungen der Aufsichtsbehörde offenbar keine Bedenken, wenn es im Emittentenleitfaden heißt, es sei „dem Emittenten in diesen Fällen unbenommen, die Angaben im Rahmen einer ‚normalen‘ Ad-hoc-Meldung“ statt in einer solchen nach Maßgabe von § 4 Abs. 2 WpAIV zu veröffentlichen2. Dagegen ist nichts einzuwenden, da außer in dem Falle, in dem das neue Ereignis auch ohne die frühere Meldung für sich genommen verständlich und kurserheblich ist, auch in einer „normalen“ Ad-hoc-Meldung zum Verständnis der Information auf die mit ihr verbundene „Veränderung“ einzugehen wäre und damit keine anderen Angaben zu machen sind, als sie § 4 Abs. 2 WpAIV verlangt. Deshalb ist zu empfehlen, jedenfalls immer dann eine Ad-hoc-Mitteilung nach Maßgabe von § 4 Abs. 2 WpAIV zu wählen, wenn die Umstände, über die die alte und die neue Meldung zu informieren hat, artgleich sind. Das wiederum darf, als Faustregel, immer dann angenommen werden, wenn in der neuen Meldung das gleiche Schlagwort (i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b und Abs. 2 Nr. 1 lit. b WpAIV, s. Rz. 213) zu verwenden wäre. 185 Zum Inhalt einer „aktualisierenden“ Ad-hoc-Meldung nach § 4 Abs. 2 WpAIV s. Rz. 228 ff.
1 Auch die BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 71, „geht davon aus, dass eine Aktualisierung nur dann zu erfolgen hat, wenn der Aktualisierung ein erhebliches Preisbeeinflussungspotenzial zukommt“. Ebenso Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 127; Gunßer, S. 118; Harbarth, ZIP 2005, 1907; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.331; Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 404; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 235. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 71.
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Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
2. Berichtigung einer Ad-hoc-Mitteilung (§ 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG) Unrichtige Informationen in Ad-hoc-Meldungen wurden schon in der Ursprungsfassung der Vorschrift („unwahre Tatsachen“) als Ordnungswidrigkeiten erfasst (vgl. 3. Aufl. des Kommentars Rz. 129) und werden dies gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. a WpHG auch nach den durch das AnSVG (Einl. Rz. 29) veranlassten Änderungen des Gesetzes.
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Ungeachtet der präventiven Wirkungen der Bußgeldbewehrung von Falschmeldun- 187 gen in Ad-hoc-Mitteilungen stellt die (auf Grund von Art. 2 Ziff. 7 lit. a 4. FFG als § 15 Abs. 1 Satz 4 a.F. in das WpHG eingeführte) Vorschrift des § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG darüber hinaus auch sicher, dass „unwahre Tatsachen“ unverzüglich (s. dazu Rz. 248 ff.) mittels einer Veröffentlichung nach § 15 Abs. 1 WpHG berichtigt werden. Dies gilt auch für den Fall, dass es sich bei den „unwahren Tatsachen“ um Angaben handelte, die nicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG veröffentlichungspflichtig waren und deren Veröffentlichung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 WpHG hätte unterbleiben müssen1. Dementsprechend braucht es sich auch bei der wahren Information nicht um eine Insiderinformation zu handeln. Der Verstoß gegen die Berichtigungspflicht selbst ist allerdings keine bußgeldrecht- 188 lich bewehrte Ordnungswidrigkeit und kann deshalb allenfalls verwaltungsrechtliche Maßnahmen2 der BaFin auslösen. Das war schon nach altem Recht so (s. 3. Aufl. des Kommentars Rz. 130), obwohl im Zusammenhang mit der Einführung der Vorschrift als § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG a.F. durch das 4. FFG vom 21.6.2002 (Einl. Rz. 26) im Referentenentwurf zu diesem Gesetz an eine Bußgeldbewehrung der Berichtigungspflicht gedacht wurde. Der Berichtigungspflicht unterliegen nur „unwahre“ Informationen, d.h. Angaben, die als solche nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen3 oder wegen falscher Bekanntmachung wahrheitswidrig sind. Da nur Tatsachen wahr oder unwahr sein können, kann sich die Berichtigungspflicht auch nur auf solche beziehen4; zum Begriff der Tatsache s. § 13 Rz. 12.
189
Die Berichtigung unwahrer Ad-hoc-Mitteilungen nach § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG muss unverzüglich erfolgen. S. dazu Rz. 248 ff.
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VI. Veröffentlichung 1. Anforderungen an den Inhalt a) Übersicht Im Hinblick auf den Inhalt einer Ad-hoc-Veröffentlichung enthalten das Gesetz bzw. 191 die auf Grund der Ermächtigung in § 15 Abs. 7 Satz 1 WpHG ergangene WpAIV einige allgemeine Anforderungen betreffend die in einer Veröffentlichung genutzten Kennzahlen (§ 15 Abs. 1 Satz 6 WpHG), die zulässigerweise in eine Ad-hoc-Veröffentlichung aufzunehmenden Angaben (§ 15 Abs. 2 Satz 1 WpHG) und die Sprache, in 1 Ebenso Eichner, S. 123; Grimme/von Buttlar, WM 2003, 904; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.330; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 243. 2 S. dazu Grimme/von Buttlar, WM 2003, 904. 3 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 108 (zu Angaben i.S. von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG). 4 Ebenso etwa Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.330.
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welcher die Ad-hoc-Mitteilung zu verfassen ist (§ 3b WpAIV, der auf Grund der Änderungen der WpAIV durch Art. 2 des TUG [Einl. Rz. 35] die früheren sprachbezogenen Regelungen in § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WpAIV [a.F.] ersetzt). 192 Darüber hinaus findet sich in § 15 WpHG und in der WpAIV zahlreiche Vorschriften, die spezielle Anforderungen an die in eine Ad-hoc-Veröffentlichung aufzunehmenden Angaben stellen. Dabei sind drei Arten von Ad-hoc-Veröffentlichungen zu unterscheiden: – Die Regelform der Ad-hoc-Publizität nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG in Bezug auf Insiderinformationen, die den Emittenten unmittelbar betreffen, sowie die nach dieser Bestimmung vorzunehmenden Ad-hoc-Meldungen für den Fall der wissentlichen bzw. nicht wissentlichen Mitteilung oder Zugänglichmachung einer Insiderinformation an einen rechtlich nicht zur Vertraulichkeit verpflichteten Dritten nach § 15 Abs. 1 Satz 4 bzw. Satz 5 WpHG. – Ad-hoc-Veröffentlichungen zum Zwecke der Aktualisierung einer bereits vorgenommenen Ad-hoc-Mitteilung (§ 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG i.V.m. § 4 Abs. 2 WpAIV). – Ad-hoc-Veröffentlichungen zum Zwecke der Berichtigung einer Ad-hoc-Mitteilung, die „unwahre Informationen“ enthielt (§ 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG i.V.m. § 4 Abs. 3 WpAIV). b) Allgemeine Anforderungen aa) Zulässige Kennzahlen (§ 15 Abs. 1 Satz 6 WpHG) 193 § 15 Abs. 1 Satz 6 WpHG bestimmt, dass die in einer Ad-hoc-Veröffentlichung genutzten Kennzahlen im Geschäftsverkehr üblich sein müssen und einen Vergleich mit den zuletzt genutzten Kennzahlen zu ermöglichen haben. Die Vorschrift entspricht § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG a.F. und ist auf Grund von Änderungen des § 15 Abs. 1 durch das TUG (Einl. Rz. 35) zu Satz 6 geworden. Sie war in der ursprünglichen Fassung des WpHG nicht enthalten und ist durch Art. 2 Ziff. 7 lit. a des 4. FFG (Einl. Rz. 26) als seinerzeitig neuer Satz 2 in § 15 Abs. 1 WpHG eingefügt worden1. Sie ist Teil der Bemühungen, die Ad-hoc-Publizität im Hinblick auf ihr Ziel – die Herstellung von Transparenz an den Kapitalmärkten – zu effektivieren und Missbräuche der Ad-hoc-Publizität zu vermeiden2. Zu diesem Zwecke soll die Bestimmung „sicherstellen, dass die Empfänger der Veröffentlichung ein klares Bild von der neu eingetretenen Tatsache erhalten“3. Das wurde in der Vergangenheit, und darauf reagierte die Einfügung der Vorschrift, mitunter dadurch vereitelt, dass der nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG publizitätspflichtige Emittent in der Ad-hoc-Veröffentlichung zum Nachweis des unternehmerischen Erfolgs Phantasiekennzahlen verwandte oder durch den Wechsel der bislang von ihm benutzten Kennzahlen negative Entwicklungen zu verschleiern suchte4.
1 Dazu insbes. Letzel, WM 2003, 1757. 2 S. Begr. RegE 4. FFG, BR-Drucks. 936/01 (neu) v. 14.11.2001, S. 175 und 243; oben Rz. 8 und 3. Aufl. des Kommentars Rz. 8. Dazu auch Grimme/von Buttlar, WM 2003, 901 f. 3 S. Begr. RegE, 4. FFG, BR-Drucks. 936/01 (neu) v. 14.11.2001, S. 243; nahezu wortgleich BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 61. 4 Begr. RegE, 4. FFG, BR-Drucks. 936/01 (neu) v. 14.11.2001, S. 243; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 61.
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Nach § 15 Abs. 1 Satz 6 WpHG müssen die in der Veröffentlichung genutzten Kenn- 194 zahlen zwei Voraussetzungen erfüllen: Zum einen müssen sie im Geschäftsverkehr üblich sein, und zum anderen müssen sie einen Vergleich mit den zuletzt genutzten Kennzahlen ermöglichen. Die Regelung lässt offen, wie das Kriterium der Üblichkeit bestimmt werden soll. Der Gesetzesbegründung zu § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG a.F. konnte entnommen werden, dass allein die vielfache Verwendung von Kennzahlen – wie seinerzeit schon „Gewinn vor Zinsen und Steuern“ (= EBIT – earnings before interest and taxes), „Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen“ (= EBITDA – earnings before interest, taxes, depreciation and amortization), „Jahresüberschuss (nach U.S. GAAP)“ oder „Gewinn/Verlust pro Aktie“ – nicht per se als im Geschäftsverkehr üblich angesehen werden dürfen1. Das lässt darauf schließen, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf das Merkmal „im Geschäftsverkehr üblich“ einerseits keine im Hinblick auf die Normadressaten des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG branchen- oder größenspezifische Eingrenzung des Geschäftsverkehrs, vielmehr den Geschäftsverkehr in seiner Gesamtheit2 vor Augen hatte und andererseits – zu Zwecken ihrer Verwendung in Ad-hoc-Veröffentlichungen – nur solche Kennzahlen als „üblich“ ansehen will, die von einer großen Zahl von Unternehmen über einen gewissen Zeitraum tatsächlich verwandt werden3. Der Emittentenleitfaden der BaFin deutet jedoch an, dass auch branchenspezifisch übliche Kennzahlen „übliche“ Kennzahlen i.S. der § 15 Abs. 1 Satz 6 WpHG sein können4. Dass diesbezügliche Feststellungen für den in- und ausländischen Emittenten gleich- 195 wohl mit erheblichen Unsicherheiten verbunden sind, hat die BaFin zu dem (zwischenzeitlich aufgehobenen) Schreiben vom 26.11.20025 veranlasst, mit dem sie die Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG a.F. zu konkretisieren und einer einheitlichen Anwendung zuzuführen beabsichtigte. Basierend auf der Auswertung der Geschäftsberichte von 70 börsennotierten Unternehmen (darunter alle DAX Unternehmen, 20 zufällig ausgewählte Unternehmen aus dem MDAX sowie 20 zufällig ausgewählte Unternehmen aus dem NEMAX), wurden elf Kennzahlen als üblich eingestuft, wobei dieser (in der 3. Aufl. des Kommentars Rz. 122 wiedergegebene) Katalog von Kennzahlen nicht als abschließend6 zu verstehen war. In ihrem Emittentenleitfaden hat die BaFin diesen Katalog nur geringfügig erweitert. Als üblich i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG haben danach (in wiederum nicht abschließender Aufzählung) jedenfalls zu gelten7: 1 S. Begr. RegE 4. FFG, BR-Drucks. 936/01 (neu) v. 14.11.2001, S. 243. 2 So auch die Rspr. und h.M. zur Auslegung des Merkmals „üblicherweise zugänglicher Geschäftsverkehr“ in § 20 Abs. 1 GWB; s. Markert, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Bd. 2: GWB, 4. Aufl. 2007, § 20 Rz. 109 m.w.N. 3 Das entspricht einerseits dem im Rundschreiben der BaFin vom 26.11.2002 zu Grunde liegenden Ansatz, zur Ermittlung der Üblichkeit von Kennzahlen die Geschäftsberichte börsennotierter Unternehmen auszuwerten, und andererseits der Auslegung des Merkmals „üblicherweise zugänglicher Geschäftsverkehr“ in § 20 Abs. 1 GWB; zu Letzterer Markert, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Bd. 2: GWB, 4. Aufl. 2007, § 20 Rz. 109 m.w.N. Auch Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 320. 4 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 61. 5 Schreiben der BaFin vom 26.11.2002 (WA 22-W-2310–18/2002): Konkretisierung üblicher Kennzahlen im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG. In diesem wird der nachfolgend aufgeführte Katalog ausdrücklich als „eine positive Festlegung solcher Kennzahlen …, die derzeit den Anforderungen der von § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG geforderten Üblichkeit entsprechen“ bezeichnet. 6 Vgl. Grimme/von Buttlar, WM 2003, 902. 7 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 61.
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Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
– Umsatz (Umsatzerlöse, sales, revenue) – Ergebnis pro Aktie (EPS – earnings per share) – Jahresüberschuss (net profit) – Cashflow – Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT – earnings before interest and taxes) – Ergebnis vor Steuern (EBT – earnings before taxes) – Dividende pro Aktie (dividends per share) – Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (EBITDA – earnings before interest, taxes, depreciation and amortization) – Ergebnismarge (in Prozent der Umsätze) – Eigenkapitalquote – Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit – Betriebliches Ergebnis – Operatives Ergebnis vor Sondereinflüssen 197 In dem Schreiben vom 26.11.2002 (Rz. 195) finden sich im Übrigen folgende, insbesondere auch auf das Erfordernis der Vergleichbarkeit der verwandten Kennzahlen mit den zuletzt genutzten Kennziffern eingehenden und trotz der Aufhebung des Schreibens weiterhin hilfreichen Hinweise zur Abfassung von Ad-hoc-Mitteilungen unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 6 WpHG (§ 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG a.F.)1: „Um die vom Gesetzgeber vorgesehene Vergleichbarkeit mit vorher verwendeten Kennzahlen sicherzustellen, sind in der Ad-hoc-Meldung neben den genutzten Kennzahlen die entsprechenden Zahlen des Vergleichszeitraumes und/oder die prozentualen Veränderungen gegenüber dem Vergleichszeitraum anzugeben2. Hierdurch wird auch die Verschleierung schlechter Ergebnisse durch den Wechsel der zuletzt verwendeten Kennzahlen verhindert. Zusätzlich sollte darauf hingewiesen werden, wenn sich gegenüber dem Vergleichszeitraum Änderungen im Konsolidierungskreis des Emittenten ergeben haben oder ein Wechsel der Bilanzierungsmethode erfolgt ist. Nur so ist eine Vergleichbarkeit möglich und sichergestellt, dass Marktteilnehmer die wesentlichen Informationen schnell erkennen und verarbeiten können. Im Übrigen wird empfohlen, in einer Ad-hoc-Meldung bzw. in den Erläuterungen zu einer Ad-hoc-Meldung mehrere Kennzahlen anzugeben, um den Kapitalmarktteilnehmern ein differenzierteres und aussagefähigeres Bild der Lage des Emittenten zu geben.“ 198 Erforderlich ist die Publikation von Kennzahlen durch eine Ad-hoc-Veröffentlichung allerdings nur dann, wenn einer Kennzahl selbst – i.d.R. im Verhältnis zu derjenigen im vorausgegangenen Vergleichszeitraum – ein erhebliches Kursbeeinflussungspotential zukommt3. Gleichwohl kann ihr auch im Hinblick auf die Illustration eines 1 Ihnen entsprechen die Ausführungen der BaFin im Emittentenleitfaden 2009, S. 61. 2 Ebenso Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 168. Zu Unrecht ablehnend Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 129. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 62.
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Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
anderen Umstands oder Ereignisses eine Bedeutung zukommen, die ihre Nennung in einer Ad-hoc-Mitteilung rechtfertigt. bb) Unzulässige Angaben (§ 15 Abs. 2 Satz 1 WpHG) Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 WpHG dürfen sonstige Angaben, die die Voraussetzungen 199 des § 15 Abs. 1 WpHG offensichtlich nicht erfüllen, auch in Verbindung mit ad hoc veröffentlichungspflichtigen Informationen, nicht veröffentlicht werden. Hintergrund dieser Bestimmung ist der Umstand, dass Ende der neunziger Jahre Ad-hocMeldungen zunehmend zu Zwecken der Werbung, der Selbstdarstellung und der Öffentlichkeitsarbeit genutzt wurden (s. Rz. 25). Das veranlasste zunächst die Aufsichtsbehörde1 und sodann – im Rahmen des 4. FFG vom 21.6.2002 (Einl. Rz. 26) – auch den Gesetzgeber2, gegen einen solchen Missbrauch von Ad-hoc-Meldungen vorzugehen. Dementsprechend verbietet § 15 Abs. 2 Satz 1 WpHG – bis zur Änderung des Gesetzes durch das AnSVG (Einl. Rz. 29) § 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG (a.F.) – die Veröffentlichung offensichtlich überflüssigerAngaben in Ad-hoc-Mitteilungen. Das soll es erlauben, die Informationen, um derentwillen eine Ad-hoc-Mitteilung vorgenommen wurde, schnell zu erkennen und zu verarbeiten3. Im Einzelnen rechtfertigt die Gesetzesbegründung die Vorschrift mit folgenden Über- 200 legungen: „Die Ad-hoc-Publizität soll dazu beitragen, dass Marktteilnehmer frühzeitig über marktrelevante Informationen verfügen, damit sie sachgerechte Anlageentscheidungen treffen können. Dieses Transparenzziel kann die Ad-hoc-Publizität aber nicht erreichen, wenn gänzlich oder zum Teil unnötige Veröffentlichungen dazu führen, dass es für den durchschnittlichen Anleger unmöglich wird, die wirklich kursrelevanten Informationen zu erkennen. Um hier entgegen zu wirken, ist es erforderlich, die Veröffentlichung offensichtlich überflüssiger Ad-hoc-Mitteilungen zu verhindern. Mit dem eingefügten Satz 3 wird des Weiteren dem Vertrauen der Anleger in die Richtigkeit des gesamten Inhalts der veröffentlichten Ad-hoc-Mitteilung Rechnung getragen“4. § 15 Abs. 2 Satz 1 WpHG verbietet alle überflüssigen Angaben und damit auch andere Darstellungen als die von Insiderinformationen5. Auch wenn die Vorschrift alle Angaben untersagt, welche die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG nicht erfüllen, kann dies nicht dahin gehend verstanden werden, dass in einer Ad-hoc-Mitteilung allein die ad-hoc-publizitätspflichtige Information angeführt werden kann, denn dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG nach ist nur diese zu veröffentlichen. Zulässig – und in manchen Fällen, wie etwa bei in mehrstufige Entscheidungsvorgänge eingebetteten Ereignissen, sogar geboten – sind vielmehr auch (weiterhin) Informationen, die dem Verständnis und der Einordnung der zu publizierenden Information als ad-hoc-publizitätspflichtige dienen6. Obwohl der Emittent zu solchen Angaben nicht verpflichtet ist7, kann dazu auch die Erläuterung der Auswirkungen der zu veröffentlichenden Insiderinformation auf den Emittenten, insbesondere seine Vermögens- oder Finanzlage oder seinen Geschäftsverlauf, gehören.
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S. Jahresbericht des BAWe für 2000, S. 27. Schreiben des BAWe vom 22.3.2000. S. Art. 2 Ziff. 7 lit. a des 4. FFG. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 70. S. Begr. RegE 4. FFG, BR-Drucks. 936/01 (neu) v. 14.11.2001, S. 244. Grimme/von Buttlar, WM 2003, 903; Gunßer, S. 78 f. Ebenso Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 261. S. BAWe/Deutsche Börse, Insiderhandelsverbote, S. 42.
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Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
202 Dem wird der Gesetzgeber auch dadurch gerecht, dass er nur „offensichtlich“ überflüssige Angaben verbietet. Bei diesem Begriff handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dem alle Angaben unterfallen, die aus der Perspektive des verständigen Emittenten in keinem sachlichen Zusammenhang mit der publizitätspflichtigen Information stehen1. Dazu gehören alle Angaben, die nicht zumindest geeignet sind, dem verständigen Marktteilnehmer (tatsächlicher und potentieller Anteilseigner bzw. Investor) die Einordnung der mitzuteilenden Information als ad-hocpublizitätspflichtige Insiderinformation zu ermöglichen. Nach der Begründung im RegE 4. FFG (Einl. Rz. 26) ist die Veröffentlichung einfacher Behauptungen offensichtlich überflüssig und hat daher zu unterbleiben2. Ebenfalls überflüssig und missbräuchlich ist nach den Ausführungen der BaFin im Emittentenleitfaden auch die Veröffentlichung des eigenen Firmenprofils sowie von Zwischenberichten und Jahresabschlüssen in voller Länge3: Zwischenberichte und Jahresabschlüsse, so heißt es dort, könnten zwar der Ad-hoc-Publizitätspflicht unterliegen, doch seien nur die Insiderinformationen (z.B. signifikantes Gewinnwachstum) bzw. die relevanten Geschäftszahlen zu veröffentlichen, nicht jedoch der gesamte, möglicherweise mehrere Seiten umfassende Bericht. 203 Offensichtlich überflüssig sind ad-hoc-publizierte Angaben aber auch dann, wenn „unter keinen Umständen“4 eine ad-hoc-publizitätspflichtige Insiderinformation vorliegt, etwa weil sie den Emittenten nicht unmittelbar betrifft oder nicht kurserheblich ist. Nach früherem Recht, in dem die Begriffe der Insidertatsache und der ad-hoc-publizitätspflichtigen Information nicht identisch waren, mochte man es als gerechtfertigt ansehen, wenn der Emittent, zur Vermeidung von Insidergeschäften, im Wege der Ad-hoc-Veröffentlichung Insidertatsachen publizierte, die (offensichtlich) keine der Ad-hoc-Publizität unterliegenden Tatsachen darstellten (3. Aufl. des Kommentars Rz. 127 i.V.m. Rz. 78 ff.). Das ist, nachdem sowohl das Insiderrecht wie das Recht der Ad-hoc-Publizität an den gleichen Begriff anknüpfen, nicht mehr zu vertreten. Dessen ungeachtet können Zweifel an der Eigenschaft einer Information, eine nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG veröffentlichungspflichtige Insiderinformation zu sein, nicht zulasten des Emittenten gehen, der zwischen Skylla (eines Verstoßes gegen § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG) und Charybdis (eines Verstoßes gegen § 15 Abs. 2 Satz 1 WpHG) steht5. Zweifelsfälle in diesem Sinne sind alle Informationen, die nicht offensichtlich keine Insiderinformation darstellen. Zwar sind vom Emittenten nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG nur Insiderinformationen zu veröffentlichen, die ihn unmittelbar betreffen, doch ist kein schützenswertes Interesse des Emittenten an der Veröffentlichung von Insiderinformationen erkennbar, die ihn nicht unmittelbar betreffen6. 204 Im Hinblick auf die Beurteilung der Frage, ob es sich bei Angaben, die in einer Adhoc-Meldung enthalten sind, um offensichtlich überflüssige handelt, ist auf den Zeitpunkt der Vornahme der Veröffentlichung abzustellen7.
1 Ebenso Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 329. 2 S. Begr. RegE 4. FFG, BR-Drucks. 936/01 (neu) v. 14.11.2001, S. 244. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 71; Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 331; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 265. 4 Grimme/von Buttlar, WM 2003, 903; vgl. auch Schwark, in: Schwark, § 14 WpHG Rz. 151. 5 Vgl. Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 330. 6 A.A. Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 266 a.E. 7 Ebenso Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 165.
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§ 15
Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
§ 4 Abs. 1 Satz 2 WpAIV, demzufolge eine Ad-hoc-Veröffentlichung kurz gefasst sein soll, konkretisiert die Bestimmung des § 15 Abs. 2 Satz 1 WpHG im Hinblick auf den Umfang der in eine Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 Abs. 1 Satz 1, 4 oder 5 WpHG aufzunehmenden Angaben.
205
cc) Sprache (§ 3b WpAIV) Bis zur Änderung des § 15 WpHG und der WpAIV durch das TUG (Einl. Rz. 35) be- 206 gnügte sich die WpAIV mit der einfachen Regelung, Ad-hoc-Veröffentlichungen seien „in deutscher Sprache“ vorzunehmen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 WpAIV a.F.). Das galt gleichermaßen für Emittenten mit Sitz im Inland wie für solche mit Sitz im Ausland. Eine zeitgleiche Fassung „in englischer Sprache“ war erlaubt (§ 5 Abs. 2 Satz 1 WpAIV a.F.). Als Ausnahme von der Regel konnte die BaFin gestatten, dass Emittenten mit Sitz im Ausland die Veröffentlichung ausschließlich in englischer Sprache vornehmen, wenn dadurch eine ausreichende Unterrichtung der Öffentlichkeit nicht gefährdet erschien (§ 5 Abs. 2 Satz 2 WpAIV a.F.). Diese vergleichsweise unkomplizierte Regelung (zu dieser und zu seinen europasekundärrechtlichen Grundlagen 4. Aufl. des Kommentars Rz. 206–209) ist mit der Änderung der WpAIV durch Art. 2 TUG erheblich kompliziert worden. Die neue Regelung über die Sprache der Veröffentlichung einer Ad-hoc-Mitteilung in § 3b WpAIV setzt das Sprachregime der Transparenzrichtlinie (Einl. Rz. 35) um, das nach Art. 20 der Richtlinie für die Veröffentlichung von allen vorgeschriebenen Informationen i.S. des Art. 2 Abs. 1 lit. k der Richtlinie gilt, und stellt zugleich die gebotene Übereinstimmung mit dem Sprachenregime der Prospektrichtlinie (Richtlinie 2003/71/EG, ABl. EG Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64) her1. Die neue Sprachenregelung unterscheidet der Neubestimmung des Adressatenkreises der Ad-hoc-Publizität (Rz. 42 ff.) sowie dem Sprachregime der Transparenzrichtlinie (Rz. 206) entsprechend und entsprechend den Begriffsbestimmungen in § 2 Abs. 6 und Abs. 7 WpHG zwischen unterschiedlichen Klassen von Normadressaten des § 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 WpHG:
207
– Ausgangspunkt und Regelfall ist der in § 3b Abs. 2 Satz 1 WpAIV erfasste Fall des 208 Emittenten, für den Deutschland nach § 2 Abs. 6 WpHG der Herkunftsstaat ist und dessen Wertpapiere ausschließlich zum Handel am regulierten Markt (als „einem organisierten Markt im Inland“, § 32 BörsG; s. Rz. 3, 5, 11 und § 2 Rz. 161) zugelassen sind. Er muss die Veröffentlichung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG in deutscher Sprache vornehmen. § 3b Abs. 2 Satz 1 WpAIV dient der Umsetzung von Art. 20 Abs. 1 und 2 der Transparenzrichtlinie (Einl. Rz. 35). – Emittenten, für die Deutschland nach § 2 Abs. 6 WpHG der Herkunftsstaat ist, de- 209 ren Wertpapiere aber zusätzlich zur Notierung am regulierten Markt in einem oder mehreren anderen EU- oder EWR-Staaten zugelassen sind, haben die Information (1) in deutscher oder englischer Sprache zu veröffentlichen und zusätzlich zu der hiernach gewählten Sprache (2) nach Wahl des Emittenten in einer von der Behörde des jeweiligen EU- oder EWR-Staats oder akzeptierten Sprache oder in der in internationalen Finanzkreisen gebräuchlichen englischen Sprache zu veröffentlichen. Das kann theoretisch dazu führen, dass der Emittent unter (1) und (2) die englische Sprache wählt, doch entspricht dies nicht der Intention des Gesetzes, das in diesen Fällen ganz offenbar eine zweisprachige Veröffentlichung erreichen
1 RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 50.
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Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
will1 (§ 3b Abs. 2 Satz 2 WpAIV). Wie § 3b Abs. 2 Satz 1 WpAIV dient auch Satz 2 der Vorschrift der Umsetzung von Art. 20 Abs. 1 und 2 WpHG der Transparenzrichtlinie (Einl. Rz. 35). 209a
– Ein Inlandsemittent nach § 2 Abs. 7 Nr. 2 WpHG, d.h. ein Emittent, für den nicht nach § 2 Abs. 6 WpHG Deutschland, sondern ein anderer EU- oder EWR-Staat der Herkunftsstaat ist, dessen Wertpapiere aber ausschließlich zum Handel im regulierten Markt (als einem inländischen organisierten Markt, s. Rz. 208) zugelassen sind, muss die Insiderinformation nach § 3b Abs. 3 Satz 1 WpAIV in deutscher oder in englischer Sprache veröffentlichen. Dadurch wird die Sonderregelung in Art. 21 Abs. 3 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 Unterabs. 1 der Transparenzrichtlinie (Einl. Rz. 35) umgesetzt2.
209b
– Ein Emittent, der seinen Sitz im Inland hat, dessen Wertpapiere aber nicht im Inland, sondern in mehr als einem anderen EU- oder EWR-Staat zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, d.h. ein Inlandsemittent nach § 2 Abs. 7 Nr. 1 WpHG i.V.m. § 2 Abs. 6 Nr. 3 lit. a WpHG, hat die Information nach seiner Wahl in einer von den zuständigen Behörden der betreffenden EU- oder EWR-Staaten akzeptierten Sprache oder in englischer Sprache zu veröffentlichen (§ 3b Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 WpAIV). Dem Emittenten ist es jedoch freigestellt, die Veröffentlichung zusätzlich auch in deutscher Sprache vorzunehmen (§ 3b Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 WpAIV). Mit dieser Regelung wird Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 der Transparenzrichtlinie (Einl. Rz. 35) umgesetzt3.
209c
– Sind Wertpapiere eines Inlandsemittenten i.S. des § 2 Abs. 7 WpHG mit einer Mindeststückelung von 50 000 Euro zum Handel an einem organisierten Markt im Inland oder in einem oder mehreren EU- oder EWR-Staaten zugelassen, so hat der Emittent die Information (abweichend von § 3b Abs. 2 und 3 WpAIV) in englischer Sprache oder in einer Sprache zu veröffentlichen, die von der BaFin und im Falle der Zulassung in anderen EU- oder EWR-Staaten von den zuständigen Behörden dieser Staaten akzeptiert wird (§ 3b Abs. 4 WpAIV). Die Vorschrift setzt die entsprechende Sonderregelung in Art. 20 Abs. 6 der Transparenzrichtlinie (Einl. Rz. 35) um.
209d
– Emittenten mit Sitz im Ausland oder Emittenten, für die nach § 2 Abs. 6 Nr. 3 lit. a WpHG Deutschland der Herkunftsstaat ist oder die bei der Bundesanstalt einen Prospekt in englischer Sprache für die Wertpapiere, auf die sich die Information bezieht, hinterlegt haben, können die Veröffentlichung ausschließlich in englischer Sprache vornehmen (§ 3b Abs. 1 Satz 1 WpAIV). Sofern sie diese Möglich1 In der Begründung zum RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 50, heißt es, neben der ersten Wahl zwischen der deutschen und englischen Sprache müsse „außerdem“ in einer der anderen zur Wahl stehenden Sprachen erfolgen. 2 RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 50, mit dem Hinweis, „für das genaue Spiegelbild, d.h. für die Emittenten, die ihren Sitz zwar im Inland haben, deren Wertpapiere aber nur in einem anderen Mitgliedstaat zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen“ seien, der für sie Veröffentlichungspflichten vorsehe, finde nach Art. 21 Abs. 3 der Transparenzrichtlinie das deutsche Publikationsregime grundsätzlich keine Anwendung, so dass insoweit auch keine Sprachenregelung zu treffen gewesen sei. Der Emittent mit Sitz im Inland, dessen Wertpapiere dagegen in mehreren EU- oder EWR-Staaten zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, war dagegen nach Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 der Transparenzrichtlinie (Einl. Rz. 35) dem deutschen Publikationsregime zu unterwerfen, was in § 3b Abs. 3 Satz 2 WpAIV (s. Rz. 209b) geschehen ist. 3 Näher RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 50.
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§ 15
Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
keit nicht in Anspruch nehmen, gelten die Regelungen in den Absätzen 2 bis 4 auch für sie (§ 3b Abs. 1 Satz 2 WpAIV). Die Regelung macht deutlich, dass die englische Sprache eine von der BaFin akzeptierte Sprache i.S. von Art. 20 der Transparenzrichtlinie (Einl. Rz. 35) ist. Darüber hinaus wird im Wege der Harmonisierung das Sprachregimes des § 15 mit dem des WpPG für Prospekte verhindert, „dass Emittenten, die die Sprachanforderungen an den Prospekt für den Markteintritt erfüllt haben, in der Folge mit höheren Anforderungen für die laufenden Informationen belastet werden“1. Auch wenn die Veröffentlichung der Insiderinformation in mehreren Sprachen vor- 209e zunehmen ist, hat die Veröffentlichung unverzüglich (Rz. 248 ff.) zu erfolgen2. Deshalb sind Vorkehrungen zu treffen, dass allfällige Übersetzungen der unverzüglichen Veröffentlichung der Information nicht entgegenstehen. Das kann bei nicht vorhersehbaren Ereignissen und umfangreicheren Meldungen Schwierigkeiten bereiten. Auch wenn nach dem Wortlaut des Gesetzes eine spätere Veröffentlichung der englischen bzw. anderssprachigen Fassung nicht in Form einer Ad-hoc-Meldung erfolgen darf, weil die Information zu diesem Zeitpunkt bereits öffentlich bekannt ist, betrachtet die BaFin eine solche Meldung nicht als unzulässig i.S. von § 15 Abs. 2 Satz 1 WpHG, verlangt aber, dass die Veröffentlichung der Übersetzung in diesem Fall innerhalb von 24 Stunden nach der ersten Veröffentlichung erfolgt3. Wenn in den Börsenordnungen der Wertpapierbörsen teilweise eine zeitgleiche Veröffentlichung der Ad-hoc-Mitteilung in englischer Sprache gefordert wird, so kann dies nach den Ausführungen des Emittentenleitfadens der BaFin nicht dazu führen, dass die Veröffentlichung bis zum Vorliegen auch der englischen Übersetzung hinausgezögert wird4. c) Spezielle Anforderungen aa) Die Regelform der Ad-hoc-Publizität (§ 15 Abs. 1 Sätze 1, 4 und 5 WpHG, § 4 Abs. 1 WpAIV) Während § 15 WpHG in seiner ursprünglichen Fassung keine speziellen inhaltlichen 210 Anforderungen an eine Ad-hoc-Veröffentlichung aufstellte, verlangte die nach den Änderungen des Gesetzes durch das AnSVG (Einl. Rz. 29) auf Grund von § 15 Abs. 7 WpHG ergangene WpAIV bestimmte Angaben zum Emittenten und dessen Finanzinstrumenten. Allerdings waren die in § 4 Abs. 1 WpAIV a.F. aufgestellten, durch das TUG (Einl. Rz. 35) nur geringfügig modifizierten Anforderungen (s. Rz. 1) in der Sache nicht neu, sondern durften lediglich als Festschreibung und Konkretisierung der bisherigen Praxis5 angesehen werden.
1 RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 50. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 79 a.E. A.A. Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 124. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 80 („Diese Regelungen sind gegenüber dem Unverzüglichkeitserfordernis des § 15 WpHG nachrangig und können daher keine Verzögerung rechtfertigen“). 4 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 79, 80 („Wird eine Insiderinformation in mehreren Sprachen veröffentlicht, darf die Übersetzung die Veröffentlichung nicht verzögern, d.h. mit der Veröffentlichung darf nicht abgewartet werden, bis eine oder alle Übersetzungen der Mitteilung vorliegen“). 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 68.
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Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
(1) Angaben zur Urheberschaft 211 Die Verpflichtung zur Veröffentlichung einer Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 Abs. 1 Satz 1, 4 oder 5 WpHG ist regelmäßig eine solche des Emittenten. Eine nach § 15 Abs. 1 Satz 4 oder 5 WpHG erforderliche Ad-hoc-Mitteilung kann aber auch eine Person treffen, die im Auftrag oder auf Rechnung des Emittenten handelt. Ist dies der Fall, so hat diese Person den Emittenten unverzüglich zu informieren und in der Meldung durch Nennung ihres Namens und ihrer Anschrift ihre Urheberschaft kenntlich zu machen (§ 4 Abs. 1 Satz 3 WpAIV). Handelt es sich dagegen um den Regelfall der von einem Emittenten veranlassten Ad-hoc-Mitteilung, sind keine über die nachfolgenden Angaben hinausgehenden Angaben zur Urheberschaft erforderlich. (2) Kennzeichnung der Ad-hoc-Veröffentlichung 212 § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpAIV verlangt die Kennzeichnung der Veröffentlichung als Ad-hoc-Meldung. Zu diesem Zweck muss (nach lit. a der Vorschrift) die Kopfzeile der Meldung die deutlich hervorgehobene Überschrift „Ad-hoc-Meldung nach § 15 WpHG“ aufweisen. Sie hat darüber hinaus (nach lit. b der Vorschrift) ein als Betreff erkennbares Schlagwort, das den wesentlichen Inhalt der Veröffentlichung zusammenfasst, aufzuführen. Werden mehrere Insiderinformationen in einer Ad-hoc-Meldung gemeinsam veröffentlicht, so sind mehrere Schlagworte anzugeben1. 213 Als Schlagworte kommen nach dem Emittentenleitfaden der BaFin2 etwa in Betracht: – Liquiditätsprobleme/Überschuldung, Mergers & Acquisitions, – Geschäftszahlen, – Ausschüttungen, – Kooperationen/Zusammenarbeit, – Kapitalmaßnahmen, – Strategische Unternehmensentscheidungen, – Personal, – Recht/Prozesse, – Sonstiges. (3) Angaben zum Emittenten und zu den Finanzinstrumenten 214 Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 WpAIV sind in eine Ad-hoc-Veröffentlichung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG die folgenden Angaben zum Emittenten und zu den von diesem emittierten Finanzinstrumenten aufzunehmen: 215 – Der vollständige Name (Firma) und die Anschrift des Emittenten (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpAIV). 216 – Die internationalen Wertpapierkennnummern (ISIN) der vom Emittenten ausgegebenen Aktien, Options- und Wandelanleihen sowie Genussscheine mit Ausstattungsmerkmalen, die den Aktien vergleichbar sind, soweit sie zum Handel an 1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 68. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 68 f.
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§ 15
Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
einem inländischen organisierten Markt zugelassen sind oder für sie eine solche Zulassung beantragt wurde (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Halbsatz 1 WpAIV). Hat der Emittent weitere Finanzinstrumente ausgegeben, für die eine Zulassung besteht oder beantragt wurde, genügt in Bezug auf diese die Angabe einer Internetadresse, unter der er die entsprechenden Angaben für diese Finanzinstrumente in einer stets aktuellen und vollständigen Datei bereit stellen muss; dabei ist auf der Hauptseite dieser Internetadresse ein deutlich erkennbarer Hinweis auf eine Seite mit Informationen für Anleger anzubringen, unter der die Datei mit den fraglichen Angaben leicht aufzufinden ist (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Halbsatz 2 WpAIV1). – Die Börse und das Handelssegment, für die die Zulassung der Finanzinstrumente besteht oder beantragt wurde (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Halbsatz 1 WpAIV).
217
Die Wertpapierkennnummern der von einem anderen Unternehmen begebenen Derivate, die sich auf Finanzinstrumente des Emittenten beziehen, sind vom Emittenten nicht zu benennen2.
218
(4) Angaben zur Insiderinformation Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4–7 WpAIV sind in einer Ad-hoc-Veröffentlichung im Hinblick auf die bekanntzumachende Insiderinformation anzugeben:
219
– Die zu veröffentlichende Information (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 WpAIV).
220
– Das Datum des Eintritts der der Insiderinformation zu Grunde liegenden Umstände (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpAIV).
221
Damit ist der Zeitpunkt gemeint, zu dem die Umstände, die den Gegenstand der 222 Insiderinformation bilden, eingetreten sind. Für den Fall, dass ein Befreiungssachverhalt nach § 15 Abs. 3 WpHG gegeben ist und sich die diesem zugrunde liegenden Umstände im Laufe des Befreiungszeitraums bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Ad-hoc Mitteilung verändern, ist hinsichtlich des Datums des Eintritts der Information auf diese geänderten Umstände abzustellen3. – Eine kurze Erklärung, inwieweit die Information den Emittenten unmittelbar be- 223 trifft, soweit sich dies nicht schon aus den nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 WpAIV zu veröffentlichenden Angaben über die Insiderinformation ergibt. Erläuterungen sind hier vor allem für den Fall geboten, dass es sich bei der Insider- 224 information um von außen kommende Insiderinformationen handelt. Dagegen ist bei Insiderinformationen, die im Tätigkeitsbereich des Emittenten eingetreten sind (§ 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG), in der Regel auf Grund der Angabe der Insiderinformation nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 WpAIV ohne weiteres erkennbar, dass es sich um eine den Emittenten unmittelbar betreffende Insiderinformation handelt. – Eine Erklärung, aus welchen Gründen die Information geeignet ist, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Finanzinstrumente 1 Die Vorschrift wurde durch Art. 2 Nr. 7 lit. a aa TUG in § 4 WpAIV eingefügt und soll den Emittenten, die zahlreiche Finanzinstrumente ausgegeben haben, die Erfüllung der Meldepflicht erleichtern; RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 50. In der Sache entspricht die Regelung einer bereits bestehenden Praxis: S. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 69; schon 4. Aufl. des Kommentars Rz. 217. 2 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 69. 3 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 69.
Assmann
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§ 15
Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
des Emittenten erheblich zu beeinflussen, soweit sich dies nicht schon aus den nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 WpAIV zu veröffentlichenden Angaben über die Insiderinformation ergibt. Hierzu gehören nach Angaben der BaFin im Emittentenleitfaden1, der bisherigen Aufsichtspraxis entsprechend, „zumindest auch die Größenordnung des Kaufpreises bei Unternehmenskäufen und -verkäufen oder die Größenordnung des Volumens und die Vertragslaufzeit eines bedeutenden Auftrags … Eine Vertraulichkeitsvereinbarung kann diese Verpflichtung nicht abbedingen. Der Emittent ist aber nicht verpflichtet, die Details einer Vereinbarung (z.B. gewährte Rabatte oder Sonderkonditionen) zu veröffentlichen“. Im Hinblick auf die Angaben zur Größenordnung soll z.B. im Falle eines einstelligen Millionenbetrags die Angabe des auf die nächste Million auf- oder abgerundeten Betrags genügen; bei größeren Beträgen soll in jedem Fall ein Betrag bzw. eine Betragsspanne anzugeben sein. Alternativ, heißt es, könnten auch die erwarteten Ergebnisauswirkungen der Maßnahme angegeben werden2.
226
(5) Art der Darstellung 227 Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 WpAIV soll die Veröffentlichung kurz gefasst sein. Nach den Vorstellungen der BaFin sollte die Meldung „möglichst nicht mehr als 10 bis 20 Zeilen“ umfassen und keine Zitate von Organmitgliedern, Vertragspartnern oder anderen Personen enthalten3. Soweit sich aus den kapitalmarktrechtlichen Regelungen anderer Staaten, in denen ebenfalls Finanzinstrumente des Emittenten zum Handel zugelassen sind, die Notwendigkeit ergibt, bestimmte weitere Informationen (etwa Disclaimer) an den Wortlaut der Ad-hoc-Meldung anzufügen, wird dies von der BaFin nicht beanstandet, doch sollten diese Informationen nach deren Ausführungen nach Möglichkeit vom Wortlaut der Meldung getrennt werden4. Dagegen werden Emittenten, die zu solchen zusätzlichen Informationen nicht verpflichtet sind, aufgefordert, von deren Gebrauch abzusehen. In der Sache handelt es sich bei § 4 Abs. 1 Satz 2 WpAIV um nichts anderes als eine den Umfang der Ad-hoc-Mitteilung betreffende Konkretisierung des § 15 Abs. 2 Satz 1 WpHG, demzufolge sonstige Angaben, die die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 WpHG offensichtlich nicht erfüllen, auch in Verbindung mit veröffentlichungspflichtigen Informationen im Sinne des § 15 Abs. 1 WpHG, nicht veröffentlicht werden dürfen (s. Rz. 199 ff.). bb) Aktualisierung einer Ad-hoc-Veröffentlichung (§ 15 Abs. 1 Sätze 1, 4, 5 WpHG, § 4 Abs. 2 WpAIV) 228 Wird wegen einer erheblichen Veränderung einer bereits veröffentlichten Information (s. dazu oben Rz. 183 f.) eine „aktualisierende“ Ad-hoc-Meldung nach § 4 Abs. 2 WpAIV vorgenommen, so hat sie folgende Angaben zu enthalten: 229 – In der Kopfzeile eine deutlich hervorgehobene Überschrift „Ad-hoc-Aktualisierung nach § 15 WpHG“ sowie ein als Betreff erkennbares Schlagwort i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b WpAIV, das den wesentlichen Inhalt der Veröffentlichung zusammenfasst (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 WpAIV).
1 2 3 4
BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 70. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 70 in Fn. 29. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 70. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 70.
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§ 15
Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
– Den vollständigen Namen (Firma) und die Anschrift des Emittenten (§ 4 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpAIV).
230
– Die internationalen Wertpapierkennnummern (ISIN) der vom Emittenten ausgegebenen Aktien, Options- und Wandelanleihen sowie Genussscheine mit Ausstattungsmerkmalen, die den Aktien vergleichbar sind, soweit sie zum Handel an einem inländischen organisierten Markt zugelassen sind oder für sie eine solche Zulassung beantragt wurde, und für den Fall, dass der Emittent weitere Finanzinstrumente ausgegeben hat, für die eine Zulassung besteht oder beantragt wurde, zumindest die Angabe einer Internetadresse, unter der die entsprechenden Angaben für diese Finanzinstrumente in einer stets aktuellen und vollständigen Datei bereit gestellt sind, wobei auf der Hauptseite dieser Internetadresse ein deutlich erkennbarer Hinweis auf eine Seite mit Informationen für Anleger angebracht werden muss, unter der die Datei mit den fraglichen Angaben leicht aufzufinden ist; s. oben Rz. 216 (§ 4 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpAIV).
231
– Die Börse und das Handelssegment, für die die Zulassung der Finanzinstrumente besteht oder beantragt wurde (§ 4 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpAIV).
231a
– Die Medien, an die die zu aktualisierende Information gesandt wurde (§ 4 Abs. 2 232 Nr. 2 WpAIV)1 sowie den Zeitpunkt der Versendung dieser Information. Zu den Medien in vorstehendem Sinne gehören sowohl das elektronisch betriebene Informationsverbreitungssystem, über das die ursprüngliche Ad-hoc-Meldung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 WpAIV veröffentlicht wurde als auch die Medien, denen die Information zur Erfüllung der Anforderungen aus § 3a Abs. 1 WpAIV zugeleitet wurden. – Die zu veröffentlichende Information über die veränderten Umstände (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 WpAIV).
233
– Das Datum des Eintritts der der Insiderinformation zu Grunde liegenden Umstände (§ 4 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpAIV; s. Rz. 221 f.).
234
– Eine kurze Erklärung, inwieweit die Information den Emittenten unmittelbar be- 235 trifft, soweit sich dies nicht schon aus den nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 WpAIV zu veröffentlichenden Angaben über die Insiderinformation ergibt (§ 4 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpAIV; s. Rz. 223 f.). – Eine Erklärung, aus welchen Gründen die Information geeignet ist, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Finanzinstrumente des Emittenten erheblich zu beeinflussen, soweit sich dies nicht schon aus den nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 WpAIV zu veröffentlichenden Angaben über die Insiderinformation ergibt (§ 4 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 WpAIV; s. Rz. 225).
236
cc) Berichtigung einer Ad-hoc-Veröffentlichung (§ 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG, § 4 Abs. 3 WpAIV) Nach § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG sind unwahre Informationen, die nach § 15 Abs. 1 veröffentlicht wurden, unverzüglich in einer Veröffentlichung nach § 15 Abs. 1 WpHG zu berichtigen, auch wenn die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 WpHG nicht
1 Dieses Erfordernis wurde durch Art. 2 Nr. 7 lit. b TUG in § 4 Abs. 2 WpAIV im Hinblick auf den neuen § 3a Abs. 1 WpAIV eingefügt.
Assmann
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§ 15
Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
vorliegen; s. dazu oben Rz. 186 ff. Die der Berichtigung dienende Ad-hoc-Berichtigung hat folgende Angaben zu enthalten: 238 – In der Kopfzeile eine deutlich hervorgehobene Überschrift „Ad-hoc-Berichtigung nach § 15 WpHG“ sowie ein als Betreff erkennbares Schlagwort i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. b WpAIV, das den wesentlichen Inhalt der Veröffentlichung zusammenfasst (§ 4 Abs. 3 Nr. 1 WpAIV). 239 – Den vollständigen Namen (Firma) und die Anschrift des Emittenten (§ 4 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpAIV). 240 – Die internationalen Wertpapierkennnummern (ISIN) der vom Emittenten ausgegebenen Aktien, Options- und Wandelanleihen sowie Genussscheine mit Ausstattungsmerkmalen, die den Aktien vergleichbar sind, soweit sie zum Handel an einem inländischen organisierten Markt zugelassen sind oder für sie eine solche Zulassung beantragt wurde, und für den Fall, dass der Emittent weitere Finanzinstrumente ausgegeben hat, für die eine Zulassung besteht oder beantragt wurde, zumindest die Angabe einer Internetadresse, unter der die entsprechenden Angaben für diese Finanzinstrumente in einer stets aktuellen und vollständigen Datei bereit gestellt sind, wobei auf der Hauptseite dieser Internetadresse ein deutlich erkennbarer Hinweis auf eine Seite mit Informationen für Anleger angebracht werden muss, unter der die Datei mit den fraglichen Angaben leicht aufzufinden ist; s. oben Rz. 216 (§ 4 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpAIV). 240a
– Die Börse und das Handelssegment, für die die Zulassung der Finanzinstrumente besteht oder beantragt wurde (§ 4 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpAIV).
241 – Die Medien, an die die zu aktualisierende Information gesandt wurde (§ 4 Abs. 3 Nr. 2 WpAIV)1 sowie den Zeitpunkt der Versendung dieser Information. Zu den Medien in vorstehendem Sinne gehören sowohl das elektronisch betriebene Informationsverbreitungssystem, über das die ursprüngliche Ad-hoc-Meldung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 WpAIV veröffentlicht wurde als auch die Medien, denen die Information zur Erfüllung der Anforderungen aus § 3a Abs. 1 WpAIV zugeleitet wurden. 242 – Die Mitteilung der wahren Information (§ 4 Abs. 3 Nr. 3 WpAIV), welche die Feststellung der Unrichtigkeit der unwahren Information impliziert. Dabei kann der Inhalt der ursprünglichen Information gekürzt wiedergegeben werden, soweit nicht der unwahre Teil betroffen ist und die Verständlichkeit des Textes gewahrt bleibt2. 243 – Das Datum des Eintritts der der wahren Insiderinformation zu Grunde liegenden Umstände (§ 4 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpAIV; s. Rz. 221 f.). 244 – Eine kurze Erklärung, inwieweit die wahre Information den Emittenten unmittelbar betrifft, soweit sich dies nicht schon aus den nach § 4 Abs. 3 Nr. 3 WpAIV zu veröffentlichenden Angaben über die Insiderinformation ergibt (§ 4 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpAIV; s. Rz. 223 f.).
1 Dieses Erfordernis wurde durch Art. 2 Nr. 7 lit. c TUG in § 4 Abs. 2 WpAIV im Hinblick auf den neuen § 3a Abs. 1 WpAIV eingefügt. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 72.
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§ 15
Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
– Eine Erklärung, aus welchen Gründen die wahre Information geeignet ist, im Falle 245 ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis der Finanzinstrumente des Emittenten erheblich zu beeinflussen, soweit sich dies nicht schon aus den nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 WpAIV zu veröffentlichenden Angaben über die Insiderinformation ergibt (§ 4 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 WpAIV; s. Rz. 225, 236). 2. Verfahren der Veröffentlichung a) Übersicht Bei der Erfüllung einer Verpflichtung zur Ad-hoc-Publizität muss der Publizitäts- 246 pflichtige sich an das gesetzlich in § 15 WpHG i.V.m. §§ 3a, 3c, 5, 5a, 8 und 9 WpAIV vorgesehene zwingende, von verschiedenen Mitteilungspflichten an die Aufsichtsbehörde und die betroffenen Börsen flankierte Veröffentlichungsverfahren halten. Vor allem darf eine Veröffentlichung von Insiderinformationen in anderer Weise als gesetzlich vorgeschrieben nicht vor der Veröffentlichung nach § 15 Abs. 1 Satz 1, 4 oder 5, Abs. 2 Satz 2 WpHG vorgenommen werden (§ 15 Abs. 5 Satz 1 WpHG). Nach der ordnungsgemäßen Veröffentlichung der Insiderinformation darf die Information auf jede andere Weise bekannt gemacht und verwertet werden. Das Verfahren zur Veröffentlichung von Insiderinformationen einschließlich der mit diesem verbundenen Mitteilungspflichten beruht auf dem TUG vom 5.1.2007 (Einl. Rz. 35). Durch dieses wurde das mit dem AnSVG vom 28.10.2004 (Einl. Rz. 29) modifizierte Veröffentlichungsverfahren erneut geändert, um das neue Publikations- und Mitteilungsregime von Art. 19 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 1 der Transparenzrichtlinie (Einl. Rz. 35) umzusetzen, welches auf eine Veröffentlichung der Insiderinformation durch europaweite Verbreitung, auf ihre Speicherung in einem zentralen Speicherungssystem und auf die Mitteilung an die Aufsichtsbehörde gerichtet ist. Dessen für die Veröffentlichung von Insiderinformationen nach 15 Abs. 1 Satz 1, 4 oder 5, Abs. 2 Satz 2 WpHG maßgebliche Neuerung besteht vor allem darin, dass zwingend zwei Veröffentlichungsarten vorgesehen sind: eine in Gestalt der Veröffentlichung durch Medien, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass sie die Information in der gesamten Europäischen Union und in den übrigen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum verbreiten (§ 3a WpAIV), und die andere, kumulativ vorzunehmende, in der bereits bekannten Form der Veröffentlichung über ein elektronisch betriebenes Informationsverbreitungssystem nebst Einstellung der Information auf eine Website im Internet nach Maßgabe von § 5 WpAIV. Das Veröffentlichungsverfahren beginnt mit der Vorabmitteilung der zu veröffentlichenden Information an die in § 15 Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1–3 WpHG angeführten Stellen, darunter insbesondere die BaFin (§ 15 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 WpHG). Kurz hierauf – als Richtwert gilt ein Zeitraum von 30 Minuten (s. Rz. 273) – ist die Veröffentlichung der Insiderinformation in der in §§ 3a, 5 WpAIV vorgesehenen Weise vorzunehmen. Emittenten mit Sitz im Ausland kann die BaFin nach Maßgabe von § 15 Abs. 4 Satz 4 WpHG gestatten, die Vorabmitteilung gleichzeitig mit der Veröffentlichung vorzunehmen. Außer in diesem Fall ist den vorab informierten Stellen die Veröffentlichung gleichzeitig mit derselben mitzuteilen (§ 15 Abs. 5 Satz 2 WpHG).
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b) Zeitpunkt der Veröffentlichung (Unverzüglichkeit) Die Veröffentlichung einer Insiderinformation nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG, die 248 Veröffentlichung einer Insiderinformation im Falle ihrer unwissentlichen Weitergabe gemäß § 15 Abs. 1 Satz 5 WpHG, die Berichtigung unwahrer Ad-hoc-Mitteilungen
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§ 15
Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
nach § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG und die von § 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG angeordnete Nachholung einer nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG aufgeschobenen Veröffentlichung muss unverzüglich erfolgen. Nach der Regel des § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB1 bedeutet dies, dass der Emittent seinen Pflichten ohne schuldhaftes Zögern nachkommen muss. Obwohl im Rahmen von Aufsichtsrecht nicht unmittelbar anwendbar, stellt doch schon die Verwendung des zivilrechtlich besetzten und definierten Begriffs ein Indiz dafür dar, dass damit auch dessen Regelungsgehalt übernommen werden soll. Hinzu kommt, dass auch in der Sache jede nicht vertretbare Verzögerung der Veröffentlichung der Insiderinformation das Ziel der Regelung, die informationelle Chancengleichheit zu gewährleisten und die Gefahr des Insiderhandels so weit wie möglich zu reduzieren, gefährden würde. 249 Im Hinblick auf die Prüfung der Frage, ob eine Veröffentlichungspflicht eingetreten ist, ist dem Emittenten jedoch stets ein angemessener Prüfungszeitraum2 zuzugestehen, der so groß zu sein hat, dass auch die Heranziehung externer Berater3 möglich ist. Das gilt namentlich im Hinblick auf die sich aus § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG ergebende Veröffentlichungspflicht und die vom Emittenten zu klärende Frage, ob eine Information eine ad-hoc-publizitätspflichtige Insiderinformation darstellt. Der dem Emittenten hierbei einzuräumende Zeitraum richtet sich nach der Kompliziertheit und Komplexität des jeweiligen Sachverhalts. Nach Ablauf dieser Frist, die bei offenkundig ad-hoc-publizitätspflichtigen Insiderinformationen auch völlig entfallen kann, ist die fragliche Information allerdings ohne weiteres Zögern nach Maßgabe von §§ 3a, 5 WpAIV zur Veröffentlichung zu bringen. Dabei ist es unerheblich, ob die ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache in- oder außerhalb von Börsenhandelszeiten eingetreten ist und bei unverzüglicher Veröffentlichung in vorstehendem Sinne inoder außerhalb von Börsenhandelszeiten der Bereichsöffentlichkeit bekannt (gegeben) würde4. 250 Die solchermaßen gebotene Veröffentlichung haben Emittenten anfänglich jedoch vielfach unter Gesichtspunkten der Opportunität des Zeitpunkts der Veröffentlichung hinausgeschoben, was die Aufsichtsbehörde veranlasste, mit Schreiben vom 8.2.2002 auf die Pflicht zur unverzüglichen Veröffentlichung von Ad-hoc-Tatsachen hinzuweisen und dieses Erfordernis zu konkretisieren. Dazu heißt es in dem Schreiben, das in den wesentlichen Punkten nach wie vor aktuell ist und in dem lediglich der Begriff der Tatsache durch den der Information zu ersetzen ist, u.a. (Hervorhebungen sind hinzugefügt): 1 Ebenso auf diese Bestimmung zurückgreifend etwa: Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 298; Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 15 WpHG Rz. 6; Frowein, in: Habersack/ Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 128; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 120, unter zutreffender Zurückweisung der Kritik von Möllers, in: FS Horn, S. 474 ff. Kritisch auch Lebherz, S. 87 ff. (autonome Auslegung). 2 Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 128; Geibel/ Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 122; Happ/Semler, ZGR 1998, 129; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 106; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.325; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 122; Waldhausen, S. 46; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 49. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 66. S. schon RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 48. Ferner Eichner, S. 129; Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 15 WpHG Rz. 6; Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 128; Hopt, in: Bankrechts-Handbuch, § 107 Rz. 106. 4 Ebenso Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 125; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 125; auch Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 51.
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Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
„Nach Eintritt der kursbeeinflussenden Tatsache verlangt § 15 WpHG vom Emittenten jedoch ein beschleunigtes Handeln, das nur durch die besonderen Umstände des Einzelfalls ein Zuwarten rechtfertigt. So bleibt dem Emittenten die Zeit, mögliche Auswirkungen eines Ereignisses daraufhin zu prüfen, ob eine ad-hoc-publizitätspflichtige Tatsache vorliegt. Er hat insbesondere die Zeit zu prüfen, ob die neue Tatsache so bedeutsam ist, dass sie geeignet ist, den Börsenpreis der zugelassenen Wertpapiere erheblich zu beeinflussen. Hierdurch darf jedoch die Entscheidungsfindung nicht schuldhaft verzögert werden. Für die Beurteilung der Unverzüglichkeit kommt es dagegen nicht auf die Börsenhandelszeiten an. Angesichts des festzustellenden Publizitätsverhaltens der börsenzugelassenen Emittenten, wonach im Jahr 2001 ca. 60 % aller über ein elektronisches Informationsverbreitungssystem verbreiteten Ad-hoc-Meldungen montags bis freitags in der Zeit von 7.00 bis 9.00 Uhr veröffentlicht wurden, ist darauf hinzuweisen, dass die gesetzliche Verpflichtung zur unverzüglichen Mitteilung und Veröffentlichung unabhängig von Börsenhandelszeiten existiert. Die gesetzlich vorgeschriebene Vorabmitteilung der kursbeeinflussenden Tatsache an die Börsen kann während der Börsenzeiten zwar Kursaussetzungen zur Folge haben. Dies liegt grundsätzlich weder im Interesse der Marktteilnehmer noch des Emittenten, da die Kursaussetzung in den Handel, d.h. in die Preisfeststellung eingreift, z.B. zum Erlöschen aller offenen Wertpapieraufträge in dem betreffenden Papier führt. Ist die kursbeeinflussende Tatsache jedoch während der Börsenhandelszeiten eingetreten, ist ein Zuwarten ohne sachlich gerechtfertigten Grund nicht zulässig. Aus dem Wertpapierhandelsgesetz lässt sich keine Wertung dahin gehend entnehmen, dass bei nicht stattfindender Handelsaktivität eine bestehende Ad-hoc-Publizitätspflicht suspendiert wäre. Den Erfordernissen des § 15 WpHG wird daher grundsätzlich nicht dadurch Genüge getan, dass eine am Vortag nach Börsenschluss eingetretene Tatsache erst am nächsten Morgen vor Aufnahme des Börsenhandels mitgeteilt und veröffentlicht wird.“ Die Pflicht zur Veröffentlichung und zur Vorabmitteilung einer Veröffentlichung un- 251 abhängig von den Börsenhandelszeiten besteht, wie sich auch aus den Ausführungen der BaFin im Emittentenleitfaden 2009 (S. 80) ergibt, nach wie vor, wobei die Aufsichtsbehörde darauf hinweist, nach ihrem Kenntnisstand böten alle auf dem Gebiet der Ad-hoc-Publizität tätigen Dienstleister (s. unten Rz. 280) zu jeder Zeit die Möglichkeit, eine Veröffentlichung zu veranlassen. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Veröffentlichung unverzüglich vorgenommen 252 wurde, kann sich der Emittent nicht darauf berufen, er sei nicht darauf vorbereitet gewesen, eine Veröffentlichungspflicht zu erkennen, zu prüfen und wahrzunehmen, denn der Emittent ist verpflichtet, alle zur Begründung der Befreiung erforderlichen Informationen so vorzuhalten, dass er seine Veröffentlichungs- und Mitteilungspflichten unverzüglich wahrnehmen kann1. Dazu heißt es im Emittentenleitfaden der BaFin2: „Der Emittent ist verpflichtet, organisatorische Vorkehrungen zu treffen, um eine notwendige Veröffentlichung unverzüglich durchzuführen. Hierzu gehört u.a., dass bei vorhersehbaren Insiderinformationen entsprechende Vorarbeiten geleistet werden, die eine zeitliche Verzögerung weitestgehend vermeiden. Wenn die Insiderinformation an einer Stelle des Unternehmens entsteht, die nicht berechtigt ist, 1 Ebenso Frowein, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 10 Rz. 128; Sven H. Schneider, BB 2005, 901; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 119; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 50. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 80.
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über die Veröffentlichung zu entscheiden, muss durch die unternehmensinterne Organisation sichergestellt sein, dass die Information unverzüglich einer entscheidungsberechtigten Person oder Gremium zugeleitet wird. Dem Emittenten bleibt Zeit, mögliche Auswirkungen eines Ereignisses sorgfältig daraufhin zu prüfen, ob ein veröffentlichungspflichtiger Umstand vorliegt. Notfalls ist der Emittent angehalten, sich des Rates von Experten zu bedienen. Eine Grenze ist bei rechtsmissbräuchlichem Verhalten zu ziehen.“ 253 Entsprechendes gilt für den Fall, dass die Ad-hoc-Mitteilung nach § 3b WpAIV in mehreren Sprachen zu veröffentlichen ist und damit Übersetzungen erforderlich werden. Diesbezüglich weist die BaFin in ihrem Emittentenleitfaden darauf hin, das die Übersetzungen die Veröffentlichungen nicht verzögern dürften1. S. im Übrigen oben Rz. 209e. c) Die Vorabmitteilung (§ 15 Abs. 4 WpHG) aa) Mitteilungspflicht 254 Gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 WpHG muss der Emittent die nach § 15 Abs. 1 Satz 1, 4 und 5 WpHG oder die nach § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG zu veröffentlichende Information vor der Veröffentlichung (1) der Geschäftsführung der inländischen2 organisierten Märkte, d.h. der Börsen, an denen die Finanzinstrumente i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG i.V.m. § 2 Abs. 2b WpHG im regulierten Markt (§ 32 BörsG; s. Rz. 3, 5, 11 und § 2 Rz. 161) zum Handel zugelassen sind, (2) der Geschäftsführung der inländischen3 organisierten Märkte, d.h. der Börsen, an denen Derivate gehandelt werden, die sich auf die Finanzinstrumente in vorstehendem Sinne beziehen, und (3) der BaFin mitteilen. Die Mitteilung an die Aufsichtsbehörde ist geboten, damit diese ihrer Pflicht zur Überwachung der Ad-hoc-Publizität nachkommen kann4; die Mitteilung an die Geschäftsführungen der betroffenen Börsen soll diesen die Möglichkeit eröffnen, über die Aussetzung der Preisfeststellung entscheiden und die erforderliche Abstimmung zwischen den beteiligten Börsen herbeiführen zu können5. 255 Mitteilungspflichtig ist nach § 15 Abs. 4 Satz 1 WpHG der Emittent (s. oben Rz. 112). Da die Verpflichtung zur Ad-hoc-Mitteilung aber auch eine Person treffen kann, die in dessen Auftrag oder auf dessen Rechnung handelt, und eine Vorabmitteilungspflicht auch in diesem Fall schon im Hinblick auf eine mögliche Aussetzung der Preisfeststellung unbedingt erforderlich ist, unterliegt auch die betreffende Person der Pflicht zur Vorabmitteilung nach § 15 Abs. 4 Satz 1 WpHG. Dass die Person, die in dessen Auftrag oder auf dessen Rechnung handelt, in § 15 Abs. 4 Satz 1 WpHG nicht erwähnt ist, ist deshalb als Redaktionsversehen anzusehen6. 1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 80: „Wird eine Insiderinformation in mehreren Sprachen veröffentlicht, darf die Übersetzung die Veröffentlichung nicht verzögern, d.h. mit der Veröffentlichung darf nicht abgewartet werden, bis eine oder alle Übersetzungen der Mitteilung vorliegen“. 2 Als Folgeänderung zu der Änderung des Adressatenkreises der Ad-hoc-Publizität in § 15 Abs. 1 WpHG wurde durch Art. 1 Nr. 6 TUG lit. c in § 15 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 WpHG jeweils nach den Wörtern „der Geschäftsführung der“ das Wort „inländischen“ eingefügt. 3 S. den Hinweis in der vorausgegangenen Fn. 4 RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 49; Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (2. FFG), BT-Drucks. 12/7918, S. 101. 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 73. 6 Auch Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 203; i.E. ebenso Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 419.
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Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
Die Mitteilungspflicht nach § 15 Abs. 4 Satz 1 WpHG ist von dem Bestehen einer 256 Verpflichtung zur Ad-hoc-Veröffentlichung im Einzelfall abhängig. Entfällt etwa eine Veröffentlichungspflicht des Emittenten nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG, weil ihn die ihm bekannte Insiderinformation nicht unmittelbar betrifft oder er nach § 15 Abs. 3 WpHG die Ad-hoc-Mitteilung der Insiderinformation aufschieben darf, so ist auch keine Mitteilung nach § 15 Abs. 4 Satz 1 WpHG geboten1. § 15 Abs. 4 Satz 2 WpHG, der § 15 Abs. 1 Satz 6, Abs. 2 und Abs. 3 WpHG für ent- 257 sprechend anwendbar erklärt, überträgt die in diesen Vorschriften enthaltenen Regelungen auf Mitteilungen nach § 15 Abs. 4 Satz 1 WpHG, um sicherzustellen, dass der nach § 15 Abs. 4 Satz 1 WpHG mitgeteilte Text demjenigen der Ad-hoc-Veröffentlichung entspricht. Die zwingend vorgeschriebene Vorabunterrichtung der Börsen und der BaFin nach 258 § 15 Abs. 4 Satz 1 WpHG wird durch § 15 Abs. 4 Satz 3 WpHG für Emittenten mit Sitz im Ausland dahin gehend abgemildert, dass die Aufsichtsbehörde diesen Emittenten gestatten kann, die Mitteilung nach § 15 Abs. 4 Satz 1 WpHG gleichzeitig mit der Ad-hoc-Meldung selbst vorzunehmen. Die Gestattung kann nach den Gesetzesmaterialien generell, etwa im Rahmen einer Verlautbarung der BaFin, oder durch eine Entscheidung im Einzelfall geschehen2. Hierdurch soll es den ausländischen Emittenten ermöglicht werden, bei der Veröffentlichung von Insiderinformationen auch den diesbezüglichen Vorschriften ihrer „ausländischen Heimatbörse oder ihres Heimatstaats“ Rechnung tragen zu können3. Von der Befugnis, es Emittenten mit Sitz im Ausland, denen nach dem in ihrem Sitzstaat geltenden Recht eine Weitergabe der Insiderinformation vor Veröffentlichung generell untersagt ist, zu gestatten, die Mitteilung zeitgleich mit der Veröffentlichung vorzunehmen, hat die BaFin im Wege einer Allgemeinverfügung vom 13.7.20054 Gebrauch gemacht. So kann bspw. ein japanischer Emittent mit einer Ad-hoc-Meldung, die der weltweit operierenden Nachrichtenagentur Reuters in Tokio zur zeitgleichen Verbreitung im Ausland einschließlich Deutschland gegeben wird, die nach § 15 Abs. 1 WpHG i.V.m. §§ 3a, 5 WpAIV erforderliche Bereichsöffentlichkeit herstellen, ohne dass eine Vorabunterrichtung der inländischen Börsen oder der BaFin erfolgen muss. Diese Befreiung von der Vorabunterrichtung vermeidet Konflikte mit der Bundesanstalt, die ausländische Emittenten zu einem kapitalmarktpolitisch unerwünschten Rückzug veranlassen könnten5.
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Voraussetzung der Befreiung von der Vorabunterrichtung ist, dass hierdurch die Entscheidung der Geschäftsführung der nach § 15 Abs. 4 Satz 1 WpHG zu informierenden Börsen über die Aussetzung oder Einstellung der Feststellung des Börsenpreises nicht beeinträchtigt wird6. Hierbei hat der Gesetzgeber die unterschiedliche Handhabung der Börsengeschäftsführung bei inländischen oder ausländischen Emittenten berücksichtigt. Die grundsätzlich vorgeschriebene Vorabunterrichtung soll bei inländischen Emittenten die Geschäftsführung der Börsen in die Lage versetzen, rechtzeitig vor einer Ad-hoc-Meldung über eine Aussetzung der Kursfeststellung zu entschei-
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1 Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (2. FFG), BT-Drucks. 12/7918, S. 101. 2 RegE 3. FFG, BR-Drucks. 605/97, S. 93. 3 Pötzsch, AG 1997, 199. 4 Verfügbar unter http://www.bafin.de/cln_043/nn_724094/SharedDocs/Aufsichtsrecht/DE/ Verfuegungen/vf__050713__15wphg.html. 5 RegE 3. FFG, BR-Drucks. 605/97, S. 93. 6 3. FFG, BR-Drucks. 605/97, S. 93.
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Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
den. Dagegen richtet sich die Börsengeschäftsführung bei solchen Kursaussetzungen für ausländische Emittenten regelmäßig nach der Entscheidung der jeweiligen ausländischen „Heimatbörse“, die die Emittenten und die potentiellen Auswirkungen der Ad-hoc-Meldung auf den Markt besser beurteilen kann. Deshalb soll auf eine Vorabunterrichtung der inländischen Börsen verzichtet werden können, sofern diese die entsprechenden Informationen unverzüglich von der ausländischen Börse übermittelt erhalten1. bb) Inhalt der Mitteilung (1) Regel (§ 8 Abs. 1 WpAIV) 261 In allen Vorabmitteilungen nach § 15 Abs. 4 Satz 1 ist gemäß § 8 Abs. 1 WpAIV anzugeben: – der Wortlaut der vorgesehenen Veröffentlichung, – der vorgesehene Zeitpunkt der Veröffentlichung und – ein Ansprechpartner des Emittenten mit Rufnummer. 262 Um eventuell auftretende Fragen in Bezug auf die bevorstehende Ad-hoc-Veröffentlichung unverzüglich klären zu können, betrachtet es die BaFin als zwingend erforderlich, dass der in der Vorabmitteilung genannte Ansprechpartner auch tatsächlich ab dem Zeitpunkt der Übermittlung der Vorabmitteilung unter der genannten Telefonnummer erreichbar ist2. (2) Ergänzende Informationen bei Ad-hoc-Berichtigungen nach § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG 263 In der Vorabmitteilung an die BaFin, und allein in dieser, sind im Falle einer beabsichtigten Berichtigung einer Ad-hoc-Veröffentlichung (§ 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG, § 4 Abs. 3 WpAIV) gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 WpAIV die Gründe darzulegen, die zu der Adhoc-Mitteilung einer unwahren Angabe geführt haben. Dabei ist darauf zu achten, dass die Begründung aussagekräftig genug ist, um der BaFin eine Bewertung des Sachverhalts zu ermöglichen. Um einer unverzüglichen Ad-hoc-Mitteilung nicht im Wege zu stehen, braucht die Begründung allerdings nicht mit der Vorabmitteilung über die berichtigende Ad-hoc-Mitteilung zu erfolgen, sondern kann nach § 8 Abs. 4 WpAIV innerhalb von 14 Tagen nach der Veröffentlichung der Mitteilung nachgereicht werden. Die BaFin weist darauf hin, nach ihrer Kenntnis böten derzeit alle auf dem Gebiet der Ad-hoc-Publizität tätigen Dienstleister die Möglichkeit, die gebotenen ergänzenden Informationen im Rahmen der Vorabmitteilung an die BaFin zu senden3. 264 Auf Grund von § 8 Abs. 2 Satz 2 WpAIV, der § 4 Abs. 9 Satz 1 WpHG für entsprechend anwendbar erklärt, kann der Mitteilungspflichtige diesbezügliche Angaben verweigern, wenn diese ihn selbst oder einen der in § 383 Abs. 1 Nrn. 1–3 ZPO bezeichneten Angehörigen der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem OWiG aussetzen würden. 265 Macht der Emittent von der durch § 8 Abs. 4 WpAIV eröffneten Möglichkeit Gebrauch, die Begründung nachzureichen (Rz. 263), so soll – den Anforderungen von § 9 1 RegE 3. FFG, BR-Drucks. 605/97, S. 93. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 73. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 74.
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Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
WpAIV an die Vorabmitteilungen entsprechend – die Begründung per Telefax oder postalisch an die Aufsichtsbehörde übermittelt werden und einen Hinweis auf die zu berichtigende Ad-hoc-Mitteilung enthalten1. (3) Ergänzende Informationen bei Ad-hoc-Mitteilungen wegen Informationsweitergabe nach § 15 Abs. 1 Satz 4 und 5 WpHG Beruht die bevorstehende Ad-hoc-Mitteilung auf dem Umstand, dass die Insiderinfor- 266 mation vom Emittenten oder einer in dessen Auftrag oder auf dessen Rechnung handelnden Person befugtermaßen einem anderen wissentlich oder unwissentlich mitgeteilt oder zugänglich gemacht wurde (§ 15 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 WpHG), so muss die Vorabmitteilung an die BaFin, und wiederum nur diese, zusätzlich zu den nach § 8 Abs. 1 WpAIV erforderlichen Informationen gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 WpAIV folgende Angaben enthalten: – den Vor- und Familiennamen der Person, der die Insiderinformation mitgeteilt oder zugänglich gemacht worden ist, – deren Geschäftsanschrift, oder, falls eine solche nicht besteht, ihre Privatanschrift, – den Zeitpunkt der Informationspreisgabe sowie – im Falle der unwissentlichen Mitteilung oder Zugänglichmachung der Insiderinformation die Umstände der unwissentlichen Informationspreisgabe. Um einer unverzüglichen Ad-hoc-Mitteilung nicht im Wege zu stehen, können die 267 von § 8 Abs. 3 Satz 1 WpAIV verlangten zusätzlichen Angaben nach § 8 Abs. 4 WpAIV innerhalb von 14 Tagen nach der Veröffentlichung nachgereicht werden. Auch hier gilt, dass der Mitteilungspflichtige die von § 8 Abs. 3 WpAIV verlangten zusätzlichen Angaben entsprechend § 4 Abs. 9 Satz 1 WpHG verweigern kann, wenn diese ihn selbst oder einen der in § 383 Abs. 1 Nrn. 1–3 ZPO bezeichneten Angehörigen der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem OWiG aussetzen würden (§ 8 Abs. 3 Satz 2 WpAIV).
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Macht der Emittent von der durch § 8 Abs. 4 WpAIV eröffneten Möglichkeit 269 Gebrauch, die von § 8 Abs. 3 Satz 1 WpAIV verlangten zusätzlichen Angaben nachzureichen (Rz. 267), so sollen diese – den Anforderungen von § 9 WpAIV an die Vorabmitteilungen entsprechend – per Telefax oder postalisch an die Aufsichtsbehörde übermittelt werden und einen Hinweis auf die betroffene Ad-hoc-Mitteilung enthalten2. (4) Ergänzende Informationen im Hinblick auf den Aufschub einer Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG Im Falle des Aufschubs einer Ad-hoc-Veröffentlichung nach § 15 Abs. 3 Satz 1 270 WpHG hat der Emittent gemäß § 15 Abs. 3 Satz 4 WpHG die Gründe für die Befreiung zusammen mit der Vorabmitteilung in Bezug auf die nachholende Veröffentlichung nach § 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG der BaFin unter Angabe des Zeitpunkts der Entscheidung über den Aufschub der Veröffentlichung mitzuteilen. Entsprechend konkretisiert § 8 Abs. 5 WpAIV die Angaben, die eine diesbezügliche Vorabmittei-
1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 75. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 74.
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lung an die BaFin, und auch hier nur diese, zu enthalten hat. S. dazu im Einzelnen oben Rz. 177 ff. cc) Art und Form sowie Zeitpunkt der Mitteilung (§ 9 WpAIV) 271 Im Hinblick auf die Art und die Form der Mitteilungen nach § 8 WpAIV bestimmt § 9 Abs. 1 Satz 1 WpAIV, die Mitteilungen seien „schriftlich mittels Telefax“ zu übersenden. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 WpAIV kann die BaFin verlangen, die eigenhändig unterschriebene Mitteilung auf dem Postweg nachzureichen. Dasselbe gilt für die Geschäftsführungen der organisierten Märkte im Sinn des § 15 Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 und 2 WpHG, sofern ihnen eine Vorabmitteilung zu übersenden ist. 272 Nach § 9 Abs. 2 WpAIV kann die BaFin die Möglichkeit eröffnen, die Mitteilungen nach § 8 WpAIV im Wege der Datenfernübertragung zu übersenden, sofern dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zur Sicherstellung von Datenschutz und Datensicherheit getroffen werden, die insbesondere die Vertraulichkeit und Unversehrtheit der Daten gewährleisten, und sofern im Fall der Nutzung allgemein zugänglicher Netze dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Verschlüsselungsverfahren angewendet werden. Das ist bislang nicht erfolgt; vielmehr verlautbart die BaFin, die Übersendung der Vorabmitteilungen solle per Telefax oder postalisch erfolgen (s. Rz. 265, 269). 273 In Bezug auf den Zeitpunkt der Mitteilungen nach § 8 WpAIV hat sich die Regel herausgebildet, die Vorabmitteilung 30 Minuten vor der Veröffentlichung an die BaFin und die Geschäftsführungen der Börsen zu übermitteln, an denen die vom Unternehmen emittierten Finanzinstrumente zugelassen sind oder Derivate gehandelt werden, die sich auf diese Finanzinstrumente beziehen1. Dieser Zeitraum vor der Veröffentlichung ist nach den Ausführungen der BaFin im Emittentenleitfaden unbedingt erforderlich, damit die Geschäftsführungen der Börsen über die Aussetzung der Preisfeststellung gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BörsG entscheiden und die erforderliche Abstimmung zwischen den beteiligten Börsen herbeiführen können2. 274 Den Ausführungen der BaFin im Emittentenleitfaden3 ist des Weiteren zu entnehmen, der dreißigminütige Zeitraum zwischen Mitteilung und Ad-hoc-Veröffentlichung dürfe nur mit Zustimmung der Geschäftsführung derjenigen Börse abgekürzt werden, die als sog. Heimatbörse des Emittenten bezeichnet wird: Seien die Finanzinstrumente des Emittenten nur an einer inländischen Börse zugelassen, so treffe diese die Entscheidung über die Aussetzung der Preisfeststellung; seien die Finanzinstrumente des Emittenten an mehreren inländischen Börsen zugelassen, werde diese Entscheidung entsprechend einer Vereinbarung zwischen den Börsen von der sog. Heimatbörse getroffen. Als solche gilt grundsätzlich die Börse in dem Bundesland, in dem der Emittent seinen Sitz hat. Soweit in dem betreffenden Land keine Börse existiert, rät die BaFin dem Emittenten, sich zur Bestimmung der Heimatbörse an eine Börse zu wenden, an der seine Finanzinstrumente zum Börsenhandel zugelassen sind. Eine Zustimmung zur Verlängerung des 30-Minuten-Zeitraums durch die Heimatbörse (s. Rz. 273) ist nur während der üblichen Bürozeiten – 60 Minuten vor Beginn des Börsenhandels und während der Börsenhandelszeit der jeweiligen Börse – zu erhalten. 1 S. schon BAWe/Deutsche Börse, Insiderhandelsverbote, S. 40. Auch BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 73. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 73. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 73.
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Die BaFin legt in ihrem Emittentenleitfaden1 des Weiteren dar, die Verkürzung des 275 30-Minuten-Zeitraumes zwischen Vorabmitteilung und Veröffentlichung der Adhoc-Meldung müsse auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Die zuständige Börse werde ihre Zustimmung zur Verlängerung des Zeitraums nur in begründeten Fällen erteilen. Sollte eine Verkürzung des vorgenannten Zeitraumes ohne Zustimmung der Heimatbörse erfolgt sein, bestehe wegen des verkürzten Zeitraums die Gefahr einer Kursaussetzung ohne eingehende Prüfung des Sachverhalts. dd) Verwendungsbeschränkung (§ 15 Abs. 4 Satz 3 WpHG) Die Geschäftsführungen der organisierten Märkte i.S. des § 15 Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 276 und 2 WpHG dürfen die mitgeteilten Insiderinformationen vor der Veröffentlichung nur zum Zweck ihrer Entscheidung verwenden, ob die Feststellung des Börsenpreises auszusetzen oder einzustellen ist (§ 15 Abs. 4 Satz 3 WpHG). Hierdurch soll vermieden werden, dass privatrechtliche Träger der öffentlichrechtlich organisierten Börsen, die neben anderen Mitbewerbern einen Informationsverbreitungsdienst anbieten, einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil erlangen2. d) Art und Form der Ad-hoc-Veröffentlichung (§§ 3a, 5 WpAIV) Das mit dem TUG vom 5.1.2007 (Einl. Rz. 35) eingeführte und in §§ 3a, 5 WpAIV ge- 277 regelte neue Verfahren zur Veröffentlichung einer Ad-hoc-Mitteilung (s. Rz. 246) ist zweigleisig ausgestaltet: Zum einen sind die allgemeinen Anforderungen an die Art der Veröffentlichung von Informationen nach § 3a WpAIV (Veröffentlichung über Medien) zu erfüllen und zum anderen ist zusätzlich den speziellen Anforderungen des § 5 WpAIV3 in Bezug auf die Veröffentlichung von Insiderinformationen (Veröffentlichung über elektronisch betriebenes Informationsverbreitungssystem und Internet) Genüge zu tun. Während die in § 5 WpAIV geregelte Art der Veröffentlichung als solche unverändert geblieben ist, setzt § 3a WpAIV den neuen Veröffentlichungsmodus des Art. 21 Abs. 1 der Transparenzrichtlinie (Einl. Rz. 35) in Verbindung mit Art. 12 der Durchführungsrichtlinie 2007/14/EG (s. Rz. 1) um. Im Hinblick auf die technische Abwicklung der Ad-hoc-Veröffentlichung bieten verschiedene Dienstleister ihre Hilfe an, wie etwa die Deutsche Gesellschaft für Ad-hoc-Publizität (DGAP), die EquityStory AG, die euro adhoc oder die Hugin IR Services Deutschland AG. aa) Veröffentlichung über Medien (§ 3a WpAIV) (1) Medien und Medienwahl (§ 3a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 WpAIV) § 3a Abs. 1 WpAIV verlangt, dass die ad hoc zu publizierenden Insiderinformationen 278 zur Veröffentlichung Medien zuzuleiten ist und sich darunter solche befinden, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass sie die Information in der gesamten Europäischen Union und in den übrigen Vertragsstaaten des EWR verbreiten. Diese Vorschrift konkretisierend, ihr aber nichts wesentlich Neues hinzufügend, ist nach § 3a Abs. 2 Nr. 1 WpAIV zu gewährleisten, dass zu den Medien, denen die Information zugeleitet wird, auch solche gehören, die die Information so rasch und so zeitgleich wie möglich in allen Mitgliedstaaten der EU und in den übrigen Vertragsstaaten des EWR aktiv verbreiten können. Die in § 3a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 WpAIV zum 1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 73. 2 Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (2. FFG), BT-Drucks. 12/7918, S. 101. 3 So auch RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 49 zu § 3a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WpAIV; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 78.
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Ausdruck kommenden Anforderungen an die vom Veröffentlichungspflichtigen auszuwählenden Medien sind dem Ziel der schnellen und aktiven Verbreitung der Informationen in der gesamten EU und in den übrigen Vertragsstaaten des EWR geschuldet, so dass die Veröffentlichungspflichtigen, Erwägungsgrund 25 der Transparenzrichtlinie (Einl. Rz. 35) entsprechend, bei der Wahl der Medien den freien Wettbewerb nutzen können und Medien mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten, insoweit den Anforderung in Art. 21 Abs. 1 Satz 4 der Transparenzrichtlinie genügend, nicht diskriminiert werden. 279 Während die Veröffentlichung der Ad-hoc-Mitteilung nach Maßgabe von § 5 WpAIV über ein elektronisch betriebenes Informationsverbreitungssystem und das Internet erfolgen muss, ist der Veröffentlichungspflichtige in der Wahl der zusätzlich eingeschalteten Medien frei. § 3a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 WpAIV unterwirft ihn hinsichtlich der Zahl der Medien, denen die zu veröffentlichende Information zugeleitet wird, keinen Beschränkungen und verlangt lediglich, dass sich unter den ausgewählten Medien auch elektronisch betriebene Informationsverbreitungssysteme befinden, weil allein diese in der Lage sind, die Information so rasch und so zeitgleich wie möglich in allen Mitgliedstaaten der EU und in den übrigen Vertragsstaaten des EWR aktiv zu verbreiten. Medien i.S. des § 3a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 WpAIV sind alle Informationsverbreitungssysteme, gleich welcher Art der Informationsverbreitung sie sich bedienen. Zur Veröffentlichung der Information können mithin unterschiedliche Medienarten genutzt werden, wie etwa „News Provider, Nachrichtenagenturen, die jeweils wichtigsten Printmedien auf nationaler und europäischer Ebene sowie entsprechende Internetseiten für den Finanzmarkt“1 und insbesondere elektronische Informationsverbreitungssysteme. 280 Dem Konzept der Transparenzrichtlinie (Einl. Rz. 35) entsprechend, der Veröffentlichungspflichtige solle ein Bündel unterschiedlicher Medienarten nutzen, um die Information zu verbreiten2, ist den Anforderungen von § 3a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 WpAIV im Allgemeinen bereits dadurch Genüge getan, wenn er sich neben dem nach § 5 Satz 1 Nr. 1 WpAIV obligatorischen elektronisch betriebenen Informationsverbreitungssystem eines weiteren Mediums einer anderen Medienart bedient, welches geeignet ist, die Information so rasch und so zeitgleich wie möglich in allen Mitgliedstaaten der EU und in den übrigen Vertragsstaaten des EWR aktiv zu verbreiten. Dessen ungeachtet kann sich der Veröffentlichungspflichtige – zusätzlich zum Einsatz des elektronisch betriebenen Informationsverbreitungssystems – aber auch eines beliebigen Mixes von Medien (einer oder verschiedener Medienarten) bedienen, welche die Informationen teils regional beschränkt (d.h. in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU oder übrigen Vertragsstaaten des EWR), teils EU- und EWR-weit schnell und aktiv zu verbreiten vermögen3. Ebenso erlaubt ist – wiederum neben dem elektronisch betriebenen Informationsverbreitungssystem – ein Mix von Medien (einer oder verschiedener Medienarten), von denen jedes zur EU- und EWR-weiten schnellen und aktiven Verbreitung der Information taugt. Ausgeschlossen ist allein die Verbreitung der Information durch lediglich ein weiteres elektronisches Informationsverbreitungssystem und durch den Einsatz ausschließlich solcher Medien, welche
1 RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 49; nahezu wortgleich BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 77. 2 RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 49. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 77: „Für die europaweite Verbreitung ist es grundsätzlich ausreichend, wenn ein Medium aus dem Medienbündel zur europaweiten Verbreitung in der Lage ist“ (Hervorh. im Orig.).
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die fragliche Information nur in einem oder in einzelnen EU- und EWR-Staaten verbreiten können. Im Besonderen soll sich die Zahl der unterschiedlichen Medienarten und der einge- 280a setzten Medien einer Medienart nach den Besonderheiten des Einzelfalls – d.h. den Verhältnissen des Emittenten – richten, zu denen insbesondere die Aktionärsstruktur des Emittenten sowie Zahl und Ort seiner Börsenzulassungen gezählt werden1. Diese Ansicht ist dem Gesetz nicht unmittelbar zu entnehmen und steht selbst bei richtlinienkonformer, teleologischer Auslegung auf wackligen Füßen. Vielmehr wird sich der Emittent, der sich neben dem elektronisch betriebenen Informationsverbreitungssystem eines weiteren Mediums bedient, das die Information schnell und effektiv (aktiv) EU- und EWR-weit zu verbreiten geeignet ist, darauf berufen dürfen, die Ziele einer aktiven Informationsverbreitung in den EU- und EWR-Staaten erreicht und zudem noch dafür Sorge getragen zu haben, dass die Insiderinformation im Interesse der Geringhaltung des Kreises von Insidern nicht über mehr Medien weitergeleitet wurde als es zur Verbreitung der Information nach dem Telos der Vorschrift unerlässlich war. Jedenfalls hat nach den Darlegungen der BaFin „ein Emittent mit Sitz in Deutschland und Börsenzulassung nur in Deutschland … mit Zuleitung an deutsche Medien grundsätzlich seine Pflicht aus § 3a WpAIV erfüllt, wenn ein Medium zur europaweiten Verbreitung in der Lage ist“2. Abhängig vom Einzelfall soll nach den Ausführungen der BaFin3 „von diesem stets geltenden Minimumstandard hinsichtlich Zahl der eingesetzten Medien pro Medienart bzw. zusätzlich im Ausland verbreiteten Medien ‚nach oben‘ abzuweichen“ sein: So müsse „der Emittent im Falle einer Börsenzulassung seiner Aktien in einem weiteren EU-Mitgliedstaat beziehungsweise EWR-Vertragsstaat die Information auch an solche Nachrichtenagenturen, News Provider, Printmedien und Internetseiten für den Finanzmarkt übermitteln, die die Information in dem Land der weiteren Börsenzulassung verbreiten“ könnten; dabei sei in jedem weiteren EU-Mitgliedstaat bzw. EWR-Vertragsstaat, in dem eine Börsenzulassung“ bestehe, mindestens ein nationales Printmedium und eine nationale Internetseite zu bedienen. Auch das lässt sich der Vorschrift des § 3a schlechterdings nicht entnehmen4, doch sind die Emittenten gut beraten, dies als angekündigte Verwaltungspraxis zu beachten. § 3a Abs. 1 WpAIV verpflichtet den Veröffentlichungspflichtigen, ordnungsgemäß 280b ausgewählten Medien die zu verbreitende Information zuzuleiten, und § 3a Abs. 2 Nr. 1 WpAIV verlangt von ihm darüber hinaus zu gewährleisten, dass die Information von den Medien empfangen wird. Für die tatsächliche Veröffentlichung der Information durch die Medien, denen diese zugeleitet wurde, ist er dagegen nicht verantwortlich5. Anders verhält es sich im Hinblick auf die nach § 5 WpAIV vorzunehmende Veröffentlichung, für die der Veröffentlichungspflichtige nach dem Wortlaut dieser Vorschrift „Sorge zu tragen“ hat (s. Rz. 280i). Auch wenn der Veröffentlichungspflichtige einen Dritten mit der Veranlassung der Veröffentlichung nach § 3a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 WpAIV beauftragt, bleibt er für die Erfüllung der sich aus diesen Vorschriften ergebenden Pflichten verantwortlich (§ 3a Abs. 4 Halbsatz 1 WpAIV). Darüber hinaus muss aber auch der Dritte, was insbesondere auf-
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RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 49; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 76. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 77. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 77. Kritisch auch Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 117. RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 49 (zu § 3a Abs. 2 Satz 2 WpAIV); BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 76; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 117.
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sichtsrechtliche Bedeutung hat, nach § 3a Abs. 4 Halbsatz 1 WpAIV die Pflichten im Hinblick auf die ihm übertragene Aufgabe erfüllen. (2) Übermittlung der Information an die Medien (§ 3a Abs. 2 Nrn. 2 und 3, Abs. 4 WpAIV) 280c
Bei der Zuleitung des Texts der Information an die Medien hat der Emittent im Interesse der Sicherheit und der Vertraulichkeit der Information nach § 3a Abs. 2 Nr. 2 WpAIV zu gewährleisten, dass dies in einer Weise übermittelt wird, dass 1. der Absender der Information sicher identifiziert werden kann, 2. ein hinreichender Schutz gegen unbefugte Zugriffe oder Veränderung der Daten besteht und die Vertraulichkeit und Sicherheit der Übersendung auch im Übrigen durch die Art des genutzten Übertragungswegs oder durch eine Verschlüsselung der Daten nach dem Stand der Technik sichergestellt ist und 3. Übertragungsfehler oder -unterbrechungen unverzüglich behoben werden können. Die Vorschrift setzt Anforderungen an die Übersendung um, die sich aus Art. 12 Abs. 4 der Durchführungsrichtlinie zur Transparenzrichtlinie 2007/14/EG (s. Rz. 1) ergeben.
280d
Weiter muss der Emittent nach § 3a Abs. 2 Nr. 3 WpAIV die Übersendung der Information an die Medien im Interesse einer ordnungsgemäßen Veröffentlichung derselben mit folgenden Angaben versehen („erkennnbar machen“): 1. den Namen des Veröffentlichungspflichtigen einschließlich seiner Anschrift, 2. ein als Betreff erkennbares Schlagwort, das den wesentlichen Inhalt der Veröffentlichung zusammenfasst, 3. der Tag und die Uhrzeit der Übersendung und 4. das Ziel, die Information als eine vorgeschriebene Information europaweit zu verbreiten. Diese Angaben sind nicht Teil der zu veröffentlichenden Information. Es ist ausreichend, dass sie die Übersendung der Information – etwa auf einem Deckblatt – so begleiten, dass die Medien die ihnen übermittelte Nachricht sofort richtig einordnen und bearbeiten können1. Die Vorschrift setzt Art. 12 Abs. 5 der Durchführungsrichtlinie zur Transparenzrichtlinie 2007/14/EG (s. Rz. 1) um.
280e
Über die Erfüllung der Pflichten bei der Übermittlung der zu veröffentlichenden Information im Hinblick auf die Sicherstellung des ordnungsgemäßen Empfangs der Vorschrift durch das jeweilige Medium nach Maßgabe von § 3a Abs. 2 Nrn. 1 und 2 WpAIV hinaus ist der Emittent oder der von ihm zur Erledigung dieser Aufgaben beauftragte Dritte nicht für die tatsächliche ordnungsgemäße Veröffentlichung der übermittelten Information verantwortlich2; insbesondere trägt er gemäß § 3a Abs. 2 Satz 2 WpAIV, mit dem Art. 12 Abs. 4 Satz 3 der Durchführungsrichtlinie zur Transparenzrichtlinie 2007/14/EG (s. Rz. 1) umgesetzt wird, keine Verantwortung für Systemfehler im Verantwortungsbereich des jeweiligen Mediums, welche zu einem fehlerhaften Empfang oder zu einer fehlerhaften oder verzögerten Veröffentlichung
1 RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 49. 2 RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 49 (zu § 3a Abs. 2 Satz 2 WpAIV); BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 76.
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führen1. Wiederum vermag die Einschaltung eines Dritten den Veröffentlichungspflichtigen von der Pflicht zur Erfüllung der sich aus § 3a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 ergebenden Pflichten nicht zu befreien (§ 3a Abs. 4 WpAIV) und wiederum muss auch der Dritte, was insbesondere aufsichtsrechtliche Bedeutung hat, nach § 3a Abs. 4 Halbsatz 1 WpAIV die Pflichten im Hinblick auf die ihm übertragene Aufgabe erfüllen. (3) Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten (§ 3a Abs. 3, Abs. 4 WpAIV) Der Veröffentlichungspflichtige muss nach § 3a Abs. 3 WpAIV auf Anforderung sechs Jahre lang in der Lage sein, der BaFin Angaben machen zu können über:
280f
1. die Person, die die Information an die Medien gesandt hat, 2. die verwandten Sicherheitsmaßnahmen für die Übersendung an die Medien, 3. den Tag und die Uhrzeit der Übersendung an die Medien, 4. das Mittel der Übersendung an die Medien und 5. gegebenenfalls alle Daten zu einer Verzögerung der Veröffentlichung. § 3a Abs. 3 WpAIV soll sicherstellen, dass die BaFin die Einhaltung der Transparenz- 280g pflichten des Veröffentlichungspflichtigen überwachen kann: Die Vorschrift setzt Art. 12 Abs. 5 Satz 2 der Durchführungsrichtlinie zur Transparenzrichtlinie 2007/14/EG (s. Rz. 1) um. Auch im Falle der Beauftragung eines Dritten mit den sich aus § 3a WpAIV ergebenden Pflichten, muss der Emittent in der Lage sein, der BaFin die in § 3a Abs. 3 WpAIV angeführten Angaben zu erteilen. Insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit, dass der Dritte sich aus dem Geschäft zurückzieht oder nach einer Insolvenz wegfällt, muss der Veröffentlichungspflichtige dafür Sorge tragen, die fraglichen Informationen erteilen zu können. Dessen ungeachtet ist nach § 3a Abs. 4 Halbsatz 1 WpAIV auch der Dritte zur Erfüllung der Anforderungen aus § 3a Abs. 3 WpAIV mit allen sich daraus insbesondere aufsichtsrechtlich ergebenden Konsequenzen verpflichtet. bb) Veröffentlichung über ein elektronisch betriebenes Informationsverbreitungssystem und Internet (§ 5 WpAIV) Unbeschadet der Vorschriften des § 3a WpAIV und zusätzlich zu den sich aus dieser Bestimmung ergebenden Anforderungen an das Veröffentlichungsverfahren (s. Rz. 277) hat der Veröffentlichungspflichtige nach § 5 Satz 1 WpAIV dafür Sorge zu tragen, dass die Information 1. über ein elektronisch betriebenes Informationsverbreitungssystem in die Öffentlichkeit gelangt, das bei Kreditinstituten, nach § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG tätigen Unternehmen, anderen Unternehmen, die ihren Sitz im Inland haben und an einer inländischen Börse zur Teilnahme am Handel zugelassen sind, und Versicherungsunternehmen weit verbreitet ist (§ 5 Satz 1 Nr. 1WpAIV), und 2. sofern der Veröffentlichungspflichtige über eine Adresse im Internet verfügt, unter dieser Adresse für die Dauer von mindestens einem Monat verfügbar ist, wobei die Hauptseite einen deutlich erkennbaren Hinweis auf eine Seite mit Informationen für Anleger zu enthalten hat, unter der die Veröffentlichung leicht aufzufinden sein muss (§ 5 Satz 1 Nr. 2 WpAIV).
1 Vgl. RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 49.
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Dabei darf gemäß § 5 Satz 2 WpAIV die Veröffentlichung nach § 5 Satz 1 Nr. 2 WpAIV über das Internet nicht vor der Veröffentlichung nach § 5 Satz 1 Nr. 1 WpAIV erfolgen. Die Verpflichtung zur Veröffentlichung der Insiderinformation über Internet zusätzlich zu ihrer Veröffentlichung über ein elektronisch betriebenes Informationsverbreitungssystem besteht bereits dann, wenn der Emittent nur über eine Hauptseite verfügt. Die BaFin empfiehlt, auf der Website eine entsprechende Rubrik im Bereich Investor Relations einzurichten1.
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Anders als im Hinblick auf die Veröffentlichung nach § 3a WpAIV ist der Veröffentlichungspflichtige dafür verantwortlich, dass die Veröffentlichung über das elektronisch betriebene Informationsverbreitungssystem auch tatsächlich erfolgt und die Information auf diese Weise tatsächlich in die Öffentlichkeit gelangt2.
280k
Nach § 5 Satz 3 WpAIV gelten die Veröffentlichungspflichten aus § 5 Satz 1 WpAIV nicht für Emittenten i.S. des § 2 Abs. 7 Nr. 2. Hierbei handelt es sich um Emittenten, für die nicht Deutschland, sondern ein anderer Mitgliedstaat der EU oder ein anderer Vertragsstaat des EWR der Herkunftsstaat ist, deren Wertpapiere aber nur im Inland zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind (s. § 2 Rz. 176). Solche Emittenten sind mithin lediglich verpflichtet, nach Maßgabe von § 3a WpAIV für die Veröffentlichung der Insiderinformation zu sorgen. Die BaFin sieht jedoch keinen Grund, eine freiwillige Verbreitung der Information nach Maßgabe von § 5 WpAIV zu beanstanden. e) Übermittlung an das Unternehmensregister (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 WpHG)
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Der Veröffentlichungspflichtige muss die auf Grund von § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG veröffentlichte Insiderinformation gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 WpHG unverzüglich, jedoch nicht vor ihrer Veröffentlichung, dem Unternehmensregister i.S. des § 8b HGB zur Speicherung übermitteln. S. dazu die Erläuterungen Rz. 128a ff. f) Übersendung eines Belegs der Veröffentlichung (§ 15 Abs. 5 Satz 2 WpHG)
281 Außer in dem Fall, dass die BaFin einem Emittenten mit Sitz im Ausland nach § 15 Abs. 4 Satz 4 WpHG gestattet hat, die Vorabmitteilung gleichzeitig mit der Veröffentlichung vorzunehmen (§ 15 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 WpHG), hat der Veröffentlichungspflichtige gleichzeitig mit den Veröffentlichungen nach § 15 Abs. 1 Satz 1, Satz 4 oder Satz 5 oder § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG diese der Geschäftsführung der in § 15 Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 und 2 WpHG erfassten organisierten Märkte und der BaFin mitzuteilen (§ 15 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 WpHG). Ein „unmittelbares Versenden hintereinander“ an die einzelnen zu informierenden Stellen „erfüllt noch die Anforderungen an eine gleichzeitige Mitteilung“3. § 15 Abs. 5 Satz 2 WpHG ist durch Art. 1 Nr. 6 lit. d bb TUG (Einl. Rz. 35) geändert worden, teils um einen in der Vorschrift enthaltenen redaktionellen Fehler zu beseitigen4, teils um die Bestimmung an das neue Regime der Veröffentlichung von Insiderinformationen anzupassen. Mit der Neufassung der Vorschrift werden Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 und Art. 21 der Transparenzrichtlinie (Einl. Rz. 35) umgesetzt5. 1 2 3 4 5
BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 78. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 78. RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 33. RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 33. RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 33.
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Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Insiderinformationen
Da eine Ad-hoc-Mitteilung zweigleisig, unter Berücksichtigung der Anforderungen 281a aus §§ 3a und 5 WpAIV, zu erfolgen hat, reicht die Übermittlung eines Belegs über die Veröffentlichung der Information in einem elektronisch betriebenen Informationsverbreitungssystem nicht mehr aus. Vielmehr muss die Mitteilung nach § 15 Abs. 5 Satz 2 WpHG begleitet sein: (1) vom Text der Veröffentlichung, (2) von Angaben über die Medien, an die die Information gesandt wurde sowie (3) der Angabe des genauen Zeitpunkts (Datum und Uhrzeit) der Versendung des Textes an die jeweiligen Medien (§§ 3c, 5a WpAIV). Ein Beleg über die Veröffentlichung der Insiderinformation auf der Website nach § 5 Satz 1 Nr. 2 WpAIV muss nicht übermittelt werden. Die Übermittlung kann elektronisch oder schriftlich erfolgen1. g) Folgepflichten (Jährliches Dokument nach § 10 WpPG) Ad-hoc-Mitteilungen, die ein Emittent veröffentlicht hat, sind nach § 10 Abs. 1 WpPG in das sog. Jährliche Dokument aufzunehmen, das der Emittent, mit weiteren in der Vorschrift angeführten Angaben, mindestens einmal jährlich dem Publikum zur Verfügung zu stellen hat. Die Art, in der dies geschehen muss, ist in § 10 Abs. 1 Satz 2 WpPG geregelt.
282
VII. Sanktionen und Haftung Die schuldhafte Verletzung bestimmter im Zusammenhang mit der Ad-hoc-Publizi- 283 tät geregelter Pflichten stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit Bußgeld belegt werden (Rz. 284 ff.). Unberührt bleiben Schadensersatzansprüche aus anderen zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen (Rz. 308 ff.). 1. Ordnungswidrigkeiten a) Die erfassten Verstöße Bestimmte Verstöße gegen § 15 WpHG werden in § 39 Abs. 2 WpHG als Ordnungswidrigkeiten erfasst. Die Ordnungswidrigkeiten können in den in § 39 Abs. 4 WpHG genannten Fällen und in dem in dieser Bestimmung aufgeführten Umfang mit Bußgeld belegt werden.
284
Nach § 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. a WpHG handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder leichtfertig entgegen § 15 Abs. 1 Satz 1 (auch in Verbindung mit Satz 2), 4 oder 5 WpHG (jeweils in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 WpHG) eine Ad-hoc-Veröffentlichung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig vornimmt oder nicht oder nicht rechtzeitig nachholt. Diese Ordnungswidrigkeit kann mit Geldbuße bis zu 1 Mio. Euro geahndet werden (§ 39 Abs. 4 WpHG).
285
Nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 lit. c WpHG handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder 286 leichtfertig entgegen § 15 Abs. 3 Satz 4, Abs. 4 Satz 1 oder Abs. 5 Satz 2 WpHG (jeweils in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach § 15 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 WpHG) eine Mitteilung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig vornimmt. Diese Ordnungswidrigkeit kann mit Geldbuße bis zu 200 000 Euro geahndet werden (§ 39 Abs. 4 WpHG).
1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 81.
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287 Nach § 39 Abs. 2 Nr. 6 WpHG handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder leichtfertig entgegen § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG eine Information oder eine Bekanntmachung nicht oder nicht rechtzeitig übermittelt. Diese Ordnungswidrigkeit kann mit Geldbuße bis zu 200 000 Euro geahndet werden (§ 39 Abs. 4 WpHG). 288 Nach § 39 Abs. 2 Nr. 7 WpHG handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder leichtfertig entgegen § 15 Abs. 5 Satz 1 WpHG eine Veröffentlichung vornimmt. Diese Ordnungswidrigkeit kann mit Geldbuße bis zu 1 Mio. Euro geahndet werden (§ 39 Abs. 4 WpHG). 289 Vorsätzliches Handeln muss alle Merkmale des gesetzlichen Tatbestands umfassen (vgl. § 38 Rz. 48). Bedingter Vorsatz ist ausreichend (s. § 38 Rz. 48). Leichtfertig handelt, wer die gebotene Sorgfalt in einem ungewöhnlich hohen Maße verletzt (näher hierzu § 39 Rz. 46). 290 Durch den in § 39 Abs. 4 WpHG gesteckten Bußgeldrahmen soll ein Sanktionsausgleich dafür geschaffen werden, dass ein Verstoß gegen die sich aus § 15 WpHG ergebenden Pflichten keinen Schadensersatzanspruch gegen die Gesellschaft auslösen kann, weil der Gesetzgeber der Ad-hoc-Publizität den Charakter eines Schutzgesetzes i.S. des § 823 Abs. 2 BGB genommen hat (s. Rz. 28, 30 und 307). Bei der Bemessung des Höchstbetrages (von 1 Mio. Euro) wurde von jeher berücksichtigt, dass sich die Bußgeldandrohung vorrangig an börsennotierte Gesellschaften und deren gesetzliche Vertreter richtet, die regelmäßig nur durch eine entsprechend hohe Geldbuße zur Beachtung der Vorschriften über die Ad-hoc-Publizität angehalten werden können1. b) Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder 291 Die Emittenten als juristische Personen sind wegen fehlender Handlungsfähigkeit nicht schuldfähig. Bei Ordnungswidrigkeiten können deshalb in erster Linie gegen die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft wegen Verletzung von Aufsichtspflichten Geldbußen verhängt werden. Nach § 130 OWiG handelt ordnungswidrig, wer als Vorstandsmitglied vorsätzlich oder fahrlässig die Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, die erforderlich sind, um in dem Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die den Vorstand als solchen treffen und deren Verletzung mit Geldbuße bedroht ist. Bei der Verhängung einer Geldbuße ist eine Abgrenzung zwischen der Einzelverantwortlichkeit eines Vorstandsmitglieds im Rahmen der Geschäftsverteilung von der Gesamtverantwortung des Vorstandes vorzunehmen2. Nach anderer Ansicht sind die Vorstandsmitglieder wegen Ordnungswidrigkeiten des Emittenten nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG verantwortlich (s. dazu unten Rz. 299 ff.) 292 Zu diesem Pflichtenkreis gehört auch die Ad-hoc-Publizität der in der Emittentensphäre eingetretenen kursrelevanten Sachverhalte. Diese kapitalmarktrechtliche Informationspflicht dient der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts; hiervon ist die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft in starkem Maße abhängig3. Schon zu der freiwilligen Insiderregelung bestand deshalb die Auffassung, es gehöre zu der öffentlichen Verantwortung eines Vorstandsmitgliedes, durch entsprechende 1 Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (2. FFG), BT-Drucks. 12/7918, S. 96. 2 BAWe/Deutsche Börse, Insiderhandelsverbote, S. 48; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 452. 3 RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 33.
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Organisations- und Kontrollvorkehrungen sowie durch geeignete Sanktionsandrohungen für kapitalmarktrechtliches Wohlverhalten der Gesellschaft Sorge zu tragen1. Dies gilt verstärkt seit In-Kraft-Treten des WpHG mit seinem insiderrechtlichen Verbotstatbestand und der Ad-hoc-Publizität als Präventivmaßnahme und Informationsinstrument2. c) Organisatorische Maßnahmen Der Vorstand des börsennotierten Emittenten hat daher für geeignete organisatori- 293 sche Vorkehrungen mit ausreichenden Kontrollen Sorge zu tragen, um insbesondere vorhersehbare Missbräuche von Insiderinformationen zu unterbinden3. Dabei wird es auch auf die Größe des Unternehmens ankommen4. Die Anforderungen an die organisatorischen Maßnahmen müssen aber hinsichtlich des Aufwandes und der betrieblichen Abläufe noch zumutbar sein5. Eine vergleichbare Organisationspflicht besteht für die ordnungsgemäße Erfüllung 294 der Ad-hoc-Publizität als einer flankierenden insiderrechtlichen Präventivmaßnahme. Es dürfte sich daher empfehlen, eine zentrale Stelle zur unverzüglichen Erfassung und Bewertung publizitätspflichtiger Informationen einzurichten. Des Weiteren ist die Verfahrensweise bei der Veröffentlichung zu organisieren, damit diese gemäß den gesetzlichen Vorgaben unverzüglich erfolgen kann (s. oben Rz. 248 ff.). Auch muss ein ausreichender Informationsfluss gewährleistet sein, damit die mögli- 295 cherweise veröffentlichungspflichtigen Informationen den Verantwortlichen zur Kenntnis gebracht werden. Dies gilt insbesondere für die bei Konzerntöchtern anfallenden Informationen, bei deren Bekanntwerden der Kurs der Aktien der Konzernspitze (Holding) erheblich beeinflusst werden könnte. Häufig gehören nur die Aktien der Holdinggesellschaften zu den Insiderpapieren. Soweit es sich bei den börsennotierten Gesellschaften um Banken handelt, kann für die notwendige zentrale Erfassung der publizitätspflichtigen Sachverhalte das Meldeverfahren genutzt werden, wie es die hausinternen Richtlinien der Compliance-Organisation für die kursbeeinflussenden Informationen zur sog. Watch-List vorschreiben6.
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Die Verantwortlichkeit des Vorstandes der börsennotierten Emittenten nach § 130 297 OWiG bei Verletzung von Aufsichtspflichten legt es daher nahe, für die Ad-hoc-Publizität organisatorische Vorkehrungen zu treffen, damit die verschiedenen Verpflichtungen aus dieser für den Kapitalmarkt bedeutsamen Ad-hoc-Publizität ordnungsgemäß erfüllt werden können. Diese Maßnahmen bedürfen freilich nicht stets der spezifischen Form einer Compliance-Organisation, wie sie für Kreditinstitute zu konzipieren sind, die als Marktintermediäre der Anleger wesentlich weiter gehende Organisationspflichten treffen. Bei ausreichenden organisatorischen Vorkehrungen wird die persönliche Haftung ei- 298 nes Vorstandsmitglieds grundsätzlich nur in Betracht kommen können, wenn sich die für die Ad-hoc-Publizität verantwortlichen Personen für eine Veröffentlichung 1 2 3 4 5 6
Mertens, in: KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 93 AktG Rz. 42 m.w.N. Assmann, AG 1994, 257. Assmann, AG 1994, 257. Rotberg, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, 4. Aufl. 1969, § 33 OWiG Rz. 3. Assmann, AG 1994, 257. Eisele, WM 1993, 1024; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2004, Rz. 16.701.
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entschieden haben, der Vorstand der Emittenten dagegen meint, hiervon wegen der nachteiligen Folgen für die Gesellschaft absehen zu müssen. d) Festsetzung von Geldbußen gegen Emittenten 299 Geldbußen kommen v.a. gegen die für die Gesellschaft handelnden Personen, insbesondere gegen die Vorstandsmitglieder der Gesellschaft1, in Betracht, denn Ordnungswidrigkeiten können von den Gesellschaften nicht selbst begangen werden, weil sie als juristische Personen nicht handlungsfähig und daher auch nicht schuldfähig sind. § 30 OWiG ermöglicht es jedoch, zusätzlich auch gegen die Gesellschaft eine Geldbuße festzusetzen, wenn z.B. das verantwortliche Vorstandsmitglied eine Ordnungswidrigkeit begangen hat. Nach anderer Ansicht2 trifft die Geldbuße den Emittenten direkt, während eine solche gegen die Organe aus § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG folgt (s. auch unten Rz. 301). 300 Nach der Neufassung des § 30 OWiG durch das Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Umweltkriminalität vom 27.6.1994 (BGBl. I 1994, 1440), das am 1.11.1994 in Kraft getreten ist, können Geldbußen gegen die Gesellschaft auch bei Ordnungswidrigkeiten von Generalbevollmächtigten, Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten festgesetzt werden, die in leitender Stellung im Betrieb der Gesellschaft tätig sind (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 OWiG). Hierdurch soll der Organisationsstruktur von Unternehmen mit Arbeitsteilung, Delegation von Aufgaben sowie dem Trennen der Funktionen Verantwortung, Entscheiden und Handeln Rechnung getragen werden3. Der Gesellschaft sollen nicht die Vorteile der unzulässigen Tätigkeit ihrer Organe oder anderer leitender Mitarbeiter zufließen, ohne den Nachteilen der gesetzlich hierfür vorgesehenen Sanktionen ausgesetzt zu sein4. 301 Eine gegenüber der Gesellschaft verhängte Geldbuße ist also eine Nebenfolge der Ordnungswidrigkeit der verantwortlichen Vorstandsmitglieder oder anderer leitender Mitarbeiter5. Dabei bestimmt sich das Höchstmaß der Geldbuße nach dem für die Ordnungswidrigkeit angedrohten Höchstmaß der Geldbuße (§ 30 Abs. 2 Satz 2 OWiG). Auch für solche zusätzlichen Geldbußen gegen den Emittenten gilt also der Bußgeldrahmen des § 39 Abs. 4 WpHG. e) Verantwortlichkeit unternehmensexterner Berater der Emittenten 302 Der Emittent hat sich, sofern ihm die erforderliche Sachkunde zur Beurteilung der Verpflichtung zur Ad-hoc-Publizität fehlt, des Rates etwa des emissionsbegleitenden Kreditinstitutes oder einer mit den Verhältnissen am Kapitalmarkt vertrauten Person zu bedienen6. 1 Meier, Gesetz über die Ordnungswidrigkeiten, § 30 OWiG Rz. 3; Förster, in: Reebmann/ Roth/Herrmann (Hrsg.), Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, § 30 OWiG Rz. 12; Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 14.275; Rotberg, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, 5. Aufl. 1975, § 30 OWiG Rz. 3. 2 Bressler, in: BuB, Rz. 7/787; Dreyling/Schäfer, Rz. 499 ff.; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/ Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 206; Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.337; Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 452 („Sonderdelikte kraft gesetzlicher Regelung“). 3 Göhler, Ordnungswidrigkeitengesetz, 13. Aufl. 2002, § 30 OWiG Rz. 11. 4 Meier, Gesetz über die Ordnungswidrigkeiten, § 30 OWiG Rz. 3; Förster, in: Reebmann/ Roth/Herrmann, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, Vor § 30 OWiG Rz. 8. 5 Meier, Gesetz über die Ordnungswidrigkeiten, § 30 OWiG Rz. 3. 6 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 48.
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Bei dieser Beratung kann z.B. der Gesprächspartner der emissionsbegleitenden Bank 303 eine Ordnungswidrigkeit begehen, wenn er an einem pflichtwidrigen Unterlassen der Ad-hoc-Publizität vorsätzlich mitwirkt. Beteiligen sich mehrere an einer Ordnungswidrigkeit, so handelt jeder von ihnen ordnungswidrig (§ 14 Abs. 1 OWiG). Eine Form dieser Beteiligung ist die Beihilfe i.S. des § 27 StGB. Im Unterschied zum StGB hat das OWiG den neuen Begriff des Einheitstäters (Beteiligter) geschaffen, der nicht mehr zwischen Mittäterschaft, Anstiftung und Beihilfe unterscheidet1. Für die Beteiligung genügt nach allgemeiner Auffassung schon die psychische Unterstützung des Täters, wie etwa die Stärkung des Tatentschlusses durch eine entsprechende Beratung2.
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2. Anderweitige Ordnungswidrigkeits- und Straftatbestände Das Verhalten der Person, die eine der in § 15 WpHG statuierten Pflichten verletzt, kann – über die Verwirklichung der in § 39 Abs. 2 WpHG aufgeführten Ordnungswidrigkeiten hinaus – auch nach anderweitigen Ordnungswidrigkeits- und Strafvorschriften bußgeld- bzw. strafbewehrt sein.
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Unter diesen kommt vor allem das Verbot der Marktmanipulation nach § 20a WpHG 306 in Betracht, dessen Verletzung – je nach den Umständen – eine Ordnungswidrigkeit (§ 39 Abs. 1 Nrn. 1, 2, Abs. 2 Nr. 11 WpHG) oder eine Straftat (§ 38 Abs. 2 WpHG) darstellen kann. Dabei ist in erster Linie an einen Verstoß gegen das in § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 enthaltene Verbot der Marktmanipulation mittels unrichtiger oder irreführender Angaben zu denken, wobei diese Tatbestände sowohl durch unrichtige oder irreführende Angaben in Ad-hoc-Meldungen als auch durch unterlassene Adhoc-Veröffentlichungen verwirklicht werden können. Wenn § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG in Bezug auf unterlassene Angaben verlangt, dass diese „entgegen bestehenden Rechtsvorschriften“ verschwiegen wurden, so handelt es sich bei der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG um eine solche „Rechtsvorschrift“3. Weniger wahrscheinlich, aber keineswegs ausgeschlossen ist es, dass ein Verhalten, das gegen Ad-hoc-Publizitätspflichten aus § 15 WpHG verstößt, auch eine von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG erfasste sonstige Täuschungshandlung darstellt. 3. Einschränkung der zivilrechtlichen Haftung der Emittenten (§ 15 Abs. 6 WpHG) a) Fehlender Schutzgesetzcharakter (§ 15 Abs. 6 Satz 1 WpHG) Zu der (bei Erlass des WpHG durch § 15 WpHG abgelösten) Regelung der Ad-hoc-Pu- 307 blizität in § 44a BörsG (a.F.) wurde überwiegend die Meinung vertreten, bei der Vorschrift handele es sich um ein Schutzgesetz i.S. des § 823 Abs. 2 BGB, dessen Verletzung schadensersatzrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könne4. Dagegen 1 Meier, Gesetz über die Ordnungswidrigkeiten, § 14 OWiG Rz. 2; Förster, in: Reebmann/ Roth/Herrmann, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, § 14 OWiG Rz. 2. 2 Rotberg, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, 5. Aufl. 1975, § 14 OWiG Rz. 4. 3 S. näher § 20a Rz. 105. So schon die 3. Aufl. des Kommentars Rz. 185 zu dem insoweit wortgleichen und von § 20a WpHG abgelösten § 88 BörsG (a.F.). Ebenso von Klitzing, S. 217; Riedel, wistra 2001, 450; Rössner, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 9 Rz. 110 f.; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 166, 173; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 141. 4 Assmann, ZGR 1994, 529 (m.w.N.). A.A. Schwark, Börsengesetz, 2. Aufl. 1994, § 44 Rz. 14.
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stellt § 15 Abs. 6 Satz 1 WpHG ausdrücklich klar, dass der Emittent, der seine Veröffentlichungs- und Mitteilungspflichten im Sinne des § 15 Abs. 1 bis Abs. 3 WpHG verletzt, zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens nur unter den Voraussetzungen der §§ 37b und 37c WpHG verpflichtet ist1. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass § 15 WpHG kein Schutzgesetz i.S. des § 823 Abs. 2 BGB darstellt und Schutzgut dieser Vorschrift allein die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts ist (s. auch oben Rz. 28, 30)2. b) Kein Ausschluss sonstiger Schadensersatzansprüche (§ 15 Abs. 6 Satz 2 WpHG) 308 Bestimmt § 15 Abs. 6 Satz 2 WpHG, dass Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung der in § 15 Abs. 1–4 WpHG statuierten Emittentenpflichten – Gleiches gilt im Hinblick auf die sich aus § 15 Abs. 1 Satz 3, 4 WpHG ergebenden Pflichten für die Person, die im Auftrag eines Emittenten oder auf dessen Rechnung handelt – nur unter den Voraussetzungen der §§ 37b und 37c WpHG geltend gemacht werden und im Übrigen nicht auf § 823 Abs. 2 BGB gestützt werden können, so kann das Verhalten des Emittenten doch gleichwohl die Voraussetzungen anderer, schadensersatzbegründender Vorschriften erfüllen. Diesbezüglich stellt § 15 Abs. 6 Satz 2 WpHG klar, dass Schadensersatzansprüche, die auf anderen Rechtsgrundlagen beruhen, von § 15 Abs. 6 Satz 1 WpHG unberührt bleiben. 309 So kann der Emittent, dessen Organe oder verfassungsmäßig berufene Vertreter falsche Ad-hoc-Mitteilungen veröffentlichen oder Ad-hoc-Mitteilungen pflichtwidrig unterlassen, je nach den Umständen des Einzelfalls und des Verhaltens der Organe zugleich den Betrugstatbestand des § 263 StGB verletzen und sich so nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 31 BGB analog schadensersatzpflichtig machen oder eine zum Schadensersatz verpflichtende vorsätzlich sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB analog begehen (s. unten Rz. 309a). Würden diese und andere (namentlich vertragliche und quasivertragliche) Haftungstatbestände durch den Umstand, dass das Verhalten des Emittenten zugleich seine Ad-hoc-Publizitätspflichten
1 S. auch oben Rz. 28. Etwa Eichner, S. 95; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 3, 196 f.; Stoppel, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 270; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 268. Ausschluss jeglicher zivilrechtlicher Haftung wegen der Verletzung von Ad-hoc-Publizitätspflichten in § 16 Abs. 6 Satz 1 WpHG a.F. ist vereinzelt als Verstoß gegen europäisches Recht betrachtet worden, wie etwa bei von Klitzing, S. 222 ff. (228). 2 So schon Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (2. FFG), BT-Drucks. 12/7918, S. 102; Begr. RegE 4. FFG, BR-Drucks. 936/01 (neu) v. 14.11.2001, S. 245; RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004, S. 35; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 47. Aus der Rechtsprechung BVerfG v. 24.9.2002 – 2 BvR 742/02, ZIP 2002, 1986; BGH v. 19.7.2004 – II ZR 217/03 („Infomatec I“), BGHZ 160, 134 = AG 2004, 543 f.; BGH v. 9.5.2005 – II ZR 287/02 („EM.TV“), AG 2005, 609 (610). Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (2. FFG), BT-Drucks. 12/7918, S. 102; Begr. RegE 4. FFG, BRDrucks. 936/01 (neu) v. 14.11.2001, S. 245. Aus dem Schrifttum etwa Caspari, ZGR 1994, 533; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15 WpHG Rz. 196; Groß, WM 2002, 482; Krause, ZGR 2002, 808 ff.; Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG Rz. 437; Rodewald-Siems, BB 2001, 2439; Steinhauer, S. 134; Stoppel, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 270; Thümmel, DB 2001, 2332; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 15 Rz. 268; Waldhausen, S. 50 („de lege lata bindend“); Zimmer/Kruse, in: Schwark/Zimmer, § 15 WpHG Rz. 6, 135. A.A. Gehrt, S. 23 ff. (25); von Klitzing, S. 220 ff. Kritisch zur Schutzgutbestimmung (des Gesetzgebers) insbes. Hopt, ZHR 159 (1995), 158 ff. (161).
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verletzt, von § 15 WpHG verdrängt, hätte dies eine sachlich nicht vertretbare Bevorzugung des Emittenten gegenüber anderen Unternehmen mit sich gebracht1. § 15 Abs. 6 Satz 1 WpHG lässt die Haftung des Managements des Emittenten für Ver- 309a stöße gegen die den Emittenten aus § 15 WpHG i.V.m. den Vorschriften der WpAIV treffenden Pflichten unberührt2. Der Verstoß gegen diese Pflichten stellt regelmäßig eine Pflichtverletzung i.S. des § 93 Abs. 1 AktG dar3, für die die Vorstandsmitglieder nach § 93 Abs. 2 AktG allerdings nur gegenüber der Gesellschaft haften. Unter besonderen Umständen kann aber eine Außenhaftung von Vorstandsmitgliedern unter dem Gesichtspunkt der Haftung vor allem wegen betrügerischen Verhaltens gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB4, wegen unrichtiger Darstellungen i.S. von § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB5 und wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB6 in Betracht kommen. § 15 Abs. 6 Satz 1 WpHG steht, neben anderen Gründen auch dem Versuch7 entgegen, Ad-hoc-Mitteilungen als Prospekte i.S. der allgemein-zivilrechtlichen Prospekthaftung zu betrachten und sie den diesbezüglichen Haftungsgrundsätzen zu un-
1 Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages (2. FFG), BT-Drucks. 12/7918, S. 102. 2 Übersicht bei Fleischer, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 7 Rz. 11 ff. 3 Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rz. 423. 4 BGH v. 9.5.2005 – II ZR 287/02 („EM.TV“), AG 2005, 609 (610). S. auch Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 340; Fleischer, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 7 Rz. 18; Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, 4. Aufl. 2008, Rz. 425. Zum Sonderfall, dass die Ad-hoc-Publizitätspflicht verletzt wird, um Insidergeschäfte möglich zu machen, s. Steinhauer, S. 127 ff. 5 § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG ist Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2 BGB. S., jeweils m.w.N., BGH v. 16.12.2004 – 1 StR 420/03, AG 2005, 162 (163); BGH v. 19.7.2004 – II ZR 218/03 („Infomatec I“), BGHZ 160, 134 (141) = AG 2004, 543 (544); BGH v. 19.7.2004 – II ZR 402/02 („Infomatec II“), BGHZ 160, 149 = AG 2004, 546; BGH v. 9.5.2005 – II ZR 287/02 („EM.TV“), AG 2005, 609 (610). Nach BGH v. 19.7.2004 – II ZR 218/03 („Infomatec I“), BGHZ 160, 134 (141) m.w.N. = AG 2004, 543 (544) (wortgleich „Infomatec II“, s. vorstehend), unterfallen Ad-hoc-Mitteilungen, die nicht den Vermögensstand der Gesellschaft in seiner Gesamtheit betreffen, sondern nur jeweils einzelne Aspekte desselben – wie etwa einzelne Geschäftsabschlüsse – umfassen, nicht unter den Begriff der Darstellungen i.S. des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG. Vgl. Oetker, in: K. Schmidt/Lutter, § 400 AktG Rz. 7. 6 Vgl. BGH v. 19.7.2004 – II ZR 217/03 („Infomatec I“), BGHZ 160, 134 = AG 2004, 543; BGH v. 19.7.2004 – II ZR 218/03 („Infomatec Ia“), AG 2004, 543; BGH v. 19.7.2004 – II ZR 402/02 (Infomatec II), BGHZ 160, 149 = AG 2004, 546; BGH v. 9.5.2005 – II ZR 287/02 („EM.TV“), AG 2005, 609; BGH v. 28.11.2005 – II ZR 80/04 („Comroad I“), AG 2007, 322; BGH v. 28.11.2005 – II ZR 246/04 („Comroad II“), AG 2007, 324; BGH v. 26.6.2006 – II ZR 153/05 („Comroad III“), AG 2007, 169; BGH v. 4.6.2007 – II ZR 147/05 („Comroad IV“), AG 2007, 620; BGH v. 4.6.2007 – II ZR 173/05 („Comroad V“), AG 2007, 623; BGH v. 7.1.2008 – II ZR 229/05 („Comroad VI“), AG 2008, 252; BGH v. 7.1.2008 – II ZR 68/06 („Comroad VII“), AG 2008, 254; BGH v. 3.3.2008 – II ZR 310/06 („Comroad VIII“), AG 2008, 377. Aus dem Schrifttum etwa Backhaus, WM 2007, 10; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, Rz. 341 ff.; Buck-Heeb, AG 2008, 681; Edelmann, BB 2004, 2031; Findeisen, NZG 2007, 692; Findeisen/Backhaus, WM 2007, 100; Fleischer, AG 2008, 265; Fleischer, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 7 Rz. 19 ff.; Gottschalk, DStR 2005, 1648; Hutter/ Stürwald, NZG 2005, 2428; Kort, NZG 2005, 496; Krause, ZGR 2002, 820; Kümpel/Veil, Wertpapierhandelsgesetz, S. 105 f.; Leuschner, ZIP 2008, 1050; Möllers, WM 2003, 2393; Rützel, AG 2003, 69; v. Schweinitz, WM 2008, 953; Wünsche, BB 2008, 691. 7 So Braun/Rotter, BKR 2003, 918.
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terwerfen1. Das gilt auch für den Fall missbräuchlicher Ad-hoc-Veröffentlichungen, d.h. der Veröffentlichung von Informationen, die keine veröffentlichungspflichtige Insiderinformation darstellen. 4. Weitere Folgen fehlerhafter Ad-hoc-Mitteilungen 310a
In einer Ad-hoc-Mitteilung kann nach einem Urteil des OLG Hamburg2 eine Wettbewerbshandlung i.S. von §§ 3, 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG und eine Werbung i.S. von § 5 UWG jedenfalls dann gesehen werden, wenn die veröffentlichte Information nicht in vollem Umfang den Tatsachen entspricht und irreführend ist. Der Umstand, dass die Mitteilung als „Ad-hoc-Mitteilung nach § 15“ bezeichnet worden sei, stehe dem nicht entgegen, denn im Hinblick auf den fehlerhaften Teil der Mitteilung könne der Emittent sich nicht darauf berufen, zum Zwecke der Information der Kapitalanleger gehandelt zu haben.
VIII. Verordnungsermächtigung (§ 15 Abs. 7 WpHG) 311 § 15 Abs. 7 Satz 1 WpHG ermächtigt das Bundesministerium der Finanzen (BMF) durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen zu erlassen über (1) den Mindestinhalt, die Art, den Umfang und die Form einer Veröffentlichung nach § 15 Abs. 1 Satz 1, 4 und 5 WpHG sowie nach § 15 Abs. 2 Satz 2 WpHG, (2) den Mindestinhalt, die Art, den Umfang und die Form einer Mitteilung nach § 15 Abs. 3 Satz 4, Abs. 4 und Abs. 5 Satz 2 WpHG sowie (3) berechtigte Interessen des Emittenten und die Gewährleistung der Vertraulichkeit nach § 15 Abs. 3 WpHG. Die Ermächtigung kann gemäß § 15 Abs. 7 Satz 2 WpHG durch Rechtsverordnung auf die BaFin übertragen werden. 312 Mit der Vorschrift wurde vor allem die Möglichkeit geschaffen, Maßnahmen der Europäischen Kommission zur Durchführung der Marktmissbrauchsrichtlinie i.S. von Art. 6 Abs. 10 Satz 1. und 2. Spiegelstrich der Richtlinie statt durch eine zeitaufwändige Gesetzesänderung zügig mittels einer Rechtsverordnung in nationales Recht umsetzen zu können. Davon hat das BMF durch Erlass der WpAIV Gebrauch gemacht. Mit dieser wurde die Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG zur Marktmissbrauchsrichtlinie vom 22.12.2003 (s. Rz. 1) in deutsches Recht umgesetzt. Durch Art. 2 des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 5.1.2007 (s. Rz. 1), das der Umsetzung der Transparenzrichtlinie und der Durchführungsrichtlinie zu derselben (s. Rz. 1) diente und deren neues Publikations- und Mitteilungsregime in das Recht der Ad-hoc-Publizität überträgt (s. Rz. 1), hat sie erhebliche Änderungen erfahren.
1 BGH v. 19.7.2004 – II ZR 218/03 („Infomatec“), AG 2004, 543 = NJW 2004, 2664. Ebenso etwa Edelmann, BB 2004, 2031; Körner, NJW 2004, 3386; Stoppel, in: Grunewald/Schlitt, Kapitalmarktrecht, S. 269/270. Wie hier vor „Infomatec“ schon Krause, ZGR 2002, 826 ff. 2 OLG Hamburg v. 19.7.2006 – 5 U 10/06, ZIP 2006, 1921.
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§ 15a
Mitteilung von Geschäften, Veröffentlichung und Übermittlung
§ 15a Mitteilung von Geschäften, Veröffentlichung und Übermittlung an das Unternehmensregister (1) Personen, die bei einem Emittenten von Aktien Führungsaufgaben wahrnehmen, haben eigene Geschäfte mit Aktien des Emittenten oder sich darauf beziehenden Finanzinstrumenten, insbesondere Derivaten, dem Emittenten und der Bundesanstalt innerhalb von fünf Werktagen mitzuteilen. Die Verpflichtung nach Satz 1 obliegt auch Personen, die mit einer solchen Person in einer engen Beziehung stehen. Die Verpflichtung nach Satz 1 gilt nur bei Emittenten solcher Aktien, die 1. an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen sind oder 2. zum Handel an einem ausländischen organisierten Markt zugelassen sind, sofern der Emittent seinen Sitz im Inland hat oder es sich um Aktien eines Emittenten mit Sitz außerhalb der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraums handelt, für welche die Bundesrepublik Deutschland Herkunftsstaat im Sinne des Wertpapierprospektgesetzes ist. Der Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt steht es gleich, wenn der Antrag auf Zulassung gestellt oder öffentlich angekündigt ist. Die Pflicht nach Satz 1 besteht nicht, solange die Gesamtsumme der Geschäfte einer Person mit Führungsaufgaben und der mit dieser Person in einer engen Beziehung stehenden Personen insgesamt einen Betrag von 5000 Euro bis zum Ende des Kalenderjahres nicht erreicht. (2) Personen mit Führungsaufgaben im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 sind persönlich haftende Gesellschafter oder Mitglieder eines Leitungs-, Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans des Emittenten sowie sonstige Personen, die regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen haben und zu wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen ermächtigt sind. (3) Personen im Sinne des Absatzes 1 Satz 2, die mit den in Absatz 2 genannten Personen in einer engen Beziehung stehen, sind deren Ehepartner, eingetragene Lebenspartner, unterhaltsberechtigte Kinder und andere Verwandte, die mit den in Absatz 2 genannten Personen zum Zeitpunkt des Abschlusses des meldepflichtigen Geschäfts seit mindestens einem Jahr im selben Haushalt leben. Juristische Personen, bei denen Personen im Sinne des Absatzes 2 oder des Satzes 1 Führungsaufgaben wahrnehmen, gelten ebenfalls als Personen im Sinne des Absatzes 1 Satz 2. Unter Satz 2 fallen auch juristische Personen, Gesellschaften und Einrichtungen, die direkt oder indirekt von einer Person im Sinne des Absatzes 2 oder des Satzes 1 kontrolliert werden, die zugunsten einer solchen Person gegründet wurden oder deren wirtschaftliche Interessen weitgehend denen einer solchen Person entsprechen. (4) Ein Inlandsemittent hat Informationen nach Absatz 1 unverzüglich zu veröffentlichen und gleichzeitig der Bundesanstalt die Veröffentlichung mitzuteilen; er übermittelt sie außerdem unverzüglich, jedoch nicht vor ihrer Veröffentlichung dem Unternehmensregister im Sinne des § 8b des Handelsgesetzbuchs zur Speicherung. § 15 Abs. 1 Satz 2 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass die öffentliche Ankündigung eines Antrags auf Zulassung einem gestellten Antrag auf Zulassung gleichsteht. (5) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen erlassen über den Mindestinhalt, die Art, die Sprache, den Umfang und die Form der Mitteilung nach Absatz 1 und Absatz 4 Satz 1 sowie der Veröffentlichung nach Absatz 4. Das Bundes-
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Mitteilung von Geschäften, Veröffentlichung und Übermittlung
ministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übertragen. In der Fassung des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 16.7.2007 (BGBl. I 2007, 1330). Europäische Rechtsakte: Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EG Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16. Richtlinie 2004/72/EG der Kommission vom 29.4.2004 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates – Zulässige Marktpraktiken, Definition von Insider-Informationen in Bezug auf Warenderivate, Erstellung von Insider-Verzeichnissen, Meldung von Eigengeschäften und Meldung verdächtiger Transaktionen, ABl. EG Nr. L 162 v. 30.4.2004, S. 70. Schrifttum: Agrawal/Jaffe, Does Section 16b deter insider trading by target managers?, Journal of Financial Economics 39 (1995), 295; Ams, Directors’ Dealings and Insider Trading in Germany, 2010; Assmann, Unternehmenszusammenschlüsse und Kapitalmarktrecht, ZHR 172 (2008), 635; Bajo/Petracci, Do what insiders do: Abnormal performances after the release of insiders’ relevant transactions. Studies in Economics and Finance 23 (2006), 94; Baums, Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001; Baums, Anlegerschutz und Neuer Markt, ZHR 166 (2002), 375; Baur/Wagner, Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz – Neuerungen im Börsen- und Wertpapierhandelsrecht, Die Bank 2002, 530; Bednarz, Pflichten des Emittenten bei einer unterlassenen Mitteilung von Directors’ Dealings, AG 2005, 835; Benesh/Pari, Performance of Stocks Recommended on the Basis of Insider Trading Activity, The Financial Review 22 (1987), 145; Bettis/Vickrey/Vickrey, Mimickers of Corporate Insiders Who Make Large-Volume Trades, Financial Analysts Journal 53, 5 (1997), 57; Bode, Die Anwendung von § 15a WpHG bei Geschäften innerhalb eines Konzerns, AG 2008, 648; Bosse, Wesentliche Neuregelungen ab 2007 aufgrund des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes für börsennotierte Unternehmen, DB 2007, 39; Buchta, Die Haftung des Vorstands einer Aktiengesellschaft – aktuelle Entwicklungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung (Teil II), DStR 2003, 740; Bürgers, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, BKR 2004, 424; von Buttlar, Directors’ Dealings: Änderungsbedarf auf Grund der Marktmissbrauchsrichtlinie, BB 2003, 2133; von Buttlar, Kapitalmarktrechtliche Pflichten in der Insolvenz, BB 2010, 1355; Deutsche Bank, Directors’ Dealings in Europe, 2004; Dickgießer, Directors’ dealings, market efficiency, and strategic insider trading in the German stock market, 2010; Diekmann/Sustmann, Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG), NZG 2004, 929; Dier/Fürhoff, Die geplante europäische Marktmissbrauchsrichtlinie, AG 2002, 608; Dreyling, Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz – Überregulierung oder Notwendigkeit?, Die Bank 2002, 16; Dreyling, Die Umsetzung der MarktmissbrauchsRichtlinie über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation, Der Konzern 2005, 1; von Dryander/Schröder, Gestaltungsmöglichkeiten für die Gewährung von Aktienoptionen an Vorstandsmitglieder im Lichte des neuen Insiderrechts, WM 2007, 534; Dymke, Directors’ Dealings am deutschen Kapitalmarkt – eine empirische Bestandsaufnahme, Finanz-Betrieb 2007, 450; Dymke, Directors’ Dealings in Deutschland – Empirische Analyse der Eigengeschäfte von Unternehmensinsidern, 2011; Engelhart, Meldepflichtige und meldefreie Geschäftsarten bei Directors’ Dealings (§ 15a WpHG), AG 2009, 856; Erkens, Directors’ Dealings nach neuem WpHG, Der Konzern 2005, 29; Escher-Weingart/Hannich, Gesetz zur Neuordnung des Pfandbriefrechts bestimmt den Kreis der Mitteilungspflichtigen gem. § 15a WpHG („Directors’ Dealings“) neu, NZG 2005, 922; Fenchel, Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz – ein Überblick, DStR 2002, 1355; Finnerty, Insiders and Market Efficiency, Journal of Finance 31 (1976), 1141; Fischer zu Cramburg/Hannich, Directors’ Dealings – Eine juristische und empirische Analyse des Handels von Organmitgliedern mit Aktien des eigenen Unternehmens, Studien des Deutschen Aktieninstituts, hrsg. von R. von Rosen, Heft 19, 2002; Fleischer, Directors’ Dealings, ZIP 2002, 1217; Fleischer, Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz, NJW 2002, 2977; Fleischer, Empfiehlt es sich, im Interesse des Anlegerschutzes und zur Förderung des Finanzplatzes Deutschland das Kapitalmarkt- und Börsenrecht neu zu re-
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Mitteilung von Geschäften, Veröffentlichung und Übermittlung
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Inhaltsübersicht I. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . .
1
II. Regelungsgegenstand und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9
1. Inhalt der Regelung . . . . . . . . . . . . . . 2. Ziele der Regelung. . . . . . . . . . . . . . .
9 10
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3. Alternativen und Reformvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Handelsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pre-trading disclosure . . . . . . . . . . c) Weitere Reformvorschläge. . . . . . 4. Tatsächliche Bedeutung der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16 16 17 18 19
§ 15a
Mitteilung von Geschäften, Veröffentlichung und Übermittlung III. Regelungsvorbilder . . . . . . . . . . . . . .
20
IV. Europarechtlicher Hintergrund . . . .
23
V. Die Mitteilungspflicht (§ 15a Abs. 1 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
1. Sachlicher Anwendungsbereich. . . . 27 a) Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . 28 b) Zulassung zu einer inländischen Börse (§ 15a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 c) Ausländische Börsenzulassung (§ 15a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 WpHG) 33 2. Persönlicher Anwendungsbereich . . 35 a) Personen mit Führungsaufgaben (§ 15a Abs. 2 WpHG) . . . . . . . . . . . 35 aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 bb) Leitungsorgane von AG und SE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 cc) Aktionäre und unternehmensexterne Personen . . . . . . 37 dd) Persönlich haftende Gesellschafter und Komplementärgesellschaften . . . . . . . . . . . 38 ee) top executives . . . . . . . . . . . . 39a ff) Fehlerhaft bestellte Organe . . 40 gg) Im Insiderverzeichnis erfasste Personen . . . . . . . . . . . . . . . 41 hh) Insolvenzverwalter . . . . . . . . . 42 ii) Beginn und Ende der Stellung als Führungsperson . . . . . . . . 43 b) Organmitglieder von Konzernunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 c) In enger Beziehung stehende Personen (§ 15a Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 d) Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 3. Mitteilungspflichtige Geschäfte . . . 63 a) Aktien oder sich darauf beziehende Finanzinstrumente . . . . . . 63 aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 bb) Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 cc) Sich auf Aktien beziehende Finanzinstrumente . . . . . . . . . 66 b) Begriff des eigenen Geschäfts . . . 71 aa) Schuldrechtliches oder dingliches Geschäft . . . . . . . . 71 bb) Verpflichtung zu Doppelmitteilungen? . . . . . . . . . . . . . 72 cc) Art der schuldrechtlichen Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 dd) Maßgeblichkeit der eine Transaktion ausführenden Person?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 4. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 5. Rechtsfolgen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 VI. Die Mitteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
1. 2. 3. 4.
Adressat der Mitteilung . . . . . . . . . . Inhalt der Mitteilung . . . . . . . . . . . . Frist der Mitteilung . . . . . . . . . . . . . . Form der Mitteilung . . . . . . . . . . . . .
99 100 105 108
VII. Die Pflicht zur Verbreitung der Information (§ 15a Abs. 4 Satz 1 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . 2. Pflicht zur Veröffentlichung . . . . . . a) Art der Veröffentlichung (§ 3a WpAIV) . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhalt der Veröffentlichung (§ 12 WpAIV) . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sprache der Veröffentlichung . . . d) Frist der Veröffentlichung . . . . . . e) Nachweis der Veröffentlichung. . f) Zusätzliche Veröffentlichung durch die BaFin . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weiterleitung an das Unternehmensregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Jährliches Dokument . . . . . . . . . . . .
109 114 114 117 118 119 120 121 122 123
VIII. Überwachung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 IX. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 1. Bußgelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verstoß gegen die Mitteilungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verstoß gegen die Veröffentlichungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . c) Verstoß gegen die Pflicht zur Übersendung eines Belegs und zur Übermittlung der Information an das Unternehmensregister d) Verstoß gegen die Pflicht zur Veröffentlichung des jährlichen Dokuments . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verstoß gegen eine vollziehbare Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Strafrechtliche Sanktionen . . . . . . . 3. Naming and shaming . . . . . . . . . . . . 4. Zivilrechtliche Sanktionen . . . . . . . a) Nichtigkeit nach § 134 BGB . . . . b) Haftung aus §§ 37b, 37c WpHG . c) Deliktische Haftung . . . . . . . . . . . d) Verletzung des Deutschen Corporate Governance Kodex . . . . . . e) Entwurf eines Kapitalmarktinformationshaftungsgesetzes. . . f) Gewinnabschöpfungsanspruch . .
129 129 130
131 134 135 136 137 138 138 139 140 142 143 144
X. Verhältnis des § 15a WpHG zu weiteren Publizitätspflichten innerhalb und außerhalb des WpHG . 145 1. Ad-hoc-Publizität (§ 15 WpHG). . . . 146
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2. Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten bei Veränderungen des Stimmrechtsanteils (§§ 21 ff. WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . 147 3. Publizitätspflichten bei der Börsenzulassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 4. Übernahmerecht . . . . . . . . . . . . . . . . 149
5. Aufsichtsrechtliche Pflichten . . . . . 6. Gesellschaftsrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Bilanzrechtliche Vorschriften . . . . . 8. Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetz . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Entstehungsgeschichte 1
Die Vorschrift wurde durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz1 eingeführt. Sie war bereits im Diskussionsentwurf vom 4.9.20012 enthalten und wurde unverändert in den Regierungsentwurf vom 14.11.20013 übernommen. Der Finanzausschuss nahm mehrere inhaltliche Änderungen vor4. Die anschließenden Beratungen im Bundesrat und im Vermittlungsausschuss passierte die Bestimmung ohne weitere Änderungen. Die Fassung war vom 1.7.2002 bis 29.10.2004 in Kraft.
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Das am 30.10.2004 in Kraft getretene Anlegerschutzverbesserungsgesetz, mit dem die Vorgaben der Marktmissbrauchsrichtlinie (2003/6/EG) und der Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG zu Directors’ Dealings umgesetzt wurden, gestaltete § 15a WpHG grundlegend neu5. Insbesondere der persönliche Anwendungsbereich wurde gleich in mehrfacher Hinsicht verändert: – Als Person mit Führungsaufgaben galten nun auch diejenigen Mitarbeiter des Emittenten, die regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen haben und zu wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen ermächtigt sind (Absatz 2). Damit wurden erstmals nicht nur die Organmitglieder erfasst, sondern die gesamte Führungsebene eines Unternehmens6. Die frühere, am Status ausgerichtete Anknüpfung wurde durch eine funktionale Betrachtungsweise ersetzt. – Verändert wurde auch der Kreis der erfassten Familienangehörigen (Absatz 3 Satz 1). Zum einen erstreckte er sich nun auch auf Verwandte der Person mit Führungsaufgaben, die zum Zeitpunkt der meldepflichtigen Transaktion mit dieser mindestens seit einem Jahr im selben Haushalt leben. Zum anderen erfolgte eine deutliche Ausweitung des Anwendungsbereichs dadurch, dass auch die Familienangehörigen derjenigen Mitarbeiter des Emittenten erfasst waren, die regelmäßig 1 Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz) vom 21.6.2002 (BGBl. I 2002, 2010, berichtigt S. 2316), dazu ausführlich Assmann, Einl. Rz. 26 m.w.N. 2 DiskE zum 4. FFG, ZBB 2001, 398, 432. 3 RegE, BR-Drucks. 936/01. 4 Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 20.3.2002, BT-Drucks. 14/8600, S. 67 f., sowie Bericht des Finanzausschusses vom 21.3.2002, BT-Drucks. 14/8601, S. 18 f. 5 Art. 1 des Gesetzes zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG) vom 28.10.2004 (BGBl. I 2004, 2630). Auf Grund der zahlreichen Änderungen der Vorschrift hat die BaFin ihr Rundschreiben vom 5.9.2002 zu den Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten gemäß § 15a WpHG, AZ – WA 22 – W 2320 – 1/2002, abgedruckt in AG 2002, R 350, zu § 15a WpHG mittlerweile als überholt gekennzeichnet. Das Rundschreiben der BaFin vom 27.6.2002 zu den Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten gemäß § 15a WpHG, AZ – WA 22 – W 2310 – 12/2002, abgedruckt in AG 2002, R 352, ist nur noch insoweit anzuwenden, als es nicht gegen das AnSVG verstößt. Beide Rundschreiben werden im Folgenden zitiert, da sich aus ihnen nach wie vor wichtige Gesichtspunkte gewinnen lassen. 6 von Rosen, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 2 Rz. 235.
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Zugang zu Insiderinformationen haben und zu wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen ermächtigt sind. Neben diese Erweiterungen trat eine Einschränkung des Anwendungsbereichs an anderer Stelle. Waren bislang alle Verwandten ersten Grades erfasst, sind es jetzt nur noch die unterhaltsberechtigten Kinder. – Während die erste Fassung des § 15a WpHG auch die Organmitglieder des Mutterunternehmens des Emittenten erfasste, wurde diese misslungene Regelung zu Recht gestrichen. – Um Umgehungen zu verhindern, erstreckt sich der Anwendungsbereich auf alle juristischen Personen, bei denen die Personen mit Führungsaufgaben Leitungsaufgaben wahrnehmen (Absatz 3 Satz 2). Weiterhin unterfallen alle juristischen Personen, Gesellschaften und Einrichtungen der Mitteilungs- und Meldepflicht, die entweder (1) von einer Person mit Führungsaufgaben oder (2) von den erfassten Angehörigen der Führungspersonen kontrolliert werden oder (3) die zugunsten einer solchen Person gegründet wurden oder (4) die wirtschaftliche Interessen verfolgen, die denen solcher Personen entsprechen (Absatz 3 Satz 3). – Der Tatbestand erfasst nicht nur im Inland zugelassene Aktien, sondern auch solche, die in anderen Mitgliedstaaten der EU oder einem Vertragsstaat des EWR zugelassen sind (Absatz 1 Satz 3 Nr. 2). Er greift bereits dann ein, wenn der Emittent den Antrag auf Zulassung seiner Aktien zu einem organisierten Markt gestellt oder öffentlich angekündigt hat (Absatz 1 Satz 4). Auf der anderen Seite wurde der Anwendungsbereich dadurch eingeschränkt, dass Aktiengeschäfte von Führungspersonen nicht börsennotierter Unternehmen, deren Schuldverschreibungen börsenzugelassen waren, nicht mehr erfasst waren1. – Der Kreis der meldepflichtigen Transaktionen wurde verändert, da jetzt alle eigenen Geschäfte in Aktien und sich darauf beziehenden Finanzinstrumenten mitteilungs- und meldepflichtig sind. – Die recht großzügigen Ausnahmeregelungen in Bezug auf den Umfang der Geschäfte (früher 25 000 Euro pro Person in 30 Tagen) wurden entsprechend den strikteren Vorgaben der EG-Durchführungsrichtlinie deutlich eingeschränkt. Nur noch Geschäfte bis zu 5000 Euro pro Kalenderjahr sind freigestellt, wobei die Geschäfte der Führungsperson mit denen seiner Angehörigen zusammengerechnet werden. Die Ausnahme für Erwerbe von Wertpapieren auf arbeitsvertraglicher Grundlage oder als Vergütungsbestandteil wird nicht mehr ausdrücklich erwähnt (vgl. Rz. 83 ff.). – Der Gesetzgeber hat die Frist für die Meldung an den Emittenten und die BaFin auf fünf Werktage festgelegt und damit eine Rechtsunsicherheit beseitigt, die die alte Gesetzesfassung durch das Tatbestandsmerkmal „unverzüglich“ mit sich brachte2. – Die Einzelheiten über den Mindestinhalt, die Art, den Umfang und die Form der Mitteilung sowie der Veröffentlichung können nun in einer Rechtsverordnung festgelegt werden (Absatz 5). – Die frühere Regelung zu den Überwachungsbefugnissen konnte entfallen, da diese Eingriffsrechte und Kompetenzen in § 4 Abs. 3 WpHG zusammengefasst wurden.
1 Zum früheren Recht 3. Aufl. des Kommentars § 15a Rz. 18. 2 Kritisch deshalb etwa Posegga, BKR 2002, 1061 f.
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Die meisten der geschilderten Änderungen fanden sich bereits im Referentenentwurf1. Die Einschränkung auf unterhaltsberechtigte Kinder wurde erst im Regierungsentwurf eingefügt2. In seiner Stellungnahme ging der Bundesrat auf die Neufassung der Vorschrift nicht ein3. Der Finanzausschuss strich in Absatz 1 das Tatbestandsmerkmal „schriftlich“, um auch eine andere Form der Mitteilung (z.B. in rein elektronischer Form) zu ermöglichen und eine Vorschrift zu schaffen, die künftigen technischen Entwicklungen flexibel angepasst werden kann4. Zudem stellte er klar, dass bei der Frage, ob der Schwellenwert von 5000 Euro nach Absatz 1 Satz 3 erreicht wurde, die Geschäfte der Person mit Führungsaufgaben mit denen seiner Angehörigen zusammengerechnet werden. Damit korrigierte er den Referentenentwurf, der entgegen den Vorgaben der Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG einen Freibetrag von 5000 Euro pro Person vorgesehen hatte.
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Sätze 2 und 3 von Absatz 3 der Vorschrift wurden durch das Gesetz zur Neuordnung des Pfandbriefrechts5 mit Wirkung zum 19.7.2005 geändert. Ziel war eine Klarstellung, da der persönliche Anwendungsbereich der Vorschrift zuvor nicht genau genug bestimmt und damit Art. 6 i.V.m. Art. 1 lit. d der Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG nicht korrekt umgesetzt worden war6.
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Durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz7 wurde die Vorschrift umfangreichen Änderungen unterworfen: – Die Überschrift wurde dem veränderten Inhalt der Norm angepasst. – Der Handelsrechtsausschuss des DAV hatte die Fassung von Absatz 1 Satz 1 kritisiert, weil die Vorschrift nicht auf Inlandsemittenten beschränkt worden sei8. Es könne deshalb passieren, dass ein im Inland gelisteter Auslandsemittent sowohl an seine Aufsicht als auch an die BaFin melden müsse. Der Gesetzgeber hat Absatz 1 dennoch unverändert gelassen. Anstelle der an sich gebotenen Einschränkung des Absatzes 1 erfolgte eine Ergänzung des Absatz 4 um einen Satz 2 (dazu sogleich). Erst später erkannte man, dass dies nicht ausreichte und musste § 15a WpHG nochmals ändern (s. unten Rz. 7). – Absatz 4 wurde komplett neu gefasst. Satz 1 dient dazu, dem mit der Transparenzrichtlinie eingeführten Herkunftsstaatsprinzip bei der Anwendung von Publizitätsvorschriften Rechnung zu tragen, so dass mehrfach notierte Unternehmen künftig nicht mehr Meldungen in mehreren Mitgliedstaaten vorzunehmen brau1 RefE des AnSVG vom 10.3.2004, abgedruckt in ZBB 2004, 168 ff. 2 RegE zum AnSVG vom 30.4.2004, BR-Drucks. 341/04, S. 20 sowie vom 24.5.2004, BTDrucks. 15/3174, S. 13. 3 Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung vom 16.6.2004, BT-Drucks. 15/3355. 4 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) vom 1.7.2004, BTDrucks. 15/3493, S. 21, 51. 5 Art. 10a Nr. 2 des Gesetzes vom 22.5.2005, BGBl. I 2005, 1373. 6 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Pfandbriefrechts, BT-Drucks. 15/4878, S. 19. 7 Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz – TUG) vom 5.1.2007, BGBl. I 2007, 10. 8 Stellungnahme Nr. 43/06 des Deutschen Anwaltvereins durch den Handelsrechtsausschuss zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie vom Juli 2006, S. 5.
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chen. Zudem regelt die Vorschrift nun die zentrale Speicherung von publizitätspflichtigen Informationen1. Die Meldungen müssen nun auch an das elektronisch geführte Unternehmensregister (§ 8b HGB)2 übermittelt werden. Dabei handelt es sich um ein System zur zentralen Speicherung unternehmensbezogener Daten, das jedermann zugänglich ist (www.unternehmensregister.de). Satz 2 ordnet die entsprechende Anwendung des § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG an, wonach die Veröffentlichungs- und Mitteilungspflicht auch Emittenten trifft, für deren Finanzinstrumente erst der Antrag auf Zulassung gestellt oder öffentlich angekündigt ist. Auf den ersten Blick vermutet man eine unnötige Doppelung zur Regelung des Absatzes 1 Satz 4. Dieser Eindruck trügt, denn der Kreis der Emittenten nach Absatz 1 und der nach Absatz 4 sind aufgrund der Neufassung des Absatzes 4 nicht mehr deckungsgleich3. – Die Verordnungsermächtigung in Absatz 5 Satz 1 wurde präzisiert, indem nach den Wörtern „die Art“, die Wörter „die Sprache“, und nach den Wörtern „nach Absatz 1“ die Wörter „und Absatz 4 Satz 1“ eingefügt wurden. – Die anknüpfenden Bußgeldtatbestände in § 39 Abs. 2 WpHG wurden reformiert. – Der Gesetzgeber änderte auch die einschlägigen Vorschriften der WpAIV (Text im Anhang S. 2212). Die Überschrift von § 11 WpAIV wurde angepasst. In § 12 WpAIV wird nun verlangt, dass bei juristischen Personen der Name der mitteilungspflichtigen Person anzugeben ist. Die bisherige Regelung des § 13 WpAIV wurde durch die vor die Klammer gezogenen Regelung der §§ 3a, 3b WpAIV ersetzt. § 13 WpAIV erhielt folgenden neuen Inhalt: „Die Bundesanstalt kann zusätzlich zur Veröffentlichung nach § 15a Abs. 4 Satz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes in Verbindung mit den §§ 3a und 3b die Information im Internet unter ihrer Adresse vornehmen.“ Neu eingefügt wurde § 13a WpAIV, wonach für die Mitteilung des Emittenten über die Veröffentlichung an die Bundesanstalt nach § 15a Abs. 4 Satz 2 des Wertpapierhandelsgesetzes § 3c WpAIV gilt. Im Diskussionsentwurf4 war noch die Aussage enthalten, dass abweichend von § 3c WpAIV statt der Mitteilung des Textes der Veröffentlichung auch ein Hinweis auf eine Internetseite genügt, unter der der Veröffentlichungstext einsehbar ist. Dies wurde nicht in den Regierungsentwurf übernommen. Das geänderte Veröffentlichungsregime des Absatz 4 und der WpAIV stellt die bedeutendste Neuerung dieser Reform des § 15a WpHG dar. Zuvor war stets kritisiert worden, dass Veröffentlichungen auf der Homepage des Emittenten nur zufällig vom Publikum wahrgenommen werden, während die über die Deutsche Gesellschaft für Ad-hoc-Publizität verbreiteten 1 RegE TUG, BR-Drucks. 579/06, S. 73. 2 Eingeführt durch das Gesetz über das elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) vom 10.11.2006, BGBl. I 2006, 2553. Dazu etwa Leuering/Simon, EHUG – Umfassende Transparenz von Unternehmensdaten, NJW Spezial 2006, 555; Liebscher/Scharff, Das Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister, NJW 2006, 3745; Meyding/ Bödeker, Gesetzentwurf über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG-E) – Willkommen im Online-Zeitalter!, BB 2006, 1009; Noack, Das EHUG ist beschlossen – elektronische Handels- und Unternehmensregister ab 2007, NZG 2006, 801; Schmidt, Digitalisierung der Registerführung und Neuregelung der Unternehmenspublizität: Was bringt das EHUG?, DStR 2006, 2272; Seibert/Decker, Das Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) – Der „Big Bang“ im Recht der Unternehmenspublizität, DB 2006, 2446. 3 RegE TUG, BR-Drucks. 579/06, S. 73 f. 4 DiskE TUG vom 3.5.2006 (unveröffentlicht).
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Meldungen viel rascher vom Markt berücksichtigt wurden1. Jetzt schreibt die WpAIV eine Weitergabe an solche Medien vor, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass sie die Information in der gesamten Europäischen Union und in den übrigen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum verbreiten. Der Dornröschenschlaf gemeldeter Directors’ Dealings dürfte damit der Vergangenheit angehören. 6
Die bereits im Regierungsentwurf2 enthaltenen Änderungen passierten das Gesetzgebungsverfahren ohne inhaltliche Änderung3.
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Durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz4 wurde Absatz 1 Satz 3 Nr. 2 neu gefasst. Es wird klargestellt, dass Meldungen gegenüber der Bundesanstalt nur dann zu erfolgen haben, wenn ein Inlandsbezug durch den inländischen Sitz des Emittenten oder die Tatsache gegeben ist, dass im EU- und EWR-Raum kein Sitz besteht, Deutschland aber Herkunftsstaat im Sinne des Wertpapierprospektgesetzes für die Aktien ist. Diese Auslegung entsprach bereits der Verwaltungspraxis der BaFin und war von Art. 6 Abs. 1 Satz 2 bis 4 der Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG gefordert. Damit reagierte der Gesetzgeber dann doch noch auf die Kritik des Handesrechtsausschusses des DAV (s. oben Rz. 5).
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Die bereits im Regierungsentwurf5 enthaltene Änderung passierte das Gesetzgebungsverfahren ohne inhaltliche Modifikationen.
II. Regelungsgegenstand und Bedeutung 1. Inhalt der Regelung 9
Die Vorschrift verpflichtet Personen, die bei einem Emittenten von börsennotierten Aktien Führungsaufgaben wahrnehmen, eigene Geschäfte in diesen Aktien oder in darauf bezogenen Finanzinstrumenten dem Emittenten und der BaFin innerhalb von fünf Werktagen mitzuteilen. Die Mitteilungspflicht trifft außerdem in enger Beziehung zur Person mit Führungsaufgaben stehende Personen. Hierunter sind bestimmte Angehörige sowie juristische Personen zu verstehen, bei denen die Person mit Führungsaufgaben oder deren Angehörige Führungsaufgaben wahrnehmen. Schließlich sind alle juristischen Personen, Gesellschaften und Einrichtungen mitteilungspflichtig, die direkt oder indirekt von einer Person mit Führungsaufgaben oder deren Angehörigen kontrolliert werden, die zugunsten einer solchen Person gegründet wurden oder deren wirtschaftliche Interessen weitgehend denen einer solchen Person entsprechen. Im angelsächsischen Sprachgebrauch hat sich für derartige Geschäfte der Begriff der Directors’ Dealings eingebürgert, der sich mittlerweile auch in Deutschland durchgesetzt hat. Die Mitteilung erfolgt an den Emittenten und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Der Emittent ist seinerseits verpflichtet, die mitgeteilten Geschäfte unverzüglich zu veröffentlichen und dem Unternehmensregister mitzuteilen. Für die Anwendung der Norm durch die Praxis er1 Statt vieler Rau, Directors’ Dealings, S. 3, 224, 227. 2 RegE TUG, BR-Drucks. 579/06, S. 9. 3 Es erfolgte lediglich eine sprachliche Glättung bei § 13 WpAIV, vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 16/3644, S. 43. 4 Art. 1 Nr. 12 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz) vom 16.7.2007, BGBl. I 2007, 1330. 5 RegE FRUG, BR-Drucks. 833/06, S. 17 f., 143.
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weist sich der 2005 von der BaFin erstmals veröffentlichte und 2009 aktualisierte Emittentenleitfaden als nützlich1. Bei ihm handelt es sich um eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift, die keine Bindungswirkung entfaltet2, der Praxis aber verdeutlicht, wie die BaFin die gesetzlichen Vorgaben versteht und anwendet. 2. Ziele der Regelung Ziel der Vorschrift ist die Verbesserung der Kapitalmarktpublizität. Im Einzelnen werden ihr folgende Wirkungen zugeschrieben:
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– Bezweckt ist zunächst eine Erhöhung der Markttransparenz3 und damit der 11 Informationseffizienz der Kapitalmärkte4. Die Norm erstreckt die Angabepflicht über den Anteilsbesitz von Organmitgliedern, die zuvor nur im Rahmen der Primärmarktpublizität galt (§ 28 Abs. 2 Nr. 4 BörsZulV a.F.; jetzt VO 809/2004/EG Anhang I Ziff. 17.2, dazu unten Rz. 148), auf den Sekundärmarkt5 und ergänzt die sonstigen Publizitätsvorschriften, insbesondere die Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG. – Die Anleger sollen darüber informiert werden, wenn die Personen mit Führungs- 12 aufgaben sich von Aktien oder darauf bezogenen Finanzinstrumenten „ihres“ Unternehmens trennen oder wenn sie solche Papiere erwerben. Diese Personen haben im Regelfall einen Wissensvorsprung über die Verhältnisse des Emittenten. Ihre Geschäfte in Wertpapieren des Emittenten erlauben Rückschlüsse auf die gegenwärtige oder künftige Unternehmensentwicklung und entfalten daher eine Indikatorwirkung6 für das breite Publikum (informierte Transaktionsentscheidung7). Empirische Untersuchungen aus den USA8, Kanada9, Großbritannien10, 1 Zum Leitfaden und seiner Aktualisierung s. Claussen/Florian, AG 2005, 745 ff.; Krämer/ Heinrich, ZIP 2009, 1737 ff.; Bedkowski, BB 2009, 394 ff.; Burg/Marx, AG 2009, 487 ff. 2 BGH v. 25.2.2008 – II ZB 9/07, AG 2008, 380 (382). 3 Erwägungsgrund Nr. 7 der Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG; Osterloh, Directors’ Dealings, S. 73 ff. 4 Grundlegend Fama, Efficient Capital Markets: A Review of Theory and Empirical Work, Journal of Finance 25 (1970), 383 ff.; Fama, Efficient Capital Markets: II, Journal of Finance 46 (1991), 1575 ff.; s. auch Fleischer, NJW 2002, 2977 (2978); Fleischer, ZIP 2002, 1217 (1218); Rau, Directors’ Dealings, S. 54 ff. 5 Fleischer, NZG 2006, 561 (564). 6 Begr. DiskE des 4. FFG, ZBB 2001, 398, 425, und Begr. RegE des 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 87; zustimmend Uwe H. Schneider, BB 2002, 1817 (1818); Fleischer, NZG 2006, 561 (565); Osterloh, Directors’ Dealings, S. 65 ff.; Pfüller, in: Habersack/Mülbert/ Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 6. 7 Erwägungsgrund Nr. 26 der Marktmissbrauchsrichtlinie; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 148. 8 Vgl. Jaffe, Journal of Business 47 (1974), 410 ff.; Finnerty, Journal of Finance 31 (1976), 1141 ff.; Seyhun, Journal of Financial Economics 16 (1986), 189 ff.; Benesh/Pari, The Financial Review 22 (1987), 145 ff.; Madden, The Financial Review 14 (1979), 27 (34); Rozeff/ Zaman, Journal of Business 61 (1988), 25 (39); Rozeff/Zaman, Journal of Finance 53 (1997), 701 ff.; Bettis/Vickrey/Vickrey, Financial Analysts Journal 53, 5 (1997), 57 ff.; Jeng/Metrick/Zeckhauser, Review of Economics & Statistics 85 (2003), 543 ff.; Fleischer, Gutachten zum 64. DJT, 2002, S. F 123; Fleischer, ZIP 2002, 1217 (1220 m.w.N.); Weiler/Tollkühn, DB 2002, 1923 (1925 Fn. 22); s. auch Riedl/Marten, DBW 2010, 553 (555 f.). Die Untersuchung von Rau, Directors’ Dealings, S. 84 ff., beurteilt diese Studien eher kritisch. 9 Lee/Bishara, The Financial Review 24 (1989), 235 ff.; Rau, Directors’ Dealings, S. 106 f. 10 King/Roell, Economic Policy 1988, 165 ff.; Pope/Morris/Peel, Journal of Business Finance & Accounting 17 (1990), 359 ff.; Gregory/Matatko/Tonks, Journal of Business Finance & Accounting 24 (1997), 309 ff.; Friederich/Gregory/Matatko/Tonks, European Financial Ma-
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Italien, den Niederlanden und Deutschland1 zeigen, dass Unternehmensinsider bei Geschäften mit Aktien ihres Unternehmens überdurchschnittlich erfolgreich sind. Einige, aber nicht alle Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass auch Outsider, die in ihren Anlageentscheidungen Directors’ Dealings nachbilden, überdurchschnittlich erfolgreich sind. Dabei sind vor allem die Kaufentschlüsse von Unternehmensinsidern nachahmenswert2, während die Verkaufsentschlüsse oft auf nicht unternehmensbezogenen Motiven beruhen und aus ihnen daher seltener Rückschlüsse auf das Unternehmen gezogen werden können. Dennoch lohnt auch die Nachahmung der Verkaufentscheidungen, die hilft, größere Verluste zu vermeiden3. Auch zeigt sich bei kleineren und mittleren Unternehmen eine deutlichere Überrendite als bei Großunternehmen; die Überrendite ist zudem bei Gesellschaften mit hohem Streubesitz der Aktien größer4. Die Nachbildung der Geschäfte von Vorständen lassen deutlich höhere Renditen erwarten als die von Aufsichtsratsmitgliedern5. Geschäfte von juristischen Personen, die im Besitz oder in Abhängigkeit von einer Führungsperson stehen6, entfalten ebenfalls eine Indikatorwirkung, während dies nicht für Geschäfte von Angehörigen der Führungsperson gilt7. Angesichts der mit Directors’ Dealings verbundenen Indikatorwirkung verwundert es nicht, dass auch hierzulande dem Kauf- und Verkaufsverhalten der Personen mit Führungsaufgaben besondere Aufmerksamkeit zuteil wird8. Die Regelung des § 15a WpHG ist insofern unvollständig, als der Anleger nicht erfährt, in welchem Umfang die Unternehmensleitung Anteile besitzt (s. unten Rz. 43, 102), denn nur Bewegungen im Anteilsbesitz sind meldepflichtig. Die deshalb bestehende Lücke im Hinblick auf die Markttransparenz ist jedoch nicht allzu groß, da § 15a WpHG im Zusammenspiel mit anderen Publizitätsvorschriften (dazu unten Rz. 145 ff.) zu sehen ist. Die Indikatorwirkung von Di-
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nagement 8 (2002), 7 ff.; Hillier/Marshall, Journal of Business Finance & Accounting 29 (2002), 77 ff.; Rau, Directors’ Dealings, S. 102 ff. Ams, Directors’ Dealings, S. 85 ff.; Bajo/Petracci, Studies in Economics and Finance 23 (2006), 94 ff.:, Deutsche Bank, Directors’ Dealings in Europe, S. 19 ff.; Heidorn/Meyer/Pietrowia, S. 15 ff.; Hower-Knobloch, S. 108 f.; Rau, Die Unternehmung 2003, 393 ff.; Rau, Directors’ Dealings, S. 221; Riedl, Transparenz, S. 193; Riedl/Marten, DBW 2010, 553 (556); Tebroke/Wollin, Die Unternehmung 2005, 31 ff. Zurückhaltender Dymke, Finanz-Betrieb 2007, 450 (458 ff.). S. auch Pavlova, S. 131. Tebroke/Wollin, Die Unternehmung 2005, 31 (49); Rau, Directors’ Dealings, S. 221 f. (jeweils für Deutschland); Bettis/Vickrey/Vickrey, Financial Analysts Journal 53, 5 (1997), 57 ff.; Heidorn/Meyer/Pietrowia, S. 25 (für Deutschland und die Niederlande, während das Ergebnis von Italien eher bei Verkäufen eine Nachahmung empfehlenswert erscheinen lässt). Rau, Directors’ Dealings, S. 222. Tebroke/Wollin, Die Unternehmung 2005, 31 (49 f.); Rau, Directors’ Dealings, S. 222 f.; Riedl, Transparenz, S. 194, 221 f.; s. auch Ams, Directors’ Dealings, S. 108 ff. Rau, Directors’ Dealings, S. 223; anders die Feststellungen von Riedl, Transparenz, S. 233 f. Riedl, Transparenz, S. 234. Riedl, Transparenz, S. 235. Riedl, Transparenz, S. 236. Die BaFin stellt ein reges Interesse an der von ihr errichteten und im Internet zur Verfügung gestellten Datenbank zu Directors’ Dealings fest, vgl. Jahresbericht der BaFin 2003, S. 196. Es gibt erste Fonds, die ihre Anlagestrategie nach den gemeldeten Directors’ Dealings ausrichten, Rau, Directors’ Dealings, S. 2 m.w.N. Die Seite Handelsblatt.com veröffentlicht seit August 2007 14tägig Aktientipps, die aus gemeldeten Directors’ Dealings gewonnen werden, www.handelsblatt.com/insider. Die Nachahmung dieser Tipps bringt jedoch keine Überrenditen mit sich, da der Markt die Information bereits bei der Erstveröffentlichung der Directors’ Dealings eingepreist hat, vgl. Riedl, FinanzBetrieb 2009, 506 (509 ff.).
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rectors’ Dealings birgt aber auch Gefahren für den Anleger. Beruhen die von der Person mit Führungsaufgaben vorgenommenen Transaktionen auf Motiven, die mit der Entwicklung des Emittenten in keinem Zusammenhang stehen (etwa der Beseitigung eines Liquiditätsengpasses zur Begleichung privater Steuerschulden), kann das Publikum zu Fehlschlüssen verleitet werden1. Die Meldepflicht kann von der Unternehmensleitung sogar bewusst ausgenutzt werden, um über private Aktienkäufe Vertrauen in ein Unternehmen zu signalisieren, das keines Vertrauens mehr würdig ist2. – Die Meldepflicht der Personen mit Führungsaufgaben bewirkt, dass das breite An- 13 legerpublikum an deren Wissensvorsprung über die Verhältnisse des Emittenten zumindest indirekt teilhat. Damit wohnt der Bestimmung ein Element der Anlegergleichbehandlung inne3. Innerhalb ihres Anwendungsbereichs geht sie über die Wirkung des Insiderhandelsverbots und der Ad-hoc-Publizität hinaus, da sie auch Fälle erfasst, in denen die Erheblichkeitsschwelle des § 13 Abs. 1 WpHG nicht erreicht ist. Eine umfassende Anlegergleichbehandlung wird durch § 15a WpHG allerdings nicht verwirklicht. Denn dem Publikum ist nicht der ggf. vorhandene Wissensvorsprung oder die Einschätzung der Person mit Führungsaufgaben von der Zukunft des Unternehmens mitzuteilen (es sei denn, die Voraussetzungen des § 15 WpHG lägen vor), sondern nur die (vermutete) Reaktion der Personen mit Führungsaufgaben hierauf. Die Vorteile, die Personen mit Führungsaufgaben aus einem solchen Wissensvorsprung zufließen, werden damit (zumindest teilweise) eingeebnet4. Allerdings führt die Meldefrist von fünf Tagen dazu, dass eventuelle Informationsvorsprünge oftmals schon wieder überholt sind (s. unten Rz. 105)5. – Die Vorschrift soll mittelbar der Prävention des Insiderhandels und der Marktmanipulation dienen6 und damit die Marktintegrität erhalten, denn sie erhöhe das Entdeckungsrisiko. Diese Vorstellung des Gesetzgebers und der Bundesanstalt mutet auf den ersten Blick etwas naiv an. Eine Person mit Führungsaufgaben, die einen vorsätzlichen Insiderverstoß begeht oder begehen will, wird sich schwerlich an die mit einem bloßen Bußgeld bewehrte Vorschrift des § 15a WpHG halten, die zudem als mitbestrafte Nachtat gelten dürfte. Entscheidend ist vielmehr ein ande1 Kritisch deshalb auch Uwe H. Schneider, AG 2002, 473 (475). 2 Vgl. die bei Fleischer, ZIP 2002, 1217 (1220), beschriebenen Fälle „Intershop“ und „Comroad“. 3 Osterloh, Directors’ Dealings, S. 72 f.; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 148. 4 Eine Pflicht zur Abführung der erzielten Gewinne kennt das deutsche Recht nicht, vgl. unten Rz. 98, 144. 5 Hower-Knobloch, S. 185 f. Kritisch zur teilweise laxen Meldepraxis der Betroffenen daher auch Betzer/Theissen, Delays in Trade Reporting by Corporate Insiders, 2008, http:// ssrn.com/abstract=966339. 6 Erwägungsgrund Nr. 26 der Marktmissbrauchsrichtlinie, Erwägungsgrund Nr. 7 der Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG. Auch die BaFin begreift § 15a WpHG als Maßnahme zur Prävention von Insiderhandel, vgl. Rundschreiben der BaFin vom 27.6.2002 zu den Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten gemäß § 15a WpHG, AZ – WA 22 – W 2310 – 12/2002. Hiervon scheint auch der Gesetzgeber, BR-Drucks. 936/01 (neu), S. 245, ausgegangen zu sein, da er bei der Beschreibung des persönlichen Anwendungsbereichs der Vorschrift den Begriff „Primärinsider“ verwendet. Präziser formulieren Fürhoff/Schuster, BKR 2003, 134 (135 f.), wonach regelmäßige Meldungen über Directors’ Dealings zumindest den Anschein des verbotenen Insiderhandels vermeiden. Zur Vorbeugefunktion s. auch Fleischer, NJW 2002, 2977 (2978); Fleischer, ZIP 2002, 1217 (1220); Fleischer, NZG 2006, 561 (565); Osterloh, Directors’ Dealings, S. 61 ff.; Uwe H. Schneider, BB 2002, 1817 f.; Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 148; Villeda, S. 294.
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rer Gedanke. Melden einige Personen mit Führungsaufgaben Wertpapiergeschäfte, kann die Bundesanstalt gezielt untersuchen, ob auch andere Personen mit Führungsaufgaben solche Geschäfte getätigt haben und ob diese Geschäfte im Zusammenhang mit dem Wissen über Insiderinformationen stehen. § 15a WpHG entfaltet seine präventive Wirkung daher allenfalls durch die Ungewissheit jeder Person mit Führungsaufgaben über das Verhalten der übrigen Personen mit Führungsaufgaben. Ein Insider kann nur dann hoffen, beim Insiderhandel unentdeckt zu bleiben, wenn er sicher ist, als Einzige der Führungspersönlichkeiten Kenntnis einer bestimmten Tatsache zu haben, oder wenn alle Personen mit Führungsaufgaben beim Insiderhandel einvernehmlich zusammenwirken1. Dieser Abschreckungseffekt wird aber zu Recht als gering eingestuft2. 15
– Die Mitteilungs- und Veröffentlichungspflicht gemäß § 15a WpHG soll nach der Vorstellung der Bundesanstalt3 auch die Identifikation mit dem Unternehmen fördern. Ob § 15a WpHG diese Funktion tatsächlich zukommt, muss bezweifelt werden. Ein Vorstand wird kaum deshalb Aktien erwerben, weil er weiß, dass dieser Kauf bekannt gemacht wird und seine Verbundenheit mit dem Emittenten belegt4. Umgekehrt wird eine verkaufswillige Person mit Führungsaufgaben nicht unbedingt nur deshalb vom Verkauf absehen, weil dies publik wird. Nur falls die Person mit Führungsaufgaben durch eine Lock-Up-Vereinbarung gebunden ist, die kraft Abrede5 sanktionsbewehrt ist, wird die Meldepflicht nach § 15a WpHG zur Einhaltung der Lock-Up-Vereinbarung beitragen. 3. Alternativen und Reformvorschläge a) Handelsverbot
16
Die erstmalige Einführung der Mitteilungs- und Veröffentlichungspflicht gemäß § 15a WpHG war eine Reaktion auf die skandalösen Vorgänge am Neuen Markt in 1 Unmittelbarer ist der Zusammenhang von Directors’ Dealings und Insiderprävention in den USA. Um jeden Anreiz zu Insiderhandel zu unterbinden, müssen Organmitglieder/Aktionäre mit bedeutender Beteiligung, die innerhalb der letzten sechs Monate sowohl Käufe als auch Verkäufe in Aktien des Emittenten getätigt haben, evtl. Gewinne an die Gesellschaft abführen (s. 16b SEA – so genannte Short Swing Profit Rule). Den Anspruch kann der Emittent oder ein Aktionär durchsetzen. Um die Anspruchsberechtigung überhaupt erkennen zu können, sind der Emittent und die Aktionäre auf die Meldepflicht der Directors’ Dealings nach s. 16a SEA angewiesen. Die Wirksamkeit der Short Swing Profit Rule ist empirisch nicht eindeutig nachweisbar, Agrawal/Jaffe, Journal of Financial Economics 39 (1995), 295 ff. Positiver dagegen Veil, ZGR 2005, 155 (176) („geeignet, verhaltenssteuernd zu wirken“). 2 Hower-Knobloch, S. 170, unter Hinweis auf spieltheoretische Überlegungen; ebenso Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 28; anders die Einschätzung von Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 11, die aber die abschreckende Wirkung des Insiderhandelsverbots mit der der Regelung zu den Directors’ Dealings vermischen. 3 Rundschreiben der BaFin vom 27.6.2002 zu den Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten gemäß § 15a WpHG, AZ – WA 22 – W 2310 – 12/2002. Das Rundschreiben scheint missverständlich formuliert zu sein. Die Identifikation mit dem Emittenten wird nicht durch die Mitteilungs- und Veröffentlichungspflicht erreicht, sondern über Aktionsprogramme, vgl. Rz. 16. 4 Wenn man einmal von den bei Fleischer, ZIP 2002, 1217 (1220), beschriebenen Missbrauchsfällen „Intershop“ und „Comroad“ absieht. 5 Die Publizität derartiger Vereinbarungen wird durch § 7 WpPG i.V.m. Anhang III Nr. 7, Anhang X Nr. 27.14 der VO EG Nr. 809/2004 vom 29.4.2004, ABl. EU Nr. L 215 v. 16.6.2004, S. 61, sichergestellt. Lock-up-Vereinbarungen werden des Öfteren gebrochen, LG Frankfurt v. 17.1.2003 – 3-07 O 26/01, ZIP 2003, 400; Veil, ZGR 2005, 155 (159 m.w.N.).
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den Jahren 2000 bis 20021. Sie entsprach und entspricht internationalen Standards (dazu sogleich Rz. 22), was im Zuge der Globalisierung der Märkte als solches schon als ein Grund für die Übernahme der Regelung gilt2. Die Alternative zu einer Mitteilungspflicht über erfolgte Directors’ Dealings („post-trading disclosure“) wäre ein völliges Verbot des Handels von Personen mit Führungsaufgaben in Aktien „ihres“ Unternehmens oder die Einschränkung auf bestimmte zeitlich festgelegte „Handelsfenster“3 gewesen. Gegen ein absolutes Handelsverbot spricht der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz4. Der damit verbundene Eingriff in die Privatsphäre der Personen mit Führungsaufgaben wäre zu groß. Außerdem ist eine Beteiligung der Führungspersonen am Emittenten oft gerade gewünscht, um eine Identifikation mit dem Unternehmen zu erreichen5. Diesem Ziel dienen Aktienoptionsprogramme für Führungskräfte. Gegen ein zeitlich befristetes Handelsverbot spricht, dass dieses den Insiderhandel nicht wirksam bekämpft6. Aus diesem Grund war auch die Übertragung der Aktien auf einen unabhängigen Vermögensverwalter oder Compliance-Beauftragten vorgeschlagen worden7. Der damit verbundene Aufwand ist groß. Zudem vernachlässigt eine solche Lösung gerade die mit Directors’ Dealings verbundene Indikatorfunktion für das breite Publikum. b) Pre-trading disclosure Diskutiert wurde weiterhin eine Verpflichtung zur Offenlegung beabsichtigter Directors’ Dealings („pre-trading disclosure“)8. Auch diese Alternative überzeugt nicht. 1 Vgl. zu den Fällen „Intershop“ und „Comroad“ etwa Fleischer, ZIP 2002, 1217 (1220). 2 Ebenso Uwe H. Schneider, AG 2002, 473 (475). Allerdings entbindet der Hinweis auf internationale Standards nicht von einer eigenen Überprüfung der Regelungsmaterie auf ihre Sinnhaftigkeit (ebenso Uwe H. Schneider, BB 2002, 1817) und von einer Einbeziehung der Erfahrungen anderer Nationen mit der Regelung. Ohne eine solche solide Überprüfung führt das Argument der Notwendigkeit einer Standardisierung der Marktbedingungen zu einer Zementierung schlechter Regelungen. In Anlehnung an den viel zitierten Begriff des „markets for lemons“ (Akerlof, 84 Quarterly Journal of Economics [1970], 488 ff.) käme es zu einem „market of lemmings“. Kritisch zu § 15a WpHG auch Hower-Knobloch, S. 144, 170, 183 ff. 3 Für eine solche Lösung etwa Baums, Anlegerschutz und Neuer Markt, ZHR 166 (2002), 375 (379); DAI, Stellungnahme zum 4. FFG, September 2001; Fischer zu Cramburg/Hannich, Directors’ Dealings, S. 52 f., 60 f.; Großmann/Nikoleyczik, DB 2002, 2031 (2033); Grundsatzkommission Corporate Governance, Corporate Governance-Grundsätze (‚Code of Best Practice‘) für börsennotierte Gesellschaften vom Juli 2001, II. 4. lit. h; von Rosen, Aktienoptionen für Führungskräfte und Insiderrecht, WM 1998, 1810; Rudolph, BB 2002, 1036 (1040); Schuster, ZHR 167 (2002), 193 (211) (sofern der Emittent selbst darüber entscheiden darf). 4 Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 26. Zu den Vorteilen des Transparenzmodells gegenüber einem Verbotsmodell Elster, Europäisches Kapitalmarktrecht – Recht des Sekundärmarktes, 2002, S. 323 ff. 5 So auch die Begr. DiskE, ZBB 2001, 398, 425, und Begr. RegE des 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 87 f.; Riedl/Marten, DBW 2010, 553. Auf diesen Aspekt scheint die BaFin offenbar in ihrem – dann aber recht missverständlich formulierten – Rundschreiben anzuspielen, vgl. oben Rz. 15. 6 Fischer zu Cramburg/Hannich, Directors’ Dealings, S. 54. 7 Fischer zu Cramburg/Hannich, Directors’ Dealings, S. 54 f. 8 Befürwortend etwa Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drucks. 14/8017, S. 165; Fried, Reducing the Profitability of Insider Trading through Pretrading Disclosure, 71 S. Cal. L. Rev. (1998), 303; Großmann/Nikoleyczik, DB 2002, 2031 (2033); Lenenbach, Kapitalmarktund Börsenrecht, 1. Aufl., Rz. 10.110; Rudolph, BB 2002, 1036 (1040); Strenger, in: Achleitner/Bassen (Hrsg.), Investor Relations am Neuen Markt, 2001, S. 625, 629; a.A. Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 26; Posegga, BKR 2002, 1061 f.; Schuster, ZHR 167 (2002), 193
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Zum einen wäre das Vorstandsmitglied, das Geschäfte in Aktien des Emittenten plant, nach Ankündigung der geplanten Geschäfte nicht verpflichtet, diese dann auch tatsächlich vorzunehmen. Marktmanipulationen, die gerade vermieden werden sollen, wären Tür und Tor geöffnet. Zum anderen wäre eine pre-trading disclosure unverhältnismäßig. Der Kurs der Aktien würde durch die Ankündigung der geplanten Directors’ Dealings sofort beeinflusst, so dass das Vorstandsmitglied stets einen schlechteren Preis bekommt als vor der Ankündigung: Bei einem angekündigten Verkauf würde der Kurs voraussichtlich sinken und der Vorstand würde weniger für seine Aktien erlösen. Beim angekündigten Kauf würde die Person mit Führungsaufgaben auf Grund der Ankündigung voraussichtlich einen höheren Preis zu zahlen haben. Der Vorteil der anderen Marktteilnehmer wäre demgegenüber nicht allzu groß, da die Information bei der pre-trading disclosure nur unwesentlich früher an den Markt gelangt als bei der post-trading disclosure. Die Personen mit Führungsaufgaben könnten auf Grund der damit einhergehenden Schlechterstellung am Markt von Aktiengeschäften abgehalten werden. Der mit § 15a WpHG verfolgte Zweck der Bekanntmachung von Informationen mit Indikatorwirkung wäre vereitelt. Im Ergebnis würde eine pre-trading disclosure auch die mit Aktienoptionsprogrammen verfolgte Bindung der Führungsebene an „ihr“ Unternehmen konterkarieren1. c) Weitere Reformvorschläge 18
Eine umfangreiche rechtsvergleichende Untersuchung2 kommt zu dem Ergebnis, dass die Regelung des § 15a WpHG im Grundsatz richtlinienkonform und auch sachgerecht ist. Es werden zahlreiche Detailvorschläge gemacht, um den sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich der Vorschrift zu präzisieren und Randunschärfen bei der Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie zu beheben. Nach Ansicht des Verfassers sind diese Vorschläge notwendig, weil eine richtlinienkonforme Auslegung des Tatbestands am Analogieverbot scheitere. Dieser Ansatz übersieht die Möglichkeit der gespaltenen Auslegung, worauf im jeweiligen Zusammenhang noch zurückzukommen sein wird (s. vor allem unten Rz. 29). Im Ergebnis sollte jedoch die geforderte Klarstellung in den Vorschriften erfolgen, denn für sie spricht auf jeden Fall der Aspekt der Rechtssicherheit. Zudem besteht bei der gespaltenen Auslegung keine Möglichkeit, ein Bußgeld zu verhängen, so dass eine effektive Sanktionsdrohung fehlt. Weiterhin wird befürwortet, dass die Emittenten im Rahmen der Regelpublizität und die BaFin über ihre Homepage verpflichtet werden sollen, Verstöße gegen § 15a WpHG zu veröffentlichen und Namen zu nennen. Zu weiteren Reformüberlegungen s. unten Rz. 98, 144.
(210 f.); Weiler/Tollkühn, DB 2002, 1923 (1927). Zur rechtspolitischen Fragestellung ausführlich auch Fleischer, ZIP 2002, 1217 (1227 f.); Fleischer, Gutachten zum 64. DJT, 2002, S. F 124 f. 1 Eine solche Bindung empfiehlt das Deutsche Aktieninstitut den Emittenten, Fischer zu Cramburg/Hannich, Directors’ Dealings, S. 60 f.; Leven, Directors’ Dealings: Zur Umsetzung der neuen Meldepflichten, AG 2003, R 52. Weitergehend offenbar Teilnehmer der ZHR-Tagung, die meinten, auch die post-trading disclosure führe dazu, dass Vorstände keine Aktiengeschäfte mehr tätigten oder die Emittenten dies verböten, vgl. Bitter, Diskussionsbericht – Symposion zum Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, ZHR 167 (2003), 216 (221). 2 Osterloh, Directors’ Dealings, S. 535 ff.
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4. Tatsächliche Bedeutung der Regelung Die Zahl der Meldungen ist zunächst stark angestiegen und pendelt sich jetzt auf einem recht hohen Niveau ein. Die Zahl der Bußgeldverfahren ist vergleichsweise gering und nimmt kontinuierlich ab. Gemessen an der Zahl der gemeldeten Directors’ Dealings ist die Zahl der Bußgeldverfahren und verhängten Bußgelder gering. Die Jahresberichte der BaFin1 nennen folgende Zahlen: Jahr
Meldungen
19
Bußgeldverfahren neu vom eröffnet Vorjahr
Gesamt eingestellt
Buße verhängt
offen am Jahresende
ab 7/2002
1067
3
0
3
0
0
2003
1980
112
3
115
4
4 (bis 20 000 Euro)
107
3
2004
2723
61
107
168
7
9 (bis 14 000 Euro)
152
2005
5118
2
152
154
59
3 (bis 7500 Euro)
92
2006
4687
11
92
103
71
8 (bis 5000 Euro)
24
2007
4603
5
24
29
10
10 (bis 37 500 Euro)
9
2008
4978
7
9
16
5
2 (bis 10 000 Euro)
9
2009
2673
4
9
13
1 (Freispuch)
1 (2000 Euro)
11
2010
2258
3
11
14
3
1 (4000 Euro)
10
III. Regelungsvorbilder Die Vorschrift ist ohne Vorbild im deutschen Aufsichtsrecht. Zuvor existierte nur ei- 20 ne privatrechtliche2 Verpflichtung zur Meldung von Directors’ Dealings im Regelwerk Neuer Markt. Dieses verpflichtete in Abschnitt 2 Nr. 7.23 den Emittenten, der Deutschen Börse AG jedes Geschäft mitzuteilen, das der Emittent und seine Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder in Aktien des Unternehmens und entsprechenden Derivaten getätigt hatten. Die Meldungen, die unverzüglich, spätestens aber innerhalb von drei Tagen, zu erfolgen hatten, wurden börsentäglich auf der Internetseite der Deutschen Börse veröffentlicht.
1 BaFin, Jahresbericht 2002, S. 165; Jahresbericht 2003, S. 196 (hier muss es sich bei der Zahl der eröffneten Verfahren um einen Tippfehler handeln; statt 103 müsste es 112 heißen); Jahresbericht 2004, S. 198; Jahresbericht 2005, S. 168, Jahresbericht 2006, S. 177 f.; Jahresbericht 2007, S. 186 f.; Jahresbericht 2008, S. 167; Jahresbericht 2009, S. 192; Jahresbericht 2010, S. 208. 2 Zur privatrechtlichen Rechtsnatur des Regelwerks des Neuen Markts LG Frankfurt/M. v. 16.8.2001 – 3-13 O 110/01, BB 2001, 1969 (1971) = AG 2002, 53; Lenenbach, Kapitalmarktund Börsenrecht, 1. Aufl., Rz. 3.64. 3 Regelwerk des Neuen Markts vom 10.3.1997, geändert zum 1.3.2001, vgl. Deutsche Börse AG, ZBB 2001, 60 ff. Der Neue Markt wurde am 5.6.2003 geschlossen, nachdem zuvor alle dort notierten Unternehmen in die neuen Marktsegmente Prime Standard und General Standard gewechselt hatten, vgl. Pressemitteilung der Deutschen Börse AG vom 3.6.2003, www.deutsche-boerse.com (abgerufen am 15.8.2011).
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Die Regierungskommission Corporate Governance begrüßte diese Regelung und befürwortete in ihrem Abschlussbericht vom Juli 2001 deren Ausdehnung auf alle börsennotierten Gesellschaften1. Vor dem Hintergrund des damals schon bestehenden Plans, eine Regelung der Directors’ Dealings im Wertpapierhandelsgesetz zu verankern, verzichtete man auf konkrete Vorschläge an den Gesetzgeber (zum zwischenzeitlich ergangenen Deutschen Corporate Governance Kodex s. unten Rz. 154 ff.). Die mit dem Diskussionsentwurf des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes vorgelegte Regelung der Directors’ Dealings war auch Gegenstand der Diskussionen auf dem 64. Deutschen Juristentag im September 2002 in Berlin2.
22
Bei der Schaffung der Norm konnte sich der Gesetzgeber an zahlreichen ausländischen Vorbildern orientieren3. Archetypus einer Meldepflicht für Directors’ Dealings ist s. 16(a) des US-amerikanischen Securities Exchange Act 19344, der durch s. 403 des Sarbanes-Oxley Act 20025 noch verschärft wurde6. S. 16(b) sieht zudem eine Abführungspflicht für alle innerhalb von sechs Monaten erzielten Spekulationsgewinne vor („Short Swing Profit Rule“)7. In Großbritannien war die Regelung der Directors’ Dealings gesellschaftsrechtlich verankert (s. 324 Companies Act 1985, ergänzt durch die ss. 325–329 und schedule 13)8 und erfasste gleichermaßen börsennotierte und nicht notierte Gesellschaften; dies schmälerte jedoch die kapitalmarktrechtliche Bedeutung der ss. 324 et seq. nicht. Denn börsennotierte Gesellschaften waren nach s. 329 verpflichtet, die Meldungen an die Börse weiterzuleiten. Ergänzt und verstärkt wurde diese Verpflichtung durch No. 16.13 der Listing Rules der Financial Services Authority9 und durch die Regelungen des Model Code, die börsenzugelassene Gesellschaften als Satzungsbestandteil beschließen mussten10. Eine frühe Regelung der Directors’ Dealings fand sich zudem in Spanien, das bereits in den Jah1 Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, BT-Drucks. 14/7515, S. 116 = Baums (Hrsg.), Bericht der Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rz. 261 f. 2 Fleischer, Gutachten zum 64. DJT, 2002, S. F 122 ff. 3 Begr. DiskE, ZBB 2001, 398 (425), sowie Begr. RegE des 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 88. 4 Zur Entstehungsgeschichte der Vorschrift und ihrer Regelungsphilosophie Taylor, 39 Ariz. L. Rev. (1997), 1315 (1319 f.); Fleischer, ZIP 2002, 1217 (1221 f.). 5 Federal Securities Law Reporter, Vol. 4, loose leaf, para. 26.001. Aus dem deutschen Schrifttum zum Sarbanes-Oxley Act 2002 Henssler, Der Einfluss des Sarbanes-Oxley Acts auf die Fortentwicklung des deutschen Gesellschaftsrechts, Der Konzern 2003, 255; Atkins, Der Sarbanes-Oxley Act: Zielsetzungen, Inhalt und Implementierungsstand, Der Konzern 2003, 260; Kley, Neue Corporate Governance Regeln in den USA und Europa – Mehr Probleme als Lösungen?, Der Konzern 2003, 264; Sünner, Auswirkungen des Sarbanes-Oxley Act im Ausland, Der Konzern 2003, 268; Lehne, Stand der europäischen Corporate Governance-Entwicklung, Der Konzern 2003, 272 (274 f.); Gordon, The Conference on New Corporate Governance Regulators in the USA and Europe, Der Konzern 2003, 275; Gruson/Kubicek, Der Sarbanes-Oxley-Act, Corporate Governance und das deutsche Aktienrecht, AG 2003, 337 (I), 393 (II). De Espinosa Abarca, The Need For Substantive Regulation on Investor Protection and Corporate Governance in Europe: Does Europe Need A Sarbanes-Oxley?, Journal of International Banking Law and Regulation, 19 (2004), 419 ff., befürwortet den Erlass vergleichbarer Regelungen innerhalb der EU. 6 Die alte und die neue Fassung von s. 16 SEA findet sich bei Fischer zu Cramburg/Hannich, Directors’ Dealings, Anlage 8. 7 Zur rechtspolitischen Frage der Einführung einer solchen Pflicht ins deutsche Recht Veil, ZGR 2005, 155 (171 ff.). 8 Zu Einzelheiten s. Palmer’s Company Law, ed. by Morse, loose leaf, para. 8.703 ff.; Fleischer, ZIP 2002, 1217 (1221 ff. m.w.N.). Inzwischen findet sich die Regelung im Kapitalmarktrecht, vgl. sec. 73A(3) und 96A(1) Financial Services and Markts Act 2000. 9 http://www.fsa.gov.uk/pubs/ukla/chapt16-3.pdf (abgerufen am 26.8.2011). 10 Inzwischen erfolgte eine Neuregelung durch den Companies Act 2006, vgl. Osterloh, Directors’ Dealings, S. 120.
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ren 1988 und 1991 diese Frage regelte1. Der Gesetzgeber hatte weiterhin die niederländische und italienische Regelung vor Augen2. Schließlich ist auf den österreichischen § 91a BörseG hinzuweisen, der zum 1.5.2001 in Kraft trat3. Die Schweiz hat hingegen erst seit 1.7.2005 eine Regelung der sog. Management-Transaktionen4.
IV. Europarechtlicher Hintergrund Eine im Ansatz gesellschaftsrechtliche Regelung der Directors’ Dealings fand sich 23 im geänderten Vorschlag der Verordnung über das Statut für Europäische Aktiengesellschaften vom 30.4.19755. Nach dessen Art. 82 Abs. 1 sollten die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder einer Europäischen Aktiengesellschaft (Societas Europaea – SE) sowie diejenigen Personen, die für deren Rechnungslegungskontrolle verantwortlich waren, verpflichtet sein, alle unmittelbar oder mittelbar gehaltenen eigenen Aktien und diejenigen ihrer Ehegatten und minderjährigen Kinder oder vorgeschobener Personen innerhalb von 20 Tagen in Namensaktien umzuwandeln oder bei einer Bank zu hinterlegen. Zudem war in Art. 82 Abs. 2 die unverzügliche Meldung an das Europäische Handelsregister vorgeschrieben. Zusätzlich sah Art. 82 Abs. 2 eine periodische Meldepflicht vor, wonach die erfassten Personen viermal jährlich Käufe und Verkäufe an das Handelsregister zu melden hatten. Art. 82 Abs. 5 sah schließlich eine Gewinnabschöpfungsregel vor. Jeder innerhalb von 6 Monaten ab Kauf oder Verkauf von Aktien der Gesellschaft entstandene Gewinn, den eine der in Art. 82 Abs. 1 erfassten Personen erzielte, stand der Gesellschaft zu und war an diese innerhalb von 8 Tagen abzuführen. Da sich die im Jahre 2001 verabschiedete Verordnung6 auf bloße Rahmenregelungen beschränkt, wurde auf eine Regelung der Directors’ Dealings bei der SE letztlich verzichtet. Die durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz reformierte Regelung des § 15a WpHG beruht auf Art. 6 Abs. 4 der Marktmissbrauchsrichtlinie7, die Marktintegrität durch Verhinderung von Marktmissbrauch (in Gestalt von Insidergeschäften und Marktmanipulationen) gewährleisten soll. Während der ursprüngliche Richtlini-
1 2 3 4
Deutsche Bank, Directors’ Dealings in Europe, S. 13. Begr. DiskE, ZBB 2001, 398 (425); Begr. RegE, BT-Drucks. 14/8017, S. 88. Einzelheiten bei Fleischer, ZIP 2002, 1217 (1223 f. m.w.N.). Dazu etwa Fritschi, Die Offenlegung von Management-Transaktionen, 2011; von Planta, Meldung von Management-Transaktionen, in: FS Rolf H. Weber, 2011, S. 353 ff. 5 Abgedruckt in Lutter, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1984, S. 363, 385 f. 6 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. EG Nr. L 294 v. 10.11.2001, S. 1. 7 Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EG Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16; zu den Vorarbeiten etwa Dier/Fürhoff, Die geplante europäische Marktmissbrauchsrichtlinie, AG 2002, 604; v. Ilberg/Neises, Die Richtlinienvorschläge der EU-Kommission zum „Einheitlichen Europäischen Prospekt“ und zum „Marktmissbrauch“ aus Sicht der Praxis – Hintergrund, Inhalt und Kritik, WM 2002, 635 (643 ff.); Seitz, Die Integration der europäischen Wertpapiermärkte und die Finanzmarktgesetzgebung in Deutschland, BKR 2002, 340 (342 f.); Weber, Der Kommissionsentwurf einer Marktmissbrauchsrichtlinie, EuZW 2002, 43; Weber, Die Entwicklung des Kapitalmarktrechts im Jahre 2003, NJW 2004, 28 (30 f.). Aus englischer Perspektive, Avgouleas, Financial Market Regulation and the New Market Landscape: In Search of a New Regulatory Framework for Market Abuse, International and Comparative Corporate Law Journal 2 (2000), 89 ff., der vor allem den Aspekt der Selbstregulierung untersucht.
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envorschlag keine derartige Regelung vorsah1, hat der Ausschuss für Wirtschaft und Währung vor dem Hintergrund der positiven US-amerikanischen Erfahrungen eine Regelung der Directors’ Dealings in der Marktmissbrauchsrichtlinie empfohlen2. Er stützte seinen Vorschlag auf folgende Gründe: (1) Eine derartige Regelung gewährleiste mehr Gerechtigkeit zwischen den Anlegern. (2) Sie begrenze Insidergeschäfte präventiv, da diese später zu melden seien. (3) Sie unterstütze die Anleger bei der Ermittlung des „wahren Preises“ eines Unternehmens am Markt, da US-amerikanischen Studien zufolge „Insider“ eine bessere Rendite erzielten als andere Anleger. (4) Bei der Regelung der Directors’ Dealings handle es sich um einen zuverlässigen und wirksamen Mechanismus, der in den Vereinigten Staaten seit Jahrzehnten zur allgemeinen Zufriedenheit angewandt werde. (5) Die Regelung bringe schließlich Vorteile für die makrofinanzielle Stabilität mit sich, da „Insider“ verkauften, wenn die Kurse der Wertpapiere ein unrealistisch hohes Niveau erreichten, und kauften, wenn die Wertpapiere unterbewertet seien. Die Empfehlung des Ausschusses zur Regelung der Directors’ Dealings wurde vom Europäischen Parlament in erster Lesung begrüßt3. Sie ging mit unwesentlichen sprachlichen Änderungen in Art. 6 Abs. 4 und 10, 5. Spiegelstrich des Gemeinsamen Standpunkts ein4. Dieser ordnet in seinem Erwägungsgrund Nr. 26 die Regelung als Maßnahme zur Verhinderung von Insiderhandel und zur Erhöhung der Markttransparenz für Anleger ein. Der Gemeinsame Standpunkt sah noch vor, dass die Mitteilungen über Directors’ Dealings einzeln oder insgesamt erfolgen durften. In zweiter Lesung des Europäischen Parlaments vom 24.10.20025 wurde die Regelung dahin gehend verschärft, dass Directors’ Dealings stets einzeln zu melden seien (Änderungen Nrn. 1 und 4). Die Kommission akzeptierte diese Änderung6, und sie ging in die am 28.1.2003 verabschiedete Richtlinie ein. 25
Um die notwendige Flexibilität zur Anpassung der Richtlinie an künftige Entwicklungen sicherzustellen, legte Art. 6 Abs. 4 der Marktmissbrauchsrichtlinie den Kreis der erfassten Personen, den Kreis der erfassten Transaktionen sowie die Modalitäten nicht abschließend fest, sondern überließ dies einer im Wege des Lamfalussy-Verfahrens erarbeiteten Durchführungsrichtlinie (Art. 6 Abs. 10, 5. Spiegelstrich, 17 Abs. 2). Die verschiedenen Regelungskomplexe der Marktmissbrauchsrichtlinie wurden getrennt behandelt. Für den hier interessierenden Komplex erteilte die Kommission dem Committee of European Securities Regulators (CESR) am 31.1.2003 ein Mandat, Vorschläge für Durchführungsmaßnahmen zur Marktmissbrauchsrichtlinie zu erarbeiten7, und benannte dabei u.a. das Thema der Directors’ Dealings. CESR forderte 1 Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) vom 30.5.2001, KOM (2001) 281 endg., – 2001/0118(COD), ABl. EG Nr. C 240 E v. 28.8.2001, S. 265. 2 Änderungsantrag Nr. 40 im Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Währung vom 27.2.2002 über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) (KOM (2001) 281 – C5-0262/2001 – 2001/0118(COD)), S. 33 f. 3 Bericht A 5/2002/69 vom 14.3.2002. 4 Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 50/2002 vom Rat festgelegt am 19.7.2002, im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2002/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EG Nr. C 228 E v. 25.9.2002, S. 19. 5 Bericht A5-0343/2002 vom 24.10.2002. 6 Stellungnahme der Kommission gemäß Art. 251 EG-Vertrag vom 11.12.2002, KOM (2002) 724 endg., – 2001/0118 (COD). 7 An Additional Mandate to CESR for Technical Advice on Possible Implementing Measures Concerning the Directive on Insider Dealing and Market Manipulation (Market Abuse), MARKT/G2 D(2003) vom 31.1.2003.
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daraufhin interessierte Parteien auf, konkrete Maßnahmenbereiche zu identifizieren1. 20 Stellungnahmen gingen ein2. Am 15.4.2003 leitete CESR einen Konsultationsprozess ein3. Eine öffentliche Anhörung fand am 12.5.2003 in Paris statt4. CESR veröffentlichte die eingegangenen Anregungen5 und seinen Abschlussbericht6 im August 2003. Dieser Bericht enthält in den Rz. 40–48 Vorschläge zum persönlichen Anwendungsbereich, zu den Voraussetzungen, unter denen eine Mitteilungspflicht ausgelöst wird, und zu den mitteilungspflichtigen Angaben. Am 10.11.2003 legte die Generaldirektion Binnenmarkt ein Arbeitspapier zur Durchführung der Art. 1 Abs. 1, 2 und Art. 6 Abs. 3, 4 und 9 der Marktmissbrauchsrichtlinie vor7, das eine noch wenig ausgefeilte Regelung zu den Directors’ Dealings enthielt. Am 27.1.20048 und am 17.2.20049 folgten formelle, dem Europäischen Wertpapierausschuss (ESC) und dem Europäischen Parlament vorgelegte Kommissionsentwürfe eines zweiten Pakets von Maßnahmen zur Durchführung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates 2003/6/EG über Insider-Geschäfte und Marktmanipulationen (ESC-48/2003). Letzter enthielt die später in der Durchführungsrichtlinie verabschiedete Regelung zu den Directors’ Dealings. Am 3.3.2004 folgte eine überarbeitete Version dieses Dokuments10. Mit Datum vom 7.4.2004 legte die Kommission dem Europäischen Wertpapierausschuss einen weiteren Entwurf zu Entscheidung vor11, den dieser am
1 Schreiben vom 7.2.2003 (Ref: CESR/03-037). 2 Results of CESR’s Call for Evidence on the Second Mandate on Possible Implementing Measures of the Future Market Abuse Directive (CESR/03-087) vom 28.3.2003. 3 The Committee of European Securities Regulators, Consultation Paper on the Second Set of Implementing Measures for the Directive on Market Abuse, (CESR/03-102b) vom 15.4.2003. 4 The Committee of European Securities Regulators, Open Hearing On Possible Level 2 Implementing Measures Of The Proposed Market Abuse Directive (CESR/03-119) vom 30.4.2003. 5 The Committee of European Securities Regulators, Results of CESR’s Public Consultation on the Level 2 Consultation Paper on Possible Implementing Measures of the future Market Abuse Directive (CESR/03-232) vom 18.7.2003 sowie Implementing Measures for Market Abuse Directive – Feedback Statement (CESR/03-213b) vom August 2003. 6 The Committee of European Securities Regulators, Advice on the Second Set of Level 2 Implementing Measures for the Market Abuse Directive (CESR/03-212c) vom August 2003. 7 DG Internal Market Services’ Working Document on the Implementation of Article 1 Paragraphs 1 and 2 and Article 6 Paragraphs 3, 4 and 9 of the European Parliament and Council Directive 2003/6/EC on Insider Dealing and Market Manipulation (Market Abuse), Working Document ESC 38/2003. 8 Formeller, dem Europäischen Wertpapierausschuss vorgelegter Kommissionsentwurf einer zweiten Reihe von Maßnahmen zur Durchführung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates 2003/6/EG über Insider-Geschäfte und Marktmanipulationen, Dokument ESC 48/2003 vom 27.1.2004. 9 Formeller, dem Europäischen Wertpapierausschuss vorgelegter Kommissionsentwurf eines zweiten Pakets von Maßnahmen zur Durchführung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates 2003/6/EG über Insider-Geschäfte und Marktmanipulationen, Dokument ESC 48/2003 – Fassung 1 – Bereinigte Fassung vom 17.2.2004. 10 Überarbeiteter, dem Europäischen Wertpapierausschuss vorgelegter Kommissionsentwurf eines zweiten Pakets von Maßnahmen zur Durchführung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates 2003/6/EG über Insider-Geschäfte und Marktmanipulationen, Dokument ESC 48/2003 – Fassung 2 – Bereinigte Fassung vom 3.3.2004. 11 Formeller, dem Europäischen Wertpapierausschuss zur Abstimmung am 19.4.2004 vorgelegter Kommissionsentwurf eines zweiten Pakets von Maßnahmen zur Durchführung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates 2003/6/EG über Insider-Geschäfte und Marktmanipulationen, Dokument ESC 48/2003 – Fassung 4 vom 7.4.2005.
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19.4.2004 billigte. Dieser Entwurf und die spätere Richtlinie decken sich inhaltlich, enthalten aber geringfügige sprachliche Abweichungen. 26
Die Kommission verabschiedete am 29.4.2004 die Durchführungsrichtlinie1, die in ihren Art. 1 Nrn. 1, 2 und Art. 6 die hier interessierenden Directors’ Dealings regelt. Die Marktmissbrauchsrichtlinie (Art. 18 Abs. 1) und die Durchführungsrichtlinie (Art. 12 Abs. 1) waren bis zum 12.10.2004 in nationales Recht umzusetzen. Diese Frist überschritt Deutschland geringfügig2. Die Richtlinien bewirkten eine Harmonisierung der Regelung der Directors’ Dealings in den Mitgliedstaaten, die bereits über derartige Vorschriften verfügten, wie etwa Großbritannien, Italien, die Niederlande, Österreich und Deutschland. Die übrigen Mitgliedstaaten wurden zum erstmaligen Erlass derartiger Vorschriften verpflichtet. Damit sind die Meldepflichten bei Directors’ Dealings fester Bestandteil des europäischen Publizitätskonzepts3.
V. Die Mitteilungspflicht (§ 15a Abs. 1 WpHG) 1. Sachlicher Anwendungsbereich 27
Die Mitteilungspflicht bezieht sich nur auf Personen mit Führungsaufgaben (und in enger Beziehung zu ihnen stehende Personen) bei Emittenten, deren Finanzinstrumente (Rz. 28) an einer inländischen Börse zugelassen sind4. Erfasst sind weiterhin Emittenten, deren Finanzinstrumente an einem ausländischen organisierten Markt i.S. von § 1 Abs. 5 WpHG zugelassen sind, sofern der Emittent seinen Sitz im Inland hat oder für den die Bundesrepublik Heimatstaat ist (Rz. 30 ff., 33). a) Finanzinstrumente
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Die Vorschrift erfasst nur Führungspersonen bei Unternehmen, die Aktien emittiert haben. Im deutschen Recht kommen damit nur Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien als Emittenten in Betracht (§ 1 Abs. 2 WpHG bzw. §§ 278 Abs. 3, 1 Abs. 2 AktG). Darüber hinaus ist die SE erfasst. Der sachliche Anwendungsbereich des § 15a WpHG wurde durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz damit deutlich eingegrenzt. Bis 29.10.2002 waren Emittenten jedes börsenzugelassenen Wertpapiers erfasst. Die Organmitglieder einer Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien waren selbst dann verpflichtet, ihre Transaktionen in Aktien zu melden, wenn keine Aktien, wohl aber andere Wertpapiere dieses Unternehmens an der Börse zugelassen waren5. Denn der Kurs dieser Wertpapiere kann durch den Aktienkurs beeinflusst werden, so dass Transaktionen der Organmit1 Richtlinie 2004/72/EG der Kommission vom 29.4.2004 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates – Zulässige Marktpraktiken, Definition von Insider-Informationen in Bezug auf Warenderivate, Erstellung von Insider-Verzeichnissen, Meldung von Eigengeschäften und Meldung verdächtiger Transaktionen, ABl. EG Nr. L 162 v. 30.4.2004, S. 70. 2 Das der Umsetzung dienende Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG) vom 28.10.2004 (BGBl. I 2004, 2630) trat am 30.10.2004 in Kraft. 3 Zur Informationsökonomie im Allgemeinen, insbesondere zur disclosure philosophy Heinze, Europäisches Kapitalmarktrecht – Recht des Primärmarktes, 1999, S. 13 ff., zur Effizienz von Publizität im Gemeinschaftsrecht S. 94 f.; Elster, Europäisches Kapitalmarktrecht – Recht des Sekundärmarktes, 2002, S. 323 ff. 4 Auf den Sitz der Gesellschaft im Inland kommt es nicht an, ebenso Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 41 f. 5 Ebenso Weiler/Tollkühn, DB 2002, 1923 (1924).
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glieder in Aktien wegen der hiermit verbundenen Indikatorwirkung (s. oben bei Rz. 12) für Inhaber von Schuldverschreibungen, Genussscheinen u.Ä. durchaus von Bedeutung waren. Die mit dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz vorgenommene Reduktion des Anwendungsbereichs widerspricht den europarechtlichen Vorgaben1. Die Marktmissbrauchsrichtlinie erfasst in ihrem Art. 6 Abs. 4 Emittenten „von Finanzinstrumenten“ und gerade nicht nur „von Aktien“. Zwar schränkt Art. 6 Abs. 1 der Durchführungsrichtlinie die Mitteilungspflicht des Emittenten auf Geschäfte in börsenzugelassenen Aktien ein. Jedoch betrifft diese Norm allein die Meldepflicht des Emittenten nach § 15a Abs. 4 Satz 1 WpHG und sagt deshalb nichts über den Anwendungsbereich des § 15a Abs. 1 WpHG aus2. Es handelt sich bei der Umsetzung daher um ein Redaktionsversehen, das im Wege einer europarechtskonformen Auslegung zu korrigieren ist3. Erfasst sind damit alle Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien 29 und SE, deren Aktien oder andere Finanzinstrumente (z.B. Schuldverschreibungen, Genussscheine etc.) börsenzugelassen sind. Der sachliche Anwendungsbereich des § 15a WpHG deckt sich insoweit mit dem des § 15 WpHG, der Ad-hoc-Mitteilungen bei Emittenten von allen börsenzugelassenen Finanzinstrumenten und nicht nur solchen von Aktien vorschreibt. Das Redaktionsversehen führt allerdings dazu, dass der Bußgeldtatbestand nicht anzuwenden ist, wenn ein Meldepflichtiger den Anwendungsbereich verkennt, weil er meint, die bloße Zulassung von anderen Finanzinstrumenten als Aktien reiche für § 15a WpHG nicht aus. Hier greift die strafrechtlich relevante Wortlautgrenze ein. Diese wiederum führt aber nicht zu einer Einschränkung des Aufsichtsrechts. Vielmehr kann dieses unabhängig von anknüpfenden Buß- oder Straftatbeständen nach den dafür üblichen Auslegungsmethoden ausgelegt werden (gespaltene Auslegung). Ein verwaltungsrechtlicher Tatbestand, den eine Strafvorschrift in Bezug nimmt, ist also nicht generell an den strengen Beschränkungen des Art. 103 Abs. 2 GG zu messen, sondern nur, soweit er zur Ausfüllung der strafrechtlichen Blankettnorm herangezogen und damit selbst zum Teil der Strafrechtsnorm wird4. b) Zulassung zu einer inländischen Börse (§ 15a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 WpHG) Die Mitteilungspflicht bezieht sich auf Personen mit Führungsaufgaben (und in enger Beziehung zu ihnen stehende Personen) solcher in- oder ausländischen Emittenten, deren Finanzinstrumente zum Handel an einer inländischen Börse, also dem Regulierten Markt, zugelassen sind5. Ein inländischer Sitz der Gesellschaft ist nicht erforderlich6. Die Finanzinstrumente müssen zugelassen sein, so dass die bloße Ein1 So Holzborn/Israel, WM 2004, 1948 (1953 Fn. 78); Erkens, Der Konzern 2005, 29 (31); Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 28, die von einem Redaktionsversehen ausgehen; a.A. Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 15 Rz. 3. 2 Dies übersieht Pfüller, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 10; Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 33. 3 Osterloh, Directors’ Dealings, S. 151 ff. und Pavlova, S. 284 halten am Wortlaut der Norm fest, da man wegen des Analogieverbots an ihn gebunden sei. Die Möglichkeit der gespaltenen Auslegung (dazu umfassend Wilke, S. 1 ff.) prüfen sie nicht. Ablehnend auch Zimmer/ Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 32 f., die die gespaltene Auslegung ansprechen, aber prinzipiell ablehnen. 4 BVerfG v. 5.4.2006 – 1 BvR 2780/04, Nichtannahmebeschl., NJW 2006, 3340 Rz. 23; Wilke, S. 1 ff. 5 Zur Erfassung des zum 5.6.2003 geschlossenen Neuen Marktes 3. Aufl., § 15a Rz. 21. 6 Bei der von Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 41 f., als Beleg für die angebliche gegenteilige Ansicht zitierte Fundstelle Assmann/Schneider/Sethe § 15a Rz. 25, muss es sich um
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beziehung in den Regulierten Markt (§ 33 Abs. 1 BörsG) nicht ausreicht (vgl. die Kommentierung zu §§ 37b und 37c Rz. 36)1. Von § 15a WpHG nicht erfasst wird der Freiverkehr (Open Market). Die Anwendungsbereiche von § 15 WpHG und § 15a WpHG decken sich in diesem Punkt. 31
Die Freistellung des Freiverkehrs von der Mitteilungspflicht nach § 15a Abs. 1 WpHG unterliegt rechtspolitischer Kritik. Der enge Anwendungsbereich des § 15a WpHG führe zu einem dogmatischen Bruch, da die Vorschrift auch der Verhütung des Insiderhandels diene, welcher gerade auch im Freiverkehr verboten sei (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.E.)2. Die Freistellung des Freiverkehrs von den Pflichten des § 15a WpHG dürfte auf den gleichen Erwägungen beruhen, die bereits bei der Freistellung des Freiverkehrs von der Ad-hoc-Publizität in § 15 WpHG ausschlaggebend waren. Da zu dieser Frage allerdings Ausführungen in den Gesetzesmaterialien des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes fehlen, wird man nur mutmaßen können. Zu den Gründen für eine Freistellung des Freiverkehrs kann man sicherlich den Umstand zählen, dass Wertpapiere zum Freiverkehr zugelassen werden können, ohne dass es eines Antrags oder der Zustimmung des Emittenten bedürfte3. Die Emittenten von im Freiverkehr gehandelten Wertpapieren sind regelmäßig nicht bereit, sich umfangreichen kapitalmarktrechtlichen Folgepflichten zu unterwerfen, wenn sie schon nicht von sich aus den Antrag auf eine Börsenzulassung stellen4. Allerdings überzeugt dieser Hinweis auf die fehlende Bereitschaft der Emittenten, sich diesen Folgepflichten auszusetzen, nicht restlos. Gerade das Beispiel des Insiderhandels, der auch im Freiverkehr verboten ist, belegt, dass der Gesetzgeber auch für den Freiverkehr kapitalmarktrechtliche Regeln erlassen kann und sollte. Denn bei der Frage des Anwendungsbereichs einer Norm kann es nicht oder zumindest nicht allein auf den Willen der künftig Rechtsunterworfenen ankommen, sondern es müssen übergeordnete Interessen einbezogen werden. Die entscheidende rechtspolitische Frage kann daher nicht lauten, ob, sondern in welchem Umfang man den Freiverkehr künftig regelt. Sicherlich bestünde die Gefahr einer Austrocknung dieses Marktsegments, wollte man den Freiverkehr ebenso strengen Vorschriften unterwerfen wie den Regulierten Markt5. Denn der Freiverkehr lebt gerade auch vom Regelungsgefälle zu den anderen Märkten. Die durch den Freiverkehr eröffneten zusätzlichen Handelsmöglichkeiten würde man gefährden, wenn man den Freiverkehr sämtlichen Maßnahmen zur Verhütung des Insiderhandels unterwerfen würde. Hierzu zählen nämlich gerade nicht nur die Pflichten aus § 15a WpHG. Vielmehr müsste man dann konsequenterweise auch die §§ 15, 37b, 37c WpHG für anwendbar erklären. Da Anleger wissen, dass sie im Freiverkehr deutlich weniger geschützt werden als im Regulierten Markt, ist ein rechtspolitisches Bedürfnis für eine Einbeziehung des Freiverkehrs in § 15a WpHG nicht vorhanden. Hinzu kommt, dass § 15a WpHG – im Unterschied zum Insidertatbestand und der Ad-hoc-Publizität – nicht an kurserhebliches vertrauliches Wissen anknüpft, sondern nur das allgemeine Fach-
1 2 3 4 5
ein Missverständnis handeln. Die Ausführungen in der 4. Aufl. in Rz. 25 beziehen sich auf die damalige § 15a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 WpHG und gerade nicht auf Nr. 1. Auch die anderen als Beleg für diese angebliche Diskussion angeführten Autoren beziehen sich auf die Nr. 2. Ebenso Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 40. Fleischer, ZIP 2002, 1217 (1225); wohl auch Fischer zu Cramburg/Hannich, Directors’ Dealings, S. 26; a.A. Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 20. Einzelheiten bei Groß, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., § 48 BörsG Rz. 5 ff. Hierauf stellt Kümpel, in: Assmann/Uwe H. Schneider, WpHG, 2. Aufl., § 15 Rz. 31, ab. Vgl. die entsprechenden Erwägungen des Gesetzgebers bei der Schaffung des § 15 WpHG durch das 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 76, sowie Assmann, § 15 Rz. 45.
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wissen der Führungspersonen transparent machen will1. Da zudem § 15a WpHG nicht geeignet ist, Insiderhandel wirksam zu unterbinden (s. oben Rz. 14), spricht auch die Idee einer Steigerung der Marktintegrität nicht für eine Ausdehnung des § 15a WpHG auf den Freiverkehr2. Der Tatbestand erfasst Emittenten bereits dann, wenn sie einen Antrag auf Zulas- 32 sung zu einem Regulierten Markt gestellt haben. Denn bereits zu diesem Zeitpunkt erfordert der Schutz des Publikums die erhöhte Kapitalmarkttransparenz und die präventive Wirkung, die § 15a WpHG gewährleisten soll (oben Rz. 10 ff.). Auch die bloße Ankündigung, die Börsenzulassung beantragen zu wollen, unterfällt dem Tatbestand (§ 15a Abs. 1 Satz 4 WpHG). Dabei ist nicht jede öffentliche Äußerung eines Mitarbeiters des Unternehmens maßgebend. Vielmehr ist erforderlich, dass die Äußerung von einer dafür verantwortlichen Person abgegeben wird (z.B. Vorstandssprecher, Pressesprecher), dass die Ernsthaftigkeit der Absicht aus Sicht eines verständigen Anlegers in der öffentlichen Äußerung hinreichend deutlich wird und dass der Antrag in absehbarer Zeit gestellt werden soll3. Nicht ausreichend wäre daher beispielsweise eine Äußerung des Vorstands, man benötige zur Erschließung neuer Märkte Kapital und plane daher eine Umwandlung der GmbH in eine AG, um Kapital über die Börse aufnehmen zu können. Hier ist zwar das Ziel benannt, der Zeitrahmen aber noch zu vage. c) Ausländische Börsenzulassung (§ 15a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 WpHG) Mit der Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie durch das Anlegerschutzver- 33 besserungsgesetz wurde der internationale Anwendungsbereich deutlich erweitert. Waren zuvor nur im Inland börsenzugelassene Wertpapiere erfasst, wurden dann alle an einem organisierten Markt innerhalb der EU und des EWR zugelassenen Aktien genannt. Die Marktmissbrauchsrichtlinie verwendet nicht den Begriff des „organisierten“, sondern den des „geregelten“ Marktes (Art. 1 Nr. 4 der Richtlinie 2003/6/EG) und knüpft damit an Art. 1 Abs. 13 der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 93/22/EWG (jetzt Art. 4 Nr. 14 der Richtlinie 2004/39/EG) an. Da der Begriff des geregelten Markts im deutschen Recht bereits durch das frühere Marktsegment des „Geregelten Markts“ (§§ 49 ff. BörsG a.F.) belegt war, verwendet das WpHG nun den Begriff des „organisierten“ Markts, der in § 1 Abs. 5 WpHG definiert wird, ohne dass sich hieraus jedoch Unterschiede zur Marktmissbrauchsrichtlinie ergeben. Der Wortlaut des § 15a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 WpHG war sehr weit, denn er schien alle innerhalb der EU/des EWR zugelassenen Emittenten zu erfassen. Es war daher zu begrüßen, dass die BaFin in den Emittentenleitfaden eine entsprechende Klarstellung aufgenommen hatte und nur solche Emittenten als erfasst ansah, die ihren Sitz im Inland haben und deren Aktien im Inland oder in der EU/im EWR an einem Regulierten Markt zugelassen waren bzw. deren Zulassung beantragt oder angekündigt war4. Der Gesetzgeber hat mit der Neufassung der Nr. 2 durch das TUG und das FRUG (s. 34 oben Rz. 5 und 7) den internationalen Anwendungsbereich gesetzlich präzisiert5. Die Vorschrift setzt Art. 6 Abs. 1 Satz 2 bis 4 der Durchführungsrichtlinie um und be1 2 3 4
Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 20. Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 41. Dieses dritte Kriterium findet sich in BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 84. BaFin, Emittentenleitfaden (Stand: 15.7.2005), S. 68; zustimmend Erkens, Der Konzern 2005, 29 (32); Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 15 Rz. 4. 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 83 f.
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zieht sich auf solche Emittenten, die ihren Sitz in Deutschland haben, deren Finanzinstrumente aber im Ausland zugelassen sind (Alt. 1). Sie erfasst weiterhin Emittenten von Finanzinstrumenten, die ihren Sitz außerhalb der EU/des EWR haben, für die aber die Bundesrepublik Herkunftsstaat i.S. des WpPG ist (Alt. 2). Schließlich sind gemäß § 15a Abs. 1 Satz 4 WpHG Emittenten erfasst, die den Antrag auf Zulassung gestellt oder angekündigt haben (dazu soeben Rz. 32). Für die Meldungen ist die Aufsichtsbehörde desjenigen Mitgliedstaats zuständig, bei der der Emittent jährlich ein Dokument nach Art. 10 der Prospektrichtlinie1 vorlegen muss (vgl. dazu §§ 2 Nr. 13 lit. c, 10 WpPG). Nach Art. 2 Abs. 1 lit. m iii der Prospektrichtlinie ist dies (von wenigen Ausnahmen abgesehen) für alle Drittstaatsemittenten nach deren Wahl entweder die Aufsichtsbehörde des Mitgliedstaats, in dem die Wertpapiere erstmals nach dem In-Kraft-Treten der Richtlinie öffentlich angeboten werden sollen, oder des Mitgliedstaats, in dem der erste Antrag auf Zulassung zum Handel an einem Regulierten Markt gestellt wird2. Sind die Aktien nur in einem Mitgliedstaat der EU/des EWR zugelassen, gilt dieser als Herkunftsmitgliedstaat. Der Zulassung steht der Antrag auf Zulassung und die öffentliche Ankündigung des Börsengangs gleich (§ 15a Abs. 1 Satz 4 WpHG). 2. Persönlicher Anwendungsbereich a) Personen mit Führungsaufgaben (§ 15a Abs. 2 WpHG) aa) Überblick 35
Die Vorschrift wendet sich an Personen mit Führungsaufgaben bei dem Emittenten von börsenzugelassenen Aktien. Gemäß § 15a Abs. 2 WpHG fallen unter den Begriff der Person mit Führungsaufgaben zunächst die Mitglieder der Verwaltungs-, Leitungsund Aufsichtsorgane, also Organmitglieder im formellen Sinne (dazu Rz. 36–40). Als Personen mit Führungsaufgaben gelten aber auch sonstige Personen, die – ohne Organ zu sein3 – regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen (vgl. § 13 Abs. 1 WpHG) haben und zu wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen ermächtigt sind (dazu Rz. 39a). Maßgeblich für die Bestimmung des Kreises der Führungspersonen ist das Gesellschaftsstatut des jeweiligen Emittenten. Ist das deutsche Recht maßgebend, gelten die nachfolgenden Ausführungen (Rz. 36–44). Ist ein ausländisches Gesellschaftsstatut massgebend, ist nach diesem zu bestimmen, wer zu den persönlich haftenden Gesellschaftern oder Mitgliedern eines Leitungs-, Verwaltungsoder Aufsichtsorgans des Emittenten gehört und wer als top executive gilt. bb) Leitungsorgane von AG und SE
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§ 15a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WpHG bezieht sich bei einer Aktiengesellschaft auf die Mitglieder des Vorstands (§ 76 Abs. 2 Satz 1 und 2 AktG). Auch die stellvertretenden
1 Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EG Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64. 2 Kritisch zu dieser „Privilegierung“ der Emittenten aus Drittstaaten Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 48, der den Inhalt der kritisierten Stellungnahme der BaFin im Emittentenleitfaden von 2005 aber m.E. nicht zutreffend wiedergibt. 3 Missverständlich daher Pluskat, Finanz-Betrieb 2004, 219 (220), die meint, es komme auf die „formale Anknüpfung an die Organmitgliedschaft“ an.
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Vorstandsmitglieder (§ 94 AktG) sind erfasst1, da es sich bei ihnen – entgegen der äußerst missverständlichen Bezeichnung – um vollwertige Vorstandsmitglieder handelt2. Der Arbeitsdirektor ist nach § 76 Abs. 2 Satz 3 AktG, § 13 Abs. 1 Satz 1 Montan-MitbestG, § 13 MitbestErgG, § 33 Abs. 1 Satz 1 MitbestG ebenfalls gleichberechtigtes Mitglied des Geschäftsführungsorgans und unterfällt daher ebenfalls § 15a Abs. 1 WpHG. Weiterhin sind die Mitglieder des Aufsichtsrats erfasst. Bei einer mitbestimmten Aktiengesellschaft ist es gleichgültig, ob es sich um Vertreter der Anteilseignerseite oder der Arbeitnehmerseite handelt. Der Aufsichtsrat kennt keine stellvertretenden Aufsichtsratsmitglieder, sondern nur Ersatzmitglieder, die bei Wegfall eines Mitglieds des Aufsichtsrats nachrücken (§ 101 Abs. 3 AktG). Die Ersatzmitglieder werden von § 15a WpHG erst erfasst, nachdem sie nachgerückt sind, denn erst dann haben sie eine Stellung als Mitglied des Organs inne. Die zur AG gemachten Ausführungen gelten entsprechend für die dualistisch verfasste SE, bei der folglich die Mitglieder des Leitungsorgans (Art. 39 SE-VO), ihre Stellvertreter (§ 40 Abs. 9 SEEG) und die Mitglieder des Aufsichtsorgans (Art. 40 SE-VO) erfasst sind3. Bei der monistisch verfassten SE sind die Mitglieder des Verwaltungsrats (Art. 43 SE-VO) und die geschäftsführenden Direktoren (§ 40 SEEG) Führungspersonen i.S. des § 15a Abs. 2 WpHG4. cc) Aktionäre und unternehmensexterne Personen Die Hauptversammlung wird, auch wenn sie Entscheidungen über Fragen der Ge- 37 schäftsführung nach § 119 Abs. 2 AktG trifft, dadurch nicht zu einem Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan. Einfache Aktionäre werden daher von § 15a WpHG nicht erfasst. Fraglich ist, ob ein unternehmerisch tätiger Hauptaktionär § 15a WpHG unterfallen kann. Zwar leitet der Vorstand die Gesellschaft eigenverantwortlich (§ 76 Abs. 1 AktG). Gewinnt jedoch der Hauptaktionär einen tatsächlichen Einfluss auf das Schicksal der Gesellschaft und gelangt er dabei an Insiderwissen, könnte man argumentieren, die dem § 15a WpHG zugrunde liegenden Wertungen erforderten ein Eingreifen des Tatbestands. Diese Sichtweise überzeugt im Ergebnis jedoch nicht. Der Umstand, dass der Vorgang u.U. wegen des Verstoßes gegen § 76 Abs. 1 AktG verbandsrechtlich unzulässig ist, spielt für die kapitalmarktrechtliche Beurteilung an sich keine Rolle, da diese den Markt schützen will, nicht die gesellschaftsrechtlich vorgegebene Machtverteilung. Allerdings stellt Art. 1 Nr. 1 lit. b der Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG ausdrücklich darauf ab, ob die Person „befugt“ ist, für die Gesellschaft strategische Entscheidungen zu treffen. Da eine solche Kompetenz dem Mehrheitsaktionär gerade nicht zusteht, kann er nicht als top executives eingeordnet werden (s. auch unten Rz. 44)5. dd) Persönlich haftende Gesellschafter und Komplementärgesellschaften Bei einer Kommanditgesellschaft auf Aktien wird die Geschäftsführung und Vertretung von den persönlich haftenden Gesellschaftern wahrgenommen (§ 278 Abs. 2 AktG i.V.m. §§ 161 Abs. 2, 114 ff., 125 ff. HGB sowie § 283 AktG). Diese bilden damit das Leitungsorgan der KGaA und sind nach § 15a Abs. 1 Satz 1 WpHG mitteilungspflichtig. Sind einzelne persönlich haftende Gesellschafter von der Geschäfts1 Der hier vertretenen Ansicht folgen jetzt auch Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 55, die allerdings den hier vertretene Standpunkt als a.A. kennzeichnen. 2 Einzelheiten bei Hüffer, § 94 AktG Rz. 1 f. 3 Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 55, 57. 4 Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 55 f. 5 Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 80.
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führung und Vertretung ausgeschlossen, sind sie nicht Mitglied des Geschäftsführungsorgans. Sie bleiben zwar persönlich haftende Gesellschafter, haben aber nur noch gesellschaftsrechtliche Kompetenzen und keine Organfunktionen mehr1. Daher sind sie keine Organmitglieder im formellen Sinne. Sie fallen auch nicht in die Gruppe der sonstigen Personen mit Führungsaufgaben, da sie keine „geschäftsführende Führungskraft“ darstellen und gerade nicht befugt sind, strategische Entscheidungen für den Emittenten zu treffen. Der weder geschäftsführungs- noch vertretungsbefugte Komplementär der KGaA unterfällt daher nicht den Vorgaben, die die Durchführungsrichtlinie für sonstige Führungspersonen enthält. Abschließend ist der Frage nachzugehen, ob der deutsche Gesetzgeber über die Vorgaben der Richtlinie hinausgegangen sein könnte. Der Wortlaut des § 15a Abs. 2 WpHG differenziert gerade nicht danach, welche Rolle ein persönlich haftender Gesellschafter innerhalb der Kommanditgesellschaft auf Aktien inne hat. Vielmehr nennt er „persönlich haftende Gesellschafter oder Mitglieder eines Leitungs-, Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans des Emittenten“. Hätte der Gesetzgeber nur die geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Komplementäre erfassen wollen, wäre die Formulierung „Mitglieder eines Leitungs-, Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans des Emittenten“ ausreichend gewesen. Aus der separaten Nennung der persönlich haftenden Gesellschafter könnte man daher ableiten, dass diese unabhängig davon erfasst werden sollten, ob sie der Geschäftsführung angehören oder nicht. Für eine derart weite gesetzliche Auslegung könnte man zudem ins Feld führen, dass die Komplementäre auf Grund der persönlichen Haftung eine enge persönliche Verbundenheit untereinander und mit dem Unternehmen haben; sie werden regelmäßig einen direkteren Einblick in die Geschäftsführung haben als gewöhnliche Aktionäre oder außenstehende Dritte. Man könnte daher sicherlich mit guten Gründen behaupten, dass von ihnen getätigte Transaktionen in Aktien der Kommanditgesellschaft auf Aktien eine ähnliche Indikatorwirkung entfalten wie Transaktionen eines geschäftsführungsbefugten Komplementärs. Eine solche Auslegung war zum früheren Recht, das allein auf Vorgaben des nationalen Gesetzgebers beruhte, überzeugend2. Bei der Umsetzung der Richtlinien hat sich der deutsche Gesetzgeber jedoch strikt an die Richtlinienvorgaben gehalten3. Anhaltspunkte dafür, dass er gerade bei der nicht so häufig vorkommenden KGaA eine verschärfte Regelung der Directors’ Dealings wollte, sind nicht ersichtlich. Vielmehr dürfte die gesetzliche Formulierung einmal mehr darauf beruhen, dass die Rechtsform der KGaA wenig bekannt ist und daher in Gesetzgebungsverfahren oft stiefmütterlich behandelt wird4. Der besonderen Erwähnung der persönlich haftenden Gesellschafter in § 15a Abs. 2 WpHG kommt daher keine spezielle inhaltliche Bedeutung zu. Die weder geschäftsführungs- noch vertretungsbefugten Komplementäre der KGaA sind daher nicht nach § 15a Abs. 1 WpHG mitteilungs- und meldepflichtig5. Dies ist konsequent, wenn man bedenkt, dass er die „top executives“ auch nur erfasst, wenn diese Zugang zu Insiderinformationen haben und entscheidungsbefugt sind (s. unten Rz. 39a); der bloß leichtere Zugang zu Insiderinformationen reicht gerade nicht6. 1 2 3 4
Assmann/Sethe, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1992 ff., § 278 Rz. 105 m.w.N. 3. Aufl. des Kommentars § 15a Rz. 25. RegE des AnSVG, BR-Drucks. 341/04, S. 70. Beispiele für dieses Phänomen finden sich bei Sethe, Aufsichtsratsreform mit Lücken, AG 1996, 289 f.; Sethe, Die personalistische Kapitalgesellschaft mit Börsenzugang, 1996, S. 331, 445 ff., 461 ff., 517 f. 5 A.A. Osterloh, Directors’ Dealings, S. 353 f.; Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 53; Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 58, 67. 6 Dies übersehen Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 53; Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 67.
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Handelt es sich bei dem geschäftsführungs- und vertretungsbefugten persönlich haf- 39 tenden Gesellschafter der KGaA um eine Komplementär-Gesellschaft, ist diese unzweifelhaft von § 15a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WpHG erfasst. Dabei ist es unerheblich, ob sie ihren Sitz im Inland oder im Ausland hat. Die Mitglieder des Geschäftsführungsorgans der Komplementär-Gesellschaft sind ebenfalls mitteilungspflichtig, denn bei ihnen handelt es sich um sonstige Personen, die regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen haben und die – vermittelt über die Satzung der KGaA und den Gesellschaftsvertrag der Komplementärgesellschaft – zu wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen befugt sind1. Wenn die Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft auf Aktien bei einer Komplementär-Gesellschaft liegt, sind es gerade deren Organmitglieder, die den Wissensvorsprung in Bezug auf die KGaA besitzen und bei ihr die maßgeblichen Entscheidungen treffen; sie sind „top executives“2. Werden strategische Aufgaben der Geschäftsführung auf ein fakultatives Organ der KGaA übertragen (Beirat u.Ä.), sind die Mitglieder dieses Organs ebenfalls mitteilungspflichtig, da sie als sonstige Personen mit Führungsaufgaben gelten3. In Bezug auf den Aufsichtsrat der Kommanditgesellschaft auf Aktien gilt das zum Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft Ausgeführte. Verfügt die Kommanditgesellschaft auf Aktien über fakultative Aufsichtsorgane, die wesentliche unternehmerische Entscheidungen mitbestimmen, unterfallen deren Mitglieder als sonstige Personen mit Führungsaufgaben ebenfalls § 15a WpHG. ee) top executives Als Personen mit Führungsaufgaben gelten aber auch sonstige Personen, die – ohne Organ zu sein – regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen (vgl. § 13 Abs. 1 WpHG) haben und zu wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen ermächtigt sind. Diese Erweiterung des Tatbestands auf Führungskräfte im materiellen Sinne geht auf eine Empfehlung von CESR zurück4 und floss in Art. 1 Nr. 1 lit. b der Durchführungsrichtlinie ein. Da die Formulierung des Tatbestands des § 15a Abs. 2 WpHG ausgesprochen knapp ausfällt, ist zu seiner Auslegung auf die Durchführungsrichtlinie zurückzugreifen. Diese spricht in ihrem Art. 1 Nr. 1 lit. b ausdrücklich von einer „geschäftsführenden Führungskraft“. Es handelt sich damit um Personen im Unternehmen, nicht aber um externe Personen, wie Berater, Dienstleister oder Rechnungsprüfer, denen keine Entscheidungsfunktion in Bezug auf die Geschäftsführung zukommt5. Sie müssen „befugt“ sein, für die Gesellschaft, entweder allein oder als 1 A.A. Fischer zu Cramburg/Hannich, Directors’ Dealings, S. 23 (OHG als Komplementärin einer KGaA). 2 So auch Osterloh, Directors’ Dealings, S. 355 f.; Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 54; Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 78. 3 So jetzt auch Osterloh, Directors’ Dealings, S. 351; Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 66; Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 69. 4 The Committee of European Securities Regulators, Advice on the Second Set of Level 2 Implementing Measures for the Market Abuse Directive (CESR/03-212c) vom August 2003, Rz. 40: „CESR’s advice is principally focussed on those persons who are members of the administrative, management or supervisory bodies of the issuer. In addition, where in some countries top executives who do not participate in these bodies have decision making powers and decide on the future development and business prospects of the issuer, they should disclose their transactions“. Die Erweiterung wird von Seitz, BKR 2002, 340 (343) als zu weitgehend kritisiert. 5 Diese Einschränkung geht auf eine Empfehlung von CESR zurück, vgl. The Committee of European Securities Regulators, Advice on the Second Set of Level 2 Implementing Measures for the Market Abuse Directive (CESR/03-212c) vom August 2003, Rz. 41: „CESR is of the view that the requirement „…within an issuer…“ excludes external persons such as au-
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Mitglieder eines Kollektivorgans eigenverantwortlich strategische Entscheidungen über zukünftige Entwicklungen und Geschäftsperspektiven dieses Emittenten zu treffen. Die Entscheidungen müssen also eine grundsätzliche Bedeutung haben, denn Aktiengeschäften kommt nur dann eine Indikatorfunktion zu, wenn sie von Personen mit solch weit reichenden Kompetenzen getroffen werden. Zusätzlich müssen diese Personen regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen haben und somit über einen Wissensvorsprung mit direktem oder indirektem Bezug zum Emittenten verfügen1. Damit sind im Ergebnis nur top executives erfasst2. Allein die Stellung als leitender Angestellter des Unternehmens oder als Prokurist rechtfertigt noch nicht die Einordnung als top executive3; vielmehr muss im Einzelfall geprüft werden, wie weit der Zugang zu Informationen und die Entscheidungsbefugnis reichen. Sobald der Geschäftsleitung ein Zustimmungsvorbehalt oder ein Letztentscheidungsrecht zusteht, fehlt der Person die Kompetenz zur eigenverantwortlichen Entscheidung und sie ist nicht mitteilungspflichtig4. Angesichts der bei deutschen Aktiengesellschaften vorherrschenden Aufgabenverteilung dürfte allenfalls die Führungsebene direkt unterhalb der Geschäftsleitung unter die sonstigen Personen mit Führungsaufgaben fallen (z.B. Generalbevollmächtigte). Fraglich ist, wie Angestellte oder Organmitglieder von Tochterunternehmen oder der Muttergesellschaft einzuordnen sind, wenn sie beim Emittenten über einen entsprechenden Einfluss auf die Geschäftsführung verfügen und Zugang zu Insiderinformationen beim Emittenten haben. Ein Teil des Schrifttums bejaht die Eigenschaft als top executive5. Hiergegen könnte man einwenden, mit einer solchen Einordnung würde die Wertung des Gesetzgebers, der die Konzernklausel aus dem Tatbestand des § 15a WpHG gestrichen hat (s. unten Rz. 44), umgangen. Diese Sichtweise überzeugt jedoch nicht. Der Gesetzgeber hat die auf nationalem Recht beruhende Klausel gestrichen, da die Marktmissbrauchsrichtlinie den Anwendungsbereich der Norm neu und abweichend definiert hat. Soweit Personen Organfunktionen ausüben, ohne formelles Organ zu sein, fallen sie unter die top-exective-Regelung, die folglich auch konzernrechtliche Fallgestaltungen erfassen kann. Angestellte oder Organmitglieder von Tochterunternehmen oder der Muttergesellschaft können daher im Einzelfall unter den Tabestand fallen, wenn sie Zugang zu Insiderinformationen haben und wenn sie nicht nur tatsächlich in der Lage sind, sondern die rechtliche Befugnis (z.B. aufgrund eines Vertrags) besitzen, strategische Entscheidungen für den Emittenten zu treffen6. Die Bedeutung der Ein-
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ditors and other advisers and service providers who may be closely linked to the issuer, but are not to be regarded as being closely associated with the persons discharging managerial responsibilities within the issuer.“ So jetzt auch Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 60. Bürgers, BKR 2004, 424 (428); von Buttlar, BB 2003, 2133 (2135 f.); Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929 (936); Dreyling, Der Konzern 2005, 1 (3); Erkens, Der Konzern 2005, 29 (32); Holzborn/Israel, WM 2004, 1948 (1953); Klawitter, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 32 Rz. 121; Pfüller, in: Habersack/Mülbert/ Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 16; Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 15 Rz. 6; Schwintek, Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 52, der im Übrigen auch die Entstehungsgeschichte dieser Passage des CESR-Papiers beschreibt. So aber Kuthe, ZIP 2004, 883 (886) in Bezug auf leitende Angestellte; zu Recht a.A. Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 62; Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 75. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 85. Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 76 f. A.A. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 85, der darauf abstellt, ob die Person beim Emittenten selbst eine Führungsaufgabe wahrnehme. Mit der entsprechenden Befugnis tut sie aber genau dies.
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beziehung des materiellen Organbegriffs in § 15a WpHG dürfte in der Praxis der deutschen AG eher gering ausfallen. Anders ist die Bedeutung dieses Tatbestandsmerkmals für die KGaA (s. oben Rz. 39). ff) Fehlerhaft bestellte Organe Auch fehlerhaft bestellte Organe unterliegen der Mitteilungspflicht, solange sie die 40 Organfunktion tatsächlich ausüben, das Organverhältnis also in Vollzug gesetzt und noch nicht beendet wurde1. Selbst wenn man die fehlerhaft bestellten Organe nicht als Personen mit Führungsaufgaben einordnen wollte, unterfallen sie zumindest der Kategorie der sonstigen Person, die regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen hat und zu wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen ermächtigt ist. gg) Im Insiderverzeichnis erfasste Personen Nicht jede Person, die in einem Insiderverzeichnis nach § 15b WpHG aufgelistet ist, unterfällt auch dem Tatbestand des § 15a WpHG. Das Insiderverzeichnis erfasst Personen, die bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderwissen haben. Nicht jede dieser Personen gehört aber auch zugleich dem Personenkreis an, der beim Emittenten Führungsaufgaben wahrnimmt2.
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hh) Insolvenzverwalter Wird der Emittent insolvent, bleibt der Vorstand im Amt (vgl. § 263 AktG). Aller- 42 dings wird ihm die Verfügungsbefugnis entzogen und geht auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO). Der Vorstand ist jedoch immer noch Organ der Gesellschaft und deshalb weiterhin nach § 15a Abs. 1, 2 WpHG verpflichtet3, was § 11 WpHG klarstellt. Da den privaten Aktiengeschäften des Vorstands Indikatorfunktion zukommt, hat gerade in einer Krisensituation das Publikum ein Interesse daran zu wissen, ob der Vorstand an eine Sanierung des Emittenten glaubt oder nicht. Gegen ein Fortbestehen der Meldepflicht könnte zwar der Umstand sprechen, dass der Vorstand mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens seinen unmittelbaren Einfluss auf die Geschäfte des Unternehmens verliert. Für § 15a WpHG ist es jedoch ausreichend, wenn eine Person den formellen, nicht aber auch den materiellen Organbegriff des § 15a WpHG verwirklicht. Denn das tatsächliche Ausmaß des Einflusses auf die Geschicke des Unternehmens wird gerade nicht zum Maßstab gemacht, wenn es um die Erfassung der Organmitglieder i.S. des § 15a Abs. 2 Halbsatz 1 WpHG geht. Zusätzlich zum Vorstand wird auch der Insolvenzverwalter von § 15a WpHG erfasst. 1 Ebenso Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 58. Zu § 15a WpHG i.d.F. des 4. FFG Fleischer, ZIP 2002, 1217 (1225); für das Insiderrecht, an das die Gesetzesbegründung (Begr. DiskE, ZBB 2001, 398, 425 und Begr. RegE des 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 87) anknüpfte, s. unten Vogel, § 38 Rz. 13; allgemein zur fehlerhaften Organmitgliedschaft Hüffer, § 84 AktG Rz. 10. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 85; Pfüller, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 17; Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 15 Rz. 6; im Ergebnis auch Pluskat, DB 2005, 1097 (1098 f.); Pluskat, BKR 2004, 467 (470), die auf den Unterschied von „bestimmungsgemäßem“ Zugang zu Insiderinformationen und „regelmäßigem“ Zugang zu solchen Informationen abstellt; im Ergebnis auch Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 41 a.E.; a.A. Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929 (936). 3 So in Bezug auf Meldepflichten nach §§ 21 ff. WpHG BVerwG v. 13.4.2005 – 6 C 4/04, ZIP 2005, 1145, 1148 mit Anm. Ott; anders noch VG Frankfurt/M. v. 29.1.2004 – 9 E 4228/03 (V), ZIP 2004, 469; Dehlinger, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 1. Aufl. 2005, § 11 Rz. 3 m.w.N.; von Buttlar, BB 2010, 1355 (1358).
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Mit seiner Bestellung gehört er zu den sonstigen Personen mit Führungsaufgaben, denn aufgrund seiner durch die InsO vermittelten Befugnisse hat er die Möglichkeit, eigenverantwortlich strategische Entscheidungen über zukünftige Entwicklungen und Geschäftsperspektiven dieses Emittenten zu treffen. Seine Entscheidungen haben eine grundsätzliche Bedeutung. Schließlich verfügt er über einen Wissensvorsprung mit direktem oder indirektem Bezug zum Emittenten. Tätigt der Insolvenzverwalter private Geschäfte in Aktien des Emittenten, unterfällt er damit § 15a WpHG1. Gleiches gilt für Abwickler und Sonderbeauftragte i.S. von §§ 37 f., 45c KWG und § 83a VAG2. ii) Beginn und Ende der Stellung als Führungsperson 43
Die Mitteilungspflicht beginnt mit Übernahme der Organstellung oder der Stellung als top executive, wobei zu diesem Zeitpunkt bereits gehaltene Finanzinstrumente nicht zu melden sind (s. Rz. 12, 102)3. Sie endet, sobald die Person mit Führungsaufgaben ihre Organstellung verliert (Ablauf der Amtszeit, Widerruf der Bestellung, Abberufung aus wichtigem Grund etc.) bzw. die Stellung als „top executive“ beendet wird und sie damit keinen Einfluss mehr auf wesentliche unternehmerische Entscheidungen hat oder den Zugang zu Insiderinformationen verliert4. Auf die Beendigung eines zusätzlich geschlossenen Anstellungsvertrags kommt es nicht an5. Denn mit dem Verlust der Stellung als Führungsperson endet auch die Möglichkeit zum Einblick in die Interna des Emittenten, so dass Transaktionen der ehemaligen Führungsperson eine Indikatorwirkung fehlt. Auf den Umstand, dass einer ehemaligen Person mit Führungsaufgaben aus dem Anstellungsvertrag u.U. noch Ansprüche auf Bezüge zustehen, kommt es nicht an. Der Gesetzgeber hat keine nachwirkende Mitteilungspflicht angeordnet6. Man wird zwar argumentieren können, dass die Person mit Führungsaufgaben auch nach dem Ausscheiden aus dem Amt noch über Kenntnisse der Interna des Emittenten verfügt. Jedoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Transaktionen einer ehemaligen Person mit Führungsaufgaben auf ganz anderen Motiven beruhen als dem Einblick in die Unternehmensinterna, insbesondere bei einem unfreiwilligen Ausscheiden, recht groß. Vor diesem Hintergrund könnte eine fortwirkende Mitteilungspflicht eher zur Verwirrung als zum Nutzen des Publikums beitragen. b) Organmitglieder von Konzernunternehmen
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Bis zur Neufassung des § 15a WpHG durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz erfasste die Vorschrift nicht nur die Organmitglieder des zum Handel an einer Börse zugelassenen Emittenten selbst, sondern auch die Organmitglieder von dessen Mut1 So auch Osterloh, Directors’ Dealings, S. 350 und jetzt auch von Buttlar, BB 2010, 1355 (1358). 2 Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 81. 3 Pavlova, S. 179; Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 136; Zimmer/Osterloh, in: Schwark/ Zimmer, § 15a WpHG Rz. 90. 4 Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 91 fordern die Einführung einer nachlaufenden Meldepflicht in einem Zeitraum von zwei bis drei Monaten. 5 Anders aber Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 57, wonach bei beendeter Organstellung, aber fortbestehendem Anstellungsvertrag auch die Meldepflicht fortbestehe. 6 Pavlova, S. 179; Riedl/Marten, DBW 2010, 553 (554). Entsprechende rechtpolitische Forderungen finden sich aber bei von Buttlar, BB 2003, 2133 (2136); Erkens, Der Konzern 2005, 29 (33); Fischer zu Cramburg/Hannich, Directors’ Dealings, S. 23 f., 62; Osterloh, Directors’ Dealings, S. 356, 611 ff.; Schuster, ZHR 167 (2002), 193 (206); offen gelassen bei Fleischer, ZIP 2002, 1217 (1226).
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terunternehmen. Diese rechtspolitisch umstrittene1 Regelung ist durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz gestrichen worden2. Man könnte nun argumentieren, der mit der Streichung zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers dürfe nicht dadurch umgangen werden, dass man nun konzernrechtliche Sachverhalte unter den Tatbestand der top executives (s. oben Rz. 39a) fasse. Eine solche Sichtweise wäre jedoch zu pauschal. Der Gesetzgeber hat bei der Streichung der Konzernklausel keinen Willen geäußert3. Ihm ging es allein um die Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie und der dazu ergangenen Durchführungsrichtlinie. Da diese den Anwendungsbereich der Norm eigenständig definieren, ist ein Umkehrschluss aus der Streichung der früheren Konzernklausel gerade nicht zwingend. Vielmehr ist auf den Anwendungsbereich der Richtlinien abzustellen. Diese erfassen mit dem Tatbestand der top executives auch Personen im Konzern, sofern diese Zugang zu beim Emittenten vorhandenen Insiderinformationen haben und befugt sind, strategische Entscheidungen über zukünftige Entwicklungen und Geschäftsperspektiven dieses Emittenten zu treffen (s. oben Rz. 39a). c) In enger Beziehung stehende Personen (§ 15a Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 WpHG) Die Ausdehnung der Mitteilungspflicht in § 15a Abs. 1 WpHG auf Personen, die in 45 enger Beziehung zu den Personen mit Führungsaufgaben stehen, dient dem Ziel, Umgehungen zu verhindern4 und Personen zu erfassen, die am Wissensvorsprung der Führungsperson teilhaben5. Mit dem Tatbestandsmerkmal „Ehepartner“ knüpft § 15a WpHG an den familienrechtlichen Status der Ehe an. Voraussetzung ist das wirksame Bestehen einer Ehe. Diese setzt die Eheschließung nach § 1310 BGB voraus. Eine nicht vor dem Standesbeamten geschlossene Ehe kann unter den engen Voraussetzungen des § 1310 Abs. 3 BGB geheilt werden („hinkende Ehen“). Die Ehe endet mit Rechtskraft eines Aufhebungsurteils (§ 1313 Satz 2 BGB), eines Scheidungsurteils (§ 1564 Satz 2 BGB) oder mit dem Tod eines der Ehegatten. Vor dem Hintergrund des gesetzgeberischen Bestrebens, eine leichte Überprüfbarkeit der Tatbestandsvoraussetzungen sicherzustellen (s. unten Rz. 48), kann es nicht darauf ankommen, ob die Ehe intakt ist oder die Ehepartner getrennt leben (§ 1567 Abs. 1 BGB). Der Zustand des Getrenntlebens – zumal innerhalb derselben Wohnung (vgl. § 1567 Abs. 1 Satz 2 BGB) – kann leicht fingiert werden, indem man vor einer meldepflichtigen Transaktion ein Zerwürfnis vorspiegelt und sich nach Abwicklung der Transaktion versöhnt. Das Getrenntleben ist daher als Anknüpfungspunkt für ein Entfallen der Mitteilungspflicht ungeeignet6. Die Mitteilungspflicht besteht auch in dieser Zeit fort.
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Der Begriff des „eingetragenen Lebenspartners“ meint die Verbindung gleich- 47 geschlechtlicher Lebenspartner nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Ein1 Kritisch deshalb 3. Aufl. des Kommentars § 15a Rz. 28 m.w.N. 2 Für eine Wiedereinführung einer Konzernklausel Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 89. 3 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 36. 4 So auch Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 42. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Ausdehnung des Anwendungsbereichs bei Schuster, ZHR 167 (2003), 193 (209 f.); zu Recht a.A. Masling, S. 287 ff. 5 Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 83. 6 Dies übersieht Letzel, BKR 2002, 862 (865). Zutreffend dagegen Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 44; Osterloh, Directors’ Dealings, S. 434 f.; Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 84.
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getragene Lebenspartnerschaft1. Diese wird begründet durch Schließung einer Lebenspartnerschaft nach § 1 LPartG. Sie endet mit Rechtskraft eines Aufhebungsurteils (§ 15 Abs. 1 LPartG) oder bei Tod eines der Lebenspartner. Die Mitteilungspflicht des Lebenspartners einer Person mit Führungsaufgaben besteht weiter, selbst wenn die Lebenspartner getrennt leben; es gelten die zur Ehe gemachten Ausführungen (Rz. 46) entsprechend. 48
Die Eingetragene Lebenspartnerschaft ist von einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft als bloßem Zusammenleben zweier Personen zu unterscheiden. Die Mitteilungspflicht erstreckt sich nicht auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft, weil der Gesetzgeber das bloße Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft gerade nicht als geeigneten Anknüpfungspunkt der Mitteilungspflicht ansah2. Während des Gesetzgebungsverfahrens wurden Forderungen der CDU/CSU zurückgewiesen, wonach nur Personen mitteilungspflichtig sein sollten, die in häuslicher Gemeinschaft mit dem Organmitglied leben3. Eine derartige Eingrenzung des Kreises der Mitteilungspflichtigen war nach Ansicht der Bundesregierung zu unbestimmt und nur schwer zu überprüfen. Daher blieb es 2002 bei der Anknüpfung an den familienrechtlichen Status4. Die Ansicht des Gesetzgebers, das Kriterium des Zusammenlebens sei nur schwer nachzuprüfen und daher nicht geeignet, ist inzwischen überholt. Art. 1 Nr. 2 lit. c der Durchführungsrichtlinie hat den deutschen Gesetzgeber gezwungen, seit einem Jahr vor der Transaktion im Haushalt lebende Verwandte als „in enger Beziehung stehende Personen“ einzuordnen. Das Merkmal „im selben Haushalt leben“ hat damit nun Eingang in das Gesetz gefunden, wird allerdings mit einem präzise definierten Tatbestandsmerkmal „Verwandte“ (§ 1589 BGB) kombiniert. Da der nichteheliche Lebenspartner als solcher kein „Verwandter“ ist, unterfallen die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nach wie vor nicht § 15a WpHG.
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Die Mitteilungspflicht erstreckt sich auf die nach einzelstaatlichem Recht unterhaltsberechtigten Kinder der Person mit Führungsaufgaben. Richtet sich die Unterhaltspflicht nach deutschem Recht (vgl. Art. 18 EGBGB), sind folgende Grundsätze maßgebend: Erfasst sind leibliche Kinder und Adoptivkinder (dazu sogleich Rz. 50) dieser Person, nicht aber Pflegekinder. Denn das Tatbestandsmerkmal „unterhaltsberechtigt“ knüpft gerade an die Verwandtschaft an (§ 1601 BGB). Bei minderjährigen Kindern kommt es nur auf die Stellung als unterhaltsberechtigtes Kind an, nicht auch darauf, ob im konkreten Fall ein Unterhaltsbedarf besteht. Denn sonst könnte ein Vorstand sein Kind mit ausreichendem Vermögen versorgen, so dass dieses sich aus den Erträgen ernähren kann und der Unterhaltsbedarf nach § 1602 Abs. 2 BGB entfiele. Der Vorstand könnte nach der Vermögensgewährung über sein dann nicht mitteilungspflichtiges Kind die Aktiengeschäfte abwickeln. Daher sind grundsätzlich alle minderjährigen Kinder erfasst5. Volljährige Kinder sind solange erfasst, als sie sich in ihrer ersten Ausbildung befinden und noch nicht in der Lage sind, sich 1 Das Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft ist als Art. 1 des Gesetzes zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften – Lebenspartnerschaftsgesetz vom 16.2.2001 (BGBl. I 2001, 266) erlassen worden. 2 Schuster, ZHR 167 (2002), 193 (209), hält diesen Vorschlag für realisierbar und wünschenswert. 3 Bericht des Finanzausschusses vom 21.3.2002, BT-Drucks. 14/8601, S. 10. 4 Diese Regelung war im Gesetzgebungsverfahren starker Kritik ausgesetzt, weil man hierin eine Benachteiligung der Eheleute im Vergleich zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft sah, vgl. die Nachweise bei Weiler/Tollkühn, DB 2002, 1923 (1924 Fn. 13). 5 Hiervon geht auch die BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 86, aus. Ebenso jetzt Osterloh, Directors’ Dealings, S. 438; im Ergebnis auch Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 88.
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selbst zu unterhalten1. Das Gesetz stellt nur auf die Unterhaltsberechtigung ab; ob tatsächlich Unterhalt bezahlt wird, ist nicht ausschlaggebend2. Weiterhin kommt es nicht darauf an, ob die unterhaltsberechtigten Kinder im selben Haushalt leben, wie die Person mit Führungsaufgaben. Das entsprechende Tatbestandsmerkmal in § 15a Abs. 3 WpHG bezieht sich nur auf die anderen Verwandten, nicht auch auf die Kinder. Gestützt wird dieses Ergebnis durch den insoweit klareren Wortlaut von Art. 1 Nr. 2 lit. b und c der Durchführungsrichtlinie. Ist die Unterhaltsberechtigung entfallen, sind Kinder wie andere Verwandte der Führungsperson nur dann mitteilungspflichtig, wenn sie im selben Haushalt leben (dazu Rz. 50). Nichteheliche Kinder unterfallen dem Tatbestand erst dann, wenn die Vaterschaft anerkannt oder rechtskräftig festgestellt ist. Die Mitteilungspflicht erfasst weiterhin andere Verwandte der Person mit Führungs- 50 aufgaben, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des meldepflichtigen Geschäfts seit mindestens einem Jahr im selben Haushalt leben. Der Grad der Verwandschaft ist unmaßgeblich. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit (z.B. Unterhaltspflicht) von der Person mit Führungsaufgaben wird nicht vorausgesetzt. Das Tatbestandsmerkmal „unterhaltsberechtigt“ bezieht sich allein auf das nachfolgende Wort „Kinder“ und nicht auf den restlichen Satz. Die Einfügung des Wortes „andere“ macht dies hinreichend deutlich. Eine Verwandtschaft wird dadurch begründet, dass eine Person von der anderen abstammt (Blutsverwandtschaft, § 1589 Satz 1 und 2 BGB). Gegen eine Anknüpfung an den Verwandtenbegriff des § 1589 BGB werden Bedenken erhoben, da Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2004/72/EG den Begriff „Familienmitglied“ und nicht „Verwandte“ verwende. Erfasst würden daher auch die Schwägerschaft und Adoptionen nach §§ 1742–1772 BGB3. Dabei verkennt diese Ansicht, dass Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2004/72/EG in lit. a und b gerade auf das „einzelstaatliche Recht“ abstellt; ein Grund, warum das in lit. c nicht der Fall sein sollte, ist nicht ersichtlich. Auch der CESR-Abschlussbericht4 vom August 2003 enthält für eine solche Differenzierung keine Anhaltspunkte. Für die Bestimmung des Verwandtenbegriffs maßgebend ist daher § 1589 BGB. Über § 1754 Abs. 1 BGB gilt auch ein adoptiertes minderjähriges Kind als leibliches Kind der annehmenden Ehegatten. Im Falle einer Adoption nur durch eine Person wird nur zu dieser ein verwandtschaftliches Verhältnis begründet (§ 1754 Abs. 2 BGB). In beiden Fällen erlischt die Verwandtschaft des Adoptierten zu seiner bisherigen Familie (§ 1755 Abs. 1 BGB). Der maßgebliche Zeitpunkt für die Begründung der Unterhaltspflicht und damit für das Eingreifen von § 15a Abs. 3 WpHG ergibt sich aus § 1751 Abs. 4 BGB, also sobald die Eltern des Kindes die erforderliche Einwilligung erteilt haben und das Kind in die Obhut des Annehmenden mit dem Ziel der Annahme aufgenommen ist. Bei der Adoption eines Volljährigen wird ein verwandtschaftliches Verhältnis nur zu dem Annehmenden begründet. Die übrigen Verwandtschaftsverhältnisse werden durch die Adoption nicht berührt (§ 1770 Abs. 2 BGB). Ein adoptierter Volljähriger fällt also nur dann unter § 15a WpHG, wenn er von der Person mit Führungsaufgaben selbst adoptiert wurde, nicht aber, wenn ihn allein dessen Ehegatte angenommen hat (§ 1770 Abs. 1 Satz 2
1 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 86; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 44. 2 So auch BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 86; a.A. Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 87. 3 Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 71; a.A. Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 83 a.E. 4 The Committee of European Securities Regulators, Advice on the Second Set of Level 2 Implementing Measures for the Market Abuse Directive (CESR/03-212c) vom August 2003.
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BGB)1. Von § 15a WpHG nicht erfasst sind Stiefkinder einer Person mit Führungsaufgaben, denn diese sind mit dem Ehegatten verwandt, nicht aber mit der Führungsperson2. Diese Sichtweise hat der Gesetzgeber mit dem durch das FRUG eingeführten § 33b Abs. 2 Nr. 2 WpHG bestätigt. Dieser nimmt auf § 15a Abs. 3 Satz 1 WpHG Bezug und ergänzt ihn ausdrücklich um minderjährige Stiefkinder. Das Merkmal „im selben Haushalt“ ist nur dann erfüllt, wenn die Verwandten sich mit der Führungsperson tatsächlich eine Wohnung oder ein Haus teilen, nicht aber, wenn sie im selben Haus verschiedene Wohnungen bewohnen3. Es muss eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft bestehen4. Ist der Verwandte im Haushalt der Führungsperson mit Erst- oder Zweitwohnsitz gemeldet, reicht dies aus5. Wurde die Meldung versäumt, kann dennoch eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft bestehen, denn der melderechtliche Wohnsitz ist keine zwingende Voraussetzung für § 15a WpHG. 51
Die Mitteilungspflicht trifft die Angehörigen selbst, nicht die Person mit Führungsaufgaben6 (und zwar selbst dann, wenn sie sich der Führungsperson als Vertreter bedienen). Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut von § 15a Abs. 1 Satz 2 WpHG, sondern findet auch in den Gesetzesmaterialien Ausdruck7. Die eigenständige Mitteilungspflicht für die Angehörigen ist rechtspolitischer Kritik ausgesetzt8. Da die Erfassung der Angehörigen nur dazu diene, Umgehungen durch die Person mit Führungsaufgaben zu verhindern, sollten von Angehörigen getätigte Transaktionen besser der Führungsperson zugerechnet werden, die diese dann zu melden habe. Für eine solche Lösung, die etwa in s. 328 des britischen Companies Act 1985 gewählt wurde9, spricht sicherlich der Umstand, dass die Führungsperson im Vergleich zu den Angehörigen regelmäßig die größere Professionalität und damit Rechtskunde besitzen dürfte. Die Angehörigen, die unabhängig von der Führungsperson Transaktionen tätigen, werden häufig keine Kenntnis von der Tatsache haben, dass sie einer Mitteilungspflicht unterliegen. Aber auch die Alternativlösung, wonach man die Transaktionen der Angehörigen der Führungsperson zurechnet, ist mit praktischen Schwierigkeiten verbunden. Diese muss überhaupt Kenntnis von den Transaktionen der Angehörigen erlangen. Ob die Alternativlösung daher letztlich der Gesetz gewordenen Lösung überlegen ist, erscheint zweifelhaft. Es hat daher Sinn, zunächst einmal Erfahrungen mit dem nun vorgeschriebenen Modell zu sammeln. Außerdem müsste man die im Moment auf nationaler Ebene geführte rechtspolitische Debatte auf die Gemeinschaftsebene verlagern, denn Art. 6 Abs. 4 der Marktmissbrauchsrichtlinie ordnet ebenfalls eine eigenständige Verpflichtung der Angehörigen zur Mitteilung an. Damit lässt sich die Alternativlösung nur über die Änderung der Marktmissbrauchsrichtlinie erreichen.
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Fraglich ist, ob die Führungspersonen eine (Mit-)Verantwortung dafür tragen, dass die mitteilungspflichtigen Angehörigen ihrer Meldepflicht nachkommen. Diese Frage ist insbesondere für die Bußgeldvorschriften von Bedeutung (dazu unten 1 Zur Wirkung der Volljährigenadoption statt vieler Maurer, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2008, § 1770 Rz. 2 ff. 2 Osterloh, Directors’ Dealings, S. 437 f. 3 Schwintek, Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 53; Erkens, Der Konzern 2005, 29 (33). 4 So auch BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 86. 5 Osterloh, Directors’ Dealings, S. 447. 6 Ebenso Fleischer, ZIP 2002, 1217 (1226); Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 42. 7 Bericht des Finanzausschusses vom 21.3.2002, BT-Drucks. 14/8601, S. 10. 8 Fleischer, ZIP 2002, 1217 (1226); Hutter/Leppert, NZG 2002, 649 (656); Letzel, BKR 2002, 862 (865). S. auch Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 109. 9 Dazu etwa Palmer’s Company Law, ed. by Morse, loose leaf, para. 8.710.
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Rz. 129 ff.). Ein Teil des Schrifttums sieht die Führungspersonen auf Grund der allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Organpflichten als verpflichtet an, organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die mitteilungspflichtigen Personen um die Meldepflicht wissen und dieser nachkommen1. Grundsätzlich ist es Aufgabe der betroffenen Personen selbst, sich um ihre öffentlich-rechtlichen Pflichten zu kümmern. Der Emittent trägt keine organisatorische Verantwortung für die Angehörigen seiner Führungspersonen. Die Angehörigen der Führungsperson oder gar von Angehörigen abhängige juristische Personen sind unternehmensfremd. Gesellschaftsrechtliche Pflichten des Emittenten oder seiner Organe bestehen gegenüber diesen Personen nicht. Auch aus dem Anstellungsvertrag wird man keine Fürsorge- oder Hinweispflichten des Unternehmens zugunsten der Angehörigen seiner Führungspersonen annehmen können. Vielmehr sind die Führungspersonen kraft ihrer familienrechtlichen Stellung zum Hinweis verpflichtet. Ehegatten und Lebenspartner schulden einander Beistand aus § 1353 BGB bzw. § 2 LPartG. Dieser umfasst entsprechende Hinweispflichten auf die Mitteilungspflicht aus § 15a WpHG2. Soweit es sich um die Mitteilungspflicht minderjähriger Kinder handelt, sind die Eltern kraft ihres Sorgerechts nach §§ 1626 Abs. 1, 1629 Abs. 1 BGB verpflichtet, die Belange des Kindes wahrzunehmen3. Die Führungsperson muss also darauf hinwirken, dass der andere Elternteil bei der Erfüllung der Mitteilungspflicht mitwirkt. Darüber hinaus trifft die Führungsperson keine Pflicht, andere volljährige Angehörige auf ihre kapitalmarktrechtlichen Pflichten hinzuweisen4. Ist die Führungsperson an einer Gesellschaft, juristischen Person oder Einrichtung beteiligt, die als „in enger Beziehung stehende Person“ nach § 15a Abs. 3 Satz 2 und 3 WpHG einzuordnen ist (dazu unten Rz. 53 ff.), kann sich aus dieser Beteiligung im Einzelfall eine eigenständige gesellschaftsrechtliche Hinweispflicht an diese Gesellschaft, juristische Person oder Einrichtung ergeben, dass diese mitteilungspflichtig ist. Um Umgehungen zu verhindern, erfasst der Tatbestand der „in enger Beziehung ste- 53 henden Personen“ auch in- und ausländische5 Gesellschaften, juristische Personen und sonstige Einrichtungen, die von der Person mit Führungsaufgaben oder deren Angehörigen im weitesten Sinne abhängig sind. Es ist zu begrüßen, dass die Durchführungsrichtlinie die Umgehungen ausdrücklich angesprochen hat und die nationalen Gesetzgeber damit verpflichtete, diese Frage zu normieren. Gerade § 15a WpHG a.F. hatte gezeigt, welche Schwierigkeiten es bereitet, wenn die Umgehungsfrage nicht deutlich geregelt ist6. Allerdings ist die gesetzliche Formulierung misslungen. § 15a Abs. 3 Satz 2 WpHG erfasst juristische Personen, bei denen die Führungspersonen oder die zu ihnen in enger Beziehung stehenden Personen Führungsaufgaben wahrnehmen (sog. Doppelmandate). Unter § 15a Abs. 3 Satz 3 WpHG fallen juristische Personen, Gesellschaften und Einrichtungen, die direkt oder indirekt von einer Führungsperson oder zu ihr in enger Beziehung stehenden Person kontrolliert werden, die zugunsten einer solchen Person gegründet wurden oder deren wirtschaftliche Interessen weitgehend denen einer solchen Person entsprechen. Die Formulierung wurde bereits einmal nachgebessert (s. oben Rz. 4). Diese Nachbesserung war nicht ausreichend. Man hätte die in Satz 2 enthaltene Formulierung durchaus auch noch in Satz 3 unterbringen können. Mit ihrem derzeitigen Wortlaut erweckt die 1 Klawitter, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 32 Rz. 120. 2 So jetzt auch Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 111. 3 So jetzt auch Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 111. 4 Ebenso Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 111. 5 Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 96. 6 Zu diesen Sethe 3. Aufl. des Kommentars § 15a Rz. 42 m.w.N.
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Norm den falschen Eindruck, die Übernahme von Führungsaufgaben sei nur bei juristischen Personen erfasst, nicht aber auch bei Gesellschaften und sonstigen Einrichtungen1. Das Gegenteil ist der Fall, wie Art. 1 Nr. 2 lit. d der Durchführungsrichtlinie zeigt2. Bei der Richtlinie ist es gelungen, alle Umgehungsmöglichkeiten in einem einzigen, klaren Satz zusammenzufassen, den der deutsche Gesetzgeber einfach nur hätte abschreiben müssen. Anhaltspunkte dafür, dass der deutsche Gesetzgeber die Richtlinie bewusst nicht umsetzen wollte, fehlen. Folglich ist von einem Redaktionsversehen auszugehen und Satz 2 ist richtlinienkonform auszulegen. 54
Mitteilungspflichtig sind juristische Personen, Gesellschaften und Einrichtungen, wenn sie – von einer Person mit Führungsaufgaben oder von einer in enger Beziehung zur Führungsperson stehenden (natürlichen) Person geleitet werden (§ 15a Abs. 3 Satz 2 WpHG), – wenn sie direkt oder indirekt von einer Person mit Führungsaufgaben oder von einer in enger Beziehung zur Führungsperson stehenden (natürlichen) Person kontrolliert werden (§ 15a Abs. 3 Satz 3 Var. 1 WpHG), – wenn sie zugunsten einer solchen Person gegründet wurden (§ 15a Abs. 3 Satz 3 Var. 2 WpHG) oder – wenn sich ihre wirtschaftlichen Interessen weitgehend mit denen einer Person mit Führungsaufgaben oder einer in enger Beziehung zur Führungsperson stehenden (natürlichen) Person decken (§ 15a Abs. 3 Satz 3 Var. 3 WpHG).
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Die weite gesetzliche Formulierung, wonach jede juristische Person mitteilungspflichtig ist, bei der die Führungsperson maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung ausüben kann, erfasst auch den Emittenten selbst, da die Führungsperson gerade diesen leitet. Der Tatbestand des § 15a WpHG enthält damit gleichsam einen „Zirkelschluss“, da nicht nur die Führungspersonen des Emittenten, sondern auch der die Directors’-Dealings-Pflichten auslösende Emittent selbst mitteilungspflichtig würde. Der Emittent würde als eine zum eigenen Vorstand „in enger Beziehung stehende Person“ eingeordnet und müsste dann Geschäfte in eigenen Aktien, Optionen etc. melden. Dies ist erkennbar nicht der Zweck der Zurechnungsnorm des § 15a Abs. 3 Satz 2 WpHG. Mit den Tatbestandsmerkmalen „juristische Person“ bzw. „Gesellschaft“ ist also ein anderes Unternehmen als der Emittent gemeint3. Der Emittent gilt also nie als eine in enger Beziehung stehene Person i.S. des § 15a Abs. 3 Satz 2 und 3 WpHG. Dies hat auch Konsequenzen für eine weitere Fallgestaltung. Ist die Person mit Führungsaufgaben nicht nur beim Emittenten (z.B. Vorstand), sondern gleichzeitig auch noch bei einem anderen Unternehmen Organmitglied (z.B. Auf-
1 So auch Escher-Weingart/Hannich, NZG 2005, 922 (923); Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 46. 2 Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 96. So im Ergebnis auch Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 46, 48, der allerdings darauf hinweist, dass der anknüpfende Bußgeldtatbestand in diesem Fall wegen Art. 103 Abs. 2 GG nicht eingreifen könne. Osterloh, Directors’ Dealings, S. 462 f., 484, lehnt dagegen wegen des Analogieverbots die richtlinienkonforme Auslegung ab und übersieht damit aber die Möglichkeit einer gespaltenen Auslegung (s. oben Rz. 29). A.A. auch Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 73, der unter Hinweis auf den anknüpfenden Bußgeldtatbestand und das Analogieverbot die Wortlautgrenze als maßgeblich ansieht. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 87; Schwintek, Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 54; Seibt/Bremkamp, AG 2008, 469 (475).
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sichtsratsmitglied), muss der Emittent die Wertpapiergeschäfte in Aktien des anderen Unternehmens nicht mitteilen1. Nimmt man diese Aufzählung wörtlich, gewinnt § 15a WpHG einen ungeheuer wei- 56 ten Anwendungsbereich. Ziel der Vorschrift war es, Umgehungen der Mitteilungspflicht zu verhindern. Es ist daher eine einschränkende Auslegung geboten, um den Anwendungsbereich auf das notwendige Maß zu begrenzen2. Um Kriterien für eine solche Auslegung zu gewinnen, kann man sich an dem Vorschlag von CESR orientieren, auf den die Regelung zurückgeht. Er hat folgenden Wortlaut: „Furthermore, all trusts, companies and other legal persons are subject to the disclosure requirements, if a person discharging managerial responsibilities within an issuer, or a person closely associated with him, has the power to manage its business or to materially influence its management decisions“3. Diese Stellungnahme macht deutlich, dass solche Gestaltungen erfasst sein sollten, in denen die Führungsperson oder ihre Angehörigen bei einer Gesellschaft oder einer sonstigen Einrichtung die Geschäftsführungsbefugnis zusteht, in denen sie die Entscheidungen dieser Gesellschaft oder Einrichtung maßgeblich beeinflussen oder sie wirtschaftliche Vorteile ziehen können. Es ist daher zu begrüßen, dass die BaFin den Tatbestand des § 15a Abs. 3 Satz 2 und 3 WpHG nicht wörtlich versteht, sondern zu seiner Einschränkung eine zweistufige Prüfung vornimmt4. Im ersten Schritt wird festgestellt, ob die Führungsperson oder die zu ihr in enger Beziehung stehende Person an der anderen juristischen Person, Gesellschaft oder Einrichtung derart beteiligt ist, dass sie die Möglichkeit hat, deren Entscheidungen zu beeinflussen oder wirtschaftliche Vorteile aus der Beteiligung zu ziehen. Dies bejaht die BaFin, wenn der Führungsperson oder einer ihr nahe stehenden natürlichen Person mindestens 50 % der Gesellschaftsanteile, der Stimmrechte oder der Gewinne zugerechnet werden können5. Nur in diesem Fall entfalten nämlich die Geschäfte der anderen juristischen Person, Gesellschaft oder Einrichtung die in § 15a WpHG vorausgesetzte Indikatorwirkung. Erst in einem zweiten Schritt wird dann geprüft, ob die Führungsperson oder die zu ihr in enger Beziehung stehende Person die andere juristischen Person, Gesellschaft oder Einrichtung leitet, diese direkt oder indirekt kontrolliert, diese zugunsten der Führungsperson oder der zu ihr in enger Beziehung stehenden Person gegründet wurde oder sich die wirtschaftlichen Interessen weitgehend mit denen einer Person mit Führungsaufgaben oder einer zu dieser in enger Beziehung stehenden Person decken. Im Folgenden werden die Einzelheiten zu diesem zweiten Schritt angesprochen: Andere, vom Emittenten verschiedene in- oder ausländische juristischen Personen, Gesellschaften (z.B. Personenhandelsgesellschaften oder Gesellschaften bürgerlichen Rechts) oder Einrichtungen (z.B. Stiftungen, Trusts) gelten als in enger Beziehung stehend, wenn sie von einer Person mit Führungsaufgaben oder deren Angehörigen 1 So noch ausdrücklich Entwurf des Emittentenleitfadens (Teil 2) vom 9.10.2008, S. 48 (www.bafin.de); in der endgültigen Fassung vom 28.4.2009 ist dieses Beispiel nicht mehr abgedruckt; Schwintek, Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 54. 2 Ebenso OLG Stuttgart v. 17.11.2010 – 20 U 2/10, Juris Rz. 698 (insoweit nicht abgedruckt in AG 2011, 93); BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 87; Schwintek, Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 54. 3 The Committee of European Securities Regulators, Advice on the Second Set of Level 2 Implementing Measures for the Market Abuse Directive (CESR/03-212c) vom August 2003, Rz. 44. 4 Zum Folgenden BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 87 f. Kritisch zu diesem Konzept Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 75, 82. 5 Zustimmend OLG Stuttgart v. 17.11.2010 – 20 U 2/10, Juris Rz. 699 (insoweit nicht abgedruckt in AG 2011, 93); kritisch dagegen Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 106.
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geleitet werden (§ 15a Abs. 3 Satz 2 WpHG), diese also die Stellung eines Organs im formellen oder materiellen Sinne innehat1. Der Tatbestand ist damit extrem weit, da Doppelmandate und zahlreiche Konzernstrukturen erfasst werden, bei denen eine Person zwar eine Führungsaufgabe wahrnimmt, aber keinen wirtschaftlichen Vorteil aus den Aktiengeschäften dieser Gesellschaften bzw. Einrichtungen zieht. Daher ist der Tatbestand deutlich zu großzügig formuliert und bedarf der in Rz. 56 beschriebenen einschränkenden Auslegung2. 58
Weiterhin erfasst ist die Konstellation, dass die Person mit Führungsaufgaben oder eine zu ihr in enger Beziehung stehende Person die in- oder ausländische juristische Person, Gesellschaft oder Einrichtung direkt oder indirekt kontrolliert. Ausreichend ist die bloße Möglichkeit der Kontrolle3. Als „in enger Beziehung stehende Personen“ kommen nur natürliche Personen in Betracht, wie die Klarstellung des Wortlauts von § 15a Abs. 3 Satz 3 WpHG ergibt. Eine solche Kontrolle wird über das Stimmrecht, über das Recht zur Entsendung/Abberufung von Organmitgliedern oder durch einen Beherrschungsvertrag ermöglicht4. Eine Kontrolle ist nur dann gegeben, wenn die Personen mit Führungsaufgaben oder deren Angehörige allein oder zusammen die Mehrheit der Stimmen der Mitgliederversammlung der juristischen Person, Gesellschaft oder Einrichtung kontrollieren. Da eine Vielzahl von Gestaltungen denkbar ist, in denen eine Person mit Führungsaufgaben oder ihre Familie über die Stimmrechte auf indirekte Weise verfügen kann, wird man mutatis mutandis auf die Zurechnungstatbestände des § 22 WpHG zurückgreifen müssen5. Gerade bei einer mehrstufigen Konstruktion ist letztlich entscheidend, ob die natürliche Person/die natürlichen Personen an der Spitze der Konstruktion die Kontrollmehrheit besitzen. Eine Ansicht im Schrifttum will statt dessen an die § 1 Abs. 8 KWG, § 290 HGB anknüpfen6. Dabei wird jedoch zum einen verkannt, dass auch § 22 WpHG an § 290 HGB anknüpft. Zum anderen muss berücksichtigt werden, dass die Vorschrift des § 22 WpHG – genau wie § 15a WpHG – gerade die anlassbezogene Publizität regelt und daher in ihrem Anwendungsbereich bewusst über die Konsolidierungsvorschrift des § 290 HGB hinausgeht.
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Weiterhin von § 15a Abs. 3 Satz 3 WpHG erfasst ist der Fall, dass eine juristischen Person, Gesellschaft oder Einrichtung zugunsten der Personen mit Führungsaufgaben oder einer ihr nahe stehenden Person gegründet wurde7. Dieser Fall wird häufig einhergehen mit der Innehabung einer Organstellung oder der Kontrolle der Stimmrechte, so dass es sich letztlich bei der Aufnahme dieser Gestaltung um eine Klarstellung handeln dürfte, um Umgehungen zu verhindern8.
1 Die Neufassung des § 15a Abs. 3 Satz 2 WpHG durch das Gesetz zur Neuordnung des Pfandbriefrechts (s. oben Rz. 4) hat den missverständlichen (dazu Erkens, Der Konzern 2005, 29 [34]) Begriff „Leitungsaufgaben“ durch den Begriff „Führungsaufgaben“ ersetzt und damit klargestellt, dass es sich um Organe im formellen und materiellen Sinne handelt. 2 Ebenso Erkens, Der Konzern 2005, 29 (34); Bode, AG 2008, 648 ff. 3 Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 102. 4 Schwintek, Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 55. 5 Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 103, will – wenn die von der Führungsperson kontrollierte Gesellschaft börsennotiert ist – auf § 29 WpÜG abstellen. 6 Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 80 f.; Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 101. 7 Zur Holdinggesellschaft als reziproker Familienpool Mutter, DStR 2007, 2013 ff. 8 Ebenso die Einschätzung von Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 104.
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Abschließend erwähnt ist schließlich die Konstellation, in der die Personen mit Führungsaufgaben oder deren Angehörige zwar keine irgendwie geartete Kontrolle über die juristische Person, Gesellschaft oder Einrichtung ausüben, ihnen aber die wirtschaftlichen Vorteile von Geschäften zugute kommen, die die juristische Person, Gesellschaft oder Einrichtung in Aktien des Emittenten tätigt. Beispiel hierfür sind Trusts, Stiftungen, die einen nennenswerten Teil der Erträge an die Familie der Führungsperson ausschütten, oder Spezial-Sondervermögen nach §§ 2 Abs. 3, 91 ff. InvG (zu natürlichen Personen als Treuhänder s. unten Rz. 92). Gemeinnützige Einrichtungen oder Gesellschaften sind dagegen ausgenommen, da die Führungsperson oder ihre Angehörigen keine wirtschaftlichen Vorteile ziehen können1.
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Die Übertragung der Aktien aus dem Privatvermögen der Führungsperson auf eine 61 ihr nahe stehenden Person oder auf eine Gesellschaft, juristische Person oder Einrichtung i.S. des § 15 Abs. 3 WpHG ist nicht meldepflichtig. Nach § 15a WpHG sollen nur Geschäfte gemeldet werden, bei denen sich der Meldepflichtige dauerhaft von den Aktien trennt oder diese nicht nur vorübergehend erwirbt (s. unten Rz. 77). Bei der vorliegenden Konstellation verlassen die Aktien aber die Vermögenssphäre der meldepflichtigen Person nicht (s. unten Rz. 95). d) Dritte Da der Katalog der mitteilungspflichtigen Personen abschließend ist, unterliegen 62 sonstige, in § 15a Abs. 2, 3 WpHG nicht genannte Personen keiner eigenständigen Meldepflicht, selbst wenn sie wirtschaftlich auf Rechnung der Person mit Führungsaufgaben oder seiner Angehörigen handeln (z.B. Treuhänder, Vermögensverwalter, s. unten Rz. 92)2. Die Mitteilungspflicht trifft in diesen Fällen immer nur die Person mit Führungsaufgaben selbst oder die mit ihr in enger Beziehung stehenden Personen. 3. Mitteilungspflichtige Geschäfte a) Aktien oder sich darauf beziehende Finanzinstrumente aa) Überblick Die Mitteilungspflicht wird ausgelöst, wenn eine der erfassten Personen eigene Ge- 63 schäfte mit Aktien des Emittenten oder sich darauf beziehenden Finanzinstrumenten (§ 2 Abs. 2b WpHG), insbesondere Derivaten (§ 2 Abs. 2 WpHG), vornimmt. Während der Diskussionsentwurf und der Regierungsentwurf zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz noch den Erwerb oder die Veräußerung sämtlicher Arten von Wertpapieren des Emittenten als mitteilungspflichtig ansahen3, beschränkte der Finanzausschuss die Art der meldepflichtigen Transaktionen auf Aktien, Wertpapiere mit Umtauschrecht in Aktien, Erwerbs- und Veräußerungsoptionen auf Aktien sowie Rechte, deren Preis vom Börsenpreis der Aktien des Emittenten abhängt. Der Finanzausschuss wollte mit dieser Einschränkung des Kreises meldepflichtiger Wertpapiergeschäfte eine Konzentration auf solche Wertpapierarten erreichen, die die 1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 87; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 50; Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 107; kritisch hierzu Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 15 Rz. 11. 2 Rundschreiben der BaFin vom 5.9.2002 zu den Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten gemäß § 15a WpHG, AZ – WA 22 – W 2320 – 1/2002; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 43. 3 DiskE, ZBB 2001, 398, 425, und RegE des 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 87.
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Entwicklung des Unternehmens unmittelbar widerspiegeln1. Gewöhnliche Schuldverschreibungen sind hierfür nur höchst selten geeignet2. An dieser einschränkenden Linie hält auch Art. 6 Abs. 4 der Marktmissbrauchsrichtlinie und damit § 15a WpHG i.d.F. des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes fest. 64
§ 15a Abs. 1 WpHG bezieht sich ausdrücklich nur auf Transaktionen in Aktien und sich darauf beziehenden Finanzinstrumenten des Emittenten, nicht aber auch auf Transaktionen in derartigen Papieren oder Rechten des Mutterunternehmens oder eines Schwester-, Tochter- oder Enkelunternehmens des Emittenten3. Dies ist rechtspolitisch sicherlich zu bedauern4, doch kann man diese bewusste Entscheidung des Gesetzgebers nicht durch eine Analogie oder den Hinweis auf eine Umgehung des § 15a Abs. 1 WpHG überwinden5. Denn angesichts der Vielzahl der in einem Konzern denkbaren Sachverhaltskonstellationen wird man schwerlich eine gemeinsame Analogiebasis finden. Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 15a Abs. 1 Satz 1 WpHG ist und bleibt Aufgabe des Gesetzgebers. bb) Aktien
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Erfasst sind zunächst Aktien des Emittenten. Es kommt nicht darauf an, um welche Aktiengattung es sich handelt. Auch wird nicht verlangt, dass gerade die Aktiengattung, die die Führungsperson erworben oder veräußert hat, zum Börsenhandel zugelassen ist6. Sind beispielsweise nur Stammaktien des Emittenten an der Börse zugelassen, ist eine Person mit Führungsaufgaben, die Vorzugsaktien ohne Stimmrecht veräußert, dennoch mitteilungspflichtig7. cc) Sich auf Aktien beziehende Finanzinstrumente
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Die Mitteilungspflicht wird weiterhin durch Transaktionen in solchen Finanzinstrumenten ausgelöst, die sich auf Aktien des Emittenten beziehen. Mit dieser Formulierung sind Finanzinstrumente gemeint, deren Preis unmittelbar oder mittelbar von dem der Aktien abhängt. Das Gesetz betont, dass insbesondere auch Derivate erfasst sind, also alle als Festgeschäfte oder Optionsgeschäfte ausgestalteten Termingeschäfte, deren Preis unmittelbar oder mittelbar vom Börsen- oder Marktpreis der Aktien des Emittenten abhängt (§ 2 Abs. 2 WpHG). Es spielt keine Rolle, ob der Emittent die sich auf seine Aktien beziehenden Finanzinstrumente selbst begeben hat oder ob sie von dritter Seite emittiert wurden8.
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Als sich unmittelbar auf Aktien beziehende Finanzinstrumente erfasst sind Rechte auf den Bezug von Aktien, also alle Wertpapiere und -rechte, bei denen Gläubigern 1 Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 20.3.2002, BT-Drucks. 14/8600, S. 67, sowie Bericht des Finanzausschusses vom 21.3.2002, BT-Drucks. 14/8601, S. 18 f. 2 Zu bedenken ist allerdings, dass sich Schuldverschreibungen für den Insiderhandel eignen und daher die Vorbeugefunktion des § 15a WpHG betroffen sein könnte, so offenbar auch Teilnehmer des ZHR-Symposions zum Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, vgl. Bitter, Diskussionsbericht, ZHR 167 (2003), 216 (221). 3 A.A. offenbar Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 53 a.E. 4 Ebenso Uwe H. Schneider, AG 2002, 473 (475 f.). 5 Uwe H. Schneider, AG 2002, 473 (475 f.). 6 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 88; Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 14.277. 7 So auch Süßmann, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, 2. Aufl. 2008, Teil 4 Kap. 3 T1 Rz. 6 (= S. 781). Anders offenbar Pluskat, DB 2005, 1097 (1099). 8 Letzel, BKR 2002, 862 (867); Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 15 Rz. 5 a.E.
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ein Umtauschrecht auf Aktien des Emittenten eingeräumt wird. Unter den Tatbestand zu subsumieren sind damit Wandelanleihen und Wandelgenussrechte, gleichgültig, ob sie vom Emittenten oder von einem Dritten ausgegeben werden1. Erfasst sind Optionsscheine, unabhängig davon, ob sie verbrieft sind, und unabhängig davon, ob der Optionsschein noch mit der Anleihe verbunden ist oder nicht2. Der Tatbestand erstreckt sich auf die Call- und die Put-Option. Es ist gleichgültig, ob die Option nur zum tatsächlichen Kauf bzw. Verkauf der Aktien (physical delivery) oder zum Bezug des Differenzbetrags berechtigt. Nicht erfasst werden dagegen reine Schuldverschreibungen3. Bei Genussrechten hängt die Anwendung des Tatbestands von ihrer Ausstattung ab. Aktienähnliche Genussrechte unterfallen der Bestimmung, da ihr Preis auf Grund ihrer aktienähnlichen Ausgestaltung zumindest mittelbar vom Preis der Aktien abhängt, während obligationsähnliche Genussrechte nicht erfasst sind. Unternehmen räumen ihrer Geschäftsleitung immer häufiger anstelle von Aktien- 68 optionsprogrammen schuldrechtliche Ansprüche auf den Gewinn ein, der mit der Ausübung einer Option („stock appreciation rights“) oder mit dem Verkauf von Aktien des Emittenten („phantom stock plans“) verbunden gewesen wäre4. Da es sich lediglich um schuldrechtliche Ansprüche handelt, wird diese Zusage gesellschaftsrechtlich als börsenbezogene Tantieme beurteilt5. Kapitalmarktrechtlich handelt es sich um Derivate i.S. des § 2 Abs. 2 WpHG6, d.h. um Kontrakte mit herausgeschobenem Erfüllungszeitpunkt, deren Börsen- und Marktpreis unmittelbar vom Preis der Aktien des Emittenten abhängt. Sie werden in bar ausgeglichen. Für die Bejahung eines Derivats ist eine Verbriefung keine zwingende Voraussetzung. Sie müssen auch nicht selbst börsennotiert sein; ausreichend ist, dass das underlying börsennotiert ist (§ 2 Abs. 2 WpHG). Deshalb fallen auch bloße schuldrechtliche Vereinbarungen unter den Derivatebe- 69 griff7, wie Art. 1 Nr. 3 Spiegelstrich 7 Marktmissbrauchsrichtlinie zeigt. Dennoch will sie ein Teil des Schrifttums ausnehmen. Die Argumentation ist dabei höchst unterschiedlich. Die BaFin meint, es handele sich nicht um Finanzinstrumente, be-
1 Bericht des Finanzausschusses vom 21.3.2002, BT-Drucks. 14/8601, S. 18; Fleischer, ZIP 2002, 1217 (1225); Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 30. 2 So bereits zu § 15a WpHG a.F. der Bericht des Finanzausschusses vom 21.3.2002, BTDrucks. 14/8601, S. 18 f.; Fleischer, ZIP 2002, 1217 (1225). 3 Ebenso Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 31; Osterloh, Directors’ Dealings, S. 169; Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 14.278. 4 Einzelheiten zu derartigen „phantom stock plans“ und „stock appreciation rights“ bei Baums, Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder, in: FS Claussen, 1997, S. 3, 6; Feddersen, Aktienoptionsprogramme für Führungskräfte aus kapitalmarktrechtlicher und steuerlicher Sicht, ZHR 161 (1997), 269 (285 f.); Hoffmann-Becking, Gestaltungsmöglichkeiten bei Anreizsystemen, NZG 1999, 797 (801); Holzborn, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 54 Rz. 13 ff.; Weiß, Aktienoptionspläne für Führungskräfte, 1999, S. 21, 57. 5 Hoffmann-Becking, NZG 1999, 797 (801); Uwe H. Schneider, BB 2002, 1817 (1821). 6 Oben Assmann, § 2 Rz. 40, § 12 Rz. 16. So auch noch ausdrücklich der Entwurf des Emittentenleitfadens vom 22.12.2004, S. 13, 67; im Ergebnis auch Schäfer, in: Marsch-Barner/ Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 15 Rz. 14 a.E.; Osterloh, Directors’ Dealings, S. 169. Der Leitfaden 2009, S. 29, nimmt sie ohne Begründung aus dem Kreis der Insiderpapiere aus; es handele sich nicht um Finanzinstrumente. So auch Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 37, und Kumpan, in: Schwark/Zimmer, § 2 WpHG Rz. 39. Offen gelassen bei Engelhart, AG 2009, 856 (859 Fn. 31). 7 Ausdrücklich Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 14.
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gründet dies aber nicht weiter1. Im selben Atemzug werden aber clickoptions als Derivate eingeordnet, bei denen es sich ebenfalls um außerbörslich vereinbarte Rechte handelt, die sich auf börsennotierte underlyings beziehen. Die Ansicht der BaFin ist daher widersprüchlich. Entscheidend ist, dass dem Inhaber der „stock appreciation rights“ und der „phantom stock plans“ das Recht auf Zahlung einer Geldsumme eingeräumt wird, wenn das underlying eine bestimmte Schwelle erreicht oder überschreitet. Eine andere Ansicht verneint den für Derivate notwendigen hinausgeschobenen Erfüllungszeitpunkt2, da lediglich eine Schuldverschreibung zurückgezahlt werde. Zum einen entspricht dies nicht der gängigen Ausgestaltung der „stock appreciation rights“ und „phantom stock plans“. Zum anderen wird übersehen, dass die Vorschrift des § 12 Satz 1 Nr. 3 WpHG dazu diente, Art. 9 Abs. 2 der Marktmissbrauchsrichtlinie umzusetzen, der wiederum Art. 1 Nr. 3 dieser Richtlinie in Bezug nimmt. Dort sind Kauf- und Verkaufsoptionen auf alle unter diese Kategorien fallenden Instrumente einschließlich gleichwertiger bar abgerechneter Instrumente erfasst. Dieser Tatbestand ist vorliegend gegeben, denn die Gesellschaft zahlt gerade die Kursdifferenz, die zwischen der Zuteilung der virtuellen Aktien und dem späteren Einlösungsstichtag entsteht (phantom stocks), oder bildet Optionsprogramme nach (stock appreciation rights), bei denen sich der Zahlungsanspruch an der Kursdifferenz zwischen dem festgelegten Ausgangskurs und dem späteren tatsächlichen Börsenkurs orientiert3. Eine weitere Ansicht stellt darauf ab, dass es sich bei den „stock appreciation rights“ und den „phantom stock plans“ um besondere Ausprägungen einer Tantiemevereinbarung handle4. Hiergegen ist einzuwenden, dass auch die „echten“ Optionen Teil der Entlohnung und damit tantiemeähnlich sind. Für die Qualifikation als Finanzinstrument kommt es nicht darauf an, warum ein Recht eingeräumt wird, sondern nur auf dessen inhaltliche Ausgestaltung. Dies zeigt sich gerade auch daran, dass § 15a WpHG strikt die Frage des Anwendungsbereichs und der Ausnahme für arbeitsrechtliche Gestaltungen getrennt hatte (s. unten Rz. 83 f.). Wieder andere meinen, mangels Einwirkungspotential auf die geschützte Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes seien „stock appreciation rights“ und „phantom stock plans“ insiderrechtlich unproblematisch und daher nicht vom Begriff des Insiderpapieres erfasst5. Gerade die Einführung von § 12 Satz 1 Nr. 3 WpHG diente jedoch dazu, auch solche Gestaltungen zu erfassen, in denen der durch Insiderinformationen erlangte Wissensvorsprung über schuldrechtliche Gestaltungen gewinnbringend genutzt wird6. Im Übrigen verkennt diese Ansicht, dass es bei § 15a WpHG nicht auf Insiderpapiere ankommt, sondern die Norm an § 2b WpHG anknüpft. „Stock appreciation rights“ und „phantom stock plans“ unterfallen daher grundsätzlich § 15a 1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 29; ebenso Assmann 4. Aufl. des Kommentars § 12 Rz. 16; Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 134; Riedl, Transparenz, S. 49; auch noch Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, 2. Aufl. 2007, § 12 WpHG Rz. 4, § 15a WpHG Rz. 4 Fn. 23 (in der aktuellen Auflage wird diese Frage nicht mehr separat angesprochen, sondern allein die Frage nach der Ausnahme für den Erwerb auf arbeitsvertraglicher Basis). 2 Klasen, AG 2006, 24 (28). 3 Holzborn, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 54 Rz. 13. 4 Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.91 ff., 13.370. Ebenso Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 2 WpHG Rz. 18, § 14 WpHG Rz. 14, der sich auf den Emittentenleitfaden stützt, der seinerseits aber – wie dargelegt – gerade eine andere Begründung liefert. 5 Hagen-Eck/Wirsch, DB 2007, 504; Klasen, AG 2006, 24 (28); von Dryander/Schröder, WM 2007, 534 (535 f.). Ebenso Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729 (730) (allerdings mit der wichtigen Einschränkung, dass die Zuteilung und Ausübung der Rechte vorab festgelegt sein müssten). Im Ergebnis auch noch Casper, WM 1999, 363 (369 f.), unter zutreffendem Hinweis auf die damals andere Rechtslage, wonach das Derivat zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sein musste (§ 12 Abs. 2 Satz 1 a.E. WpHG). 6 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 33; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 29.
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Abs. 1 WpHG1; werden sie auf arbeitsvertraglicher Grundlage gewährt, greift die unten Rz. 84 geschilderte Ausnahme ein. Bei der Bestimmung des Kreises der sich mittelbar auf Aktien beziehenden Finanz- 70 instrumente geht die BaFin zu Recht davon aus, dass nur solche Finanzinstrumente gemeint sein können, deren Preis überwiegend von dem der Aktien des Emittenten abhängt2. Aktienanleihen fallen damit unter den Tatbestand3, denn deren Kurs hängt von dem der Aktie ab, da der Emittent am Ende der Laufzeit wählen kann, ob er den Nominalbetrag plus Zinsen oder eine zuvor festgelegte Zahl von Aktien plus Zinsen ausbezahlt. Die BaFin will Baskets erfassen, wenn der Anteil der Aktien des Emittenten die Grenze von 50 % überschreitet4. Bei Finanzinstrumenten, deren Bezug auf die Aktien des Emittenten variieren kann, kommt es auf den Zeitpunkt der Transaktion an. Nicht erfasst sind dagegen Investmentanteile5, selbst wenn die Kapitalanlagegesellschaft in Aktien des Emittenten investiert, da auf Grund der gesetzlich vorgeschriebenen Diversifikation kein Einzelwert im Fonds die 50 %-Grenze erreichen wird. Aus den gleichen Überlegungen, die für Investmentanteile gelten, sind auch Indexprodukte nicht erfasst6. Gegen die von der BaFin bejahte Unterscheidung zwischen Finanzinstrumenten, die sich unmittelbar auf die Aktien des Emittenten beziehen, und solchen, die sich nur mittelbar darauf beziehen (also unter der 50 %-Schwelle liegen), wendet sich ein Teil des Schrifttums mit dem Argument, eine solche Grenze finde keinerlei Anhaltspunkt in den einschlägigen Richtlinien7. Zum einen ist diese Ansicht in sich widersprüchlich, denn sie bejaht ohne Weiteres, dass Baskets und Indexzertifikate aus dem Anwendungsbereich fallen, wenn die Aktien im Basket bzw. Index kein „erhebliches Gewicht“ haben; es fehle ein „Bezug zu den Aktien“. Damit nimmt diese Ansicht faktisch auch eine Unterscheidung zwischen Finanzinstrumenten mit und ohne unmittelbarem Bezug zu den Aktien des Emittenten vor. Zum anderen vermag diese Ansicht nicht zu erklären, wie man den an sich uferlosen Anwendungsbereich des Tatbestandsmerkmals „sich darauf beziehenden Finanzinstrumenten“ anders eingrenzen kann. b) Begriff des eigenen Geschäfts aa) Schuldrechtliches oder dingliches Geschäft Die Mitteilungspflicht wird ausgelöst, sobald eine der erfassten Personen eigene Geschäfte mit Aktien des Emittenten oder sich darauf beziehenden Finanzinstrumen-
1 Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 30; Osterloh, Directors’ Dealings, S. 169; auch noch Fischer zu Cramburg, in: Heidel, Anwaltkommentar Aktienrecht, 1. Aufl. 2003, § 15a WpHG Rz. 3. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 88 f. 3 Osterloh, Directors’ Dealings, S. 169. Bei § 15a Abs. 1 WpHG a.F. verneinte Zimmer, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 15 WpHG Rz. 15, die Anwendbarkeit; a.A. Uwe H. Schneider, BB 2002, 1817 (1818); Fischer zu Cramburg/Hannich, Directors’ Dealings, S. 28. Keine Stellungnahme zu Aktienanleihen bei Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 31 und Fn. 61. 4 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 89. 5 So bereits zu § 15a WpHG a.F. das Rundschreiben der BaFin vom 5.9.2002 zu den Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten gemäß § 15a WpHG, AZ – WA 22 – W 2320 – 1/2002. 6 So jetzt auch Osterloh, Directors’ Dealings, S. 170; Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 37. 7 Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 38.
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ten, insbesondere Derivaten1, vornimmt. Der Zweck der Vorschrift spricht dafür, bereits das schuldrechtliche Geschäft2 und nicht erst die dingliche Erfüllung als maßgeblichen Zeitpunkt anzusehen3. Denn ihr Ziel ist die Erhöhung der Markttransparenz. An sich wäre bereits die ernsthafte Absicht einer Veräußerung oder eines Erwerbs von Finanzinstrumenten eine für den Markt wichtige Information. Da gegen eine pre-trading disclosure erhebliche Bedenken bestehen (s. oben Rz. 17), kommt als nächstmöglicher geeigneter Anknüpfungszeitpunkt nur die Vornahme des schuldrechtlichen Geschäfts in Betracht. Ein Abstellen auf die dingliche Erfüllung kommt dagegen zur Erreichung größtmöglicher Markttransparenz zu spät, wenn schuldrechtliches und dingliches Geschäft gestreckt sind. Eine solche Streckung stellt im Bereich des Effektenkommissionsgeschäfts jedoch gerade den Regelfall dar4. Außerdem wäre eine Umgehung der Mitteilungspflicht dadurch möglich, dass die Erfüllung des Wertpapiergeschäfts auf den Zeitpunkt des Ausscheidens der Führungsperson aus dem Amt vereinbart wird5. Weiteres Ziel der Vorschrift ist die Verhinderung von Insidergeschäften. Die Verwertung dieses Wissens erfolgt jedoch bereits mit dem schuldrechtlichen Geschäft, nicht erst mit dem dinglichen Übertragungsakt6. Schließlich ist der Fall zu bedenken, dass die Person mit Führungsaufgaben Transaktionen mit inländischen Wertpapieren des Emittenten im Ausland vornimmt und nicht Eigentümer der Wertpapiere wird, sondern lediglich einen Übereignungsanspruch erwirbt (Nr. 12 Abs. 3 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte). Nur bei Maßgeblichkeit des schuldrechtlichen Geschäfts wird eine Umgehung der Mitteilungspflicht durch Verlagerung der Directors’ Dealings ins Ausland verhindert7; würde man nämlich auf das dingliche Geschäft abstellen, könnte die Führungsperson sich stets darauf berufen, sie habe an der ausländischen Börse lediglich einen Übereignungsanspruch erworben oder veräußert. Schließlich ist ein Abstellen auf das schuldrechtliche und nicht das dingliche Geschäft auch auf Grund der Marktmissbrauchsrichtlinie geboten. Da die meisten Mitgliedstaaten kein Abstraktions- und Trennungsprinzip kennen, ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 15a Abs. 1 Satz 1 WpHG, dass der Erwerbsvorgang mit dem Abschluss des schuldrechtlichen Geschäfts vorliegt. Die gegenteilige Auslegung hätte zur Folge, dass die Mitteilungspflicht innerhalb der Gemeinschaft zu unterschiedlichen Zeitpunkten ausgelöst würde. Damit aber wäre das mit der Marktmissbrauchsrichtlinie verfolgte Ziel einer Harmonisierung dieses Bereichs gerade verfehlt und eine frühzeitige Information des Marktes verhindert.
1 Sehr aufschlussreich ist der Aufsatz von Ryser/Weber, Hedging durch Spitzenkräfte aus börsen- und aktienrechtlicher Sicht, GesKR 2010, 296 ff., der beschreibt, wie Spitzenkräfte sich bei aufgeschobenen, aktienbasierten Vergütungen mittels (privater) Hedging-Transaktionen der Aktienkursrisiken entledigen, die mit diesen Vergütungsinstrumenten verbunden sind. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 89. Ebenso von Buttlar, BB 2003, 2133 (2137); Erkens, Der Konzern 2005, 29 (35); Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 15a WpHG Rz. 4; Pluskat, Finanz-Betrieb 2004, 219 (221); Pluskat, DB 2005, 1097 (1099); Uwe H. Schneider, AG 2002, 473 (474); Uwe H. Schneider, BB 2002, 1817 (1818 f.); Zimmer/Osterloh, in: Schwark/ Zimmer, § 15 WpHG Rz. 39. 3 So aber wohl Fleischer, ZIP 2002, 1217 (1226). 4 Zu den Einzelheiten der Erfüllung eines Kommissionsgeschäfts Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 4.45 ff. 5 Hierauf weist Uwe H. Schneider, AG 2002, 473 (474), zu Recht hin. 6 Uwe H. Schneider, BB 2002, 1817 (1819). 7 Ebenso Uwe H. Schneider, BB 2002, 1817 (1819).
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bb) Verpflichtung zu Doppelmitteilungen? Da die Mitteilungspflicht das schuldrechtliche Geschäft betrifft, muss das nachfolgende dingliche Geschäft nicht nochmals gemeldet werden, selbst wenn es dem schuldrechtlichen Geschäft zeitlich nicht unmittelbar nachfolgt1.
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Für den Fall, dass der schuldrechtliche Anspruch aufschiebend bedingt ist, wird die 73 Ansicht vertreten, dass die Mitteilungspflicht erst zu dem Zeitpunkt ausgelöst werde, zu dem die Bedingung eintritt2. Diese Ansicht würde dazu führen, dass es für die Mitteilung nicht mehr auf den Zeitpunkt des Kauf- oder Verkaufsentschlusses der Person mit Führungsaufgaben ankommt, sondern auf den zufälligen Eintritt der Bedingung. Der Informationswert für den Markt wäre deutlich geringer als bei der Mitteilung des vorangegangenen Geschäftsabschlusses, von dem die eigentliche Indikatorwirkung ausgeht. Zudem hätte es die Führungsperson bei der Vereinbarung von Potestativbedingungen in der Hand, die Mitteilungspflicht nach seinem Belieben hinauszuschieben. Daher ist bereits der unter einer aufschiebenden Bedingung stehende Geschäftsabschluss mitzuteilen3. Der Eintritt der aufschiebenden Bedingung ist nicht mehr mitteilungspflichtig. Ist ein Wertpapierkauf auflösend bedingt, kommt der spätere Eintritt der Bedingung einem Wiederverkauf gleich. Handelt es sich um einen Wertpapierverkauf, wirkt die Bedingung wie ein erneuter Kauf. Für den Fall, dass es sich um eine Potestativbedingung handelt, wird man eine Mitteilungspflicht annehmen müssen. Denn das Auslösen der Bedingung durch die Person mit Führungsaufgaben entfaltet die gleiche Indikatorwirkung wie ein Geschäftsabschluss. Daher ist sowohl der Geschäftsabschluss als auch der spätere Eintritt der Potestativbedingung mitteilungspflichtig. Bei anderen als Potestativbedingungen ist dagegen nur der Geschäftsabschluss selbst mitteilungspflichtig4.
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Die für bedingte Rechtsgeschäfte geltenden Erwägungen lassen sich auch bei der Beantwortung der Frage heranziehen, ob die Rückabwicklung einer Transaktion auf Grund von Leistungsstörungen mitteilungspflichtig ist. Hat die Führungsperson die Leistungsstörung vorsätzlich zu vertreten, hängt die Rückabwicklung des Geschäfts faktisch von ihrem Willen ab. Zwar wird bei Transaktionen einer Führungsperson von Leistungsstörungen keinerlei Indikatorwirkung in Bezug auf den Emittenten ausgehen. Jedoch lässt sich durch eine vorsätzlich herbeigeführte Leistungsstörung eine der auflösenden Potestativbedingung vergleichbare Situation herbeiführen5. Man wird also in dieser zugegebenermaßen recht konstruiert wirkenden Fallgestaltung verlangen müssen, dass die Rückabwicklung mitgeteilt wird, um Umgehungen
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1 Ebenso Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 52; Osterloh, Directors’ Dealings, S. 171; differenzierend Erkens, Der Konzern 2005, 29 (35). 2 Uwe H. Schneider, BB 2002, 1817 (1819); Engelhart, AG 2009, 856 (858 f.). 3 Teilweise a.A. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 102; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 54; Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 40, die nur bei Potestativbedingungen eine sofortige Meldepflicht bejahen und sonst auf den Bedingungseintritt abstellen. A.A. auch Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 120, der Geschäftsabschluss und Bedingungseintritt für meldepflichtig hält. 4 Nach Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 54 ist nur bei Eintritt der auflösenden Bedingung zu melden. Weiter BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 102 sowie Engelhart, AG 2009, 856 (859) und Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 40, wonach sowohl die Vornahme auflösend bedingter Geschäfte als auch der Bedingungseintritt zu melden seien; wie sich dies mit der Indikatorfunktion, also dem Zweck der Norm, verträgt, bleibt allerdings offen. 5 Ebenso jetzt Engelhart, AG 2009, 856 (858 Fn. 28).
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des § 15a Abs. 1 Satz 1 WpHG zu verhindern. In der Praxis dürfte es allerdings sehr schwierig sein, eine derartige Situation zu beweisen. In allen anderen Fällen der Leistungsstörung ist die Rückabwicklung dagegen nicht mitteilungspflichtig, da von ihr keine Indikatorwirkung in Bezug auf den Emittenten ausgeht. 76
Erwirbt eine Person mit Führungsaufgaben (ohne dass es sich um Vergütungsbestandteile handelt, dazu unten Rz. 83 f.) Wandelanleihen oder Optionsscheine, ist sowohl der Erwerb dieser Finanzinstrumente als auch die spätere Ausübung des Umtausch- bzw. Bezugsrechts mitteilungspflichtig1. cc) Art der schuldrechtlichen Geschäfte
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Von der Mitteilungspflicht erfasst sind „eigene Geschäfte“ in Aktien und sich darauf beziehenden Finanzinstrumenten. Art. 6 Abs. 4 der Marktmissbrauchsrichtlinie will mit der Formulierung „Eigengeschäfte“ sämtliche auf eigener Initiative beruhende Geschäfte der Personen mit Führungsaufgaben erfassen, um die notwendige Markttransparenz zu erreichen und um Umgehungen zu verhindern. Gemeint ist jeder schuldrechtliche Vertrag, der darauf abzielt, die Finanzinstrumente nicht nur vorübergehend an einen anderen Inhaber zu übertragen. Weiterhin verlangt Art. 6 Abs. 1 der Durchführungsrichtlinie, dass es sich um Geschäfte auf eigene Rechnung der erfassten Personen handelt. Damit wird klargestellt, dass es nicht darauf ankommen kann, wer handelt, sondern für wen gehandelt wird.
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Als eigenes Geschäft gilt der Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten. Dabei ist unerheblich, ob das Geschäft börslich oder außerbörslich, im In- oder Ausland erfolgt2. Unerheblich ist auch, ob es auf dem Primärmarkt erfolgt (Zuteilung neuer Aktien aufgrund der Zeichnung durch eine Führungsperson)3 oder über den Sekundärmarkt abgewickelt wird. Umstritten ist, ob der Tatbestand auch Schenkungen einbezieht. Ein Teil des Schrifttums will Schenkungen generell aus dem Anwendungsbereich der Norm ausnehmen, da von ihnen keine Indikatorfunktion ausgehe und sie nicht auf einem aktiven Verhalten der Führungsperson beruhten4. Ihren Standpunkt untermauert diese Ansicht mit einem Hinweis darauf, dass auch die EUKommission Zweifel gehabt habe, ob Schenkungen von der Marktmissbrauchsrichtlinie erfasst seien5. Der Standpunkt, Schenkungen unterfielen nicht § 15a WpHG, er1 Osterloh, Directors’ Dealings, S. 172. Ebenso in Bezug auf die Wandelanleihe Uwe H. Schneider, BB 2002, 1817 (1819). 2 Art. 9 Abs. 1 Marktmissbrauchsrichtlinie; Rundschreiben der BaFin vom 5.9.2002 zu den Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten gemäß § 15a WpHG, AZ – WA 22 – W 2320 – 1/2002; von Buttlar, BB 2003, 2133 (2136); Fischer zu Cramburg/Hannich, Directors’ Dealings, S. 29; Osterloh, Directors’ Dealings, S. 177 f.; Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 42; Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 121. 3 Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 122; Riedl, Transparenz, S. 51. 4 von Buttlar, BB 2003, 2133 (2137); Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 15a WpHG Rz. 4; Erkens, Der Konzern 2005, 29 (35); Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.370; Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 14.279; Pfüller, in: Habersack/ Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 30; Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 125 ff.; Pluskat, Finanz-Betrieb 2004, 219 (221); Pluskat, BKR 2004, 467 (471); Pluskat, DB 2005, 1097 (1099 f.); Schwintek, Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 55 f.; offen Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 15 Rz. 13. 5 Vgl. die Wiedergabe des Standpunkts der Kommission bei The Committee of European Securities Regulators, Results of CESR’s Public Consultation on the Level 2 Consultation Paper on Possible Implementing Measures of the future Market Abuse Directive (CESR/03-232) vom 18.7.2003 sowie Implementing Measures for Market Abuse Directive – Feedback Statement (CESR/03-213b) vom August 2003, Rz. 80; The Committee of Euro-
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weist sich als nicht überzeugend. Im Gegensatz zu § 15a WpHG a.F.1 ist der Wortlaut auf sämtliche „eigenen Geschäfte“ erweitert worden. Auch Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Durchführungsrichtlinie erfasst „sämtliche von ihnen getätigte Geschäfte auf eigene Rechnung“. Schon der Wortlaut ist also ein starkes Indiz für eine weite Auslegung. Zwar wird man argumentieren können, dass kaum eine Führungsperson wertvolle Aktien verschenken werde. Wenn überhaupt dürfte eine Schenkung innerhalb der Familie erfolgen, etwa bei einer vorweggenommenen Erbfolge. Sicherlich kann auch eine vorweggenommene Erbfolge für den Markt eine wichtige Information darstellen. Wenn beispielsweise eine Führungsperson ihren Nachlass dergestalt regelt, dass sie ein wesentliches Aktienpaket in eine Stiftung einbringt, gibt sie damit gerade ihr Vertrauen in die Zukunft des Unternehmens zum Ausdruck. Zudem erfährt der Markt, dass dieses Paket aller Voraussicht nach künftig nicht mehr gehandelt werden wird. Die Einbringung in eine Stiftung kann ein stabilisierendes Element für die Zukunft eines Unternehmens sein. Diese Argumente betreffen jedoch nur Aktienpakete von gewisser Größe. In diesem Bereich gewährleisten bereits die §§ 21 ff. WpHG eine ausreichende Information des Marktes. Kleinere Schenkungen entfalten im Hinblick auf die Situation des Emittenten keine Indikatorfunktion. Der Umstand, dass eine Person mit Führungsaufgaben Finanzinstrumente (im Umfang unterhalb der Schwelle des § 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG) verschenkt, stellt daher keine für die Markttransparenz wichtige Information dar2. Würde man allein diese Argumente berücksichtigen, wäre der Standpunkt der Gegenansicht überzeugend. Entscheidend ist jedoch der Aspekt der Effektivität der Vorschrift in ihrer Vorbeuge- 79 funktion gegen Insiderhandel (s. oben Rz. 14). Nur wenn jede Form der Weggabe unter den Tatbestand fällt, werden Umgehungen des § 15a WpHG erschwert. Andernfalls könnten eine Führungsperson oder deren Angehörige einen Verkauf dadurch tarnen, dass sie ein Aktienpaket einer eng befreundeten Person zukommen lassen und diese es unmittelbar darauf veräußert. Da der Beweis einer subjektiven Umgehungsabsicht bei Schenkungen nur äußerst schwer zu führen sein wird, muss daher auch die Schenkung selbst mitteilungspflichtig sein, weil der Wechsel der Wertpapiere aus dem Depot der Führungsperson in ein anderes Depot ohne weiteres beweisbar ist. Auch der Erwerb von Aktien des Emittenten ließe sich über eine Schenkung „tarnen“3. Die Gegenansicht beruft sich zu Unrecht auf die Entstehungsgeschichte, die im Gegenteil den hier vertretenen Standpunkt stützt. Die EU-Kommission hatte gerade nur im Hinblick auf die Annahme von Schenkungen Bedenken, nicht aber auch
pean Securities Regulators, Advice on the Second Set of Level 2 Implementing Measures for the Market Abuse Directive (CESR/03-212c) vom August 2003, Rz. 38. 1 Für die Einbeziehung von Schenkungen in den Tatbestand von § 15a WpHG a.F. Posegga, BKR 2002, 697 (698); Süßmann, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, 1. Aufl. 2004, S. 667 f. Rz. 29; Sethe 3. Aufl. des Kommentars § 15a Rz. 51; wohl auch Fleischer, ZIP 2002, 1217 (1226); a.A. Rundschreiben der BaFin vom 5.9.2002 zu den Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten gemäß § 15a WpHG, AZ – WA 22 – W 2320 – 1/2002; Fischer zu Cramburg/Hannich, Directors’ Dealings, S. 29 f.; Fischer zu Cramburg, in: Heidel, Anwaltkommentar Aktienrecht, 1. Aufl. 2003, § 15a WpHG Rz. 4; Uwe H. Schneider, AG 2002, 473 (474); Uwe H. Schneider, BB 2002, 1817 (1819); Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, 2. Aufl. 2005, Rz. 1247; Zimmer, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 15a WpHG Rz. 32. 2 Uwe H. Schneider, BB 2002, 1817 (1819). 3 Wenn von Buttlar, BB 2003, 2133 (2137), darauf hinweist, dass das Insiderhandelsverbot Schenkungen nicht erfasse und daher auch die Vorbeugefunktion des § 15a WpHG nicht benötigt werde, überzeugt dies nicht, denn der geschilderte Umgehungssachverhalt ist ein Erwerb.
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in Bezug auf die Weggabe von Finanzinstrumenten im Wege der Schenkung1. Diese sollte gerade erfasst sein. Die Mehrheit der Mitglieder von CESR teilte die Bedenken der Kommission nicht und wollte Schenkungen generell erfassen2. In den nachfolgenden Beratungen tauchte dieser Meinungsunterschied – soweit ersichtlich – nicht mehr auf. Vielmehr blieb es bei dem weiten Wortlaut. Maßgebend für die Auslegung ist daher zum einen der Zweck einer Vorbeugung des Insiderhandels, und zum anderen der Umstand, dass Angehörige als Mitteilungspflichtige erfasst werden. Dies belegt, dass die EU-Kommission und der deutsche Gesetzgeber Umgehungen möglichst weitgehend verhindern wollten. Daher ist eine weite Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Geschäfte“ geboten. Es meint auf jedes gewillkürte Geschäft, das auf eine nicht lediglich vorübergehende Übertragung der Wertpapiere zielt, mithin also auch auf die Annahme oder Weggabe der Finanzinstrumente im Wege der Schenkung (zur Ausnahme für Schenkungen innerhalb des Kreises der von § 15a Abs. 3 WpHG erfassten Personen s. unten Rz. 95)3. Eine Differenzierung danach, ob die Führungsperson der Schenker (dann Meldepflicht) oder der Beschenkter (dann keine Meldepflicht) ist4, überzeugt nicht. Die Annahme einer Schenkung kann eine Umgehung eines Wertpapierkaufs sein und sie entfaltet zudem auch eine Indikatorfunktion5. Während der Entwurf des Emittentenleitfadens Schenkungen noch als „eigenes Geschäft“ definierte6, sieht seine endgültige Version die Schenkung nicht mehr als von § 15a Abs. 1 WpHG erfasst an7 (zur Kritik an diesem Vorgehen s. auch unten Rz. 95). 80
§ 15a WpHG erfasst nur gewillkürte Vorgänge, nicht aber auch einen Erwerb von Gesetzes wegen oder durch Hoheitsakt. Geht also beispielsweise ein Aktienpaket im Wege der Universalsukzession nach §§ 1922 Abs. 1, 1942 Abs. 1 BGB über, ist dies nicht mitteilungspflichtig8. 1 Vgl. die Wiedergabe des Standpunkts der Kommission bei The Committee of European Securities Regulators, Results of CESR’s Public Consultation on the Level 2 Consultation Paper on Possible Implementing Measures of the future Market Abuse Directive (CESR/03-232) vom 18.7.2003 sowie Implementing Measures for Market Abuse Directive – Feedback Statement (CESR/03-213b) vom August 2003, Rz. 80; The Committee of European Securities Regulators, Advice on the Second Set of Level 2 Implementing Measures for the Market Abuse Directive (CESR/03-212c) vom August 2003, Rz. 38. Pluskat, DB 2005, 1097 (1099 f.) übersieht, dass die Führungsperson auch selbst Schenker sein kann. 2 The Committee of European Securities Regulators, Advice on the Second Set of Level 2 Implementing Measures for the Market Abuse Directive (CESR/03-212c) vom August 2003, Rz. 39. 3 Ebenso Engelhart, AG 2009, 856 (865 f.); Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 55; Mutter, DStR 2007, 2013 f.; Osterloh, Directors’ Dealings, S. 175 ff.; Pavlova, S. 178; Süßmann, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, Teil 4 Kap. 3 T1 Rz. 7 (= S. 781); Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 47. Dabei spielt die Größe des Geschäfts keine Rolle; insoweit missversteht Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 55 Fn. 109, den hier vertretenen Standpunkt. 4 So die Überlegungen von Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 126 f., die er dann aber auch verwirft. 5 Im Ergebnis auch Engelhart, AG 2009, 856 (866). 6 Entwurf des Emittentenleitfadens vom 22.12.2004, S. 67. 7 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 89. 8 Wiedergabe des Standpunkts der Kommission bei The Committee of European Securities Regulators, Results of CESR’s Public Consultation on the Level 2 Consultation Paper on Possible Implementing Measures of the future Market Abuse Directive (CESR/03-232) vom 18.7.2003 sowie Implementing Measures for Market Abuse Directive – Feedback Statement (CESR/03-213b) vom August 2003, Rz. 80; The Committee of European Securities Regulators, Advice on the Second Set of Level 2 Implementing Measures for the Market Abuse Directive (CESR/03-212c) vom August 2003, Rz. 38; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 89; Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 15 Rz. 13;
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Nicht erfasst werden auch bloß vorübergehende Überlassungen ohne eine Möglichkeit 81 der Gewinnrealisierung. Verpfändet oder sicherungsübereignet ein Dritter Wertpapiere des Emittenten an eine Führungsperson, ist dieser Vorgang nicht mitteilungspflichtig, da eine Verwertung des Pfandes erst nach Eintritt des Sicherungsfalles erfolgen kann und damit keinerlei Indikatorwirkung im Hinblick auf den Emittenten entfaltet1. Die Verwertung der Sicherheit durch die Führungsperson muss daher ebenfalls nicht gemeldet werden2. Auch der umgekehrte Fall einer Verpfändung oder Sicherungsübereignung von Wertpapieren durch die Führungsperson an einen Dritten wird von § 15a Abs. 1 Satz 1 WpHG nicht erfasst, da die Verpfändung keinerlei Gewinnrealisierung ermöglicht3. Die Verwertung der Sicherheit durch den Dritten muss daher ebenfalls nicht gemeldet werden4. Um Umgehungen auszuschließen, muss auch hier verlangt werden, dass die vorübergehende Natur der Überlassung nicht lediglich fingiert ist. Nimmt beispielsweise eine Führungsperson einen Kredit auf und verpfändet Finanzinstrumente in der dem anderen bekannten Absicht, die gesicherte Forderung von vornherein nicht zu erfüllen, um den Sicherungsfall auszulösen, handelt es sich wirtschaftlich betrachtet um die Veräußerung der Finanzinstrumente an den Vertragspartner5. Denn diesem wird durch das absichtliche Herbeiführen des Sicherungsfalles die Verwertung der Finanzinstrumente ermöglicht. Die Führungsperson behält als Gegenleistung für diese Finanzinstrumente die Kreditsumme. In der Praxis wird die Schwierigkeit in der Beweisbarkeit der Vorgänge bestehen6. Wertpapierpensionsgeschäfte, Repo-Geschäfte oder Wertpapierleihen stellen keine 82 lediglich vorübergehenden Überlassungen dar, denn der Pensionsnehmer bzw. der Entleiher erwirbt die Wertpapiere und gewährt später andere Wertpapiere gleicher Art und Menge zurück7. Daher ordnet die Bundesanstalt Pensionsgeschäfte und Wertpapierleihen zu Recht als „eigene Geschäfte“ i.S. des § 15a Abs. 1 Satz 1 WpHG ein8. Die Rückübertragung nach beendeter Wertpapierleihe ist nicht mitteilungspflichtig9. Ein Teil des Schrifttums10 verneint die Meldepflicht bei Wertpapierdarle-
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Uwe H. Schneider, AG 2002, 473 (474); Schwintek, Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 55; anders offenbar Fleischer, ZIP 2002, 1217 (1227), der eine Überprüfung darauf anregt, ob de lege ferenda Erbschaften nicht künftig ausgenommen sein sollten. Engelhart, AG 2009, 856 (861 re. Sp. oben). BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 103; a.A. Engelhart, AG 2009, 856 (861 f.); Fischer zu Cramburg/Hannich, Directors’ Dealings, S. 30 f. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 103. Ebenso Engelhart, AG 2009, 856 (861); Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 15 Rz. 13; Uwe H. Schneider, AG 2002, 473 (474); Süßmann, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, Teil 4 Kap. 3 T1 Rz. 7 (= S. 781 f.); oben Assmann, § 14 Rz. 15 (zum Insiderhandelsverbot). BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 103; Engelhart, AG 2009, 856 (861); a.A. Fischer zu Cramburg/Hannich, Directors’ Dealings, S. 30 f.; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 57. Engelhart, AG 2009, 856 (861); insoweit auch übereinstimmend Osterloh, Directors’ Dealings, S. 177. Um diese Schwierigkeiten zu überwinden, bejahen Osterloh, Directors’ Dealings, S. 177; Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 48, bei Verpfändungen stets die Meldepflicht. Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 14.104. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 103; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 56; a.A. Süßmann, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, Teil 4 Kap. 3 T1 Rz. 7 (= S. 781); a.A. auch Engelhart, AG 2009, 856 (862 ff.) für Repo-Geschäfte, da diese immer der Absicherung dienten und daher der Verpfändung vergleichbar seien. Dies ist allerdings nicht zwingend. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 103. Engelhart, AG 2009, 856 (864).
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hen, da diesen keinerlei Indikatorfunktion zukomme. Eine solche bestehe nur, wenn die Finanzinstrumente am Ende der Laufzeit endgültig beim Vertragspartner verbleiben sollen. Da Wertpapierdarlehen jedoch das Volleigentum vermitteln1 und den Inhaber während der Leihzeit so stellen wie nach einem Wertpapierkauf, kann sich mit ihnen sehr wohl eine Indikatorfunktion verbinden. Zudem ließe sich § 15a WpHG leicht umgehen, wollte man Wertpapierdarlehen generell ausnehmen. 83
Das frühere Recht nahm den Erwerb von Aktien und Finanzinstrumenten auf arbeitsvertraglicher Grundlage oder als Vergütungsbestandteil vom Tatbestand aus (§ 15a Abs. 1 Satz 3 WpHG a.F.). Diese ausdrückliche Ausnahme ist entfallen und damit stellt sich die Frage, ob § 15a WpHG auf derartige Vorgänge anzuwenden ist. Teile des Schrifttums2 schließen aus dem Wegfall der Ausnahme, derartige Vorgänge seien deshalb erfasst. Dies setzt aber gedanklich voraus, dass die frühere Ausnahmebestimmung konstitutiven Charakter hatte und nicht nur der Klarstellung diente. Der unmittelbare Erwerb von Finanzinstrumenten auf arbeitsvertraglicher Grundlage oder als Vergütungsbestandteil beruht jedoch nicht auf einem Entschluss der Führungsperson, sondern folgt einem im Anstellungsvertrag bzw. von der Hauptversammlung festgelegten „Fahrplan“. Der Zeitpunkt der Zuteilung der Aktien oder Optionen hängt nicht von einer eigenen Entscheidung des Vorstands ab. Daher stellt der Erwerb kein „eigenes Geschäft“ der Personen mit Führungsaufgaben dar3. Dies ist konsequent, denn die reine Zuteilung von Aktien oder Optionen entfaltet weder eine Indikatorwirkung, noch erfordert sie eine Vorbeugung gegen Insiderhandel. Allein der spätere Verkauf der Option oder die spätere Ausübung der Option4 bzw. der spätere Verkauf der Aktien sind als „eigene Geschäfte“ erfasst5. Das bloße Verfallen-
1 BGH v. 16.3.2009 – II ZR 302/06, AG 2009, 441 (442). 2 Bürgers, BKR 2004, 424 (428) („ersatzlos gestrichen“); Erkens, Der Konzern 2005, 29 (35); Kuthe, ZIP 2004, 883 (887) („ersatzlos gestrichen“); Osterloh, Directors’ Dealings, S. 173 ff., 180; Pluskat, BKR 2004, 467 (472); Pluskat, DB 2005, 1097 (1100); Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, 4. Aufl. 2010, Rz. 1239; Spindler, NJW 2004, 3449 (3452); Ziemons, NZG 2004, 537 (541) („entfallen vollständig“); Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 46; wohl auch Holzborn/Israel, WM 2004, 1948 (1953); Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929 (936). 3 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 89; Engelhart, AG 2009, 856 (860); Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 62; Koch, DB 2005, 267 (273); Pavlova, S. 178; Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 15 Rz. 14; Schwintek, Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 56; von Buttlar, BB 2003, 2133 (2137); Widder, WM 2010, 1882 (1885). 4 Engelhart, AG 2009, 856 (860); Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 62; Merkner, BKR 2003, 733 (734); Pavlova, S. 178. Die BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 89, 101 nimmt dagegen auch die Ausübung solcher Finanzinstrumente aus; ebenso Riedl, Transparenz, S. 53. Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 134 nimmt Optionen aus, die lediglich auf Barausgleich gerichtet seien. Ihnen fehle die Außenwirkung für den Markt. 5 Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a WpHG Rz. 62; Merkner, BKR 2003, 733 (734); Posegga, BKR 2002, 697 (698) (zu § 15a WpHG a.F.); Riedl, Transparenz, S. 53; Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 15 Rz. 14; Zimmer, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 15a WpHG Rz. 29 (zu § 15 Abs. 1 WpHG a.F.); BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 101. In der 3. Aufl. des Kommentars Rz. 71, habe ich die Auffassung vertreten, dass die Ausübung der Option immer dann meldepflichtig ist, wenn die Führungsperson über sie aus freien Stücken entscheiden könne, während bei strikten Zeitfenstern, die der Führungsperson keine Wahl über den Ausübungszeitpunkt lassen, eine Mitteilungspflicht entfalle. Diese Auffassung habe ich aufgegeben, da sie zur Rechtsunsicherheit für die Betroffenen führt, die jeweils feststellen müssen, wie eng das Zeitfenster in den Optionsbedingungen ist.
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lassen einer Option ist dagegen nicht meldepflichtig, da mit „eigene Geschäfte“ nur aktive Tätigkeiten erfasst werden1. Dieselben Erwägungen gelten für virtuelle Optionen und virtuelle Aktien. Der Er- 84 werb der virtuellen Rechte, die Derivate darstellen (s. oben Rz. 68), auf arbeitsvertraglicher Grundlage oder als Vergütungsbestandteil ist nicht mitteilungspflichtig2. Eine später erfolgte Erklärung gegenüber dem Emittenten, den Barausgleich zu verlangen, d.h. die virtuellen Optionen „auszuüben“ oder die virtuellen Aktien zu „verkaufen“, ist mitteilungspflichtig. Gegen die Anwendung des § 15a WpHG auf „phantom stock plans“ und „stock appreciation rights“ wird eingewandt, dass die Veröffentlichung keinerlei Informationswert für den Markt habe3. Das dem Vorstand eingeräumte Gestaltungsrecht, die virtuellen Optionen auszuüben oder die virtuellen Aktien zu verkaufen, dürfte jedoch an den Wertpapiermärkten dieselben Reaktionen auslösen, die eine tatsächlich ausgeführte Transaktion ausgelöst hätte. Eine Indikatorwirkung ist daher mit der Ausübung dieser Rechte verbunden. Gegen die hier befürwortete Lösung wird weiterhin der Einwand erhoben, es seien keine Insiderpapiere betroffen4. Dies trifft nicht zu, da es sich bei „phantom stock plans“ und „stock appreciation rights“ um Derivate handelt, die zumindest in § 12 Satz 1 Nr. 3 WpHG erfasst sind. Zudem knüpft § 15a WpHG nicht an § 12 WpHG, sondern an § 2 Abs. 2b WpHG an. Der Einwand, eine solche Mitteilung würde den Kapitalmarkt verwirren, überzeugt ebenfalls nicht, denn die Mitteilung muss natürlich ein zutreffendes Bild des Geschäftsvorfalls geben und deshalb auch erwähnen, dass es sich um „phantom stock plans“ und „stock appreciation rights“ handelt. Auch die Entgegennahme von Gratisaktien oder die Zuteilung (nicht der Erwerb) 85 von Bezugsrechten stellt kein „eigenes Geschäft“ dar. Zwar handelt es sich formal um einen Erwerbsvorgang. Da jedoch mit diesem Vorgang keinerlei Indikatorwirkung verbunden ist und auch ein Insiderhandel nicht befürchtet werden muss, ist der Tatbestand entsprechend eng auszulegen5. Die BaFin ist der Ansicht, dass die Ausübung des Bezugsrechts oder der Handel damit meldepflichtig seien6. Dies ist zutreffend, denn die Wahl zwischen Ausübung oder Verkauf des Bezugsrechts entfaltet durchaus eine Indikatorfunktion. Gleiches gilt im Übrigen auch für die Wahl zwischen einer Barauszahlung der Dividende oder einer Aktiengewährung7. Von der Hauptversammlung beschlossene Kapitalmaßnahmen und Strukturveränderungen entfalten als solche dagegen keine Indikatorwirkung und sind daher nicht meldepflichtig, auch wenn sie mit einer Veränderung im Aktienbestand einhergehen (z.B. Tausch von Aktien im Rahmen einer Fusion)8. Gleiches gilt für von der Gesellschaft ausgehende Maßnahmen in Bezug auf die Aktien (z.B. Aktiensplitts oder den Umtausch von Aktienurkunden)9. 1 Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, 4. Aufl. 2010, Rz. 1239. 2 Unzutreffend die Wiedergabe des hier vertretenen Standpunkts bei Fischer zu Cramburg/ Royé, in: Heidel, § 15a WpHG Rz. 4 Fn. 34. 3 Uwe H. Schneider, BB 2002, 1817 (1821); a.A. Merkner, BKR 2003, 733 (734 f.). 4 Vgl. Uwe H. Schneider, BB 2002, 1817 (1821). 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 101. 6 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 101; Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 41. 7 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 101; Engelhart, AG 2009, 856 (865); Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 41. 8 Bode, AG 2008, 648 (650); Engelhart, AG 2009, 856 (865); Sethe, ZIP 2010, 1825 (1827); Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 41. 9 Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 136; Riedl, Transparenz, S. 62 m.w.N.
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dd) Maßgeblichkeit der eine Transaktion ausführenden Person? 86
Die Führungsperson oder die zu ihr in enger Beziehung stehenden Personen sind auch dann mitteilungspflichtig, wenn sie die Transaktion nicht höchstpersönlich vornehmen, sondern sich dazu eines Stellvertreters bedienen1. Daher sind auch die Transaktionen mitteilungspflichtig, die ein im Namen der Führungsperson oder deren Angehörigen handelnder Finanzintermediär vorgenommen hat. Die Mitteilungspflicht verbleibt auch bei Zwischenschaltung eines Stellvertreters bei der Führungsperson oder den zu ihr in enger Beziehung stehenden Personen und trifft nicht etwa den Finanzintermediär (s. oben Rz. 62).
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Fraglich ist, ob § 15a Abs. 1 WpHG auch dann anzuwenden ist, wenn die Führungsperson ihr Wertpapierdepot von einem Vermögensverwalter betreuen lässt. Die Bundesanstalt ging in ihrem inzwischen aufgehobenen Rundschreiben zu Directors’ Dealings2 davon aus, dass die Mitteilungspflicht auch dann besteht, wenn sich der Mitteilungspflichtige eines Vermögensverwalters bedient, der als Stellvertreter des Vermögensinhabers auftritt (sog. Vermögensverwaltung in Form des Vertretermodells). Nicht erfasst sein sollte nach Ansicht der Bundesanstalt aber die Vermögensverwaltung in Form des Treuhandmodells, da hier der Vermögensverwalter Vollrechtsinhaber des verwalteten Vermögens wird und dieses lediglich auf Rechnung des Treugebers betreut. Die Bundesanstalt nahm damit eine sehr formale Sichtweise ein. Im Vertretermodell ist der Vermögensverwalter als Stellvertreter einzuordnen, weshalb der Vermögensinhaber aus den in Rz. 86 genannten Gründen mitteilungspflichtig bleibt. Beim Treuhandmodell wird formal der Vermögensverwalter Eigentümer der Wertpapiere, der diese auf Rechnung der Führungsperson verwaltet. Der Wechsel der Eigentümerposition ließ nach Ansicht der Bundesanstalt die Mitteilungspflicht entfallen.
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Entscheidend kann jedoch nicht eine rein formale Sichtweise sein. Bei der Beantwortung der Frage, welche Auswirkung die Einschaltung eines Vermögensverwalters auf die Mitteilungspflicht hat, muss der von § 15a WpHG verfolgte Zweck im Vordergrund stehen. Dazu bedarf es einer näheren Betrachtung des Ablaufs einer auf professioneller Basis angebotenen Vermögensverwaltung. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass der Vermögensverwalter vom Kunden auf Dauer beauftragt wird, die Anlageentscheidungen nach freiem Ermessen oder nach vorher vereinbarten Anlagezielen und ohne vorherige Rückfrage im Einzelfall selbstständig zu treffen3. Der Vermögensverwalter erwirbt damit regelmäßig ohne Wissen der Führungsperson Wertpapiere. Sollten zufällig auch solche des Emittenten darunter sein, kommt dieser Entscheidung des Vermögensverwalters keinerlei Indikatorwirkung zu, denn der Erwerb erfolgte auf Grund seiner eigenständigen Entscheidung ohne unmittelbare Einschaltung der Führungsperson. In dieser Konstellation wurde auch kein Insiderwissen genutzt. Aus diesen Gründen könnte man sich auf den Standpunkt zurückziehen, dass die Zwischenschaltung eines Vermögensverwalters das Bedürfnis für eine Mitteilungspflicht der Führungsperson gänzlich entfallen lasse. Damit würde man aber übersehen, dass der Vermögensinhaber die Verwaltung seines Vermögens gerade nicht völlig aus der Hand gibt, sondern zahlreiche Möglichkeiten der Einflussnahme behält. 1 Süßmann, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, Teil 4 Kap. 3 T1 Rz. 4 (= S. 780). 2 Rundschreiben der BaFin vom 5.9.2002 zu den Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten gemäß § 15a WpHG, AZ – WA 22 – W 2320 – 1/2002. 3 Balzer, Vermögensverwaltung, 1999, S. 14 f.; Schäfer, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 23 Rz. 6; Sethe, Anlegerschutz, S. 15 ff.
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So kann die Führungsperson auch bei einer Vermögensverwaltung ihren Wissensvor- 89 sprung dadurch ausnutzen, dass sie dem Vermögensverwalter gezielte Informationen zukommen lässt. Nach außen erwecken die Vorgänge den Eindruck, als habe der Vermögensverwalter eigenständig entschieden; in der Sache jedoch wurde die Transaktion durch die Führungsperson gesteuert. Der Beweis derartiger Vorgänge ist nur schwer möglich, weshalb einer Umgehung des § 15a WpHG Tür und Tor geöffnet wäre. In § 15a Abs. 3 WpHG sind in enger Beziehung stehende Personen der Führungspersonen erfasst, um alle leicht zu bewerkstelligenden Umgehungen zu vermeiden, bei denen die wirtschaftlichen Vorteile der Geschäfte der Führungsperson – zumindest mittelbar über die Familienkasse – zugute kommen. Diese Erwägung gilt erst recht für Transaktionen, die der Vermögensverwalter einer Führungsperson vornimmt, denn die Vorteile dieser Geschäfte fließen hier der Führungsperson sogar unmittelbar zu. Der Anreiz zu solchen Umgehungen ist daher ebenso groß wie bei der Zwischenschaltung naher Angehöriger. Nicht nur die gezielte Weitergabe von Insiderwissen an den Vermögensverwalter 90 (auch unterhalb der Erheblichkeitsschwelle des Insidertatbestands) erlaubt Umgehungen. Eine Person mit Führungsaufgaben, die Kunde eines Vermögensverwalters ist, kann ihren Vermögensverwalter als argloses Werkzeug einsetzen: Sie kann eine Änderung der Anlagerichtlinien zu einem Zeitpunkt vornehmen, an dem sie über Insiderwissen verfügt. Zwar sind Anlagerichtlinien zumeist in abstrakten Kategorien ohne Nennung von Einzelwerten gefasst. Dennoch lässt sich auch über die Änderung einer abstrakten Formulierung eine „Feinsteuerung“ erreichen. So kann ein Vermögensinhaber, der Führungsperson eines Versicherungskonzerns ist und Werte dieses Emittenten in seinem Depot hat, gezielte Verkäufe dieser Wertpapiere auslösen; er braucht lediglich in die Anlagerichtlinien die Vorgabe aufzunehmen, dass generell keine Anlage in Versicherungswerten erfolgen soll. Durch diese Änderung veranlasst die Führungsperson den arglosen Vermögensverwalter zum Verkauf dieser Werte. Schließlich spricht eine weitere Erwägung dafür, auch die vom Vermögensverwalter 91 durchgeführten Transaktionen in § 15a WpHG zu erfassen. Dem Kunden eines Vermögensverwalters steht sowohl bei der Vermögensverwaltung in Form des Vertretermodells als auch bei der Vermögensverwaltung in Form des Treuhandmodells das Recht zu, dem Vermögensverwalter im Einzelfall bindende Weisungen hinsichtlich des Erwerbs oder der Veräußerung einzelner Finanzinstrumente zu erteilen1. In solchen Fällen kann der Kunde seinen Wissensvorsprung als Führungsperson ebenfalls so ausnutzen, als hätte er die Transaktion höchstpersönlich ausgeführt. Zum Teil wird vorgeschlagen, die Weisungsbefugnis des Vermögensinhabers abzubedingen, so dass ihm die Möglichkeit genommen wird, Einfluss zu nehmen2. Diese Ansicht verkennt aber, dass es keine verdrängende Vollmacht geben kann, wenn das Auftragsverhältnis allein den Interessen des Auftraggebers/Vollmachtgebers dient3, was bei der Vermögensverwaltung gerade der Fall ist. Der Vermögensinhaber muss als Ge-
1 Sethe, Anlegerschutz, S. 18, 100. 2 Casper, WM 1999, 363 (367); DAI, Der Umgang von Führungskräften mit Aktien des eigenen Unternehmens im Rahmen von Aktienoptionsprogrammen, Empfehlungen des Deutschen Aktieninstituts e.V., April 1998, S. 9 f.; Hagen-Eck/Wirsch, DB 2007, 504 (508 f.); von Rosen, WM 1998, 1810. 3 So bereits BGH v. 13.5.1971 – VII ZR 310/69, WM 1971, 956; Schramm, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2006, § 168 Rz. 21; Habermeier, in: Bamberger/Roth, 2. Aufl. 2007, § 168 BGB Rz. 21; Leptien, in: Soergel, 13. Aufl. 1999, § 168 BGB Rz. 22; Schilken, in: Staudinger, 2009, § 168 BGB Rz. 8.
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schäftsherr also jederzeit die Befugnis haben, die Vermögensverwaltung inhaltlich zu beeinflussen1. 92
Die Zwischenschaltung eines Vermögensverwalters bewirkt also kein generelles Entfallen der Indikatorfunktion von Directors’ Dealings und der mit § 15a WpHG bezweckten Vorbeugefunktion. Denn die dem Vermögensinhaber zustehenden unmittelbaren und mittelbaren Möglichkeiten, auf die Verwaltung des Vermögens einzuwirken, sind zahlreich. Es lässt sich damit festhalten, dass § 15a Abs. 1 WpHG alle unmittelbar von den Personen mit Führungsaufgaben oder zu ihnen in enger Beziehung stehenden Personen veranlassten oder für Rechnung dieser Personen vorgenommenen Transaktionen durch Finanzintermediäre erfasst. Die Meldepflicht der Führungsperson entfällt also weder bei der Vermögensverwaltung in Form des Vertretermodells noch bei der Vermögensverwaltung in Form des Treuhandmodells. Dieses Ergebnis wird im Übrigen auch dem Umstand gerecht, dass das Aufsichtsrecht von einer funktionalen Betrachtung ausgeht. Maßgeblich ist nicht die formale (sachenrechtliche) Einordnung eines Vorgangs, sondern die dahinter stehenden wirtschaftlichen Vorgänge. Hiervon geht auch die Durchführungsrichtlinie aus, die in ihrem Art. 6 Abs. 1 Geschäfte auf eigene Rechnung der Führungsperson erfasst und damit eine funktionale Betrachtungsweise vornimmt. Gegen den hier vertretenen Standpunkt wird eingewandt, dass im Regelfall der Vermögensverwalter gerade keinen gezielten Weisungen unterliege, die Mehrzahl deutscher Unternehmensleiter nicht kriminell sei und daher Meldungen über die von Vermögensverwaltern getätigten Transaktionen das Publikum verwirrten2. Das Misstrauen gegen die Unternehmensleiter hegt der Gesetzgeber mit § 15a Abs. 3 WpHG, da er Umgehungen weitgehend ausschließen will. Wenn schon abhängige juristische Personen erfasst sind, muss dies auch für Vermögensverwalter und Treuhänder gelten3. Eine Verwirrung des Publikums wird auch dadurch ausgeschlossen, dass § 10 Nr. 6 lit. a WpAIV (Text im Anhang S. 2212) verlangt, dass die genaue Art des Geschäfts anzugeben ist. Hier muss man die Angabe verlangen, dass es sich um einen Wertpapiergeschäft im Rahmen der Vermögensverwaltung handelte. 4. Ausnahmen
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Eine Mitteilungspflicht besteht nicht für Geschäfte, deren Wert, bezogen auf die Gesamtzahl der vom Meldepflichtigen innerhalb eines Kalenderjahres getätigten Geschäfte, 5000 Euro nicht erreicht (§ 15a Abs. 1 Satz 5 WpHG). Bei der Berechnung 1 Sethe, Anlegerschutz, S. 90 f.; s. auch OLG Köln v. 20.9.1996 – 20 U 140/95, WM 1997, 570 (573) mit Anm. Balzer, EWiR 1997, 647 f., wonach ein völliges Abbedingen des Weisungsrechts in AGB gegen § 307 BGB verstößt. 2 So die Befürchtung des Handelsrechtsausschuss des DAV, Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Anlegerschutzes, NZG 2004, 703 (705). Ebenso Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 15 Rz. 15; Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 124. 3 Ebenso Bürgers, BKR 2004, 424 (428); Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 58; Holzborn/Israel, WM 2004, 1948 (1953); Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 13.366; Osterloh, Directors’ Dealings, S. 491 f.; Pavlova, S. 179; Pluskat, BKR 2004, 467 (470); Riedl, Transparenz, S. 51 f.; Sethe, Anlegerschutz, S. 915 ff.; Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 84 ff.; a.A. Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 124 (in Widerspruch zu seiner Kommentierung in Rz. 143). Offenbar geht Kuthe, ZIP 2004, 883 (887), davon aus, dass Treuhänder nicht einbezogen sind, da er ihre Einbeziehung fordert. Es ist zu begrüßen, dass die BaFin von ihrem gegenteiligen Standpunkt (s. oben Rz. 87) Abstand genommen hat; die BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 103 verpflichtet den Treugeber stets zu Mitteilungen nach § 15a WpHG.
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werden die Geschäfte einer Führungsperson und den zu ihr in enger Beziehung stehenden Personen zusammengerechnet1. Maßgebend ist der jeweils erzielte oder bezahlte Kurs der Finanzinstrumente (ohne Gebühren, Steuern und Courtagen)2. Bei Optionen ist auf den erzielten Preis bei Optionsausübung abzustellen, nicht auf das ursprünglich eingesetzte Kapital. Entscheidend ist der absolute Betrag, so dass Veräußerungen nicht mit späteren Erwerben saldiert werden (Grundsatz der Unmaßgeblichkeit des Vorzeichens)3. Es werden sämtliche Transaktionen in den verschiedenen von § 15a Abs. 1 WpHG erfassten Finanzinstrumenten addiert, so dass der Bagatellbetrag dem Meldepflichtigen nicht mehrfach (für jede Wertpapiergattung) zur Verfügung steht. Bei Überschreiten der Bagatellgrenze sind alle im laufenden Kalenderjahr getätigten Geschäfte rückwirkend zu melden4. Von dieser rückwirkenden Meldepflicht erfasst werden freilich nur solche Geschäfte, die grundsätzlich auch unter den Tatbestand des § 15a WpHG fallen5. Die BaFin hat keine Bedenken gegen die freiwillige Meldung von Geschäften unterhalb der Bagatellschwelle6. Es ist zu begrüßen, dass die Geschäfte der Führungsperson und der zu ihr in enger Be- 94 ziehung stehenden Personen zusammengerechnet werden, da dies Umgehungen durch Aufsplittung von Transaktionen verhindert. Die Ausnahmebestimmung ist jedoch in anderer Hinsicht wenig gelungen. Im Schrifftum wird die geringe Höhe des durch die Durchführungsrichtlinie vorgegebenen Schwellenwerts von 5000 Euro bemängelt7. In der Tat muss man verhindern, dass es zu einer Informationsflut kommt, die den Zwecken des § 15a WpHG zuwider läuft. Daher wurde in der 4. Auflage der Standpunkt vertreten, dass man erst Erfahrungen sammeln müsse, wie der Markt auf die neue Grenze reagiert. Denn zu bedenken ist, dass sich die Meldungen von Directors’ Dealings bei den einzelnen Marktsegmenten unterschiedlich stark auswirken können8. Dies kann es als sinnvoll erscheinen lassen, die Schwellenwerte je nach Marktsegment unterschiedlich hoch zu bemessen. Mittlerweile liegt eine erste ökonomische Untersuchung vor, die zu dem überraschenden Ergebnis kommt, dass gerade die kleineren Geschäfte besonders nachahmenswert sind, da sie deutlich 1 Diese Regelung wurde durch den Finanzausschuss eingeführt, s. oben Rz. 3. 2 Ebenso Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 15 Rz. 17. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 90; Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, 4. Aufl. 2010, Rz. 1240; Klawitter, in: Habersack/ Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 32 Rz. 124. 4 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 89. 5 Anders offenbar Riedl, Transparenz, S. 59, der de lege lata Schenkungen als von § 15a WpHG nicht erfasst ansieht (S. 60 f.), aber meint, sie seien rückwirkend meldepflichtig, wenn durch andere Transaktionen im Kalenderjahr die Bagatellgrenze von 5000 Euro überschritten werde. 6 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 90. 7 Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929 (936); Grothaus, ZBB 2005, 62 (68); Hower-Knobloch, S. 186; Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 15 Rz. 16; von Rosen, in: Aktienmarkt und Marktmanipulation, Studien des Deutschen Aktieninstituts, Heft 27, 2004, S. 8; Gemeinsame Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts e.V. und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e.V. zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG) vom 25.3.2004, S. 6; Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 15a WpHG Rz. 5; Fischer zu Cramburg, Marktmissbrauchsrichtlinie: Deutschland beginnt vor Abschluss der EU-Durchführungsbestimmungen mit der Umsetzung, AG 2004, R 168; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 59 f.; Pfüller, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Kapitalmarktinformation, § 22 Rz. 34; Riedl/Marten, DBW 2010, 553 (555); Riedl, Transparenz, S. 59 f.; Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, 4. Aufl. 2010, Rz. 1240 („de-minimis-Regelung hat wohl nur noch Placebocharakter“). 8 Hierauf weist Posegga, BKR 2002, 697, hin.
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höhere Überrenditen aufweisen1. Dies spricht dafür, die niedrige Bagatellgrenze aufrecht zu erhalten2. Wenig durchdacht ist dagegen der Umstand, dass man alle Geschäfte innerhalb eines Kalenderjahres nachmelden muss, sobald der Schwellenwert überschritten ist (Pflicht zur Nachmeldung). Wird der Schwellenwert erst im November überschritten, dürfte das Publikum kaum Interesse an Geschäften haben, die Anfang des Jahres getätigt wurden. Wie wenig abgestimmt diese Regelung ist, belegt auch ein Blick auf § 13 Abs. 1 Satz 1 WpAIV a.F. Die Mitteilungen über Directors’ Dealings waren für mindestens einen Monat zu publizieren. Der Gesetzgeber selbst ging also davon aus, dass nach einem Monat das Interesse an Geschäften der Führungspersonen nachlässt. Die Pflicht zur Nachmeldung früher getätigter Geschäfte ergibt vor diesem Hintergrund noch weniger Sinn3. 95
Neben der gesetzlich geregelten Bagatellgrenze finden sich weitere Ausnahmen von der Mitteilungspflicht: (1) Zur ungeschriebenen Ausnahme des Erwerbs auf arbeitsvertraglicher Grundlage s. oben Rz. 83 f. (2) Eine weitere Ausnahme wird man machen müssen, wenn eine Führungsperson oder eine ihr nahestehende Person Vermögen auf eine nach § 15 Abs. 3 WpHG erfasste Gesellschaft, juristische Person oder Einrichtung überträgt (s. oben Rz. 61). Hier ist der Tatbestand der Vorschrift teleologisch zu reduzieren4. Gleiches gilt für Umschichtungen im Konzern, sofern die Aktien im Kontroll- bzw. Konsolidierungskreis der Führungsperson verbleiben5. (3) Die von der BaFin und Teilen des Schrifttums vertretene Lösung (s. oben Rz. 78 f.), bei der man Schenkungen entgegen dem Willen des Richtliniengebers und entgegen von Wortlaut und Zweck freistellt, u.a. um Familien zu schonen, schießt deutlich über das Ziel hinaus. Wenn eine Führungsperson einer familienfremden Person seine Aktien schenkt, besteht gerade kein Grund für eine Freistellung dieses Vorgangs von der Mitteilungspflicht. Solange die Schenkung aber innerhalb des nach § 15a Abs. 3 WpHG erfassten Personenkreises vollzogen wird, besteht keine Notwendigkeit für eine Mitteilung6. (4) Zur von der BaFin zugestandenen Ausnahme bei Ausübung von Optionen s. oben Rz. 83. 5. Rechtsfolgen
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Liegen die Voraussetzungen des § 15a Abs. 1 Satz 1 bis 4 WpHG vor und greift die Ausnahme nach § 15a Abs. 1 Satz 5 WpHG nicht ein, muss der Meldepflichtige dem Emittenten und der Bundesanstalt die Transaktion mitteilen. Nähere Einzelheiten über den Inhalt und Form der Mitteilung regeln die §§ 10, 11 der nach § 15a Abs. 5 erlassenen Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung (WpAIV)7. 1 Rau, Directors’ Dealings, S. 225. 2 Auch Osterloh, Directors’ Dealings, S. 70, 180 ff., plädiert hierfür, da er aufgrund der Auswertung der Daten durch Dienstleister davon ausgeht, dass das Anlegerpublikum nicht überfordert wird. Ebenso jetzt Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 152. 3 Ebenso jetzt Engelhart, AG 2009, 856 (859). 4 Mutter, DStR 2007, 2013 (2014). Eine gesetzliche Ausnahme fordern Zimmer, in: Schwark, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 3. Aufl. 2004, § 15a WpHG Rz. 31 (zu § 15 Abs. 1 WpHG a.F.); Riedl, Transparenz, S. 61. Pluskat, BKR 2004, 467 (472), meint, die Ausnahme könne sogar im Verordnungswege noch geschaffen werden. 5 Bode, AG 2008, 648 (651 ff.); Mutter, DStR 2007, 2013 (2014); Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 14.280; a.A. Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 41. 6 So auch Engelhart, AG 2009, 856 (865 f.). Abweichend aber Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 121. 7 Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige-, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten sowie der Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen nach dem Wertpapierhandels-
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Anschließend muss der Emittent diese Angaben unverzüglich nach § 15a Abs. 4 Satz 1 WpHG i.V.m. §§ 12, 13 WpAIV publizieren und der Bundesanstalt einen Beleg hierüber zusenden. Der Meldepflichtige und der Emittent können sich eines professionellen Dienstleisters bedienen, wobei sie dies nicht von der Pflicht entbindet, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um den Pflichten aus § 15a WpHG nachzukommen1. Erkennen sie also, dass der von ihnen beauftragte Dienstleister seiner Aufgabe nur fehlerhaft oder zögerlich nachkommt, müssen sie eingreifen und notfalls die Pflichten aus § 15a WpHG selbst erfüllen. Der Mitteilungspflichtige, dem auch nach Einholung von Rechtsrat noch Zweifel 97 über das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen bleiben, kann freiwillig eine vorbeugende Mitteilung abgeben2, um sich vor den mit § 15a WpHG verbundenen Sanktionen (s. unten Rz. 129 ff.) zu schützen. Zur Abgabe einer solchen vorbeugenden Erklärung zwingen kann man ihn jedoch nicht3, da eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage für die Bundesanstalt fehlt. Der Betroffene trägt allerdings in diesem Fall das Risiko von Sanktionen, sollte sich später dann doch herausstellen, dass eine Mitteilungspflicht bestand. Anders als s. 16b des Securities Exchange Act sieht das deutsche Recht keine Ver- 98 pflichtung der Person mit Führungsaufgaben zur Gewinnherausgabe vor4. Eine solche Pflicht würde zwar den Anreiz zu erlaubten und verbotenen Insidergeschäften weiter verringern. Auf der anderen Seite würde eine derartige Regelung jedoch ähnliche Effekte wie eine pre-trading disclosure erzeugen, also die mit § 15a WpHG bezweckte Indikatorwirkung abschwächen und Aktienoptionsprogramme konterkarieren (vgl. Rz. 17, 144).
VI. Die Mitteilung 1. Adressat der Mitteilung Die Einzelheiten der Mittteilungspflicht richten sich gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 2 der 99 Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG nach dem Recht des Staates, in dem der Emittent seinen Sitz hat. Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 WpHG muss der Meldepflichtige sowohl dem Emittenten als auch der Bundesanstalt die eigenen Geschäfte in Aktien oder in sich darauf beziehenden Finanzinstrumenten in inhaltsgleichen Meldungen mitteilen. Die Mitteilung an den Emittenten dient der Transparenz, die an die BaFin dem Ziel einer effektiven Überwachung5. An beide Adressaten ist eine separate Mitteilung zu richten. Bei der Mitteilung an die Bundesanstalt kann der Emittent als Vertreter oder Bote der Person mit Führungsaufgaben oder des Angehörigen mitwirken6.
1 2 3 4 5 6
gesetz (Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung – WpAIV) vom 13.12.2004, BGBl. I 2004, 3376 (Text im Anhang S. 2212). BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 90; Osterloh, Directors’ Dealings, S. 187. BGH v. 22.4.1991 – II ZR 231/90, BGHZ 114, 203 (215) = AG 1991, 270 (273) (zu § 20 AktG). Ebenso bei der parallelen Problematik des § 21 WpHG (dazu unten § 21 Rz. 140, 141 m.w.N.); KG v. 14.6.1990 – 2 W 1088/90 („Springer/Kirch“), WM 1990, 1546 (1549) = AG 1990, 500 (501) – zu § 20 AktG. S. oben Rz. 14 a.E. Fn. 4 und unten Rz. 144 sowie Fleischer, Gutachten zum 64. DJT, 2002, S. F 126 ff. Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 142. Zur parallelen Problematik bei § 21 WpHG s. unten § 21 Rz. 111.
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2. Inhalt der Mitteilung 100 Die Mitteilung muss für jede Transaktion bestimmte, in § 10 WpAIV geregelte Mindestangaben enthalten: Nr. 1: Sie muss die deutlich hervorgehobene Überschrift „Mitteilung über Geschäfte von Führungspersonen nach § 15a WpHG“ tragen. Nr. 2: Weiterhin sind der Vor- und Familienname des Mitteilungspflichtigen oder bei juristischen Personen deren Firma, die Geschäftsanschrift, die Rufnummer des Mitteilungspflichtigen oder die eines Ansprechpartners, bei natürlichen Personen der Tag ihrer Geburt1 und, sofern keine Geschäftsanschrift besteht, die Privatanschrift zu nennen. Bei § 15a Abs. 2 WpHG a.F. enthielt der Katalog der mitteilungspflichtigen Angaben keinen Hinweis darauf, dass auch der Name des Meldepflichtigen anzugeben war. Dies war jedoch eine Selbstverständlichkeit2, da das Publikum Rückschlüsse nicht nur aus dem Umfang der Geschäfte, sondern auch aus der vom Meldepflichtigen gehaltenen Position im Unternehmen ziehen kann. Zudem wüsste das Publikum ohne die Namensangabe nicht, ob mehrere gemeldete Transaktionen von verschiedenen Meldepflichtigen oder von ein und derselben Person vorgenommen wurden. Daher hat die Rechtsprechung die Namensangabe als zwingend und verhältnismäßig angesehen3. § 10 Nr. 2 WpAIV bringt die insoweit notwendige Klarstellung. Nr. 3: Anzugeben sind weiterhin der Name und die Anschrift des Emittenten. Nr. 4: Um der BaFin und später dem Publikum eine rasche Einordnung der Meldung zu ermöglichen, ist eine jeweils in einem Schlagwort zu formulierende Beschreibung der Position und des Aufgabenbereichs der Person mit Führungsaufgaben bei dem Emittenten und im Fall des § 15a Abs. 1 Satz 2 WpHG zusätzlich der engen Beziehung der mitteilungspflichtigen Person zur Person mit Führungsaufgaben vorzunehmen. Besteht bei Gesellschaften eine enge Beziehung zu mehr als einer Person, reicht es aus, die jeweils nächste Person anzugeben4. Nr. 5: Sodann sind die Bezeichnung des Finanzinstruments und die internationale Wertpapierkennnummer (ISIN) anzugeben. Bei Derivaten ist die ISIN des underlying anzugeben. Nr. 6: Schließlich verlangt die WpAIV die Angabe der Art des Geschäfts, insbesondere ob es sich um einen Kauf oder Verkauf handelt. Bei Geschäften im Rahmen der Vermögensverwaltung ist anzugeben, dass es sich um ein solches Geschäft handelt (s. oben Rz. 92 a.E.). Weiterhin sind Datum und Ort des Geschäftsabschlusses anzugeben; bei börslichen Geschäften ist nicht die Auftragserteilung (Order) das Ver-
1 Kritisch Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 66. 2 Zu Recht sah das inzwischen aufgehobene Rundschreiben der BaFin vom 5.9.2002 zu den Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten gemäß § 15a WpHG, AZ – WA 22 – W 2320 – 1/2002, daher die Namensangabe vor. Zustimmend auch Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 15 Rz. 21; Süßmann, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, Teil 4 Kap. 3 T 1 Rz. 8 (= S. 782). 3 VGH Kassel v. 3.5.2006 – 6 UE 2623/04, ZIP 2006, 1243 = AG 2006, 553 mit zust. Anm. Möllers/Wenninger, WuB I G 6 § 15a WpHG 1.06; Sethe, EWiR 2006, 701; VG Frankfurt v. 14.5.2004 – 9 E 1636/03 (2), AG 2004, 680 ff.; zustimmend Lenenbach, EWiR 2005, 235 f.; Siller, WuB I G 6 § 15a WpHG 1.05; Schuster, ZHR 167 (2003), 193 (207 ff.). Kritisch Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 113–115, der die Position des VGH in Bezug auf die Führungsperson teilt, in Bezug auf Angehörige aber ablehnt; zu Recht a.A. Masling, S. 287 ff. 4 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 91.
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pflichtungsgeschäft, sondern erst der tatsächliche börsliche Geschäftsabschluss1. Unter „Ort“ versteht die BaFin den Börsenplatz und bei außerbörslichen Geschäften reicht ihr die Angabe „außerbörslich“2. Dies widerspricht klar der Gesetzgebungsgeschichte (s. unten Rz. 101)3. Weiterhin sind anzugeben der Preis, die Währung, die Stückzahl und das Geschäftsvolumen und bei Derivaten das Basisinstrument, der Basispreis, der Preismultiplikator und die Fälligkeit. Bei unentgeltlichen Geschäften, wie etwa einer Schenkung (s. oben Rz. 78 f.), kann als Preis 0,– Euro angegeben werden4; die BaFin empfiehlt eine klarstellende Erläuterung (so sollte – folgt man der hier vertretenen Auffassung – bei der Art des Geschäfts die Tatsache angegeben werden, dass es sich um eine Schenkung handelt). Bei der Ausübung von virtuellen Aktienoptionsprogrammen (s. oben Rz. 84) muss der Meldepflichtige diejenigen Angaben machen, die er bei einem „realen“ Aktienoptionsprogramm auch hätte machen müssen. Aus der Pflicht, das maßgebliche Finanzinstrument zu bezeichnen, folgt, dass der Meldepflichtige auch angeben muss, dass es sich um virtuelle Optionen oder virtuelle Aktien handelt. Nicht mitzuteilen ist, welches Institut und ggf. welche Börse die Transaktion abge- 101 wickelt hat. Denn diese Angaben haben keinerlei Aussagewert für Anlageentscheidungen des Publikums. Eine im Regierungsentwurf zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz noch vorgesehene Pflicht zur Mitteilung des Instituts und der Börse hat daher der Finanzausschuss zu Recht gestrichen5. Das deutsche Recht geht in entsprechender Umsetzung der Marktmissbrauchsricht- 102 linie (vgl. oben Rz. 24 a.E.) vom Prinzip der Einzelmeldung aus. Es sieht für Führungspersonen keine in bestimmten Abständen abzugebende Sammelmitteilung aller im maßgeblichen Zeitraum getätigten Geschäfte vor. Außerdem müssen die Führungspersonen nicht angeben, wie viele Finanzinstrumente sie bereits bei Übernahme der Führungsposition besitzen (keine Pflicht zur Initialmeldung, s. oben Rz. 12, 43)6. Nur wenn der Emittent nach den §§ 21 ff. WpHG meldepflichtig ist oder die Vorgaben des Deutschen Corporate Governance Kodex einhält (dazu unten Rz. 154 ff.) und dabei der Anteilsbesitz über 1 % liegt, kann also das Publikum erfahren, welchen Umfang das Aktienpaket der Führungsperson hat. § 15a Abs. 2 WpHG enthält keine Verpflichtung, die Meldung über die vorgeschriebenen Angaben hinaus mit erläuternden Informationen zu ergänzen. Der Meldepflichtige muss sich auch nicht zu Anlass und Motiv des Erwerbs oder der Veräußerung erklären; er muss bei einer Schenkung nicht den Empfänger nennen. Die BaFin erlaubt
1 Im Vorfeld der Neufassung des Emittentenleitfadens war über die Verwendung des Begriffs „Geschäftsabschluss“ eine Kontroverse entstanden, da der Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2009, 175 (180), den Begriff missverständlich fand und ihn durch „Settlement“ ersetzen wollte. Da Settlement jedoch die Erfüllung meint, ist dieser Vorschlag zu Recht nicht von der BaFin übernommen worden, ebenso Bedkowski, BB 2009, 394 (399). 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 92; BaFin, Erläuterungen zum Mitteilungsformular für Geschäfte von Führungspersonen vom 28.4.2006, Nr. 23 (www.bafin.de). 3 Kritisch auch Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 66. 4 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 92. 5 Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 20.3.2002, BT-Drucks. 14/8600, S. 67. 6 Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 136. Zu Recht kritisch deshalb Bitter, Diskussionsbericht – Symposion zum Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, ZHR 167 (2003), 216 (221); Fischer zu Cramburg/Hannich, Directors’ Dealings, S. 33, 62; Fleischer, ZIP 2002, 1217 (1226); Osterloh, Directors’ Dealings, S. 265; Schuster, ZHR 167 (2002), 193 (206); Zimmer/ Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 90.
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ihm in dem Meldeformular aber freiwillige erläuternde Angaben1. Zwar birgt dies ein gewisses Risiko der Fehlinterpretation der Mitteilung durch das Publikum (sog. „noise trading“2), etwa wenn ein Geschäft aus rein privaten Motiven und ohne jeden Bezug zur aktuellen Lage des Emittenten erfolgt. Mit Einführung einer Pflicht zur Erläuterung der Transaktion würde man jedoch den Charakter der Vorschrift völlig verändern. An die Stelle der mit § 15a WpHG bezweckten Indikatorfunktion würde eine Pflicht zur Ad-hoc-Mitteilung privater Informationen treten. Der Persönlichkeitsschutz des Meldepflichtigen würde durch diese weit reichende Pflicht über Gebühr beeinträchtigt3. Der Meldepflichtige ist jedoch nicht gehindert, freiwillig die Motive der Transaktion aufzudecken. 104 Um dem Anleger ein zutreffendes Bild zu vermitteln, darf die Mitteilung nicht missverständlich oder gar unwahr sein (vgl. die Kommentierung zu § 20a WpHG). 3. Frist der Mitteilung 105 Die Mitteilung an die BaFin und den Emittenten muss innerhalb von fünf Werktagen nach der Transaktion erfolgen. Der deutsche Gesetzgeber hat sich damit für eine post-trading disclosure entschieden (zur rechtspolitischen Diskussion s. oben Rz. 16 f.). Die Frist von fünf Tagen wird zu Recht als deutlich zu lang kritisiert4, zumal viele Meldepflichtige sie nicht einmal einhalten5. Wenn man erreichen will, dass die Preisbildung am Markt rasch alle verfügbaren Informationen widerspiegelt, muss man die Frist stark verkürzen (am Neuen Markt etwa waren drei Tage vorgeschrieben, s. oben Rz. 20). Für die Berechnung der Frist gegenüber der Behörde gelten die § 31 VwVfG, §§ 186 ff. BGB. Der Tag, an dem das Geschäft in Aktien oder Finanzinstrumenten stattfindet, zählt bei der Berechnung der Frist gemäß § 31 Abs. 1 VwVfG, § 187 Abs. 1 BGB nicht mit. Wie § 193 BGB zeigt, gilt der Samstag als Werktag. Fällt das Ende der Frist auf einen gesetzlichen Feiertag, einen Samstag oder Sonntag, ist der nächste Werktag maßgebend. Dieselben Regeln gelten in Bezug auf die Berechnung der Frist für die Mitteilung an den Emittenten, nur dass die Vorschriften des BGB nun direkt Anwendung finden. Allein bei der Frage, nach welchem Recht es zu beurteilen ist, ob ein gesetzlicher Feiertag vorliegt, gibt es Unterschiede zwischen den Regelungen. Ist gegenüber einer Behörde eine Willenserklärung abzugeben oder eine Handlung vorzunehmen, gilt anstelle des § 193 BGB die spezielle Regelung des § 31 Abs. 3 Satz 1 VwVfG, wonach es darauf ankommt, ob am Sitz der Behörde ein gesetzlicher Feiertag ist. Nicht maßgebend ist, ob am Absendeort ein Feiertag herrscht6. Zu beachten ist weiterhin, dass der 24.12.7, der 31.12.8 und der Rosenmontag9 nicht als Feiertage gelten, auch wenn die Behördenbediensteten keinen Dienst tun müssen. Bei der gegenüber der BaFin mit Sitz in Frankfurt/M. und Bonn abzugebenden Erklärung sind daher die Feiertagsregelungen von Hessen und Nordrhein1 2 3 4 5 6 7 8 9
Zustimmend Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 67. Fleischer, Gutachten zum 64. DJT, 2002, S. F 126 m.w.N. Fleischer, ZIP 2002, 1217 (1227); Fleischer, Gutachten zum 64. DJT, 2002, S. F 125 f. Osterloh, Directors’ Dealings, S. 188; Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 96. Dymke, Finanz-Betrieb 2007, 450 (457 f., 460), weist nach, dass 20 % der Meldepflichtigen die Zeitspanne überschreiten. BAG v. 16.1.1989 – 5 AZR 579/88, NJW 1989, 1181; Grün, in: Obermayer, 3. Aufl. 1999, § 31 VwVfG Rz. 32; Ramsauer, in: Kopp, 11. Aufl. 2010, § 31 VwVfG Rz. 31 m.w.N. OVG Hamburg v. 9.2.1993 – Bs VI 4/93, NJW 1993, 1941. Ramsauer, in: Kopp, 11. Aufl. 2010, § 31 VwVfG Rz. 31 m.w.N. BPatG v. 19.7.1978 – 6 W (pat) 67/78, GRUR 1978, 710.
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Westfalen maßgebend1. In Bezug auf die gegenüber dem Emittenten abzugebende Erklärung gilt § 193 BGB. Welche Tage als Feiertage anerkannt sind, richtet sich nach den Gesetzen, die am Erklärungs- oder Leistungsort (§§ 269, 270 Abs. 4 BGB) gelten. Da die in Abwesenheit abgegebene Willenserklärung erst im Zeitpunkt ihres Zugangs wirksam wird (§ 130 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 BGB), handelt es sich bei der Abgabe von Willenserklärungen um eine Bringschuld. Gleiches gilt für Mitteilungen und Anzeigen, an die das Gesetz Rechtsfolgen knüpft2. Erfüllungsort ist damit der Sitz des Emittenten. Es kommt damit auf die an seinem Sitz geltende Feiertagsregelung an. Im Ergebnis muss der Mitteilungspflichtige daher die Feiertagsregelungen an den beiden Sitzen der BaFin und am Sitz des Emittenten beachten3. Die Frist beginnt mit Kenntnis des Mitteilungspflichtigen von der Transaktion4. Hat 106 er diese selbst durchgeführt, beginnt die Frist folglich mit Vornahme des Geschäfts. Schaltet er einen Stellvertreter ein, muss er sich dessen Kenntnis nach § 166 BGB zurechnen lassen. Dies gilt auch dann, wenn die Führungsperson ihre Wertpapiere von einem Vermögensverwalter verwalten lässt (s. oben Rz. 87 ff.). Vermögensverwalter informieren ihre Kunden jedoch nur in periodischen Abständen über die Entwicklung des Depots. Auf Grund dessen könnte es vorkommen, dass die Führungsperson erst erhebliche Zeit nach ihrer Ausführung von einer meldepflichtigen Transaktion erfährt, die auf ihre Rechnung durchgeführt wurde. Um die Effektivität von § 15a WpHG in derartigen Konstellationen zu gewährleisten, ist der Meldepflichtige daher zu organisatorischen Vorkehrungen verpflichtet5. Der Meldepflichtige muss den Vermögensverwalter darüber informieren, dass eine Meldepflicht besteht und er deshalb darauf angewiesen ist, vom Vermögensverwalter unverzüglich über Transaktionen in den Wertpapieren des Emittenten benachrichtigt zu werden6. Wird die Meldepflicht dadurch ausgelöst, dass die Bagatellgrenze überschritten ist, beginnt die Frist mit der Kenntnis des Überschreitens7. Dieser Fristbeginn wird regelmäßig mit der Kenntnis über das letzte ausgeführte Geschäft, das zum Überschreiten der Begatellgrenze führte, zusammenfallen, sie muss es aber nicht. Haben beispielsweise ein Angehöriger und die Führungsperson Geschäfte im Umfang von 3000 Euro getätigt und sich gegenseitig noch nicht informiert, gehen beide davon aus, dass die Begatellgrenze nicht überschritten wurde. Die Unkenntnis darf aber nicht auf Leichtfertigkeit beruhen. Denn § 39 Abs. 2 Nr. 2 lit. d WpHG erfasst auch die aus Leichtfertigkeit unterlassene Meldung und Angehörige sind aufgrund der familenrechtlichen Stellung (s. oben Rz. 52) zur gegenseitigen Information verpflichtet.
1 Vgl. die Übersicht über die Feiertage bei Grothe, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2006, § 193 Rz. 11 f. 2 BGH v. 7.5.2002 – XI ZR 197/01, BGHZ 151, 5 (9 f.). 3 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 93. 4 So noch das aufgehobene Rundschreiben der BaFin vom 5.9.2002 zu den Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten gemäß § 15a WpHG, AZ – WA 22 – W 2320 – 1/2002. Die BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 93, stellt als Fristbeginn auf den Geschäftsabschluss ab, was regelmäßig, aber nicht immer zu gleichen Ergebnisse führt wie ein Abstellen auf die Kenntnis (vgl. den sogleich geschilderten Fall der Zusammenrechnung der Geschäfte mehrerer Angehöriger). 5 Zu Fragen der Compliance bei Directors’ Dealings Uwe. H. Schneider, Compliance als Aufgabe der Unternehmensleitung, ZIP 2003, 645 ff. (insbesondere 646). 6 Sethe, Anlegerschutz, S. 919. Zur gleich gelagerten Problematik bei § 21 WpHG vgl. unten § 21 Rz. 143 m.w.N. 7 Anders Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 72, der meint, die Frist beginne erst fünf Tage danach. Gemeint sein dürfte damit aber wohl das Fristende.
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107 Die Möglichkeit einer Fristverlängerung durch die Bundesanstalt sieht das Gesetz nicht vor. Sofern die Mitteilung nicht fristgerecht eingereicht werden kann, sollte der Mittelungspflichtige – schon um eine Ordnungswidrigkeitenverfahren abzuwenden – zusammen mit der nachgereichten Mitteilung eine schlüssige Begründung für die Verzögerung übermitteln (ggf. mit Unterlagen, die die Gründe der Verzögerung belegen). Es besteht keine Verpflichtung, Angaben zu machen, die die mitteilungspflichtige Person oder einen der in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der ZPO bezeichneten Angehörigen der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde1. 4. Form der Mitteilung 108 Die einzelne Mitteilung hat schriftlich (§ 126 BGB) zu erfolgen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 WpAIV, Text im Anhang S. 2212); die Möglichkeit zu Sammelmitteilungen sieht das Gesetz nicht vor. Die Mitteilung kann auch per Fax an die Bundesanstalt übermittelt werden. Die BaFin hat auf ihrer Homepage ein Musterformular mit Erläuterungen zur Verfügung gestellt, das den Betroffenen die Erfüllung der Mitteilungspflicht erleichtern soll. Im Fall der Übersendung einer Mitteilung mittels Telefax ist auf Verlangen der Bundesanstalt die eigenhändig unterschriebene Anzeige auf dem Postweg nachzureichen (§ 11 Abs. 1 Satz 2 WpAIV). Die BaFin kann die Möglichkeit eröffnen, die Mitteilungen im Wege der Datenfernübertragung zu übersenden, sofern nach dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Maßnahmen zur Sicherstellung von Datenschutz und Datensicherheit getroffen werden, die insbesondere die Vertraulichkeit und Unversehrtheit der Daten gewährleisten, und sofern im Fall der Nutzung allgemein zugänglicher Netze dem jeweiligen Stand der Technik entsprechende Verschlüsselungsverfahren angewendet werden (§ 11 Abs. 2 WpAIV); hiervon hat sie zwischenzeitlich Gebrauch gemacht2. Eine Email reicht der BaFin nicht aus3.
VII. Die Pflicht zur Verbreitung der Information (§ 15a Abs. 4 Satz 1 WpHG) 1. Anwendungsbereich 109 Die von der Führungsperson oder der zu ihr in enger Beziehung stehenden Person übermittelte Information i.S. des § 15a Abs. 1 WpHG muss gemäß § 15a Abs. 4 Satz 1 WpHG vom Emittenten unverzüglich verbreitet werden, indem er diese veröffentlicht (s. unten Rz. 114 ff.) und sie der BaFin (s. unten Rz. 120) und dem Unternehmensregister übersendet (s. unten Rz. 122). Im Gegensatz zu § 15a Abs. 1 WpHG trifft die Verpflichtung zur Verbreitung nur Inlandsemittenten i.S. des § 2 Abs. 7 WpHG und solche Emittenten, die die Zulassung der Finanzinstrumente beantragt oder öffentlich angekündigt haben (§ 15 Abs. 4 Satz 2 WpHG). Damit setzt der Gesetzgeber Art. 21 Abs. 1, 3 und Art. 2 Abs. 1 lit. i der Transparenzrichtlinie um. Der Anwendungsbereich von § 15a Abs. 4 WpHG ist enger als der von § 15a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 und 2 WpHG. Somit unterscheidet sich § 15a WpHG von § 15 WpHG, bei dem die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität nach Absatz 1 auf Inlandsemittenten beschränkt und die Mitteilungspflicht nach Absatz 4 gleichlaufend ausgestaltet ist. Auch § 15b WpHG ist auf Inlandsemittenten beschränkt. Der Grund dafür, warum man dies bei der Neufassung des Anwendungsbereichs des § 15a Abs. 1 WpHG nicht parallel gere1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 93. 2 Vgl. https://www.mvpzv.bafin.de. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 90.
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gelt hat, liegt in Art. 6 Abs. 1 Satz 2 bis 4 der Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG (s. oben Rz. 34), der für die Directors’ Dealings eine eigene Anknüpfung am Sitzstaat vornimmt. Überzeugender wäre es gewesen, wenn der Richtliniengeber hier auf die allgemeinen Regeln zum internationalen Anwendungsbereich zurückgegriffen hätte. Vergleicht man die Anforderungen des § 15a Abs. 4 WpHG i.V.m. § 2 Abs. 6, 7 WpHG 110 mit denen des § 15a Abs. 1 Satz 3 WpHG, ergeben sich folgende Gemeinsamkeiten und Unterschiede: Deckungsgleich sind die Anwendungsbereiche der beiden Absätze von § 15a WpHG 111 bei Emittenten mit Sitz im Inland und mit Börsenzulassung im Inland sowie bei Emittenten mit Sitz in einem EU-/EWR-Mitgliedstaat und mit Börsenzulassung im Inland. Auseinanderfallen können sie aber bei Emittenten mit Sitz in einem Drittstaat und mit Börsenzulassung im Inland. Diese fallen zwar unter § 15a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 WpHG. Sie sind zugleich Inlandsemittenten i.S. von § 2 Abs. 7 Nr. 1 WpHG i.V.m. § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 lit. b WpHG, wenn sie in der Bundesrepublik das jährliche Dokument nach § 10 WpPG hinterlegen müssen. Haben sie im Falle der Mehrfachzulassung aber einen anderen Mitgliedstaat für das jährliche Dokument gewählt, unterfallen sie zwar § 15a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 WpHG, sind aber kein Inlandsemittent. Sie müssen damit die Pflichten nach § 15a Abs. 1 WpHG erfüllen, nicht aber die nach § 15a Abs. 4 WpHG. Welchem Zweck die Mitteilung an den Emittenten dienen soll, wenn dieser sie nicht veröffentlichen muss, ist nicht ersichtlich. Gleichzeitig werden solche Emittenten aber von der Directors’-Dealings-Regelung des anderen Mitgliedstaats erfasst, so dass sie einer doppelten Meldepflicht unterliegen. Deckungsgleich sind wieder die Anwendungsbereiche bei Emittenten mit Sitz im Inland und mit Börsenzulassung nur im EU-/EWR-Ausland. Gleiches gilt für Emittenten mit Sitz in einem EU-/EWR-Mitgliedstaat und mit Börsenzulassung im EU-/EWR-Ausland, denn sie fallen von vornherein nicht unter § 15a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 WpHG. Emittenten mit Sitz in einem Drittstaat und mit Börsenzulassung im EU-/EWR-Ausland werden von § 15a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Alt. 2 WpHG erfasst, wenn die Bundesrepublik Herkunftsstaat i.S. des WpPG ist, sie also in der Bundesrepublik das jährliche Dokument nach § 10 WpPG hinterlegen müssen. Sie sind dann Inlandsemittenten nach § 2 Abs. 7 Nr. 1 WpHG i.V.m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 lit. b oder 3 lit. c WpHG. Die Regelung des internationalen Anwendungsbereich erweist sich damit als zu kompliziert, ohne dass ein überragender Nutzen der Komplexität erkennbar wäre. Auch ist das Auseinanderfallen der Anwendungsbereiche von § 15a Abs. 1 und § 15a Abs. 4 WpHG missglückt1. Versäumt der Meldepflichtige eine Mitteilung an den Emittenten, erlangt der Emit- 112 tent aber auf andere Weise von der meldepflichtigen Transaktion Kenntnis, greifen die Pflichten des § 15a Abs. 4 Satz 1 WpHG weder direkt noch analog ein2. Hieran hat auch die Neufassung des § 15a Abs. 4 WpHG nichts geändert3, da ihr Wortlaut die Veröffentlichungspflicht weiterhin an eine Mitteilung des Meldepflichtigen nach
1 Unklar ist, warum Osterloh, Directors’ Dealings, S. 186, hierin einen Vorteil sieht. Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 97 bewerten dies ebenfalls als Vorteil, da so Doppelmitteilungen vermieden würden. Zur Erreichung dieses Zwecks gäbe es aber auch überzeugendere und einfachere Mittel. 2 Vgl. dazu ausführlich Bednarz, AG 2005, 835 ff.; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 75; Pavlova, S. 289 f. 3 Hagen-Eck/Wirsch, DB 2007, 504 (508 f.).
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§ 15a Abs. 1 WpHG knüpft und auch die Gesetzesmaterialien diese Auslegung stützen1. 113 Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, bleiben – wie § 11 Abs. 1 WpHG zeigt – die Pflichten aus § 15a Abs. 4 WpHG bestehen; sie treffen weiterhin den Vorstand und nicht den Insolvenzverwalter (s. auch oben Rz. 42), weil dieser allein die Aufgabe hat, die Masse zu verwalten, und damit nicht automatisch alle öffentlich-rechtlichen Pflichten auf ihn übergehen. Da die Pflicht aus § 15a Abs. 4 WpHG sich nicht auf die Masse bezieht, ist er nicht Adressat der kapitalmarktrechtlichen Veröffentlichungspflicht; diese verbleibt also beim Vorstand der Gesellschaft2. Die dabei entstehenden Kosten gehen gemäß § 11 Abs. 1 WpHG zu Lasten der Masse3. 2. Pflicht zur Veröffentlichung a) Art der Veröffentlichung (§ 3a WpAIV) 114 Die dem Emittenten vom Meldepflichtigen übersandte Information ist an die Medien weiterzuleiten (§ 15 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 i.V.m. §§ 13, 3a Abs. 1 Satz 1 WpAIV, Text im Anhang S. 2212)4. Dabei schreibt § 3a WpAIV dem Emittenten im Detail vor, wie er oder ein von ihm beauftragter Dienstleister (vgl. § 3a Abs. 4 WpAIV) sich zu verhalten haben. Mindestens einer der gewählten Informationkanäle muss geeignet sein, die Information in der gesamten Europäischen Union und in den übrigen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zu verbreiten. Diese Pflicht wird in § 3a Abs. 2 Satz 1 WpAIV konkretisiert. Nach § 3a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WpAIV muss ein Informationskanal gewählt werden, der die Information so rasch und so zeitgleich wie möglich in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und in den übrigen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum aktiv verbreiten kann. Die Zahl der unterschiedlichen Medienarten und der eingesetzten Medien einer Medienart richten sich nach den Besonderheiten des Einzelfalls, also etwa der Aktionärsstruktur des Emittenten, dem Sitz des Emittenten, dem Ort der Börsenzulassung und ggf. der Mehrfachzulassung5. Je höher etwa der Streubesitz bei dem Emittenten ist, desto mehr Medien wird er informieren müssen6. Ausweislich der Gesetzesmaterialien gehört zu den Medienkanälen mindestens ein elektronisch betriebenes Informationsverbreitungssystem, das bei Instituten weit verbreitet ist7. Weiterhin hatte der Gesetzgeber als geeignete Medien News Provider und Nachrichtenagenturen, die jeweils wichtigsten Printmedien auf nationaler und europäischer Ebene sowie entsprechende Internetseiten für den Finanzmarkt vor Augen8. Der Emittent ist bei der Auswahl der Medien frei, solange 1 RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 33. 2 So bereits vor der gesetzgeberischen Klarstellung in § 11 WpHG auch schon BVerwG v. 13.4.2005 – 6 C 4/04, ZIP 2005, 1145 (1148), unter Hinweis auf eine Analogie zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO; ebenso von Buttlar, BB 2010, 1355 (1358 f.); anders noch VG Frankfurt/M. v. 29.1.2004 – 9 E 4228/03 (V), ZIP 2004, 469; Dehlinger, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 1. Aufl. 2005, § 11 Rz. 3 m.w.N. 3 A.A. etwa Ott, ZIP 2005, 1150 (1151 m.w.N.) zur Rechtslage vor Einführung von § 11 WpHG. 4 Hierzu ausführlich BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 93–98. 5 Weitere Einzelheiten in BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 94 und bei Pirner/Lebherz, AG 2007, 19 (21 ff.). 6 Hutter/Kaulamo, NJW 2007, 550 (555). 7 RegE TUG, BR-Drucks. 579/06, S. 112. 8 RegE TUG, BR-Drucks. 579/06, S. 112.
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die ausreichende und rasche Verbreitung sichergestellt ist; langfristig wird damit die Bedeutung des Internets weiter zu- und der Einsatz von Printmedien weiter abnehmen1. Der Emittent muss nach der gesetzlichen Konzeption verschiedene Medienarten nutzen, so dass die Nutzung allein des Internets oder eines Tickers grundsätzlich nicht ausreicht. Die mit dem TUG eingeführte Art der Verbreitung ist der bisherigen Veröffentlichung allein auf der Homepage des Emittenten (§ 15a Abs. 5 WpHG i.V.m. § 13 WpAIV a.F.) deutlich überlegen und stellt eine schnellere und gleichmäßigere Information der betroffenen Märkte sicher. Im Gegensatz zum alten Recht, das ein bloßes Zurverfügungstellen der Information ausreichen ließ und eine Verbreitung der Information in Anlegerkreisen damit ein aktives Recherchieren der Anleger auf der Homepage erforderte, fordert § 3a Abs. 1 WpAIV also die aktive Verbreitung durch den Emittenten2. Dies wiederum bedingt entsprechende organisatorische Vorkehrungen3. Nach § 3a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WpAIV ist der Emittent verpflichtet, den Text der Infor- 115 mation so an die Medien zu senden, dass der Absender der Information sicher identifiziert werden kann. Es muss ein hinreichender Schutz gegen unbefugte Zugriffe oder Veränderung der Daten bestehen. Da es sich um preissensible Informationen handelt, ist die Vertraulichkeit und Sicherheit der Übersendung durch die Art des genutzten Übertragungswegs oder durch eine Verschlüsselung der Daten nach dem Stand der Technik sicherzustellen. Übertragungsfehler oder -unterbrechungen müssen unverzüglich behoben werden. Um zu gewährleisten, dass der Empfänger um die Bedeutung der Nachricht weiß, verlangt § 3a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 WpAIV, dass in der Nachricht an die Medien der Name des Veröffentlichungspflichtigen einschließlich seiner Anschrift, ein als Betreff erkennbares Schlagwort, das den wesentlichen Inhalt der Veröffentlichung zusammenfasst, sowie Tag und Uhrzeit der Übersendung und das Ziel, die Information als eine vorgeschriebene Information europaweit zu verbreiten, erkennbar ist. Fehlen solche Angaben, kann dies dazu führen, dass die Bedeutung der Nachricht verkannt und ihre Verbreitung damit verhindert wird. Durch die detaillierten Vorgaben zur Gestaltung der Nachricht an die Medien soll erreicht werden, dass der Empfänger die Nachricht nicht ignoriert oder diese beispielsweise aufgrund unzureichender Angaben in einem Spamfilter landet. Der Emittent muss das seinerseits Erforderliche tun, um die Nachricht auf den Weg zu bringen. Es reicht jedoch nicht aus, lediglich die Nachricht abzusenden, sondern der Emittent muss sich auch vergewissern, dass die Nachricht angekommen ist (z.B. durch einen Faxsendebericht, eine Eingangsbestätigung)4. Erkennt er, dass die Nachricht nicht angekommen ist, muss er die Übersendung (ggf. auf einem anderen Nachrichtenkanal) wiederholen (§ 3a Abs. 2 lit. c WpAIV). Von dieser gesetzlichen Verantwortlichlichkeits- und Risikozuweisung gibt es eine Ausnahme: Wird der Zugang aufgrund technischer Störungen im Verantwortungsbereich des Empfängers verhindert, fällt dies nicht in den Risikobereich des sendenden Emittenten (§ 3a Abs. 2 Satz 2 WpAIV). Daraus folgt im Umkehrschluss, dass dieser sehr wohl für technische Hindernisse beim Absenden der Nachricht einstehen muss. Gemäß § 3a Abs. 4 WpAIV bleibt der Emittent auch für die Erfüllung dieser Pflichten verantwortlich, wenn er einen externen Dienstleister zur Erfüllung seiner Pflichten aus § 15a WpHG einschaltet. Wie der Wortlaut von § 3a Abs. 1 WpHG und ein Umkehrschluss aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 1 Hutter/Kaulamo, NJW 2007, 550 (555); kritisch zu einem vollständigen Ersatz von Printmedien durch das Internet Zöllner, NZG 2003, 354 ff.; Dauner-Lieb, DStR 2004, 361 ff. 2 Pirner/Lebherz, AG 2007, 19 (21). 3 Ebenso Pirner/Lebherz, AG 2007, 19 (26). 4 Pirner/Lebherz, AG 2007, 19 (21).
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WpAIV zeigt, muss der Emittent den ordnungsgemäß ausgewählten Medien die Information nur „zuleiten“; ob diese sie dann auch publizieren, liegt nicht mehr in seiner Verantwortung1. Weiß er aus der Vergangenheit, dass bestimmte Medien seine Meldungen nicht publizieren, muss er dies bei der Auswahl der Medien bei der nächste Meldung berücksichtigen. 116 Die Bundesanstalt kann kontrollieren, ob der veröffentlichungspflichtige Emittent diese Vorgaben eingehalten hat. Zudem muss gewährleistet sein, dass die BaFin die Informationsströme nachvollziehen kann. Dies kann sich beispielsweise im Zuge von Ermittlungen wegen Insiderhandels als notwendig erweisen. Daher muss der Emittent gemäß § 3a Abs. 3 WpAIV sechs Jahre lang in der Lage sein, der Bundesanstalt auf Nachfrage mitzuteilen, welche Person die Information an die Medien gesandt hat, welche Sicherheitsmaßnahmen für die Übersendung eingesetzt wurden, an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit die Übersendung erfolgte und welche Mittel der Übersendung an die Medien verwendet wurden; kommt es zu einer Verzögerung der Veröffentlichung, sind die genauen Zeitabläufe zu dokumentieren und auf Nachfrage mitzuteilen. b) Inhalt der Veröffentlichung (§ 12 WpAIV) 117 Die Veröffentlichung hat gemäß § 12 WpAIV (Text im Anhang S. 2212) folgende Angaben zu enthalten: – die deutlich hervorgehobene Überschrift „Mitteilung über Geschäfte von Führungspersonen nach § 15a WpHG“, – den Vor- und Familiennamen der mitteilungspflichtigen Person2 und bei juristischen Personen den Namen des Mitteilungspflichtigen. Letzteres ist wichtig, damit das Publikum verschiedene aufeinander folgende Geschäfte zuordnen kann3. Anders als bei der Mitteilung an den Emittenten und die BaFin (§ 10 Nr. 2 WpAIV) muss die Adresse, Telefonnummer und das Geburtsdatum nicht publiziert werden, um dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen Rechnung zu tragen4. – den Namen und die Anschrift des Emittenten, – die Angabe, ob der Mitteilende Führungsaufgaben bei dem Emittenten wahrnimmt oder eine Person ist, die mit einer solchen Person nach § 15a Abs. 3 WpHG in einer engen Beziehung steht, – eine jeweils in einem Schlagwort zu formulierende Beschreibung der Position und des Aufgabenbereichs der Person mit Führungsaufgaben, – eine genaue Bezeichnung des Finanzinstruments, mit dem das Geschäft getätigt worden ist, einschließlich der internationalen Wertpapierkennnummer und – eine genaue Beschreibung des Geschäfts mit Angaben zu Art des Geschäfts, insbesondere ob es sich um einen Kauf oder Verkauf handelt, zum Datum und Ort des Geschäftsabschlusses, zu Preis, Währung, Stückzahl und Geschäftsvolumen
1 RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 49 (zu § 3a Abs. 2 Satz 2 WpHG); BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 94; Assmann § 15 Rz. 280b; Hutter/Kaulamo, NJW 2007, 550 (555). 2 Dies hält das VG Frankfurt/M. v. 14.5.2004 – 9 E 1636/03 (2), WM 2004, 1923 ff. = AG 2004, 680 (zu § 15a WpHG a.F.) für verhältnismäßig. Zustimmend Siller, WuB I G 6 § 15a WpHG 1.05; a.A. Lenenbach, EWiR 2005, 235 f. 3 Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 74. 4 Dies begrüßt Koch, DB 2005, 267 (274).
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sowie zu Basisinstrument, Basispreis, Preismultiplikator und Fälligkeit bei Geschäften in Derivaten. Es gelten die oben Rz. 100 gemachten Anmerkungen entsprechend. c) Sprache der Veröffentlichung § 3b WpAIV (Text im Anhang S. 2212) regelt die Sprache, in der die Information veröffentlicht werden muss bzw. kann. Die Regelung zeichnet sich durch eine recht komplexe Struktur aus1.
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d) Frist der Veröffentlichung Die Veröffentlichung muss nach § 15a Abs. 4 Satz 1 WpHG unverzüglich, d.h. ohne 119 schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB), erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zugang der Mitteilung über die Transaktion beim Emittenten. Das Tatbestandsmerkmal „unverzüglich“ unterscheidet sich von dem Rechtsbegriff „sofort“ (vgl. § 859 Abs. 3 BGB), der gleichbedeutend ist mit „so schnell wie objektiv möglich“. Mit dem Abstellen auf die Unverzüglichkeit2 wird dem Betroffenen also eine angemessene Frist zur Prüfung des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen und ggf. zur Einholung von Rechtsrat oder einer Auskunft der Bundesanstalt eingeräumt. Es verbleibt dem Emittenten zudem ausreichend Zeit, anhand der ihm zugänglichen Informationsquellen zu prüfen, ob die Mitteilung nicht eine Falschmeldung ist3. Steht die Mitteilungspflicht von vornherein völlig außer Frage, wäre jedes Zögern schuldhaft, und die Frist ist faktisch eine sofortige. Der Meldepflichtige muss substantiiert darlegen, dass er unverzüglich gehandelt hat4. e) Nachweis der Veröffentlichung Der Emittent ist nach § 15a Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 WpHG verpflichtet, der BaFin 120 die Veröffentlichung mitzuteilen. Dabei ist der Text der Veröffentlichung, die Medien, an die die Information gesandt wurde, sowie der genaue Zeitpunkt der Versendung an die Medien mitzuteilen (§§ 13a, 3c WpAIV, Text im Anhang S. 2212). Der Beleg ist gleichzeitig mit der Veröffentlichung an die BaFin zu übermitteln (s. unten Rz. 131 m.w.N.). Die in § 13a WpAIV enthaltene Bezugnahme auf § 15a Abs. 4 Satz 2 WpHG ist ein Redaktionsversehen, denn Satz 2 hat mittlerweile einen anderen Inhalt. Die WpAIV schweigt – im Gegensatz zu § 13 Abs. 2 Satz 1 WpAIV a.F. – zu der Frage, ob der Beleg auf dem Postweg, per Fax oder elektronisch übersandt werden darf. Man wird alle drei Arten für zulässig halten müssen5. Möglich sein soll auch die Übersendung eines Screenshots oder funktionierenden Links6.
1 Vgl. hierzu BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 98. 2 Zur Kritik am Rückgriff des Gesetzgebers auf § 121 BGB vgl. unten §§ 37b, 37c Rz. 105 m.w.N. 3 Rundschreiben der BaFin vom 27.6.2002 zu den Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten gemäß § 15a WpHG, AZ – WA 22 – W 2310 – 12/2002. Rechtspolitische Kritik an der deshalb oft langen Zeitspanne zwischen Geschäft und Veröffentlichung üben Weiler/Tollkühn, DB 2002, 1923 (1926 f.). 4 OLG München v. 16.11.1987 – 3 W 3109/87, WM 1988, 1408 (1409) (zu § 121 BGB). 5 So jetzt auch die BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 99. 6 Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 79.
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f) Zusätzliche Veröffentlichung durch die BaFin 121 Der BaFin steht nach § 13 WpAIV (Text im Anhang S. 2212) die Möglichkeit der Bekanntgabe der Information auf ihrer Homepage offen. Diesen Weg nutzt sie auch. 3. Weiterleitung an das Unternehmensregister 122 § 15 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 WpHG verpflichtet den Emittenten, die ihm übermittelte Information an das Unternehmensregister zur Speicherung weiterzuleiten. Der Inhalt der Eintragung in das Unternehmensregister richtet sich nach der für die Veröffentlichung geltenden Vorschrift des § 12 WpAIV (s. oben Rz. 117)1. Der Pflicht zur Weiterleitung an das Unternehmensregister muss er unverzüglich (zu diesem Merkmal s. oben Rz. 119) nachkommen. Allerdings darf die Nachricht an das Unternehmensregister nicht vor der Veröffentlichung der Meldung erfolgen, um einem möglichen Insiderhandel vorzubeugen. Fraglich ist, ab wann von einer Veröffentlichung auszugehen ist, da der Emittent die Mitteilung an eine Vielzahl von Medien senden muss. Wollte man auch die Veröffentlichung im zeitlich letzten Printmedium abwarten, würde das Unternehmensregister mit einer Verzögerung von mehreren Tagen informiert. Ausreichend ist daher, dass die Information über die elektrionischen Medien (Ticker, Internet) verbreitet wurde2. Die Regelung in § 15 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 WpHG dient der Klarstellung, denn § 8b Abs. 1 Nr. 9 HGB enthält eine gleich lautende Pflicht3. Der BaFin steht eine Überwachungskompetenz zu und sie kann Anordnungen zur Durchsetzung der gesetzlichen Pflicht treffen, die geeignet und erforderlich sind (§ 8b Abs. 3 Satz 3, 5 HGB i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1, 3, Abs. 7, Abs. 9, Abs. 10, §§ 7, 8 WpHG). Zudem steht ihr das Recht der Ersatzvornahme zu (§ 8b Abs. 3 Satz 4 HGB). 4. Jährliches Dokument 123 Der Emittent ist verpflichtet, mindestens einmal jährlich ein Dokument zu veröffentlichen, das alle aufgrund von kapitalmarktrechtlichen Meldepflichten zu publizierenden Informationen zusammenfasst oder auf sie verweist. Es umfasst alle derartigen Informationen, die der Emittent in den vorausgegangenen zwölf Monaten veröffentlicht oder dem Publikum zur Verfügung gestellt hat4. Die nach § 15a Abs. 1, 4 WpHG zu machenden Angaben gehören hierzu (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpPG). 124 Das jährliche Dokument ist entsprechend § 14 Abs. 2 WpPG zu veröffentlichen5. Außerdem hat es der Emittent nach der Offenlegung des Jahresabschlusses bei der BaFin zu hinterlegen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 WpPG). Soweit das Dokument auf Angaben Bezug nimmt, ist anzugeben, wo diese zu erhalten sind (§ 10 Abs. 2 Satz 2 WpPG). § 10 Abs. 3 WpPG nimmt von der Verpflichtung zur Publizierung des jährlichen Dokuments Emittenten von Nichtdividendenwerten mit einer Mindeststückelung von 50 000 Euro aus.
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Osterloh, Directors’ Dealings, S. 195. Pirner/Lebherz, AG 2007, 19 (25). RegE TUG, BR-Drucks. 579/06, S. 73. Zu Einzelheiten Hamann, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 10 WpPG Rz. 8 ff. Dazu Hamann, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 10 WpPG Rz. 18 ff.
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VIII. Überwachung Um die Einhaltung der Pflichten nach § 15a Abs. 1 und 4 WpHG überwachen zu 125 können, kann die Bundesanstalt von den Meldepflichtigen sowie den beteiligten Wertpapierdienstleistungsunternehmen Auskünfte und die Vorlage von Unterlagen verlangen (§ 4 Abs. 3 WpHG)1. Da der Finanzausschuss die Pflicht zur Mitteilung, welches Institut die Transaktion vorgenommen hat, gestrichen hat (s. oben Rz. 101), kann die Bundesanstalt nur durch Nachfrage bei dem Meldepflichtigen erfahren, welches Wertpapierdienstleistungsunternehmen beteiligt war. Gesetzliche Auskunftsoder Aussageverweigerungsrechte sowie gesetzliche Verschwiegenheitspflichten bleiben unberührt (§ 4 Abs. 3 Satz 3 WpHG). Gemäß § 4 Abs. 9 WpHG kann der zur Erteilung einer Auskunft Verpflichtete die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen der in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO bezeichneten Angehörigen der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde. Der Verpflichtete ist über sein Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren und darauf hinzuweisen, dass es ihm nach dem Gesetz freistehe, jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Während der üblichen Arbeitszeit ist Bediensteten der Bundesanstalt und den von 126 ihr beauftragten Personen das Betreten der Grundstücke und Geschäftsräume der nach § 4 Abs. 3 WpHG auskunftspflichtigen Personen zu gestatten (§ 4 Abs. 4 Satz 1 WpHG). Das Betreten außerhalb dieser Zeit oder das Betreten von Wohnungen ist ohne Einverständnis nur unter den in § 4 Abs. 4 Satz 2 WpHG genannten Bedingungen zulässig. Die Bundesanstalt kann eine nach § 15a WpHG gebotene Mitteilung oder Veröffentlichung auf Kosten des Pflichtigen vornehmen, wenn die Veröffentlichungs- oder Mitteilungspflicht nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht in der vorgeschriebenen Weise erfüllt wird (Möglichkeit der Ersatzvornahme nach § 4 Abs. 6 WpHG, s. auch Rz. 122 a.E.)2.
127
Widerspruch und Anfechtungsklage gegen soeben geschilderte Maßnahmen nach § 4 Abs. 3, 4, 6 WpHG haben keine aufschiebende Wirkung (§ 4 Abs. 7 WpHG).
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IX. Sanktionen 1. Bußgelder a) Verstoß gegen die Mitteilungspflicht Verstöße gegen die Mitteilungspflicht des § 15a Abs. 1 Satz 1 und 2 und Abs. 4 Satz 1 129 WpHG (s. oben Rz. 27 ff.) und die sie ergänzenden Pflichten aus den §§ 10 ff. WpAIV (Text im Anhang S. 2212) stellen Ordnungswidrigkeiten nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 lit. d WpHG dar, wobei sowohl die Führungsperson i.S. des § 15a Abs. 2 WpHG als auch die zu ihr in enger Beziehung stehende Person i.S. des § 15a Abs. 3 WpHG von der Bußgeldvorschrift erfasst werden. Als Zuwiderhandlung gilt die Nichtmeldung, die inhaltlich unrichtige Meldung, die unvollständige Meldung, die nicht rechtzeitige 1 Zu den Überwachungskompetenzen der BaFin Schröder/Hansen, Die Ermittlungsbefugnisse der BaFin nach § 44c KWG und ihr Verhältnis zum Strafprozessrecht, ZBB 2003, 113; Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 727 ff. 2 Ebenso jetzt Villeda, S. 296.
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Meldung und die nicht in der vorgeschriebenen Art und Weise erfolgte Meldung gegenüber dem Emittenten und/oder der BaFin. Der Täter muss vorsätzlich oder leichtfertig1 gehandelt haben (vgl. das Beispiel in Rz. 106); einfache Fahrlässigkeit erfüllt den Tatbestand nicht. Das Bußgeld kann nach § 39 Abs. 4 WpHG bis zu 100 000 Euro bei Vorsatz und 50 000 Euro bei Leichtfertigkeit (§ 17 Abs. 2 OWiG) betragen. Die Geldbuße soll gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 OWiG den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen. Reicht das gesetzliche Höchstmaß hierzu nicht aus, so kann es überschritten werden (§ 17 Abs. 4 Satz 2 OWiG). Im Schrifttum wird vertreten, diese Vorschrift sei anzuwenden, wenn der Meldepflichtige bei größeren Directors’ Dealings seine Pflichten aus § 15a Abs. 1 Satz 1 WpHG versäume2. Die Vorschrift des § 17 Abs. 4 Satz 2 OWiG ist jedoch nur anzuwenden, wenn der wirtschaftliche Vorteil unmittelbar oder nach anderer Ansicht zumindest mittelbar aus der Ordnungswidrigkeit erlangt wurde3. Dies ist nicht der Fall, da der Vorteil bereits mit dem Kauf/Verkauf der Aktien oder Derivate besteht und die Mitteilungspflicht lediglich an das bereits erfolgte Geschäft anknüpft, ohne dessen Wirksamkeitsvoraussetzung zu sein4. Zu weiteren Einzelheiten vgl. die Kommentierung zu § 39 WpHG. b) Verstoß gegen die Veröffentlichungspflicht 130 Der Emittent ist verpflichtet, die Information nach § 15a Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 WpHG und die ergänzenden Pflichten nach den §§ 10 ff. WpAIV zu veröffentlichen (s. oben Rz. 114 ff.). Der Verstoß gegen die Veröffentlichungspflicht unterliegt dem Bußgeldtatbestand des § 39 Abs. 2 Nr. 5 lit. b WpHG. Als Zuwiderhandlung gilt die Nichtveröffentlichung, die inhaltlich unrichtige Veröffentlichung, die unvollständige Veröffentlichung, die nicht rechtzeitige Veröffentlichung und die nicht in der vorgeschriebenen Art und Weise erfolgte Veröffentlichung oder die nicht oder nicht rechtzeitige Nachholung der Veröffentlichung. Da bei § 15a WpHG keine Nachholungspflicht vorgesehen ist, betrifft diese Tatbestandsalternative allein die Ad-hocPublizität des § 15 WpHG. Als Begehungsformen werden Vorsatz und Leichtfertigkeit erfasst. Das Bußgeld kann nach § 39 Abs. 4 WpHG bis zu 100 000 Euro bei Vorsatz und 50 000 Euro bei Leichtfertigkeit (§ 17 Abs. 2 OWiG) betragen. Zu weiteren Einzelheiten vgl. die Kommentierung zu § 39 WpHG. c) Verstoß gegen die Pflicht zur Übersendung eines Belegs und zur Übermittlung der Information an das Unternehmensregister 131 Die Verletzung der Pflicht zur Übersendung des Belegs über die Veröffentlichung der Mitteilung nach § 15a Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 WpHG i.V.m. §§ 13a, 3c WpAIV (s. oben Rz. 120) an die Bundesanstalt stellt eine Ordnungswidrigkeit nach § 39 Abs. 2 Nr. 6 dar5. Als Zuwiderhandlung gelten die Nichtübersendung und die nicht recht1 A.A. Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 80, der „leichtfertig“ mit „leicht fahrlässig“ gleichsetzt. 2 Schuster, ZHR 167 (2003), 193 (213). 3 Zum Meinungsbild unten Vogel, § 39 Rz. 73; Lemke, 2. Aufl. 2005, § 17 OWiG Rz. 32; König, in: Göhler/König/Seitz, 14. Aufl. 2006, § 17 OWiG Rz. 39 ff.; Mitsch, in: Karlsruher Komm. OWiG, 3. Aufl. 2006, § 17 Rz. 177 f. sowie Drathjer, Die Abschöpfung rechtswidrig erlangter Vorteile im Ordnungswidrigkeitenrecht, 1997, S. 84 ff. 4 Osterloh, Directors’ Dealings, S. 200 f.; Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 107; Veil, ZGR 2005, 155 (168 f.); unten Vogel, § 39 Rz. 73. 5 Ein offensichtliches Missverständnis liegt der Ansicht von Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 195 zugrunde, der meint, Nr. 7 sei anwendbar.
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zeitige Übersendung des Belegs. Eine solche lag nach altem Recht vor, wenn der Beleg erst nach Ablauf von drei Werktagen einging1. Jetzt schreibt das Gesetz eine gleichzeitige Übermittlung der Information an die Medien und des Belegs an die BaFin vor, so dass die Dreitagesfrist überholt ist. Je nach Übermittlungsart kann die Ordnungswidrigkeit auch schon am selben Tag, spätestens aber am Folgetag verwirklicht sein. Als Begehungsformen werden Vorsatz und Leichtfertigkeit erfasst. Der Emittent ist weiterhin verpflichtet, die Information an das Unternehmensregis- 132 ter zu übermitteln (§ 15a Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 WpHG). Die Verletzung dieser Pflicht unterfällt ebenfalls dem Tatbestand des § 39 Abs. 2 Nr. 6 WpHG („eine Information … nicht oder nicht rechtzeitig übermittelt“). Als Zuwiderhandlung gelten auch hier die Nichtübersendung und die nicht rechtzeitige Übermittlung. Da der Emittent die Übermittlung an das Unternehmensregister erst vornehmen darf, wenn die Information veröffentlicht ist, stellt sich die Frage, ob auch eine zu frühe Übermittlung an das Unternehmensregister den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllt. Die Formulierung „nicht rechtzeitig“ umfasst sowohl die verspätete als auch die verfrühte Mitteilung, so dass der objektive Tatbestand bei einer vorzeitigen Übermittlung vorliegt. Als Begehungsformen werden Vorsatz und Leichtfertigkeit erfasst. Das Bußgeld kann nach § 39 Abs. 4 WpHG bis zu 200 000 Euro bei Vorsatz und 133 100 000 Euro bei Leichtfertigkeit (§ 17 Abs. 2 OWiG) betragen. Die mit dem TUG vorgenommene Erhöhung2 des Bußgelds von 50 000 auf 200 000 Euro soll dazu dienen, die für den Kapitalmarkt wichtige Übermittlungspflicht an das Unternehmensregister effektiv durchzusetzen3. Diese Begründung überzeugt nicht. Zum einen ist die Veröffentlichungspflicht genauso wichtig, wie die Pflicht zur Übermittlung an das Unternehmensregister; sie wird aber nur mit einem Bußgeld von 100 000 Euro bebußt (s. oben Rz. 130). Zum anderen erfasst § 39 Abs. 2 Nr. 6 WpHG auch die Pflicht zur Übersendung eines Belegs an die BaFin, die lediglich der Kontrolle der BaFin dient und daher als bloße Folgepflicht bei weitem nicht so wichtig ist wie die unmittelbare Information des Marktes selbst. Dennoch beträgt hier der Bußgeldrahmen auch 200 000 Euro. Man gewinnt den Eindruck, als habe sich der Gesetzgeber in dem von ihm geschaffenen Dickicht von Bußgeldvorschriften selbst verirrt. Denn § 39 WpHG zeichnet sich durch eine extreme Unübersichtlichkeit aus, die durch die letzten Reformen immer weiter zugenommen hat. Bei der Bemessung des Bußgelds ist daher zu berücksichtigen, dass die Pflicht zur Übersendung des Belegs unbedeutender ist als die Pflicht zur Übermittlung der Information an das Unternehmensregister. Zu weiteren Einzelheiten vgl. die Kommentierung zu § 39 WpHG. d) Verstoß gegen die Pflicht zur Veröffentlichung des jährlichen Dokuments Verstößt der Emittent vorsätzlich oder leichtfertig gegen die Pflicht zur Veröffentlichung des jährlichen Dokuments, liegt eine Ordnungswidrigkeit nach § 30 Abs. 1 Nr. 4 WpPG vor. Als Tathandlung sind die unterlassene, nicht richtige, nicht vollständige, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellte Publikation des jährlichen Dokuments oder die unterlassene oder nicht rechtzeitige Hinterlegung dieses Dokuments erfasst. Das Bußgeld kann nach § 30 1 BaFin, Emittentenleitfaden 2005, S. 81; im Emittentenleitfaden 2009 findet sich hierzu keine Vorgabe mehr; Süßmann, in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, 1. Aufl. 2004, S. 670 Rz. 37, unter Hinweis auf OLG Frankfurt/M. v. 22.4.2003 – WpÜG-OWi 3/02, NJW 2003, 2111 f. (zum WpÜG); Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 79. 2 Dies übersieht Osterloh, Directors’ Dealings, S. 200. 3 RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 47 (zu lit. c).
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Abs. 3 WpPG bis zu 50 000 Euro bei Vorsatz und 25 000 Euro bei Leichtfertigkeit (§ 17 Abs. 2 OWiG) betragen. e) Verstoß gegen eine vollziehbare Anordnung 135 Wird vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine vollziehbare Anordnung nach § 4 Abs. 3 WpHG (s. oben Rz. 125 f.) verstoßen, erfüllt dies den Bußgeldtatbestand des § 39 Abs. 3 Nr. 1 lit. a WpHG. Das Bußgeld kann nach § 39 Abs. 4 bis zu 50 000 Euro bei Vorsatz und 25 000 Euro bei Fahrlässigkeit (§ 17 Abs. 2 OWiG) betragen. Zu weiteren Einzelheiten vgl. die Kommentierung zu §§ 4 und 39 WpHG. 2. Strafrechtliche Sanktionen 136 Im Übrigen können vorsätzliche Verletzungen der Pflichten aus § 15a WpHG im Einzelfall durchaus Marktmanipulationen nach § 20a WpHG darstellen, die nach §§ 38 Abs. 2, 39 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 WpHG strafbewehrt sind1. 3. Naming and shaming 137 Die BaFin darf unanfechtbar festgestellte Verstöße gegen § 15a WpHG auf ihrer Homepage veröffentlichen, soweit dies zur Beseitigung von Missständen oder zu deren Verhinderung geeignet und erforderlich ist (§ 40b Satz 1 WpHG). Es greift jedoch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein, weshalb eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter notwendig ist2. Denn die im anglo-amerikanischen Recht unter dem Schlagwort „naming and shaming“ bekannte Maßnahme hat indirekten Sanktionscharakter. 4. Zivilrechtliche Sanktionen a) Nichtigkeit nach § 134 BGB 138 Da es sich bei § 15a WpHG nicht um ein gesetzliches Verbot, sondern um eine Publizitätspflicht handelt, die lediglich an bereits geschlossene zivilrechtliche Verträge anknüpft, führt ein Verstoß gegen § 15a WpHG nicht zu einer Nichtigkeit der Transaktion nach § 134 BGB3. b) Haftung aus §§ 37b, 37c WpHG 139 Eine Haftung nach den §§ 37b, 37c WpHG scheidet aus, weil diese Normen nur bei einer Verletzung des § 15 WpHG eingreifen4. c) Deliktische Haftung 140 Die Frage, ob ein Verstoß gegen § 15a WpHG Schadensersatzansprüche auslöst, hat der Gesetzgeber nicht ausdrücklich entschieden. Anhaltspunkte ergeben sich jedoch aus den Gesetzesmaterialien zur Regelung des § 15 Abs. 6 WpHG und der §§ 37b, 1 Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 474; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 81. 2 RegE AnSVG, BT-Drucks. 15/3174, S. 41; Holzborn/Israel, WM 2004, 1948 (1949 f.); Osterloh, Directors’ Dealings, S. 201. 3 Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 198. 4 Ebenso Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 110.
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37c WpHG. Dort findet sich die Aussage, dass die Ad-hoc-Publizität allein den Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts betrifft und § 15 WpHG daher nicht als Schutzgesetz i.S. des § 823 Abs. 2 BGB zu begreifen sei1. Auf Grund seiner Funktion und systematischen Stellung wird man im Hinblick auf § 15a WpHG zu dem gleichen Ergebnis kommen müssen. Die Publizitätspflicht entfaltet Indikatorfunktion und soll Insiderhandel vorbeugen (s. oben Rz. 10 ff.). Anhaltspunkte dafür, dass bei § 15a WpHG auch ein Individualschutz bezweckt war, sind nicht ersichtlich2. Gleiches muss für den Verstoß gegen § 10 WpPG gelten3. Ein Verstoß gegen § 15a WpHG kann jedoch durchaus Ansprüche nach § 826 BGB auslösen. Wie auch § 15 Abs. 6 Satz 2 WpHG für die Ad-hoc-Publizität klarstellt, kann sich ein geschädigter Anleger stets auf diesen allgemeinen Schadensersatzanspruch berufen. Wenn der Gesetzgeber schon innerhalb der sehr restriktiven Regelung des § 15 Abs. 6 WpHG klarstellt, dass Schadensersatzansprüche aus § 826 BGB unberührt bleiben, muss dies erst recht für § 15a WpHG gelten4.
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d) Verletzung des Deutschen Corporate Governance Kodex Auf Grund von Ziff. 6.6 des Deutschen Corporate Governance Kodex5 muss der 142 Emittent bestimmte Angaben zu Directors’ Dealings machen (dazu unten Rz. 154 ff.). Soweit ein Verstoß gegen den Kodex überhaupt zu einer Haftung führt6, greift diese dann auch bei einem Verstoß gegen Ziff. 6.6 des Kodex ein7. e) Entwurf eines Kapitalmarktinformationshaftungsgesetzes Der Entwurf des Kapitalmarktinformationshaftungsgesetzes8 sah in § 37a WpHG-E ei- 143 ne Haftungsregelung vor, die auch fehlerhafte Meldungen über Directors’ Dealings erfasst hätte. § 37a WpHG-E lautete: „Wer als Emittent von Finanzinstrumenten, die an 1 Begr. RegE des 4. FFG, BT-Drucks. 14/8017, S. 87. 2 Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 15a WpHG Rz. 10; Fischer zu Cramburg/Hannich, Directors’ Dealings, S. 57; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 82; Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 14.281; Osterloh, Directors’ Dealings, S. 202 f.; Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 203; Przewlocka, S. 42; Schäfer, in: MarschBarner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 15 Rz. 24; Schuster, ZHR 167 (2002), 193 (214 f.); Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 110; offen gelassen bei Holzborn/Foelsch, NJW 2003, 932 (937 f.); Fleischer, ZIP 2002, 1217 (1228). 3 Ebenso Hamann, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 10 WpPG Rz. 23. 4 Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 15a WpHG Rz. 10; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 82; Osterloh, Directors’ Dealings, S. 202; Przewlocka, S. 42; Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 15 Rz. 25; Schuster, ZHR 167 (2002), 193 (215); Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 110; im Ergebnis auch Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 199. 5 Die aktuelle Fassung ist abrufbar unter www.corporate-governance-code.de. 6 Wie weit diese reicht, ist im Einzelnen streitig, vgl. Abrahm, Ansprüche wegen Verstoßes gegen § 161 AktG oder den Deutschen Corporate Governance Kodex – Ein Literaturbericht, ZBB 2003, 41 ff.; Hüffer, § 161 AktG Rz. 28 ff.; Marsch-Barner, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 2 Rz. 74 ff.; Semler, in: MünchKomm. AktG, 2. Aufl. 2003, § 161 AktG Rz. 187 ff.; Steinat, Comply or Explain – Die Akzeptanz von Corporate Governance Kodizes in Deutschland und Großbritannien, Beiträge zum Transnationalen Wirtschaftsrecht, hrsg. v. Tietje/Kraft/Sethe, Heft 39, 2005, S. 10 ff. jeweils m.w.N. 7 Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 15 Rz. 26. 8 Erster Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Haftung für falsche Kapitalmarktinformationen (Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz – KapInHaG) vom 16.8.2004 (unveröffentlicht) und Zweiter Entwurf vom 7.10.2004 (abgedruckt in NZG 2004, 1042 ff.).
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einer inländischen Börse zum Handel zugelassen sind oder für die er eine solche Zulassung beantragt hat, in öffentlichen Bekanntmachungen oder Mitteilungen über geschäftliche Verhältnisse, die zur Erstellung von Finanzanalysen oder für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, unrichtige Angaben über Umstände macht, die für die Bewertung dieses Finanzinstruments erheblich sind, oder solche Umstände entgegen bestehenden Rechtsvorschriften verschweigt, haftet nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen auf Schadensersatz, wenn die Angaben oder das Verschweigen geeignet sind, auf den Börsenpreis des Finanzinstruments einzuwirken, es sei denn, dass er die Unrichtigkeit der Angabe nicht gekannt hat und die Unkenntnis oder das Verschweigen nicht auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruht. Für mündliche Erklärungen haftet der Emittent nur, wenn diese in Ansprachen oder Auskünften im Rahmen der Hauptversammlung oder einer vom Emittenten veranlassten Informationsveranstaltung abgegeben werden.“ Die Absätze 2 bis 7 des § 37a WpHG-E sahen eine Haftung auch der Organmitglieder vor. Die Anwendung der geplanten Vorschrift auf fehlerhafte Mitteilung über Directors’ Dealings offenbarte zahlreiche praktische Schwierigkeiten1. Auf diese ist nicht näher einzugehen, da der Entwurf des KapInHaG nach massiver Kritik aus dem Schrifttum und der Praxis am 10.11.2004 vom Bundesfinanzministerium zurückgezogen wurde2. f) Gewinnabschöpfungsanspruch 144 Rechtspolitisch wird die Frage diskutiert, ob man einen Gewinnabschöpfungsanspruch für jede Form der Directors’ Dealings einführen soll3 oder zumindest für Fälle, in denen Führungspersonen gegen die Mitteilungspflichten des § 15a WpHG verstoßen haben4. Eine generelle Gewinnabschöpfung erscheint unverhältnismäßig, da man damit die gewünschte Bindung der Organmitglieder an das Unternehmen verhindert (dazu oben Rz. 17 a.E.)5. Für den Weg einer Gewinnabschöpfung bei Verstößen gegen § 15a WpHG spricht allenfalls, dass sich die Bußgelder als wenig wirksame Sanktion erweisen, wenn etwa Organmitglieder eine Lock-up-Vereinbarung brechen und „Kasse machen“6. Das Bußgeld wird im Vergleich zu den erzielten Veräußerungsgewinnen oft vergleichsweise gering ausfallen7. Dies allein rechtfertigt jedoch keine Verschärfung des § 15a WpHG, sondern spricht für wirksame Vertragsstrafen bei Lock-up-Vereinbarungen.
X. Verhältnis des § 15a WpHG zu weiteren Publizitätspflichten innerhalb und außerhalb des WpHG 145 Innerhalb und außerhalb des Wertpapierhandelsgesetzes finden sich zahlreiche Regelungen, die eine Veröffentlichung von Erwerbs- und Veräußerungsvorgängen oder die Angabe der genauen Höhe des Anteilsbesitzes von Verwaltungsmitgliedern vorsehen.
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Veil, ZGR 2005, 155 (166 f.). Vgl. dazu unten §§ 37b, 37c Rz. 26 ff. m.w.N. Vgl. etwa Baums, Anlegerschutz und Neuer Markt, ZHR 166 (2002), 375 (379). Veil, ZGR 2005, 155 (190 ff.); ihm folgend Riedl, Transparenz, S. 64. Zu Recht skeptisch Veil, ZGR 2005, 155 (188 ff.); Schuster, ZHR 167 (2002), 193 (212 f.). So auch Veil, ZGR 2005, 155 (190 ff.). Veil, ZGR 2005, 155 (168 f.), belegt, dass das Ordnungswidrigkeitenrecht hier eine Schwachstelle aufweist; a.A. Schuster, ZHR 167 (2002), 193 (213).
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1. Ad-hoc-Publizität (§ 15 WpHG) Die Pflichten zur Mitteilung und Veröffentlichung der Directors’ Dealings aus § 15a 146 WpHG und die Pflicht zur Meldung von Ad-hoc-Mitteilungen nach § 15 WpHG bestehen grundsätzlich nebeneinander, da sich die Tatbestände von ihren Voraussetzungen und der Art und Weise der Herstellung von Publizität deutlich unterscheiden1. So ist beispielsweise bei einer kurserheblichen Änderung der Beteiligungsstruktur am Emittenten (z.B. Paketverkauf eines Vorstandsmitglieds) sowohl eine Ad-hoc-Mitteilung als auch ein Meldung der Directors’ Dealings notwendig2. 2. Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten bei Veränderungen des Stimmrechtsanteils (§§ 21 ff. WpHG) Eine Meldepflicht für den Anteilsbesitz selbst ergibt sich – sofern die Schwellenwer- 147 te überschritten sind – aus den §§ 21 ff., 25 WpHG. Die §§ 21 ff. WpHG sind keineswegs lex specialis zu den §§ 15, 15a WpHG; vielmehr sind beide Regelungsbereiche auf Grund ihrer jeweils eigenen Zielsetzung, die sich auch in unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen (insbesondere in Bezug auf ihren persönlichen Anwendungsbereich und den unterschiedlichen Zeitvorgaben für eine Meldung) niederschlägt, nebeneinander anzuwenden3. 3. Publizitätspflichten bei der Börsenzulassung Eng mit dem in § 15a WpHG verfolgten Ziel einer Erhöhung der Markttransparenz 148 verknüpft ist die Regelung der § 32 Abs. 3 Nr. 2 BörsG, § 7 WpPG4 i.V.m. Anhang I Nr. 15.1 der VO EG Nr. 809/20045. Danach ist die Vergütung der Mitglieder der Verwaltungs-, Management- oder Aufsichtsorgane, der persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, der Gründer, wenn es sich um eine Gesellschaft handelt, die seit weniger als fünf Jahren besteht, und bestimmter Mitglieder des oberen Managements offen zu legen. Angegeben werden muss der Betrag der gezahlten Vergütung (einschließlich etwaiger erfolgsgebundener oder nachträglicher Vergütungen) und Sachleistungen, die diesen Personen von der emittierenden Gesellschaft und ihren Tochterunternehmen für Dienstleistungen jeglicher Art gezahlt oder gewährt werden, die der emittierenden Gesellschaft oder ihren Tochtergesellschaften von einer jeglichen Person erbracht wurden. Nach Anhang I Nr. 17.2 sind in Bezug auf die genannten Personen so aktuelle Informationen wie möglich über ihren Aktienbesitz und etwaige Optionen auf Aktien der emittierenden Gesell1 Ebenso oben Assmann, § 15 Rz. 96; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 6. Missverständlich Möllers, in: Möllers/Rotter, Ad-hoc-Publizität, 2003, § 72 Rz. 29, der die Pflichten aus § 15 WpHG und § 15a WpHG als nebeneinander bestehend begreift, § 15a WpHG gleichwohl als lex specialis zu § 15 WpHG bezeichnet. 2 Gunßer, Ad-hoc-Publizität, S. 167 f.; im Ergebnis auch Zimmer/Osterloh, in: Schwark/ Zimmer, § 15a WpHG Rz. 21. 3 Fleischer, ZIP 2002, 1217 (1229); Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 207 ff.; Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 24. Einzelheiten unten bei Vor § 21 Rz. 56 ff. Pavlova, S. 288 f., kritisiert die unterschiedliche Terminologie bei der Bestimmung des Anwendungsbereich von § 15a WpHG einerseits und §§ 21 ff. WpHG andererseits. 4 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Prospektrichtlinie-Umsetzungsgesetz) vom 22.6.2005, BGBl. I 2005, 1698. 5 VO EG Nr. 809/2004 vom 29.4.2004, ABl. EG Nr. L 215 v. 16.6.2004, S. 61.
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schaft beizubringen. Nach Anhang III Nr. 5.2.2 muss – soweit dies dem Emittenten bekannt ist – bei der Emission neuer Aktien angegeben werden, ob einige Hauptaktionäre oder Mitglieder der Management-, Aufsichts- oder Verwaltungsorgane des Emittenten an der Zeichnung teilnehmen wollen oder ob Personen mehr als 5 % des Angebots zeichnen wollen. Diese Regelung unterscheidet sich von § 15a WpHG. Dieser erfasst nur bestimmte Veränderungen des Aktien- und Derivatebestands der Führungsebene des Emittenten, während Anhang I Nr. 15.1 bereits für die Gewährung von Optionen und Nr. 17.2 die Offenlegung des Anteilsbesitzes gilt. Die Vorschriften stehen daher in keinem Spezialitätsverhältnis und sind völlig eigenständig anzuwenden1. 4. Übernahmerecht 149 Nach §§ 34, 10 Abs. 6 WpÜG gilt die Ad-hoc-Publizität des § 15 WpHG nicht für Entscheidungen zur Abgabe eines Angebots nach dem WpÜG. Da sich diese Regelung des Konkurrenzverhältnisses von Übernahmerecht und Wertpapierhandelsrecht ausdrücklich nur auf § 15 WpHG bezieht, wird man im Umkehrschluss2 feststellen müssen, dass es keinen generellen Vorrang des Übernahmerechts vor § 15a WpHG gibt. Hierfür spricht auch der Umstand, dass die jeweils verfolgten Schutzzwecke unterschiedlich sind3. Erwirbt also beispielsweise der Bieter von einer Person mit Führungsaufgaben bei der börsennotierten Zielgesellschaft ein Aktienpaket, wird durch den Verkauf grundsätzlich die Pflicht zur Veröffentlichung der Directors’ Dealings ausgelöst. Dies gilt selbst dann, wenn der Kauf noch unter der Bedingung der späteren Angabe eines Übernahmeangebots steht (s. oben Rz. 73). 150 Hiervon wird man allerdings für den Fall eine Ausnahme machen müssen, dass der Paketerwerb Teil einer Gesamtstrategie des Bieters auf Übernahme der börsennotierten Zielgesellschaft ist, der Bieter aber das Übernahmeangebot noch nicht abgeben muss, weil die endgültige Entscheidung über die Übernahme noch aussteht. Würde man hier eine Veröffentlichung der – ebenfalls noch nicht endgültigen – Directors’ Dealings verlangen, würde dies Gerüchte am Markt auslösen und Spekulationen anheizen, obwohl die Übernahme noch nicht spruchreif ist. Das wiederum beeinträchtigt bei einem freundlichen Übernahmeangebot die berechtigten Interessen der Zielgesellschaft und die Interessen des Bieters. Zudem würde der Markt irritiert, da die endgültige Entscheidung tatsächlich noch aussteht. § 15a WpHG sieht für diesen Fall keinen Befreiungstatbestand vor. Wenn ein solcher Vorgang nach § 15 Abs. 3 WpHG von einer Veröffentlichung befreit ist, also eine Abwägung der Interessen der Zielgesellschaft mit denen des Anlegerpublikums ergibt, dass das Interesse des Publikums zurücktreten muss4, kann diese Wertung nicht dadurch konterkariert werden, dass die Geschäfte einer Person mit Führungsaufgaben veröffentlicht werden müssen. Der Tatbestand des § 15 Abs. 3 WpHG ist in diesem Fall analog anzuwenden5 und die Pflichten nach § 15a Abs. 4 Satz 1 ruhen, solange zugunsten der Zielgesellschaft der Befreiungstatbestand des § 15 Abs. 3 WpHG vorliegt. Nicht berührt wird hin1 Ebenso Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 8. 2 Dass kein Erst-Recht-Schluss angebracht ist, zeigt sich daran, dass der Gesetzgeber die Regelung des § 10 Abs. 6 WpÜG ihrerseits als eng auszulegende Ausnahme ansieht, vgl. RegE WpÜG, BT-Drucks. 574/01, S. 97. 3 Ausführlich Gunßer, Ad-hoc-Publizität, S. 165 ff. 4 Oben Assmann, § 15 Rz. 153. 5 Gunßer, Ad-hoc-Publizität, S. 174 ff., 216, der nachweist, dass die Regelungszwecke des § 15a WpHG in diesem Fall nicht einschlägig sind. Ebenso Assmann, Unternehmenszusammenschlüsse und Kapitalmarktrecht, ZHR 172 (2008), 635 (654).
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gegen die Mitteilungspflicht nach § 15a Abs. 1 WpHG, so dass die BaFin über alle Umstände im Bilde ist und in die Lage versetzt wird, ggf. Insiderhandel im Vorfeld des Paketerwerbs zu verfolgen1. Die Analogie zu § 15 Abs. 3 WpHG bezieht sich daher nur auf die Veröffentlichungspflicht nach § 15a Abs. 4 Satz 1 WpHG. Am Rande angemerkt sei, dass mit dieser Lösung zugleich gewährleistet wird, dass der Paketverkäufer die in solchen Fällen in der Praxis übliche Verschwiegenheitsvereinbarung einhalten kann. Eine solche Vereinbarung kann zwar nicht Maßstab für die Auslegung des Aufsichtsrechts sein. Wenn es aber – gestützt auf aufsichtsrechtliche Erwägungen – zu einem Gleichlauf von Aufsichtsrecht und Parteiinteressen kommt, ist dies sicherlich zu begrüßen. Kann der börsennotierte Bieter den Tatbestand des § 15 Abs. 3 WpHG für sich in Anspruch nehmen2, stellt sich die Anschlussfrage, welche Auswirkungen dies auf Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten einer ebenfalls börsennotierten Zielgesellschaft hat. Erfährt diese von der hinreichend konkreten Übernahmeabsicht und einem Paketverkauf einer ihrer Führungsperson an den Bieter, müsste sie diese Informationen nach § 15 WpHG bzw. § 15a WpHG veröffentlichen. Zu Recht wird in diesem Fall eine teleologische Extension des § 15 Abs. 3 WpHG bejaht, so dass die Zielgesellschaft berechtigt und verpflichtet ist, von einer Ad-hoc-Meldung3 und der Veröffentlichung der Directors’ Dealings4 abzusehen, solange der Bieter § 15 Abs. 3 WpHG in Anspruch nehmen kann. Ansonsten würde der Befreiungstatbestand des § 15 Abs. 3 WpHG für den Bieter leer laufen.
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Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 WpÜG müssen die Mitglieder des Vorstands und des 152 Aufsichtsrats, soweit sie Inhaber von Wertpapieren der Zielgesellschaft sind, mitteilen, ob sie das Angebot des Bieters annehmen wollen. Die Vorschrift verfolgt eine andere Zielsetzung als § 15a WpHG, da die übrigen Aktionäre der Zielgesellschaft aus der Verkaufsabsicht der Organmitglieder ihre Schlußfolgerungen ziehen können. Anders als bei § 15a WpHG ist bereits die Verkaufsabsicht mitteilungspflichtigt. Beide Vorschriften sind daher nebeneinander anzuwenden5. 5. Aufsichtsrechtliche Pflichten Zu den aufsichtsrechtlichen Anzeigepflichten bei Erwerb einer bedeutenden Betei- 153 ligung an einem Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut sowie einer Versicherung vgl. 5. Aufl., Vor § 21 Rz. 88 ff. Zu den Pflichten der Führungspersonen von Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach § 33 WpHG und bei Mitarbeitergeschäften vgl. §§ 33, 33b WpHG. 6. Gesellschaftsrechtliche Regelungen Der am 26.2.2002 publizierte und am 26.5.2010 letztmals aktualisierte Deutsche Corporate Governance Kodex6 enthält in Ziff. 6.6 eine Regelung über Directors’ 1 2 3 4 5
Gunßer, Ad-hoc-Publizität, S. 180 f. Hierzu ausführlich oben Assmann, § 15 Rz. 153. Oben Assmann, § 15 Rz. 154; Gunßer, Ad-hoc-Publizität, S. 141 f., 162 f. Gunßer, Ad-hoc-Publizität, S. 180, 216 f. Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15a Rz. 7; Zimmer/Osterloh, in: Schwark/Zimmer, § 15a WpHG Rz. 25. 6 Die aktuelle Fassung ist abrufbar unter www.corporate-governance-code.de. Zum Kodex etwa Assmann, Corporate Governance im Schnittfeld von Gesellschaftsrecht und Kapitalmarktrecht, in: FS Kümpel, 2003, S. 1 ff.; Claussen/Bröcker, Der Corporate Governance
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Dealings: „Über die gesetzliche Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung und Veröffentlichung von Geschäften in Aktien der Gesellschaft hinaus, soll der Besitz von Aktien der Gesellschaft oder sich darauf beziehender Finanzinstrumente von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern angegeben werden, wenn er direkt oder indirekt größer als 1 % der von der Gesellschaft ausgegebenen Aktien ist. Übersteigt der Gesamtbesitz aller Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder 1 % der von der Gesellschaft ausgegebenen Aktien, soll der Gesamtbesitz getrennt nach Vorstand und Aufsichtsrat angegeben werden. Die vorgenannten Angaben sollen im Corporate Governance Bericht enthalten sein.“ 155 Die Eingangsformulierung „Über die gesetzliche Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung und Veröffentlichung von Geschäften in Aktien der Gesellschaft …“ gibt die gesetzliche Mitteilungspflicht des § 15a WpHG nicht präzise wieder. Es besteht jedoch Einigkeit, dass hierdurch keine abweichende oder gar zusätzliche Meldepflicht begründet werden sollte, sondern die verkürzte Formulierung allein der besseren Lesbarkeit dient1. Der Kodex geht über die Pflichten nach § 15a WpHG hinaus2, der nur die Angabe der einzelnen Transaktionen erfordert. Eine gesetzliche Pflicht für Organmitglieder, ihren Gesamtbestand an Aktien des Emittenten zu publizieren, besteht nicht, es sei denn, die Meldeschwellen des § 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG sind erreicht worden. Auch kann das Publikum den Gesamtbestand nicht errechnen, da das Gesetz keine Initialmeldung des Gesamtbestands bei Amtsübernahme der Führungsperson vorsieht (s. Rz. 12, 43, 102). Damit das Publikum weiß, welchen Einfluss die einzelnen Organmitglieder durch Beteiligungsbesitz ausüben können3, verpflichtet der Kodex deshalb jede Führungsperson ab einer Meldeschwelle von 1 % (Ziff. 6.6 Satz 1 DCGK) zur Angabe des ihr zustehenden Bestands an Aktien und sich darauf beziehenden Finanzinstrumenten. Durch die Formulierung „direkt oder indirekt“ wird den Organmitgliedern auch der Besitz naher Angehöriger und nahestehender Unternehmen zugerechnet (die aber nicht namentlich aufgeführt zu werden brauchen)4. Die Regelung bewirkt außerdem, dass sämtliche Directors’ Dealings des letzten Geschäftsjahres zusammengefasst aufgeführt werden. Diese Publizitätsverpflichtung ergänzt die des § 10 WpPG, wonach jährlich ein Dokument mit allen gesetzlichen Meldungen zu publizieren ist. Liegen die Voraussetzungen von Ziff. 6.6 Satz 1 DCGK
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Kodex aus der Perspektive der kleinen und mittleren Börsen-AG, DB 2002, 1199; Ettinger/ Grützediek, Haftungsrisiken im Zusammenhang mit der Abgabe der Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG, AG 2003, 353; Gelhausen/Hönsch, Folgen der Änderung des Deutschen Corporate Governance Kodex für die Entsprechenserklärung, AG 2003, 367; Gruson/Kubicek, Der Sarbanes-Oxley Act, Corporate Governance und das deutsche Aktienrecht, AG 2003, 337 (I), 393 (II); Lenenbach, Kapitalmarktrecht, Rz. 1.127 ff.; Peltzer, Deutsche Corporate Governance, 2. Aufl. 2004; Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, 4. Aufl. 2010, S. 1 ff.; Ruhnke, Prüfung der Einhaltung des Deutschen Corporate Governance Kodex durch den Abschlussprüfer, AG 2003, 371; Seibert, Der Deutsche Corporate Governance Kodex ist da!, BB 2002, 581; Seibt, Deutscher Corporate Governance Kodex und Entsprechens-Erklärung (§ 161 AktG-E), AG 2002, 249; Ulmer, Der deutsche Corporate Governance Kodex – ein neues Regulierungsinstrument für börsennotierte Aktiengesellschaften, ZHR 166 (2002), 150; v. Werder, Der Deutsche Corporate Governance Kodex – Grundlagen und Einzelbestimmungen, DB 2002, 801. Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 7. A.A. ohne Begründung und in Widerspruch zu seiner Kommentierung in Rz. 7 Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 212. Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, 4. Aufl. 2010, Rz. 1242. Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, 4. Aufl. 2010, Rz. 1244.
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nicht vor, übersteigt aber der addierte Bestand der Aktien aller Organmitglieder die 1-Prozent-Schwelle, ist der Gesamtbesitz nach Vorstand und Aufsichtsrat getrennt anzugeben (Ziff. 6.6 Satz 2 DCGK). Von einer individualisierten Auflistung nach Organmitgliedern hat man bewusst abgesehen, da diese keinen zusätzlichen Erkenntniswert hat1. Mit der Ziff. 6.6 DCGK wird eine so genannte Empfehlung ausgesprochen, von der 156 die Gesellschaften abweichen können. Sie sind in diesem Fall jedoch verpflichtet, den Umstand, dass sie vom Kodex abweichen, offen zu legen. Denn der Kodex begründet keine Verpflichtung zur Einhaltung seiner Empfehlungen, sondern gemäß der Präambel des Kodex allein die Pflicht, im jährlichen Turnus zu erklären, ob und inwieweit die Gesellschaft dem Kodex folgt („comply or explain“). Die Erklärung ist auf Grund von § 161 AktG von jeder börsennotierten Gesellschaft abzugeben, im Internet zu veröffentlichen und gemäß §§ 285 Nr. 16, 314 Abs. 1 Nr. 8, 325 Abs. 1 Satz 1 HGB2 in den Jahresabschluss und ggf. den Konzernabschluss aufzunehmen. Allerdings bereitet den Prüfern der Umstand Schwierigkeiten, dass die nach § 15a WpHG und nach Ziff. 6.6 des Kodex mitteilungspflichtigen Personen ihre Aktiengeschäfte als Privatleute getätigt haben und sie nicht nach § 320 HGB zur Mitwirkung an der Anschlussprüfung oder zur Auskunft verpflichtet sind3. Die Entsprechenserklärung enthält eine vergangensheitsbezogene Komponente, mit der die Gesellschaft versichert, dass dem Kodex entsprochen wurde bzw. Abweichungen aufgedeckt wurden, und eine zukunftsbezogene Komponente, ob man dies auch künftig zu tun gedenkt oder vom Kodex abweichen will. Stellt sich im Folgejahr heraus, dass die Gesellschaft sich nicht an die zukunftsbezogene Komponente gehalten hat, mus sie die Entsprechenserklärung für das letzte Jahr korrigieren4. 7. Bilanzrechtliche Vorschriften Nach § 285 Satz 1 Nr. 9 lit. a und b HGB sind die Gesamtbezüge der Organmitglieder 157 und damit auch Bezugsrechte anzugeben, es sei denn, die Ausnahmevorschrift des § 286 Abs. 4 HGB greift ein. Der Gesetzgeber hat § 285 Satz 1 Nr. 9 lit. a HGB dahingehend verschärft5, dass börsennotierte Aktiengesellschaften zusätzlich unter Namensnennung die Bezüge jedes einzelnen Vorstandsmitglieds, aufgeteilt nach erfolgsunabhängigen und erfolgsbezogenen Komponenten sowie Komponenten mit langfristiger Anreizwirkung, gesondert anzugeben haben. Dies gilt auch für Leistungen, die dem Vorstandsmitglied für den Fall der Beendigung seiner Tätigkeit zugesagt worden sind. Enthält der Jahresabschluss weitergehende Angaben zu bestimmten Bezügen, sind auch diese zusätzlich einzeln anzugeben. Die Hauptversammlung kann mit einer Drei-Viertel-Mehrheit für einen Zeitraum von bis zu 5 Jahren beschließen, diese Angaben nicht zu veröffentlichen (§ 286 Abs. 5 HGB). Gemäß § 289 Abs. 2 Nr. 5 HGB sind bei börsennotierten Aktiengesellschaften zudem die Grundzüge des Vergütungssystems der Gesellschaft für die in § 285 Satz 1 Nr. 9 HGB genannten Ge1 Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Deutscher Corporate Governance Kodex, 4. Aufl. 2010, Rz. 1245. 2 Die Bestimmungen wurden durch das Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz) vom 19.7.2002, BGBl. I 2002, 2681, eingefügt. 3 Gelhausen/Hönsch, Deutscher Corporate Governance Kodex und Abschlussprüfung, AG 2002, 529 (535). 4 Pfüller, in: Fuchs, § 15a WpHG Rz. 8. 5 Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen (Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz – VorstOG) vom 3.8.2005, BGBl. I 2005, 2267.
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samtbezüge anzugeben. In §§ 314 Abs. 1 Nr. 6 lit. a, Abs. 2 Satz 2, 315 Abs. 2 Nr. 4 HGB finden sich für den Konzernabschluss parallele Regelungen. 8. Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetz 158 Die BaFin unterfällt dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes. Pläne für eine Bereichsausnahme zugunsten von Bundesbank und BaFin1 konnten sich zu Recht nicht durchsetzen und wären auch systemwidrig gewesen2, denn bereits das IFG selbst regelt das Spannungsverhältnis zwischen Informationsanspruch und Geheimnisschutz. Der Anspruch der Bürger nach §§ 1, 2 IFG richtet sich auf alle Informationen, die die Bundesbehörden im Rahmen ihrer behördlichen Aufgabenerfüllung erlangen3, wozu auch die von der BaFin im Wege von § 15a WpHG erlangten Meldungen gehören. Da die nach § 15a Abs. 1 WpHG erlangten Informationen ohnehin gemäß § 15a Abs. 4 WpHG veröffentlicht werden, kann die BaFin sich nicht auf Geheimhaltungsinteressen nach § 3 Nr. 4 IFG i.V.m. § 8 WpHG berufen4. Allerdings kann sie die Antragsteller gemäß § 9 Abs. 3 IFG auf das Unternehmensregister verweisen, bei dem diese Informationen hinterlegt sind (s. oben Rz. 122)5.
§ 15b Führung von Insiderverzeichnissen (1) Emittenten nach § 15 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 und in ihrem Auftrag oder für ihre Rechnung handelnde Personen haben Verzeichnisse über solche Personen zu führen, die für sie tätig sind und bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen haben. Die nach Satz 1 Verpflichteten müssen diese Verzeichnisse unverzüglich aktualisieren und der Bundesanstalt auf Verlangen übermitteln. Die in den Verzeichnissen geführten Personen sind durch die Emittenten über die rechtlichen Pflichten, die sich aus dem Zugang zu Insiderinformationen ergeben, sowie über die Rechtsfolgen von Verstößen aufzuklären. Als im Auftrag oder für Rechnung des Emittenten handelnde Personen gelten nicht die in § 323 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs genannten Personen. (2) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen erlassen über 1. Umfang und Form der Verzeichnisse, 2. die in den Verzeichnissen enthaltenen Daten, 3. die Aktualisierung und die Datenpflege bezüglich der Verzeichnisse, 4. den Zeitraum, über den die Verzeichnisse aufbewahrt werden müssen, und 5. Fristen für die Vernichtung der Verzeichnisse. 1 Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften der Zahlungsdiensterichtlinie (Zahlungsdiensteumsetzungsgesetz), BR-Drucks. 827/08, S. 3. 2 Gurlit, WM 2009, 773 (774). 3 Zu Einzelheiten s. oben Döhmel § 8 Rz. 22 ff.; Möllers, in: KölnKomm. WpHG, § 8 Rz. 60 ff. Grundlegend zum Verhältnis des IFG zum WpHG auch Möllers/Wenninger, ZHR 170 (2006), 455 ff. 4 Gurlit, WM 2009, 773 (778); Möllers, in: KölnKomm. WpHG, § 8 Rz. 69. 5 Gurlit, WM 2009, 773 (776).
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§ 15b
Führung von Insiderverzeichnissen
Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übertragen. In der Fassung des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 5.1.2007 (BGBl. I 2007, 10). Europäische Rechtsakte: Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EG Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16. Richtlinie 2004/72/EG der Kommission vom 29.4.2004 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates – Zulässige Marktpraktiken, Definition von Insider-Informationen in Bezug auf Warenderivate, Erstellung von Insider-Verzeichnissen, Meldung von Eigengeschäften und Meldung verdächtiger Transaktionen, ABl. EG Nr. L 162 v. 30.4.2004, S. 70. Schrifttum: Brandi/Süßmann, Neue Insiderregeln und Ad-hoc-Publizität – Folgen für Ablauf und Gestaltung von M&A-Transaktionen, AG 2004, 642; Bürgers, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, BKR 2004, 424; von Buttlar, Kapitalmarktrechtliche Pflichten in der Insolvenz, BB 2010, 1355; Dreyling, Die Umsetzung der Marktmissbrauchs-Richtlinie über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation, Der Konzern 2005, 1; Freiherr von Falkenhausen/Widder, Die befugte Weitergabe von Insiderinformationen nach dem AnSVG, BB 2005, 225; Grothaus, Reform des Insiderrechts: Großer Aufwand – viel Rechtsunsicherheit – wenig Nutzen?, ZBB 2005, 62; Holzborn/Israel, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz – Die Veränderungen im WpHG, VerkProspG und BörsG und ihre Auswirkungen in der Praxis, WM 2004, 1948; Kirschhöfer, Führung von Insiderverzeichnissen bei Emittenten und externen Dienstleistern, Der Konzern 2005, 22; Klawitter, Kapitalmarktrechtliche Folgepflichten eines börsennotierten Unternehmens, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 2. Aufl. 2008, § 32; Koch, Neuerungen im Insiderrecht und der Ad-hoc-Publizität, DB 2005, 267; Kuthe, Änderungen des Kapitalmarktrechts durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, ZIP 2004, 883; Lührs/Korff, Der Zeitpunkt für das Führen von Insiderverzeichnissen, ZIP 2008, 2159; Möllers, Effizienz als Maßstab des Kapitalmarktrechts, AcP 208 (2008), 1; v. Neumann-Cosel, Die Reichweite des Insiderverzeichnisses nach § 15b WpHG, 2008; Renz/Stahlke, Wird die Watch-List bei Kreditinstituten durch das Insiderverzeichnis abgelöst?, ZfgK 2006, 353; Rodewald/Tüxen, Neuregelung des Insiderrechts nach dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG) – Neue Organisationsanforderungen für Emittenten und ihre Berater, BB 2004, 2249; Sven H. Schneider, Selbstbefreiung von der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität, BB 2005, 897; Uwe. H. Schneider, Compliance als Aufgabe der Unternehmensleitung, ZIP 2003, 645; Uwe H. Schneider/von Buttlar, Die Führung von Insiderverzeichnissen: Neue Compliance-Pflichten für Emittenten, ZIP 2004, 1621; Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, 2005; Sethe, Anlegerschutz im Recht der Vermögensverwaltung, 2005; Sethe, Die Verschärfung des insiderrechtlichen Weitergabeverbots, ZBB 2006, 243; Sethe, Erweiterung der bank- und kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten um Reporting-Systeme, ZBB 2007, 421; Simon, Die neue Ad-hoc-Publizität, Der Konzern 2005, 13; Steidle/Waldeck, Die Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen unter dem Blickwinkel der informationellen Selbstbestimmung, WM 2005, 868; Süßmann, in: Park (Hrsg.), Kapitalmarktstrafrecht, 2. Aufl. 2008, Teil 4 Kap. 4 T1 = S. 784 f.; Tollkühn, Die Ad-hoc-Publizität nach dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz, ZIP 2004, 2215; Veith, Die Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 III WpHG, NZG 2005, 254; Villeda, Prävention und Repression von Insiderhandel, 2010; Ziemons, Neuerungen im Insiderrecht und bei der Ad-hoc-Publizität durch die Marktmissbrauchsrichtlinie und das Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes, NZG 2004, 537; Zimmer, Insiderverzeichnisse, in: FS Hüffer, 2010, S. 1153.
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§ 15b
Führung von Insiderverzeichnissen Inhaltsübersicht
I. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . .
1
II. Regelungsgegenstand und -ziel . . . .
2
III. Regelungsvorbilder . . . . . . . . . . . . . .
5
IV. Europarechtlicher Hintergrund . . . .
9
V. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . .
12
1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Emittenten von Finanzinstrumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Im Auftrag oder für Rechnung eines Emittenten handelnde Personen . . . 4. Ausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12
VI. Pflicht zur Führung und Aktualisierung des Insiderverzeichnisses (§ 15b Abs. 1 Satz 1, 2 WpHG) . . . . .
13 17 26
5. Pflicht zur Aktualisierung des Insiderverzeichnisses . . . . . . . . . . . . a) Auslöser der Aktualisierungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Frist. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Aufbewahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Art der Aufbewahrung . . . . . . . . . b) Aufbewahrungsfrist . . . . . . . . . . . c) Vertraulichkeit und Pflicht zur Löschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Pflicht zur Übermittlung . . . . . . . . . 8. Mögliche Verfassungswidrigkeit . . . 9. Rechte des Betriebsrats. . . . . . . . . . .
56 56 59 60 60 61 63 64 65 66
VII. Aufklärungspflicht (§ 15b Abs. 1 Satz 3 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 28
1. Anlass, Art und Aufbau des Verzeichnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 a) Anlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 b) Art des Verzeichnisses . . . . . . . . . 29 c) Aufbau des Verzeichnisses . . . . . 29a 2. In das Verzeichnis aufzunehmende Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 b) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 3. Inhalt des Verzeichnisses . . . . . . . . . 50 a) Allgemeine Angaben . . . . . . . . . . 50 b) Angaben über die zu erfassenden Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 c) Grund für die Aufnahme sowie Zeitangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 4. Grenzüberschreitende Konstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
1. 2. 3. 4.
Aufklärungspflichtiger . . . . . . . . . . . Inhalt der Aufklärung . . . . . . . . . . . . Form der Aufklärung . . . . . . . . . . . . Zeitpunkt und Wiederholung der Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69 70 72 73
VIII. Auswirkungen des § 15b WpHG . . . 74 IX. Die Verordnungsermächtigung (§ 15b Abs. 2 WpHG). . . . . . . . . . . . . 77 X. Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 1. Bußgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2. Strafvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . 81 3. Zivilrechtliche Sanktionen . . . . . . . 84 XI. Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetz . . . . . . . . . . . . . . 87
I. Entstehungsgeschichte 1
Die Vorschrift ist durch das am 30.10.2004 in Kraft getretene Anlegerschutzverbesserungsgesetz eingeführt worden1. Sie dient der Umsetzung des Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 3 der Marktmissbrauchsrichtlinie (2003/6/EG) und Art. 5 der Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG. Die Pflicht zur Führung und Aktualisierung des Verzeichnisses (§ 15b Abs. 1 Satz 1 und 2 WpHG) war bis auf kleinere sprachliche Abweichungen bereits im Referentenentwurf des AnSVG enthalten2. Die in Satz 3 enthaltene Aufklärungspflicht und die in Satz 4 geregelte Ausnahme fehlten. Sie wurden – ebenso wie die in Absatz 2 Satz 1 Nr. 5 enthaltene Regelung in Bezug auf die Fristen zur Vernichtung der Verzeichnisse – erst im Regierungsentwurf einge-
1 Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG) vom 28.10.2004 (BGBl. I 2004, 2630). 2 RefE AnSVG vom 10.3.2004, abgedruckt in ZBB 2004, 168 ff.
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fügt1. Das weitere Gesetzgebungsvorhaben passierte die Norm ohne weitere Änderungen. Durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz wurde in Absatz 1 Satz 1 die Formulierung „oder Satz 2“ ergänzt2. Die Einfügung ist eine Folge der Änderung von § 15 Abs. 1 WpHG. Es sollen auch solche Emittenten, die einen Antrag auf Zulassung ihrer Finanzinstrumente gestellt haben, zur Führung von Insiderverzeichnissen verpflichtet sein3.
II. Regelungsgegenstand und -ziel Die Regelung verpflichtet Emittenten, in einem Verzeichnis alle Personen zu erfas- 2 sen, die bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen (dazu Rz. 41)4 haben. Weiterhin muss der Emittent diesen Personenkreis über die rechtlichen Pflichten belehren, die sich aus dem Zugang zu Insiderwissen ergeben. Emittenten von Finanzinstrumenten werden damit besonderen Organisationspflichten im Hinblick auf die Compliance mit insiderrechtlichen Vorschriften unterworfen5. Wie auch die Beispiele der § 25a Abs. 1 Satz 1 KWG, §§ 10, 33 WpHG belegen, bedient sich der Gesetzgeber verstärkt des Instruments der unternehmensinternen Prävention durch Organisations-, Anzeige- und Registrierungspflichten, um Verstöße gegen das Insiderrecht zu verhindern. Die Emittenten und Wertpapierdienstleistungsunternehmen werden als Teile des Aufsichtssystems begriffen. Der Gesetzgeber verlagert Bausteine der Aufsicht in diese Unternehmen und macht diese zu seinem verlängerten Arm, was dort einen erheblichen bürokratischen Aufwand verursacht (s. auch Rz. 49)6. Für die Anwendung der Norm durch die Praxis erweist sich der 2005 von der BaFin erstmals veröffentlichte und 2009 aktualisierte Emittentenleitfaden als nützlich7. Bei ihm handelt es sich um eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift, die keine Bindungswirkung entfaltet8, der Praxis aber verdeutlicht, wie die BaFin die gesetzlichen Vorgaben versteht und anwendet. Der Vorschrift des § 15b WpHG kommen vier Funktionen zu9. (1) Die Führung des Ver- 3 zeichnisses erleichtert es den von § 15b WpHG erfassten Adressaten, innerhalb ihres Wirkungskreises den Fluss der Insiderinformationen zu überwachen und damit ihren 1 RegE AnSVG vom 30.4.2004, BR-Drucks. 341/04, S. 20, sowie vom 24.5.2004, BT-Drucks. 15/3174, S. 14. 2 Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz – TUG) vom 5.1.2007 (BGBl. I 2007, 10). 3 RegE TUG, BR-Drucks. 579/06, S. 74. 4 Zu deren Definition s. oben Assmann § 13 Rz. 4 ff. 5 Grundlegend zu Compliance Uwe. H. Schneider, ZIP 2003, 645; Hauschka, Compliance am Beispiel der Korruptionsbekämpfung, ZIP 2004, 883. S. auch unten Rz. 74 ff. 6 Diesen Aufwand kritisieren auch Bürgers, BKR 2004, 424 (426); Freiherr von Falkenhausen/ Widder, BB 2005, 225; Holzborn/Israel, WM 2004, 1948 (1952); Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 12 ff.; Uwe H. Schneider/von Buttlar, ZIP 2004, 1621; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 5; s. auch Klawitter, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 32 Rz. 43; Zimmer, Finanzmarktrecht – Quo Vadis?, BKR 2004, 421 (422) sowie unten Rz. 49. 7 Zum Leitfaden und seiner Aktualisierung s. Claussen/Florian, AG 2005, 745 ff.; Krämer/ Heinrich, ZIP 2009, 1737 ff.; Bedkowski, BB 2009, 394 ff.; Burg/Marx, AG 2009, 487 ff. 8 BGH v. 25.2.2008 – II ZB 9/07, AG 2008, 380 (382). 9 Die Gesetzesmaterialien erwähnen nur die dritte Funktion, vgl. BT-Drucks. 15/3174, S. 36. Erwägungsgrund Nr. 6 der Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG der Kommission vom
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Geheimhaltungspflichten nachzukommen (Organisations- und Überwachungsfunktion)1. (2) Die Aufklärung der Personen mit Zugang zu Insiderwissen bewirkt, dass diesem Personenkreis das Insiderhandelsverbot vor Augen geführt wird. Dadurch verstärkt sich die Abschreckungswirkung des strafrechtlich sanktionierten Verbots (Abschreckungsfunktion)2. (3) Die Vorschrift ermöglicht und erleichtert der BaFin die Überwachung von Insidergeschäften und erfüllt damit eine § 9 WpHG vergleichbare Funktion. Das der BaFin auf Verlangen zuzusendende Verzeichnis dient als Ermittlungswerkzeug (Strafverfolgungsfunktion)3. (4) Zudem wird erreicht, dass in einem späteren Strafverfahren gegen eine nach § 15b WpHG belehrte Person der Vorsatz leichter nachweisbar ist; das Vorliegen eines Verbotsirrtums ist nach der Belehrung unwahrscheinlich (Durchsetzungsfunktion)4. 4
Erwägungsgrund Nr. 6 der Durchführungsrichtlinie stellt fest, dass sowohl die Emittenten als auch die zuständigen Behörden in der Lage sein müssen, die Insiderinformationen, zu denen die einzelnen Insider Zugang haben, sowie den Zeitpunkt, zu dem sie den Zugang erhalten haben, zu ermitteln. Die Vorgaben der Richtlinie führen im Ergebnis dazu, dass Emittenten nun eine Pflicht zu organisatorischen Maßnahmen und zu internen Kontrollverfahren trifft5. § 15b WpHG schreibt zudem eine Aufklärungspflicht der Mitarbeiter vor. Angesichts dieser beiden Vorgaben ist es zumindest für größere Unternehmen in der Praxis nur noch ein kleiner Schritt, gleich eine unternehmensinterne Compliance-Richtlinie zu verabschieden6 und im Unternehmen bekannt zu machen.
III. Regelungsvorbilder 5
Die Norm ist ohne Regelungsvorbild im deutschen Kapitalmarktrecht. Zwar ist das Management jedes Unternehmens gesellschaftsrechtlich und aufsichtsrechtlich verpflichtet, organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, um die unbefugte Weitergabe von Insiderwissen nach Möglichkeit zu verhindern7. Eine ausdrückliche Pflicht zur
1
2 3
4
5 6 7
29.4.2004, ABl. EG Nr. L 162 v. 30.4.2004, S. 70, nennt die erste und dritte Funktion. Die BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 115 beschreibt immerhin die erste bis dritte Funktion. So auch Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 2; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 4. Ausführlich zu den kapitalmarktrechtlichen Organisationspflichten Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 146 ff.; Sethe, ZBB 2007, 421 ff.; Sethe, ZBB 2006, 243 (253 ff.). Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 1; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 4. So auch Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 238 f.; Eckhold, in: Schäfer/ Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 1; Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 2; kritisch dazu v. Ilberg/Neises, WM 2002, 635 (647) (unter Hinweis auf § 9) und Steidle/ Waldeck, WM 2005, 868 (871 f.) (unter Hinweis auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung); grundsätzlich ablehnend Brandi/Süßmann, AG 2004, 642 (644). Den Erfolg von funktionsbezogen aufgebauten Verzeichnissen bezweifelt auch Villeda, S. 335. Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 238 f. Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 49 und Villeda, S. 298 betonen zu Recht, dass allein die Aufnahme einer Person in das Insiderverzeichnis noch keinen Beleg für eine Kenntnis der Information darstellt und folglich nicht vom Nachweis des Vorsatzes entbindet. Uwe H. Schneider/von Buttlar, ZIP 2004, 1621 (1623). Ebenso Uwe H. Schneider/von Buttlar, ZIP 2004, 1621 (1623). Einzelheiten bei Assmann, § 14 Rz. 63 ff.; Uwe H. Schneider/von Buttlar, ZIP 2004, 1621 (1622); Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 146 ff.; Sethe, ZBB 2006, 243 (253 ff.).
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systematischen Erfassung von Personen mit Zugang zu Insiderinformationen war damit jedoch nicht verbunden. Besondere präventive Pflichten werden Wertpapierdienstleistungsunternehmen auf- 6 erlegt. Eine ausdrückliche, an Institute gerichtete Pflicht, Mitarbeiter zu erfassen, die über Insiderwissen verfügen, fand sich erstmals in den Mitarbeiterleitsätzen1 der BaFin. Aufgrund der aus § 33 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. folgenden Pflicht zur Vermeidung von Interessenkollisionen waren Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute gehalten, Wertpapiergeschäfte ihrer Mitarbeiter zu kontrollieren und Beschränkungen zu unterwerfen. Mit der Umsetzung der MiFID wurden diese Pflichten nun in § 33b WpHG (s. dort) und für Nichtwertpapierdienstleistungsunternehmen in § 25a KWG verankert2. Im Unterschied zu § 15b WpHG erfasst § 33b WpHG jedoch nicht Emittenten, sondern Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Auch weichen die Zielrichtungen der Vorschriften voneinander ab, da § 15b WpHG allein die Verhütung des Insiderhandels bezweckt (s. oben Rz. 2 f.), während § 33b WpHG die Vermeidung jeglicher Interessenkollision und Preisgabe vertraulicher Information vor Augen hat (vgl. § 33b Abs. 3 WpHG). § 15b WpHG will zudem die Verfolgung des Insiderhandels erleichtern und soll durch Aufklärung der erfassten Personen präventiv wirken (s. oben Rz. 3). Derart weit reichende Funktionen werden § 33b WpHG nicht zugeschrieben. Die in § 15b WpHG verwirklichte Idee einer systematischen Erfassung von Tatsa- 7 chen, die eine erleichterte Aufdeckung des Insiderhandels ermöglichen, lag auch der so genannten watch-list zugrunde, die von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten gemäß der Compliance-Richtlinie3 der BaFin zu führen waren. Zwar wurde die Compliance-Richtlinie zum 1.11.2007 aufgehoben, doch gelten ihre Inhalte weiterhin als best practice zur Erfüllung der Pflichten aus § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 WpHG. Bei der watch-list handelt es sich um eine nicht öffentliche, laufend aktualisierte Liste von Wertpapieren oder Derivaten, zu denen im Wertpapierdienstleistungsunternehmen Informationen über compliance-relevante Tatsachen vorliegen (meldepflichtige Werte). Hierunter sind insbesondere Insiderinformationen gemäß §§ 13, 15 WpHG zu verstehen (Ziff. 3.2.1 Compliance-Richtlinie). Mitarbeiter des Wertpapierdienstleistungsunternehmens, bei denen in Ausübung ihrer Tätigkeit compliance-relevante Informationen anfallen, müssen unverzüglich eine entsprechende Meldung an die Compliance-Stelle vornehmen, damit die watch-list ergänzt werden kann. Die watch-list wird von der Compliance-Stelle streng vertraulich geführt. Die auf der Liste vermerkten Werte unterliegen grundsätzlich keinen Handelsund/oder Beratungsbeschränkungen. Die Liste dient vielmehr dazu, der ComplianceStelle die Überwachung der Eigenhandels- bzw. Mitarbeitergeschäfte in den betreffenden Werten zu ermöglichen, um Verstöße gegen das Insiderhandelsverbot oder ge1 Bekanntmachung des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen und des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel über Anforderungen an Verhaltensregeln für Mitarbeiter der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute in Bezug auf Mitarbeitergeschäfte vom 7.6.2000 (BAnz. Nr. 131 v. 15.7.2000, S. 13 790). Dazu Eisele, in: Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2007, § 109 Rz. 130 ff.; Sethe, Anlegerschutz, S. 852 ff. 2 Vgl. das Schreiben der BaFin vom 23.10.2007 zur Aufhebung der Wohlverhaltensrichtlinie, der Compliance-Richtlinie und der Mitarbeiterleitsätze und das Rundschreiben 8/2008 (WA) – Überwachung von Mitarbeitergeschäften gemäß § 33b WpHG und § 25a KWG – WA 31 – Wp 2200-2008/0028 vom 18.8.2008. 3 Richtlinie zur Konkretisierung der Organisationspflichten von Wertpapierdienstleistungsunternehmen gemäß § 33 Abs. 1 WpHG vom 25.10.1999 (BAnz. Nr. 210 v. 6.11.1999, S. 18453); dazu 4. Aufl. des Kommentars § 33 Rz. 29 ff.; Eisele, in: Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2001, § 109 Rz. 85 ff.; Sethe, Anlegerschutz, S. 857 ff.
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gen die Interessenwahrungspflicht aufdecken zu können1. Ferner dient die watch-list zur Beobachtung, ob eingerichtete Chinese Walls zwischen den verschiedenen compliance-relevanten Bereichen des Unternehmens eingehalten werden. Die Wirksamkeit der watch-list basiert damit auf generalpräventiven Überlegungen. Die Compliance-Stelle erfährt von bereichsübergreifenden Informationsflüssen und kann kontrollieren, ob die Bereichsüberschreitung zulässig war. Außerdem kann sie den von Mitarbeitern veranlassten Handel in solchen Wertpapieren überprüfen. Das Führen einer watch-list ersetzt aber nicht das Insiderverzeichnis, da sich ihre Anwendungsbereiche unterscheiden (z.B. hinsichtlich des Freiverkehrs oder hinsichtlich der Dienstleister)2. 8
Neben der watch-list führen Wertpapierdienstleistungsunternehmen noch eine Stoppliste (restricted-list). Mit der restricted-list unterwirft das Unternehmen sich selbst und seine Mitarbeiter einer Selbstbeschränkung, um zu verhindern, dass im Unternehmen vorhandene Insiderinformationen ausgenutzt werden können. Auf der restricted-list sind alle Finanzinstrumente vermerkt, in denen das Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut aufgrund vorhandenen Insiderwissens nicht handeln darf. Bei der Aufnahme von Werten auf die restricted-list kann die Nennung eines Grundes für die Aufnahme nur insoweit erfolgen, als die entsprechenden Tatsachen bereits öffentlich bekannt sind. Andernfalls würde eine Insiderinformation innerhalb des Wertpapierdienstleistungsunternehmens verbreitet und es bestünde die Gefahr, dass die Mitarbeiter dies ausnutzen. Die restricted-list erfüllt eine ähnliche Funktion wie die Insiderverzeichnisse (s. oben Rz. 2 f.), da sie einen Verstoß des Instituts gegen das Insiderrecht verhindern soll (präventive Funktion). Die Inhalte beider Aufstellungen sind jedoch grundverschieden.
IV. Europarechtlicher Hintergrund 9
Die durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz eingefügte Regelung des § 15b WpHG beruht auf Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 3 der Marktmissbrauchsrichtlinie3, die Marktintegrität durch Verhinderung von Marktmissbrauch (in Gestalt von Insidergeschäften und Marktmanipulationen) gewährleisten soll. Bereits der ursprüngliche Richtlinienvorschlag enthielt eine Regelung, wonach Emittenten Verzeichnisse der Personen führen müssten, die Zugang zu Insiderinformationen haben4. In seiner Stellungnahme schlug der Wirtschafts- und Sozialausschuss zahlreiche Änderungen vor, 1 Sethe, Anlegerschutz, S. 861; 4. Aufl. des Kommentars, § 33 Rz. 31. 2 Renz/Stahlke, ZfgK 2006, 353 ff. 3 Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EG Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16; zu den Vorarbeiten etwa Dier/Fürhoff, Die geplante europäische Marktmissbrauchsrichtlinie, AG 2002, 604; v. Ilberg/Neises, Die Richtlinienvorschläge der EU-Kommission zum „Einheitlichen Europäischen Prospekt“ und zum „Marktmissbrauch“ aus Sicht der Praxis – Hintergrund, Inhalt und Kritik, WM 2002, 635 (643 ff.); Seitz, Die Integration der europäischen Wertpapiermärkte und die Finanzmarktgesetzgebung in Deutschland, BKR 2002, 340 (342 f.); Weber, Der Kommissionsentwurf einer Marktmissbrauchsrichtlinie, EuZW 2002, 43; Weber, Die Entwicklung des Kapitalmarktrechts im Jahre 2003, NJW 2004, 28 (30 f.). Aus englischer Perspektive Avgouleas, Financial Market Regulation and the New Market Landscape: In Search of a New Regulatory Framework for Market Abuse, International and Comparative Corporate Law Journal 2 (2000), 89 ff., der vor allem den Aspekt der Selbstregulierung untersucht. 4 Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) vom 30.5.2001, KOM(2001) 281 endg. – 2001/0118(COD), ABl. EG Nr. C 240 v. 28.8.2001, S. 265.
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die aber nicht die Insiderverzeichnisse betrafen1. Der Ausschuss für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments regte an, dass das Verzeichnis der Aufsichtsbehörde jederzeit auf Verlangen zugänglich gemacht werden müsse2. Weiterhin befürwortete er, dass Einzelheiten im Wege des Lamfalussy-Verfahrens festgelegt werden3. Die Vorschläge gingen in den Gemeinsamen Standpunkt4 und in Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 3 und Art. 6 Abs. 10, 4. Spiegelstrich der am 28.1.2003 verabschiedeten Marktmissbrauchsrichtlinie ein. Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 3 lautet: „Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass Emittenten oder in ihrem Auftrag oder für ihre Rechnung handelnde Personen ein Verzeichnis der Personen führen, die für sie auf Grundlage eines Arbeitsvertrags oder anderweitig tätig sind und Zugang zu Insider-Informationen haben. Die Emittenten bzw. die in ihrem Auftrag oder die für ihre Rechnung handelnden Personen müssen dieses Verzeichnis regelmäßig aktualisieren und der zuständigen Behörde auf Anfrage übermitteln.“ Um die notwendige Flexibilität zur Anpassung der Richtlinie an künftige Entwicklungen sicherzustellen, legt Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 3 der Marktmissbrauchsrichtlinie den Kreis der erfassten Personen sowie die Einzelheiten zur Führung des Insiderverzeichnisses nicht abschließend fest, sondern überlässt dies der im Wege des Lamfalussy-Verfahrens erarbeiteten Durchführungsrichtlinie (Art. 6 Abs. 10, 4. Spiegelstrich, 17 Abs. 2). Die verschiedenen Regelungskomplexe der Marktmissbrauchsrichtlinie wurden getrennt behandelt. Für den hier interessierenden Komplex erteilte die Kommission dem Committee Of European Securities Regulators (CESR) am 31.1.2003 ein Mandat, Vorschläge für Durchführungsmaßnahmen zur Marktmissbrauchsrichtlinie zu erarbeiten5. Sie benannte dabei u.a. das Thema der Insiderverzeichnisse und bat um die Klärung, an welche Tatbestandsmerkmale die Pflichten zur Führung und zur Aktualisierung des Verzeichnisses geknüpft werden sollen. CESR forderte daraufhin interessierte Parteien auf, konkrete Maßnahmenbereiche zu identifizieren6. 20 Stellungnahmen gingen ein7. Am 15.4.2003 leitete CESR einen Konsultationsprozess ein8. Eine öffentliche Anhörung fand am 12.5.2003 in Paris
1 Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch)“ (2002/C 80/14) vom 17.1.2002, ABl. EG Nr. C 80 v. 3.4.2002, S. 61 ff. 2 Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments vom 27.2.2002 – A5-0069/2002, S. 32 (Änderungsantrag Nr. 37 a.E.). 3 Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaft und Währung des Europäischen Parlaments vom 27.2.2002 – A5-0069/2002, S. 32 f. (Änderungsantrag Nr. 39). 4 Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 50/2002 vom 19.7.2002, vom Rat festgelegt gemäß dem Verfahren des Artikels 251 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft im Hinblick auf den Erlass einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EG Nr. C 228 E v. 25.9.2002, S. 19. 5 An Additional Mandate to CESR for Technical Advice on Possible Implementing Measures Concerning the Directive on Insider Dealing and Market Manipulation (Market Abuse), MARKT/G2 D(2003) vom 31.1.2003. 6 Schreiben vom 7.2.2003 (CESR/03-037). 7 Results of CESR’s Call for Evidence on the Second Mandate on Possible Implementing Measures of the future Market Abuse Directive (CESR/03-087) vom 28.3.2003. 8 The Committee Of European Securities Regulators, Consultation Paper on the Second Set of Implementing Measures for the Directive on Market Abuse, (CESR/03-102b) vom 15.4.2003.
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statt1. CESR veröffentlichte die eingegangenen Anregungen2 und seinen Abschlussbericht3 im August 2003. Dieser Bericht enthält in den Rz. 27–36 Vorschläge zu den Voraussetzungen, unter denen eine Pflicht zur Führung des Verzeichnisses oder zu dessen Aktualisierung ausgelöst wird. Weiterhin wurden der Umfang der aufzunehmenden Daten und die Frist für deren Aufbewahrung beschrieben. Schließlich schlägt CESR vor, eine Aufklärungspflicht für den als Insider erfassten Personenkreis vorzusehen. Am 10.11.2003 legte die Generaldirektion Binnenmarkt ein Arbeitspapier zur Durchführung der Art. 1 Abs. 1 und 2 und Art. 6 Abs. 3, 4 und 9 der Marktmissbrauchsrichtlinie vor4, das mit wenigen Abweichungen bereits den später verabschiedeten Richtlinientext des Art. 5 enthielt. Am 27.1.20045 und am 17.2.20046 folgten formelle, dem Europäischen Wertpapierausschuss (ESC) und dem Europäischen Parlament vorgelegte Kommissionsentwürfe eines zweiten Pakets von Maßnahmen zur Durchführung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates 2003/6/EG über Insider-Geschäfte und Marktmanipulationen (ESC-48/2003). Am 3.3.2004 folgte eine überarbeitete Version dieses Dokuments7. Mit Datum vom 7.4.2004 legte die Kommission dem Europäischen Wertpapierausschuss einen weiteren Entwurf zur Entscheidung vor8, den dieser am 19.4.2004 billigte. 11
Die Kommission verabschiedete am 29.4.2004 die Durchführungsrichtlinie9, die in ihrem Art. 5 die Insiderverzeichnisse regelt. Die Marktmissbrauchsrichtlinie (Art. 18 1 The Committee Of European Securities Regulators, Open Hearing On Possible Level 2 Implementing Measures Of The Proposed Market Abuse Directive (CESR/03-119) vom 30.4.2003. 2 The Committee Of European Securities Regulators, Results of CESR’s Public Consultation on the Level 2 Consultation Paper on Possible Implementing Measures of the future Market Abuse Directive (CESR/03-232) vom 18.7.2003 sowie Implementing Measures for Market Abuse Directive – Feedback Statement (CESR/03-213b) vom August 2003. 3 The Committee Of European Securities Regulators, Advice on the Second Set of Level 2 Implementing Measures for the Market Abuse Directive (CESR/03-212c) vom August 2003. 4 DG Internal Market Services’ Working Document on the Implementation of Article 1 Paragraphs 1 and 2 and Article 6 Paragraphs 3, 4 and 9 of the European Parliament and Council Directive 2003/6/EC on Insider Dealing and Market Manipulation (Market Abuse), Working Document ESC 38/2003. 5 Formeller, dem Europäischen Wertpapierausschuss vorgelegter Kommissionsentwurf einer zweiten Reihe von Maßnahmen zur Durchführung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates 2003/6/EG über Insider-Geschäfte und Marktmanipulationen, Dokument ESC 48/2003 vom 27.1.2004. 6 Formeller, dem Europäischen Wertpapierausschuss vorgelegter Kommissionsentwurf eines zweiten Pakets von Maßnahmen zur Durchführung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates 2003/6/EG über Insider-Geschäfte und Marktmanipulationen, Dokument ESC 48/2003 – Fassung 1 – Bereinigte Fassung vom 17.2.2004. 7 Überarbeiteter, dem Europäischen Wertpapierausschuss vorgelegter Kommissionsentwurf eines zweiten Pakets von Maßnahmen zur Durchführung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates 2003/6/EG über Insider-Geschäfte und Marktmanipulationen, Dokument ESC 48/2003 – Fassung 2 – Bereinigte Fassung vom 3.3.2004. 8 Formeller, dem Europäischen Wertpapierausschuss zur Abstimmung am 19.4.2004 vorgelegter Kommissionsentwurf eines zweiten Pakets von Maßnahmen zur Durchführung der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates 2003/6/EG über Insider-Geschäfte und Marktmanipulationen, Dokument ESC 48/2003 – Fassung 4 – vom 7.4.2005. 9 Richtlinie 2004/72/EG der Kommission vom 29.4.2004 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates – Zulässige Marktpraktiken, Definition von Insider-Informationen in Bezug auf Warenderivate, Erstellung von Insider-Verzeichnissen, Meldung von Eigengeschäften und Meldung verdächtiger Transaktionen, ABl. EG Nr. L 162 v. 30.4.2004, S. 70.
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Abs. 1) und die Durchführungsrichtlinie (Art. 12 Abs. 1) waren bis zum 12.10.2004 in nationales Recht umzusetzen. Diese Frist überschritt Deutschland geringfügig1.
V. Anwendungsbereich 1. Überblick Die Vorschrift verpflichtet zum einen Emittenten von Finanzinstrumenten i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG und zum anderen die in ihrem Auftrag oder für ihre Rechnung handelnden Personen zur Führung eines Insiderverzeichnisses. Beide Personenkreise unterliegen eigenständigen Pflichten zur Führung eines Insiderverzeichnisses und zur Aufklärung2. Die im Auftrag oder für Rechnung eines Emittenten handelnden Personen werden also nicht dem Emittenten zugerechnet, so dass ihre Pflicht zur Führung des Verzeichnisses und zur Aufklärung entfiele. Zudem ist der Emittent grundsätzlich nicht verpflichtet, die von ihm eingeschalteten Dienstleister über ihre Pflichten aus § 15b Abs. 1 Satz 1 WpHG aufzuklären. Es ist grundsätzlich Aufgabe des Rechtsunterworfenen, sich selbst um die aufsichtsrechtlichen Pflichten zu kümmern3.
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2. Emittenten von Finanzinstrumenten In Bezug auf den persönlichen Anwendungsbereich knüpft die Vorschrift an § 15 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 WpHG an. Zur Führung von Insiderverzeichnissen und zur Aufklärung sind alle Inlandsemittenten (§ 2 Abs. 7 WpHG) von Finanzinstrumenten (§ 2 Abs. 2b WpHG) verpflichtet (§ 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG). Als Inlandsemittent gilt auch ein solcher, der für seine Finanzinstrumente eine Zulassung beantragt hat (§ 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG). Maßgebend ist der Zeitpunkt des Zugangs des Antrags bei der Geschäftsführung4. Die Rücknahme oder Ablehnung des Antrags beseitigt die Pflichten aus § 15b WpHG nicht rückwirkend, sondern nur für die Zukunft. Ansonsten hätte es der Antragsteller in der Hand, sich der Börsenfolgepflichten einseitig zu entledigen5. Von § 15b WpHG nicht erfasst sind Emittenten, deren Finanzinstrumente nicht zugelassen, sondern auf Antrag eines Handelsteilnehmers lediglich in den regulierten Markt einbezogen sind (§ 33 BörsG)6. Denn die Einbeziehung erfolgt auf Antrag eines Handelsteilnehmers, ohne dass es einer Zustimmung des Emittenten bedürfte. Aus diesem Grunde ergibt es Sinn, den Emittenten nicht zusätzlichen Pflichten zu unterwerfen, wenn er auf die Einbeziehung in den Handel keinerlei Einfluss hatte. Dieses Ergebnis ist auch richtlinienkonform, denn der Anwendungsbereich der Marktmissbrauchsrichtlinie beschränkt sich auf Finanzinstrumente, die an einem regulierten Markt zugelassen sind oder werden sollen (vgl. Art. 9 Abs. 3 der
1 Das der Umsetzung dienende Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG) vom 28.10.2004 (BGBl. I 2004, 2630) trat am 30.10.2004 in Kraft. 2 Ebenso Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 16; Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 45. 3 Ebenso Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 31; Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 17. 4 Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 13; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 20. 5 Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 13; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 20. 6 Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 10.
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Richtlinie)1. Von § 15b WpHG nicht erfasst werden auch Finanzinstrumente, die nur im Freiverkehr (Open Market) oder in außerbörslichen Handelssystemen (z.B. Telefonhandel), gehandelt werden. An dieser Stelle zeigt sich ein Bruch in der gesetzlichen Konzeption. Da § 15b WpHG an § 15 Abs. 1 WpHG und nicht an die §§ 12, 13 WpHG anknüpft, ist sein Anwendungsbereich enger als der des Insiderhandelsverbots, da sowohl die in den regulierten Markt als auch in den Freiverkehr eingebogenen Finanzinstrumente nicht erfasst werden und zudem die bloße Ankündigung einer Börsenzulassung im Gegensatz zu § 12 Satz 2 WpHG nicht ausreicht, um die Pflichten des § 15b WpHG auszulösen. Dies ist inkonsequent, denn die Vorschrift soll gerade dazu dienen, die Verfolgung des Insiderhandels zu erleichtern (s. oben Rz. 3)2. 14
Da § 15b Abs. 1 WpHG keine Konzernklausel enthält, erfasst die Vorschrift nur den Emittenten der Finanzinstrumente, nicht auch mit ihm verbundene Unternehmen3. Konzernunternehmen können jedoch im Einzelfall als im Auftrag oder für Rechnung des Emittenten handelnde Person anzusehen sein (s. unten Rz. 24).
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Emittenten, für die ein anderer Mitgliedstaat der EU/des EWR Herkunftsland ist, unterfallen ebenfalls dem Anwendungsbereich des § 15b WpHG, wenn die von ihnen begebenen Finanzinstrumente allein zum Handel an einem regulierten Markt in Deutschland zugelassen sind oder eine solche Zulassung beantragt ist. Sie gelten in diesem Fall als Inlandsemittenten (§ 2 Abs. 7 Nr. 2 WpHG). Emittenten aus Drittstaaten sind ebenfalls erfasst, wenn sie die Voraussetzungen des § 2 Abs. 6 Nr. 1 lit. b oder Nr. 2 oder Nr. 3 lit. c WpHG erfüllen. In diesem Fall ist die Bundesrepublik ihr Herkunftsstaat und sie gelten nach § 2 Abs. 7 Nr. 1 WpHG als Inlandsemittenten.
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Die Verpflichtungen des § 15b WpHG gelten für Emittenten aller Arten von Finanzinstrumenten. Hierzu gehören neben Wertpapieren wie Aktien, Aktienzertifikaten, Schuldverschreibungen, Genussscheinen, Optionsscheinen und anderen vergleichbaren Wertpapieren auch Derivate. Der Tatbestand knüpft also an § 2 Abs. 2b WpHG an, auf dessen Kommentierung verwiesen werden kann (§ 2 Rz. 40g ff.). § 15b WpHG erlangt für Produkte der EUREX keine Bedeutung, da diese nicht zugelassen, sondern von der EUREX selbst entwickelt werden4. 3. Im Auftrag oder für Rechnung eines Emittenten handelnde Personen
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Neben dem Emittenten sind auch die „in seinem Auftrag oder für seine Rechnung handelnden Personen“ von der Vorschrift erfasst und zur Führung eigener Insiderverzeichnisse, Aufklärung und Belehrung verpflichtet. Die BaFin bezeichnet diesen Personenkreis schlagwortartig als „Dienstleister“5. Der Tatbestand ist vage und verursacht daher Rechtsunsicherheit6. Eine Auslegung muss zwei Gesichtspunkte 1 Eine Schutzlücke entsteht hierdurch nicht, da die Einbeziehung eine Börsennotierung im In- oder Ausland voraussetzt; innerhalb der EU/des EWR ist damit die Pflicht zur Führung eines Insiderverzeichnisses gewährleistet, Zimmer, in: FS Hüffer, 2010, S. 1153, 1156; v. Neumann-Cosel, S. 46 ff. 2 Hierauf weist zu Recht Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 7, 13 hin. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 117 f.; Uwe H. Schneider/von Buttlar, ZIP 2004, 1621 (1624). 4 Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 11. 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 116. 6 Dies beklagt etwa Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 13 Rz. 88.
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berücksichtigen: (1) Zu Recht betont die BaFin1, dass der Begriff „Auftrag“ weit zu verstehen ist und sich nicht auf den „Auftrag“ i.S. des § 675 BGB beschränkt. Ebenfalls weit zu verstehen ist die gesetzliche Formulierung „für Rechnung“, die gerade nicht nur Kommissionsgeschäfte meint. Dies ergibt eine richtlinienkonforme Auslegung, da der Wortlaut des Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 3 der Marktmissbrauchsrichtlinie in den anderen Amtssprachen gerade keine Begriffe verwendet, die im juristischen Sprachgebrauch mit bestimmten Vertragstypen gleichgesetzt werden könnten2. Auch der Sinn und Zweck der Regelung erfordern ein weites Verständnis des Wortlauts. Denn die Möglichkeit eines Zugangs zu Insiderinformationen hängt nicht mit bestimmten Vertragstypen zusammen. Die Tatbestandsmerkmale „im Auftrag“ oder „für Rechnung“ sind also dahingehend zu verstehen, dass alle Personen erfasst werden, die (zumindest auch) im Interesse des Emittenten handeln3. Auf die Natur des zwischen Emittenten und Drittem bestehenden Rechtsverhältnisses kommt es nicht an, da Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 3 der Marktmissbrauchsrichtlinie nicht nur Personen erfasst, die im Auftrag des Emittenten handeln, sondern auch solche, die lediglich auf Rechnung des Emittenten tätig sind; gemeint sind daher auch gesetzliche Schuldverhältnisse (wie das Beispiel des Insolvenzverwalters zeigt, s. unten Rz. 20)4 und der eher theoretische Fall eines bloßen Gefälligkeitsverhältnisses5, solange das Schuldbzw. Gefälligkeitsverhältnis im Interesse des Emittenten erbracht wird. Dieses weite Verständnis entspricht der Rechtslage beim Insiderhandelsverbot, das sich gerade auch nicht nur an Personen richtet, die mit dem Emittenten in vertraglichen Beziehungen stehen. Im Übrigen sei angemerkt, dass deshalb der von der BaFin für diesen Personenkreis geprägte Begriff „Dienstleister“ zu Missverständnissen Anlass geben kann. (2) Dieses weite Verständnis der Tatbestandsmerkmale würde dazu führen, dass sämtliche Arten der Geschäftsbesorgung in den Anwendungsbereich von § 15b WpHG fallen. Aufgrund der systematischen Stellung der Norm und ihres Zwecks (s. oben Rz. 2 f.) ist eine einschränkende Auslegung geboten. Erfasst werden nur solche im Auftrag und für Rechnung handelnde Personen, die aufgrund ihrer Tätigkeit bestimmungsgemäß (dazu im Einzelnen s. unten Rz. 39) Kenntnis von Insiderinformationen (dazu im Einzelnen s. unten Rz. 41) erlangen. Denn die Vorschrift dient gerade der Prävention des Insiderhandels. Es lässt sich daher zusammenfassend feststellen, dass nur solche Dienstleister gemeint sind, die (zumindest auch) im Interesse des Emittenten tätig werden und dabei typischerweise Zugang zu Insiderinformationen haben. Ein Beschränkung auf Personen, die überwiegend im Interesse des Emitten1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 116. 2 Beispielsweise lautet die englische Fassung „or persons acting on their behalf or for their account“. Vgl. auch die französische Version „ou des personnes qui agissent au nom ou pour le compte de ceux-ci“. 3 Ebenso Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 15 f.; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 21; Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 18; a.A. Brandi/Süßmann, AG 2004, 642 (644), die nur Kommissionsverhältnisse i.S. der §§ 383 ff. HGB als erfasst ansehen; a.A. auch v. Neumann-Cosel, S. 63 ff., der nur Personen erfassen will, die überwiegend im Interesse des Emittenten tätig sind. 4 Abweichend aber Leuering, NZG 2005, 12 (13); Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 16; v. Neumann-Cosel, S. 59 ff., die nur vertragliche Schuldverhältnisse erfassen wollen; unklar Zimmer, in: FS Hüffer, 2010, S. 1153, 1158, der „insbesondere vertragliche Schuldverhältnisse“ als erfasst ansieht und „gesetzliche Schuldverhältnisse … im Allgemeinen“ nicht hinreichend findet, aber gleichwohl den aufgrund Gesetzes tätigen Insolvenzverwalter als auf Rechnung des Emittenten handelnde Person erfasst. 5 A.A. v. Neumann-Cosel, S. 59 f., der meint, die Anwendung von § 15b WpHG wirke so abschreckend, dass dann keine Gefälligkeit mehr gewährt würde. Daher müsse man die Norm einschränkend auslegen.
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ten tätig sind, ist nicht erforderlich, da das Merkmal des bestimmungsgemäßen Zugangs zu Insiderinformation bereits eine ausreichende Eingrenzung erlaubt1. 18
Die Pflichten des § 15b WpHG treffen nur die Inlandsemittenten und die Dienstleister, nicht aber auch sonstige Dritte. Gibt ein Dienstleister den Auftrag weiter, so fällt der Subunternehmer nicht unter § 15b WpHG, da er nicht unmittelbar im Auftrag oder für Rechnung des Emittenten handelt, sondern für den (Haupt-)Dienstleister arbeitet. Dieser muss den Subunternehmer in sein Insiderverzeichnis aufnehmen und belehren2.
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Bei den Dienstleistern handelt es sich insbesondere um Angehörige freier Berufe, also Rechtsanwälte, Steuerberater, externe Buchhalter und Wirtschaftsprüfer (zur Ausnahme des § 15b Abs. 1 Satz 4 WpHG s. unten Rz. 26 f.) sowie Unternehmensberater. Dies gilt auch für den Fall, dass einzelne Organmitglieder einen Berater zuziehen. Sie müssen dann nicht selbst ein Insiderverzeichnis führen, sondern der Berater wird im Auftrag des Emittenten tätig und ist in dessen Verzeichnis aufzunehmen3. Von § 15b WpHG sind auch Gutachter erfasst, die vom Emittenten mit einer Prüfung beauftragt werden, bei der sie bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen haben. Bei Hochschullehrern ist zu differenzieren. Werden sie kraft ihrer dienstlichen Stellung tätig, handeln sie in hoheitlicher Funktion und unterfallen deshalb nicht § 15b WpHG (s. unten Rz. 24). Werden sie dagegen als Privatgutachter beauftragt oder sind sie als Auftragnehmer in Drittmittelprojekten tätig, gelten sie als Gutachter und müssen § 15b WpHG beachten4. Eine entsprechende Differenzierung nimmt die BaFin bei Notaren vor5.
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Auch der Insolvenzverwalter eines Emittenten ist von den Vorgaben des § 15b WpHG betroffen. Zwei Fragen sind auseinander zu halten: (1) Die Rechtsprechung hat entschieden, dass die den Vorstand des Emittenten treffenden wertpapierhandelsrechtlichen Pflichten trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiterhin den Vorstand des Emittenten treffen6. Denn der Insolvenzverwalter habe allein die Masse zu verwalten; nicht alle öffentlich-rechtlichen Pflichten gingen automatisch auf ihn über. Überträgt man diesen Gedanken auf § 15b WpHG, ist weiterhin das geschäftsführende Organ verpflichtet, für den Emittenten ein Insiderverzeichnis zu führen und der Aufklärungspflicht innerhalb des Unternehmens nachzukommen7. Mit § 11 WpHG hat der Gesetzgeber diese Rechtsprechung nun kodifiziert. (2) Daneben trifft den Insolvenzverwalter aber aus seiner Rechtsstellung eine eigenständige Pflicht, für 1 Zimmer, in: Schwark/Zimmer, § 15b WpHG Rz. 8; Zimmer, in: FS Hüffer, 2010, S. 1153, 1157; a.A. v. Neumann-Cosel, S. 63 ff. 2 Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 23; Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 28; Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 20; a.A. Steidle/Waldeck, WM 2005, 868 (870), die annehmen, der Subunternehmer müsse ein eigenes Insiderverzeichnis führen. 3 Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 22; v. Neumann-Cosel, S. 72 f.; a.A. Kirschhöfer, Der Konzern 2005, 22 (25). 4 Ebenso Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 27; Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 28. 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 117; Rundschreiben der BNotK 25/2005 vom 17.8.2005, (http://www.notk-berlin.de/bnotk.html); ebenso Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 27; a.A. Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 24. 6 So in Bezug auf Meldepflichten nach §§ 21 ff. WpHG BVerwG v. 13.4.2005 – 6 C 4/04, ZIP 2005, 1145 (1148) mit Anm. Ott; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 27; anders noch VG Frankfurt/M. v. 29.1.2004 – 9 E 4228/03 (V), ZIP 2004, 469; Dehlinger, in: MarschBarner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, 1. Aufl. 2005, § 11 Rz. 3 m.w.N. 7 So jetzt auch von Buttlar, BB 2010, 1355 (1359).
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seine Kanzlei ein Insiderverzeichnis zu führen und die bei ihm tätigen Mitarbeiter zu belehren1. Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 3 der Marktmissbrauchsrichtlinie erfasst ausdrücklich auch Personen als Dienstleister, die auf Rechnung des Emittenten tätig sind. Der Insolvenzverwalter wird kraft der herrschenden Amtstheorie2 gerade nicht als Organ des Emittenten, sondern materiellrechtlich wie prozessual im eigenen Namen und aus eigenem Recht, jedoch mit Wirkung für und gegen die Masse tätig. Mithin handelt er auf Rechnung des Emittenten. Der Umstand, dass er nicht vertraglich bestellt wird, schadet nicht, denn mit dem von der BaFin geprägten missverständlichen Begriff des Dienstleisters werden alle Personen erfasst, die (zumindest auch) im Interesse des Emittenten handeln; die Natur der Rechtsbeziehung ist unbeachtlich (s. oben Rz. 17). Somit ist der Insolvenzverwalter im Verzeichnis des Emittenten als Dienstleister zu führen und muss seinerseits für die eigenen Mitarbeiter ein eigenes Insiderverzeichnis führen3. Erfasst ist weiterhin die Investor-Relations-Agentur, die den Emittenten bei Maßnahmen zur Beziehungspflege zu Investoren berät. Sie erhält im Rahmen dieser Tätigkeit typischerweise Zugang zu Insiderinformationen. Ein Übersetzungsbüro, das Ad-hoc-Mitteilungen oder vertrauliche Vertragsentwürfe übersetzt, oder die Druckerei4, die Prospekte druckt, erhalten ebenfalls bestimmungsgemäß Kenntnis von Insiderinformationen.
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Ratingagenturen, die ein vom Emittenten in Auftrag gegebenes Rating erstellen, han- 22 deln im Interesse des Emittenten5. Sie kommen zudem im Rahmen der Befragung des Emittenten bestimmungsgemäß mit Insiderinformationen in Berührung. In einer derartigen Konstellation unterfallen sie daher dem Anwendungsbereich des § 15b WpHG. Anders ist dies, falls eine Ratingagentur aus eigener Initiative oder auf Veranlassung eines Dritten (z.B. eines Investors) ein Rating erstellt („unsolicited rating“). Die Agentur handelt in diesem Fall nicht im Auftrag oder für Rechnung des Emittenten und wird daher nicht von § 15b WpHG erfasst. Zudem werden unsolicited ratings nur aufgrund öffentlich zugänglicher Informationen erstellt, so dass es auch an der Möglichkeit des Zugangs zu Insiderinformationen fehlt (vgl. § 13 Abs. 2 WpHG). Kreditinstitute sind dann als Dienstleister i.S. des § 15b WpHG anzusehen, wenn sie 23 über die allgemeinen Bankdienstleistungen (z.B. Kontobeziehung) hinausgehende Dienstleistungen erbringen und damit im Interesse oder in der Sphäre des Emittenten tätig werden. Zu den Dienstleistungen, die mit Zugang zu Insiderwissen verbunden sind, gehören sicherlich die Beratung anlässlich eines Börsengangs, einer Kapitalmaßnahme oder einer Akquisition (Einbindung der Bereiche Corporate Finance oder Mergers & Acquisitions). Fraglich ist, ob auch die Kreditvergabe schon eine Dienstleistung darstellt, bei der das Institut bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen erhält. Die BaFin ordnet die Kreditvergabe als allgemeine Bankdienstleistung
1 Im Ergebnis auch von Buttlar, BB 2010, 1355 (1359). 2 Vgl. die Nachweise bei Ott/Vuia, in: MünchKomm. InsO, 2. Aufl. 2007, § 80 Rz. 27. 3 Zimmer, in: Schwark/Zimmer, § 15b WpHG Rz. 12; Zimmer, in: FS Hüffer, 2010, S. 1153, 1158; Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 24; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 27; a.A. v. Neumann-Cosel, S. 77 f. 4 Koch, DB 2005, 267 (270). 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 117; Uwe H. Schneider/von Buttlar, ZIP 2004, 1621 (1624); Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 19; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 25; a.A. Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 33.
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ein und lehnt die Anwendung des § 15b WpHG ohne nähere Begründung ab1. Ganz so eindeutig ist dieses Ergebnis jedoch nicht, wenn man bedenkt, dass die Emittenten aufgrund von § 18 KWG ihre wirtschaftlichen Verhältnisse offen legen müssen. Zudem werden viele Emittenten seit Umsetzung der Vorgaben von Basel II einem externen oder internen Kreditrating unterzogen werden. Daher hat das Kreditinstitut durchaus Zugang zu sensiblen Informationen. Allerdings verfolgen sowohl die Vorgabe des § 18 KWG als auch das Kreditrating allein das Ziel, eine leichtfertige Kreditvergabe zu verhindern2. Die Prüfung der Kreditwürdigkeit liegt daher ausschließlich im Interesse des kreditgewährenden Instituts und seiner Einleger, nicht aber im Interesse des Emittenten. Damit fehlt es an einem „Tätigwerden für den Emittenten“. Wird dagegen das Kreditinstitut über die reine Kreditgewährung hinaus beratend tätig und entwickelt im Zusammenhang mit der Kreditvergabe ein Corporate-FinanceKonzept, erbringt es seine Leistung im Interesse des Emittenten und unterliegt den Vorgaben des § 15b WpHG3. Zu beachten ist im Übrigen, dass Kreditinstitute doppelt von der Pflicht des § 15b WpHG betroffen sein können. Sind ihre eigenen Finanzinstrumente börsenzugelassen, unterfallen sie in ihrer Eigenschaft als Emittent der Vorschrift des § 15b WpHG. Erbringen sie darüber hinaus noch Dienstleistungen an Kunden, die ihrerseits Zugang zu Insiderinformationen haben, ist das Kreditinstitut zugleich als Dienstleister aus § 15b WpHG verpflichtet4. 24
Nicht erfasst sind dagegen Behörden, Gerichte, Staatsanwaltschaften und die Polizei, da sie nicht im Interesse des Emittenten, sondern zur Erfüllung der ihnen obliegenden gesetzlichen Aufgaben tätig werden5. Daher rechnet die BaFin Notare, die kraft ihres öffentlichen Amtes tätig sind, ebenfalls nicht zu den erfassten Personen (s. oben Rz. 19 a.E.). Auch Lieferanten und Abnehmer unterfallen nicht dem § 15b WpHG, da Austauschbeziehungen dadurch gekennzeichnet sind, dass jede Vertragspartei nur im eigenen Interesse tätig wird6. Mangels Konzernklausel sind auch verbundene Unternehmen nicht von den Pflichten aus § 15b WpHG betroffen (s. oben Rz. 14)7. Eine Pflicht zur Führung eines (eigenständigen) Insiderverzeichnisses kommt aber dann in Betracht, wenn das verbundene Unternehmen oder seine Organmitglieder oder Angestellten aufgrund der Gestaltung des Einzelfalls zum Kreis der Dienstleister zu zählen ist und deshalb über Zugang zu Insiderinformationen verfügt8. Im Entwurf des Emittentenleitfadens waren noch Hilfspersonen von Aufsichtsratsmitgliedern des Emittenten als Dienstleister erfasst9. Dies hat man in der endgültigen Fassung zu Recht gestrichen, denn diese Personen werden regelmäßig 1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 117; ebenso Uwe H. Schneider/von Buttlar, ZIP 2004, 1621 (1624); Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 42 f.; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 26; a.A. aber ebenfalls ohne nähere Begründung Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 13 Rz. 88 Fn. 3. 2 Bock, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, 3. Aufl. 2008, § 18 KWG Rz. 3. 3 Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 19a; a.A. Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 33. 4 Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 43. 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 117; Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 20. Diese rechtspolitische Entscheidung kritisiert Kirschhöfer, Der Konzern 2005, 22 (26); zu Recht a.A. Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 28; Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 20. 6 So im Ergebnis auch BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 117; Uwe H. Schneider/von Buttlar, ZIP 2004, 1621 (1624). 7 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 117 f.; v. Neumann-Cosel, S. 73 f. 8 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 117 f.; Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 21; Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 29. 9 BaFin, Entwurf des Emittentenleitfadens (Stand: 22.12.2004), S. 92.
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vom Emittenten entlohnt und fallen daher ohnehin in den Anwendungsbereich der Vorschrift (s. oben Rz. 19)1. Nur wenn sie nicht für den Emittenten tätig werden, sondern vom Aufsichtsratsmitglied privat angestellt wurden, unterliegen sie nicht § 15b WpHG, da es an der unmittelbaren Rechtsbeziehung zum Emittenten fehlt. Großund Mehrheitsaktionäre sind ebenfalls nicht im Interesse des Emittenten tätig. Vielmehr nehmen sie ihre Rechte als Gesellschafter innerhalb des Unternehmens regelmäßig im Eigeninteresse wahr2. Die Dienstleister sind zur selbstständigen Führung des Insiderverzeichnisses verpflichtet.
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4. Ausnahme Der Vertreter der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bzw. der Abschlussprüfer und eventuelle Gehilfen sind ausdrücklich von der Führung von Insiderverzeichnissen befreit (§ 15b Abs. 1 Satz 4 WpHG, § 323 Abs. 1 Satz 1 HGB). Ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien soll mit dieser Bestimmung Art. 12 Abs. 3 der Marktmissbrauchsrichtlinie umgesetzt werden, der bestimmt, dass innerstaatliche Vorschriften über das Berufsgeheimnis gewahrt bleiben. So recht zu überzeugen vermag dieser Hinweis jedoch nicht, denn mit dieser Begründung hätte man auch Rechtsanwälte des Emittenten freistellen müssen3. Angesichts der ausdrücklichen Entscheidung des Gesetzgebers scheidet eine Ausdehnung der Norm auf alle freien Berufe im Wege der Analogie aus4.
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Die Befreiung des § 15b Abs. 1 Satz 4 WpHG gilt allerdings nur, wenn die Wirt- 27 schaftsprüfungsgesellschaft bzw. der Wirtschaftsprüfer in der Eigenschaft als Abschlussprüfer i.S. von § 323 HGB tätig wird, sie also eine gesetzlich auferlegte Prüfung durchführen. Solche Prüfungen sind etwa die Jahresabschlussprüfung (§ 316 HGB), die Gründungsprüfung (§ 49 AktG), Sonderprüfungen (§ 258 Abs. 5 Satz 1 AktG) und die Verschmelzungsprüfung (§ 11 UmwG), die Prüfung von Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln (§ 209 Abs. 4 Satz 2 AktG, § 57f Abs. 3 Satz 2 GmbHG), die Nachgründungsprüfung (§§ 52 f. AktG) und die Prüfung von Unternehmensverträgen (§ 293d Abs. 2 AktG). § 323 HGB ist bei allen diesen gesetzlich vorgeschriebenen Prüfungen anzuwenden, und zwar auch dann, wenn keine ausdrückliche Verweisung auf § 323 HGB erfolgt5. Von der Ausnahme des § 15b Abs. 1 Satz 4 WpHG erfasst sind diejenigen Personen oder Unternehmen, die zum Abschlussprüfer gewählt oder bestellt wurden (vgl. § 318 Abs. 1, 2 HGB für den Wahlbeschluss des 1 Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 22. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 118; Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 29; Uwe H. Schneider/von Buttlar, ZIP 2004, 1621 (1624); v. Neumann-Cosel, S. 113 f.; unklar Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 44, der den Zugang zu Insiderwissen der Mitarbeiter des Emittenten aus ihrer Beteiligung am Emittenten oder an verbundenen Unternehmen als erfasst ansieht. Er klärt aber nicht, wie ein Mitarbeiter des Emittenten über seine gesellschaftsrechtliche Beteiligung an verbundenen Unternehmen Zugang zu Insiderkenntnissen bei Emittenten erlangt. Zudem wird der Mitarbeiter dann gerade nicht in seiner Funktion als Beschäftigter des Emittenten tätig. Nur in dieser ist er aber von § 15b WpHG erfasst. 3 Kritisch nun auch Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 26; Freiherr von Falkenhausen/Widder, BB 2005, 225; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 32 Fn. 58; Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 31; v. Neumann-Cosel, S. 80; Zimmer, in: FS Hüffer, 2010, S. 1153, 1159. 4 Ebenso v. Neumann-Cosel, S. 80 f. 5 Wiedmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, 2. Aufl. 2008, § 323 HGB Rz. 2.
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Unternehmens zum Abschlussprüfer sowie § 318 Abs. 3, 4 HGB für gerichtliche bestellte Prüfer)1. Gehilfen sind alle auf Veranlassung des Abschlussprüfers tätigen Personen, wobei streitig ist, ob als Gehilfe nur gilt, wer prüfungsspezifische Aufgaben wahrnimmt2, oder ob es ausreicht, dass die Person Zugang zu sensiblen Informationen hat3. Letzteres ist überzeugend, denn die Verschwiegenheitspflicht des § 323 Abs. 1 Satz 1 HGB hat auch den Sinn eines Verbots der Verwendung von Insiderinformationen4. Soweit der Prüfer also die Leistung der Abschlussprüfung erbringt und dabei Zugang zu Insiderinformationen hat, muss der Emittent die prüfende Gesellschaft bzw. den Prüfer und dessen Gehilfen im eigenen Insiderverzeichnis führen. Soweit die Gesellschaft bzw. der Prüfer dagegen andere Dienstleistungen als die Abschlussprüfung erbringt, also beispielsweise Beratungsleistungen anbietet, gelten dieselben Verpflichtungen wie für andere Dienstleister. In diesem Fall muss die Gesellschaft bzw. der Prüfer ein eigenes Insiderverzeichnis führen und ihre/seine Mitarbeiter nach § 15b Abs. 1 Satz 3 WpHG belehren5.
VI. Pflicht zur Führung und Aktualisierung des Insiderverzeichnisses (§ 15b Abs. 1 Satz 1, 2 WpHG) 1. Anlass, Art und Aufbau des Verzeichnisses a) Anlass 28
Die Pflicht zur Führung des Insiderverzeichnisses wird ausgelöst, sobald im Unternehmen Insiderinformationen vorhanden sind oder sich abzeichnet, dass solche Informationen mit Wahrscheinlichkeit entstehen werden6. Der Tatbestand muss bereits im Vorfeld der Entstehung von Insiderinformationen eingreifen, da andernfalls seine vorbeugende Funktion (s. oben Rz. 3) leer liefe. Die Gegenansicht7 will den Zeitpunkt noch weiter vorverlagern und stellt darauf ab, ob typischerweise damit zu rechnen ist, dass eine Person im Unternehmen Zugang zu Insiderinformation erlangen wird. Betrachtet man den Emittenten, sind die Unterschiede zur hier vertretenen Ansicht nur marginal, denn bei börsennotierten Unternehmen ist sowohl abstrakt wie konkret immer damit zu rechnen, dass Insiderinformationen (z.B. Gewinnwarnungen) entstehen. Betrachtet man aber Dienstleister, sind die Unterschiede beträchtlich. Jede wirtschaftsrechtlich orientierte Anwaltskanzlei müsste ein Insiderverzeichnis führen, denn typischerweise ziehen börsennotierte Unternehmen Wirtschaftsanwälte zu Rate. Allerdings erhält nicht jede dieser Kanzleien auch Mandate, die Insiderinformationen beinhalten. Und nicht jede Wirtschaftsrechtskanzlei, die börsennotierte Unternehmen berät, kommt automatisch in Kontakt mit Insiderinformationen (z.B. bei der arbeitsrechtlichen oder steuerrechtlichen Beratung). Da1 Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 27; Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 30. 2 So Hopt/Merkt, in: Baumbach/Hopt, 34. Aufl. 2010, § 323 HGB Rz. 1. 3 Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 27; Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 30. 4 Begründung zu § 10 der Berufssatzung für Wirtschaftsprüfer/vereidigte Buchprüfer – BS WP/ vBP. 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 118; Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 27; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 32; Klawitter, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 32 Rz. 46; Uwe H. Schneider/von Buttlar, ZIP 2004, 1621 (1624). 6 Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 41. 7 Lührs/Korff, ZIP 2008, 2159 ff.
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her versagt die typisierende Betrachtungsweise und man wird die Führung eines Insiderverzeichnisses erst verlangen können, wenn der erste Auftrag eines börsennotierten Unternehmens zu einem insiderrechtlich potentiell relevanten Vorgang ansteht. Gleichgültig welcher Ansicht man folgt, beantwortet sich auch eine in der Praxis auftauchende Frage, nämlich ob aus dem Umstand, dass ein Insiderverzeichnis angelegt wurde, zwingend gefolgert werden kann, dass bereits zu diesem Zeitpunkt eine Insiderinformation vorlag mit der Folge einer Ad-hoc-Publizitätspflicht. Einen solchen zwingenden Zusammenhang kann man – wie dargelegt – nicht herstellen1. b) Art des Verzeichnisses Das Insiderverzeichnis ist kein öffentliches Register, sondern eine interne vertrauli- 29 che Aufzeichnung, die unter Verschluss zu halten ist (s. unten Rz. 63). Aktionäre oder Dritte haben kein Recht auf Auskunft oder Einsicht (Einzelheiten unten Rz. 63). Das Verzeichnis gibt der BaFin Anhaltspunkte über mögliche Insider, sagt aber nichts darüber aus, ob jemand tatsächlich über eine Insiderinformation verfügte. c) Aufbau des Verzeichnisses Es steht im Ermessen des Emittenten oder Dienstleisters, wie er das Verzeichnis auf- 29a baut, solange den Vorgaben der § 15b WpHG, §§ 14–16 WpAIV (Text im Anhang S. 2212) genügt wird, die BaFin also feststellen kann, wann welche Person bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderwissen hatte2. Maßstab ist demnach, ob das Verzeichnis richtig und vollständig ist (vgl. § 39 Abs. 2 Nr. 8 WpHG). Der Verantwortliche kann auch mehrere Formen des Aufbaus miteinander kombinieren. Zudem ist es ihm freigestellt, ob er das Verzeichnis in Papierform oder elektronisch führt, solange gewährleistet ist, dass das Verzeichnis innerhalb angemessener Zeit lesbar ist. Mit dieser vom Gesetzgeber eingeräumten und von der Aufsicht nicht angetasteten Flexibilität versucht der Gesetzgeber, die Indienstnahme der Unternehmen für staatliche Belange (s. oben Rz. 2 f.) ein wenig zu kompensieren und den Unternehmen zu ermöglichen, die für sie passende und damit zumeist auch preiswerteste Variante des Insiderverzeichnisses zu wählen3. Die BaFin schlägt im Emittentenleitfaden zwei Formen des Aufbaus vor4: Der Emittent oder Dienstleister kann das Verzeichnis nach konkreten Insiderinfor- 30 mationen oder Projekten unterteilen und die Personen benennen, die Zugang zu dieser konkreten Information oder diesem konkreten Projekt haben. Ein solcher insiderinformations- oder projektbezogener Aufbau wird dann sinnvoll sein, wenn der Emittent nur gelegentlich in Kontakt mit Insiderinformationen kommt oder wenn der Dienstleister nur punktuell für einen Emittenten tätig wird. Die Einrichtung eines solchen Verzeichnisses wird regelmäßig bereits im Vorfeld des Entstehens von Insiderinformationen notwendig. Gerade wenn sich der Vorgang, der eine spätere Insiderinformation begründet, über einen längeren Zeitraum erstreckt und an dem Projekt mehrere Mitarbeiter beteiligt sind (z.B. freundliche oder feindliche Übernahmen, Kapitalmaßnahmen zur Sanierung des Unternehmens etc.), müssen die beteiligten Personen bereits im Zeitpunkt der Entstehung der Insiderinformation erfasst sein5. 1 2 3 4 5
So auch Harbarth, ZIP 2005, 1898 (1903). Von diesem Grundsatz geht auch die BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 120 aus. Möllers, AcP 208 (2008), 1 (18). BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 120 f. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 120.
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Die BaFin hat deshalb zu Recht im Emittentenleitfaden klargestellt, dass die Aufnahme eines Projekts in ein derartiges Insiderverzeichnis als solches noch nicht den Schluss rechtfertigt, dass bereits eine ad-hoc-publizitätspflichtige Insiderinformation vorliegt. Denn gerade der Zweck des Verzeichnisses erfordert es, bereits im Vorfeld alle Projekte zu erfassen, von denen zu erwarten ist, dass aus ihnen eine Insiderinformation entstehen wird. Der für den Charakter einer ad-hoc-publizitätspflichtigen Insiderinformation erforderliche Konkretisierungsgrad liegt zu diesem Zeitpunkt regelmäßig noch nicht vor. 31
Der Emittent oder Dienstleister kann das Verzeichnis anhand der unternehmenseigenen Funktions- und Vertraulichkeitsbereiche gliedern. Es müssen dann alle Bereiche aufgenommen werden, in denen bestimmungsgemäß (dazu unten Rz. 39) Insiderinformationen anfallen. Bei einem derartigen Aufbau muss die Insiderinformation nicht konkret genannt werden. Dies wäre auch schwierig, wenn in einer Abteilung täglich mehrere Insiderinformationen anfallen. Notwendig ist nur, die Bereiche so genau zu bezeichnen, dass ihnen die Insiderinformationen unproblematisch zugeordnet werden können und dass feststeht, welche konkreten Personen Zugriff auf diese Informationen hatten1. Als Funktions- und Vertraulichkeitsbereiche, die sich für eine Gliederung eignen, kommen in Betracht: Vorstand, Aufsichtsrat, Rechtsabteilung, Controlling und Finanzen, Public- oder Investor-Relations sowie die Compliance-Abteilung.
32
Wie stark das Verzeichnis untergliedert wird, hängt von den tatsächlich bestehenden Funktions- und Vertraulichkeitsbereichen im Unternehmen und damit von der konkreten Organisation und dem Geschäftsfeld des Emittenten oder Dienstleisters ab. Man kann es in Abteilungen, einzelne Teams oder Personen gliedern. Dem Ersteller des Verzeichnisses obliegt es einzuschätzen, in welchen Bereichen des Unternehmens typischerweise Insiderinformationen anfallen und welche Personen bestimmungsgemäß (dazu unten Rz. 39) darauf Zugriff haben.
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Das Ermessen in Bezug auf den Aufbau des Verzeichnisses wird begrenzt durch seine Funktion. Haben innerhalb einer großen Abteilung regelmäßig nur einzelne Personen bestimmungsgemäß Zugriff auf Insiderinformationen, darf nicht die ganze Abteilung in das Verzeichnis aufgenommen werden, sondern nur der abgegrenzte Personenkreis. Der Emittentenleitfaden nennt als Beispiel die Buchhaltung2. Deren Mitarbeiter haben im Rahmen ihrer Aufgabe ausschließlich Kenntnis einzelner Zahlen und Fakten, die für sich gesehen noch keine Insiderinformation darstellen, sondern die sich erst im Zusammenspiel mit anderen Fakten und Zahlen zu einer solchen verdichten können. In das Insiderverzeichnis sind daher nur die Personen der Buchhaltung aufzunehmen, die den Gesamtüberblick haben.
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Das dem Emittenten oder Dienstleister zustehende Ermessen ist auch überschritten, wenn pauschal alle Mitarbeiter in das Verzeichnis aufgenommen werden3. Die Funktion des Verzeichnisses als Ermittlungswerkzeug für die BaFin würde so vereitelt. Nur wenn es sich um ein kleines Unternehmen mit sehr wenigen Mitarbeitern handelt, bei denen wirklich alle Beschäftigten bestimmungsgemäß Zugang zu Insider1 Ebenso Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 42. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 121. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 121; Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 44; Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 38; Rodewald/Tüxen, BB 2004, 2249 (2252); Uwe H. Schneider/von Buttlar, ZIP 2004, 1621 (1626); Zimmer, in: FS Hüffer, 2010, S. 1153, 1162.
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informationen haben, wie z.B. bei Ad-hoc-Dienstleistern, umfasst das Verzeichnis alle im Betrieb tätigen Personen. In Anwaltskanzleien stellt sich die Frage, ob nicht die Software zur Abrechnung der 35 billable hours ausreichend ist, um ein Insiderverzeichnis zu erstellen. Eine solche Lösung dürfte nicht genügen1. Zwar erlaubt die Software genau nachzuvollziehen, wer in welcher Zeitspanne an welchem Fall gearbeitet hat. Sie unterscheidet jedoch nicht danach, ob man bestimmungsgemäß oder nur zufällig Zugang zu Insiderinformationen hatte und ob es innerhalb der Kanzlei besondere Vertraulichkeitsbereiche gibt oder nicht. Bei zur Verschwiegenheit verpflichteten Personen sind anlassbezogene Verzeichnisse zu führen, also für jeden Mandanten ein Insiderverzeichnis2. Denn im Falle eines Herausgabeverlangens der BaFin würde der Dienstleister sonst seine berufliche Schweigepflicht verletzen, wenn er mehr Daten herausgibt als unbedingt erforderlich. Dies steht auch in Einklang mit der Marktmissbrauchsrichtlinie, die in ihrem Art. 12 Abs. 3 gerade betont, dass die Kompetenzen der Aufsicht die innerstaatlichen Rechtsvorschriften über das Berufsgeheimnis unberührt lassen.
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2. In das Verzeichnis aufzunehmende Personen a) Überblick Hinsichtlich der Personen, die im Insiderverzeichnis zu erfassen sind, stellt § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG zwei Voraussetzungen auf. Die Personen müssen für den Emittenten oder Dienstleister tätig sein und bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen haben. Diese Informationen müssen ihrerseits einen direkten oder indirekten Bezug zum Emittenten aufweisen (Art. 5 Abs. 1 a.E. der Durchführungsrichtlinie). Diese Einschränkung kommt im Wortlaut des § 15b WpHG nicht ausreichend zum Ausdruck. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber über die Vorgaben der Richtlinie hinausgehen und auch Insiderinformationen bezüglich anderer Unternehmen erfassen wollte, fehlen3. Daher ist § 15b Abs. 1 Satz 1 WpHG richtlinienkonform zu interpretieren.
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Wie ein Blick auf Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 3 Satz 1 der Marktmissbrauchsrichtlinie 38 zeigt, meint der Begriff des „Tätigseins“ Beschäftigte, die auf arbeitsvertraglicher Grundlage oder anderweitig bei dem Emittenten oder Dienstleister beschäftigt sind. Der Begriff ist damit weit zu verstehen. Es kommt nicht auf die Art des Vertrags an4, sondern auf die Tatsache, dass die Person innerhalb des Unternehmens tatsächlich beschäftigt ist, so dass auch die Bestellung zum Organ ohne Anstellungsvertrag, die freie Mitarbeit5 und faktische Arbeitsverhältnisse ausreichen. Die Beschäftigung beim Emittenten muss weder eine Vollzeitstelle sein noch eine ausschließliche Tätigkeit, so dass auch eine reine Nebentätigkeit beim Emittenten ausreicht6. Bloße Gefälligkeitsverhältnisse sind ebenfalls erfasst (z.B. unentgeltlich mitarbeitende Fa-
1 Ebenso Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 37. 2 Kritisch Freiherr von Falkenhausen/Widder, BB 2005, 225, die dies als unverhältnismäßig ansehen. 3 RegE AnSVG vom 24.5.2004, BT-Drucks. 15/3174, S. 36. 4 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 119. 5 Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 44. 6 So auch Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 52.
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milienangehörige), solange die Person nur in das Unternehmen eingebunden ist1. Ein Kriterium hierfür ist die Weisungsabhängigkeit des Betroffenen, ein anderes die direkte Einbindung der Person in Betriebsabläufe. Abzugrenzen ist dieser weit verstandene Personenkreis der Mitarbeiter von den Selbstständigen2, die ihrerseits aber in die Kategorie der Dienstleister fallen können, sofern sie im Interesse des Emittenten tätig sind (s. oben Rz. 17 ff.). 38a Ein Teil des Schrifttums will im Umkehrschluss aus § 14 Satz 1 Nr. 3 WpAIV, der die Angabe des Familiennamens und das Geburtsdatum verlangt, ableiten, dass juristische Personen von § 15b Abs. 1 WpHG nicht erfasst seien3. Dieser Gedankengang überzeugt nicht. Zum einen geht der Autor nicht der Frage nach, ob nicht die WpAIV seinerseits gegen höherrangiges Recht verstößt. Zum anderen nimmt er keine richtlinienkonforme Auslegung vor. Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 3 der Marktmissbrauchsrichtlinie erfasst „Personen“. Als solche werden in Art. 1 Nr. 6 der Richtlinie natürliche und juristische Personen definiert. Der deutsche Gesetzgeber hat diese Regelung in § 14 WpAIV lückenhaft umgesetzt. Da der Gesetzgeber die Richtlinie korrekt umsetzen wollte und keine Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass juristische Personen ausgenommen sein sollten, ist von einem Redaktionsversehen auszugehen4. § 14 WpAIV ist daher so zu verstehen, dass bei juristischen Personen die Angaben über Handelsregister und Anschrift sowie Name, Geburtsdatum und Adresse des Ansprechpartners (dazu unten Rz. 48 a.E.) innerhalb dieser juristischen Person angegeben werden müssen; dies entspricht auch dem Sinn und Zweck von § 15b Abs. 1 WpHG5. Die Gegenansicht kommt auf Umwegen zu dem gleichen Ergebnis, indem sie den Ansprechpartner bei dem als juristische Person verfassten Dienstleister in das Insiderverzeichnis aufnehmen will und über dessen Geschäftsadresse dann auch den Dienstleister selbst6. 39
Die für den Emittenten oder Dienstleister tätige Person muss bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen haben. Der Emittentenleitfaden verwendet nicht die Formulierung „bestimmungsgemäß“, sondern „typischerweise“7. Diese Formulierung bringt zum Ausdruck, dass es nicht darum gehen kann, ob das Arbeitsverhältnis der betroffenen Person gezielt darauf angelegt ist, mit Insiderinformationen umzugehen8. Aus Art. 5 Abs. 1 der Durchführungsrichtlinie ergibt sich vielmehr, dass bei § 15b WpHG der regelmäßige oder anlassbezogene Zugang zu Insiderinformationen ausreichend ist. Das Merkmal „bestimmungsgemäß“ setzt voraus, dass ein Ursachenzusammenhang zwischen der Eigenschaft als Beschäftigter und dem 1 Zimmer, in: FS Hüffer, 2010, S. 1153, 1160; wohl auch Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 22 („jedes Schuldverhältnis“). Enger jedoch Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 44, der ein vertragliches Verhältnis verlangt. Gegen diese enge Interpretation wendet sich zu Recht Vogel für das vergleichbare Tatbestandsmerkmal „Tätigkeit“ bei § 38 Abs. 1 Nr. 2c WpHG, Vogel, § 38 Rz. 20. 2 Anders offenbar Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 44, der auch alle unternehmensexternen Dritte als für den Emittenten „tätig“ ansehen will. 3 v. Neumann-Cosel, S. 83 f. 4 Dieses hat die BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 121, bislang nicht erkannt. 5 Ebenso – allerdings mit unterschiedlicher Begründung – Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 31; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 23 a.E.; Zimmer, in: FS Hüffer, 2010, S. 1153, 1160; Zimmer, in: Schwark/Zimmer, § 15b WpHG Rz. 21; wohl auch Grothaus, ZBB 2005, 62 (67). 6 v. Neumann-Cosel, S. 126 f. 7 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 116, 117; anders aber BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 118 „bestimmungsgemäß“. 8 Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 35 f.
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Zugang zu Insiderinformationen besteht1. Gerade weil die Person beim Emittenten oder Dienstleister mit einer bestimmten Aufgabe betraut wurde, muss sie regelmäßig oder anlassbezogen Zugang zu Insiderinformationen haben. Nicht ausreichend ist daher ein bloß zufälliger Zugang zu solchen Informationen oder gar ein widerrechtlicher Zugang oder eine Kenntniserlangung bei Gelegenheit einer anderen Tätigkeit2. Der Tatbestand setzt damit voraus, dass der Emittent oder Dienstleister seinen Mitarbeiter so beschäftigt hat, dass dieser stets Zugang zu Insiderinformationen hat oder dass er anlässlich eines bestimmten Projekts mit Insiderinformationen in Kontakt kommen kann3. Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein und es ist dem Emittenten oder Dienstleister im Rahmen des ihm zustehenden Ermessensspielraums zuzugestehen, dass er eine Person im Zweifelsfall vorsorglich in das Verzeichnis aufnimmt4. Nicht zulässig wäre es dagegen, der Einfachheit halber alle Mitarbeiter des Emittenten oder Dienstleisters pauschal aufzunehmen (s. oben Rz. 34). Erlangt ein Mitarbeiter rechtswidrig oder zufällig Zugang zu Insiderinformationen, muss er nicht im Nachhinein in das Verzeichnis aufgenommen werden5. Allerdings muss ein solcher Vorgang Anlass für den Emittenten sein, die ihm im Umgang mit Insiderinformationen obliegenden Organisationspflichten6 zu überprüfen. Über das Kriterium des „Zugangs“ zu Insiderinformationen soll sichergestellt wer- 40 den, dass im Verzeichnis nicht nur diejenigen aufgeführt werden, die tatsächlich über Insiderinformationen verfügen, sondern auch diejenigen, die bestimmungsgemäß die bloße Möglichkeit der Kenntniserlangung haben, also künftig mit Insiderinformationen in Kontakt kommen könnten7. Letzteres setzt eine gewisse Prognose voraus. Die Möglichkeit der Kenntniserlangung haben regelmäßig die Personen, die entweder selbst die Insiderinformation schaffen oder an die eine solche weitergegeben wird, weil sie sie zur Erfüllung ihrer betrieblichen Aufgabe benötigen8. Mit dem Begriff der Insiderinformation wird auf § 13 WpHG Bezug genommen. Es 41 muss sich also um nicht öffentlich bekannte, hinreichend konkrete Informationen über den Emittenten oder über das Insiderpapier handeln. Gemeint sind den Emittenten „unmittelbar“ betreffende Informationen, deren Veröffentlichung nach § 15 WpHG zu erfolgen hat. Weiterhin kann es sich um Informationen handeln, deren Veröffentlichung wegen § 15 Abs. 3 WpHG vorübergehend ausgesetzt ist. Schließlich muss beachtet werden, dass § 15b WpHG nicht auf die Veröffentlichungspflicht nach § 15 WpHG, sondern direkt auf den Begriff der Insiderinformation in § 13 WpHG Bezug nimmt. Daher kann es sich auch um Informationen handeln, die zwar Insiderinformationen i.S. des § 13 WpHG sind, die den Emittenten aber nicht „unmittelbar“
1 Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 34; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 22, 41. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 119; Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 35; Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 59. 3 Aufgrund der Definition der Insiderinformation unterfallen auch solche Personen nicht dem Anwendungsbereich des § 15b Abs. 1 Satz 1 WpHG, die erst nach einer Ad-hoc-Veröffentlichung gemäß § 15 WpHG von der Information Kenntnis erlangen. Denn zu diesem Zeitpunkt hat die Information ihren Charakter als Insiderinformation bereits verloren. 4 Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 36. 5 Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 60. 6 Dazu umfassend Sethe, ZBB 2006, 243 (253 ff.); Sethe, ZBB 2007, 421 (422 ff.). 7 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 119 oben; Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 58; v. Neumann-Cosel, S. 93; Zimmer, in: FS Hüffer, 2010, S. 1153, 1162. 8 v. Neumann-Cosel, S. 106.
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betreffen und daher nicht nach § 15 WpHG zu veröffentlichen sind1. Bestätigt wird diese Auslegung durch die Formulierung von Art. 5 Abs. 1 der Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG, die einen direkten oder indirekten Bezug zum Emittenten ausreichen lässt. b) Einzelfälle 42
Damit zählen zu dem in das Verzeichnis aufzunehmenden Personenkreis insbesondere diejenigen Mitarbeiter eines Unternehmens, die als Primärinsider i.S. des § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. c WpHG gelten2. (Deckungsgleichheit mit dem Begriff des Primärinsiders im Allgemeinen besteht dagegen nicht, da allein die Beteiligung am Kapital des Emittenten nicht ausreicht, um als für den Emittenten tätig zu gelten, s. Rz. 24, 46 a.E. Zudem sind Konzernsachverhalte anders zu beurteilen als bei § 38 Abs. 1 Nr. 2 lit. a WpHG, s. unten Rz. 46). Erfasst sind zunächst die Führungspersonen des Unternehmens. Hierbei kann man auf die Definition des § 15a Abs. 2 WpHG zurückgreifen, der diesen Personenkreis umschreibt. Allerdings muss man bedenken, dass § 15a WpHG nur die Emittenten von Aktien erfasst, während § 15b WpHG die Emittenten aller Arten von Finanzinstrumenten meint. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben sind als Mitarbeiter des Emittenten die Mitglieder des Geschäftsführungsorgans (insbesondere also Vorstandsmitglieder der AG, geschäftsführungs- und vertretungsbefugte persönlich haftende Gesellschafter der KGaA3 und Geschäftsführer der GmbH) zu nennen. Auch die Mitglieder der Aufsichtsorgane zählen zu diesem Personenkreis (unabhänig davon, ob sie entsandt oder gewählt wurden und welche sonstige Tätigkeit sie noch ausüben). Schließlich gehören die in § 15a Abs. 2 WpHG erwähnten „top executives“ hierzu (dazu oben § 15a Rz. 39a). Die in § 15a Abs. 3 WpHG genannten Angehörigen sind nicht per se aufzunehmen, sondern nur dann, wenn sie im Einzelfall für den Emittenten tätig werden und bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen haben (s. oben Rz. 38 ff.)4.
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Innerhalb der Angestellten des Unternehmens sind nur solche Personen von § 15b WpHG erfasst, die entsprechend der ihnen zugewiesenen Aufgabe bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen haben, also vor allem Mitarbeiter der Bereiche Compliance, M&A, Controlling und Bilanzierung (soweit sie mit Jahres- und Quartalsabschluss Berührung haben). Sämtliche Personen, die an der Entscheidung über eine Befreiung von der Ad-hoc-Publizitätspflicht nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG beteiligt waren, sind aufzunehmen. Personen, die diese Entscheidung vorbereitet oder begleitet haben, sind ebenfalls im Insiderverzeichnis zu benennen5. Gleiches 1 Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 37; Holzborn/Israel, WM 2004, 1948 (1953). 2 S. auch RegE AnSVG vom 24.5.2004, BT-Drucks. 15/3174, S. 36; Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 44; Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 30; Zimmer, in: Schwark/Zimmer, § 15b WpHG Rz. 19; v. Neumann-Cosel, S. 115. 3 Bei § 15a WpHG herrscht Streit über die Frage, ob nur die geschäftsführungs- und vertretungsbefugten oder auch die nichtgeschäftsführungs- und vertretungsbefugten Komplementäre erfasst sind, vgl. oben Sethe, § 15a Rz. 38. Bei § 15b WpHG besteht (bislang) Einigkeit, dass nur geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Komplementäre gemeint sein können, v. Neumann-Cosel, S. 112 f. 4 Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 32. 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 117, 121; Tollkühn, ZIP 2004, 2215 (2219). Nach § 8 Abs. 5 Nr. 2 WpAIV (Text im Anhang S. 2212) sind bei späterer Veröffentlichung der Insiderinformation der BaFin die Insider zu benennen, was praktisch nur mit Vorlage der geführten Insiderverzeichnisse möglich ist, Brandi/Süßmann, AG 2004, 642 (644).
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gilt für die Personen, die das Insiderverzeichnis führen1. Auch Vorstandsassistenten haben regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen2. Gleiches gilt für Mitglieder des Betriebsrats und des Wirtschaftsausschusses3. Ebenfalls in den Anwendungsbereich fallen Sekretariate der Personen, die Zugang zu Insiderinformationen haben, sofern es zu den Aufgaben des Sekretariats gehört, bei der Tätigkeit zuzuarbeiten, bei der bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen erlangt wird. Fraglich ist, ob auch das Sekretariat eines Aufsichtsratsmitglieds noch erfasst ist, da das Mandat höchstpersönlicher Natur ist4. Der Gesichtpunkt der höchstpersönlichen Natur ist nicht ausschlaggebend. Es kommt entscheidend darauf an, wie das Sekretariat eingesetzt wird. Erhält es bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen, ist es von § 15b WpHG erfasst. Fahrer von Organmitgliedern sind nicht den Sekretariaten gleichgestellt, denn sie erhalten nicht bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen5. Die Mitarbeiter der Datenverarbeitung, die aufgrund ihrer Administratorrechte Zu- 44 gang zum internen E-Mail-Verkehr oder den Datenbanken des Emittenten oder Dienstleisters haben, sind nicht in das Insiderverzeichnis aufzunehmen. Denn es sind nur Personen aufzunehmen, die bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen haben. Damit reicht der zufällige oder bei Gelegenheit einer anderen Tätigkeit erlangte Zugang zu Insiderinformationen gerade nicht aus (s. oben Rz. 39). Es gehört nicht zu den Aufgaben der Administratoren, sich mit dem Inhalt von Dateien und Mails auseinander zu setzen. Administratoren haben daher keinen bestimmungsgemäßen Zugang zum Inhalt von insiderrelevanten E-Mails oder Datenbanken6. Andere Bereiche des Unternehmens, z.B. die Rechtsabteilung, die übrigen Finanzbereiche, die Produktion, die Forschung und Entwicklung und die Werbeabteilung dürften kaum regelmäßigen Zugang zu Insiderinformationen haben. Sie sind also nur dann erfasst, wenn sie anlassbezogenen Zugang haben.
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Bei Emittenten, die in einen Konzern eingebunden sind, wird die Frage diskutiert, ob 46 Organmitglieder verbundener Unternehmen oder Mitarbeiter des dortigen Beteiligungsmanagements im Rahmen der Konzernleitung als von § 15b WpHG erfasst angesehen werden können7. Sie können zwar im Einzelfall im Rahmen der ihnen zugewiesenen Aufgabe über Insiderinformationen verfügen, was sicherlich dafür spräche, sie einzubeziehen. Allerdings fehlt bei § 15b WpHG eine Konzernklausel (s. oben Rz. 14, 24). Die Organmitglieder und Mitarbeiter eines verbundenen Unternehmens gelten nicht als Beschäftigte des Emittenten und unterfallen daher grundsätz-
1 Wehowsky, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze (Stand: 2/2010), W 57a, § 15b WpHG Rz. 5. 2 Anders als § 15a Abs. 2 WpHG setzt § 15b WpHG nicht voraus, dass die Mitarbeiter eigenverantwortlich strategische Entscheidungen über zukünftige Entwicklungen und Geschäftsperspektiven dieses Emittenten treffen können, dazu oben § 15a Rz. 35. Daher sind bei § 15b WpHG auch Vorstandsassistenten ohne Letztentscheidungsmacht erfasst. 3 Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 69. 4 Diese Frage wirft Klawitter, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 32 Rz. 48, auf, lässt sie aber unentschieden. 5 v. Neumann-Cosel, S. 118 ff.; a.A. Merkner/Sustmann, NZG 2005, 729 (733 f.). 6 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 119; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 40. 7 So Klawitter, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 32 Rz. 49; Kirschhöfer, Der Konzern 2005, 22 (25); Uwe H. Schneider/von Buttlar, ZIP 2004, 1621 (1624); ebenso wohl Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 44.
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lich nicht dem Anwendungsbereich des § 15b WpHG1. Nur falls der einzelne Mitarbeiter der Mutter- oder Tochtergesellschaft in die Betriebsabläufe des Emittenten eingebunden ist (s.oben Rz. 38), wird er/sie für den Emittenten tätig und ist im Falle des bestimmungsgemäßen Zugangs zu Insiderinformationen in das Insiderverzeichnis des Emittenten einzutragen2. Aktionäre der Gesellschaft sind ebenfalls nicht für das Unternehmen tätig und daher nicht zu erfassen (s. auch oben Rz. 24). 47
Da das Insiderrecht eine extraterritoriale Wirkung entfaltet, sind auch die entsprechenden Mitarbeiter im Ausland in das Insiderverzeichnis aufzunehmen3.
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Ein Zweck des Insiderverzeichnisses ist es, die Insiderüberwachung zu vereinfachen und der BaFin Ermittlungen zu erleichtern. Schaltet der Emittent externe Dienstleister ein, müssen diese ein eigenes Insiderverzeichnis führen. Damit die BaFin überhaupt weiß, dass und wann ein Dienstleister eingeschaltet wurde, muss im Insiderverzeichnis des Emittenten die Beauftragung von Dienstleistern vermerkt werden, so dass das Verzeichnis alle externen Personen (gleichgültig, ob juristische oder natürliche Person, s. oben Rz. 38a) enthalten muss, die bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen haben4. Da der Dienstleister ein eigenes Insiderverzeichnis führen muss, ist der Emittent bei der Führung seines Insiderverzeichnisses nicht verpflichtet, seinerseits auch alle vom Dienstleister eingeschalteten Mitarbeiter aufzulisten. Ausreichend ist die Nennung des (Dienstleistungs-)Unternehmens und eines dortigen Ansprechpartners (s. oben Rz. 38a)5. Auf diese Weise kann die BaFin auch die Weitergabe von Aufträgen an Subunternehmer nachverfolgen6. c) Bewertung
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Im Ergebnis ist ein recht großer Kreis von Personen in das Insiderverzeichnis aufzunehmen. Für den Emittenten und den Dienstleister verursacht § 15b Abs. 1 Satz 1 WpHG einen erheblichen administrativen Aufwand7. Zwar wird bisweilen behauptet, dieser Aufwand werde dadurch begrenzt, dass grundsätzlich jede Insiderinformation, die unmittelbar den Emittenten betreffe, sogleich ad-hoc zu veröffentlichen sei. Damit müssten Insiderinformationen seit dem AnSVG früher offen gelegt werden, was die Anzahl der (in die Verzeichnisse aufzunehmenden) Insider limitiere8. Diese 1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 117 f.; Brandi/Süßmann, AG 2004, 642 (644); weiter dagegen Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 74 f., der die Konzernlenkungsfunktion ausreichen lässt, um ein Tätigwerden für den Emittenten zu bejahen. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 118; weiter offenbar Wehowsky, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze (Stand: 2/2010), W 57a, § 15b WpHG Rz. 5 („Organmitglieder und leitende Angestellte des herrschenden Unternehmens, die den Konzern leiten“): weiter auch v. Neumann-Cosel, S. 121 ff., der letztlich keine Einbindung in die in die Betriebsabläufe des Emittenten verlangt, sondern nur den Zugang zu Insiderinformationen. 3 Kirschhöfer, Der Konzern 2005, 22 (24); Uwe H. Schneider/von Buttlar, ZIP 2004, 1621 (1625); Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 39; Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 23; Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 34; v. NeumannCosel, S. 129 f. 4 Kritisch dazu Koch, DB 2005, 267 (270). 5 Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 31; Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 53. Im Ergebnis ebenso Klawitter, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 32 Rz. 50. 6 Ebenso v. Neumann-Cosel, S. 128 f. 7 Zustimmend Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 2; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 5. 8 So noch Klawitter, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 1. Aufl. 2005, § 25 Rz. 48.
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Argumentation überzeugt jedoch nicht. Allein der Umstand, dass später die Insiderinformation ad-hoc zu veröffentlichen ist, lässt nicht die Pflicht zur Aufnahme aller mit der Information in Berührung kommenden Mitarbeiter entfallen. Denn diese können in der kurzen Zeitspanne zwischen Entstehen der Information und ihrer Veröffentlichung nach § 15 WpHG durchaus Insidergeschäfte tätigen. Der entscheidende Gesichtspunkt dürfte sein, ob es dem Emittenten oder Dienstleister gelingt, die Zahl der Personen, die überhaupt Kontakt zu Insiderinformationen haben, zu begrenzen. Die Zeitspanne zwischen Entstehen und Veröffentlichung der Information ist von nicht so zentraler Bedeutung für die Zahl der in § 15b WpHG erfassten Personen. Denn dort sind nur diejenigen zu erfassen, die bestimmungsgemäß Zugang zu Insiderinformationen haben, nicht aber auch diejenigen, die zufällig davon erfahren (s. oben Rz. 39). Wären auch diese Personen erfasst, käme es in der Tat auf die Zeitspanne zwischen Entstehen und Veröffentlichung der Information an. 3. Inhalt des Verzeichnisses a) Allgemeine Angaben Einzelheiten über den Inhalt des Verzeichnisses regelt § 14 WpAIV (Text im Anhang 50 S. 2212). Das Verzeichnis muss die deutlich hervorgehobene Überschrift „Insiderverzeichnis nach § 15b WpHG“ tragen (§ 14 Satz 1 Nr. 1 WpAIV). Weiterhin muss es den Namen des zur Führung des Insiderverzeichnisses verpflichteten Emittenten oder Dienstleisters enthalten (§ 14 Satz 1 Nr. 2 WpAIV). Delegiert dieser seinerseits die Verantwortung auf Mitarbeiter (z.B. den Compliance-Beauftragten) oder Dritte, ist zusätzlich auch deren Vor- und Familienname, bei juristischen Personen deren Firma anzugeben (§ 14 Satz 1 Nr. 2 WpAIV). b) Angaben über die zu erfassenden Personen Während § 15b Abs. 1 Satz 1 WpHG festlegt, welche Personen in das Insiderverzeich- 51 nis aufzunehmen sind (dazu s. oben Rz. 37 ff.), regelt § 14 Satz 1 Nr. 3 WpAIV die Frage, welche Daten über diese Personen erfasst werden müssen. Mit dieser Vorgabe wird Art. 5 Abs. 2 lit. a der Durchführungsrichtlinie umgesetzt. Zu erfassen sind jeweils der Vor- und Familienname, Tag und Ort ihrer Geburt sowie ihre Privat- und Geschäftsanschrift (§ 14 Satz 1 Nr. 3 WpAIV). Bei juristischen Personen ist allein die Geschäftsadresse sowie der Vor- und Nachname des Ansprechpartners zu verzeichnen (s. oben Rz. 38a). Die Angaben zu Tag und Ort der Geburt natürlicher Personen sowie ihre Privat- und Geschäftsanschrift können durch eine Bezugnahme auf ein anderes Verzeichnis ersetzt werden, das diese Daten enthält (§ 14 Satz 2 WpAIV). Sie müssen jederzeit unverzüglich im Insiderverzeichnis ergänzt werden können (§ 14 Satz 3 WpAIV). Wird das Insiderverzeichnis auf Anforderung an die Bundesanstalt übermittelt, muss es diese Angaben enthalten (§ 14 Satz 4 WpAIV). c) Grund für die Aufnahme sowie Zeitangaben Das Verzeichnis wird nur dann seinen Funktionen gerecht (dazu s. oben Rz. 3 f.), wenn auch der Grund für die Erfassung der jeweiligen Person im Verzeichnis vermerkt ist. Daher verlangt Art. 5 Abs. 2 lit. b der Durchführungsrichtlinie und der zu seiner Umsetzung ergangene § 14 Satz 1 Nr. 4 WpAIV entsprechende Angaben im Verzeichnis. Bei einem anlassbezogen aufgebauten Verzeichnis ist daher die Angabe des Projekts (z.B. „Übernahme des Unternehmens X“) und bei einem nach Funktions- und Vertraulichkeitsbereichen gegliederten Verzeichnis die Angabe des Be-
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reichs (z.B. „Mitarbeiter des Bereichs M&A“) notwendig. Nur dann kann die BaFin ggf. eine bestimmte Insiderinformation auch einzelnen Mitarbeitern zuordnen. Wurde eine Person bereits wegen ihrer beruflichen Stellung aufgenommen, müssen anlassbezogene Gründe nicht zusätzlich aufgeführt werden1. 53
Aus dem gleichen Grund muss das Datum, ab dem die jeweilige Person Zugang zu Insiderinformationen hatte, und ggf. das Datum, seit dem der Zugang nicht mehr besteht, vermerkt werden (§ 14 Satz 1 Nr. 5 WpAIV). Die Angabe einer Uhrzeit ist nicht notwendig. Eine entsprechende Verpflichtung, die noch im Entwurf der WpAIV enthalten war2, wurde nach heftiger Kritik3 nicht in die endgültige Fassung der WpAIV übernommen. Die Zeitangaben hängen im Übrigen davon ab, wie das Insiderverzeichnis geführt wird. Bei einem anlassbezogenen Verzeichnis ist anzugeben, seit wann die einzelne Person Zugang zu der jeweiligen Information besitzt bzw. in das Projekt eingebunden ist und ggf. wann sie wieder ausgeschieden ist oder das Projekt beendet wurde. Wurde die Insiderinformation nach § 15 WpHG publiziert, liegt keine Insiderinformation mehr vor, so dass dies der Beendigung des Projekts gleichkommt. Bei einem nach Funktions- oder Vertraulichkeitsbereichen gegliederten Verzeichnis kommt es darauf an, seit wann die jeweilige Person dem entsprechenden Bereich angehört bzw. die entsprechende Funktion wahrnimmt4. Urlaubs- oder kürzere krankheitsbedingte Abwesenheiten sind nicht anzugeben5. Für die Frage, ab wann ein Zugang nicht mehr besteht, kommt es auf das endgültige oder längerfristige Ausscheiden der Person aus dem Bereich an.
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Das Datum der Erstellung des Verzeichnisses ist anzugeben. Da das Verzeichnis laufend aktualisiert werden muss (dazu unten Rz. 56 ff.), ist auch der Zeitpunkt der letzten Aktualisierung zu vermerken (§ 14 Satz 1 Nr. 6 WpAIV). Mit dieser Vorgabe wird Art. 5 Abs. 2 lit. c der Durchführungsrichtlinie umgesetzt. 4. Grenzüberschreitende Konstellationen
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Der Emittentenleitfaden sieht vor, dass ein Emittent, der seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder einem anderen Vertragsstaat des EWR hat, das Insiderverzeichnis nach den aufsichtsrechtlichen Vorgaben dieses Staates führen darf. Die BaFin erkennt in diesen Fällen ein nach den Vorschriften dieses Staates erstelltes Insiderverzeichnis an, selbst wenn es sich z.B. in Art, Aufbau und Inhalt von der deutschen Regelung unterscheidet6. Für Emittenten aus Drittstaaten wird man entsprechend vorgehen, wenn das dortige Recht vergleichbare Vorschriften zu Insiderverzeichnissen kennt.
1 Uwe H. Schneider/von Buttlar, ZIP 2004, 1621 (1626); Wehowsky, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze (Stand: 2/2010), W 57a, § 15b WpHG Rz. 7. 2 DiskE WpAIV, ZBB 2004, 422 (443). 3 Gemeinsame Stellungnahme des Deutschen Aktieninstituts e.V. und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie e.V. zum Entwurf einer Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige-, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten sowie der Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen (Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung – WpAIV) vom 22.9.2004, S. 9; ebenso Freiherr von Falkenhausen/Widder, BB 2005, 225 Fn. 7. 4 Lag dieser Zeitpunkt vor dem Inkrafttreten des AnSVG, konnte der 30.10.2004 als Beginn angegeben werden, BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 122. 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 122. 6 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 118.
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5. Pflicht zur Aktualisierung des Insiderverzeichnisses a) Auslöser der Aktualisierungspflicht § 15b Abs. 1 Satz 2 WpHG verpflichtet die Emittenten und Dienstleister, die von ihnen zu führenden Insiderverzeichnisse unverzüglich zu aktualisieren. Der Gesetzgeber hat damit Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 3 der Marktmissbrauchsrichtlinie und den zu seiner Konkretisierung ergangenen Art. 5 Abs. 3 der Durchführungsrichtlinie umgesetzt. Nicht ausreichend ist eine regelmäßige, in bestimmten Zeitabständen vorgenommene Aktualisierung. Vielmehr wird die Aktualisierungspflicht bei jeder tatsächlichen Veränderung ausgelöst, wenn sie die bisherige Fassung des Insiderverzeichnisses unrichtig oder unvollständig werden lässt.
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Dies ist der Fall, wenn sich der Grund für die Aufnahme von Personen in das Ver- 57 zeichnis nachträglich ändert, wenn neue Personen zum Verzeichnis hinzuzufügen sind oder wenn im Verzeichnis erfasste Personen keinen Zugang zu Insiderinformationen mehr haben. Diese in § 15 WpAIV aufgeführten Fallgruppen sind lediglich Beispiele. Eine Vielzahl weiterer Konstellationen ist denkbar. So wird die Pflicht weiterhin dadurch ausgelöst, dass neue Projekte aufgelegt werden, die Insiderinformationen hervorbringen können. Auch Veränderungen im Kreis der Personen, die das Verzeichnis führen (z.B. Wechsel in der Person des Compliance-Beauftragten), lösen die Aktualisierungspflicht aus. Wie bereits dargelegt, sind urlaubs- oder kurzzeitige krankheitsbedingte Abwesenheiten kein Grund für die Aktualisierung (s. oben Rz. 53). Die BaFin muss erkennen können, zu welchem Zeitpunkt die Veränderung eingetreten ist. Zwar sieht Art. 5 Abs. 3 der Durchführungsrichtlinie nur für den Fall, dass eine Person keinen Zugang zu Insiderwissen mehr hat, eine Pflicht vor, auch den Zeitpunkt dieser Änderung anzugeben. Aus dieser Regelung kann man aber nicht den Umkehrschluss ziehen, wonach das Datum der Änderung in den anderen genannten Fällen verzichtbar sei. Vielmehr hat die Regelung lediglich klarstellenden Charakter. Aus Art. 5 Abs. 2 lit. c der Durchführungsrichtlinie ergibt sich nämlich, dass bei jeder Änderung das Änderungsdatum anzugeben ist. Hiervon gehen auch § 14 Satz 1 Nrn. 5 und 6 WpAIV aus (s. oben Rz. 53 f.).
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b) Frist Der Emittent oder Dienstleister muss das Verzeichnis „unverzüglich“, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB), aktualisieren. Die Frist beginnt mit der Kenntnis des Emittenten von der tatsächlichen Veränderung. Das Tatbestandsmerkmal „unverzüglich“ unterscheidet sich von dem Rechtsbegriff „sofort“ (vgl. § 859 Abs. 3 BGB), der gleichbedeutend ist mit „so schnell wie objektiv möglich“. Mit dem Abstellen auf die Unverzüglichkeit wird dem Betroffenen also eine angemessene Frist zur Prüfung des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen und ggf. zur Einholung von Rechtsrat oder einer Auskunft der Bundesanstalt eingeräumt. Steht die Aktualisierungspflicht von vornherein völlig außer Frage, wäre jedes Zögern schuldhaft, und die Frist ist in einem solchen Fall faktisch eine sofortige. Der Meldepflichtige muss substantiiert darlegen, dass er unverzüglich gehandelt hat1.
1 OLG München v. 16.11.1987 – 3 W 3109/87, WM 1988, 1408 (1409) (zu § 121 BGB).
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6. Aufbewahrung a) Art der Aufbewahrung 60
Es muss gewährleistet sein, dass die Daten sicher und verfügbar sind, gleichgültig, ob das Verzeichnis in Papierform oder elektronisch geführt wird. § 16 Abs. 1 Satz 2 WpAIV (Text im Anhang S. 2212) i.V.m. § 257 Abs. 3 Satz 1 HGB erlaubt u.a. das Einscannen oder Verfilmen der Daten, sofern die Übereinstimmung mit dem Original gewährleistet ist und die Daten innerhalb angemessener Frist lesbar gemacht werden können. Angesichts der modernen technischen Möglichkeiten ist eine Wiedergabe oder ein Ausdruck der archivierten Dokumente in sehr kurzer Zeit möglich, weshalb im handelsrechtlichen Schrifttum von einer „prompten“ Lesbarkeit gesprochen wird1. Der Ausdruck der Dokumente bzw. das Aufsuchen im Archiv wird innerhalb eines Arbeitstages möglich sein. b) Aufbewahrungsfrist
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Die Daten sind nach ihrer Erstellung sechs Jahre aufzubewahren und danach zu vernichten (§ 16 Abs. 2 WpAIV). Mit dieser Lösung geht der deutsche Gesetzgeber über die Vorgabe von fünf Jahren in Art. 5 Abs. 4 der Durchführungsrichtlinie hinaus2. Gemäß § 257 Abs. 5 HGB beginnt die Aufbewahrungsfrist mit dem Schluss des Kalenderjahrs, in dem die letzte Eintragung in das Handelsbuch, Inventar etc. gemacht wurde. Die Vorschrift des § 257 Abs. 5 HGB lässt sich nicht ohne weiteres auf Insiderverzeichnisse übertragen3. Es ist daher zu begrüßen, dass § 16 Abs. 2 WpAIV den Versuch unternimmt, die Frist zu konkretisieren. Danach sind die Daten nach ihrer Erstellung sechs Jahre so aufzubewahren, dass jederzeit für einen beliebigen Zeitraum in den letzten sechs Jahren nachgewiesen werden kann, welche Personen Zugang zu Insiderinformationen hatten. Diese Frist beginnt für jeden aktualisierten Datensatz neu. Die Ausführungen der BaFin zur Aufbewahrungsfrist sind wenig erhellend. Sie stellt lediglich fest, dass mit jeder Aktualisierung die Frist neu zu laufen beginne4. Nimmt man diese Aussage wörtlich, gibt es keine alten Versionen, die man vernichten könnte. Das Verzeichnis wäre ewig fortzuführen. Dann aber ist die Regelung des § 16 Abs. 1 Satz 2 WpAIV i.V.m. § 257 Abs. 5 HGB überflüssig.
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Auch die Formulierung des § 16 Abs. 2 Satz 2 WpAIV enthält eine Unschärfe5. Es ist unklar, was mit Datensatz gemeint ist. Wird der Datensatz einer bestimmten Person oder Abteilung innerhalb der Firma gemeint, wäre das Ergebnis kurios. Beispielsweise wäre ein langjähriges Vorstandsmitglied, dessen Datensatz länger als sechs Jahre unverändert blieb, aus dem Insiderverzeichnis zu löschen, obwohl er weiterhin Zugang zu Insiderinformationen hat. Es kann also nur das Gesamtverzeichnis gemeint sein. Sind die Dateien, in denen ältere Versionen des Gesamtverzeichnisses gespeichert sind, seit mehr als sechs Jahren unverändert, können und müssen sie gelöscht 1 Merkt, in: Baumbach/Hopt, 34. Aufl. 2010, § 257 HGB Rz. 2; vage dagegen Adler/Düring/ Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 2000, § 257 HGB Rz. 64; Wiedmann, in: Ebenroth/Joost/Boujong/Strohn, 2. Aufl. 2008, § 257 HGB Rz. 25 („Verhältnisse des Einzelfalls“). 2 Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 62 und Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 54, nennen als Grund für diese Erweiterung die maximale strafrechtliche Verjährungsfrist von sechs Jahren. Der DiskE zur WpAIV ist insoweit leider vage, ZBB 2004, 422 (444). 3 Ebenso Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 48. 4 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 123. 5 Sie ist bereits im DiskE zur WpAIV angelegt, ZBB 2004, 422 (444).
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werden. Überschreibt das Programm, mit dessen Hilfe das Insiderverzeichnis geführt wird, automatisch Daten, die älter als sechs Jahre sind, gibt es immer nur einen – jeweils aktuellen – Datensatz über die letzten sechs Jahre1. Geht man von einem in Papierform verfassten Verzeichnis aus, führt jede Änderung dieses Insiderverzeichnisses dazu, dass eine neue Version des gesamten Verzeichnisses entsteht. Alte Versionen müssen nach Ablauf der Sechs-Jahres-Frist vernichtet werden. Da das Gesetz den Fristbeginn nicht regelt, ist auf die in Bezug genommene Regelung des § 257 Abs. 5 HGB zurückzugreifen, der auf den Schluss des Kalenderjahres abstellt, in dem die Daten erstellt wurden2. c) Vertraulichkeit und Pflicht zur Löschung Da das Verzeichnis personenbezogene Daten enthält und Insiderinformationen ent- 63 halten kann, ist es so aufzubewahren, dass nur die im Unternehmen für die Führung des Verzeichnisses verantwortlichen Personen (z.B. Vorstand), die mit der Führung des Verzeichnisses konkret beauftragten Personen (z.B. Compliance-Mitarbeiter) oder die aufgrund ihres Berufs einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegenden Personen (z.B. Wirtschaftsprüfer) Zugang haben (§ 16 Abs. 1 Satz 3 WpAIV). Sowohl das aktuelle Verzeichnis als auch frühere Versionen sind streng vertraulich zu behandeln. Grund für die angeordnete Geheimhaltung sind das Weitergabeverbot von Insiderinformationen und der Datenschutz3. Koch schlägt vor, dass besonders sensible Eintragungen in das Verzeichnis verschlüsselt vorgenommen werden dürfen4. Dieser Standpunkt überzeugt nicht, denn das gesamte Verzeichnis besteht aus sensiblen Eintragungen und ist daher insgesamt geheim zu halten5. Aus der Vertraulichkeit des Verzeichnisses folgt weiterhin, dass ein Auskunftsanspruch der Aktionäre nach § 131 AktG ausgeschlossen ist6. Die im Verzeichnis eingetragenen Personen können dagegen nach § 34 BDSG Auskunft über den sie betreffenden Eintrag verlangen7. Aus Datenschutzgründen und aufgrund der Pflicht zur Vertraulichkeit sind Verzeichnisse nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist zu löschen (§ 16 Abs. 2 Satz 3 WpAIV)8. 7. Pflicht zur Übermittlung Die Bundesanstalt kann vom Emittenten und/oder dem Dienstleister die Übermittlung des aktuellen Insiderverzeichnisses und der früheren Fassungen der letzten sechs Jahre (s. oben Rz. 61 f.) verlangen (§ 15b Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 WpHG). An1 Dies scheint die Fallkonstellation zu sein, die die BaFin bei ihrer missverständlichen Formulierung im BaFin, Emittentenleitfaden vor Augen gehabt zu haben scheint, vgl. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 1234. 2 Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 55; wohl auch Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 63. Unscharf dagegen BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 123. 3 Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 56; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929 (933). 4 Koch, DB 2005, 267 (270); Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 41. 5 Dies übersieht Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 41, in seiner Kritik an der hier vertretenen Position. 6 Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 57; Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 58; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929 (933). 7 Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 58; Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929 (933); im Ergebnis auch Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 90 sowie Eckhold, in: Schäfer/ Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 58 (unter Hinweis auf § 241 Abs. 2 BGB). 8 Zu Beseitigungsansprüchen ausführlich v. Neumann-Cosel, S. 221 ff.
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ders als bei § 4 Abs. 3 WpHG wird kein Verdachtsfall vorausgesetzt1, denn es handelt sich um eine Börsenzulassungsfolgepflicht, der sich der Emittent mit der Beantragung der Zulassung unterwirft. Hiervon scheinen auch die Gesetzesmaterialien auszugehen, die allein bei § 4 Abs. 3 WpHG einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung annehmen2. Im Übrigen wäre die Regelung der Übermittlungspflicht in § 15b Abs. 1 Satz 2 WpHG überflüssig, wenn es auf einen Verdacht ankäme, da in diesem Fall die Übermittlung immer auch nach § 4 Abs. 3 WpHG verlangt werden könnte. Das „Verlangen“ der BaFin nach Übersendung des Verzeichnisses stellt eine Ermessensentscheidung dar. Auch wenn kein Verdachtsfall vorausgesetzt wird, darf die BaFin die Übersendung nicht willkürlich verlangen. Vielmehr muss sie einen Grund für die Anforderung geltend machen, der unterhalb der Schwelle des Verdachtsfalls liegen muss, so dass die Anforderungen nicht allzu hoch sind (z.B. stichprobenartige Überprüfung, ob das Verzeichnis ordnungsgemäß geführt wird oder stichprobenartige Überprüfung von in dem Verzeichnis aufgeführten Personen im Vorfeld von Ermittlungen)3. Die Verzeichnisse sind auf eigene Kosten an die BaFin zu übersenden, wobei diese eine Übermittlung in elektronischer Form bevorzugt4. Die Liste ist unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, zu übermitteln. Dieses Tatbestandsmerkmal in § 15b Abs. 1 Satz 2 WpHG bezieht sich nicht nur auf die Aktualisierungspflicht, sondern auch auf die Übermittlungspflicht. Da die heutige Technik einen jederzeitigen Ausdruck der Liste oder eine Umwandlung in eine versandfertige Datei ermöglicht, wird man das aktuelle Verzeichnis in kürzester Zeit übermitteln können. Archivierte Fassungen kann man innerhalb eines Arbeitstages reproduzieren (s. oben Rz. 60). Rechnet man Postlaufzeiten ein, wird die Schwelle zur Ordnungswidrigkeit (s. unten Rz. 79) daher regelmäßig dann überschritten, wenn die BaFin das Verzeichnis später als am dritten Werktag nach Eingang des Verlangens beim Übermittlungspflichtigen erhält5. Die Kompetenz der BaFin aus § 15 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 WpHG lässt die allgemeinen Auskunftsbefugnisse des § 4 WpHG unberührt6. 8. Mögliche Verfassungswidrigkeit 65
Es wird bezweifelt, ob die Regelung des § 15b WpHG mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung in Einklang steht7. Europarechtlich veranlasste Regelungen sind nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur einer sehr beschränkten verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterworfen8. Nur Spielräume bei der Umsetzung sind überprüfbar. Der Umfang der gespeicherten Daten und deren Übermittlung an die Aufsichtsbehörde sind jedoch in Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 3 Marktmissbrauchsrichtlinie und Art. 5 der Durchführungsrichtlinie sehr detailliert vorgegeben, so dass dem deutschen Gesetzgeber hier gerade kein 1 Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 55; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 52; Wehowsky, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze (Stand: 2/2010), W 57a, § 15b WpHG Rz. 10; v. Neumann-Cosel, S. 181 ff.; a.A. Diekmann/Sustmann, NZG 2004, 929 (932 f.); Steidle/Waldeck, WM 2005, 868 (872). 2 RegE AnSVG v. 24.5.2004, BT-Drucks. 15/3174, S. 30 und 36. 3 A.A. Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 15b WpHG Rz. 5. 4 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 123. 5 Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 82. 6 RegE AnSVG vom 24.5.2004, BT-Drucks. 15/3174, S. 36. 7 Steidle/Waldeck, WM 2005, 868 ff. 8 BVerfG v. 22.10.1986 – 2 BvR 197/83 („Solange II“), BVerfGE 73, 339, 387; BVerfG v. 10.12.1993 – 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92 („Maastricht“), NJW 1993, 3047, 3049; BVerfG v. 7.6.2000 – 2 BvL 1/97, („Bananenmarktordnung“), NJW 2000, 3124 ff.
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Umsetzungsspielraum verblieb. Die Geltendmachung von Grundrechtsverletzungen scheidet daher aus1. Angreifbar wäre allenfalls die Regelung, wonach die Verzeichnisse sechs Jahre lang aufzubewahren sind, da Art. 5 Abs. 4 der Durchführungsrichtlinie hier nur fünf Jahre vorgibt2. 9. Rechte des Betriebsrats Fraglich ist, ob dem Betriebsrat hinsichtlich der Frage des „Ob“ der Errichtung eines 66 Insiderverzeichnisses ein Mitbestimmungsrecht zusteht. Einschlägig erscheint der Tatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, doch stellt das Insiderverzeichnnis keine technische Einrichtung dar, denn es findet keine vom menschlichen Erfassungsvermögen unabhängige technische, d.h. automatisierte Aufzeichnung des Verhaltens oder Leistung der Arbeitnehmer statt3. Technische Einrichtungen werden nur erfasst, wenn sie unmittelbar – ohne Hinzutreten weiterer Mittel – die Überwachungsergebnisse produzieren4. Insiderverzeichnisse werden nicht automatisch erstellt, sondern beruhen auf den Angaben, die der das Verzeichnis führende Mitarbeiter erhebt. Die herrschende Meinung sieht den Tatbestand aber auch dann als einschlägig an, wenn die Daten zwar nicht automatisch erhoben, wohl aber ausgewertet werden, was bei elektronisch geführten Insiderverzeichnissen der Fall wäre5. Das Mitbestimmungsrecht scheitert jedenfalls daran, dass es nach dem Gesetz nur eingreift „soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht“6. Denn in diesem Fall hat der Unternehmer keinen Handlungsspielraum mehr. Sind die Voraussetzungen des § 15b Abs. 1 Satz 1 WpHG erfüllt, ist die Errichtung des Insiderverzeichnisses gesetzlich vorgeschrieben. Vorliegend wird ein mögliches Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats also durch diese zwingende gesetzliche Vorgabe verdrängt. Gleiches gilt hinsichtlich des „Wie“ der Führung des Insiderverzeichnisses, da dies in der WpAIV abschließend festgelegt wird. Von der Mitbestimmung zu trennen ist die Frage, ob der Emittent den Betriebsrat 67 über die Errichtung eines Insiderverzeichnisses informieren muss. Dies wird zu Recht unter Hinweis auf das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit bejaht7. Denn das Informationsrecht greift nicht erst ein, wenn konkrete Aufgaben des Betriebsrats aktuell betroffen sind, sondern bereits dann, wenn sie potentiell betroffen sein können8. Zwar wurde festgestellt, dass ein Mitbestimmungsrecht ausscheidet. Dennoch muss der Betriebsrat zumindest die Einhaltung der Vorgaben des BDSG zugunsten der Arbeitnehmer überprüfen können (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG)9 und ist daher über die Errichtung des Verzeichnisses zu informieren. 1 So jetzt auch Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 2 a.E.; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 6; Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 15; abweichend v. Neumann-Cosel, S. 162 ff. und Zimmer, in: FS Hüffer, 2010, S. 1153, 1155, die beide einen Grundrechtseingriff bejahen, diesen aber als gerechtfertigt ansehen. 2 A.A. v. Neumann-Cosel, S. 163, wonach auch die Pflicht zur Erhebung der Daten verfassungsrechtlich überprüfbar sei. Diese Pflicht ergibt sich jedoch aus Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 3 der Marktmissbrauchsrichtlinie und wurde 1:1 umgesetzt, so dass eine verfassungsrechtliche Überprüfung ausscheidet. 3 Richardi, in: Richardi, 12. Aufl. 2010, § 87 BetrVG Rz. 484 f. 4 Richardi, in: Richardi, 12. Aufl. 2010, § 87 BetrVG Rz. 503. 5 Kania und Wank, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 11. Aufl. 2011, § 87 BetrVG Rz. 49 (m.w.N. auch zur Gegenansicht) bzw. § 28 BDSG Rz. 5. 6 Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 8. 7 Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 8. 8 Kania, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 11. Aufl. 2011, § 80 BetrVG Rz. 17 ff. 9 Kania, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 11. Aufl. 2011, § 80 BetrVG Rz. 3.
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Der Betriebsrat darf jedoch nur abstrakt und generell prüfen, dass nur solche Daten gespeichert werden, die nach § 15b WpHG erforderlich sind, d.h. er darf nur die Datenfelder prüfen. Konkrete Inhalte der Datenbank dürfen ihm nicht zugänglich gemacht werden, da dies in der Sache auf die Weitergabe einer Insiderinformation hinausliefe. Eine solche ist aber nur zulässig, wenn die Weitergabe befugt ist, d.h. zur Erfüllung der dem Betriebsrat zustehenden Aufgabe unerlässlich ist und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet wird1. Für die Überprüfung der Einhaltung des § 15b WpHG ist jedoch nicht der Betriebsrat, sondern die BaFin zuständig. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch § 16 Abs. 1 Satz 3 WpAIV, der zeigt, dass die Inhalte des Verzeichnisses geheim zu halten sind2.
VII. Aufklärungspflicht (§ 15b Abs. 1 Satz 3 WpHG) 1. Aufklärungspflichtiger 69
Gemäß § 15b Abs. 1 Satz 3 WpHG hat der Emittent die in seinem Insiderverzeichnis geführten Personen über die rechtlichen Pflichten, die sich aus dem Zugang zu Insiderinformationen ergeben, sowie über die Rechtsfolgen von Verstößen aufzuklären. Durch die Vorschrift werden ausdrücklich nur die Emittenten zur Aufklärung verpflichtet. Die Dienstleister hat der Gesetzgeber offensichtlich vergessen. Die BaFin hat dieses Redaktionsversehen erkannt und versucht es dadurch zu bereinigen, dass sie den Emittenten als aufklärungspflichtig auch im Hinblick auf die Mitarbeiter eines Dienstleisters ansieht. Da der Emittent dieser Pflicht bei Personen, die bei einem Dienstleister tätig sind, nur schwerlich nachkommen könne, dürfe die Aufklärungspflicht an den Dienstleister delegiert werden. Diese belehrten dann die in ihrem Insiderverzeichnis geführten Personen im Auftrag des Emittenten3. Dieser Kunstgriff erzielt zwar das gewünschte Ergebnis, ist in der Sache aber abzulehnen4. Art. 5 Abs. 5 der Durchführungsrichtlinie sieht gerade nicht nur die Emittenten, sondern auch die Dienstleister als verpflichtet an, die Aufklärung durchzuführen. Da der Gesetzgeber die Richtlinien korrekt umsetzen wollte5 und die Konzeption des § 15b WpHG ergibt, dass die Emittenten und Dienstleister eigenständigen Pflichten unterworfen sind (s. oben Rz. 12), darf man vorliegend im Wege der richtlinienkonformen Auslegung die durch das Redaktionsversehen entstandene Lücke schließen6. Der Gesetzgeber sollte jedoch im Wege einer Klarstellung den Wortlaut korrigieren. Die Norm ist also dahingehend zu verstehen, dass nicht nur Emittenten, sondern alle Verzeichnisführungspflichtigen von der Belehrungspflicht erfasst sind. Jeder zur Führung eines Insiderverzeichnisses Verpflichtete muss daher die in seinem Verzeichnis geführten Personen belehren: Der Emittent muss die für ihn Tätigen belehren. Da er die Dienstleister ebenfalls in seinem Verzeichnis auflisten muss (s. oben Rz. 48), ist er verpflichtet, auch den dortigen Ansprechpartner zu belehren, nicht aber auch dessen 1 Sethe, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 12 Rz. 102. 2 Ebenso Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 8. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 123; Fischer zu Cramburg/Royé, in: Heidel, § 15a WpHG Rz. 6. 4 Anders Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, S. 49. 5 RegE AnSVG vom 24.5.2004, BT-Drucks. 15/3174, S. 36 f. 6 Ebenso Brandi/Süßmann, AG 2004, 642 (644); Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 51; Grothaus, ZBB 2005, 62 (67); Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 48; Pfüller, in: Fuchs, § 15b Rz. 84 f.; Uwe H. Schneider/von Buttlar, ZIP 2004, 1621 (1626). Im Ergebnis auch Koch, DB 2005, 267 (271); Zimmer, in: FS Hüffer, 2010, S. 1153, 1164; Zimmer, in: Schwark/Zimmer, § 15b WpHG Rz. 33; v. Neumann-Cosel, S. 189 ff.
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gesamten Mitarbeiterstab. Vielmehr muss der Dienstleister dann seinerseits alle Mitarbeiter, die in seinem Verzeichnis aufgeführt sind, entsprechend aufklären1. 2. Inhalt der Aufklärung Die Aufklärung umfasst zum einen die rechtlichen Pflichten, die sich aus dem Zu- 70 gang zu Insiderinformationen ergeben, und zum anderen die Rechtsfolgen von Verstößen gegen diese Pflichten. Der Emittent ist ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 15 Abs. 3 WpHG ver- 71 pflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass Personen mit Zugang zu Insiderinformationen die sich daraus ergebenden rechtlichen Pflichten anerkennen2. Auch müssen sie sich der Sanktionen bewusst sein, die bei einer missbräuchlichen Verwendung bzw. einer nicht ordnungsgemäßen Verbreitung derartiger Informationen verhängt werden3. Diese Funktion der Aufklärung über die Sanktionen erfüllt die Belehrung nach § 15b Abs. 1 Satz 4 WpHG. Einer gesonderten Belehrung nach § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG bedarf es nicht4. 3. Form der Aufklärung Es bleibt dem Aufklärungspflichtigen überlassen, wen er innerhalb seiner Organisati- 72 on einsetzt, um die Erfüllung seiner Pflicht sicherzustellen. In der Praxis werden dies regelmäßig die Compliance-Beauftragten sein. Auch die Art und Weise der Aufklärung bleibt dem Emittenten bzw. Dienstleister überlassen. Möglich ist die Verwendung des Aufklärungsbogens der BaFin5. Dieser gibt aber im Wesentlichen nur den Gesetzeswortlaut wieder, der für Laien wenig verständlich sein dürfte. Der Aufklärungsbogen ist – wie Schröder sehr anschaulich dargelegt hat6 – ein Musterbeispiel dafür, wie man faire und transparente Compliance nicht vornehmen sollte. Denkbar ist auch eine Aufklärung im Wege schriftlicher Leitfäden, interner Insiderrichtlinien oder durch Seminare7. Eine bestimmte Form der Aufklärung ist ebenso wenig vorgesehen wie ein Empfangsbekenntnis der belehrten Person8. Dass die BaFin hierauf verzichtet, ist zu bedauern, da gerade der Beweis des Vorsatzes beim Insiderhandel durch ein solches Schriftstück erleichtert würde. Vor diesem Hintergrund verwundert es, dass die BaFin in dem Musterbelehrungsbogen auf ihrer Homepage ein Empfangsbekenntnis vorsieht. 4. Zeitpunkt und Wiederholung der Aufklärung Gleichgültig, ob es sich um ein projekt-/anlassbezogenes oder ein funktionsbezogenes Insiderverzeichnis handelt, muss die Aufklärung anlässlich der erstmaligen Aufnahme in das Verzeichnis erfolgen. Darüber hinaus besteht Uneinigkeit, ob und wie 1 Ebenso Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 51; Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 86. 2 Zur Sicherstellung der Vertraulichkeit durch Abschluss von Vertraulichkeitsvereinbarungen Kuthe, ZIP 2004, 883 (885). 3 RegE AnSVG v. 24.5.2004, BT-Drucks. 15/3174, S. 35; Sven H. Schneider, BB 2005, 897; kritisch zur Gesetzesbegründung Veith, NZG 2005, 254 (258). 4 Tollkühn, ZIP 2004, 2215 (2219); Ziemons, NZG 2004, 537 (543). 5 Aufklärungsbogen der BaFin vom 25.10.2007. 6 Schröder, Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 1067 f. 7 Uwe H. Schneider/von Buttlar, ZIP 2004, 1621 (1626). 8 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 123.
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oft die Aufklärung zu wiederholen ist. Der Emittentenleitfaden schweigt zu dieser Frage1. Es ist nach Art des Verzeichnisses zu differenzieren: (1) Bei funktionsbezogenen Verzeichnissen reicht die einmalige Aufklärung. Ihre Wiederholung ist bei Erlangung weiterer Insiderinformationen nicht erforderlich2. Auch die Ansicht, dass in regelmäßigen Abständen eine Wiederholung der Belehrung erfolgen müsse, um eine Senisibilisierung der Mitarbeiter zu erreichen3, ist – mangels gesetzlicher Grundlage – abzulehnen. Der Wechsel in eine andere Abteilung des Emittenten löst keine Wiederholungspflicht aus. Davon zu trennen ist die Frage, ob man freiwillig eine solche Wiederholung vornehmen sollte, was im Schrifttum als zweckmäßig angesehen wird4. (2) Führt das Unternehmen ein anlassbezogenes Insiderverzeichnis, ist ein erfasster Mitarbeiter davon in Kenntnis zu setzen, bei welchen Projekten er in dem Insiderverzeichnis geführt wird5. Personen, die gleichzeitig oder nacheinander in mehrere Projekte eingebunden sind, müssen nicht jedes Mal erneut belehrt werden6.
VIII. Auswirkungen des § 15b WpHG 74
Mit Einführung des § 15b WpHG hat der Gesetzgeber den Emittenten und Dienstleistern bereits im Vorfeld der Entstehung von Insiderinformationen Organisationspflichten auferlegt. Ihre Organmitglieder haben diese Pflichten im Rahmen der unternehmensinternen Organisation umzusetzen, wozu auch ein angemessenes Risikomanagementsystem für Rechtsrisiken gehört. An dieses kann die nach § 15b WpHG gebotene Organisation angebunden werden.
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Die Vorverlagerung der Organisationspflichten gibt Anlass zu zwei weiteren Feststellungen: (1) Allein aus der Tatsache, dass der Emittent ein anlassbezogenes Insiderverzeichnis führt, lässt sich nicht zwingend ableiten, dass bereits eine ad-hoc-publizitätspflichtige Insiderinformation i.S. des § 15 WpHG vorliegt. Denn das Verzeichnis ist bereits im Vorfeld der Entstehung von Insiderinformationen zu führen7. (2) Aus dem gleichen Grund kann man aus einem funktions- oder vertraulichkeitsbereichsbezogenen Insiderverzeichnis nicht den Schluss ziehen, dass jede der dort aufgeführten Personen während des gesamten Zeitraums ihrer Zuordnung zu einer Funktion oder zu einem Bereich ununterbrochen im Besitz von Insiderinformationen gewesen ist8. Würde man dies unterstellen, wäre den darin genannten Personen aufgrund des Insiderhandelsverbots jegliche Vornahme von Wertpapiergeschäften in Finanzinstrumenten des Emittenten verwehrt. Dies ist nicht die Zielsetzung der Regelung in § 15b WpHG und würde im Übrigen dazu führen, dass § 15a WpHG leer liefe.
1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 123. 2 Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 50; Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 53. 3 Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 53; ebenso v. Neumann-Cosel, S. 194, der regelmäßige Aufklärungsschreiben befürwortet. 4 Kirschhöfer, Der Konzern 2005, 22 (27); Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 87. 5 Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 53; Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 50; Kirschhöfer, Der Konzern 2005, 22 (27); v. Neumann-Cosel, S. 194. 6 Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 53; a.A. aber Brandi/ Süßmann, AG 2004, 642 (644). 7 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 120 sowie oben Rz. 28, 49. 8 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 121; Kirschhöfer, Der Konzern 2005, 22 (24 und 25).
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Schließlich ist nochmals darauf hinzuweisen (s. auch Rz. 3), dass die Belehrung über 76 das Insiderrecht nach § 15b Abs. 1 Satz 3 WpHG die Strafverfolgung gegen Insider erleichtert. Ein Vorsatz ist nun leichter nachweisbar.
IX. Die Verordnungsermächtigung (§ 15b Abs. 2 WpHG) Gemäß § 15b Abs. 2 Satz 1 WpHG kann das Bundesministerium der Finanzen durch 77 Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen erlassen über Umfang und Form der Verzeichnisse, die in den Verzeichnissen enthaltenen Daten, die Aktualisierung und die Datenpflege bezüglich der Verzeichnisse, den Zeitraum, über den die Verzeichnisse aufbewahrt werden müssen, und die Fristen für die Vernichtung der Verzeichnisse. Mit den §§ 14 bis 16 der Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung (WpAIV)1 hat das Bundesministerium von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht. Es besteht die Möglichkeit, diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zu übertragen (§ 15b Abs. 2 Satz 2 WpHG). Dieser Weg soll ein schnelleres Anpassen des deutschen Rechts an neue Entwicklungen bei den europäischen Standards erlauben2. Von dieser Möglichkeit hat das Ministerium bislang keinen Gebrauch gemacht.
X. Sanktionen 1. Bußgeld Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Führung eines Insiderverzeichnisses nach § 15b 78 Abs. 1 Satz 1 WpHG (s. oben Rz. 28 ff.) und die sie ergänzenden Pflichten aus §§ 14 bis 16 WpAIV stellen eine Ordnungswidrigkeit nach § 39 Abs. 2 Nr. 8 WpHG dar. Als Zuwiderhandlung gilt das Nichtführen, das nicht richtige oder das nicht vollständige Führen des Verzeichnisses. Erfasst ist damit auch ein Verstoß gegen die Aktualisierungspflicht, der zu einem unrichtigen Insiderverzeichnis führt3. Verantwortlich für die Pflicht zur Führung des Verzeichnisses ist die Geschäftsführung des Emittenten bzw. der Dienstleister oder dessen Geschäftsführung, sollte es sich um eine juristische Person handeln. Die Verletzung der Pflicht zur Löschung des Verzeichnisses nach Ablauf der Sechs-Jahres-Frist wird durch das WpHG nicht sanktioniert. Denn durch das Unterlassen der Löschung wird das Verzeichnis nicht un-
1 Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige-, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten sowie der Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen nach dem Wertpapierhandelsgesetz (Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung – WpAIV) vom 13.12.2004, BGBl. I 2004, 3376, zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts (Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz) vom 5.4.2011, BGBl. I 538, Text im Anhang S. 2212). 2 RegE AnSVG vom 24.5.2004, BT-Drucks. 15/3174, S. 37. 3 Ebenso Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 61; Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 100; a.A. Zimmer, in: Schwark/Zimmer, § 15b WpHG Rz. 38; Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 66, der Verstöße gegen §§ 15 f. WpAIV nicht als erfasst ansieht.
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richtig1. Nicht sanktioniert ist außerdem eine Verletzung der Aufklärungs- und Belehrungspflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG2. 79
Kommt der für die Führung des Verzeichnisses Verantwortliche einem Verlangen der BaFin nach Übermittlung des Verzeichnisses nicht oder nicht rechtzeitig nach, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit nach § 39 Abs. 2 Nr. 9 WpHG dar. Ein Fall nicht rechtzeitiger Übermittlung wird vorliegen, wenn das von der BaFin angeforderte Verzeichnis erst nach Ablauf von drei Werktagen eingeht (s. oben Rz. 60, 64)3. Verantwortlich für die Pflicht zur Übermittlung des Verzeichnisses ist wiederum die Geschäftsführung des Emittenten bzw. der Dienstleister oder dessen Geschäftsführung, sollte es sich um eine juristische Person handeln.
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Nach § 39 Abs. 4 WpHG können die Ordnungswidrigkeiten mit einer Geldbuße bis zu 50 000 Euro bei Vorsatz und 25 000 Euro bei Leichtfertigkeit (§ 17 Abs. 2 OWiG) geahndet werden4. Zu weiteren Einzelheiten vgl. die Kommentierung zu § 39 WpHG. 2. Strafvorschriften
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Kommt der für die Führung des Verzeichnisses Verantwortliche seiner Pflicht nicht oder nicht ordnungsgemäß nach, um dadurch eine tateinheitlich begangene eigene Insiderstraftat zu verschleiern, tritt die begangene Ordnungswidrigkeit nach § 21 Abs. 1 Satz 1 OWiG zurück (Subsidiarität). Sie lebt jedoch wieder auf, wenn keine Strafe verhängt wird (§ 21 Abs. 2 OWiG). Dies gilt etwa für den Fall, dass das Strafverfahren nach §§ 153, 153a, 154a, 170 Abs. 2 StPO eingestellt wird5.
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Kommt der Verantwortliche seiner Pflicht zur (vollständigen) Führung des Insiderverzeichnisses nicht nach, um die anstehende Insiderstraftat eines anderen zu ermöglichen, kann er Mittäter des Insiderdelikts sein, wenn er selbst ebenfalls Insider ist und die übrigen Voraussetzungen der Mittäterschaft vorliegen. Verfügt er nicht über Insiderinformationen oder fehlen die Voraussetzungen der Mittäterschaft, kann ein Fall der Beihilfe zum Insiderhandel oder ein Fall der Begünstigung (§ 257 StGB) gegeben sein.
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Weigert sich der Verantwortliche, das Verzeichnis an die BaFin zu übermitteln, um eine begangene Insiderstraftat zu verschleiern, kann eine (versuchte) Strafvereitelung (§ 259 StGB) vorliegen. 3. Zivilrechtliche Sanktionen
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Die Führung und Aktualisierung des Insiderverzeichnisses obliegen dem Emittenten und Dienstleister allein kraft Aufsichtsrechts im Interesse des Marktschutzes (vgl. Erwägungsgrund Nr. 12 der Marktmissbrauchsrichtlinie und Erwägungsgrund Nr. 6 der Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG). Individuelle Anleger sollen nicht ge1 Anders offenbar Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 61. 2 So auch Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 61; Süßmann, in: Park (Hrsg.), Kapitalmarktstrafrecht, 2. Aufl. 2008, Teil 4 Kap. 4 T1 Rz. 4 (= S. 785); Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 100. 3 Vgl. die entsprechenden Erwägungen zu einem Verstoß gegen § 15a WpHG bei § 15a Rz. 131. 4 A.A. – allerdings ohne Begründung Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 100, der von einem Bußgeldrahmen von 200 000 Euro ausgeht. 5 Unten Vogel, § 39 Rz. 83.
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schützt werden. Die Sätze 1 und 2 des § 15b Abs. 1 stellen deshalb keine Schutzgesetze i.S. des § 823 Abs. 2 BGB dar1. Im Übrigen sind Schadensersatzansprüche einzelner Anleger auch nur schwer vorstellbar. Es gelten die zu § 14 WpHG angestellten Überlegungen2. Deshalb ist auch ein an sich möglicher3 Anspruch aus § 826 BGB blanke Theorie. Der Emittent ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die von ihm eingeschalteten Dienstleister über ihre Pflichten aus § 15b Abs. 1 Satz 1 WpHG aufzuklären. Es ist grundsätzlich Aufgabe des Rechtsunterworfenen, sich selbst um die aufsichtsrechtlichen Pflichten zu kümmern (s. oben Rz. 12)4. Kommt ein Dienstleister daher seinen Pflichten aus § 15b Abs. 1 Satz 1 WpHG nicht nach, kann er gezahlte Bußgelder nicht vom Emittenten unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung vertraglicher Nebenpflichten (§§ 280 Abs. 1 Satz 1, 241 Abs. 2 BGB) erstattet verlangen5.
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Die Aufklärungspflicht des § 15b Abs. 1 Satz 3 WpHG besteht ebenfalls nur im Inte- 86 resse einer funktionierenden Aufsicht. Die Norm ist kein Schutzgesetz i.S. des § 823 Abs. 2 BGB6. Der einzelne Mitarbeiter des Emittenten oder Dienstleisters kann also nicht Schadensersatz von seinem Arbeitgeber mit dem Argument verlangen, wäre er zutreffend aufgeklärt worden, hätte er die Insiderstraftat nicht begangen. Die Aufklärung soll bewirken, dass den Mitarbeitern das Insiderhandelsverbot vor Augen geführt und so die Abschreckungswirkung des strafrechtlich sanktionierten Verbots aufgefrischt wird (s. oben Rz. 3). Grundsätzlich liegt es aber in der alleinigen Verantwortung des Mitarbeiters, sich über die Reichweite strafrechtlicher Verbote zu informieren. Wenn überhaupt, kann der Mitarbeiter im Strafverfahren geltend machen, er habe nicht vorsätzlich gehandelt, und unterstützend darauf hinweisen, dass er nie über die Strafbarkeit des Insiderhandels aufgeklärt wurde. Zivilrechtliche Ansprüche erwachsen aus der unterbliebenen Aufklärung jedoch nicht, zumal kein Anspruch darauf besteht, nicht strafrechtlich verfolgt zu werden7.
XI. Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetz Die BaFin unterfällt dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes. Pläne für eine Bereichsausnahme zugunsten von Bundesbank und BaFin8 konnten sich zu Recht nicht durchsetzen und wären auch systemwidrig gewesen9, denn bereits das IFG selbst regelt das Spannungsverhältnis zwischen Informationsanspruch und Geheimnisschutz. Der Anspruch der Bürger nach §§ 1, 2 IFG richtet sich auf alle Informationen, die die Bundesbehörden im Rahmen ihrer behördlichen Aufgabenerfül1 So auch Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 64; Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 67; Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 104. 2 Oben Assmann, § 14 Rz. 209 ff. 3 Zimmer, in: Schwark/Zimmer, § 15b WpHG Rz. 44; Pfüller, in: Fuchs, § 15b WpHG Rz. 105 m.w.N. 4 Ebenso Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 31; Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 17. 5 So jetzt auch Zimmer, in: Schwark/Zimmer, § 15b WpHG Rz. 45; v. Neumann-Cosel, S. 205 f. 6 Heinrich, in: KölnKomm. WpHG, § 15b Rz. 65; Eckhold, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 15b WpHG Rz. 67. 7 Ebenso jetzt v. Neumann-Cosel, S. 204 f. 8 Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften der Zahlungsdiensterichtlinie (Zahlungsdiensteumsetzungsgesetz), BR-Drucks. 827/08, S. 3. 9 Gurlit, WM 2009, 773 (774).
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§ 16
Aufzeichnungspflichten
lung erlangen1, wozu auch die von der BaFin im Wege von § 15b Abs. 1 Satz 2 WpHG erlangten Informationen über den Inhalt der Insiderverzeichnisse gehören2. Allerdings sind die nach § 15b Abs. 1 Satz 2 WpHG erlangten Informationen nicht für eine Veröffentlichung bestimmt, sondern dienen ausschließlich den in Rz. 3 genannten Zwecken. Vorliegend greift daher zum Schutz der betroffenen Emittenten und Dienstleister die Geheimhaltungsvorschrift der § 3 Nr. 4 IFG i.V.m. § 8 WpHG ein. Da die Verzeichnisse auch dazu dienen, strafrechtliche Sachverhalte aufzuklären, wäre zudem auch die Ausnahme des § 3 Nr. 1 lit. g IFG einschlägig. Schließlich ist auf den durch § 5 IFG vermittelten Schutz Dritter hinzuweisen, soweit in den Insiderverzeichnissen personenbezogene Daten über sie enthalten sind3. Im Ergebnis kommt daher eine Auskunftspflicht der BaFin über die Inhalte der ihr vorliegenden Insiderverzeichnisse nicht in Betracht.
§ 16 Aufzeichnungspflichten Wertpapierdienstleistungsunternehmen sowie Unternehmen mit Sitz im Inland, die an einer inländischen Börse zur Teilnahme am Handel zugelassen sind, haben vor Durchführung von Aufträgen, die Insiderpapiere im Sinne des § 12 zum Gegenstand haben, bei natürlichen Personen den Namen, das Geburtsdatum und die Anschrift, bei Unternehmen die Firma und die Anschrift der Auftraggeber und der berechtigten oder verpflichteten Personen oder Unternehmen festzustellen und diese Angaben aufzuzeichnen. Die Aufzeichnungen nach Satz 1 sind mindestens sechs Jahre aufzubewahren. Für die Aufbewahrung gilt § 257 Abs. 3 und 5 des Handelsgesetzbuchs entsprechend. In der Fassung des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes vom 24.10.2004 (BGBl. I 2004, 2630).
1
Die Vorschrift enthält nur noch die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten, die früher in § 16 Abs. 2 Satz 5 und Abs. 9 WpHG a.F. enthalten waren. Die übrigen Regelungen des § 16 WpHG a.F. wurden weitgehend durch den erweiterten § 4 WpHG ersetzt. Die Aufzeichungs- und Aufbewahrungspflicht korrespondiert aber auch weiterhin mit den Auskunfts- und Vorlagepflichten (§ 4 Abs. 3 WpHG). Zudem ist die Vorschrift im Zusammenhang mit den Meldepflichten nach § 9 WpHG zu sehen. Aus den Meldungen nach § 9 WpHG kennt die Bundesanstalt alle wesentlichen Merkmale der abgeschlossenen Geschäfte bis auf die Identität der Auftraggeber, es sei denn, es läge Eigenhandel von Kreditinstituten oder anderen nach § 9 WpHG meldepflichtigen Unternehmen vor. Die Regelung erlaubt der Bundesanstalt auf Grund der geforderten Aufzeichnungen – die Identität der Auftraggeber und – die Identität der berechtigten oder verpflichteten Personen oder Unternehmen mittels Auskunfts- oder Vorlageersuchen nach § 4 Abs. 3 WpHG festzustellen. Diese Feststellung ist notwendig, um Verstöße gegen § 38 WpHG aufklären zu können. 1 Zu Einzelheiten s. oben Döhmel, § 8 Rz. 22 ff.; Möllers, in: KölnKomm. WpHG, § 8 Rz. 60 ff. Grundlegend zum Verhältnis des IFG zum WpHG auch Möllers/Wenninger, ZHR 170 (2006), 455 ff. 2 Gurlit, WM 2009, 773 (776). 3 Zum Streit über das Verhältnis zwischen § 3 Nr. 4 IFG einerseits und §§ 5, 6 IFG andererseits Gurlit, WM 2009, 773 (777 m.w.N.).
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§ 16
Aufzeichnungspflichten
Zur Aufzeichnung der Identität verpflichtet sind Wertpapierdienstleistungsunterneh- 2 men (§ 2 Abs. 4 WpHG) und Unternehmen mit Sitz im Inland, die an einer inländischen Börse zur Teilnahme am Handel zugelassen sind. Die Aufzeichnungspflicht schließt die Feststellung der Identität denklogisch mit ein. Da in einem Großteil der Fälle die Identitätsfestellung schon nach dem Geldwäschegesetz und der Abgabenordnung erforderlich ist, hält sich der zusätzliche Aufwand für die Unternehmen in Grenzen. Die Identitätsfeststellung und -aufzeichnung muss in Bezug auf Aufträge durchgeführt werden, die Insidergeschäfte i.S. des § 12 WpHG zum Gegenstand haben. Die Feststellung der Identität muss von den verpflichteten Unternehmen vor der 3 Durchführung von Aufträgen durchgeführt werden. Regelmäßig wird das schon der Zeitpunkt der Eröffnung von Konten und Depots sein, da hier auch die Identitätsfeststellung nach dem Geldwäschegesetz durchgeführt werden muss. Zur Identitätsfestellung ist gleichfalls ein gültiger Ausweis zu verlangen. Mit Identität der Auftraggeber ist bei natürlichen Personen die einwohnermelderechtliche Identität gemeint. Festzustellen und aufzuzeichnen sind Vor- und Familiennamen. Bei abweichenden Geburts- oder Familiennamen sind auch diese zu erfassen. Zudem ist die aktuelle Wohnanschrift und das Geburtsdatum aufzuzeichnen. Bei Unternehmen als Auftraggeber ist deren Firma und deren Geschäftsanschrift festzustellen und aufzuzeichnen. Bei Oder-Konten haben die verpflichteten Unternehmen die Identität des konkreten Auftraggebers aufzuzeichnen. Es ist daher durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass der konkrete Auftraggeber zweifelsfrei erfasst werden kann, z.B. durch Zuweisung verschiedener PIN-/TAN-Nummern. Die Angabe von Geburtsdatum und Anschrift können der Bundesanstalt Rückschlüsse auf die Einschaltung z.B. eines Strohmanns geben, der als Sekundärinsider tätig wird. Entsprechendes gilt für die Benennung der möglicherweise hinter dem Geschäft stehenden Personen, die als Auftraggeber selbst nicht an der Durchführung des Geschäftes beteiligt sind. Zudem sind sowohl bei den natürlichen Personen als auch bei den Firmen die be- 4 rechtigten oder verpflichteten Personen oder Unternehmen zu erfassen. Der Hintergrund für diese Regelung wurde in der Gesetzesbegründung zum 2. FFG eingehend erläutert: „Von besonderer Bedeutung ist in dem Zusammenhang, dass das (frühere) Bundesaufsichtsamt …verlangen kann, die Identität ihrer Auftraggeber und Begünstigten aufzudecken. Dieses Auskunftsrecht ist notwendige Voraussetzung dafür, dass das (frühere) Bundesaufsichtsamt über diesen Kreis hinaus Maßnahmen gegen die dahinter stehenden Personen ergreifen kann, die als Auftraggeber selbst nicht an der Durchführung des Wertpapiergeschäfts beteiligt sind, die aber auch die Verbote nach § 14 zu beachten haben. …Ohne entsprechende Befugnisse des (früheren) Bundesaufsichtsamts wäre insoweit eine Verfolgung von Verstößen praktisch nicht möglich“1. Die festgestellten und aufgezeichneten Daten sind sechs Jahre aufzubewahren. Die Art und Weise der Aufbewahrung und der Beginn der 6-Jahres-Frist ergeben sich aus § 257 Abs. 3, 5 HGB. So beginnt die Frist mit Ablauf des Jahres, in dem die Daten aufzuzeichnen waren. Eine Aufbewahrung in elektronischer Form ist möglich, wenn die Aufzeichnungen in angemessener Frist optisch wieder hergestellt werden können2.
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Ordnungswidrig handelt, wer die erforderlichen Aufzeichnungen nicht, nicht richtig, 6 nicht vollständig oder nicht rechtzeitig fertigt (§ 39 Abs. 2 Nr. 10a WpHG). 1 Vgl. Begr. RegE 2. FFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 50. 2 Merkt, in: Baumbach/Hopt, § 257 HGB Rz. 2 f.
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§ 16a
Überwachung der Geschäfte der bei der Bundesanstalt Beschäftigten
§ 16a Überwachung der Geschäfte der bei der Bundesanstalt Beschäftigten (1) Die Bundesanstalt muss über angemessene interne Kontrollverfahren verfügen, die geeignet sind, Verstößen der bei der Bundesanstalt Beschäftigten gegen die Verbote nach § 14 entgegenzuwirken. (2) Der Dienstvorgesetzte oder die von ihm beauftragte Person kann von den bei der Bundesanstalt Beschäftigten die Erteilung von Auskünften und die Vorlage von Unterlagen über Geschäfte in Insiderpapieren verlangen, die sie für eigene oder fremde Rechnung oder für einen anderen abgeschlossen haben. § 4 Abs. 9 ist anzuwenden. Beschäftigte, die bei ihren Dienstgeschäften bestimmungsgemäß Kenntnis von Insiderinformationen haben oder haben können, sind verpflichtet, Geschäfte in Insiderpapieren, die sie für eigene oder fremde Rechnung oder für einen anderen abgeschlossen haben, unverzüglich dem Dienstvorgesetzten oder der von ihm beauftragten Person schriftlich anzuzeigen. Der Dienstvorgesetzte oder die von ihm beauftragte Person bestimmt die in Satz 3 genannten Beschäftigten. In der Fassung des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes vom 28.10.2004 (BGBl. I 2004, 2630).
Inhaltsübersicht I. Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kontrollverfahren nach § 16a Abs. 1 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Einführung eines Kontrollverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
IV. Verpflichtung der Beschäftigten nach § 16a Abs. 2 WpHG . . . . . . . . .
8
I. Vorbemerkungen 1
Alle bedeutenden Wertpapieraufsichtsbehörden verfügen über Regelungen, die sicherstellen, dass Mitarbeiter der Aufsichtsbehörden Insiderinformationen, von denen sie auf Grund ihrer Tätigkeit Kenntnis erlangt haben, nicht unbefugt verwerten, d.h. insbesondere keine Käufe oder Verkäufe in Insiderpapieren tätigen. Der deutsche Gesetzgeber hatte bei der Schaffung der Regelung mit dem 3. FFG eine Abwägung dahin gehend zu treffen, ob man den Bediensteten grundsätzlich Wertpapiergeschäfte untersagen sollte, ob man darauf hinwirkt, dass Wertpapierdispositionen nicht von den Bediensteten selbst, sondern von einer Vermögensverwaltungsgesellschaft getätigt werden sollten oder ob amtsinterne Sicherungsmaßnahmen als ausreichender Schutz gegen missbräuchliche Nutzung von Insiderkenntnissen ausreichen.
2
Die Entscheidung zugunsten einer Kontrolle und nicht für ein Verbot ist vom Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit geprägt. Eine Kontrolle als amtsinterne Sicherungsmaßnahme kann die Bundesanstalt insbesondere mit ihren Kenntnissen aus den Überwachungsbefugnissen und den in § 16a Abs. 2 WpHG vorgesehenen Regelungen durchführen.
3
Die gefundene Regelung dient nicht zuletzt dazu, das Vertrauen des Finanzplatzes in die gesetzmäßige Ausübung der Wertpapierhandelsaufsicht zu stärken und jeglichen Anschein von Insidergeschäften durch Mitarbeiter der Bundesanstalt zu vermeiden1. 1 Vgl. Begr. RegE 3. FFG zu § 16a WpHG, BT-Drucks. 13/8933, S. 94.
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§ 16a
Überwachung der Geschäfte der bei der Bundesanstalt Beschäftigten
II. Kontrollverfahren nach § 16a Abs. 1 WpHG Das bei der Bundesanstalt zwingend einzurichtende Kontrollverfahren muss ange- 4 messen und geeignet sein, um Verstößen gegen § 14 WpHG entgegenzuwirken. Die Regelung des § 16a Abs. 1 WpHG lehnt sich an § 33 Abs. 1 Nr. 3 WpHG a.F. an (heute §§ 33, 33b WpHG). Diese Regelungen sehen entsprechende Verpflichtungen der Wertpapierdienstleistungsunternehmen vor, organisatorische Vorkehrungen und interne Kontrollverfahren vorzuhalten, die Verstößen gegen § 14 WpHG entgegenwirken, etwa in Form von „Chinese Walls“ Vertraulichkeitsbereiche zu schaffen. In § 16a Abs. 2 WpHG sind weitere Details geregelt. Auf Grundlage und in Ausgestaltung dieser Vorschriften hat die Bundesanstalt eine entsprechende ComplianceDienstanweisung erlassen1. Diese regelt näher die entsprechenden Anzeige-, Auskunfts- und Vorlagepflichten der Beschäftigten. Eine gesetzliche Regelung des Kontrollverfahrens war insbesondere im Hinblick auf 5 die beamteten Mitarbeiter erforderlich. Eine amtsinterne Dienstanweisung oder eine freiwillige Verpflichtungserklärung wäre insoweit nicht ausreichend gewesen, da die Rechte und Pflichten von Beamten in den Beamtengesetzen abschließend geregelt sind2. Die gesetzliche Regelung der Beamtenpflichten ist zwar einer Konkretisierung durch Verwaltungsakt oder innerdienstliche Weisung des Dienstherren zugänglich, aber es können weder durch Vereinbarung noch durch einseitige Erklärung des Dienstherren oder des Beamten die gesetzlichen Pflichten abbedungen, in ihrem Inhalt verändert oder gesetzlich nicht vorgesehene Pflichten begründet werden3.
III. Einführung eines Kontrollverfahrens Der Dienstvorgesetzte, d.h. der Präsident, kann zur Erfüllung seiner Verpflichtungen 6 aus § 16a WpHG eine Person mit der Kontrolle der Mitarbeitergeschäfte beauftragen und hat von der in § 16a Abs. 2 WpHG vorgesehenen Möglichkeit auch Gebrauch gemacht. Dieser amtsinterne Compliance-Beauftragte kann alle Befugnisse aus § 16a Abs. 2 WpHG wahrnehmen und überwacht die Einhaltung der konkretisierenden Compliance-Dienstanweisung. Möglichen Verstößen gegen unbefugtes Weitergeben von Insiderinformationen wird 7 aber auch durch eine räumliche Separierung der vertraulich zu behandelnden Information und durch Anweisungen über die amtsinterne Weitergabe an zuständige Mitarbeiter vorgebeugt. Um eine weitestgehende Vertraulichkeit zu erreichen, werden z.B. die Mitteilungspflichtigen gebeten, bestimmte Mitteilungen auf besondere, von der Bundesanstalt vorgesehene Fax-Geräte zu übersenden. Verstöße gegen § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG stellen ein unbefugtes Verwerten i.S. von § 8 Abs. 1 Satz 1 WpHG dar (s. § 8 Rz. 4 und 14 ff.).
IV. Verpflichtung der Beschäftigten nach § 16a Abs. 2 WpHG Nach dieser Vorschrift sind alle bei der Bundesanstalt Beschäftigten zur Erteilung von Auskünften und zur Vorlage von Unterlagen über Geschäfte in Insiderpapieren gegenüber dem Dienstvorgesetzten oder dem in der Dienstvereinbarung benannten 1 So schon Jahresberichte des BAWe für das Jahr 2000, S. 41; für das Jahr 2001, S. 52, unter: www.bafin.de. 2 BVerwG v. 26.11.1992 – 2 C 11/92, DVBl. 1993, 558. 3 BVerwG v. 26.11.1992 – 2 C 11/92, DVBl. 1993, 558.
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§ 16b
Aufbewahrung von Verbindungsdaten
Compliance-Beauftragten verpflichtet. Die Auskunfts- und Vorlagepflicht bezieht sich nicht nur auf Geschäfte für eigene Rechnung, sondern auch auf Geschäfte, die der Beschäftigte für fremde Rechnung oder für andere abgeschlossen hat. Das Verlangen auf Auskunft bzw. Vorlage ist nicht an bestimmte Tatbestandsvoraussetzungen geknüpft. Es können also auch anlassunabhängige Stichprobenprüfungen durchgeführt werden. Da § 4 Abs. 9 WpHG Anwendung findet, muss sich niemand selbst oder Angehörige i.S. von § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO belasten. Zum Begriff der Unterlagen s. § 4 Rz. 46 f. 9
Diejenigen Mitarbeiter, die auf Grund ihrer Dienstgeschäfte bestimmungsgemäß Kenntnis von Insidertatsachen haben, sozusagen aufsichtsamtliche Primärinsider, müssen über die Auskunfts- und Vorlagepflicht hinaus dem Dienstvorgesetzten/ Compliance-Beauftragten Geschäfte in Insiderpapieren, die sie für sich selbst oder für fremde Rechnung abgeschlossen haben, unverzüglich schriftlich anzeigen. Der Dienstvorgesetzte benennt diese in § 16a Abs. 2 Satz 3 WpHG genannten Beschäftigten. Diese Benennung ist eine unmittelbare gesetzliche Verpflichtung, die seitens des Personalrates keiner Zustimmung bedarf. Auch wenn keine Pflicht zur Anzeige künftiger Geschäfte besteht, sollten diejenigen Mitarbeiter, die bestimmungsgemäß Kenntnisse von insiderrelevanten Sachverhalten erhalten, zu ihrer eigenen Sicherheit durch Rücksprache mit dem Compliance-Beauftragten vor Abschluss von Wertpapiergeschäften klären, ob Bedenken gegen die beabsichtigten Geschäfte bestehen.
§ 16b Aufbewahrung von Verbindungsdaten (1) Die Bundesanstalt kann von einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen sowie von einem Unternehmen mit Sitz im Inland, die an einer inländischen Börse zur Teilnahme am Handel zugelassen sind, und von einem Emittenten von Insiderpapieren sowie mit diesem verbundenen Unternehmen, die ihren Sitz im Inland haben oder deren Wertpapiere an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen oder in den regulierten Markt oder Freiverkehr einbezogen sind, für einen bestimmten Personenkreis schriftlich die Aufbewahrung von bereits existierenden Verbindungsdaten über den Fernmeldeverkehr verlangen, sofern bezüglich dieser Personen des konkreten Unternehmens Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen § 14 oder § 20a bestehen. Das Grundrecht des Artikels 10 des Grundgesetzes wird insoweit eingeschränkt. Die Betroffenen sind entsprechend § 101 Abs. 4 und 5 der Strafprozessordnung zu benachrichtigen. Die Bundesanstalt kann auf der Grundlage von Satz 1 nicht die Aufbewahrung von erst zukünftig zu erhebenden Verbindungsdaten verlangen. (2) Die Frist zur Aufbewahrung der bereits existierenden Daten beträgt vom Tage des Zugangs der Aufforderung an höchstens sechs Monate. Ist die Aufbewahrung der Verbindungsdaten über den Fernmeldeverkehr zur Prüfung des Verdachts eines Verstoßes gegen ein Verbot nach § 14 oder § 20a nicht mehr erforderlich, hat die Bundesanstalt den Aufbewahrungspflichtigen hiervon unverzüglich in Kenntnis zu setzen und die dazu vorhandenen Unterlagen unverzüglich zu vernichten. Die Pflicht zur unverzüglichen Vernichtung der vorhandenen Daten gilt auch für den Aufbewahrungspflichtigen. In der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung vom 21.12.2007 (BGBl. I 2007, 3198).
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§ 16b
Aufbewahrung von Verbindungsdaten Inhaltsübersicht 1
IV. Dauer der Sicherung . . . . . . . . . . . . .
6
II. Inhalt der Vorschrift . . . . . . . . . . . . .
2
V. Unterrichtung nach § 101 StPO . . .
7
III. Verbindungsdaten . . . . . . . . . . . . . . .
5
I. Zweck der Vorschrift. . . . . . . . . . . . .
I. Zweck der Vorschrift § 16b WpHG gibt der Bundesanstalt die erforderliche gesetzliche Grundlage, um von 1 den bezeichneten Unternehmen die Aufbewahrung von Verbindungsdaten zu verlangen. Die Regelung wurde mit dem 4. FFG eingeführt und mit der Änderung durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz nur redaktionell angepasst. Hintergrund der Regelung war, dass sich für die Bundesanstalt wertvolle Indizien und weiterführende Ermittlungshinweise aus der Auswertung von Telekommunikationsdaten im Rahmen von Insider- und Marktmanipulationsuntersuchungen ergeben können. So kann die Analyse der Verbindungsdaten in einem Unternehmen bei Insideruntersuchungen wichtige Anhaltspunkte für eine Verbindung zwischen Primärund Sekundärinsidern liefern. Auf diese Weise kann z.B. zurückverfolgt werden, welche Internetseiten von einem Rechner aus aufgerufen wurden oder welche Telefonverbindungen wann gewählt wurden. Um derartige Untersuchungen nach §§ 14, 20a WpHG zu ermöglichen und das Löschen von Verbindungsdaten vor Abschluss der jeweiligen Aufklärung zu verhindern, kann die Bundesanstalt verlangen, dass vorhandene Verbindungsdaten aufbewahrt werden müssen. Die Vorschrift gibt der Bundesanstalt bei ihren Untersuchungen die nötige zeitliche Flexibilität, ohne den Verlust unter Umständen bedeutsamer Daten befürchten zu müssen. Zuvor war die Sicherung der Verbindungsdaten nur durch eine frühzeitige Einschaltung der Staatsanwaltschaft möglich, auch wenn zu diesem Zeitpunkt erst wenige Anhaltspunkte für ein Verstoß gegen §§ 14, 20a WpHG vorlagen. Die Vorschrift entschärft diese zeitliche Situation und erhöht gleichzeitig das Maß an Gewissheit im Falle einer erforderlichen Anzeige bei der Staatsanwaltschaft.
II. Inhalt der Vorschrift Adressaten eines solchen Verlangens der Bundesanstalt können Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Unternehmen mit Sitz im Inland, die an einer inländischen Börse zur Teilnahme am Handel zugelassen sind, und Emittenten von Insiderpapieren sowie mit diesem verbundenen Unternehmen sein, die ihren Sitz im Inland haben oder deren Wertpapiere an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen oder in den regulierten Markt oder Freiverkehr einbezogen sind. Im Falle einer mutmaßlichen Marktmanipulation durch die Verbreitung falscher Informationen über das Internet kann nur durch die Auswertung der Verbindungsdaten der Urheber der Nachricht ermittelt werden. Die üblichen Anbieter von Chatrooms, Newsgroups und Boards werden jedoch nur erfasst, soweit die „Veranstalter“ börsennotiert sind.
2
Das Verlangen zur Sicherung der Verbindungsdaten muss sich auf auf einen be- 3 stimmten Personenkreis beziehen. Ein nur bestimmbaren Personenkreis (z.B. durch allgemeine Kriterien wie „alle Eigenhändler“) ist nicht ausreichend. Das ergibt sich auch aus der Verpflichtung nach § 101 StPO, denn bei einem nur bestimmbaren Personenkreis sind der Bundesanstalt die einzelnen Personen nicht namentlich bekannt, so dass sie diese nicht unterrichten könnte.
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§ 16b 4
Aufbewahrung von Verbindungsdaten
Voraussetzung eines entsprechenden Verlangens der Bundesanstalt ist, dass bezüglich der konkreten Personen Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen § 14 oder § 20a WpHG bestehen. Hinsichtlich des Terminus „Anhaltspunkte“, der geringere Anforderungen als beispielsweise ein Verdacht stellt, kann auf § 4 Abs. 3 WpHG verwiesen werden. Das Verlangen ist schriftlich an das jeweiligeUnternehmen zu richten.
III. Verbindungsdaten 5
Die Bundesanstalt kann die Aufbewahrung von bereits existierenden Verbindungsdaten über den Fernmeldeverkehr verlangen. Das sind Daten über die Art des Telekommunikationsdienstes, also ob Telefon, Telefax oder Internet, die Nummer und Kennung des anrufenden und angerufenen Anschlusses sowie Beginn und Ende der jeweiligen Verbindung nach Datum und Uhrzeit. Mit diesen Daten kann belegt werden, dass eine Kommunikation stattgefunden hat, nicht aber welchen Inhalt sie hatte. Das betrifft auch die beim Betrieb eines Nebenstellennetzes oder Intranets in einem Unternehmen anfallenden Daten, wenn mittels dieses Netzes nachhaltig auch das Angebot zum Führen von privaten Telefonaten vorgehalten wird.
IV. Dauer der Sicherung 6
Das Fernmeldegeheimnis erlaubt die Verbindungsdaten nur zu Abrechnungszwecken zeitlich begrenzt zu archivieren. Nach § 97 Abs. 3 TKG beträgt die maximale Aufbewahrungszeit sechs Monate. Nicht mehr für die Entgeltberechnung benötigte Daten sind unverzüglich zu löschen. § 16b Abs. 1 WpHG gibt demgegenüber die erforderliche gesetzliche Grundlage, um von den in der Vorschrift bezeichneten Unternehmen, die unter den Voraussetzungen des § 3 Nr. 6 TKG als Diensteanbieter gelten, die Aufbewahrung von Verbindungsdaten über den Zeitpunkt der Abrechnung hinaus zu verlangen. Die Aufbewahrungsfrist ist dabei im Einklang mit § 97 Abs. 3 TKG auf maximal sechs Monate begrenzt. Die Frist begrinnt mit dem Zeitpunkt der Aufforderungen zum Aufbewahren der Verbindungsdaten. Entsprechend dem Normzweck ist die Bundesanstalt aber auch verpflichtet, unverzüglich den Aufbewahrungspflichtigen zu benachrichtigen, wenn die Daten im Rahmen der Untersuchung nicht mehr erforderlich sind, und die hierüber vorhandenen Unterlagen zu vernichten. Die Bundesanstalt ist nach § 16b WpHG aber nur befugt, die Aufbewahrung der Verbindungsdaten zu bewirken. Eine Auswertung der Daten kann erst nach Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüssen der Staatsanwaltschaft im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens stattfinden.
V. Unterrichtung nach § 101 StPO 7
Da die Bundesanstalt in der Anordnung nach § 16b Abs. 1 WpHG, die von dieser Maßnahme Betroffenen benennen muss, obliegt es ihr auch, diesen Personenkreis gemäß § 101 StPO zu benachrichtigen. Die Benachrichtigung kann jedoch unterbleiben, wenn hierdurch der Untersuchungszweck gefährdet würde (vgl. auch § 4 Abs. 8 WpHG).
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Abschnitt 3a Ratingagenturen § 17 Überwachung von Ratingagenturen (1) Die Bundesanstalt ist zuständige Behörde im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen (ABl. L 302 vom 17.11.2009, S. 1). Soweit in der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 nichts Abweichendes geregelt ist, gelten die Vorschriften der Abschnitte 1 und 2 dieses Gesetzes, mit Ausnahme des § 7 Absatz 4 Satz 5 bis 8, des § 8 Absatz 1 Satz 3 und der §§ 9 und 10, entsprechend. (2) Die Bundesanstalt übt die ihr nach Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 übertragenen Befugnisse aus, soweit dies für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben und die Überwachung der Einhaltung der in der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 geregelten Pflichten erforderlich ist. (3) (aufgehoben) (4) (aufgehoben) (5) (aufgehoben) (6) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen der Bundesanstalt nach Absatz 2, auch in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009, haben keine aufschiebende Wirkung. (7) (aufgehoben) In der Fassung des Gesetzes zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts vom 6.12.2011 (BGBl. I 2011, 2481). Schrifttum: Bauer, Ein Organisationsmodell zur Regulierung der Rating-Agenturen – ein Beitrag zur regulierten Selbstregulierung am Kapitalmarkt, 2009; Becker, Die Regulierung von Ratingagenturen, DB 2010, 941; Berg, Alles (noch) im Fluss – Zum Stand der EU-Ratingverordnung, in: Going Public Special „Anleihen 2011“, S. 62; Brabänder, Subprime-Krise – Die Rolle der Rating-Agenturen, Die Bank 8/2008, 8; Cortez/Schön, Die neue EU-Verordnung über Ratingagenturen, ZfW 2010, 226; Deipenbrock, Aktuelle Rechtsfragen zur Regulierung des Ratingwesens, WM 2005, 261; Deipenbrock, Was ihr wollt oder der Widerspenstigen Zähmung? – Aktuelle Entwicklungen der Regulierung von Ratingagenturen im Wertpapierbereich, BB 2005, 2085; Deipenbrock, „Mehr Licht“? – Der Vorschlag einer europäischen Verordnung über Ratingagenturen, WM 2009, 1165; Deipenbrock, Das Europäische Modell einer Regulierung von Ratingagenturen – aktuelle praxisrelevante Rechtsfragen und Entwicklungen, RIW 2010, 612; Eisen, Haftung und Regulierung internationaler Rating-Agenturen, 2007; Haar, Das deutsche Ausführungsgesetz zur EU-Ratingverordnung – Zwischenetappe auf dem Weg zu einer europäischen Finanzmarktarchitektur, ZBB 2010, 185; Herfurth, Die Regulierung von Ratingagenturen unter Basel II, 2010; Kumpan, Regulierung von Rating-Agenturen – ein anreizorientierter Ansatz, in: FS Hopt, 2010, S. 2157; Leyens, Unabhängigkeit der Informationsintermediäre zwischen Vertrag und Markt, in: Baum/Fleckner/Hellgardt/Roth (Hrsg.), Perspektiven des Wirtschaftsrechts – Beiträge für Klaus J. Hopt aus Anlass seiner Emeritierung, Berlin 2008, S. 423; Lerch, Ratingagenturen im Visier des europäischen Gesetzgebers, BKR 2010, 402; Lybecker, Financial Services Supervision in the United States: The House of Representatives Has Spoken, European Company Law 7 (2010), 68; Möllers, Regulierung der Ratingagenturen, JZ 2009, 861; Möllers, Von Standards zum Recht – auf dem Weg zu einer Re-
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§ 17
Überwachung von Ratingagenturen
gulierung der Ratingagenturen in Europa und den USA, ZJS 2009, 227; Möllers, Auf dem Weg zu einer neuen europäischen Finanzmarktaufsichtsstruktur – Ein systematischer Vergleich der Rating-VO (EG) Nr. 1060/2009 mit der geplanten ESMA-VO, NZG 2010, 285; Reidenbach, Aktienanalysten und Ratingagenturen, 2006; Stemper, Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010; Rudolph, Standpunkt – Problematische Aufwertung von Ratings, BB 2008, 2616; Uwe H. Schneider, Aufsicht und Kontrolle von Ratingagenturen, in: FS Hans-Jürgen Hellwig, 2010, S. 329; Stemper, Rechtliche Rahmenbedingungen des Ratings, 2010; StrunzHappe, Externe Ratingagenturen – Marktregulierung durch Basel II, WM 2004, 115; StrunzHappe, Ein Ordnungsrahmen für Rating-Agenturen – Bericht, BFuP 2005, 231; E. Vetter, Rechtsprobleme des externen Ratings, WM 2004, 1701; Zimmer, Rating-Agenturen: Reformbedarf nach der Reform, in: FS Hopt, 2010, S. 2688.
Inhaltsübersicht I. Bedarf für die Regelung der Tätigkeit von Ratingagenturen . . . . . . . . .
1
II. Die Regulierung von Ratings und die Beaufsichtigung von Ratingagenturen in Europa . . . . . . . . . . . . .
4
1. Die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009
4
2. Die Aufgaben der BaFin nach der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 und § 17 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 3. Der Übergang der Aufgaben auf die ESMA und die Veränderung der Befugnisse der BaFin . . . . . . . . . . . . . . . 10
I. Bedarf für die Regelung der Tätigkeit von Ratingagenturen 1
Ratingagenturen sind Unternehmen, die gewerbsmäßig und anhand festgelegter Einstufungsverfahren und Bonitätskategorien (sog. Ratingcodes oder Investmentgrades) ein Bonitätsurteil über andere Unternehmen, Emittenten von Wertpapieren und anderen Finanzinstrumenten oder von diesen emittierten Wertpapieren oder Finanzinstrumenten selbst abgeben1. Sowohl die Ratingagenturen als auch ihre Ratings sind vor allem im Verlauf der Finanzkrise in die Kritik geraten, die 2008 mit dem Platzen Blase von Subprime-Krediten zur Finanzierung von Wohnungsimmobilien in den USA begann, um alsbald als Banken-, Euro- und Staatsschuldenkrise eine neue Dimension zu erreichen. Dabei wurde den Ratingagenturen vorgeworfen, durch fehlerhafte Beurteilung von „Collateralized-Debt-Obligations“(CDOs), d.h. von Subprime-Kredite zusammenfassenden und verbriefenden Schuldverschreibungen, sowie auch ihrer jeweiligen Emittenten maßgeblich zur Fehleinschätzung der mit solchen CDOs verbundenen Risiken bei Kreditinstituten und anderen Erwerbern dieser Anlageinstrumente und damit zur Finanzkrise beigetragen zu haben. All dies wäre freilich nicht ohne den Umstand möglich gewesen, dass private und institutionelle Investoren in aller Welt ihre Anlageentscheidungen heute maßgeblich von den Investmentgrades der wenigen großen Ratingagenturen abhängig machen und selbst die Regulatoren von Finanzmärkten zunehmend auf Ratings von Ratingagenturen
1 Für die Zwecke der Regulierung von Ratingagenturen definieren Art. 3 Abs. 1 lit. b bzw. a der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9.2009 über Ratingagenturen (ABl. EU Nr. L 302 v. 17.11.2009, S. 1) eine Ratingagentur „als eine Rechtspersönlichkeit, deren Tätigkeit die gewerbsmäßige Abgabe von Ratings umfasst“ und ein Rating als „ein Bonitätsurteil in Bezug auf ein Unternehmen, einen Schuldtitel oder eine finanzielle Verbindlichkeit, eine Schuldverschreibung, eine Vorzugsaktie oder ein anderes Finanzinstrument oder den Emittenten derartiger Schuldtitel, finanzieller Verbindlichkeiten, Schuldverschreibungen, Vorzugsaktien oder anderer Finanzinstrumente, das anhand eines festgelegten und definierten Einstufungsverfahrens für Ratingkategorien abgegeben wird“.
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Überwachung von Ratingagenturen
setzen, indem sie diese in ihre jeweilige rechtliche Regulierung von Märkten, Emittenten, Kreditinstituten und institutionellen Investoren einbauen. So bestimmt sich etwa die Höhe der nach Basel II erforderlichen Eigenkapitalunterlegung von Banken regelmäßig (soweit die Bankenaufsicht nicht interne Ratings gestattet) nach externen Ratings von Ratingagenturen1. Mit der zunehmenden Bedeutung von Ratingagenturen und namentlich ihrer Rolle als 2 Informationsintermediäre auf den Finanzmärkten2 ist auch die Auffassung der Regelungsbedürftigkeit ihrer Tätigkeit gewachsen. Diese wird vor allem an drei Kritikpunkten festgemacht: Zum einen wird auf Interessenkonflikte der Ratingagenturen und die Gefahr eines „Rating Shoppings“ verwiesen, die sich aus dem Umstand ergeben, dass nach dem seit den 1970er Jahren vorherrschenden so genannten Issuer-PaysModell („Modell des zahlenden Emittenten“)3, die Emittenten die Kosten des Ratings tragen und ihnen damit Einfluss auf die Auswahl der Ratingagentur und womöglich auch des Ratings eröffnet wird. Tatsächlich hat es dieses Finanzierungsmodell und die mit diesem einhergehende Gewinnorientierung der Ratingagenturen auch mit sich gebracht, dass diese bisweilen, neben dem Rating, auch Beratungsleistungen, wie etwa solche zur Strukturierung von Wertpapieren, anboten4. Des Weiteren gerügt wird die geringe Transparenz im Hinblick auf das Zustandekommen der Ratings (namentlich der angewandten Methoden und des Ratingverfahren), das trotz seiner eminenten Auswirkungen auf die Investitions- und Desinvestitionsströme keiner staatliche Aufsicht unterliege5. Vor diesem Hintergrund werden schließlich auch die oligopolistischen Strukturen des Ratingmarkts und die daraus resultierenden Abhängigkeiten von wenigen Agenturen gerügt, die einerseits den hohen Kosten des Eintritts auf den Ratingmarkt und andererseits dem Umstand geschuldet sind, dass die USA, deren Jurisdiktion die wichtigsten Ratingagenturen unterliegen, mit der Einführung von Zulassungsanforderungen für Ratingagenturen nur solche Agenturen zuließen, die bereits über einen hinreichenden „track record“ verfügten, d.h. nachweisen konnten, über geraume Zeit zufriedenstellende Ratings erstellt zu haben6. Erste Regulierungversuche machten die USA7. Sie gehen zurück auf die Einführung ei- 3 nes Zulassungverfahrens für Ratingagenturen im Jahre 19758, das mit dem Credit Rating Agency Reform Act von 20069 und zuletzt den Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act10 eine neue Gestalt erhielt. Japan, Australien und Mexiko sind den USA in der Regulierung von Ratingagenturen gefolgt11. Die EU und ihre 1 Dazu etwa Herfurth, S. 24 ff., ebd. auch rechts- und systemvergleichend (S. 129 ff.) zur Problematik des Einsatzes von Ratingagenturen in der Bankenregulierung (S. 75 ff., 151 ff.); Stemper, S. 183 f.; Strunz-Happe, WM 2004, 116 f.; E. Vetter, WM 2004, 1703. 2 Vgl. Herfurth, S. 66 ff.; Reidenbach, S. 323 ff.; Stemper, S. 76 ff.; Strunz-Happe, BFuP 2005, 232. 3 Cortez/Schön, ZfK 2010, 226; Haar, ZBB 2010, 185 (187). 4 Vgl. Cortez/Schön, ZfK 2010, 227; Ludewig, in: Heidel, § 17 WpHG Rz. 2; Möllers, JZ 2009, 863; Haar, ZBB 2010, 187; Becker, DB 2010, 941 f.; Lerch, BKR 2010, 407; Kumpan, in: FS Hopt, S. 2161 ff. 5 Möllers, JZ 2009, 863; Möllers, ZJS 2009, 227 (228 ff.). 6 Vgl. Lerch, BKR 2010, 402 (406); Möllers, ZJS 2009, 227 (234). 7 Zur Regulierungsgeschichte von Ratingagenturen in den USA s. etwa Deipenbrock, WM 2007, 2219 ff.; Deipenbrock, WM 2009, 1167; Deipenbrock, RIW 2010, 613; Herfurth, S. 129 ff.; Möllers, ZJS 2009, 234; Stemper, S. 200 ff. 8 Vgl. Becker, DB 2010, 942 Fn. 3; Herfurth, S. 133 ff.; Möllers, ZJS 2009, 233 f.; Stemper, S. 200 f.; Strunz-Happe, BFuP 2007, 233 ff. 9 Dazu Deipenbrock, WM 2009, 1167; Herfurth, S. 141 f.; Stemper, S. 200 ff. 10 Deipenbrock, RIW 2010, 613; Lybecker, European Company Law 7 (2010), 68. 11 Zu ausländischen Regulierungsansätzen s. etwa Herfurth, S. 143 ff.
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§ 17
Überwachung von Ratingagenturen
Mitgliedstaaten hielten sich mit entsprechenden Maßnahmen zurück. Das im Rahmen der Basel II-Umsetzung auf europäischer Ebene eingeführte Anerkennungsverfahren für External Credit Assessment Institutions (ECIA) war und ist auf die Zwecke der Verwendung externer Ratings für die Bemessung der Kapitalgrundlage beschränkt1. Auf internationaler Ebene war – auch nach „Enron“- und „Parmalat“-Skandalen – mehr als ein auf Selbstregulierung beruhendes Regulierungssystem – in Gestalt des 2004 begründeten und zuletzt 2008 überarbeiteten, einen Disclose or explain-Ansatz verfolgenden Verhaltenskodex’ der International Organization of Securitites Commission (IOSCO)2 – nicht zu erwarten3; immerhin haben sich diesem Kodex die führenden Ratingagenturen unterworfen4. Erst die durch das Platzen der Subprime-Blase (Rz. 1) ausgelöste Finanzkrise führte zu Kritik am Stand der Regulierung von Ratingagenturen und brachte Bewegung in die Diskussion um die gebotene Beaufsichtigungung von Ratingagenturen. Die USA reagierten in Gestalt von SEC-Regeln und den bereits erwähnten Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act vom Juli 2010.
II. Die Regulierung von Ratings und die Beaufsichtigung von Ratingagenturen in Europa 1. Die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 4
Die europäische Reaktion, die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9.2009 über Ratingagenturen (ABl. EU Nr. L 302 v. 17.11.2009, S. 1)5, beruht auf der Wahrnehmung, „dass die Ratingagenturen einerseits die verschlechterte Marktlage nicht früh genug in ihren Ratings zum Ausdruck gebracht haben und dass es ihnen andererseits nicht gelungen ist, ihre Ratings rechtzeitig anzupassen, als sich die Krise auf dem Markt schon zugespitzt hatte“6. Dieses Versagen, so wird gefolgert, „lässt sich am besten durch Maßnahmen in den Bereichen Interessenkonflikte, Ratingqualität, Transparenz und interne Führungsstruktur der Ratingagenturen und Beaufsichtigung der Tätigkeit von Ratingagenturen korrigieren“7. Vor diesem Hintergrund wächst in Europa die Auffassung einer allgemeinen Regulierungsbedürftigkeit von Ratingagenturen, welche Erwägungsgrund 1 der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 wie folgt umschreibt: „Ratingagenturen spielen auf den globalen Wertpapier- und Bankenmärkten eine wichtige Rolle, da Anleger, Kreditnehmer, Emittenten und Regierungen unter anderem die Ratings dieser Agenturen nutzen, um fundierte Anlage- und Finanzentscheidungen zu treffen. Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, Lebens- und Nichtlebensversicherungsunternehmen, Rückversicherungs1 Dazu Strunz-Happe, BFuP 2007, 243 f.; Deipenbrock, BB 2005, 2085. 2 Dazu Cortez/Schön, ZfK 2010, 227; Deipenbrock, BB 2005, 2085 ff.; Deipenbrock, WM 2009, 1165 f.; Stemper, S. 148 ff.; Strunz-Happe, BFuP 2007, 233 ff. 3 Zu nationalen Selbstregulierungsansätzen, darunter diejenigen des Bundesverbands der Ratinganalysten und Ratingadvisors (BdRA) und der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA), s. Stemper, S. 146 f. 4 Zuletzt IOSCO, A Review of Implementation of the IOSCO Fundamentals of a Code of Conduct for Credit Rating Agencies, März 2009 (abrufbar unter: http://www.iosco.org/lib rary/pubdocs/pdf/IOSCOPD286.pdf). 5 Zu dieser ausführlich Stemper, S. 211 ff. 6 Erwägungsgrund 10 der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009, ABl. EU Nr. L 302 v. 17.11.2009, S. 2. Vgl. RegE Ausführungsgesetz zur EU-Ratingverordnung, BT-Drucks. 17/716 v. 15.2.2010, S. 1. 7 Erwägungsgrund 10 der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009, ABl. EU Nr. L 302 v. 17.11.2009, S. 2.
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gesellschaften, Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) und Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung können sich bei der Berechnung ihrer gesetzlichen Eigenkapitalanforderungen oder der Berechnung der Risiken ihres Anlagegeschäfts auf diese Ratings stützen. Damit wirken sich Ratings erheblich auf das Funktionieren der Märkte sowie das Vertrauen von Anlegern und Verbrauchern aus. Es muss deshalb sichergestellt werden, dass Ratingaktivitäten im Einklang mit den Grundsätzen der Integrität, Transparenz, Rechenschaftspflicht und guten Unternehmensführung durchgeführt werden, damit die in der Gemeinschaft verwendeten Ratings unabhängig, objektiv und von angemessener Qualität sind“1. Der Umstand, dass man Ratingagenturen einerseits eine gehörige Mitschuld an der 5 Entstehung der Finanzkrise, andererseits aber auch eine besondere Bedeutung für das Funktionieren der Finanzmärkte beimaß, war es vielleicht auch, welcher dazu führte, dass man sich zur Regulierung der Ratingagenturen in Europa des Einstimmigkeit erfordernden Regelungsinstruments der Verordnung statt desjenigen der leichter zu verabschiedenden Richtlinie bediente. Dafür sprach in der Sache aber auch der Umstand, dass man erwarten durfte, auf diese Weise eine innereuropäische Regulierungsarbitrage und ein damit einhergehendes „Forum Shopping“ zu vermeiden2. Eckpunkte der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 sind Regelungen über die Zulässig- 6 keit der Verwendung von Ratings durch Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, Versicherungsunternehmen und Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (die Vorgenannten dürfen gemäß Art. 4 Abs. 1 der Verordnung für aufsichtsrechtliche Zwecke nur Ratings von Ratingagenturen verwenden, die ihren Sitz in der Gemeinschaft haben und gemäß dieser Verordnung registriert sind), über die Abgabe (Erstellung und Bekanntgabe) von Ratings, über die auf einer Registrierungspflicht beruhenden Registrierung von Ratingagenturen sowie über die Beaufsichtigung der Ratingagenturen. Die Beaufsichtigung der Erfüllung der sich aus der Rating-Verordnung ergebenden Pflichten überantwortete diese zunächst den hierfür von den Mitgliedstaaten als „zuständig“ benannten Behörden, d.h. faktisch den nationalen Aufsichtsbehörden. In Bezug auf die Registrierung von Ratingagenturen, sah die Verordnung ein Zusammenspiel des Committee for European Securities Regulators (CESR) und der „zuständigen“, von jedem Mitgliedstaat nach Art. 22 Abs. 1 der Verordnung benannten Behörden vor. 2. Die Aufgaben der BaFin nach der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 und § 17 WpHG Der Pflicht zur Benennung der zuständigen Behörde sowie derjenigen zur Festlegung wirksamer, verhältnismäßiger und abschreckender Sanktionen zur Ahndung von Verstößen gegen die Vorgaben der Rating-Verordnung (Art. 33 der Verordnung) ist Deutschland durch den Erlass des Ausführungsgesetzes zur Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9.2009 vom 14.6.2010 (BGBl. I 2010, 786) nachgekommen. Neben Änderungen der Bußgeldvorschriften des § 39 WpHG wurde mit dem Gesetz ein neuer Abschnitt 3a über Ratingagenturen und als einzige Vorschrift dieses Abschnitts der neue „§ 17 Überwachung von Ratingagenturen“ eingefügt3.
1 Erwägungsgrund 1 der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009, ABl. EU Nr. L 302 v. 17.11.2009, S. 1. 2 KOM(2008) 704 endg., S. 4 ff. 3 Ausführlich zum Ausführungsgesetz Haar, ZBB 2010, 185; Stemper, S. 408 ff.
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Kernstück des § 17 WpHG war und ist – auch nach der Aufhebung der Absätze 3 bis 5 und 7 durch das Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts vom 6.12.2011 (s. dazu unten Rz. 11) – die Benennung der BaFin als „zuständige Behörde“ i.S. von § 22 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 und damit als nationale Behörde zur Erledigung der diesen nach der Verordnung zugewiesenen Aufgaben (§ 17 Abs. 1 Satz 1 WpHG). Ergänzend hierzu erklärt § 17 Abs. 1 Satz 2 WpHG die Vorschriften der Abschnitte 1 und 2 des WpHG (§§ 1–11 WpHG), mit Ausnahme des § 7 Abs. 4 Satz 5 bis Satz 8 WpHG, des § 8 Abs. 1 Satz 3 WpHG und der §§ 9 und 10 WpHG für entsprechend anwendbar, soweit in der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 nichts Abweichendes geregelt ist. Damit wurde der BaFin, in Kooperation mit CESR (oben Rz. 6; s. Art. 15 Abs. 1 der Verordnung), vor allem die Bearbeitung von Registrierungsanträgen nach §§ 14 ff. WpHG der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 zugewiesen.
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Dass die zur Erfüllung der Pflichten nach der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 erforderlichen nationalen Regelungen durch eine in das WpHG eingefügte Bestimmung wahrgenommen wurden, ist mit der Überlegung begründet worden, dass „auch die Aufsicht über Ratingagenturen Elemente der Verhaltens- und Organisationsaufsicht über Unternehmen“ enthalte „und die allgemeinen Bestimmungen des Wertpapierhandelsgesetzes ohne größeren Aufwand auf den Bereich der Aufsicht über Ratingagenturen erstreckt werden“ könnten; zudem würden „nationale Bestimmungen zur Finanzierung der Aufsicht über Ratingagenturen durch die BaFin getroffen, indem das Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz entsprechend geändert“ werde1. 3. Der Übergang der Aufgaben auf die ESMA und die Veränderung der Befugnisse der BaFin
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Dabei war von vornherein klar, dass es sich bei diesem Regelungsregime um ein Vorläufiges handeln würde, welches nur solange als Übergangslösung dienen sollte, bis die – als Bestandteil der Einrichtung eines Europäischen Finanzaufsichtssystems (ESFS), s. Einl. Rz. 82 – neu zu gründende Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA (Einl. Rz. 82 f.) die sich aus der Rating-Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 ergebenden Aufgaben würde wahrnehmen können2. Damit wurde ursprünglich für den 1.1.2011 gerechnet, doch hat die erst mit der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 vom 24.11.2010 (ABl. EU Nr. L 331 v. 15.12.2010, S. 84) auf den Weg gebrachte ESMA (mit Sitz in Paris) die ihr zugedachte Aufgabe nicht vor dem 1.7.2011 übernehmen können. Dies wiederum geschah auf der Grundlage einer u.a. hierfür ergangenen Verordnung zur Veränderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009: der Verordnung (EU) Nr. 513/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.5.2011 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen (ABl. EU Nr. L 145 v. 31.5.2011, S. 30). Damit ist die ausschließliche Zuständigkeit für die Registrierung und Beaufsichtigung von Ratingagenturen in der EU auf die Europäische Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA übergegangen. Die nationalen Aufsichtsbehörden sind nunmehr nur insoweit zuständig, als die ESMA einer der „zuständigen Behörden“, das ist für Deutschland nach § 17 Abs. 1 Satz 1 WpHG auch weiterhin die BaFin, spezifische Aufgaben überträgt.
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Auf diese Entwicklung hat der Gesetzgeber durch die Aufhebung von § 17 Abs. 3 bis 5 und 7 WpHG mit dem Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und 1 RegE Ausführungsgesetz zur EU-Ratingverordnung, BT-Drucks. 17/716 v. 15.2.2010, S. 2. 2 RegE Ausführungsgesetz zur EU-Ratingverordnung, BT-Drucks. 17/716 v. 15.2.2010, S. 8.
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Vermögensanlagenrechts vom 6.12.2011 (Einl. Rz. 58) reagiert. Die aufgehobenen Vorschriften, nach denen die BaFin Registrierungen vorgenommen hat (s. unten Rz. 13), lauteten: (3) Der Bundesanstalt nach der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 vorzulegende Unterlagen sind, vorbehaltlich des Artikels 15 Absatz 3 dieser Verordnung, in deutscher Sprache und auf Verlangen der Bundesanstalt zusätzlich in englischer Sprache zu erstellen und vorzulegen. Die Bundesanstalt kann eine Erstellung und Vorlegung ausschließlich in englischer Sprache gestatten, wenn der Vorlagepflichtige einer Gruppe von Ratingagenturen im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 Buchstabe m der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 angehört oder ein Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat ist. (4) Die Bundesanstalt kann zur Überwachung der Einhaltung der in der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 geregelten Pflichten bei Ratingagenturen, bei mit diesen verbundenen Unternehmen und bei zur Durchführung von Ratingtätigkeiten eingeschalteten Personen oder Unternehmen auch ohne besonderen Anlass Prüfungen vornehmen. (5) Unbeschadet des Absatzes 4 haben die Ratingagenturen die Einhaltung der in der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 geregelten Pflichten einmal jährlich durch einen von der Bundesanstalt beauftragten Prüfer prüfen zu lassen. Die Bundesanstalt beauftragt als Prüfer Wirtschaftsprüfer oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die hinsichtlich des Prüfungsgegenstandes über ausreichende Kenntnisse verfügen. Die Bundesanstalt legt das Datum des Prüfungsbeginns und den Berichtszeitraum fest. Die Bundesanstalt kann auf Antrag von der jährlichen Prüfung ganz oder teilweise absehen, soweit dies aus besonderen Gründen, insbesondere wegen der Art und des Umfangs der betriebenen Geschäfte, angezeigt ist. Die Bundesanstalt kann an der Prüfung teilnehmen. Die Bundesanstalt kann gegenüber den Ratingagenturen Bestimmungen über den Inhalt der Prüfung treffen und Schwerpunkte für die Prüfung festlegen, die vom Prüfer zu berücksichtigen sind. Der Prüfer hat der Bundesanstalt unverzüglich nach Beendigung der Prüfung einen Prüfungsbericht einzureichen. Über schwerwiegende Verstöße gegen die in der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 geregelten Pflichten hat der Prüfer die Bundesanstalt unverzüglich zu unterrichten. (7) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen über Art, Umfang und Zeitpunkt der Prüfungen nach den Absätzen 4 und 5 erlassen. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übertragen. Nachdem die gemäß der Rating-Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 durchzuführenden 12 Verwaltungsverfahren seit der durch die Verordnung (EU) Nr. 513/2011 (s. oben Rz. 10) vorgenommenen Übertragung der Zuständigkeit für die Registrierung und die laufende Beaufsichtigung von Ratingagenturen auf die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) übergegangen sind und nicht mehr von der BaFin durchgeführt werden, war für die vorgenannten Bestimmungen kein Raum mehr: Das gilt für die im bisherigen Abs. 3 getroffene Regelung zur Sprache der bei der BaFin einzureichenden Unterlagen ebenso wie für die in den bisherigen Abs. 4 und 5 geregelten Prüfungsbefugnisse der BaFin und die sich aus dem bisherigen Abs. 7 ergebende Verordnungsermächtigung. Geblieben sind damit nur die schon bisher in § 17 Abs. 1, 2 und 6 WpHG enthaltenen Regelungen, die mit der BaFin als zuständiger Behörde i.S. der Rating-Verordnung (EG) Nr. 1060/2009, ihren Befugnissen sowie den Rechtsmitteln gegen Maßnahmen der Behörde aufgrund dieser Befugnisse zu tun ha-
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ben. Wird die BaFin auf der Grundlage der Rating-Verordnung tätig, etwa weil ihr die ESMA Aufgaben nach der Verordnung delegiert hat, so richten sich die diesbezüglichen Befugnisse der Behörde unmittelbar nach der Verordnung1. 13
Bedarf für die bisherige Übergangslösung bestand, weil nach der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 Ratingagenturen bereits ab dem 7.6.2010 bei den zuständigen Behörden Anträge auf Registrierung sollten stellen konnten (Art. 40 Satz 2 der Verordnung)2. Auch war Eile geboten, weil die Ratings der Ratingagenturen, hätten sie nicht auf diesem Wege eine Registrierung erhalten können, gemäß den Übergangsfristen in der Verordnung ab dem 7.12.2010 (Art. 41 Satz 2 Spiegelstrich 1 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 der Verordnung) sonst nicht für aufsichtsrechtliche Zwecke hätten verwendet werden können. Die nach Art. 14 ff. der Verordnung (überwiegend durch die BaFin) registrierten Ratingagenturen hat die ESMA am 4.8.2011 (gemäß Art. 18 Abs. 3 der Verordnung) bekanntgegeben3.
§ 18 Strafverfahren bei Insidervergehen (aufgehoben) § 18 WpHG wurde aufgehoben durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz vom 28.10.2004 (BGBl. I 2004, 2630). Die entsprechende Regelung findet sich seitdem in § 4 Abs. 5 WpHG.
§ 19 Internationale Zusammenarbeit (aufgehoben) § 19 WpHG wurde aufgehoben durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz vom 28.10.2004 (BGBl. I 2004, 2630). Die entsprechenden Regelungen finden sich seitdem in § 7 WpHG.
§ 20 Ausnahmen (aufgehoben) § 20 WpHG wurde aufgehoben durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz vom 28.10.2004 (BGBl. I 2004, 2630). Die entsprechende Regelung findet sich seitdem in § 1 Abs. 3 WpHG.
1 Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, BT-Drucks. 17/7453 v. 25.10.2011, S. 111. 2 Vgl. auch RegE Ausführungsgesetz zur EU-Ratingverordnung, BT-Drucks. 17/716 v. 15.2.2010, S. 8. 3 Abrufbar unter http://www.esma.europa.eu/popup2.php?id=7692.
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Abschnitt 4 Überwachung des Verbots der Marktmanipulation Vorbemerkung Europäische Rechtsakte: Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. EU Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16; Richtlinie 2003/124/EG der Kommission vom 22.12.2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Begriffsbestimmung und die Veröffentlichung von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation, ABl. EU Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 70; Richtlinie 2003/125/EG der Kommission vom 22.12.2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die sachgerechte Darbietung von Anlageempfehlungen und die Offenlegung von Interessenkonflikten, ABl. EU Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 73; Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 der Kommission vom 22.12.2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates – Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen, ABl. EU Nr. L 336 v. 23.12.2003, S. 33; Richtlinie 2004/72/EG der Kommission vom 29.4.2004 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates – Zulässige Marktpraktiken (…), ABl. EU Nr. L 162 v. 30.4.2004, S. 70. Schrifttum: Achenbach, Das Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, NJW 1986, 1835; Allen/Gale, Stock-Price Manipulation, The Review of Financial Studies 5 (1992), 503; Altendorfer, Kursmanipulation am Wertpapiermarkt: Ein rechtsvergleichender Blick auf den Sanktionenbereich, in: Aicher/Kalss/Oppitz (Hrsg.), Grundfragen des neuen Börsenrechts, 1998, S. 207; Altenhain, Die Neuregelung der Marktpreismanipulation durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz, BB 2002, 1874; Apt, Börsengesetz, 5. Aufl. 1909; Arlt, Der strafrechtliche Anlegerschutz vor Kursmanipulation, 2004; Barnert, Deliktischer Schadensersatz bei Kursmanipulation de lege lata und de lege ferenda, WM 2002, 1473; Baums, Anlegerschutz und Neuer Markt, ZHR 166 (2002), 375; de Beer, Zur zivilrechtlichen Haftung der Finanzpresse bei Börsenmanipulationen mittels falscher Anlageempfehlungen, Die Schweizerische Aktiengesellschaft (SAG) 55 (1983), 65; Benner, Konsequenzen der Zentralisierungsbestrebungen der Wertpapiermarktaufsicht, ZRP 2001, 450; Benner, Kriminalität im Wertpapierhandel, in: Wabnitz/Janovsky (Hrsg.), Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 2000, 4. Kapitel; Berle, Stock Market Manipulation, Columbia Law Review 38 (1938), 393; Bernsmann, Kursmanipulation durch Unterlassen?, in: FS Christian Richter II, 2006, S. 51; Bingel, Rechtliche Grenzen der Kursstabilisierung nach Aktienplatzierungen, 2007; Bisson/Kunz, Die Kurs- und Marktpreismanipulation nach In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Verbesserung des Anlegerschutzes vom 28.10.2003 und der Verordnung zur Konkretisierung des Verbots der Marktmanipulation vom 1.3.2005, BKR 2005, 186; Bösch, Die Kurspflege bei Wertpapieren, 1959; Bosch/Groß, Das Emissionsgeschäft, 1997; Bröker, Neue Strafvorschriften im deutschen Börsenrecht, wistra 1995, 130; Bürgers, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, BKR 2004, 424; Cahn, Grenzen des Markt- und Anlegerschutzes durch das WpHG, ZHR 162 (1998), 1; Claussen/Florian, Der Emittentenleitfaden, AG 2005, 745; Degoutrie, „Scalping“, 2007; Dette, Kursbildung am deutschen Aktienmarkt, 1998; Diekmann/Sustmann, Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes, NZG 2004, 929; Dier/Fürhoff, Die geplante europäische Marktmissbrauchsrichtlinie, AG 2002, 604; Dreyling, Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz – Überregulierung oder Notwendigkeit?, Die Bank 2002, 16; Eichelberger, Kurspflege und Kursmanipulation nach geltendem und künftigen Recht, WM 2002, 317; Eichelberger, Scalping – ein Insiderdelikt?, WM 2003, 2121; Eichelberger, Zur Verfassungsmäßigkeit von § 20a WpHG, ZBB 2004, 296; Eichelberger, Das Verbot der Marktmanipulation (§ 20a WpHG), 2006; Ekkenga, Kurspflege und Kursmanipulation nach geltendem und künftigen Recht, WM 2002, 317; Ekkenga, Fragen der deliktischen Haftungsbegründung bei Kursmanipulationen und Insidergeschäften, ZIP 2004, 781; Escher-Weingart/Kübler, Erwerb eigener Aktien, ZHR 162 (1998), 537; Fenchel, Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz – ein Überblick, DStR 2002, 1355; Fichtner, Die börsen- und depotrechtlichen Strafvor-
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Vorbemerkung
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ge, WM 1999, 1345; Schäfer, Marktpflege im Primär- und Sekundärmarkt und das Recht zur Verhinderung von Börsenkursmanipulationen, in: Schwintowski (Hrsg.), Entwicklungen im deutschen und europäischen Wirtschaftsrecht (Immenga-Symposium), 2001, S. 63; Scheu, Das Börsenstrafrecht und seine Reform, Diss. jur. Gießen 1974; Schlüchter, Zweites Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, 1987; Schmidt-Lademann, Zum neuen Straftatbestand „Kapitalanlagebetrug“ (§ 264a StGB), WM 1986, 1241; Schmitz, Aktuelles zum Kursbetrug gemäß § 88 BörsG, wistra 2002, 208; Schmitz, Der strafrechtliche Schutz des Kapitalmarkts in Europa, ZStW 115 (2003), 501; Schneider/Burgard, Scalping als Insiderstraftat, ZIP 1999, 381; Schockenhoff/Wagner, Ad-hoc-Publizität beim Aktienrückkauf, AG 1999, 548; Schönhöft, Die Strafbarkeit der Marktmanipulation gemäß § 20a WpHG, 2006; Schönwälder, Grund und Grenzen einer strafrechtlichen Regulierung der Marktmanipulation, 2011; Schröder, Aktienhandel und Strafrecht, 1994; Schröder, Strafbares Insiderhandeln von Organvertretern einer AG nach geltendem und neuem Recht, NJW 1994, 2879; Schröder, Die Manipulation des Börsen- oder Marktpreises, in: Achenbach/Ransiek (Hrsg.), Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 2. Aufl. 2008, X 2 A; Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, 2. Aufl. 2010; Schwark, Kurs- und Marktpreismanipulation, in: Ekkenga u.a. (Hrsg.), Bankrecht und Kapitalmarktrecht in der Entwicklung, FS Kümpel, 2003, S. 485; Schwintek, Das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, 2005; Seitz, Die Integration der europäischen Wertpapiermärkte und die Finanzmarktgesetzgebung in Deutschland, BKR 2002, 340; Singhof/Weber, Neue kapitalmarktrechtliche Rahmenbedingungen für den Erwerb eigener Aktien, AG 2005, 549; Sorgenfrei, in: Park (Hrsg.), Kapitalmarktstrafrecht, 2. Aufl. 2008, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG; Sorgenfrei, Zum Verbot der Kurs- oder Marktmanipulation nach dem 4. Finanzmarktförderungsgesetz, wistra 2002, 321; Spindler, Finanzanalyse vs. Finanzberichterstattung: Journalisten und das AnSVG, NZG 2004, 1138; Streinz/Ohler, § 20a WpHG in rechtsstaatlicher Perspektive – europa- und verfassungsrechtliche Anforderungen an das Verbot von Kurs- und Marktpreismanipulationen, WM 2004, 1309; Teuber, Die Beeinflussung von Börsenkursen, 2011; Thümmel, Haftung für geschönte Ad-hoc-Meldungen: Neues Risikofeld für Vorstände oder ergebnisorientierte Einzelfallbesprechung?, DB 2001, 2331; Tiedemann, Welche strafrechtlichen Mittel empfehlen sich für eine wirksamere Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität?, Gutachten C für den 49. Deutschen Juristentag Düsseldorf 1972, 1972; Tiedemann, Die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität durch den Gesetzgeber, JZ 1986, 865; Tripmaker, Der subjektive Tatbestand des Kursbetrugs, wistra 2002, 288; Trüstedt, Das Verbot der Börsenkursmanipulation, 2004; v. Ungern-Sternberg, Wirtschaftskriminalität beim Handel mit ausländischen Aktien, ZStW 1988 (1976), 653; Varnholt, Kursmanipulation: Eine Typologie aus finanzmarkttheoretischer Sicht, Finanzmarkt und Portfolio Management 7 (1993), 459; Vogel, Kurspflege: Zulässige Kurs- und Marktpreisstabilisierung oder straf- bzw. ahndbare Kurs- und Marktpreismanipulation?, WM 2003, 2437; Vogel, Scalping als Kurs- und Marktpreismanipulation, NStZ 2004, 252; Volk, Scalping strafbar?, ZIP 1999, 787; Walter, Betrugsstrafrecht in Frankreich und Deutschland, 1999; Walther, Bilanzfälschung, Kurs- und Marktpreismanipulation sowie fehlerhafte Publizität: Hauptprobleme aus kriminalstrafrechtlicher Sicht, ZJapanR 16 (2003), 189; Waschkeit, Marktmanipulation am Kapitalmarkt, 2007; Watter, Kursmanipulation am Aktienmarkt und Berücksichtigung von so genannten Stützungskäufen, Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (SZW) 1990, 193; Weber, A., Zweites Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, WM 1986, 113; Weber, Manfred, Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz aus Sicht der privaten Banken, ZfgKW 2002, 18; Weber, Martin, Kursmanipulationen am Wertpapiermarkt, NZG 2000, 113; Weber, Martin, Scalping – Erfindung und Folgen eines Insiderdelikts, NJW 2000, 562; Weber, Martin, Die Entwicklung des Kapitalmarktrechts 2001/2002, NJW 2003, 18; Weber, Martin, Die Entwicklung des Kapitalmarktrechts im Jahre 2003, NJW 2004, 28; Weber, Martin, Konkretisierung des Verbotes der Kurs- und Marktpreismanipulation, NZG 2004, 23; Weber, U., Das Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, NStZ 1986, 482; Wodsak, Täuschung des Kapitalmarkts durch Unterlassen, 2006; Worms, Anlegerschutz und Strafrecht, 1987; Ziouvas/Walter, Das neue Börsenstrafrecht mit Blick auf das Europarecht, WM 2002, 1438; Ziouvas, Vom Börsen- zum Kapitalmarktstrafrecht?, wistra 2003, 13; Ziouvas, Das neue Recht gegen Kurs- und Marktpreismanipulation im 4. Finanzmarktförderungsgesetz, ZGR 2003, 113; Ziouvas, Das neue Kapitalmarktstrafrecht, 2006.
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Materialien: Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz), BT-Drucks. 14/8017 v. 18.1.2002 (RegE 4. FFG); Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) …, BT-Drucks. 14/8600 und 8601 v. 20. und 21.3.2002 (Beschl. und Ber. Fin. 4. FFG); Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses …, BT-Drucks. 14/9096 v. 15.5.2002 (Beschl. Verm. 4. FFG); Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG), BT-Drucks. 15/3174 v. 24.5.2004 (RegE AnSVG); Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) …, BT-Drucks. 15/3493 v. 1.7.2004 (Beschl. und Ber. Fin. AnSVG).
Inhaltsübersicht I. Geschichte, Europarecht, Rechtsvergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . 2. Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsvergleichende Hinweise . . . . a) Deutscher Rechtskreis . . . . . . . . . b) Romanischer Rechtskreis . . . . . . c) common law-Rechtskreis . . . . . . d) Querschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Methoden- und Verfassungsrechtsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Methodenfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfassungsrechtsfragen . . . . . . . . . .
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III. Rechtstatsächlicher und ökonomischer Hintergrund, Rechtspraxis . . .
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1. Systematisierung der Marktmanipulationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Informationsgestützte“ Manipulationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Handelsgestützte“ Manipulationen durch fiktive und effektive Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. „Handlungsgestützte“ Manipulationen . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Weitere Manipulationsarten . . . . . 6. Ökonomische Analyse der Marktmanipulation und ihrer Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Rechtspraxis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Geschichte, Europarecht, Rechtsvergleichung 1. Entstehungsgeschichte Die historischen Wurzeln des deutschen Rechts der Marktmanipulation reichen bis 1 ins 19. Jahrhundert zurück. Bereits 1884 hatte der deutsche Gesetzgeber in Reaktion auf seinerzeitige Börsenskandale den sog. Kursbetrug in Art. 249d Abs. 1 Nr. 2 ADHGB unter Strafe gestellt. Hiernach war strafbar, wer „in betrügerischer Absicht auf Täuschung berechnete Mittel anwendet, um auf den Kurs von Aktien einzuwirken“1. Die Vorschrift wurde in verallgemeinerter Gestalt als § 75 Abs. 1 in das BörsG 1896 aufgenommen und galt – mit verschiedenen Änderungen, zuletzt durch das Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität vom 15.5.19862 – als § 88 BörsG a.F. fort, bis sie mit Wirkung vom 1.7.2002 aufgehoben und durch §§ 20a, 38, 39 „abgelöst“ (RegE 4. FFG S. 89) worden ist. In der zuletzt geltenden Fassung lautete § 88 BörsG a.F.3: 1 S. hierzu auch Altenhain, in: KölnKomm. WpHG, § 38 Rz. 12; Fleischer, in: Fuchs, Vor § 20a WpHG Rz. 11. 2 2. WiKG; hierzu allgemein Achenbach, NJW 1986, 1835 ff.; Haft, NStZ 1987, 6 ff.; Möhrenschlager, wistra 1983, 142 ff. und 1986, 123 ff.; Tiedemann, JZ 1986, 865 ff. und insbesondere zum Börsenstrafrecht Knauth, NJW 1987, 28 (32 f.); Schlüchter, S. 135 ff.; vgl. auch Fleischer, in: Fuchs, Vor § 20a WpHG Rz. 14. 3 S. hierzu die Kommentierungen von Fuhrmann, in: Erbs/Kohlhaas, § 88 BörsG Rz. 1 ff.; Groß, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl. 2002, § 88 BörsG Rz. 1 ff.; Ledermann, in: Schäfer, 1. Aufl., § 88 BörsG Rz. 1 ff.; Rössner/Worms, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht,
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Wer zur Einwirkung auf den Börsen- oder Marktpreis von Wertpapieren, Bezugsrechten, ausländischen Zahlungsmitteln, Waren, Anteilen, die eine Beteiligung an dem Ergebnis eines Unternehmens gewähren sollen, oder von Derivaten im Sinne des § 2 Abs. 2 des Wertpapierhandelsgesetzes 1. unrichtige Angaben über Umstände macht, die für die Bewertung der Wertpapiere, Bezugsrechte, ausländischen Zahlungsmitteln, Waren, Anteile oder Derivate erheblich sind, oder solche Umstände entgegen bestehenden Rechtsvorschriften verschweigt oder 2. sonstige auf Täuschung berechnete Mittel anwendet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Zu den insoweit auftretenden Rückwirkungsfragen s. unten Rz. 7 ff. 2
Nach einhelliger Auffassung in Theorie und Praxis hatte sich § 88 BörsG a.F. nicht bewährt1. Einerseits wurden die bedenkliche Unbestimmtheit der Generalklausel nach Nr. 2 und die lediglich überindividuelle Schutzrichtung der „Zuverlässigkeit und Wahrheit der Preisbildung an den Börsen und Märkten mit ihrer für die gesamte Wirtschaftsordnung weit reichenden Bedeutung“2 – also die Ausblendung des Vermögens- und Anlegerschutzes – kritisiert. Andererseits erfasste § 88 BörsG a.F. nicht sämtliche Erscheinungsformen der Marktmanipulation. Auch war die erforderliche Kursbeeinflussungsabsicht schwierig nachweisbar3. Die praktische Bedeutung von § 88 BörsG a.F. war denkbar gering, und Verurteilungen sind kaum je bekannt geworden4.
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Der erkannte Reformbedarf führte zu vielfältigen Reformvorschlägen in der Literatur. Unter ihnen ist § 190 des sog. Alternativ-Entwurfs eines Strafgesetzbuchs mit dem Straftatbestand „Täuschende Einflussnahme auf den Kurs von Wertpapieren“ hervorzuheben5. Gebündelt wurden die Vorschläge dann auf dem 64. DJT 2002 in Berlin durch Fleischer6. Kurz zuvor hatte die Bundesregierung den RegE 4. FFG vorgelegt, in dem u.a. eine Neufassung und Konkretisierung der Vorschriften über das Verbot der Marktmanipulation vorgesehen war. Die Eckpunkte entsprechen dem nunmehrigen Recht7: § 88 BörsG a.F. wird durch die allgemeine Verbotsnorm des § 20a WpHG ersetzt. Deren Verletzung ist bei tatsächlicher Einwirkung auf den Börsen- und Marktpreis eines Finanzinstruments eine Straftat, andernfalls nur eine Ordnungswidrigkeit. Die noch erforderliche Konkretisierung soll im Verordnungswege erreicht werden. Zur Effektuierung des Verbots werden der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht die Aufgabe seiner Überwachung und hierzu erforderliche Befugnisse eingeräumt. – Im Finanzausschuss (7. Ausschuss) wurde im Wesentlichen nur mehr die Generalklausel der verbotenen „sonstigen Täuschungshandlungen“ geändert. Entgegen dem RegE 4. FFG, der die Eignung zur Einwirkung auf den Börsen- oder Marktpreis auch bei sonstigen Täuschungshandlungen genügen ließ,
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§ 9 Rz. 2 ff.; Schwark, 2. Aufl. 2002, § 88 BörsG Rz. 1 ff.; und die ausführliche Darstellung von Waschkeit, S. 208 ff.; alle m.w.N. Zusammenfassend Lenzen, S. 157 ff. m.N. BT-Drucks. 10/318, S. 45. S. Tripmaker, wistra 2002, 288 ff. „Schattendasein“, Rössner/Worms, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, § 9 Rz. 1; „Dornröschenschlaf“, Ziouvas, ZGR 2003, 113 (114). Lampe/Lenckner/Stree/Tiedemann/Weber, Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuchs, Besonderer Teil, Straftaten gegen die Wirtschaft, 1977, S. 74 ff.; s. weiterhin Lenzen, S. 247 ff. Fleischer, Gutachten F 142 f. S. RegE 4. FFG S. 27 ff., 89 ff., 98 ff.
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wurde insoweit die Absicht der Einwirkung verlangt; hierdurch sollte eine bessere Abgrenzung zwischen legitimen und nicht sanktionswürdigen Transaktionen erreicht und der Unrechtsgehalt auf die subjektive Seite des Handelnden verschoben werden1. Im Vermittlungsverfahren wurden die Vorschriften über Marktmanipulation dann nicht mehr verändert2. So wurde der Abschnitt 4 des WpHG über die Überwachung des Verbots der Markt- 4 manipulation (früher Kurs- und Marktpreismanipulation) mit Wirkung vom 1.7.2002 durch Art. 2 Nr. 13 Viertes Finanzmarktförderungsgesetz vom 21.6.2002 (BGBl. I 2002, 2010) eingefügt. Die Regelung ist als „Meilenstein“3 in der Reform des Kapitalmarktrechts bezeichnet worden. Mit ihr habe der Gesetzgeber die in Wissenschaft und Praxis seit langem erhobene Forderung nach einer effektiveren Kontrolle von Marktmanipulationen erfüllt, auf die tiefe Vertrauenskrise am Neuen Markt reagiert und es unternommen, die offenbar gewordenen Missstände zu bekämpfen sowie das verlorene Anlegervertrauen zurückzugewinnen (zum Schutzzweck unten § 20a Rz. 26 ff.). Konkretisiert und ergänzt worden ist die gesetzliche Regelung zunächst durch die am 28.11.2003 in Kraft getretene Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Kurs- und Marktpreismanipulation (KuMaKV) vom 18.11.2003 (BGBl. I 2003, 2300). Freilich hat die „Reform der Reform“ wenig mehr als zwei Jahre auf sich warten 5 lassen, und der Gesetzgeber hat sich vor allem durch europarechtliche Vorgaben (s. sogleich Rz. 11 ff.) zu nicht unerheblichen Modifikationen des Rechts der Marktmanipulation veranlasst gesehen. Durch Art. 1 Nrn. 7, 8 Anlegerschutzverbesserungsgesetz vom 28.10.2004 (BGBl. I 2004, 2630) ist die gesetzliche Regelung in Abschnitt 4 des WpHG mit Wirkung vom 30.10.2004 nicht unerheblich umgestaltet worden. Einerseits ist § 20a WpHG umbenannt4, geändert und den nunmehrigen europarechtlichen Vorgaben angepasst worden; in der Sache ist das Marktmanipulationsverbot tendenziell ausgeweitet und verschärft worden. Andererseits ist die Vorschrift des § 20b WpHG über die Überwachung des Verbots weggefallen und in den allgemeinen Verfahrensvorschriften aufgegangen5. Der Verordnungsgeber hat die Gesetzesänderung nachvollzogen und die KuMaKV mit Wirkung vom 10.3.2005 durch die Verordnung zur Konkretisierung des Verbots der Marktmanipulation (Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung – MaKonV) vom 1.3.2005 (BGBl. I 2005, 515; abgedruckt in § 20a Rz. 307) ersetzt. Seitdem ist das Marktmanipulationsrecht als solches im Wesentlichen unverändert geblieben. Mittelbar wirkt sich freilich die weitere Rechtsentwicklung, namentlich die Neuregelung der Struktur und Transparenz der Märkte für Finanzinstrumente durch die europäische Richtlinie über Märkte für Finanzdienstleistungen (MiFID)6 1 S. Beschl. Fin. 4. FFG S. 59, Ber. Fin. 4. FFG S. 19 f.; eingehend unten § 20a Rz. 214 ff. 2 S. Beschl. Verm. 4. FFG. 3 Fleischer, NJW 2002, 2977 (2978); kritisch Weber, Martin, NJW 2003, 18 (20: der Beweis, dass es sich nicht um einen „Gesetzesleichnam“ handele, stehe noch aus). 4 Die amtliche Überschrift („Angabe“) des § 20a WpHG lautet nunmehr: „Verbot der Marktmanipulation“. 5 In der amtlichen Überschrift („Angabe“) des Abschnitts 4 (i.d.F. des Art. 1 Nr. 13 FRUG, BGBl. I 2007, 1130) ist allerdings weiterhin von der „Überwachung des Verbots der Marktmanipulation“ die Rede. 6 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente (…), ABl. EU Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1; s. weiterhin Richtlinie 2006/37/EG der Kommission vom 10. August 2006 zur Durchführung (…), ABl. EU Nr. L 241 v. 2.9.2006, S. 26 und Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 der Kommission vom
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und das deutsche Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG)1, auch auf das Marktmanipulationsrecht aus2: Die Segmente des amtlichen und des geregelten Markts sind zu einem einheitlichen regulierten Markt zusammengefasst worden (s. § 20a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 WpHG i.d.F. des Art. 1 Nr. 14 FRUG); die Überwachung des außerbörslichen Handels ist verschärft worden; und das Transparenz- und Informationsniveau betreffend Emittenten ist erhöht worden, was Rückwirkungen z.B. auf die Frage unvollständiger Angaben hat. 6a
Die derzeitige Fassung des § 20a WpHG beruht auf Art. 5 Nr. 3 Gesetz zur Änderung des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes und anderer Gesetze (EAEGuaÄndG) vom 25.6.20093, der mit Wirkung vom 30.6.2009 Emissionsberechtigungen i.S. von § 3 Abs. 4 Satz 1 Treibhausgasemissionshandelsgesetz in den gegenständlichen Schutzbereich des Marktmanipulationsverbots einbezogen hat (näher unten § 20a Rz. 43b). Auch in neuerer und neuester Zeit ist es zu mittelbaren Auswirkungen anderweitiger Gesetzesänderungen auf Reichweite und Inhalt des Marktmanipulationsverbots gekommen: Das Verbot ungedeckter Leerverkäufe durch das Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivatgeschäfte (WpMiVoG) vom 21.7.20104 lässt die Frage, ob und inwieweit Leerverkäufe als solche marktmanipulativen Charakter haben können, in neuem Licht erscheinen (unten § 20a Rz. 151 ff.). Gleichfalls neu zu beurteilen ist die Frage nach dem marktmanipulativen Charakter des sog. Anschleichens an eine börsennotierte Zielgesellschaft im Hinblick auf die mit Wirkung vom 1.2.2012 geänderten Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten nach §§ 25, 25a WpHG i.d.F. des Art. 1 Nr. 2 und 3 Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz (AnsFuVG) vom 5.4.20115.
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Ob ein derartiges „Reformstakkato“ geeignet ist, das Vertrauen in die Kapitalmärkte nachhaltig zu stärken, mag bezweifelt werden6. Jedenfalls führen die nicht unerheblichen Rechtsänderungen zu Rückwirkungsfragen, die sich in erster Linie für vor dem 1.7.2002 begangene Alttaten, aber auch für vor dem 30.10.2004 begangene Taten stellen, da das auf dem AnSVG und der MaKonV beruhende Recht gegenüber dem auf dem 4. FFG beruhenden Recht (s. oben Rz. 4) an nicht wenigen Stellen sowohl kapitalmarkt- als auch straf- bzw. bußgeldrechtlich deutlich verschärft worden ist.
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Nach allgemeinen Grundsätzen gilt im Verfahrensrecht kein Rückwirkungsverbot, das über den allgemeinen rechtsstaatlichen Vertrauensschutz (Art. 20 Abs. 3 GG) hinausgeht. Gleichwohl ist mit Mock/Stoll/Eufinger7 davon auszugehen, dass die Bundesanstalt aufsichtsrechtliche eingreifende Maßnahmen, namentlich Sanktionen al-
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7
10. August 2006 zur Durchführung (…), ABl. EU Nr. L 241 v. 2.9.2006, S. 1; Richtlinien 2006/31/EG und 2007/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2006 und vom 5. September 2007 zur Änderung (…), ABl. EU Nr. L 114 v. 27.4.2006, S. 60 und Nr. L 247 v. 21.9.2007, S. 1. Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission vom 16.7.2007, BGBl. I 2007, 1130; s. hierzu Duve/Keller, BB 2006, 2425; Gomber/Hirschberger, AG 2006, 777. Zutr. Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 8 f. BGBl. I 2009, 1529. BGBl. I 2010, 945. BGBl. I 2011, 538. Treffend bemerken Streinz/Ohler, WM 2004, 1309 (1317): „Zu eiliges Umsetzen, das nicht einmal den Abschluss gemeinschaftsrechtlicher Gesetzgebungsverfahren abwartet, geht … auf Kosten der Rechtssicherheit und mindert das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland als Standort der Finanzindustrie …“. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 102.
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ler Art, nur ergreifen darf, wenn das Verhalten, auf das reagiert wird, bereits zum Tatzeitpunkt als Marktmanipulation verboten war. Straf- und bußgeldrechtlich ist vor dem Hintergrund des strengeren straf- und buß- 9 geldrechtlichen Rückwirkungsverbots (Art. 103 Abs. 2 GG) vom Grundsatz der Tatzeitstrafbarkeit (§ 2 Abs. 1 StGB) auszugehen, der freilich durch den lex mitiorGrundsatz (§ 2 Abs. 3 StGB) überlagert wird. Bei dessen Anwendung kommt es nicht darauf an, welches Gesetz in abstracto eine schärfere Strafdrohung enthält, sondern nur darauf, welche Regelung in concreto nach den besonderen Umständen des Einzelfalles die mildere Beurteilung zulässt1 – weshalb es unrichtig wäre, noch unter der Geltung des § 88 BörsG a.F. begangene Taten stets hiernach zu beurteilen, weil die Strafdrohung nach § 38 Abs. 2 WpHG die schärfere ist. Im Einzelnen sind drei Konstellationen zu unterscheiden: (1) War die Alttat nach Tatzeitrecht, insbesondere nach § 88 BörsG a.F., straflos – sei es, weil sich die Marktmanipulation auf ein nach altem Recht nicht erfasstes Finanzinstrument bezog, sei es, weil sich eine nach altem Recht erforderliche Kursbeeinflussungsabsicht nicht nachweisen lässt –, so bleibt das Verhalten straflos, selbst wenn § 20a WpHG i.V.m. § 38 Abs. 2 WpHG erfüllt wäre. Die Alttat kann in diesem Fall auch nicht als Ordnungswidrigkeit gemäß § 20a WpHG i.V.m. § 39 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Nr. 11 WpHG geahndet werden, da und soweit das alte Recht eine entsprechende Ordnungswidrigkeit nicht kannte (s. aber §§ 44a, 44b, 90 BörsG a.F.); andernfalls würde das auch im Ordnungswidrigkeitenrecht geltende Rückwirkungsverbot verletzt (s. § 4 Abs. 1 OWiG). – (2) War die Alttat hingegen nach Tatzeitrecht strafbar, so gilt: Ergibt die Prüfung nach neuem Recht Straflosigkeit, insbesondere weil sich die nach § 38 Abs. 2 WpHG erforderliche tatsächliche Kurs- oder Marktpreisbeeinflussung nicht nachweisen lässt, so ist in concreto das neue Recht das mildere, und eine Strafbarkeit scheidet aus. Freilich kommt in diesem Fall eine Bußgeldverantwortlichkeit nach § 20a WpHG i.V.m. § 39 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Nr. 11 WpHG in Betracht, da Bußgeldvorschriften stets milder als Strafvorschriften sind2. Lässt sich allerdings auch nach neuem Recht eine Strafbarkeit begründen, so darf die Alttat nach Tatzeitrecht bestraft werden, insbesondere nach § 88 BörsG a.F., der wegen des milderen Strafrahmens in der Regel eine mildere Bestrafung ermöglicht. Das entspricht mittlerweile der überwiegenden Auffassung und insbesondere der Rechtsprechung des BGH3. Demgegenüber hatte eine Strafkammer des LG München I in ihrem nicht rechtskräftig gewordenen Ersturteil im Fall der Gebrüder Haffa („EM.TV“)4 angenommen, das Erfolgsdelikt des damaligen § 38 Abs. 1 Nr. 4 WpHG, nunmehr § 38 Abs. 2 WpHG, sei im Verhältnis zu dem früheren Gefährdungsdelikt des § 88 BörsG a.F. ein „wesensmäßig verschiedener Tatbestand“. Deshalb könne eine Alttat auch dann, wenn sie sowohl die Voraussetzungen des § 88 BörsG a.F. als auch die des § 38 WpHG erfülle, nur als Ordnungswidrigkeit gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 1, 2 WpHG geahndet werden, die wie § 88 BörsG a.F. ein Gefährdungsdelikt enthalte. Das ist rechtsirrig, da das (weitergehende!) Verbot der Gefährdung eines Rechtsguts erst recht das (engere!) Verbot seiner Verletzung 1 Sog. konkrete Betrachtungsweise, s. nur BGH v. 1.12.1964 – 3 StR 37/64, BGHSt 20, 121 (124). S. Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 20a WpHG Rz. 4 sowie Schröder, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, Vor § 38 WpHG Rz. 23 ff. 2 S. nur BGH v. 24.11.1958 – KRB 2/58, BGHSt 12, 148 (153). 3 BGH v. 6.11.2003 – 1 StR 24/03, BGHSt 48, 373 (383) = NJW 2004, 302 (304) = NStZ 2004, 285 (286); BGH v. 16.12.2005 – 1 StR 420/03, NJW 2005, 445 (450), insoweit in BGHSt 49, 381 nicht abgedruckt; LG München I v. 21.11.2002 – 6 KLs 305 Js 34066/02, NStZ 2004, 292; Vogel, NStZ 2004, 252 (255 m.w.N.). 4 LG München I v. 8.4.2003 – 4 KLs 305 Js 52373/00, NJW 2003, 2328 (2329 f.); ebenso Eichberger, NStZ 2004, 292 f.
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enthält, so dass der Unrechtskern der Gefährdung in der Verletzung enthalten und die sog. Unrechtskontinuität zu bejahen ist1. Im Übrigen kann nicht angenommen werden, der Gesetzgeber habe mit der Schaffung des bloß ordnungswidrigen Gefährdungstatbestandes des § 39 Abs. 1 Nr. 1, 2 WpHG bezweckt, dass Alttaten, bei denen es tatsächlich zu einer Einwirkung auf den Börsen- bzw. Marktpreis gekommen ist, nur mehr als Ordnungswidrigkeiten zu ahnden seien. – (3) Dauert das Manipulationsverhalten über den 1.7.2002 an (was insbesondere für die Unterlassungsvariante des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG denkbar ist), so ist gemäß § 2 Abs. 2 StGB, § 4 Abs. 2 OWiG das neue Recht auf die gesamte Tat anwendbar. 10
Sonderfragen stellen sich zum einen in Bezug auf die Verjährung, da die Verjährungsfrist für Alttaten nach § 88 BörsG drei Jahre betrug (§ 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB) und nunmehr für Taten nach §§ 20a, 38 Abs. 2 WpHG auf fünf Jahre verlängert worden ist (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Nach h.A. steht das Rückwirkungsverbot einer nachträglichen Verjährungsverlängerung jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die vorherige kürzere Verjährungsfrist zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verjährungsverlängerung noch nicht abgelaufen war2. Zum anderen stellen sich Detailfragen des zeitversetzten Inkrafttretens von deutschem Gesetzes- und deutschem sowie europäischem Verordnungsrecht. So ist die Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 über Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen (näher hierzu unten Rz. 15) europarechtlich bereits am 23.12.2003 in Kraft getreten, jedoch erst mit Wirkung vom 30.10.2004 durch § 20a Abs. 3 WpHG i.d.F. des AnSVG in deutsches Recht umgesetzt worden. Das hat zu der Streitfrage geführt, ob die Verordnung auch davor Geltung im deutschen Recht beanspruchen konnte3. In RegE AnSVG S. 26 hat sich die Bundesregierung auf den Standpunkt gestellt, die Verordnung lasse in Art. 1 erkennen, dass ihre Geltung im nationalen Recht von der Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie abhängig sei4. Im Hinblick auf Art. 249 Abs. 2 Satz 2 EG-Vertrag, heute Art. 288 AEUV, und den Umstand, dass die sich abzeichnenden europäischen Vorgaben zum Verbot der Marktmanipulation bereits „im Voraus“ mit dem 4. FFG 2002 umgesetzt werden sollten5, überzeugt das nicht, und richtigerweise ist im Ergebnis von der Geltung der Verordnung bereits seit 23.12.2003 auszugehen6. Im Übrigen ist allerdings die am 30.10.2004 in Kraft getretene Neufassung des § 20a WpHG bis zum Inkrafttreten der MaKonV am 10.3.2005 nicht durch diese, sondern weiterhin durch die KuMaKV zu konkretisieren7.
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Marktmanipulation zu verhindern, ist seit geraumer Zeit ein vorrangiges Ziel der Europäischen Union. Bereits in ihrer Mitteilung vom 11.5.1999 „Umsetzung des Finanzmarktrahmens: Aktionsplan“8 hatte die Kommission der Europäischen Gemeinschaft hervorgehoben, dass eine Richtlinie zur Bekämpfung der Marktmanipulation erforderlich sei. Am 17.7.2000 setzte der Rat einen Ausschuss der Weisen über
2. Europarecht
1 Vgl. nur Schmitz, in: MünchKomm. StGB, Bd. I 2003, § 2 Rz. 25 ff., insbes. Rz. 27 m.w.N. 2 Grundlegend BVerfG v. 26.2.1969 – 2 BvL 15, 23/68, BVerfGE 25, 269; zusammenfassend Eser, in: Schönke/Schröder, 28. Aufl. 2010, § 2 StGB Rz. 6 f. m.w.N. 3 S. hierzu auch Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 107 ff. 4 Ebenso Streinz/Ohler, WM 2004, 1309 (1313). 5 Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 109. 6 Zutr. Leppert/Stürwald, ZZB 2004, 302 (304 f.); Meyer, AG 2003, 289 (295); Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, Nr. 11, IV WpHG Rz. 5. 7 Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 110. 8 KOM (1999) 232 endg.
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die Regulierung der europäischen Wertpapiermärkte ein, dessen Schlussbericht1 Regulierungsmaßnahmen u.a. in Gestalt von Richtlinien und im sog. Komitologieverfahren2 erlassenen Durchführungsmaßnahmen vorsah, die insbesondere auch die Marktmanipulation betreffen sollten. Durch Beschlüsse vom 6.6.20013 setzte die Kommission sodann einen Ausschuss der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (engl. Committee of European Securities Regulators – CESR, vormals Forum of European Securities Commissions – FESCO, nunmehr European Securities and Markets Authority – ESMA4) und einen Europäischen Wertpapierausschuss (European Securities Committee – ESC) ein. In deren Vorarbeiten wurde deutlich, dass keineswegs alle Mitgliedstaaten Rechtsvorschriften zur Ahndung von Marktmanipulationen insbesondere durch Verbreitung irreführender Informationen hatten und die vorhandenen Vorschriften äußerst unterschiedlich waren. Deshalb ist die Marktmanipulation ein Schwerpunkt der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.1.2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) (Marktmissbrauchsrichtlinie, ABl. EU Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16)5 und der hierzu von der Kommission im Komitologieverfahren erlassenen Durchführungsbestimmungen (s. unten Rz. 15)6. In der Terminologie der Marktmissbrauchsrichtlinie ist die Marktmanipulation ne- 12 ben den Insider-Geschäften die zweite Form des Marktmissbrauchs. Sie wird in Art. 1 Nr. 2 Marktmissbrauchsrichtlinie legaldefiniert. Zu ihr gehören einerseits „informationsgestützte“ Marktmanipulationen (s. unten Rz. 33 f.), nämlich die Verbreitung von Informationen, die falsche oder irreführende Signale in Bezug auf Finanzinstrumente geben oder geben könnten, wenn die Person, die diese Informationen verbreitet hat, wusste oder hätte wissen müssen, dass sie falsch oder irreführend waren (lit. c). Hierunter fallen auch Journalisten, uneingeschränkt, wenn sie hieraus Nutzen ziehen oder Gewinne schöpfen, ansonsten durch die Berücksichtigung „der für ihren Berufsstand geltenden Regeln“ der Presse- und Meinungsfreiheit eingeschränkt (s. noch § 20a Rz. 131 ff.). Andererseits erfasst die Marktmissbrauchsrichtlinie „handelsgestützte“ Marktmanipulationen (s. unten Rz. 35 ff.), nämlich Geschäfte oder Kauf- bzw. Verkaufsaufträge, bei denen falsche Tatsachen vorgespiegelt oder sonstige Kunstgriffe oder Formen der Täuschung verwendet werden (lit. b), und solche, die falsche oder irreführende Signale für das Angebot von Finanzinstrumenten, die Nachfrage danach oder ihren Kurs geben oder geben könnten (lit. a erster Spiegelstrich) oder die den Kurs eines oder mehrerer Finanzinstrumente durch eine Person oder mehrere, in Absprache handelnde Personen in der Weise beeinflussen, dass ein anormales oder künstliches Kursniveau erzielt wird, es sei denn, die Person, welche die Geschäfte abgeschlossen oder die Aufträge erteilt hat, weist nach, dass sie legitime Gründe dafür hatte und dass diese Geschäfte oder Aufträge nicht gegen 1 Sog. Lamfalussy-Bericht vom 15.2.2001, im Internet zugänglich unter http://ec.europa.eu/in ternal_market/securities/docs/lamfalussy/wisemen/final-report-wise-men_de.pdf. S. hierzu Moloney, Common Market Law Review 40 (2003), 809 ff. 2 S. Ratsbeschluss 1999/468/EG vom 28.6.1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse, ABl. EG Nr. L 184 v. 17.7.1999, S. 23. 3 2001/527/EG und 2001/528/EG, ABl. EG Nr. L 191 v. 13.7.2001, S. 43 und 45. 4 S. Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapierund Marktaufsichtsbehörde), ABl. EU Nr. L 331 v. 15.12.2010, S. 84. 5 ABl. EG Nr. L 96 v. 12.4.2003, S. 16 – Marktmissbrauchsrichtlinie. S. hierzu Dier/Fürhoff, AG 2002, 604 ff.; v. Ilberg/Neises, WM 2002, 635 ff.; Leppert/Stürwald, ZBB 2002, 90 ff. 6 S. zum Ganzen die eingehende Darstellung bei Waschkeit, S. 141 ff.
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die zulässige Marktpraxis auf dem betreffenden geregelten Markt verstoßen (lit. a zweiter Spiegelstrich). Diese „Basisdefinition“ der Marktmanipulation wird durch Beispiele erläutert. Sie betreffen das missbräuchliche Ausnutzen einer marktbeherrschenden Stellung (nach lit. c erster Spiegelstrich), das sog. marking the close, die börsenschlussnahen Geschäfte zur Beeinflussung der Schlussnotierung (nach lit. c zweiter Spiegelstrich), und das sog. scalping, die öffentliche Stellungnahme zu Finanzinstrumenten bei zuvor eingegangenen Eigengeschäften im eigenen Interesse, die verschwiegen werden (nach lit. c dritter Spiegelstrich). Im Übrigen sehen Art. 1 letzter Satz, 17 Abs. 2 Marktmissbrauchsrichtlinie vor, dass die Kommission im Komitologieverfahren (s. oben Rz. 11) Durchführungsmaßnahmen für die Definition der Marktmanipulationen erlässt. Sie wird dabei durch das ESC (s. oben Rz. 7) unterstützt (Art. 17 Abs. 1 Marktmissbrauchsrichtlinie) und greift auf Vorarbeiten des CESR (s. oben Rz. 11) zurück; näher unten Rz. 15. 13
Eingeschränkt wird die weite Definition der Marktmanipulation durch „safe harbors“ von Verhaltensweisen, die auf keinen Fall verbotene Marktmanipulationen darstellen. Hierzu zählt Art. 8 Missbrauchsrichtlinie den Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen und die Kursstabilisierungsmaßnahmen für ein Finanzinstrument, wenn derartige Transaktionen im Einklang mit den Vorgaben von Durchführungsmaßnahmen erfolgen, die von der Kommission im Komitologieverfahren (oben Rz. 11) mit Unterstützung durch ESC und CESR erlassen werden; näher unten Rz. 15.
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Bemerkenswert ist, dass die Marktmissbrauchsrichtlinie – unbeschadet des Rechts der Mitgliedstaaten, strafrechtliche Sanktionen anzudrohen und zu verhängen – keine Kriminalisierungspflicht statuiert. Vielmehr muss Marktmanipulation zwar jedermann untersagt (Art. 5 Marktmissbrauchsrichtlinie), jedoch muss nur sichergestellt werden, dass gegen die für Verstöße verantwortlichen Personen „Verwaltungsmaßnahmen“ ergriffen oder „im Verwaltungsverfahren zu erlassende Sanktionen“ verhängt werden können (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Marktmissbrauchsrichtlinie). Allerdings müssen diese Maßnahmen insgesamt „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Marktmissbrauchsrichtlinie), und sie müssen öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies nicht die Finanzmärkte erheblich gefährdet oder zu unverhältnismäßigem Schaden bei den Beteiligten führt (Art. 14 Abs. 4 Marktmissbrauchsrichtlinie). In diesem Zusammenhang legt die Marktmissbrauchsrichtlinie besonderen Wert darauf, dass die Mitgliedstaaten eine einzige Behörde schaffen und benennen, die für die Überwachung der Anwendung der Marktmissbrauchsvorschriften zuständig ist (Art. 11 Marktmissbrauchsrichtlinie). Die Behörde ist mit allen Aufsichts- und Ermittlungsbefugnissen auszustatten, die zur Ausübung ihrer Tätigkeit erforderlich sind, insbesondere mit Informationsrechten (Art. 12 Marktmissbrauchsrichtlinie).
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Ergänzend zu der Marktmissbrauchsrichtlinie sind die bereits erwähnten Durchführungsmaßnahmen der Kommission zu beachten, die von ihr am 9.7.2003 vorgeschlagen und am 22.12.2003 beschlossen worden sind. Die Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG der Kommission (ABl. EU Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 701) betrifft u.a. die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation und umschreibt „Signale“, d.h. nicht schlechterdings zwingende Indizien für das Vorliegen einer Marktmanipulation, sei es durch falsche und irreführende Signale und Kurssicherungsmaßnahmen (Art. 4) oder durch Vorspiegelung falscher Tatsachen und sonstige Kunstgriffe oder 1 Vorschlagsfassung in Dokument ESC 22/2003, im Internet abrufbar über http://ec.euro pa.eu.internal_market/securities/abuse/index_de.htm.
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Formen der Täuschung (Art. 5). Die weitere Durchführungsrichtlinie 2003/125/EG der Kommission (ABl. EU Nr. L 339 v. 24.12.2003, S. 731) enthält Regelungen zur sachgerechten Darbietung von Anlageempfehlungen und zur Offenlegung von Interessenkonflikten und verlangt insbesondere, dass Wertpapierdienstleister „alle Beziehungen um Umstände offen legen, bei denen damit gerechnet werden kann, dass sie die Objektivität der Empfehlung beeinträchtigen“ (Art. 5 Abs. 1). Die in Art. 8 Marktmissbrauchsrichtlinie vorgesehenen „safe harbours“ werden in der Durchführungs-Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 der Kommission (ABl. EU Nr. L 336 v. 23.12.2003, S. 332) über Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen näher geregelt. Schließlich ist am 29.4.2004 die Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG der Kommission (ABl. EU Nr. L 162 v. 30.4.2004, S. 703) beschlossen worden, die in Art. 2 bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Marktpraktiken zu berücksichtigende „Faktoren“ angibt. Die Marktmissbrauchsrichtlinie war bis zum 12.10.2004 umzusetzen (Art. 18 Satz 1 Marktmissbrauchsrichtlinie). Zwar hatte der Gesetzgeber das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz insbesondere im Bereich Marktmanipulation bereits mit Blick auf die (damals in Entwürfen vorliegende) Marktmissbrauchsrichtlinie formuliert4; jedoch verblieb (auch im Hinblick auf die Durchführungsmaßnahmen) ein nicht unerheblicher Umsetzungsbedarf, dem gerecht zu werden ein wichtiges Anliegen des AnSVG war (RegE AnSVG, S. 26 f.). Zu den hier auftretenden Fragen der zeitlichen Geltung s. oben Rz. 10.
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In der Sache ist der deutsche Gesetzgeber über die europäischen Vorgaben hinausgegangen („überschießende Richtlinienumsetzung“)5, insbesondere indem
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– auch Finanzinstrumente erfasst werden, die in den regulierten Markt bzw. den Freiverkehr nur einbezogen sind (s. einerseits Art. 1 Nr. 3 neunter Spiegelstrich Marktmissbrauchsrichtlinie und andererseits § 20a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG), – auch die Manipulation der Märkte für Waren und ausländische Zahlungsmittel erfasst wird (s. einerseits Art. 1 Nr. 3 achter Spiegelstrich Marktmissbrauchsrichtlinie und andererseits § 20a Abs. 4 WpHG), – das Marktmanipulationsverbot bereits ab öffentlicher Ankündigung des Antrags auf Zulassung bzw. Einbeziehung gilt (s. einerseits Art. 1 Nr. 3 Marktmissbrauchsrichtlinie und andererseits § 20a Abs. 1 Satz 3 WpHG) und – für ein verbotenes Verhalten durchweg ausreicht, dass das Verhalten geeignet ist, ein künstliches Preisniveau herbeizuführen (s. einerseits Art. 1 Nr. 2a) zweiter Spiegelstrich Marktmissbrauchsrichtlinie und andererseits § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG). De iure unterfallen diese originär deutschen Erweiterungen nicht dem Gebot der richtlinienkonformen Auslegung und sind nicht einem Vorabentscheidungsverfah1 Vorschlagsfassung in Dokument ESC 23/2003, im Internet ebenso abrufbar wie Dokument ESC 22/2003. 2 Vorschlagsfassung in Dokument ESC 24/2003, im Internet ebenso abrufbar wie Dokument ESC 22/2003; s. zuvor das bedeutsame Grundlagendokument CESR/02–020b vom April 2002 „Stabilisation and Allotment: A European Supervisory Approach“. 3 Vorschlagsfassung in Dokument ESC 38/2003, im Internet ebenso abrufbar wie Dokument ESC 22/2003. 4 Vgl. RegE 4. FFG S. 89: „entsprechend der geplanten Richtlinie über den Marktmissbrauch“; Moosmayer, wistra 2002, 161; Sorgenfrei, wistra 2002, 321 mit Fn. 10. 5 Treffend Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 39.
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ren gemäß Art. 267 AEUV (hierzu sogleich Rz. 18) zugänglich; in praxi empfiehlt es sich dringend, die Einheit der Regelungsmaterie soweit wie möglich zu wahren1. 18
Auch nach der Umsetzung bleibt zu beachten, dass die Marktmissbrauchsrichtlinie und die hierzu ergangenen europäischen Durchführungsinstrumente bei der Anwendung des nunmehr an sich deutschen (nationalen) Marktmanipulationsrechts im Wege der richtlinienkonformen Auslegung zu berücksichtigen ist (s. Einl. Rz. 74 ff.). Bei Zweifelsfragen ist an ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV zu denken; funktionell letztinstanzliche Gerichte müssen, andere Gerichte können solche Fragen dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegen.
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Für die künftige Reform des Marktmanipulationsrechts ist in institutioneller Hinsicht das 2010 errichtete Europäische Finanzaufsichtssystem (EFSF) von Bedeutung (hierzu Einl. Rz. 79 ff.). Es ist zu erwarten, dass auch im Bereich der Marktmanipulation mehr und mehr Aufgaben und Befugnisse an die europäischen Institutionen, namentlich die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority, ESMA), übertragen werden, insbesondere im Bereich des Verwaltungssanktionen- und Bußgeldrechts. Vorbild hierfür könnte die Verordnung (EU) Nr. 513/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.5.2011 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen (ABl. EU Nr. L 145 v. 31.5.2011, S. 30) sein. Der durch diese Verordnung in die Ratingagenturen-VO (EG) Nr. 1060/2009 neu eingefügte Art. 36a bedroht die Verwirklichung der in Anhang III aufgeführten Bußgeldtatbestände – es handelt sich um eine flächendeckende Liste von Verstößen gegen das Ratingagenturenrecht – mit Geldbuße, und Art. 36a Abs. 3 i.V.m. Anhang IV enthält eine Art „sentencing guidelines“ in Gestalt von „Anpassungskoeffizienten“ aufgrund bestimmter erschwerender oder mildernder Umstände. Für die Ahndung der Verstöße ist die ESMA zuständig, die durch einen unabhängigen „Untersuchungsbeauftragten“ handelt (Art. 23e). Verhängte Geldbußen sind „administrativer Art“ und werden nach den Vorschriften des jeweiligen Zivilprozessrechts des jeweiligen Vollstreckungsstaats vollstreckt (Art. 36d). Auch wenn Erwägungsgrund (22) betont, die Verordnung sollte „keinen Präzedenzfall für die Verhängung (… von) Sanktionen durch die Europäischen Aufsichtsbehörden gegen Finanzmarktteilnehmer“ schaffen, tut sie eben das.
19a In materiell-rechtlicher Hinsicht ist zu beachten, dass die Europäisierung des Marktmanipulationsrechts zu einer starken Beschränkung der Zuständigkeit des deutschen Gesetzgebers geführt hat, der im Wesentlichen nur mehr für die Sanktionsausgestaltung (einschließlich möglicher zivilrechtlicher Ansprüche) zuständig bleibt2. In der Tat ist mittlerweile die Ersetzung des § 20a WpHG durch Unionsverordnungsrecht absehbar: Der 2008 von der Europäischen Kommission eingeleitete Prozess der Überprüfung der Rechtsvorschriften gegen Marktmissbrauch hat 2010 zu der Mitteilung „Stärkung der Sanktionsregelungen im Finanzdienstleistungssektor“ (KOM [2010] 816 endgültig v. 8.12.2010) und 2011 zu zwei Gesetzgebungsvorschlägen der Kommission geführt3: Der Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) (KOM[2011] 651 endgültig v. 20.10.2011) soll die Marktmissbrauchsrichtlinie ablösen und gestützt auf Art. 114 AEUV in unmittelbar geltendes Unions1 Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 48. 2 Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 68 ff. 3 Zugänglich über http://ec.europa.eu/internal_market/securities/abuse/index_de.htm (abgerufen am 20.10.2011).
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verordnungsrecht überführen. In der Sache soll das Marktmanipulationsverbot auf alle multilateralen oder organisierten Handelssysteme und alle Derivate- oder WarenSpot-Kontrakte, die Auswirkungen auf Finanzinstrumente haben können, erstreckt werden (Art. 2 Vorschlag). Auch im Übrigen soll das Marktmanipulationsverbot (Art. 8 Vorschlag) erweitert und konkretisiert werden, namentlich durch das Verbot bereits der versuchten Marktmanipulation (Art. 8 Abs. 2, Art. 10 Vorschlag) und bestimmter Formen des algorithmischen und Hochfrequenz-Handels mit Finanzinstrumenten (Art. 8 Abs. 3 [c] Vorschlag). Es soll eingehende Mindestvorschriften über „verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen“ einschließlich Geldbußen gegen natürliche Personen bis zu 5 Mio. Euro und gegen juristische Personen bis zu 10 % des Jahresumsatzes erlassen werden (Art. 24 ff. Vorschlag). – Der weitere, auf Art. 83 Abs. 2 AEUV gestützte Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über strafrechtliche Sanktionen für Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (KOM[2011] 654 endgültig v. 20.10.2011) sieht – anders als die Marktmissbrauchsrichtlinie (oben Rz. 14) – Inkriminierungspflichten der Mitgliedstaaten vor. Insbesondere müssen vorsätzliche Marktmanipulationen unabhängig davon, ob sie auf Börsen- oder Marktpreise eingewirkt haben, unter Strafe gestellt werden (Art. 4 Vorschlag), und zwar im Grundsatz auch, wenn es beim Versuch bleibt (Art. 5 Abs. 2 Vorschlag). 3. Rechtsvergleichende Hinweise a) Deutscher Rechtskreis Die Schweiz hat die Marktmanipulation mit dem Bundesgesetz über die Börsen und 20 den Effektenhandel (BEHG) vom 24.3.1995 (Amtliche Sammlung des Bundesrechts 1997 Nr. 68) unter Strafe gestellt (Art. 161bis StGB, eingeführt durch Art. 46 BEHG, in Kraft seit 1.2.1997)1. Strafbar sind die „informationsgestützte“ Marktmanipulation durch Verbreiten irreführender Informationen wider besseres Wissen und die „handelsgestützte“ durch Käufe und Verkäufe, die beidseitig auf Rechnung derselben Person (sog. wash sales) oder zu diesem Zweck verbundener Personen (sog. matched orders, pools) erfolgen. Subjektiv sind die Absicht, den Kurs erheblich zu beeinflussen, und Bereicherungsabsicht erforderlich2. Daneben kann nach der Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts3 auch im anonymen Wertpapierhandel der allgemeine Betrugstatbestand erfüllt sein. – In Österreich ist die Marktmanipulation im Bundesgesetz vom 8.11.1989 über die Wertpapier- und allgemeinen Warenbörsen (Börsegesetz 1989 – BörseG, BGBl. Nr. 555/1989) geregelt4. Seit der Börsenrechtsnovelle 2004 (BGBl. I Nr. 127/2004) findet sich die den europäischen Vorgaben angepasste Definition der Marktpreismanipulation in § 48a Abs. 1 Nr. 2 (allgemeine Definition), Abs. 2 (Beispiele) und Abs. 3 (zulässige Marktpraxis) BörseG. § 48c BörseG bedroht das Betreiben von Marktmanipulation als Verwaltungsübertretung mit Geldstrafe bis zu 75 000 Euro und ermöglicht die Anordnung des Verfalls erzielter Vermögensvorteile; Kriminalstrafe ist aber nicht vorgesehen. Näher Kalss/Oppitz/ Zollner, in: Kalss/Oppitz/Zollner (Hrsg.), Kapitalmarktrecht, Bd. I – System, 2005, § 21 Rz. 1 ff. 1 S. hierzu auch Fleischer, in: Fuchs, Vor § 20a WpHG Rz. 23 ff.; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 56 f. 2 Näher Iffland, passim; Peter, SZW 1997, 124 ff.; Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch, 2. Aufl. 1997, Art. 161bis m.w.N.; Watter, SZW 1990, 193 ff. 3 Grundlegend BGHE 122 II 422. 4 S. hierzu auch Fleischer, in: Fuchs, Vor § 20a WpHG Rz. 27 f.; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm WpHG, § 20a Rz. 54 f.
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b) Romanischer Rechtskreis 21
Frankreich regelt die Marktmanipulation im Code Monétaire et Financier (Ordonnance Nr. 2000–1223 v. 14.12.2000, J.O. v. 16.12.2000 – CMF) und hat die Vorgaben der Marktmissbrauchsrichtlinie mit den Gesetzen Nr. 2005-811 und -842 (J.O. v. 21. und 27.7.2005) sowie mit Art. 631-1 ff. des Règlement général de l’Autorité des marchés financiers umgesetzt1. In Buch IV („Les marchés“), Titel VI („Dispositions pénales“) des CMF wird die Marktmanipulation systematisch als Vergehen gegen den Anlegerschutz („infraction relative à la protection des investisseurs“) und Angriff auf die Transparenz der Märkte („atteinte à la transparence des marchés“) eingeordnet. Im Einzelnen sind unter Strafe gestellt jede Machenschaft („manoeuvre“) mit dem Ziel, einen anderen irrezuführen und so das ordnungsgemäße Funktionieren eines Marktes für Finanzinstrumente zu beeinträchtigen (Art. L.465-2 I CMF) und die wissentliche öffentliche Verbreitung falscher oder irreführender Informationen über einen Emittenten, die geeignet sind, den Kurs zu beeinflussen (Art. L. 465-2 II CMF)2. Das verwaltungs- und aufsichtsrechtliche Verbot der Marktmanipulation ist in Buch VI („Abus de marché“), Titel III („Manipulations de marché“), Kapitel I („Manipulations de cours“), Art. 631-1 ff. Réglement général de l’ Autorité de marchés financiers entsprechend den europäischen Vorgaben geregelt. – Seit jeher mit einem strafrechtlichem Schwerpunkt geregelt ist die Marktmanipulation („aggiotaggio“) in Italien, und zwar in Gestalt einer allgemeinen Regelung – Störung des Marktes für Werte oder Waren – in Art. 501 Codice penale und einer besonderen auf Gesellschaften und auch Gesellschaftsanteile bezogenen Regelung („aggiotaggio societario“) in Art. 2628 Codice civile. Im eigentlichen Wertpapierhandelsrecht, das im Decreto legislativo vom 24.2.1998 Nr. 58 „Testo unico delle disposizioni in materia di intermediazione finanziaria“ niedergelegt ist (G.U. v. 26.3.1998 Nr. 71 –, sog. decreto Draghi), ist die Marktmanipulation durch das Gesetz vom 18.4.2005 Nr. 62 „Legge comuniatria 2004“ entsprechend den europäischen Vorgaben neu geregelt worden. Art. 185 des Decreto legislativo vom 24.2.1998 Nr. 58 bedroht es mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Jahren, falsche Nachrichten zu verbreiten oder Scheingeschäfte vorzunehmen oder andere Kunstgriffe („altri artifici“) anzuwenden, die konkret geeignet sind, eine spürbare Preisänderung hervorzurufen3. – In Spanien findet sich das Marktmanipulationsverbot in Art. 83ter Ley Nr. 24/1988 v. 28.7.1988 del Mercado de Valores (dieser Artikel eingefügt durch Ley Nr. 44/2002 vom 22.11.2002 de Medidas de Reforma del Sistema Finanziero, B.O.E. Nr. 281 v. 23.11.2002). Nach Art. 99 lit. i dieses Gesetzes ist es eine „sehr schwere Zuwiderhandlung“ („infracción muy grave“), gegen Art. 83ter zu verstoßen und hierdurch eine bedeutsame Kursänderung herbeizuführen; sie kann mit gravierenden Verwaltungssanktionen, z.B. mit Geldbuße bis zu 5 % des Eigenkapitals oder der bei der Marktmanipulation eingesetzten Finanzmittel (einschließlich Fremdmittel), geahndet werden (Art. 102 Ley Nr. 23/1988). Einen speziellen Straftatbestand der Marktmanipulation kennt das geltende spanische Recht nicht; wohl aber kann Art. 284 Código penal anwendbar sein, der – nicht beschränkt auf Kapitalmärkte – den Versuch unter Strafe stellt, Wettbewerbspreise durch Verbreiten falscher Nachrichten, Anwenden von Gewalt, Drohung oder Täuschung oder Gebrauchen privilegierter Information zu verändern4.
1 S. hierzu auch Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm WpHG, § 20a Rz. 52 f. 2 Näher Pelletier/Perfetti, Code pénal, 2011, S. 880 ff. „Bourse“ m.w.N. 3 Näher Seminara, in: Pedrazzi u.a. (Hrsg.), Manuale di diritto penale dell’empresa, 2. Aufl. 1998, S. 635 ff. m.N.; zu verfahrensrechtlichen Besonderheiten Sangiovanni, wistra 2002, 171 ff. 4 Näher Bajo/S. Bacigalupo, Derecho Penal Económico, 2001, S. 558 ff. m.w.N.
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Vorbemerkung
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c) common law-Rechtskreis Im Vereinigten Königreich konnte Marktmanipulation immer schon nach common 22 law als Betrügerei („fraud“) erfasst werden (grundlegend R. v. de Berenger, 105 Eng. Rep. 636, King’s Bench 1814)1. Das unübersichtlich gewordene statute law (s. insbesondere den Financial Services Act 1986 und den Banking Act 1987) wurde durch den Financial Services and Markets Act 2000 (2000 chapter 8 – FSMA 2000) konsolidiert. Der FSMA 2000 führte einerseits in Teil 8 das übergreifende, auch von der Europäischen Union aufgegriffene (s. oben Rz. 11) Konzept des Marktmissbrauchs („market abuse“) ein und bestimmte andererseits in Teil 17 die Voraussetzungen, unter denen Marktmanipulationen als „sonstige Straftaten“ („miscellaneous offences“) verfolgt werden können. Mit der Financial Services and Markets Act 2000 (Market Abuse) Regulation 2005 (Statutory Instrument 2005 No. 381) ist die Regelung den europäischen Vorgaben angepasst worden2. Die nunmehrige sec. 118 V-VIII FSMA 2000 definiert die verschiedenen Erscheinungsformen der Marktmanipulation (durch effektive und fiktive Geschäfte, Verbreiten irreführender Informationen und sonstiges irreführendes Verhalten). Gemäß sec. 123 FSMA 2000 kann die Financial Services Authority (FSA) Marktmanipulation als Marktmissbrauch mit Sanktionen („penalties“) ahnden. Die FSA ist weiterhin ermächtigt und verpflichtet, einen detaillierten „code“ der verbotenen und erlaubten Verhaltensweisen (Sec. 119 ff. FSMA 2000) und ein „statement of policy“ betreffend die Sanktionen („penalties“) (Sec. 124 f. FSMA 2000) zu erlassen. Umgesetzt worden ist das mit dem „Code of Market Conduct“ (MAR 1) als Teil des „Handbook“ der FSA, insbesondere mit dessen Teilen MAR 1.6. bis 1.9., die sich detailliert mit Marktmanipulationspraktiken befassen3. Zudem findet sich bei den Strafvorschriften eine „informationsgestützte“ Alternative (sec. 397 I, II FSMA 2000: „who makes a statement, promise or forecast which he knows to be misleading, false or deceptive in a material particular“) und eine „handelsgestützte“ (sec. 397 III: „who does any act or engages in any course of conduct which creates a false or misleading impression as to the market in of the price or value of any relevante investments“). Großen Einfluss auf die rechtspolitische Diskussion in Deutschland und Europa über 23 die Marktmanipulation hat schließlich die Rechtslage in den Vereinigten Staaten von Amerika4. Auf bundesstaatlicher Ebene5 ist das wertpapierhandelsrechtliche6 Marktmanipulationsverbot insbesondere in sec. 17 Securities Act of 1933 (15 United States Code – U.S.C. – § 77q) und vor allem in sec. 9 Securities Exchange Act of 1934 (15 U.S.C. § 78i) kodifiziert. Weiterhin enthält sec. 10(b) Securities Exchange Act of 1 Näher zur „Vorreiterrolle“ des englischen Rechts bei der Kursmanipulation Fleischer, Gutachten F 118 f. m.N.; Fleischer, in: Fuchs, Vor § 20a WpHG Rz. 18 f. 2 S. hierzu auch Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 58 ff. 3 Aktuelle Fassung unter http://fsahandbook.info/FSA/html/handbook/MAR/1 (Stand 15.10.2008). 4 Eingehend hierzu Lenzen, S. 61 ff.; Waschkeit, S. 93 ff.; je m.umf.N.; s. weiterhin Fleischer, in: Fuchs, Vor § 20a WpHG Rz. 20 ff.; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 61 ff. 5 Zu den Einzelstaaten s. Lenzen, S. 75 ff. 6 Im amerikanischen Recht zeichnet sich die Tendenz ab, das Marktmanipulationsverbot auf alle relevanten Märkte zu erstrecken, s. sogleich Rz. 23a zu den Warenterminmärkten und zu den Energiemärkten 18 Code of Federal Regulations (C. F. R.) Part 1c – Prohibition of Energie Market Manipulation. Vgl. auch Art. 4 Draft Regulation of the European Parliament and of the Council on energy market integrity and transparency der Europäischen Union, derzeitiger Verhandlungsstand in Ratsdok. 12057/11 vom 27.6.2011, mit dem Verbot von Insiderhandel und Marktmanipulation auf Energiemärkten.
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1934 (15 U.S.C. § 78j[b]) eine „catch all“-Vorschrift, in der die Zuwiderhandlung gegen diejenigen Manipulationsverbote untersagt wird, welche von der Securities and Exchange Commission (SEC) im öffentlichen Interesse oder zum Anlegerschutz („in the public interest or for the protection of investors“) erlassen werden. Auf dieser Grundlage erließ die SEC bereits 1948 die weitreichende Regel 10b-5, die bis heute im Mittelpunkt des amerikanischen Marktmanipulationsrechts steht1. Die für die Praxis zentrale Stellung der SEC schlägt sich nicht nur in ihren weitreichenden Kompetenzen, durch Verordnungen und eben Regeln („regulations“, „rules“) spezifizierte Ver- und Gebote und Ausnahmen festzulegen, sondern auch in ihren weitreichenden administrativen Sanktionskompetenzen nach sec. 21B Securities Exchange Act of 1934 (15 U.S.C. § 78u-2) nieder. 23a Durch den 2010 in der Folge der Weltfinanzkrise erlassenen Dodd-Frank Act2 ist auch das bundesrechtliche Marktmanipulationsverbot erweitert worden, insbesondere betreffend commodity futures (Warentermingeschäfte) und security-based swaps3. Zu den commodity futures hat die Commodity Futures Trading Commission (CFTC) am 14.7.2011 eine neue Regel 180 – Verbot der Manipulation – veröffentlicht4, die Regel 10b-5 der SEC fortbildet. Zu den security-based swaps hat die SEC am 3.11.2011 eine entsprechende neue Regel 9j-1 – Verbot des Betrugs, der Manipulation und der Täuschung im Zusammenhang mit security-based swaps – vorgeschlagen5, die freilich bislang noch nicht verabschiedet ist. d) Querschnitt 24
Die rechtsvergleichende Übersicht6 ergibt drei mögliche Regelungsmodelle zur Marktmanipulation: Das „rein strafrechtliche“ Regelungsmodell (Schweiz, früher Deutschland, auch Frankreich, Italien) begnügt sich mit einer Strafvorschrift oder mehreren Strafvorschriften, die entweder im Strafgesetzbuch oder in den einschlägigen kapitalmarktrechtlichen Gesetzen eingestellt sind. – Das „rein verwaltungssanktionenrechtliche“ Regelungsmodell (Österreich) verzichtet demgegenüber auf eine Kriminalisierung und begnügt sich mit einem mit Verwaltungssanktionen (Ordnungsstrafen) bewehrten Verbot. – Der Trend geht eindeutig hin zu „Kombinationsmodellen“ (nunmehr Deutschland, Spanien, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staa1 17 Code of Federal Regulations (C.F.R.) 240, 10b-5 – Employment of manipulative and deceptive devices. Der Text lautet: „It shall be unlawful for any person, directly or indirectly, by the use of any means or instrumentality of interstate commerce, or of the mails or of any facility of any national securities exchange, (a) To employ any device, scheme, or artifice to defraud, (b) To make any untrue statement of a material fact or to omit to state a material fact necessary in order to make the statements made, in the light of the circumstances under which they were made, not misleading, or (c) To engage in any act, practice, or course of business which operates or would operate as a fraud or deceit upon any person, in connection with the purchase or sale of any security.“ 2 Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act, Public Law No. 111–203. 3 S. zum gesetzlichen Marktmanipulationsverbot nach sec. 9 Securities Exchange Act of 1933 sec. 762 (d) (2), 763 (f) und (g), 929l (1) und 929x (b) Dodd-Frank Act. 4 Federal Register Vol. 76, No. 135, p. 41398. 5 Abrufbar unter http://www.sec.gov/rules/proposed/2010/34-63236.pdf (12.10.2011). 6 Vertiefend Altendorfer, in: Aicher/Kalss/Oppitz (Hrsg.), S. 207 (236 ff.); Fleischer, Gutachten F 118 f. mit Ankündigung einer Monographie über Kapitalanlegerschutz im deutschen, europäischen und US-amerikanischen Recht.
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ten von Amerika), die sich sowohl der „Spur“ des Strafrechts als auch derjenigen des Verwaltungssanktionenrechts (Ordnungswidrigkeitenrechts) bedienen. Während die strafrechtliche „Spur“ durch (Parlaments-)Gesetz ausgestaltet wird, setzt sich bei der verwaltungssanktionenrechtlichen Spur eine gestufte Regelungstechnik durch: Durch Gesetz wird nur mehr ein Allgemeinbegriff der Marktmanipulation oder seit neuerem des Marktmissbrauchs vorgegeben; ihn durch Verordnungsrecht, Regeln oder Richtlinien zu konkretisieren wird durch Gesetz an die zentralen Aufsichtsund Überwachungsbehörden delegiert, die zugleich für die Ahndung von nicht kriminellen Verstößen mittels Verwaltungssanktionen zuständig sind.
II. Methoden- und Verfassungsrechtsfragen 1. Methodenfragen Das Recht der Marktmanipulation steht in besonderer Weise in einem methodischen 25 Spannungsfeld zwischen Kapitalmarktrecht und -praxis auf der einen Seite und Strafrecht auf der anderen Seite. Die kapitalmarkrechtliche Herangehensweise kann als betont funktional gekennzeichnet werden: Marktmanipulation wird als Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte begriffen; Ausgangspunkt von Rechtsetzung und Rechtsanwendung ist eine sorgfältige Analyse der „guten“ (funktionalen) und „schlechten“ (dysfunktionalen) Kapitalmarktpraxis; die Rechtsetzung erfolgt unter enger Einbindung der wesentlichen Akteure auf dem Kapitalmarkt in möglichst flexibler Weise (auf europäischer Ebene im Komitologie- bzw. LamfalussyVerfahren, bei dem insbesondere Aufsichtsbehörden mitwirken); die Rechtsanwendung zielt auf funktionsgerechte, flexible Ergebnisse. Demgegenüber kann die strafrechtliche Herangehensweise als betont rechtsprinzipiell und -dogmatisch gekennzeichnet werden: Marktmanipulation wird vom Gesetzeswortlaut ausgehend (und durch ihn begrenzt) als tatbestandsmäßiges Verhalten begriffen; die Rechtsetzung muss sich am Gesetzlichkeits-, Bestimmtheits- und Demokratieprinzip messen lassen; die Rechtsanwendung erfolgt innerhalb des anerkannten strafrechtsdogmatischen Systems (Tatbestand, Rechtswidrigkeit, Schuld). Das führt zu bemerkenswerten stilistischen, aber auch materiellen Differenzen zwischen Sachbeiträgen kapitalmarkt- und strafrechtlicher Provenienz, mögen sie auch ein und dasselbe Problemfeld – beispielsweise die Abgrenzung zwischen zulässiger Kurspflege und -stabilisierung und unzulässiger Marktmanipulation1 – betreffen. Der Umstand, dass die Strafrechtsprechung das Recht der Marktmanipulation wesentlich mitprägt, wird von Seiten des Kapitalmarktrechts nicht durchweg begrüßt, gelegentlich sogar als „Strafrechtsimperialismus“ gescholten, ist freilich so lange unvermeidlich, wie der Gesetzgeber auf eine betont strafrechtliche Regelung setzt. Insgesamt erscheint es wünschenswert, die Herangehensweisen einander anzunähern. Dafür bieten sich aus strafrechtlicher Sicht das von Hause aus durchaus funktionale Rechtsgüterkonzept und die teleologische Auslegung als Instrumente an, um sich der funktionalen Herangehensweise des Kapitalmarktrechts anzunähern, wenngleich zuzugeben ist, dass im Strafrecht „Funktionalismus“ durchaus ein Schlagwort der Kritik ist. 2. Verfassungsrechtsfragen Die Methodendifferenzen haben mittlerweile die Ebene des Verfassungsrechts erreicht. Das gesetzliche Verbot der Marktmanipulation in § 20a WpHG, der im Zu1 S. einerseits Meyer, AG 2004, 289 ff. – ein Beitrag kapitalmarktrechtlicher Provenienz, andererseits Vogel, WM 2003, 2437 ff. – ein Beitrag strafrechtlicher Provenienz.
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sammenhang mit den Straf- und Bußgeldvorschriften der §§ 38 Abs. 2, 39 Abs. 1 Nr. 1, 2, Abs. 2 Nr. 11 WpHG gesehen werden muss (s. § 20a Rz. 5 f.), ist durch unbestimmte1. Rechtsbegriffe und blankettartige Verweisungen gekennzeichnet: Unrichtige Angaben müssen für die „Bewertung“ des Finanzinstruments „erheblich“ sein; erfasst werden auch Angaben, die „geeignet“ sind, auf den Börsen- oder Marktpreis „einzuwirken“; das Verschweigen „entgegen bestehenden Rechtsvorschriften“ ist verboten und kann straf- bzw. ahndbar sein; verboten sind auch Geschäfte, die „geeignet“ sind, „irreführende Signale“ zu geben, und „sonstige Täuschungshandlungen“. In der Literatur sind deswegen Bedenken erhoben worden, ob die Vorschrift, jedenfalls soweit sie zur Begründung einer Straf- bzw. Ahndbarkeit diene, dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz nach Art. 103 Abs. 2 GG genüge2. Zudem sind Bedenken mit Blick auf den europarechtlichen Hintergrund und insbesondere den Umstand geäußert worden, dass die Kommission ermächtigt ist, im Komitologieverfahren für die Mitgliedstaaten verbindliche Konkretisierungen der Verbots der Marktmanipulation vorzunehmen; ein derartiges „quasi verwaltungsrechtliches Verfahren“ höhle das Demokratieprinzip und die Gewaltenteilung, die auf Gemeinschaftsebene ohnehin wenig ausgeprägt sei, noch weiter aus3. 27
Im Einzelnen sind als verfassungswidrig insbesondere angegriffen worden4 – der Auffangtatbestand der „sonstigen Täuschungshandlungen“ nach § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG5; – die Ermächtigung der Bundesanstalt, Marktpraktiken anzuerkennen6; – die Erstreckung des Verbots der Marktmanipulation auf Finanzinstrumente, die in den regulierten Markt bzw. Freiverkehr lediglich einbezogen sind, soweit die jeweilige Börsenordnung kein Widerspruchsrecht des Emittenten hiergegen vorsieht7.
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Der Gesetzgeber hat dem Bedenken, dass § 20a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WpHG der Konkretisierung bedarf, dadurch Rechnung getragen, dass in § 20a Abs. 5 WpHG eine Konkretisierungsmöglichkeit vorgesehen wird: Das Bundesministerium der Finanzen bzw. die Bundesanstalt ist ermächtigt, durch Rechtsverordnung die bewertungserheblichen Umstände, die falschen oder irreführenden Signale, die sonstigen Täuschungshandlungen, die in keinem Falle verbotenen Verhaltensweisen („safe harbors“) und die zulässige Marktpraxis näher zu bestimmen (eingehend unten § 20a Rz. 13 ff.). Freilich sind auch hiergegen im Gesetzgebungsverfahren8 und in der Literatur9 verfassungsrechtliche Bedenken erhoben worden, da die Verordnungsermächtigung den Anforderungen aus Art. 80 Abs. 1, 104 Abs. 1 Satz 1 GG nicht genüge, wo1 „Konturenlose“, Sorgenfrei, wistra 2002, 321 (325). 2 Moosmayer, wistra 2002, 161 (167 ff.); Schmitz, ZStW 115 (2003), 501 (528); Sorgenfrei, wistra 2002, 321 (325); Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, Nr. 11, IV WpHG Rz. 19 f.; Streinz/Ohler, WM 2004, 1309 (1314 ff.); Tripmaker, wistra 2002, 288 (292). 3 Schmitz, ZStW 115 (2003), 501 (517). 4 S. auch die Zusammenstellung (und fundierte Zurückweisung der Angriffe) bei Mock/Stoll/ Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 82 ff.; vgl. weiterhin Schwark, in: Schwark/ Zimmer, § 20a WpHG Rz. 5 f. 5 Streinz/Ohler, WM 2004, 1309 (1315). 6 Bisson/Kunz, BKR 2005, 186 (188); Kutzner, WM 2005, 1401 (1406). 7 Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 12 WpHG Rz. 9 für die entsprechende Rechtslage beim Insiderhandelsverbot. 8 Informativ Lenzen, ZBB 2002, 279 (284 mit Fn. 35). 9 S. Altenhain, BB 2002, 1874 (1846); Kutzner, WM 2005, 1401 (1406); Park, BB 2003, 1513 (1516); Pfüller/Anders, WM 2003, 2445 (2447 f.); Schmitz, ZStW 115 (2003), 501 (517).
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nach dem Verordnungsgeber lediglich „gewisse Spezifizierungen“ der gesetzlichen Strafnorm überlassen werden dürfen1. In der Tat hängen beide verfassungsrechtlichen Aspekte miteinander zusammen: 29 Wenn § 20a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WpHG für sich genommen den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG nicht stand hielte, dann würde sich die Verordnungsermächtigung in § 20a Abs. 5 WpHG nicht auf „gewisse Spezifizierungen“ beschränken, sondern wäre wirkliche Strafgesetzgebung, die jedenfalls bei Androhung von Freiheitsstrafen nicht auf den Verordnungsgeber delegiert werden könnte. Aber § 20a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WpHG ist nicht unbestimmter als zahlreiche andere wirtschaftsstrafrechtliche Tatbestände wie beispielsweise §§ 264, 264a oder 265b StGB, deren Verfassungsmäßigkeit im Ergebnis nicht in Zweifel gezogen wird2. Der Kern der Tathandlung der Marktmanipulation nach § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG, das Machen unrichtiger Angaben, d.h. Lügen, ist in einer für jedermann ein- und voraussehbaren Weise bestimmt und wird durch die wenn auch für sich unbestimmten Kriterien der Erheblichkeit und der Kursbeeinflussungseignung noch weiter eingeengt. Auch die Tatbestandseinschränkung des § 20 Abs. 2 WpHG bei Handeln im Rahmen „zulässiger Marktpraxis“ und aus „legitimen Gründen“ ist schwerlich unbestimmter als das „Verwerflichkeits“korrektiv bei § 240 Abs. 2 StGB, das zumindest von der Praxis und h.L. als bestimmt genug akzeptiert wird. Angesichts der Vielgestaltigkeit und des raschen Wandels der Techniken der Marktmanipulation3 ist es nicht zu beanstanden, dass sich der Gesetzgeber gegen konkret-kasuistische (Regel-)Beispiele und für eine abstrakt-normative Gesetzesfassung entschieden hat, zumal die Normadressaten in aller Regel über einschlägige Sonderkenntnisse verfügen dürften4. Dann aber dient die Verordnungsermächtigung nicht dazu, fehlende gesetzliche Bestimmtheit erst herzustellen5, sondern nur dazu, durch Legaldefinitionen und (Regel-)Beispiele die Rechtssicherheit zu erhöhen. Zwar steht eine verfassungsgerichtliche Klärung noch aus6. Jedoch hat der BGH 30 mittlerweile ausgesprochen, dass selbst das Verbot „sonstiger Täuschungshandlungen“ noch hinreichend bestimmt sei7, und er hat auch die Konkretisierung des Grundtatbestandes des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG durch Verordnung hingenommen, da sie nicht strafbarkeitsbegründend wirke8. Für die Zwecke der Praxis, aber auch in der Sache ist deshalb mit der wohl h.L.9 von der abstrakten Verfassungsmäßigkeit des in § 20a WpHG niedergelegten Regelungssystems auszugehen. Im Übrigen ist zu bedenken, dass sich die Bedenken aus deutschem Verfassungsrecht 1 Vgl. BVerfG v. 23.7.1962 – 2 BvR 15/62, BVerfGE 14, 174 (185 f.) und BVerfG v. 25.7.1962 – 2 BvL 4/62, BVerfGE 14, 245 (251); BVerfG v. 6.5.1987 – 2 BvL 11/85, BVerfGE 75, 329 (342); BVerfG v. 22.6.1988 – 2 BvR 234/87 u.a., NJW 1989, 1663. 2 S. nur Tiedemann, in: Leipziger Kommentar StGB, 11. Aufl. (Stand 1.10.1996), § 264 Rz. 6, § 264a Rz. 4, 7, § 265b StGB Rz. 17, 20. 3 Zutr. hierzu Lenzen, ZBB 2002, 279 (286). 4 Zutr. Eichelberger, ZBB 2004, 296 (298 f.); in dieselbe Richtung Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 30. 5 In diese Richtung wohl Lenzen, ZBB 2002, 279 (286). 6 S. Vogel, WM 2003, 2437 (2440). 7 BGH v. 6.11.2003 – 1 StR 24/03, BGHSt 48, 373 (383 f. – zu § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.d.F. des 4. FFG) = NJW 2004, 302 (304 f.); teils krit. hierzu Vogel, NStZ 2004, 252 (256). 8 BGH v. 16.12.2004 – 1 StR 420/03, NJW 2005, 445 (450 – zur KuMaKV), insoweit in BGHSt 49, 381 nicht abgedruckt. 9 Eichelberger, S. 172 ff.; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 88, 92, 94 ff.; Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 52; Ziouvas/Walther, WM 2002, 1483 (1487).
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uneingeschränkt nur auf die straf- bzw. bußgeldrechtliche Bewehrung des Marktmanipulationsverbots beziehen. Demgegenüber ist das Verbot als solches mitsamt seinen aufsichtsrechtlichen Folgen europarechtlich vorgegeben und unterliegt daher nur nach Maßgabe der „Solange-Rechtsprechung“ des BVerfG1 deutscher verfassungsgerichtlicher Überprüfung unterliegt2 – mögen auch EGMR und EuGH darüber wachen, ob menschen- bzw. unionsverfassungsrechtliche Vorgaben (z.B. aus Art. 7 MRK, Art. 49 Charta der Grundrechte der Europäischen Union) eingehalten sind3. 31
Dass § 20a WpHG somit nach h.A. abstrakt verfassungsgemäß ist, heißt nicht, dass jede Anwendung der Vorschrift verfassungsrechtlich unbedenklich sei. Sorgenfrei (wie Rz. 26 Fn. 2) plädiert für eine „äußerst restriktive Auslegung der Norm“. Daran trifft zu, dass Art. 103 Abs. 2 GG sich nicht nur an den Gesetzgeber, sondern auch an den Rechtsanwender richtet und ihm eine „entgrenzende“ Auslegung untersagt4. Für § 20a Abs. 1 WpHG bedeutet das, dass bei der Auslegung nicht an die Grenze des möglichen Wortsinnes gegangen werden darf, sondern die Anwendung der Vorschrift auf ihr eindeutig unterfallende Verhaltensweisen beschränkt werden muss, wie es auch bei vielen anderen wirtschaftsstrafrechtlichen Tatbeständen anerkannt ist5. Entsprechendes gilt für die Reichweite der Verordnungsermächtigung nach § 20a Abs. 5 WpHG: Sie darf nicht zur Ausdehnung der Verbotsmaterie eingesetzt werden (s. noch § 20a Rz. 20) und sollte nur eindeutige Anwendungsfälle hervorheben (zu denen freilich auch das sog. scalping zählt6).
III. Rechtstatsächlicher und ökonomischer Hintergrund, Rechtspraxis 1. Systematisierung der Marktmanipulationen 32
Die Erfindungsgabe der Marktmanipulatoren ist hoch, und die Manipulationsalternativen sind ausgesprochen vielfältig und wandeln sich im Zuge der raschen Veränderung der Kapitalmärkte beständig7. Gleichwohl ist in der ökonomischen Literatur eine hilfreiche Systematisierung entwickelt worden8: Marktmanipulationen können entweder „informationsgestützt“ („information based“), „handelsgestützt“ („trade based“) oder „handlungsgestützt“ („action based“) vorgenommen werden. Im ersten Fall wird der Kurs oder Marktpreis durch Verbreiten unrichtiger oder irreführender Nachrichten – nicht bloß Tatsachen, sondern auch Prognosen und Gerüchte – beeinflusst. Im zweiten Fall sind Handelsaktivitäten Mittel der Marktmanipulation, wobei zwischen bloß fiktiven Handelsaktivitäten einerseits und effektiven Geschäften 1 BVerfG v. 22.10.1986 – 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339; BVerfG v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155. 2 Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 99. 3 S. hierzu Ferrarini, Common Market Law Review 41 (2004), 711 (739 ff.). 4 BVerfG v. 10.1.1995 – 1 BvR 718 u.a./89, BVerfGE 92, 1 (16 f.). 5 S. nur Tiedemann, in: Leipziger Kommentar StGB, 11. Aufl. (Stand 1.10.1996), § 264 Rz. 116, § 264a Rz. 48. 6 S. noch unten Rz. 34 und § 20a Rz. 235; zu Unrecht a.A. Moosmayer, wistra 2002, 161 (169). 7 S. den historischen Überblick bei Leinweber/Madhavan, passim. 8 Grundlegend Allen/Gale, 503 ff.; zusammenfassend Eichberger, S. 17 ff.; Lenzen, S. 33 f.; je m.w.N.; s. weiterhin Fleischer, in: Fuchs, Vor § 20a WpHG Rz. 4; Varnholt, Finanzmarkt und Portfolio Management 7 (1993), 459 ff. – Zu anderweitigen Systematisierungsversuchen (z.B. nach den Akteuren oder nach der Richtung der Preisbeeinflussung) Eichelberger, S. 16 f. und hier unten Rz. 38a.
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andererseits zu unterscheiden ist. Im dritten Fall wirkt der Marktmanipulator auf Umstände ein, die den inneren Wert des Finanzinstruments – bei Aktien beispielsweise die Ertragskraft des Unternehmens – betreffen, und manipuliert so den Kurs oder Marktpreis. 2. „Informationsgestützte“ Manipulationen Mittel „informationsgestützter“ Manipulationen können insbesondere unrichtige oder irreführende Bilanzen, Lageberichte, sonstige Geschäftsberichte oder auch Adhoc-Mitteilungen i.S. von § 15 WpHG sowie Prospekte sein. Zudem kommt das „Streuen“ von unrichtigen oder irreführenden Informationen über Medien (Presse, Rundfunk, Fernsehen, Internet) z.B. bei Pressekonferenzen oder -mitteilungen in Betracht, wie es den Gebrüdern Haffa in einem viel beachteten Strafverfahren1 vorgeworfen worden ist. Auch das sog. painting the tape – die Anzeige nicht getätigter Geschäfte auf einer Anzeigetafel, um Marktaktivität vorzutäuschen – gehört zu den „informationsgestützten“ Manipulationen.
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Eine auch in Deutschland seit dem Fall Prior2 viel beachtete Sonderform „informati- 34 onsgestützter“ Manipulationen ist das sog. scalping, wenn jemand ein Geschäft in Werten tätigt und sodann den Kurs bzw. Marktpreis des Werts dadurch beeinflusst, dass er eine Kauf- oder Verkaufsempfehlung abgibt, bei der er Eigengeschäft und Eigeninteresse verschweigt oder gar zudem unrichtige oder irreführende Angaben macht, jedoch beim Anlegerpublikum als glaubwürdig gilt, beispielsweise weil der Empfehlende ein bekannter „Analyst“ ist. Hierdurch ist es möglich, „fast risikolos enorme Gewinne zu machen“3. Zur rechtlichen Problematik des scalping s. unten § 20a Rz. 235 ff. 3. „Handelsgestützte“ Manipulationen durch fiktive und effektive Geschäfte Zu den klassischen Marktmanipulationstechniken gehört die Vornahme fiktiver Ge- 35 schäfte4. Ihr Zweck besteht darin, erhöhte Handelsaktivität, erhöhten Umsatz und erhöhte Liquidität vorzutäuschen und so Anleger zu bewegen, auf den (scheinbar) „fahrenden Zug“ aufzuspringen und hierdurch den Kurs oder Marktpreis künstlich in die Höhe zu treiben. Derartige fiktive Geschäfte werden als sog. wash sales vorgenommen, wenn Verkäufer und Käufer zumindest wirtschaftlich identisch sind, als sog. matched orders, wenn zwar der wirtschaftliche Eigentümer wechselt, jedoch Verkäufer und Käufer sich miteinander abgesprochen haben und gegenläufige, einander korrespondierende Orders mit im Wesentlichen gleichen Volumen und Preisen zeitgleich in den Markt geben, und als sog. circular (oder pool) trading, bei dem sich mehrere Personen in der Weise absprechen, dass der erste Käufer auch der letzte Käufer oder Verkäufer ist. Auch durch die Vornahme effektiver Geschäfte kann der Kurs oder Marktpreis manipuliert werden5. Bei den sog. Leerverkäufen (short sales)6 werden Vermögenswerte 1 LG München I v. 8.4.2003 – 4 Kls 305 Js 52.373/00, NJW 2003, 2328; BGH v. 16.12.2004 – 1 StR 420/03, BGHSt 49, 381. 2 LG Frankfurt/M. v. 9.11.1999 – 5/2 Kls 92 Js 23140/98, NJW 2000, 301; OLG Frankfurt/M. v. 15.3.2000 – 1 Ws 22/00, NJW 2001, 982. 3 Lenzen, S. 30. 4 Hierzu auch Fleischer, in: Fuchs, Vor § 20a WpHG Rz. 5. 5 Hierzu auch Fleischer, in: Fuchs, Vor § 20a WpHG Rz. 6. 6 Lenzen, S. 18 f.
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verkauft, die der Verkäufer (noch) nicht besitzt oder in Kommission hat, sondern sich (nach den Geschäftsbedingungen der deutschen Börsen spätestens am zweiten Werktag nach dem Abschlusstag) erst durch Deckungskauf oder Leihe beschaffen muss. Massenhafte Leerverkäufe führen typischerweise zu fallenden Kursen oder Marktpreisen und ggf. zu einer Verkaufspanik, die dem Leerverkäufer ermöglicht, das Deckungsgeschäft zu einem dem wahren Wert nicht entsprechenden Kurs bzw. Preis zu tätigen. In engem Zusammenhang hiermit stehen die sog. corners1, bei denen der Manipulator Leerverkäufer „in die Ecke“ treibt, indem er die noch am Markt erhältlichen Vermögenswerte aufkauft und dann, wenn die Leerverkäufer ihre Deckungsgeschäfte vornehmen müssen, den Kurs oder Marktpreis unter Ausnutzung seiner nunmehr marktbeherrschenden Stellung in die Höhe treibt (short squeeze). Auch im Übrigen ist die künstliche Limitierung des Angebots z.B. durch das sog. parking von Vermögenswerten bei Strohmännern2 jedenfalls in illiquiden oder überzeichneten Märkten geeignet, Kurse oder Marktpreise künstlich zu überhöhen und dies durch Verkauf auf dem Höhepunkt des Kurses auszunutzen, sog. pumping and dumping. Als sog. marking the close wird die Praxis bezeichnet, Geschäfte erst bei Börsen- oder Marktschluss zu tätigen, um diejenigen Marktteilnehmer irrezuführen, welche ihre Handelsentscheidung auf den Schlusskurs stützen. 37
Bei effektiven Geschäften stellt sich freilich das Problem, legitimen Handel von illegitimer und unerwünschter Manipulation abzugrenzen, in besonderer Schärfe. Als legitim angesehen wird die sog. Kurspflege oder -stabilisierung, die namentlich durch Rückkauf eigener Aktien (oder der Aktien eines Unternehmens durch dessen Emissions- oder Hausbank) erfolgen kann. Grenzfälle, die einen Anreiz zu illegitimen und erwünschten Manipulationen darstellen, sind „Kurspflegemaßnahmen“ im Zusammenhang mit Platzierungen oder Übernahmen und solche, die ein Optionsinhaber vornimmt3. Da Kurspflege oder -stabilisierung darauf abzielt, Kurse oder Marktpreise zu beeinflussen, ist es nicht möglich, sie über das Kriterium der Marktbeeinflussungsabsicht von illegitimer und unerwünschter Manipulation abzugrenzen4. Vielmehr muss das Kriterium objektiver oder, genauer, normativer Natur sein (s. noch unten § 20a Rz. 215). 4. „Handlungsgestützte“ Manipulationen
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Dass der innere Wert eines Finanzinstruments beeinflusst und dies zur Marktmanipulation eingesetzt wird, kommt „eher selten“5 vor, beispielsweise im Fall der American Steel and Wire Company, deren Manager Leerverkäufe von Aktien des Unternehmens tätigten und dann Walzwerke des Unternehmens schlossen, woraufhin der Aktienkurs dramatisch fiel, so dass die Manager günstige Deckungsgeschäfte tätigen und so hohe Gewinne realisieren konnten6. Kuriositätswert hat der in den Vereinigten Staaten wirklich geschehene Fall7, dass ein Angestellter eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens Erzeugnisse eines pharmazeutischen Unternehmens vergiftete, um den Kurssturz, der eintrat, als dies öffentlich bekannt wurde, dadurch auszunutzen, dass er zuvor erworbene Aktienverkaufsoptionen mit hohem Gewinn realisierte. 1 2 3 4 5 6 7
Lenzen, S. 19 f. Lenzen, S. 25 ff. Hierzu Lenzen, S. 13 ff., 21 ff. So aber die angloamerikanische Auffassung, s. Lenzen, S. 12 m.N. Fleischer, Gutachten F 120. Vgl. Eichberger, S. 38. Nachw. bei Fleischer, Gutachten F 120.
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5. Weitere Manipulationsarten Je nachdem, ob die Marktmanipulation auf eine künstliche Erhöhung oder Ernied- 38a rigung des Marktpreises gerichtet ist, kann zwischen „Bullen-“ und „Bärenmanipulationen“ unterschieden werden1. Bei jenen wird häufig die „pump and dump“-Technik angewendet: Der Täter deckt sich mit Finanzinstrumenten zum Marktpreis ein, erhöht den Preis sodann manipulativ, verkauft dann (erste Gewinnmitnahme) und schließt Leerverkäufe auf den Zeitpunkt ab, zu dem er die Rückkehr zum Marktpreis erwartet (zweite Gewinnmitnahme). Bei diesen wird spiegelbildlich die „trash and cash“-Technik angewendet: Der Täter schließt Leerverkäufe ab, erniedrigt sodann den Preis manipulativ, erfüllt die Leerverkäufe (erste Gewinnmitnahme) und deckt sich mit Finanzinstrumenten ein, die er bei Rückkehr zum Marktpreis verkauft (zweite Gewinnmitnahme). Weiterhin kann zwischen „Insidermanipulationen“ durch Unternehmens- oder Marktinsider (z.B. Broker) und „Outsidermanipulationen“ durch andere Personen unterschieden werden2; in der Praxis überwiegen die Insidermanipulationen. 6. Ökonomische Analyse der Marktmanipulation und ihrer Überwachung Während das Insiderhandelsverbot rechtsökonomisch nicht unbestritten ist, besteht 38b in der ökonomischen Theorie3 kein Streit darüber, dass das Verbot der Marktmanipulation prinzipiell legitim ist4. Traditionell wird es mit der namentlich von Fama5 auf den Punkt gebrachten Lehre von der Kapitalmarkteffizienz begründet: Nur wenn der Kapitalmarkt über möglichst viele zutreffende Informationen verfüge, spiegele der Preis den Wert (die Chancen und Risiken) einer Kapitalanlage. In einem informationseffizienten Kapitalmarkt hätten Über- oder Unterbewertungen auf Dauer keine Chance, weil sie von professionellen, rational handelnden Arbitrageuren durchschaut und durch Gegengeschäfte korrigiert würden (beispielsweise durch Leerverkäufe irrational überbewerteter Anlagen), und zwar auch gegen irrational handelnde sog. Noise Trader, die sich auf den „Lärm“ von Halbwahrheiten, Gerüchten oder Stimmungen stützten, denen irgendwann das Geld ausgehe („they cannot lose money forever“). Wie namentlich Shleifer6 gezeigt hat, ist Letzteres aber alles andere als ein Naturgesetz. Vielmehr können sich Kapitalmärkte derart irrational verhalten, dass rationale Gegengeschäfte aussichtslos sind („markets can remain irrational longer than you can remain solvent“); dann kann es (auch) für professionelle Arbitrageure rational sein, auf irrationales Noise Trading zu wetten (beispielsweise darauf, dass sich eine „Blase“ noch weiter ausdehnt). In einem solchen Kontext kann das Marktmanipulationsverbot in der Tat hinterfragt werden: „Etwas überspitzt ließe sich am Sinn einer Regelung zweifeln, die den Aufbau sachlich nicht begründeter Stimmungen (…) verbietet, wenn die Preisbildung gerade auf Noise Trading (…) beruht“7. Aber auch in einer Situation, „in der kein Verlass auf rationale Preisbildung ist und das Verhalten professioneller Investoren nur unter großer Schadensgerfahr nachgeahmt werden kann, weil diese selbst irrationalen Trends folgen, erscheint der Kleinanleger besonders schutzbedürftig“, und es muss „verhindert werden, dass er zusätzlich (…) 1 2 3 4 5
S. hierzu Fleischer, in: Fuchs, Vor § 20a WpHG Rz. 7 m.N. S. hierzu Fleischer, in: Fuchs, Vor § 20a WpHG Rz. 8 m.N. Ausgezeichnete Darstellung bei Oechsler, in: GS Wolf, S. 291, 292 ff. Hierzu Fleischer, in: Fuchs, Vor § 20a WpHG Rz. 9 m.w.N. Efficient Capital Markets, A Review of Theory and Empirical Work, Journal of Finance 25 (1970), 383 ff. 6 Inefficient Markets, 2000. 7 Oechsler, in: GS Wolf, S. 291, 295.
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in die Irre geführt wird“1. Umgekehrt erscheinen professionelle Arbitrageure, die gemessen an den Fundamentaldaten der Anlage rationale Gegengeschäfte eingehen, des Schutzes vor einer manipulativen Verstärkung der Marktirrationalität würdig und bedürftig. 38c Ein anschauliches Beispiel für die Rationalitäts-Irrationalitäts-Debatte im Marktmanipulationsrecht bilden die sog. Stock-Spams2: Die Täter versenden massenhaft Spam, in denen wahrheitswidrig preiserhöhungsgeeignete Angaben über Finanzinstrumente gemacht werden, in Bezug auf die sie Positionen eingegangen sind, die sie bei einer Preiserhöhung gewinnbringend auflösen (pump and dump). Es entspricht der Erfahrung, dass Stock-Spams die beabsichtigte Wirkung haben, mögen die Gründe hierfür auch in irrationalem (auf Leichtgläubigkeit usw. beruhendem) Verhalten von Marktteilnehmern liegen. In einer solchen Situation kann es für professionelle Arbitrageure, die die Stock-Spams durchschauen, also durchaus rational sein, „auf den Wagen aufzuspringen“ und gleichfalls Positionen einzugehen, die bei einer Preiserhöhung Gewinne bringen. Die Antwort auf die Rechtsfrage, ob derartige Geschäfte falsche oder irreführende Signale i.S. von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG zu geben oder ein künstliches Preisniveau herbeizuführen geeignet sind, hängt von der Antwort auf die Legitimationsfrage des Marktmanipulationsverbots in irrationalen Marktkontexten ab; sie wäre nach dem soeben Rz. 38b am Ende Dargelegten zu bejahen. 39
Die ökonomische Analyse der Praxis der Marktmanipulation kreist zunächst um die Frage, ob und wie es möglich ist, Kurse bzw. Marktpreise profitabel zu beeinflussen3. Für „informations-“ und „handlungsgestützte“ Manipulationen wird dies überwiegend bejaht, für „handelsgestützte“ hingegen bezweifelt bzw. relativiert4. Demgegenüber wird darauf hingewiesen, dass sich auch bei „handelsgestützten“ Manipulationen hohe Gewinne bei geringem Kapitaleinsatz erzielen lassen, sei es auf relativ illiquiden Märkten, sei es, indem Derivate zur Ausnutzung auch nur geringfügiger Manipulationen der Basiswerte eingesetzt werden, die sich über den Hebeleffekt (leverage effect) verstärkt auf Derivate übertragen5. Anerkannt ist jedenfalls, dass es bei zugleich vorliegender asymmetrischer Informationsverteilung zwischen dem Manipulator und den übrigen Marktteilnehmern auch bei bloß „handelsgestützten“ Manipulationen möglich ist, Profit zu erzielen6. Damit rückt in juristischer Sicht die Täuschungsqualität bestimmter Handelsformen in den Vordergrund.
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Von juristischer Bedeutung ist auch die ökonomische Frage, zu welchen Schäden Marktmanipulationen führen können7. Dass Anleger Schäden erleiden können, wird von der ökonomischen Analyse nicht bestritten. Allerdings gilt dies nur für Anleger, die bildlich gesprochen „auf der Gegenseite“ des Manipulators stehen, z.B. als Leerverkäufer gezwungen sind, das Deckungsgeschäft zu manipuliert hohen Preisen ab1 Zutr. Oechsler, in: GS Wolf, S. 291, 297. 2 Hierzu Fleischer, in: Fuchs, Vor § 20a WpHG Rz. 11 m.w.N. 3 Vgl. Lenzen, S. 33 ff. m.N.; zu Modellen und Fallstudien Fleischer, in: Fuchs, Vor § 20a WpHG Rz. 10 m.N. 4 Deshalb wird die Einbeziehung „handelsgestützter“ Marktmanipulationen in die Verbotsmaterie teils kritisch gesehen, vgl. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 22. 5 Näher Eichelberger, S. 74, s. bereits S. 45 f. mit Fn. 168 zu den sog. „Hexensabbats“, wenn kurz vor Fälligkeit von Optionen und Termingeschäften alle Seiten versuchen, die Preise für die Basiswerte in für sie günstiger Weise zu beeinflussen. 6 S. Fleischer, in: Fuchs, Vor § 20a WpHG Rz. 9 m.N. 7 S. Fleischer, in: Fuchs, Vor § 20a WpHG Rz. 9; Lenzen, S. 52 ff.; je m.N.
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zuschließen; wer hingegen bildlich gesprochen „auf der Seite“ des Manipulators steht, z.B. die von den Leerverkäufern benötigten Werte besitzt und nunmehr zu hohen Preisen verkaufen kann, gewinnt hingegen1. Den Schwerpunkt der Schäden sieht die ökonomische Analyse deshalb in überindividuellen Effekten: Marktmanipulation beeinträchtige die Kapitalallokationsfunktion der Kapitalmärkte, die wiederum auf Informationseffizienz beruhe. Mittelfristig werde auch die Kapitalaufbringungsfunktion der Kapitalmärkte beeinträchtigt, da die Anleger das Vertrauen verlören und sich aus Kapitalmärkten zurückzögen. Zudem sei die Kapitalbewertungsfunktion der Kapitalmärkte betroffen. Alles das liegt auf der Hand, wenn es um Manipulationen auf dem Primärmarkt, d.h. bei Emissionen von Finanzinstrumenten wie z.B. Aktienemissionen (IPOs, SPOs) geht. Aber auch die – häufigeren – Manipulationen auf dem Sekundärmarkt beeinträchtigen mindestens mittelbar den Primärmarkt, da der Sekundärmarkt sicherstellt, dass Investitionen in den Primärmarkt zu fairen Bedingungen liquidiert werden können, und die Preise auf dem Sekundärmarkt auch die Bedingungen für ein Handeln auf dem Primärmarkt determinieren2. Schließlich ist von juristischem Interesse, ob ein Verbot von Marktmanipulationen 41 einen Nutzen mit sich bringt, der die andernfalls eintretenden Schäden überwiegt, wobei auch die Kosten eines Verbots und seiner Durchsetzung zu berücksichtigen sind (cost-benefit-analysis)3. Weitgehende Einigkeit besteht darüber, dass Nichtregulierung keine Alternative ist, weil bei Manipulationen der Markt versagt; die diesbezügliche Diskussion zum Nutzen von Insiderhandelsverboten sind auf das Marktmanipulationsverbot nicht übertragbar4. Gegen eine Überregulierung „handelsgestützter“ Manipulationen durch effektive Geschäfte wird von der ökonomischen Analyse allerdings eingewendet, es könne zu einer Überabschreckung kommen, die auch ökonomisch nützliche Transaktionen behindere und so zu unerwünschten sog. Opportunitätskosten führe. Insbesondere wird gefordert, die Überwachungs- und Durchführungskosten in vernünftigen Grenzen zu halten. Die gelegentlich erwogene Selbstregulierung der Märkte scheint jedoch keine überzeugende Alternative zu sein5. 7. Rechtspraxis Bei der praktischen Handhabung des Marktmanipulationsrechts ist naturgemäß die Behördenpraxis der Bundesanstalt von ausschlaggebender Bedeutung und wirkt über Anzeigen, Stellungnahmen und Gutachten auch in die Justizpraxis der ggf. mit Marktmanipulation befassten Staatsanwaltschaften und Strafgerichte hinein. Insofern ist der Emittentenleitfaden 2009 der Bundesanstalt6, dessen Abschnitt VI (S. 105 ff.) Erläuterungen zum Verbot der Marktmanipulation enthält, von hoher praktischer Bedeutung, auch wenn der Emittentenleitfaden keine förmliche Rechtsqualität genießt.
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Instruktiv Eichelberger, S. 75 f. Vgl. Eichelberger, S. 57 f. S. Fischel/Ross, Harvard Law Review 105 (1991), 503 ff.; Lenzen, S. 58 ff. Näher Eichelberger, S. 79 ff. Hierzu Fleischer, in: Fuchs, Vor § 20a WpHG Rz. 10 mit Verweis auf Avgouleas, The Mechanics and Regulation of Market Abuse, 2005, S. 229 ff. 6 Abrufbar über http://www.bafin.de; s. weiterhin Einl. Rz. 69.
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Quantitativ – gemessen an den Untersuchungs- und Verfolgungszahlen – hält sich die praktische Bedeutung des Marktmanipulationsverbots in Grenzen. Im Jahresbericht 2010 der Bundesanstalt S. 200 ff.1 werden folgende Zahlen mitgeteilt: – 116 (2009: 150) neue Untersuchungen und 84 (2009: 54) von Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden initiierte Prüfungen – 62 (2009: 60) Fälle mit Anhaltspunkten für Marktmanipulation, Anzeige von 109 (2009: 120) Personen bei den zuständigen Staatsanwaltschaften und Bearbeitung von 6 (2009: 4) Fällen im Bußgeldreferat – Folgenlose bzw. unter Geldauflage erfolgende Einstellungen durch die Staatsanwaltschaften 43 bzw. 16 (2009: 18 bzw. 9) – Gerichtliche Verurteilungen im Strafbefehlsverfahren bzw. nach Hauptverhandlung 6 bzw. 1 (2009: 5 bzw. 9). Diese tendenziell, freilich eher geringfügig zunehmenden, insgesamt eher gering bleibenden Zahlen belegen entweder eine hohe Präventionswirkung des Marktmanipulationsrechts oder verdeutlichen, dass dieses Recht letztlich zu komplex ist, um effektiv durchgesetzt werden zu können2.
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Qualitativ ist die symbolische Bedeutung des Marktmanipulationsverbots hoch, und Staatsanwaltschaften bemühen sich, auch und gerade aufsehenerregende Fälle wie IKB/Ortseifen3, Frick4 oder Porsche/Wiedeking u.a.5 zur Anklage und Aburteilung zu bringen. Die weit überwiegende Zahl der von der Bundesanstalt untersuchten Fälle waren und sind weit weniger bedeutsam. In der Regel geht es um relativ illiquide Finanzinstrumente, die im Freiverkehr gehandelt werden. Bei ihnen lassen sich durch fiktive Handelsaktivitäten („wash sales“, „cross trades“) relativ einfach erhebliche Preisbeeinflussungen erzielen, die dazu führen, dass Manipulateure weit über Wert verkaufen und Anleger erheblich geschädigt werden. Neuerdings werden solche Aktivitäten auch mit durch sog. Phishing erlangten Zugangsdaten zu Depots generiert6. Informationsgestützte Manipulationen waren nach den Jahresberichten eher selten (s. aber den Fall Arndt AG7: im Internet verbreitete gefälschte Ad-hoc-Meldung, wonach eine Entschuldung sowie eine neue operative Tätigkeit des Unternehmens geplant sei, mit der Folge einer kurzfristigen Börsenpreissteigerung von mehr als 30 %), überwiegen freilich in der von Sorgenfrei8 zusammengestellten Presseauswertung für die Jahre 2003–2007. Im Jahresbericht 2010 der Bundesanstalt S. 200 ff. wird das Scalping als wieder aktuelles Problem hervorgehoben; vermeintlich unabhängige Börsenbriefe bewerben konzentriert Wertpapiere; die Manipulateure nutzen das Anlegerinteresse, um eigene Bestände zu künstlich überhöhten Preisen abzustoßen.
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Insgesamt zeichnet sich ein Bild der Rechtspraxis ab, wie es beispielsweise auch aus dem Umweltstrafrecht bekannt ist: Überwiegend beschäftigt sich die Praxis mit nicht schwerwiegenden, teils eher bagatellhaften Fällen; Ausnahmen bestätigen die 1 Abrufbar über http://www.bafin.de; s. weiterhin Fleischer, in: Fuchs, Vor § 20a WpHG Rz. 38 ff. (Auswertung der Jahresberichte 2002 bis 2006). 2 Zutr. Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 18. 3 BGH v. 14.7.2011 – 3 StR 506/10, Juris; vorgehend LG Düsseldorf v. 14.7.2010 – 14 KLs 6/09, Juris. 4 LG Berlin v. 14.4.2011 – (519) 3 Wi Js 1665/07 KLs (03/09), Juris. 5 StA Stuttgart 159 Js 69207/09. 6 S. Jahresbericht 2007 der BaFin S. 181. 7 Jahresbericht 2007 der BaFin S. 184. 8 Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 25.
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Regel. Schwerwiegende, möglicherweise systemische Fälle – beispielsweise der Verdacht auf Marktmanipulationen durch Rating-Agenturen, die hoch synthetischen vermögenswertunterlegten Finanzinstrumenten möglicherweise wider besseres Wissen hohe Bonität bescheinigt haben, was mit zu der Weltfinanzkrise 2008 geführt haben könnte1 – bleiben, soweit ersichtlich, in Europa tendenziell ausgeblendet2. Zum Ganzen Hienzsch, Das Scheitern der Staatsanwaltschaften bei der Verfolgung von Börsenkriminalität, HRRS 2006, 144.
§ 20a Verbot der Marktmanipulation (1) Es ist verboten, 1. unrichtige oder irreführende Angaben über Umstände zu machen, die für die Bewertung eines Finanzinstruments erheblich sind, oder solche Umstände entgegen bestehenden Rechtsvorschriften zu verschweigen, wenn die Angaben oder das Verschweigen geeignet sind, auf den inländischen Börsen- oder Marktpreis eines Finanzinstruments oder auf den Preis eines Finanzinstruments an einem organisierten Markt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einzuwirken, 2. Geschäfte vorzunehmen oder Kauf- oder Verkaufsaufträge zu erteilen, die geeignet sind, falsche oder irreführende Signale für das Angebot, die Nachfrage oder den Börsen- oder Marktpreis von Finanzinstrumenten zu geben oder ein künstliches Preisniveau herbeizuführen oder 3. sonstige Täuschungshandlungen vorzunehmen, die geeignet sind, auf den inländischen Börsen- oder Marktpreis eines Finanzinstruments oder auf den Preis eines Finanzinstruments an einem organisierten Markt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einzuwirken. Satz 1 gilt für Finanzinstrumente, die 1. an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen oder in den regulierten Markt oder in den Freiverkehr einbezogen sind oder 2. in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. Der Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt oder der Einbeziehung in den regulierten Markt oder in den Freiverkehr steht es gleich, wenn der Antrag auf Zulassung oder Einbeziehung gestellt oder öffentlich angekündigt ist. (2) Das Verbot des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2 gilt nicht, wenn die Handlung mit der zulässigen Marktpraxis auf dem betreffenden organisierten Markt oder in dem betreffenden 1 S. hierzu z.B. Wyoming State Treasurer u.a.v. Moody’s Investors Service, Inc. u.a. (United States Court of Appeal for the Second Circuit, Urt. v. 11.5.2011 – 10-0712-cv u.a.). 2 So analysiert Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 1080 ff., das Thema „Die Finanzkrise und das Strafrecht“ im Wesentlichen unter dem Gesichtspunkt des § 266 StGB, nicht aber der Marktmanipulation; ähnlich Schünemann, Die sogenannte Finanzkrise, 2010, der §§ 263, 266 StGB in den Mittelpunkt stellt.
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Freiverkehr vereinbar ist und der Handelnde hierfür legitime Gründe hat. Als zulässige Marktpraxis gelten nur solche Gepflogenheiten, die auf dem jeweiligen Markt nach vernünftigem Ermessen erwartet werden können und von der Bundesanstalt als zulässige Marktpraxis im Sinne dieser Vorschrift anerkannt werden. Eine Marktpraxis ist nicht bereits deshalb unzulässig, weil sie zuvor nicht ausdrücklich anerkannt wurde. (3) Der Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen sowie Maßnahmen zur Stabilisierung des Preises von Finanzinstrumenten stellen in keinem Fall einen Verstoß gegen das Verbot des Absatzes 1 Satz 1 dar, soweit diese nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates – Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen (ABl. EU Nr. L 336 S. 33) erfolgen. Für Finanzinstrumente, die in den Freiverkehr oder in den regulierten Markt einbezogen sind, gelten die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 entsprechend. (4) Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend für 1. Waren im Sinne des § 2 Abs. 2c, 2. Emissionsberechtigungen im Sinne des § 3 Nummer 3 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes und 3. ausländische Zahlungsmittel im Sinne des § 51 des Börsengesetzes, die an einer inländischen Börse oder an einem vergleichbaren Markt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum gehandelt werden. (5) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen erlassen über 1. Umstände, die für die Bewertung von Finanzinstrumenten erheblich sind, 2. falsche oder irreführende Signale für das Angebot, die Nachfrage oder den Börsenoder Marktpreis von Finanzinstrumenten oder das Vorliegen eines künstlichen Preisniveaus, 3. das Vorliegen einer sonstigen Täuschungshandlung, 4. Handlungen und Unterlassungen, die in keinem Fall einen Verstoß gegen das Verbot des Absatzes 1 Satz 1 darstellen, und 5. Handlungen, die als zulässige Marktpraxis gelten, und das Verfahren zur Anerkennung einer zulässigen Marktpraxis. Das Bundesministerium der Finanzen kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übertragen. Diese erlässt die Vorschriften im Einvernehmen mit den Börsenaufsichtsbehörden der Länder. (6) Bei Journalisten, die in Ausübung ihres Berufes handeln, ist das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 unter Berücksichtigung ihrer berufsständischen Regeln zu beurteilen, es sei denn, dass diese Personen aus den unrichtigen oder irreführenden Angaben direkt oder indirekt einen Nutzen ziehen oder Gewinne schöpfen. In der Fassung des Gesetzes zur Anpassung der Rechtsgrundlagen für die Fortentwicklung des Emissionshandels vom 21.7.2011 (BGBl. I 2011, 1475). Schrifttum: s. Vor § 20a.
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Verbot der Marktmanipulation Inhaltsübersicht I. Bedeutung des § 20a WpHG . . . . . . . 1. Nachfolgevorschrift zu § 88 BörsG a.F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhaltensnorm; Verhältnis zu den Sanktionsnormen der §§ 38 Abs. 2, 39 Abs. 1 Nr. 1, 2, Abs. 2 Nr. 11 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aufgabenzuweisungsnorm . . . . . . . . 4. Abstrakt-konkretes Gefährdungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verhältnis zu anderen Vorschriften .
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II. Konkretisierung des § 20a WpHG durch die MaKonV . . . . . . . . . . . . . .
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1. Verordnungsermächtigung (§ 20a Abs. 5 WpHG) . . . . . . . . . . . . . 2. Von der KuMaKV zur MaKonV . . . .
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III. § 20a WpHG und Europarecht . . . . .
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1. § 20a WpHG und Marktmissbrauchsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2. § 20a WpHG und europarechtliche Durchführungsmaßnahmen. . . . . . . 25 3. Vorgeschlagene Ersetzung des § 20a WpHG durch Unionsverordnungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25a IV. Schutzzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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V. Schutzbereich. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Gegenständlicher Schutzbereich . . . a) Finanzinstrumente (§ 20a Abs. 1 Satz 2, 3 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . b) Waren, Emissionsberechtigungen und ausländische Zahlungsmittel (§ 20a Abs. 4 WpHG) . . . . . . . . c) Hinweis auf § 88 BörsG a.F. (Alttaten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Räumlicher Schutzbereich . . . . . . . . 3. Schutzbereichsausnahme nach § 1 Abs. 3 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . .
33 33 42 44 45 53
VI. Normadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . .
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VII. Marktmanipulation durch Machen oder Verschweigen von Angaben (§ 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG) . .
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1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Manipulationsverhalten nach Alt. 1 (Machen von Angaben) . . . . . . . . . . . a) Machen unrichtiger oder irreführender Angaben . . . . . . . . . . . . b) Bewertungserhebliche Umstände (1): Gesetzliche Vorgaben . . . . . . .
3.
57 59 59 68
4. 5. 6.
c) Bewertungserhebliche Umstände (2): Konkretisierung durch § 2 MaKonV . . . . . . . . . . . . . . . . . . Manipulationsverhalten nach Alt. 2 (Verschweigen) . . . . . . . . . . . . a) Unterlassungstatbestand, Blankettcharakter . . . . . . . . . . . . . b) Verschweigen von Angaben über erhebliche Umstände . . . . . . . . . . c) Entgegen bestehenden Rechtsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eignung, auf den Preis einzuwirken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorsatz bzw. Leichtfertigkeit . . . . . . Eingeschränkte Verantwortlichkeit von Journalisten (§ 20a Abs. 6 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81 98 98 101 105 112 126
131
VIII. Marktmanipulation durch Geschäfte oder Aufträge (§ 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . 140 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . a) Geschäfte, Aufträge . . . . . . . . . . . b) Irreführungs- oder Preismanipulationseignung . . . . . . . . . . . . . c) Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konkretisierung durch § 3 MaKonV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anzeichen (§ 3 Abs. 1 MaKonV) . b) Beispiele (§ 3 Abs. 2 MaKonV). . . 4. Zulässige Marktpraxis . . . . . . . . . . . a) Europarechtlicher Hintergrund . . b) Gesetzliche Vorgaben (§ 20a Abs. 2 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verordnungsrechtliche Konkretisierung (§ 20a Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 WpHG und §§ 7–10 MaKonV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Derzeit anerkannte zulässige Marktpraktiken. . . . . . . . . . . . . . .
140 144 144 149 152 153 154 164 168 168 170
180 203
IX. Marktmanipulation durch sonstige Täuschungshandlungen (§ 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG) . . . . . . . . 206 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . a) Sonstige Täuschungshandlung . . b) Vornehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Preiseinwirkungseignung . . . . . . d) Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) „Professionsadäquanz“ und „safe harbours“ . . . . . . . . . . . . . . . f) Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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206 210 210 212 213 214 217 218
833
§ 20a 3. Konkretisierung durch § 4 MaKonV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Legaldefinition (§ 4 Abs. 1 MaKonV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anzeichen (§ 4 Abs. 2 MaKonV) . c) Beispiele (§ 4 Abs. 3 MaKonV) . . .
Verbot der Marktmanipulation
224 225 227 230
X. Handlungen, die auf keinen Fall dem Verbot der Marktmanipulation unterfallen (sog. „safe harbours“, § 20a Abs. 3, 5 Satz 1 Nr. 4 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich der „safe harbours“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rückkaufprogramme . . . . . . . . . . . . 4. Stabilisierungsmaßnahmen . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regelungsbereich . . . . . . . . . . . . . c) Stabilisierungszeitraum . . . . . . . .
239 246 248 265 265 271 277
d) Publizitäts-, Dokumentationsund Organisationspflichten . . . . . e) Stabilisierungspreis . . . . . . . . . . . f) Ergänzende Stabilisierungsmaßnahmen (Überzeichnung, Greenshoe-Option) . . . . . . . . . . . . g) Anerkennung ausländischer Stabilisierungsregeln . . . . . . . . . . 5. Jenseits der „safe harbours“ liegende Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . a) Rückkaufprogramme jenseits der Art. 3 ff. Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 . . . . . . . . . . . . b) Stabilisierungsmaßnahmen jenseits der Art. 7 ff. Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 . . . c) Weitere Fallgruppen . . . . . . . . . . .
281 288 289 292 294 296 299 305
Anhang zu § 20a WpHG Text der Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . 307
I. Bedeutung des § 20a WpHG 1. Nachfolgevorschrift zu § 88 BörsG a.F. 1
§ 20a WpHG ist – zusammen mit §§ 38 Abs. 2, 39 Abs. 1 Nr. 1, 2, Abs. 2 Nr. 11 WpHG – Nachfolgevorschrift zu § 88 BörsG a.F. (näher Vor § 20a Rz. 1 ff.). Soweit sich keine inhaltlichen Änderungen ergeben haben, sind Rechtsprechung und Literatur zu § 88 BörsG a.F. weiterhin maßgeblich. 2. Verhaltensnorm; Verhältnis zu den Sanktionsnormen der §§ 38 Abs. 2, 39 Abs. 1 Nr. 1, 2, Abs. 2 Nr. 11 WpHG
2
Vergleichbar dem Insiderhandelsverbot des § 14 WpHG (s. dort Rz. 1) ist § 20a WpHG die zentrale Verhaltensnorm des WpHG in Bezug auf die Marktmanipulation („öffentlich-rechtliches Verbot“1). Normiert sind zum einen Verbote (Unterlassungspflichten), zum anderen – in der Alternative des Verschweigens (§ 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG) – Offenbarungsgebote (Handlungspflichten), wobei freilich auf „bestehende Rechtsvorschriften“ verwiesen wird (zum Problem s. noch unten Rz. 105 ff.).
3
Zugleich umschreibt § 20a WpHG die Unrechtsmaterie der Marktmanipulation, die nicht bloß objektive (äußere) Elemente, sondern auch subjektive (innere) hat. Das ergab sich für § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG i.d.F. des 4. FFG aus dem Gesetzestext („um“ auf den Preis einzuwirken; s. noch unten Rz. 126). Aber auch beim heutigen § 20a Abs. 1 Satz 1 WpHG ist grundsätzlich Vorsatz als subjektives Unrechtselement erforderlich, und zwar grundsätzlich auch in kapitalmarktrechtlicher Hinsicht. Zwar liegt es noch im Rahmen des möglichen Wortsinns, zu sagen, jemand „mache“ unrichtige Angaben oder „nehme“ eine Täuschungshandlung vor, auch wenn er nicht vorsätzlich (leichtfertig, fahrlässig oder gar schuldlos) handelt. Aber aus dem Zusammenhang des Gesetzes – auf der Sanktionsseite setzen sowohl § 38 Abs. 2 WpHG als
1 Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 3.
834 Vogel
§ 20a
Verbot der Marktmanipulation
auch § 39 Abs. 1 Nr. 1, 2 WpHG Vorsatz voraus (§ 15 StGB, § 10 OWiG)1 – als auch aus Sinn und Zweck des Markt„manipulations“verbots ergibt sich, dass grundsätzlich nur vorsätzliches Handeln gemeint sein kann2. Bloß fahrlässiges oder gar schuldloses Verhalten als Markt„manipulation“ zu bezeichnen, ist bereits begrifflich mehr als fragwürdig; solches Verhalten wäre im Übrigen einerseits uferlos weit sowie andererseits nicht regulierungswürdig und -bedürftig, da es weniger gefährlich erscheint als vorsätzliches und insoweit auf eine Selbstregulierung des Marktes gesetzt werden kann. Lediglich bei § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG genügt – der sanktionenrechtlichen Wertung folgend (§ 39 Abs. 2 Nr. 11 WpHG) – auch in kapitalmarktrechtlicher Hinsicht Leichtfertigkeit3. An diesem Ergebnis ändern auch die – umstrittenen – Erwägungen in EuGH v. 3a 23.12.2009 – Rs C 45/08 „Spector“ Rz. 29 ff.4 zur Definition der Insider-Geschäfte durch die Marktmissbrauchsrichtlinie „in objektiver Weise“ (EuGH aaO Rz. 35) nichts. Die vom EuGH hervorgehobene besondere Natur von Insider-Geschäften, die es erlaube, bei Erfüllung der objektiven Tatbestandsmerkmale ein vorsätzliches Ausnutzen zu vermuten (Rz. 36), besteht beim Marktmanipulationsverbot nicht; so erlaubt der Umstand, dass jemand objektiv unrichtige Angaben macht, nicht die Vermutung, er habe das in bösem Glauben getan (s. noch unten Rz. 126 ff.). Rechtsfolge hiervon ist, dass ein Verhalten, das objektiv die Voraussetzungen des 4 § 20a WpHG erfüllt, jedoch eindeutig unvorsätzlich bzw. im Falle des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG eindeutig allenfalls fahrlässig ist, nicht ausreicht, um ein Überwachungsverfahren einzuleiten, das die „Einhaltung der Verbote und Gebote“ des WpHG zum Gegenstand hat, und dass dann die besonderen Überwachungsbefugnisse des § 4 Abs. 2–4 WpHG nicht gegeben sind. Sofern es allerdings Anhaltspunkte für ein vorsätzliches bzw. leichtfertiges Verhalten irgendeiner Person – sei sie auch noch unbekannt – gibt, kann die Bundesanstalt gemäß § 4 Abs. 2–4 WpHG vorgehen, und zwar – nach den Grundsätzen über die Verantwortlichkeit von Nichtstörern – auch gegenüber schuldlos Beteiligten. Unberührt bleibt die allgemeine Gefahrenabwehraufgabe der Bundesanstalt nach § 4 Abs. 1 WpHG, die nach allgemeinen ordnungsrechtlichen Grundsätzen auch schuldlos bewirkte Gefahren zum Gegenstand hat. Würde beispielsweise die Bundesanstalt erfahren, dass ein schuldlos Irrender beabsichtigen würde, objektiv unrichtige und in hohem Maße preiseinwirkungsgeeignete Angaben medienwirksam zu verbreiten, was erhebliche Nachteile für den Finanzmarkt bewirken würde, so könnte ihm die Bundesanstalt die Verbreitung der Angaben gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 WpHG untersagen. Im Verhältnis zu den in §§ 38 Abs. 2, 39 Abs. 1 Nr. 1, 2, Abs. 2 Nr. 11 WpHG enthal- 5 tenen Sanktionsnormen stellt sich § 20a WpHG als eine blankettausfüllende Norm dar5; jene verweisen (im Falle des § 38 Abs. 2 WpHG mittelbar, nämlich über § 39 WpHG) auf diese. Allerdings verlangt die Strafvorschrift des § 38 Abs. 2 WpHG weitergehend als § 20a WpHG die tatsächliche Einwirkung auf den Börsen- oder Marktpreis (s. noch unten Rz. 125). Diese ist nicht bloß objektive Strafbarkeitsbedingung 1 Unzutr. Fleischer, NJW 2002, 2977 (2979: „objektiver“ Verstoß gegen § 20a Abs. 1 sei Ordnungswidrigkeit) sowie Weber, Martin, NJW 2003, 18 (20 in Fn. 20). 2 Wie hier Eichelberger, S. 320 f.; Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 73; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 211 f. 3 Zutr. Eichelberger, S. 320. 4 S. hierzu § 14 Rz. 26 m.w.N. 5 Zur Frage des Blankettcharakters jener Normen s. Vor § 38 Rz. 22 sowie Eichelberger, S. 161 ff.
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Verbot der Marktmanipulation
und auch nicht im technischen Sinne des § 18 StGB eine Erfolgsqualifikation, sondern gehört zum strafrechtlichen Unrecht und muss vom Vorsatz umfasst sein (§ 15 StGB). Gleichwohl begründet § 38 Abs. 2 WpHG keine gegenüber § 20a WpHG andersartige Verhaltensnorm, sondern nur eine speziellere. 6
Auch wenn § 20a WpHG in einem engen Zusammenhang mit den Sanktionsvorschriften der §§ 38 Abs. 2, 39 Abs. 1 Nr. 1, 2, Abs. 2 Nr. 11 WpHG steht, enthält er für sich genommen eine kapitalmarktrechtliche Vorschrift, die nicht nur straf- oder bußgeldrechtlich, sondern auch zivilrechtlich (s. noch unten Rz. 31) und verwaltungsrechtlich (insbesondere im Rahmen der Kapitalmarktaufsicht und -überwachung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) bedeutsam ist1. Hier stellt sich die u.a. aus dem Kartellrecht bekannte Frage nach einer möglichen sog. Normspaltung2 dergestalt, dass § 20a WpHG im straf- und bußgeldrechtlichen Zusammenhang anders – insbesondere unter Berücksichtigung des Art. 103 Abs. 2 GG enger – ausgelegt wird als im nichtstrafrechtlichen Zusammenhang. Bei § 823 Abs. 2 BGB ist allerdings anerkannt, dass strafrechtliche Schutzgesetze auch im Schadensersatzrecht nach strafrechtlichen Grundsätzen auszulegen sind. Der Schwerpunkt der Aufsichts- und Überwachungstätigkeit der Bundesanstalt liegt gerade beim Verbot der Marktmanipulation in der Ermittlung und Verfolgung begangener Verstöße. Daher erscheint im Ergebnis eine einheitliche Handhabung des § 20a WpHG nach strafrechtlichen Grundsätzen vorzugswürdig3. 3. Aufgabenzuweisungsnorm
7
§ 20a WpHG hat schließlich die Bedeutung einer Aufgabenzuweisungsnorm für die Bundesanstalt, die gemäß § 4 Abs. 2 WpHG die Einhaltung der Verbote und Gebote dieses Gesetzes überwacht und Anordnungen treffen kann, die zu ihrer Durchsetzung geeignet und erforderlich sind. Die Bundesanstalt wird tätig, wenn sie Kenntnis von Verhaltensweisen erhält, die zumindest möglicherweise in objektiver und subjektiver (hierzu bereits Rz. 3) Hinsicht einen Verstoß gegen das Verbot der Marktmanipulation darstellen. Innerhalb der Bundesanstalt ist für die Überwachung von Marktmanipulation der Geschäftsbereich Wertpapieraufsicht/Asset Management, Abteilung WA 2, Referat 23 zuständig (Stand 21.7.2011). 4. Abstrakt-konkretes Gefährdungsverbot
8
§ 20a WpHG untersagt bereits Verhaltensweisen, die geeignet sind, auf Börsen- oder Marktpreise einzuwirken; ein Manipulationserfolg in Gestalt der Herbeiführung eines künstlichen Börsen- oder Marktpreises ist nicht Element der Verbotsmaterie. Strafrechtlich gesprochen liegt deshalb ein Eignungsdelikt bzw. ein abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt vor (s. auch Vor § 38 Rz. 18 ff.): abstrakt, weil nicht einmal eine konkrete Gefahr der Einwirkung auf Börsen- oder Marktpreise nachgewiesen werden muss; konkret, weil die Eignung nach den Umständen des Einzelfalles bestimmt werden muss4.
1 Vgl. auch Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 113. 2 Grundlegend Tiedemann, Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht, 1969, S. 186 f., 197 f., 204; s. weiterhin Enderle, Blankettstrafgesetze, 2000, S. 208 ff. m.w.N. 3 H.L., wie hier Assmann, Einl. Rz. 73; Arlt, S. 105; Eichelberger, S. 198 f. 4 Ähnlich Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 26: „weit in das Versuchsstadium einer [erfolgreichen] Marktmanipulation hineinreichende, abstrakte Gefährdungsvorgänge“.
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5. Verhältnis zu anderen Vorschriften Verstöße gegen das Verbot der Marktmanipulation können – strafrechtlich gespro- 9 chen: tateinheitlich oder auch tatmehrheitlich – mit Verstößen gegen andere Vorschriften zusammentreffen (s. aus strafrechtlicher Sicht Vor § 38 Rz. 29 ff.). Die Verbote der Marktmanipulation einerseits und von Insidergeschäften andererseits (§ 14 WpHG) stehen zueinander weder in einem Spezialitäts- noch in einem strikten Exklusivitätsverhältnis1, sondern können – wenn auch eher selten – fallweise miteinander zusammentreffen2. Insbesondere begründen zahlreiche der in § 2 Abs. 3, 4 MaKonV genannten Umstände Pflichten zur Ad-hoc-Publizität (§ 15 WpHG), deren Verletzung zugleich ein Verstoß gegen § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG sein kann. Überhaupt können Marktmanipulationen zugleich Verstöße gegen gesellschafts-, handels-, bilanz- oder anderweitige kapitalmarktrechtliche Publizitäts- und Transparenzpflichten beinhalten. Bei der sog. Kurspflege durch Erwerb eigener Aktien sind neben § 20a WpHG zugleich §§ 71 ff. AktG zu beachten3 (s. noch unten Rz. 248 ff.).
10
Seit einiger Zeit verstärkt thematisiert wird die Frage, ob sich Marktmanipulationen 11 auch durch das „klassische“ Betrugsverbot des § 263 StGB erfassen lassen4. Unrichtige Angaben i.S. von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG werden häufig – nicht immer – Täuschungen über Tatsachen i.S. von § 263 Abs. 1 StGB beinhalten. Ob und welche Anleger geirrt und irrtumsbedingt verfügt haben, ist Tatfrage (und muss im Einzelfall durch Zeugnis der betreffenden Anleger nachgewiesen werden); es geht zu weit, einen Irrtum des Anlegers, der zu einem manipulierten Preis ein für ihn nachteiliges Geschäft tätigt, ohne Weiteres mit der Begründung anzunehmen, in den manipulierten Preis sei „die falsche Tatsachenbehauptung eingepreist“5. Ein Vermögensschaden liegt vor, wenn irrende Anleger „zu teuer“ gekauft oder „zu billig“ verkauft haben. Dass das nie der Fall sein könne, weil auch ein manipulierter Börsen- oder Marktpreis nun einmal der geltende Börsen- oder Marktpreis sei6, ist ein kurzschlüssiges Argument. Allerdings trifft es zu, dass der „innere“ Wert des betreffenden Finanzinstruments – z.B. bei Aktien der in ihnen verkörperte Anteil am Unternehmensvermögen – nicht ohne Weiteres maßgeblich sein kann, weil er nur einer der vielen den Börsen- oder Marktpreis beeinflussenden Faktoren ist. Vielmehr ist – ähnlich wie in den Fällen des Submissionsbetrugs – für die Schadensfeststellung die Differenz zwischen dem Börsen- oder Marktpreis, zu dem der Anleger tatsächlich verfügt hat, und dem hypothetischen, zu dem er verfügt hätte, würde das Manipulationsverhalten hinweggedacht, maßgeblich. Auch wenn nach diesen Grundsätzen ein Schaden nachweisbar ist, kann es an einer stoffgleichen Bereicherung des Manipulators fehlen. Diese allein darin zu erblicken, dass die „künstliche Kursänderung, die den Vermögensschaden des Anlegers darstellt, […] zur Bereicherung des Manipulators […] führt, der über Bestände von manipulierten Papieren verfügt oder der dank der Kurs1 2 3 4
Insoweit a.A. Ziouvas, ZGR 2003, 113 (130). Vgl. z.B. die von Lenenbach, ZIP 2003, 243 (246) geschilderte Konstellation. Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 77. Eingehend Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 621 ff.; s. auch Papachristou S. 311 ff. zur „Aktivierung“ des Betrugstatbestandes gegen Marktmanipulation; je mit umf. Nachw. 5 So aber Papachristou, S. 328; demgegenüber zutr. Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 629: „Die allgemeine Vorstellung, mit der Aktie und deren Preisbildung sei alles in Ordnung, genügt solange nicht, wie sie nicht durch die Täuschung zumindest miterzeugt wurde“. 6 So Hellmann/Beckemper, Wirtschaftsstrafrecht, Rz. 178 ff.
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veränderung wirtschaftliche Vorteile erzielt“1, geht zu weit; es handelt sich vielmehr um eine bloß mittelbare Begünstigung, die nicht ausreicht2. In der typischen Konstellation des „pump and dump“ – der Manipulator erwirbt Finanzinstrumente, erhöht dann manipulativ deren Börsen- oder Marktpreis und verkauft sie zu diesem Preis – kommt aber durchaus eine dem Schaden irrender Käufer stoffgleiche Selbstbereicherung des Manipulators in Betracht, ähnlich wie bei IPOs und SPOs, bei denen die Preise nach oben manipuliert werden, durchaus eine dem Schaden irrender Käufer stoffgleiche Drittbereicherung des betreffenden Emittenten in Betracht kommt. 12
Bislang wenig diskutiert wird die Frage, inwieweit Marktmanipulationen auch dem Untreueverbot (§ 266 StGB) unterfallen können3. Voraussetzung ist, dass der Manipulator dem Geschädigten vermögensbetreuungspflichtig ist. So kann es liegen, wenn ein Trader sich seiner Kundendepots bedient, um Märkte zu manipulieren oder wenn ein Berater seine Kunden in Manipulationsabsicht täuscht. Hingegen ist das Management einer Aktiengesellschaft nur dieser gegenüber, nicht auch gegenüber den Aktionären im Hinblick auf den Aktienkurs vermögensbetreuungspflichtig i.S. von § 266 StGB, so dass in den seltenen (aber nicht bloß theoretischen) Fällen, dass eine Aktiengesellschaft den Kurs eigener Aktien „nach unten“ manipuliert, keine Untreue in Betracht kommt.
II. Konkretisierung des § 20a WpHG durch die MaKonV 1. Verordnungsermächtigung (§ 20a Abs. 5 WpHG) 13
§ 20a Abs. 5 WpHG enthält eine Verordnungsermächtigung i.S. von Art. 80 GG, wonach im Verordnungsweg „nähere Bestimmungen“ über bestimmte Tatbestandsmerkmale des Verbots der Marktmanipulation erlassen werden können. Eine derartige Verordnungsermächtigung enthielt bereits § 20a Abs. 2 WpHG i.d.F. des 4. FFG; durch das AnSVG ist sie in der Sache ausgeweitet worden, wobei sich der Gesetzgeber ausdrücklich auf die entsprechende Regelungstechnik der europarechtlichen Vorgaben bezogen hat4. Auf der Grundlage des § 20a Abs. 2 WpHG i.d.F. des 4. FFG ist die frühere KuMaKV, auf der Grundlage des heutigen § 20 Abs. 5 WpHG die MaKonV erlassen worden (unten Rz. 22 ff.).
14
Nach RegE 4. FFG, S. 905 soll die Verordnungsermächtigung dem Umstand Rechnung tragen, dass sich in der Praxis eine Vielzahl von Manipulationstechniken entwickelt hätten, die umfassend gesetzlich zu regeln nicht möglich sei; insbesondere solle ermöglicht werden, schnell und flexibel auf neue Manipulationstechniken zu reagieren. Diese Begründung überzeugt nicht, da bereits durch die vielen unbestimmten Rechtsbegriffe des § 20a Abs. 1 Satz 1 WpHG sichergestellt ist, dass alle denkbaren – auch neue – Manipulationstechniken erfasst werden. Vielmehr erweckt sie 1 So aber Papachristou, S. 346. 2 Zutr. Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 647 mit Verweis auf BGH [ZS] WM 2004, 1721 (1723), 1726 (1728) und 1731 (1734) – alle zu § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB bei Manipulationssachverhalten. 3 S. aber Schröder, in: Achenbach/Ransiek, X 2 Rz. 95; Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 242; auch Fichtner, Die börsen- und depotrechtlichen Strafvorschriften und ihr Verhältnis zu den Eigentums- und Vermögensdelikten des StGB, 1993, S. 100. 4 Vgl. RegE AnSVG, S. 37; Beschl. und Ber. Fin. AnSVG, S. 65. 5 Ähnlich RegE AnSVG, S. 37.
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mit Blick auf den Umstand, dass Verstöße gegen § 20a WpHG mit Strafe bzw. Geldbuße bewehrt sind, Bedenken aus dem Grundsatz „nulla poena sine lege parlamentaria“, da es letztlich in die Hand der Gubernative bzw. Exekutive gelegt wird, die Unrechtsmaterie der straf- und ahndbaren Marktmanipulation „flexibel“ zu bestimmen. Aus strafrechtlicher Sicht ist „Flexibilität“ des Rechts kein Wert, und in der strafrechtlichen Literatur werden nicht von vorn herein von der Hand zu weisende verfassungsrechtliche Bedenken u.a. aus Art. 80 GG angemeldet (s. Vor § 20a Rz. 26 ff. m.w.N.). Allerdings ist zu bedenken, dass nach § 20 Abs. 5 WpHG erlassene Verordnungen für den Normadressaten durchaus die Bestimmtheit und Vorhersehbarkeit und somit die Rechtssicherheit erhöhen, zumal auch in jedem Fall erlaubte „safe harbours“ und zulässige Marktpraktiken bestimmt werden können (§ 20a Abs. 5 Satz 1 Nrn. 4, 5 WpHG). Mit Recht hob die amtliche Begründung zur MaKonV das Ziel hervor, „den Marktteilnehmern eine bessere Orientierung zu ermöglichen und die Abgrenzung von erlaubten und verbotenen Verhaltensweisen zu erleichtern“ (BR-Drucks. 639/03, S. 8; die amtliche Begründung zur MaKonV spricht von „Leitlinien“ für Marktteilnehmer, BR-Drucks. 18/05, S. 2). Daher kann die Verordnungsermächtigung im Ergebnis hingenommen werden, sofern sie vorsichtig und verfassungskonform gehandhabt wird (s. sogleich Rz. 15)1. Nach § 20a Abs. 5 Satz 1 WpHG ist in erster Linie das Bundesministerium der Finanzen – d.h. der Bundesminister der Finanzen (Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG) – verordnungsermächtigt. Anders als ursprünglich im RegE 4. FFG vorgesehen, bedarf eine ministerielle Verordnung der Zustimmung des Bundesrats (s. Art. 80 Abs. 2 GG). Dies begründet Ber. Fin. 4. FFG, S. 20 mit der Erwägung, dass ein enger Zusammenhang mit der Börsenaufsicht bestehe, für die die Börsenaufsichtsbehörden, also Länderbehörden, zuständig seien, weshalb eine enge Abstimmung mit den Ländern geboten sei. Das Zustimmungserfordernis dient freilich nicht der Beschleunigung und führt dazu, dass der Bundesrat ein Initiativrecht hat (Art. 80 Abs. 3 GG).
15
§ 20a Abs. 5 Satz 2 WpHG ermöglicht es, die Verordnungsermächtigung durch 16 Rechtsverordnung auf die Bundesanstalt weiter zu übertragen (sog. Subdelegation, Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG). Davon ist bislang noch kein Gebrauch gemacht worden (aber in der Praxis hat die Bundesanstalt an der Erarbeitung der KuMaKV und der MaKonV natürlich auch ohne förmliche Subdelegation maßgeblich mitgewirkt). Umstritten ist die Frage, ob eine mögliche subdelegierende Rechtsverordnung der Zustimmung des Bundesrats bedarf2. In der 4. Aufl. des Kommentars Rz. 8 ist die Frage noch bejaht worden; sie ist aber richtigerweise zu verneinen. § 20a Abs. 2 Satz 2 WpHG i.d.F. des 4. FFG sah ausdrücklich vor, dass der Bundesrat der Subdelegation zustimmen müsse. Mit dem AnSVG ist das bewusst aufgegeben worden. Da das AnSVG kein zustimmungsbedürftiges Gesetz war, kann die Zustimmungsbedürftigkeit auch nicht aus Art. 80 Abs. 2 GG hergeleitet werden3. Eine Subdelegation wirkt nur „zuschiebend“, nicht „abschiebend“, so dass das Bun- 17 desministerium der Finanzen weiterhin verordnungsermächtigt bleibt. Von einer Subdelegation darf die Bundesanstalt nur im Einvernehmen mit den Börsenaufsichtsbehörden der Länder Gebrauch machen (Satz 3). Einvernehmen bedeutet im Allgemeinen (vorherige) Zustimmung, woraus in der 4. Aufl. des Kommentars Rz. 8 her1 Ebenso Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 138; Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 6. 2 Verneinend Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 389; bejahend Eichelberger, ZBB 2004, 296 (301) sowie Eichelberger, S. 187 ff. 3 S. hierzu auch Pieroth, in: Jarass/Pieroth, 11. Aufl. 2011, Art. 80 GG Rz. 18.
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geleitet worden ist, dass jede Börsenaufsichtsbehörde eines Landes ein Vetorecht habe1. Diese (wohl dem Willen des historischen Gesetzgebers entsprechende) Auslegung wird freilich den Bedürfnissen der Praxis kaum gerecht und steht nicht mit Verfassungsrecht in Einklang, da eine gemischte Bund-Länder-Rechtssetzung außerhalb der verfassungsrechtlichen Vorgaben unzulässig ist2. Deshalb ist in verfassungskonformer Auslegung erforderlich, aber auch ausreichend, dass sich die Bundesanstalt mit den Börsenaufsichtsbehörden der Länder ins Benehmen setzt und sie bei den Vorarbeiten beratend hinzuzieht3. Zu den weiteren formellen Anforderungen an Verordnungen gemäß § 20a Abs. 5 WpHG s. Art. 80 Abs. 1 Satz 3, 82 GG. 18
Materiell ermächtigt § 20a Abs. 5 Satz 1 WpHG den Verordnungsgeber dazu, „nähere Bestimmungen“ über die in Nr. 1 bis 5 genannten Gegenstände zu erlassen, d.h. sie zu konkretisieren. Dabei steht dem Verordnungsgeber ein „Verordnungsermessen“ (auch: „Beurteilungs-“, „Bewertungs-“, „Gestaltungsspielraum“) zu, das freilich dogmatisch nur „sporadisch aufbereitet“ und in seiner praktischen Handhabung noch „wenig erforscht“ ist4. Leitlinien sind, dass der Verordnungsgeber nicht auf die Normierung interpretativ feststellbarer Ergebnisse beschränkt ist, sondern im Wege der delegierten authentischen Interpretation gesetzliche Tatbestände konkretisieren darf, was (verfassungs-)gerichtlich nur beschränkt, nämlich auf eine mögliche „evidente“ oder „missbräuchliche“ Ermessensüberschreitung hin, nachprüfbar ist. Allerdings darf der Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung nicht überschritten werden, und es muss die „Natur der zu regelnden Materie“5 beachtet werden. Für § 20a WpHG ist mithin zu beachten, dass es um ein straf- bzw. bußgeldbewehrtes Verbot geht, so dass auch Art. 103 Abs. 2 GG zu berücksichtigen ist. Hieraus folgt zum einen, dass es unzulässig wäre, die Verbotsmaterie des § 20 Abs. 1 WpHG im Verordnungsweg über den möglichen Wortsinn im natürlichen Verständnis hinaus auszudehnen (Analogieverbot). Andererseits dürfte ein Verhalten, das eindeutig von § 20 Abs. 1 WpHG erfasst ist, nicht im Verordnungswege unverboten und straf- bzw. ahndungslos gestellt werden (Verbot der sog. Gegenanalogie). Verordnungsbestimmungen, die diese Grenzen überschritten, wären unwirksam6.
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Inhaltlich bezieht sich die Verordnungsermächtigung des § 20a Abs. 5 Satz 1 Nrn. 1–3 WpHG einerseits auf stark unbestimmte Rechtsbegriffe des eigentlichen Marktmanipulationsverbots, nämlich auf die bewertungserheblichen Umstände (§ 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG), die falschen oder irreführenden Signale bzw. das künstliche Preisniveau (§ 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG) und die sonstigen Täuschungshandlungen (§ 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG). Andererseits betreffen § 20 Abs. 5 Satz 1 Nrn. 4–5 WpHG die gleichfalls stark unbestimmten Verbotsausnahmen, nämlich die „safe harbours“ (vgl. § 20a Abs. 3 WpHG) und die zulässigen Marktpraktiken (§ 20a Abs. 2 WpHG). Zu deren näherer Bestimmung bieten sich na1 Ebenso Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 6; wohl auch Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 139. 2 S. nur Pieroth, in: Jarass/Pieroth, 11. Aufl. 2011, Art. 80 GG Rz. 8 m.N. 3 Eichelberger, S. 189 f.; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 390; a.A. Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 6: § 20a Abs. 5 Satz 3 WpHG lasse sich als „anderweitige bundesgesetzliche Regelung“ i.S. von Art. 80 Abs. 2 GG aufrechterhalten, und er beruft sich hierfür auf Bryde, in: von Münch [Hrsg.], 5. Aufl. 2003, Art. 80 GG Rz. 18, der freilich – soweit ersichtlich – diese Auffassung als einziger vertritt. 4 Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, 1988, § 64 Rz. 33; s. weiterhin von Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1988, S. 161 ff. 5 BVerwG v. 4.5.1973 – VII C 27/72, BVerwGE 42, 169 (174). 6 S. nur Pieroth, in: Jarass/Pieroth, 11. Aufl. 2011, Art. 80 GG Rz. 20 m.N.
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mentlich (zwingende) Beispiele und (indizielle) Regelbeispiele an. Auch können Indikatoren, Faktoren, Leitlinien oder Verfahren zu deren Ermittlung festgelegt werden. Zulässig sind weiterhin Legaldefinitionen, die freilich nicht weiter sein dürfen, als es noch vom möglichen Wortsinn des § 20a Abs. 1 WpHG gedeckt ist, und nicht enger sein dürfen als das, was nach Wortlaut, Willen des Gesetzgebers, System und Sinn und Zweck des Gesetzes eindeutig und auf jeden Fall erfasst sein soll. Für den Rechtsanwender sind die näheren Bestimmungen des Verordnungsrechts ver- 20 bindlich. Insbesondere darf er nicht seine eigene Gesetzesauslegung an die Stelle einer verordnungsrechtlichen Legaldefinition setzen, selbst wenn er sie für unrichtig hält, und er ist an zwingende Beispiele gebunden, selbst wenn er Zweifel hat, ob sie die gesetzlichen Voraussetzungen, z.B. für bewertungserhebliche Umstände oder sonstige Täuschungshandlungen, erfüllen. Anderes gilt nur, wenn die äußersten Grenzen der Verordnungsermächtigung überschritten werden (s. soeben Rz. 18 f.). Davon zu trennen ist die Frage, ob und inwieweit eine verordnungsrechtliche nähere Bestimmung abschließend ist und den Rückgriff auf § 20a Abs. 1 WpHG sperrt. Sie beantwortet sich durch Auslegung des Verordnungsrechts. Beispiele sind naturgemäß nicht abschließend, während Legaldefinitionen den Rückgriff auf eine eigene (ggf. weitergehende) Auslegung des jeweiligen Gesetzesbegriffs im Grundsatz ausschließen. Bei nach § 20a Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 WpHG bestimmten „safe harbors“ dürfte es in der Regel nicht dem Willen des Verordnungsgebers entsprechen, dass ein Verhalten, welches die Voraussetzungen des „safe harbor“ nicht erfüllt, allein deshalb verboten und straf- bzw. ahndbar ist. Wie jede Verordnungsermächtigung begründet § 20a Abs. 5 WpHG keine Pflicht, von der Ermächtigung Gebrauch zu machen. Soweit die MaKonV bzw. früher die KuMaKV die Ermächtigung nicht ausgeschöpft hat, bestimmt sich die Rechtslage ausschließlich nach dem Gesetz.
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2. Von der KuMaKV zur MaKonV Auf der Grundlage des § 20a Abs. 2 WpHG i.d.F. des 4. FFG hatte das Bundesministe- 22 rium der Finanzen am 18.11.2003 die Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Kurs- und Marktpreismanipulation (KuMaKV) (BGBl. I 2003, 2300) erlassen1. Sie enthielt Bestimmungen über bewertungserhebliche Umstände (§ 2 KuMaKV), sonstige Täuschungshandlungen (§ 3 KuMaKV) und Stabilisierungsmaßnahmen (§§ 4–11 KuMaKV) sowie sonstige Maßnahmen (namentlich Greenshoe-Vereinbarungen und Erwerb eigener Aktien, §§ 12–13 KuMaKV). S. hierzu 3. Aufl. des Kommentars § 20a Rz. 53 ff., 110 ff., 125 ff. Über Kritik erhaben war die KuMaKV nicht; als problematisch erwiesen sich namentlich die fragwürdige Definition der sonstigen Täuschungshandlungen und die nicht durchweg im Einklang mit den europarechtlichen Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 2272/2003 stehende Regelung der Stabilisierungsmaßnahmen und des Erwerbs eigener Aktien. Daher hat der Verordnungsgeber die Änderung des § 20a WpHG durch das AnSVG 23 mit gutem Grund zum Anlass genommen, die KuMaKV mit Wirkung vom 11.3.20052 durch die Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Marktmanipulation (Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung – MaKonV) vom 1.3.2005 1 Amtliche Begründung in BR-Drucks. 639/03 v. 5.9.2003. 2 Nach Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 11 MaKonV Rz. 1 soll die MaKonV am 1.3.2005 im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht worden und daher gemäß Art. 11 MaKonV am 2.3.2005 in Kraft getreten sein. Der 1.3.2005 ist aber nur das Ausfer-
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(BGBl. I 2005, 515) zu ersetzen1. Die MaKonV schöpft die Ermächtigung des § 20a Abs. 5 WpHG weitgehend aus und orientiert sich konsequent an den europarechtlichen Vorgaben. Im Einzelnen enthält sie Bestimmungen über bewertungserhebliche Umstände (§ 2 MaKonV), falsche oder irreführende Signale oder künstliches Preisniveau (§ 3 MaKonV), eine deutlich verbesserte Bestimmung über sonstige Täuschungshandlungen (§ 4 MaKonV), übernimmt die europarechtlichen Vorgaben für Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen (§ 5 MaKonV) und regelt das Verfahren zur Anerkennung einer zulässigen Marktpraxis (§§ 7–10 MaKonV). Insgesamt ist die MaKonV integraler und verbindlicher Bestandteil des Rechts der Marktmanipulation, deshalb im Anhang abgedruckt (Rz. 307) und im Text2 kommentiert.
III. § 20a WpHG und Europarecht 1. § 20a WpHG und Marktmissbrauchsrichtlinie 24
Mit der Neufassung des § 20a WpHG durch das AnSVG verfolgte der Gesetzgeber ausdrücklich das Ziel, „die Regelung des Verbots der Marktmanipulation … den Vorgaben … der Marktmissbrauchsrichtlinie anzupassen“3. Dieser Wille des Gesetzgebers hat sich in § 20a WpHG bis in die Formulierung der Tatbestandsmerkmale hinein eindeutig niedergeschlagen. Er gibt dem allgemeinen Grundsatz der richtlinienkonformen – hier: mit der Marktmissbrauchsrichtlinie konformen – Auslegung des § 20a WpHG besonderes Gewicht. Auslegungsfragen des § 20a WpHG sind deshalb stets mit Blick auf Wortlaut, Systematik und Zweck der Marktmissbrauchsrichtlinie und ihrer Durchführungsmaßnahmen zu beantworten, wobei insbesondere die Erwägungsgründe verbindlich zu berücksichtigen sind. Das entspricht mittlerweile auch der Rechtsprechungspraxis4. 2. § 20a WpHG und europarechtliche Durchführungsmaßnahmen
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Nichts anderes gilt für die Durchführungsrichtlinien der Kommission zur Marktmissbrauchsrichtlinie, nämlich die Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG (s. Vor § 20a Rz. 15). Sie in deutsches Recht umzusetzen, war der ausdrücklich erklärte Wille sowohl des Gesetzgebers5 als auch des Verordnungsgebers der MaKonV6. Eine Sonderstellung nimmt die Durchführungs-Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 der Kommission ein (s. bereits Vor § 20a Rz. 15). Sie wird zunächst durch die statische Verweisung in § 20a Abs. 3 WpHG und § 5 MaKonV zu geltendem deutschen Recht. Darüber hinaus ist die Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 als gemeinschaftsrechtliche Verordnung gemäß Art. 288 Abs. 2 Satz 2 AEUV in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Ihr entgegenstehendes deutsches Recht ist kraft Vorranges des europäischen Gemeinschaftsrechts unan-
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tigungsdatum; das entsprechende Bundesgesetzblatt (I 2005 Nr. 15) ist am 10.3.2005 zu Bonn ausgegeben worden. Amtliche Begründung in BR-Drucks. 18/05 v. 7.1.2005. S. aber auch die eigenständige Kommentierung von Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I. RegE AnSVG, S. 37. Dass das sog. Scalping Marktmanipulation (und nicht Insiderhandelsverstoß) ist, wird von BGH v. 6.11.2003 – 1 StR 24/03, BGHSt 48, 374 tragend mit europarechtlichen Erwägungen begründet; s. noch unten Rz. 235. S. RegE AnSVG, S. 38 u.ö., Beschl. und Ber. Fin. AnSVG, S. 65 u.ö. S. BR-Drucks. 18/05, S. 2.
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wendbar1. Insofern heißt es in der amtlichen Begründung der MaKonV zutreffend, der Regelungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 – Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen – sei nunmehr „dem nationalen Gesetz- und Verordnungsgeber entzogen“2. 3. Vorgeschlagene Ersetzung des § 20a WpHG durch Unionsverordnungsrecht Gestützt auf Art. 114 AEUV hat die Europäische Kommission am 20.10.2011 einen 25a Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (KOM[2011] 651 endgültig) vorgelegt, der das bisherige europäische Gemeinschaftsrecht ersetzen soll. Da es sich um unmittelbar und vorrangig geltendes Unionsverordnungsrecht handeln soll, hätte die Verabschiedung des Vorschlages die Folge, dass neben dem Insiderrecht des WpHG auch § 20a WpHG weitestgehend unanwendbar und durch Vorschriften ersetzt würde, die im Vorschlag wie folgt lauten: Artikel 8. Marktmanipulation 1. Für die Zwecke dieser Verordnung umfasst der Begriff „Marktmanipulation“ folgende Handlungen: (a)Abschluss eines Geschäfts, Erteilung eines Handelsauftrags sowie jede andere Handlung, die – falsche oder irreführende Signale hinsichtlich des Angebots, der Nachfrage oder des Preises eines Finanzinstruments oder eines damit verbundenen Waren-Spot-Geschäfts aussendet oder hierzu geeignet ist, oder – die Erzielung eines anormalen oder künstlichen Kursniveaus eines oder mehrerer Finanzinstrumente oder eines damit verbundenen Waren-SpotKontrakts sichert oder hierzu geeignet ist; (b) Abschluss eines Geschäfts, Erteilung eines Handelsauftrags und jegliche sonstige Handlung an Finanzmärkten, die unter Vorspiegelung falscher Tatsachen oder unter Verwendung sonstiger Kunstgriffe oder Formen der Täuschung den Kurs eines oder mehrerer Finanzinstrumente oder eines damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakts beeinflusst, oder (c) Verbreitung von Informationen über die Medien einschließlich des Internets oder auf anderem Wege mit den unter Buchstabe a genannten Folgen, wenn die Person, die diese Informationen verbreitet hat, wusste oder hätte wissen müssen, dass sie falsch oder irreführend waren. Werden Informationen für journalistische Zwecke verbreitet, so ist diese Informationsverbreitung anhand der Regeln der Pressefreiheit und der Freiheit des Ausdrucks in anderen Medien zu beurteilen, es sei denn, – den betreffenden Personen erwächst unmittelbar oder mittelbar ein Vorteil oder Gewinn aus der Verbreitung der betreffenden Information, oder 1 Da die Marktmissbrauchsrichtlinie mittlerweile durch das AnSVG umgesetzt worden und die Umsetzungsfrist (12.10.2004, Art. 18 Abs. 1 Marktmissbrauchsrichtlinie) abgelaufen ist, kann auch nicht mehr – wie es deutsche Stellen getan haben – argumentiert werden, die Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 diene gemäß ihrem Art. 1 nur der Ausfüllung des Art. 8 Marktmissbrauchsrichtlinie und könne jedenfalls nicht vor dessen Umsetzung Rechtsverbindlichkeit beanspruchen. S. im Übrigen Vor § 20a Rz. 10 m.w.N. 2 BR-Drucks. 18/05, S. 10.
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– die Offenlegung oder Verbreitung erfolgt in der Absicht, den Markt in Bezug auf das Angebot von Finanzinstrumenten, die Nachfrage danach oder ihren Kurs irrezuführen. 2. Für die Zwecke dieser Verordnung umfasst der Begriff der versuchten Marktmanipulation folgende Handlungen: (a)den Versuch, ein Geschäft abzuschließen, einen Handelsauftrag zu erteilen oder jede andere Handlung nach Absatz 1 Buchstabe a oder b auszuführen, oder (b) den Versuch, Informationen nach Absatz 1 Buchstabe c zu verbreiten. 3. Nachfolgende Handlungen gelten als Marktmanipulation oder versuchte Marktmanipulation: (a)Sicherung einer marktbeherrschenden Stellung in Bezug auf das Angebot eines Finanzinstruments oder damit verbundener Waren-Spot-Kontrakte oder die Nachfrage danach durch eine Person oder mehrere in Absprache handelnde Personen mit der Folge einer direkten oder indirekten Festsetzung des Kaufoder Verkaufspreises oder anderer unlauterer Handelsbedingungen; (b) Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten bei Börsenschluss mit der Folge oder Absicht, dass Anleger, die aufgrund des Schlusskurses tätig werden, irregeführt werden; (c) die Übermittlung von Kauf- oder Verkaufsaufträgen an einen Handelsplatz mittels algorithmischen Handels, einschließlich Hochfrequenzhandels, ohne die Absicht zu handeln, sondern um – das Funktionieren des Handelssystems des Handelsplatzes zu stören oder zu verzögern, – Dritten die Ermittlung echter Kauf- oder Verkaufsaufträge im Handelssystem des Handelsplatzes zu erschweren oder – einen falschen oder irreführenden Eindruck hinsichtlich des Angebots eines Finanzinstruments oder der Nachfrage danach zu erwecken; (d) Ausnutzung eines gelegentlichen oder regelmäßigen Zugangs zu den traditionellen oder elektronischen Medien durch Abgabe einer Stellungnahme zu einem Finanzinstrument oder einem damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakt (oder indirekt zu dessen Emittenten), wobei zuvor Positionen bei diesem Finanzinstrument oder einen damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakt eingegangen wurden und anschließend Nutzen aus den Auswirkungen der Stellungnahme auf den Kurs dieses Finanzinstruments oder einen damit verbundenen Waren-Spot-Kontrakt gezogen wird, ohne dass der Öffentlichkeit gleichzeitig dieser Interessenkonflikt ordnungsgemäß und wirksam mitgeteilt wird; (e) Kauf oder Verkauf von Emissionszertifikaten oder deren Derivaten auf dem Sekundärmarkt vor der Versteigerung gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1031/2010 mit der Folge, dass der Auktionsclearingpreis für die Auktionsobjekte auf anormaler oder künstlicher Höhe festgesetzt wird oder dass Bieter, die auf den Versteigerungen bieten, irregeführt werden. 4. Für die Anwendung von Artikel 8 Absatz 1 Buchstaben a und b dieser Verordnung und unbeschadet der in Absatz 3 aufgeführten Formen von Handlungen enthält Anhang I eine nicht erschöpfende Aufzählung von Indikatoren in Bezug auf die Vorspiegelung falscher Tatsachen oder sonstige Kunstgriffe oder Formen der Täuschung und eine nicht erschöpfende Aufzählung von Indikatoren in Be-
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zug auf falsche oder irreführende Signale und die Sicherung des Erzielens bestimmter Kurse. 5. Die Kommission kann mittels delegierter Rechtsakte nach Artikel 31 Maßnahmen zur Präzisierung der in Anhang I festgelegten Indikatoren erlassen, um deren Elemente zu klären und den technischen Entwicklungen auf den Finanzmärkten Rechnung zu tragen. Artikel 10. Verbot der Marktmanipulation Marktmanipulation und der Versuch hierzu sind verboten. Wie sich hieraus und aus anderen Vorschriften des Vorschlages ergibt, soll das Markt- 25b manipulationsverbot in verschiedener Hinsicht erweitert werden, namentlich dadurch, dass – nicht an geregelten Märkten zugelassene Finanzinstrumente einbezogen werden sollen, die auf multilateralen oder organisierten Handelssystemen mindestens eines Mitgliedstaats gehandelt werden (Art. 2 Abs. 1 [b] Vorschlag); – Derivatkontrakte und Waren-Spot-Kontrakte einbezogen werden sollen, wenn sich die diesbezügliche Manipulation auf Finanzinstrumente auswirken kann (Art. 2 Abs. 3 Vorschlag); – missbräuchliche Formen des algorithmischen Handels einschließlich Hochfrequenzhandel ausdrücklich einbezogen werden sollen (Art. 8 Abs. 3 [c] Vorschlag) und – der Versuch der Marktmanipulation verboten werden soll (Art. 8 Abs. 2, Art. 10 Vorschlag). Zwar wird im Einzelnen über diese Vorschläge gestritten werden können und müssen. Im Grundsatz ist es aber richtig, dass das bereits harmonisierte Richtlinienrecht der Marktmanipulation durch unionsweit einheitlich geltendes Unionsverordnungsrecht abgelöst und zugleich fortentwickelt wird; das schafft Rechtseinheit und Rechtssicherheit für die Kapitalmarktakteure in Europa.
IV. Schutzzweck Bereits zu § 88 BörsG a.F., der Vorläufervorschrift von § 20a WpHG (s. Vor § 20a Rz. 1), war umstritten, ob der Schutzzweck der Norm eher überindividuell – namentlich als Schutz der Zuverlässigkeit und Wahrheit der Preisbildung an Börsen und Märkten im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit – oder eher individuell – namentlich als Anlegerschutz oder (konkreter) Schutz des Vermögens der Anleger – aufzufassen war. Der Gesetzgeber und die h.A. waren der Auffassung, dass § 88 BörsG a.F. nur mittelbar Anleger- und Vermögensschutz intendiere, der also nur Schutzreflex sei, und im Vordergrund eine überindividuelle Schutzrichtung stehe1. Praktische Bedeutung gewann der Streit bei der Frage, ob durch Kursbetrug geschädigte Anleger von den Verantwortlichen Schadenersatz nach § 823 Abs. 2 BGB, § 88 BörsG a.F. verlangen konnten. Im bekannten Fall Infomatec hatte das LG Augsburg (3. Zivilkammer) 1 S. BT-Drucks. 10/318, S. 45 (= RegE 2. WiKG, s. oben Vor § 20a Rz. 2); Fuhrmann, in: Erbs/ Kohlhaas, § 88 BörsG Rz. 2 (nur mittelbar auch Anlegerschutz); Groß, 2. Aufl., § 88 BörsG Rz. 1; Ledermann, in: Schäfer, 1. Aufl., § 88 BörsG Rz. 1; Schwark, 2. Aufl., § 88 BörsG Rz. 1.
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die Frage in einem aufsehenerregenden, aber vereinzelt gebliebenen und auf Berufung der Beklagten vom OLG München1 aufgehobenen Urteil bejaht2. Demgegenüber entschied der BGH in seinem (ersten und für die Praxis maßgeblichen) Grundsatzurteil zum Fall Infomatic, dass § 88 BörsG a.F. kein Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2 BGB sei. Das Gesetz erstrebe keinen besonderen Schadensersatzanspruch zum Schutz (auch) der Individualinteressen des Einzelnen, und auch europarechtliche Vorgaben zwängen nicht dazu, in berichtigender Auslegung des deutschen Rechts einen solchen Anspruch anzuerkennen3. Diese Auffassung entsprach der h.A. zu § 88 BörsG a.F.4 und auch der Rechtsprechung des BVerfG, das – wenn auch in anderem Zusammenhang – davon ausging, es sei kaum vertretbar, § 88 BörsG a.F. als individualschützend anzusehen5. 27
Der Streit hat sich bei § 20a WpHG (i.V.m. §§ 38, 39 WpHG) fortgesetzt und ist bis heute nicht abschließend höchstrichterlich entschieden. Allerdings hat der 5. Strafsenat des BGH in einem strafrechtlichen Fall, der eine Verurteilung wegen Marktmanipulation in Tateinheit mit Insiderhandel betraf, obiter dictum ausgesprochen, eine anleger- und drittschützende Wirkung des § 38 Abs. 1 Nr. 1 WpHG liege jedenfalls in den Fällen nahe, „bei denen die Tat manipulativ unmittelbar auf eine Schädigung der Erwerber der Wertpapiere gerichtet ist“6. Demgegenüber hat sich insbesondere das LG Berlin7 auf den Standpunkt gestellt, bei § 20a WpHG stehe die Funktionsfähigkeit der überwachten Wertpapiermärkte im Vordergrund und die Stärkung des Anlegerschutzes sei nur ein untergeordnetes Gesetzesziel. Die Vorschrift sei als Nachfolgevorschrift des § 88 BörsG a.F. wie dieser zu verstehen; weder aus den Materialien zum 4. FFG noch denen zum AnSVG ergebe sich Durchgreifendes für eine Schutzzweckänderung. Dem hat sich ein Gutteil der Lehre angeschlossen, wenngleich der überindividuelle Schutzzweck im Einzelnen abweichend bezeichnet wird, z.B. als Zuverlässigkeit und Wahrheit der Preisbildung an Börsen8, Funktionsschutz der Leistungsfähigkeit der kapitalmarktbezogenen Einrichtungen und Ablaufmechanismen9 oder auch um „überindividuellen Vermögensschutz“10. 1 OLG München v. 1.10.2002 – 30 U 855701, AG 2003, 106 = NJW 2003, 144 = ZIP 2002, 1989. 2 Fall Infomatec, LG Augsburg v. 24.9.2001 – 3 O 4995/00, WM 2001, 1944; zustimmend Rodewald/Siems, BB 2001, 2439 ff.; ablehnend Barnert, WM 2002, 1478 ff.; Rieckers, BB 2002, 1215 ff.; Thümmel, DB 2001, 2322 f. 3 BGH v. 19.7.2004 – II ZR 218/03, BGHZ 160, 134 (139 ff.) = NJW 2004, 2664 = ZIP 2004, 1599 = BB 2004, 1812 = WM 2004, 1731 = NZG 2004, 816 = AG 2004, 543 = DStR 2004, 1486 mit Bspr. Edelmann, BB 2004, 2031; Fleischer, DB 2004, 2031; Gerber, DStR 2004, 1793; Goette, DStR 2005, 561; Körner, NJW 2004, 3386; Kort, AG 2005, 21; Liesch, ZIP 2004, 1573. 4 S. weiterhin die soeben zitierten ablehnenden Stellungnahmen und LG Augsburg (6. Zivilkammer) v. 9.1.2002 – 6 O 1640/01, WM 2002, 592. 5 BVerfG v. 24.9.2002 – 2 BvR 742/02, NJW 2003, 501 = WM 2002, 2207 = ZIP 2002, 1986 mit Bspr. Möller, ZIP 2002, 1995 ff. 6 BGH v. 27.1.2010 – 5 StR 254/09, NStZ 2010, 326 = wistra 2010, 141 (unter Verweis auf BGH v. 19.12.2006 – XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226 [232]; diese Entscheidung betrifft freilich die Frage nach dem durch §§ 31, 32 WpHG vermittelten Drittschutz). 7 LG Berlin v. 8.3.2005 – (505) 3 Wi Js 82/04 (11/04), wistra 2005, 277 (278 f.) = ZInsO 2005, 661; LG Berlin v. 20.5.2008 – 514 AR 1/07, WM 2008, 1470 (1472) = ZBB 2008, 258 = ZIP 2008, 1826 = EWiR 2008, 617 mit Anm. Mock; LG Berlin v. 15.2.2010 – (159) 3 Wi Js 1665/07 KLs (03/09), Juris. 8 Schröder, in: Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 372. 9 Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 10. 10 Barnert, WM 2002, 1473 (1483); Baums, ZHR 166 (2002), 375 (379); Eichelberger, S. 109 ff., 363 ff.; Fleischer, NJW 2002, 2977 (2979); Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 154; Groß,
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Auf der anderen Seite misst eine vordringende Auffassung § 20a WpHG nur oder 28 zumindest auch einen individualschützenden Zweck bei, der im Anlegerschutz als solchen oder – konkreter – im Anlegervermögensschutz erblickt wird1. Begründet wird das mit Vorbehalten gegen vage überindividuelle Rechtsgüter im Wirtschafts(straf)recht, mit der Inhaltsleere tautologischer Schutzgutformulierungen wie „Wahrheit der Preisbildung“2, vor allem aber damit, dass die wohl h.L. zu Unrecht die überwiegende Auffassung zu § 88 BörsG a.F. fortschreibe und die geänderte Einstellung des Gesetzgebers des 4. FFG und des AnSVG ignoriere: Das 4. FFG bezwecke allgemein und besonders mit dem Verbot der Kurs- und Marktpreismanipulation, „den Anlegerschutz zu stärken“3. Und auch zum AnSVG habe der Gesetzgeber seinen Willen erklärt, „den Anlegerschutz im Bereich der Kapitalmarktinformation und des Schutzes vor unzulässigen Marktpraktiken“ zu verbessern4. Für einen wissenschaftlich begründeten Standpunkt muss bedacht werden, dass ei- 29 nerseits petitiones principii drohen, wenn der Schutzzweck einer Norm durch an sie von außen herangetragene pauschale Schutzzweck- oder, strafrechtlich gesprochen, Rechtsgutsbehauptungen festgelegt wird, während andererseits ein logischer Zirkel droht, wenn der Schutzzweck bzw. das Rechtsgut erst durch Auslegung der Norm ermittelt und dann wieder für die Auslegung fruchtbar gemacht wird. Vielmehr ist eine differenzierende Lösung vorzuziehen, die zwischen den Interpretationsfragen einerseits – z.B. aus wessen Perspektive die Erheblichkeit der für die Bewertung eines Vermögensgegenstandes maßgeblichen Umstände zu beurteilen ist: aus derjenigen der (welcher?) Anleger oder (auch oder nur) aus der des Kapitalmarkts und der dortigen Usancen? – und der Drittschutzfrage andererseits – können Schadensersatzansprüche gegen Marktmanipulatoren gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 20a WpHG bestehen? – unterscheidet: Für die teleologische Auslegung des § 20a WpHG (i.V.m. §§ 38 Abs. 2, 39 Abs. 1 30 Nrn. 1, 2, Abs. 2 Nr. 11 WpHG) spielt der Anlegerschutz ersichtlich eine wichtige Rolle. Bei den Fragen, ob ein Umstand erheblich ist (s. noch unten Rz. 68 ff.) oder ob eine sonstige Täuschungshandlung vorliegt (s. noch unten Rz. 210 ff.), sind ersichtlich die Perspektive des Anlegerpublikums und dessen Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit mitentscheidend. Anlegerschutz beinhaltet Anlegervermögensschutz, ist hierauf aber nicht beschränkt. Auch logisch ist zu bedenken, dass von Marktmanipulationen alle Marktteilnehmer profitieren, die „auf der Seite“ des Manipulators stehen5; die anlegervermögensschützende Richtung des Marktmanipulationsverbots6 beschränkt sich daher auf die „Gegenseite“ des Manipulators. Auf der anderen Seite
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WM 2002, 477 (484); Möller, WM 2002, 310 (313); Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rz. 14.178; Papachristou, S. 156; Schmitz, wistra 2002, 208 (212); Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 373; Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 7; Schwark, in: FS Kümpel, S. 485 (499); Waschkeit, S. 305 ff. Altenhain, BB 2002, 1874 (1875); Altenhain, in: KölnKomm. WpHG, § 38 Rz. 3 ff. und Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 426 ff., 432; Dühn, Schadensersatzhaftung börsennotierter Aktiengesellschaften für fehlerhafte Kapitalmarktinformation, 2003, S. 186 ff.; Ekkenga, ZIP 2004, 781 ff.; Leisch, ZIP 2004, 1573 (1578); Lenzen, ZBB 2002, 279 (284); Möllers, ZBB 2003, 390 (400); Tripmaker, wistra 2002, 288 (291); Ziouvas, ZGR 2003, 113 (143 f.); differenzierend Sorgenfrei, wistra 2002, 321 (322). Mit Recht krit. Altenhain, in: KölnKomm. WpHG, § 38 Rz. 2. RegE 4. FFG, S. 62 f. RegE AnSVG, S. 26 u.ö. Zutr. Eichelberger, S. 109 f. – Manipulieren beispielsweise Leerverkäufer Marktpreise nach unten, so nützt das auch nicht manipulationsbeteiligten Käufern, die „zu billig“ kaufen. Betont von Altenhain, in: KölnKomm. WpHG, § 38 Rz. 3.
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kann die Gesetzeslage, dass der Schwerpunkt des Schutzes auf börsenüberwachten Werten liegt (s. noch unten Rz. 35 ff.)1, nicht anders als überindividuell erklärt werden, nämlich dadurch, dass es dem Gesetzgeber um den Schutz der Preisbildung auf und der Funktionsfähigkeit von überwachten Märkten2 geht. Strafrechtlich gesprochen schützen §§ 20a, 38 Abs. 2, 39 Abs. 1 Nr. 1, 2, Abs. 2 Nr. 11 WpHG also ein komplexes Rechtsgut, das individuelle und überindividuelle Elemente aufweist, sich freilich nicht im Anlegervermögensschutz erschöpft. 31
Davon zu trennen ist die zivilrechtliche Frage, ob § 20a WpHG Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2 BGB ist. Ein Schutzgesetz liegt vor, wenn die Norm wenigstens auch die Interessen des Einzelnen unmittelbar, d.h. gezielt schützen soll und ein Schadensersatzanspruch vom Gesetz tatsächlich erstrebt wird3. An Letzterem bestehen Zweifel, weil mit dem 4. FFG in §§ 37b, c WpHG gesonderte Schadensersatzansprüche bei unterlassener Veröffentlichung kursbeeinflussender Tatsachen durch einen Emittenten eingeführt worden sind – was der Gesetzgeber auch im nunmehrigen Abschnitt 4 hätte tun können, hätte er einen Schadensersatzanspruch bei Marktmanipulation begründen wollen. Freilich setzt ein derartiger Umkehrschluss voraus, dass §§ 37b, c WpHG eine Regelung beinhalten sollten, wozu die Materialien schweigen. Deshalb bleibt es andererseits ambivalent, dass der Gesetzgeber bei § 20a WpHG keine § 15 Abs. 6 Satz 1 WpHG (hierzu § 15 Rz. 307 ff.) entsprechende Haftungsausschlussklausel vorsieht. Im Übrigen nennen die Materialien zwar die Stärkung des Anlegerschutzes als allgemeines Gesetzesziel; jedoch stand bei der konkreten Begründung zu § 20a WpHG die Funktionsfähigkeit der überwachten Wertpapiermärkte eindeutig im Vordergrund (s. RegE 4. FFG, S. 89 und soeben Rz. 30). Dies spricht dagegen, dass ein Schadensersatzanspruch vom Gesetz tatsächlich erstrebt wird. Richtlinienkonforme Auslegung führt zu keinem anderen Ergebnis. In den Erwägungsgründen (2) und (12) der Marktmissbrauchsrichtlinie (s. Vor § 20a Rz. 11 f.) werden nur überindividuelle Ziele genannt, nämlich die Sicherstellung der Integrität der Finanzmärkte der Gemeinschaft und die Stärkung des Vertrauens der Anleger in die Märkte. Systematisch ist zu bedenken, dass Marktmanipulation einerseits und Insiderhandel andererseits Varianten des Marktmissbrauchs sind (s. Vor § 20a Rz. 12). Zum Insiderhandelsverbot wird überwiegend vertreten, dass es keinen Schutzgesetzcharakter habe (§ 14 Rz. 208 ff.). Es liegt nahe, dies auf das Marktmanipulationsverbot zu übertragen. Nicht entscheidend für einen Schutzgesetzcharakter spricht, dass der BGH4 ihn für den Kapitalanlagebetrug (§ 264a StGB) bejaht hat. Denn die durch das 2. WiKG (Vor § 20a Rz. 1) bewirkte Trennung von Kurs- und Kapitalanlagebetrug ist durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz nicht aufgegeben, sondern verstärkt worden. Schließlich ist zu bedenken, dass die Rechtsprechung dazu tendiert, strafund bußgeldbewehrten Vorschriften dann den Schutzgesetzcharakter abzusprechen, wenn die schützenswerten Interessen der Betroffenen in anderer Weise abgesichert erscheinen5. Der Schutz gegen Marktmanipulation wird aber einerseits durch Börsengeschäftsführung, Handelsüberwachung und Börsenaufsicht, andererseits durch das straf- und bußgeldbewehrte Verbot des § 20a WpHG selbst und dessen Überwachung durch die Bundesanstalt bewirkt. Insgesamt sprechen die besseren Argumente dafür, dass § 20a WpHG weiterhin kein Schutzgesetz zugunsten der Anleger i.S. von § 823 Abs. 2 BGB ist. 1 Krit. zu dieser Argumentation Altenhain, in: KölnKomm. WpHG, § 38 Rz. 5. 2 So ausdrücklich RegE 4. FFG, S. 89. 3 S. BGH v. 29.6.1982 – VI ZR 33/81, BGHZ 84, 312 (314); BGH v. 21.10.1991 – II ZR 204/90, BGHZ 116, 7 (13 f.); BGH v. 13.4.1994 – II ZR 16/93, BGHZ 125, 366 (374). 4 BGH v. 21.10.1991 – II ZR 204/90, BGHZ 116, 7. 5 BGH v. 29.6.1982 – VI ZR 33/81, BGHZ 84, 312 (317).
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Die weitere zivilrechtliche Frage, ob Geschäfte, die unter Verstoß gegen § 20a WpHG 32 vorgenommen worden sind, nach § 134 BGB nichtig sind, ist wie bei § 14 WpHG (dort Rz. 206 f.) zu beantworten: Jedenfalls bei nur einseitigem Verstoß bleibt es bei der Wirksamkeit1. Bei beiderseitigem Verstoß, insbesondere bei bloß fiktiven Geschäften (Vor § 20a Rz. 35 und noch unten Rz. 219), ergibt sich die Nichtigkeit häufig (aber nicht zwingend) bereits aus § 117 Abs. 1 BGB.
V. Schutzbereich 1. Gegenständlicher Schutzbereich a) Finanzinstrumente (§ 20a Abs. 1 Satz 2, 3 WpHG) § 20a Abs. 1 Satz 2 WpHG i.d.F. des 4. FFG umschrieb den gegenständlichen Schutz- 33 bereich des damaligen Kurs- und Marktpreismanipulationsverbots mit dem Begriff „Vermögenswerte“ (näher 3. Aufl. des Kommentars Rz. 19 ff.). Das stand bereits terminologisch nicht im Einklang mit Art. 1 Nr. 2 i.V.m. Nr. 3 Marktmissbrauchsrichtlinie, wonach sich das Marktmanipulationsverbot gegenständlich auf „Finanzinstrumente“ bezieht. Mit dem AnSVG hat sich der deutsche Gesetzgeber der europarechtlichen Vorgabe angeschlossen und in § 2 Abs. 2b WpHG (s. die dortige Kommentierung) den Begriff „Finanzinstrument“ eingeführt, der einheitlich für sämtliche Regelungen der Abschnitte 3 und 4 sowie der §§ 34b und c WpHG maßgeblich ist (RegE AnSVG, S. 29) und auch in § 20a Abs. 1 Satz 2 WpHG i.d.F. des AnSVG verwendet wird (RegE AnSVG, S. 37). Die inhaltlichen Änderungen des § 2 WpHG durch Art. 1 Nr. 2 FRUG haben diese Regelungsstruktur unberührt gelassen. Gemäß § 2 Abs. 2b WpHG sind Finanzinstrumente Wertpapiere i.S. des § 2 Abs. 1 34 WpHG (näher § 2 Rz. 7 ff.), Geldmarktinstrumente i.S. des § 2 Abs. 1a WpHG (näher § 2 Rz. 35 ff.), Derivate i.S. des § 2 Abs. 2 WpHG (näher § 2 Rz. 38 ff.) und Rechte auf Zeichnung von Wertpapieren (näher hierzu § 2 Rz. 60). Der frühere § 2 Abs. 2b Satz 2 WpHG, der im Einklang mit Art. 1 Nr. 3 letzter Spiegelstrich Marktmissbrauchsrichtlinie bestimmte, dass als Finanzinstrumente auch alle „sonstigen Instrumente“ galten, die zum Handel an einem organisierten Markt in der Europäischen Union zugelassen waren oder für die eine solche Zulassung beantragt worden war, ist durch Art. 1 Nr. 2e FRUG gestrichen worden, da sich angesichts des umfangreichen Katalogs in Anhang I Abschnitt C Finanzmarktrichtlinie ein solcher Auffangtatbestand erübrigt (RegE FRUG, S. 11; näher § 2 Rz. 58). Die insoweit in der 4. Aufl. des Kommentars Rz. 25 geäußerten rechtsstaatlichen Bedenken (Generalklausel, Bestimmtheit) sind daher gegenstandslos geworden. Die Frage, ob Leerverkäufe als solche Finanzinstrumente sind2, stellt sich bei § 20a WpHG nur, soweit sie börsenüberwacht sind und mit ihnen gehandelt wird; zur anders liegenden Frage, inwieweit durch Leerverkäufe Börsen- oder Marktpreise manipuliert werden können, s. unten Rz. 151a ff. Zudem verlangt § 20a Abs. 1 Satz 2 WpHG, dass die Finanzinstrumente, um Gegen- 35 stand des Marktmanipulationsverbots sein zu können, im Grundsatz im EU/EWiRRaum börsenüberwacht3 sein müssen. Die Instrumente müssen entweder an einer 1 Ebenso Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 20a WpHG Rz. 83. 2 De lege lata verneinend Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 8. 3 Ebenso Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 7 f.; unscharf Ziouvas, ZGR 2003, 113 (123 u.ö.): „börsennotiert“; vertiefend Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 30 f.; s. weiterhin Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 10 f.
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inländischen Börse zum Handel zugelassen (s. § 32 BörsG) oder in den regulierten Markt (s. § 33 BörsG) oder in den Freiverkehr (s. § 48 BörsG) an einer solchen Börse einbezogen sein (Nr. 1). Unter inländischer Börse ist eine Börse i.S. von § 2 Abs. 1 BörsG zu verstehen, die gemäß § 4 BörsG erlaubt ist (sog. formeller Börsenbegriff)1. Erfasst sind nicht nur die deutschen Wertpapierbörsen (d.h. die acht deutschen Börsenplätze), sondern z.B. auch die Warenterminbörse Hannover (RMX Risk Management Exchange) und die European Energy Exchange Leipzig2, was im Hinblick auf die über § 20a Abs. 4 erfasste Manipulation von Warenmärkten auch sinnvoll ist (s. unten Rz. 42 ff.). Nach der Zusammenführung der beiden früheren Wertpapiermarktsegmente „amtlicher“ und „geregelter“ Markt zum „regulierten“ Markt sind Zulassung und Einbeziehung nur mehr unterschiedliche Zugangswege zu diesem Markt. Früher drittes und heute zweites Wertpapiermarktsegment3 ist der – gleichfalls börsenüberwachte – Freiverkehr. – Weiterhin erfasst sind alle Finanzinstrumente, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder einem Vertragsstaat des EWiR zum Handel an einem organisierten Markt i.S. von § 2 Abs. 5 WpHG (s. dort Rz. 158) zugelassen sind (Nr. 2). Marktsegmente, die dem deutschem Freiverkehr entsprechen, sind keine organisierten Märkte, desgleichen nicht Warenmärkte4. Eine bloße Einbeziehung wie nach deutschem Recht genügt nicht (was für im EWiR gehandelte Finanzinstrumente allerdings unerheblich ist, weil sie mindestens an einem organisierten Markt zugelassen sein müssen). 36
Nicht in den Schutzbereich des § 20a WpHG einbezogen sind Finanzinstrumente, die lediglich in einem Drittstaat außerhalb des EU/EWiR-Raums börsenüberwacht sind, z.B. lediglich in den Vereinigten Staaten von Amerika zum Handel zugelassen bzw. in ihn einbezogen sind5. Die Manipulation des Preises eines solchen Finanzinstruments ist auch dann nicht verbotswidrig, wenn sie vom Inland aus erfolgt, es sei denn, es handele sich um ein auch zum Handel an einer inländischen Börse oder einem organisierten Markt im EWiR-Raum zugelassenes oder in den inländischen regulierten Markt bzw. Freiverkehr einbezogenes Instrument (vgl. 4. Aufl. des Kommentars Rz. 34).
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Alles das entspricht der Regelung bei den Insiderpapieren in § 12 Satz 1 Nr. 1, 2 WpHG (s. dort Rz. 5 ff.) und erklärt sich wie dort aus der Erwägung, dass Insiderhandels- und Marktmanipulationsverbot nur die Funktionsfähigkeit der überwachten europäischen Wertpapiermärkte schützen sollen (s. RegE 4. FFG, S. 89 zu § 20a WpHG). In Bezug auf nicht überwachte Märkte und Anleger, die sich dort betätigen, sieht der Gesetzgeber kein über die allgemeinen Strafvorschriften (namentlich §§ 263 ff. StGB) hinausgehendes Strafschutzbedürfnis6. Allerdings darf die Tragweite dieser Schutzbereichseinschränkung nicht überschätzt werden7: Es reicht aus, dass ein Finanzinstrument an einer einzigen inländischen Börse zugelassen bzw. einbezogen bzw. an einem einzigen organisierten Markt im EU/EWiR-Raum zugelassen ist; dann ist auch die Manipulation eines außerbörslichen Marktpreises (s. hierzu unten Rz. 114) auch durch außerbörsliches Manipulationsverhalten (s. hierzu unten Rz. 41) von § 20a WpHG erfasst. Im Übrigen sind wegen § 20 Abs. 1 Satz 3 WpHG auch der 1 2 3 4 5 6
Zutr. Eichelberger, S. 208. Zutr. Eichelberger, S. 210. S. hierzu Eichelberger, S. 209. Zum Problem Eichelberger, S. 213 mit Fn. 81. Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 142. Ziouvas, ZGR 2003, 113 (125); bedenkenswerte Kritik an dieser Argumentation bei Eichelberger, S. 214 f. 7 Zutr. Eichelberger, S. 219 f.
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Handel per Erscheinen und die bookbuilding-Phase bei noch nicht zugelassenen bzw. einbezogenen Finanzinstrumenten erfasst (s. noch unten Rz. 40). Nicht in den Schutzbereich des Marktmanipulationsverbots des § 20a WpHG fallen daher lediglich Finanzinstrumente des EU/EWiR-Raums, die ausschließlich auf nicht börsenüberwachten Märkten gehandelt werden. Hierzu gehören zum einen Finanzinstrumente, die ausschließlich auf alternativen Handelssystemen (alternative trade systems – ATS, auch proprietary trade systems – PTS), namentlich multilateralen Handelssystemen, aber auch systematischen Internalisierungssystemen, im telefonischen Interbankenhandel u.a.m. gehandelt werden. So werden bestimmte Derivative ausschließlich in ATS oder PTS gehandelt und unterfallen dann nicht dem Schutzbereich des § 20a WpHG (wie es etwa bei manchen der sog. Credit Default Swaps [CDS] der Fall war, die im Mittelpunkt der Weltfinanzkrise 2008 standen). Zum anderen sind Finanzinstrumente, die ausschließlich auf dem sog. grauen Kapitalmarkt (s. § 12 Rz. 6) gehandelt werden, aus dem Schutzbereich des § 20a WpHG ausgeschlossen. Insbesondere sind die in § 88 BörsG a.F. noch aufgeführten „Anteile, die eine Beteiligung an dem Ergebnis eines Unternehmens gewähren sollen“, nicht mehr von § 20a WpHG erfasst, da solche Anteile, namentlich Beteiligungen an Abschreibungsgesellschaften und geschlossenen Immobilienfonds, nur am grauen Kapitalmarkt gehandelt werden1.
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§ 20a Abs. 1 Satz 2 WpHG i.d.F. des 4. FFG ließ nicht genügen, dass lediglich ein An- 39 trag auf Zulassung oder Einbeziehung gestellt oder öffentlich angekündigt war (näher 3. Aufl. Rz. 23). Das stand nicht im Einklang mit der Vorgabe des Art. 1 Nr. 3 letzter Spiegelstrich Marktmissbrauchsrichtlinie und führte zu einem Wertungswiderspruch mit dem weitergehenden Schutzbereich des Insiderhandelsverbots (§ 12 Satz 2 WpHG, s. § 12 Rz. 8). Diese Mängel hat der Gesetzgeber mit dem AnSVG behoben und mit § 20a Abs. 1 Satz 3 WpHG auch solche Finanzinstrumente in den Schutzbereich des Marktmanipulationsverbots einbezogen, für die ein Antrag auf Zulassung oder Einbeziehung gestellt oder auch nur öffentlich angekündigt ist. Ein Antrag ist gestellt, wenn er der Geschäftsführung einer Börse bzw. eines organisierten Markts zugegangen ist2. Er ist öffentlich angekündigt, wenn der Emittent oder ein Erklärungsbote oder -vertreter des Emittenten eine an unbestimmt viele Personen gerichtete Erklärung abgegeben hat, es sei beabsichtigt, einen Antrag zu stellen3. Gerüchte oder auch Indiskretionen Dritter sind noch keine „Ankündigung“ eines Antrags, desgleichen nicht unbestimmte Angaben wie z.B. die Mitteilung, ein Börsengang werde derzeit erwogen oder geprüft u. dgl. Damit werden insbesondere Marktmanipulationen, die sich auf den Ausgabebörsenoder -marktpreis von bevorstehenden Neuemissionen (initial public offerings – IPO) beziehen, in den Anwendungsbereich des § 20a WpHG einbezogen4. Mit anderen Worten werden insbesondere der sog. Handel per Erscheinen und im Grundsatz auch die sog. bookbuilding-Phase eines IPO dem Marktmanipulationsverbot unterworfen5. Das ist sinnvoll, weil der Ausgabepreis durch im Vorfeld der Neuemission gestreute 1 Ebenso Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 32. 2 Unklar BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 29: „der zuständigen Börse zugegangen“. 3 Unscharf BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 29: „wenn der Emittent oder ein anderweitiger Anbieter der Finanzinstrumente in einer an einen unbestimmten Personenkreis gerichteten und entsprechend publizierten Erklärung darauf hinweist, dass die Notierung der Papiere in dem Marktsegment beabsichtigt ist“. 4 Vgl. auch Ziouvas, ZGR 2003, 113 (123) m.N. 5 Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 127 ff.
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unrichtige Angaben beeinflusst werden kann; derartige Manipulationen konnten nach früherem Recht strafrechtlich nur als Kapitalanlagebetrug (§ 264a StGB) und zivilrechtlich nur nach den Regeln über die Prospekt- und Emissionshaftung erfasst werden. Auch nach früherem Recht war die nicht seltene Manipulation des Börsenoder Marktpreises von Finanzinstrumenten unmittelbar nach Emission durch § 20a WpHG erfasst; sie ist freilich von der legitimen Kurspflege in dieser heiklen Phase abzugrenzen1. Erst recht gilt § 20a WpHG für Sekundäremissionen (insbesondere Kapitalerhöhungen, secondary public offerings – SPO), die ein bereits börsenzugelassenes Finanzinstrument betreffen. 41
Für den Schutzbereich des § 20a WpHG ist es unerheblich, ob die Marktmanipulation als solche börslich oder außerbörslich getätigt wird. Das ist für „informations-“ und „handlungsgestützte“ Manipulationen (Vor § 20a Rz. 32 ff., 38) selbstverständlich; diese müssen, jene können außerbörslich – z.B. über Medien oder Börseninformationsdienste – ins Werk gesetzt werden. Aber auch bei „handelsgestützten“ Manipulationen (Vor § 20a Rz. 35 ff.) ist es nicht erforderlich, dass der manipulative Handel an einer inländischen Börse, am geregelten Markt oder zugelassenen Freiverkehr oder an einem von § 20a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 WpHG erfassten organisierten Markt getätigt wird. Vielmehr kann auch außerbörslicher Handel mit börsenüberwachten Finanzinstrumenten durch § 20a WpHG erfasst werden, sofern die weiteren Voraussetzungen der Vorschrift gegeben sind2. In Betracht kommen insbesondere der manipulative Handel in ATS und PTS, im Telefonverkehr bei manipulativem Interbankenhandel und (eher theoretisch) bei manipulativen Effektenaufträgen von Anlegern, die sich für außerbörsliche Ausführung entscheiden (vgl. § 33a und die dortige Kommentierung)3. Gleichermaßen unerheblich ist, ob der Manipulationserfolg in Gestalt einer Beeinflussung eines Börsenpreises oder eines außerbörslichen Marktpreises eintritt bzw. eintreten soll (s. unten Rz. 114). b) Waren, Emissionsberechtigungen und ausländische Zahlungsmittel (§ 20a Abs. 4 WpHG)
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Zu den „Vermögenswerten“ i.S. des § 20a Abs. 1 Satz 2 WpHG i.d.F. des 4. FFG zählten auch ausländische Zahlungsmittel i.S. des damaligen § 63 Abs. 2 BörsG sowie Waren. An dieser Rechtslage sollte sich durch das AnSVG nichts ändern (RegE AnSVG, S. 37). Mit dem EAEGÄndG sind Emissionsberechtigungen hinzugenommen worden. Deshalb ordnet der nunmehrige § 20a Abs. 4 WpHG an, dass § 20a Abs. 1–3 WpHG „entsprechend“ für Waren, Emissionsberechtigungen und ausländische Zahlungsmittel gelten. Ersichtlich zielt diese Bestimmung nicht auf eine analoge Anwendung des § 20a Abs. 1–3 WpHG, sondern darauf ab, den gegenständlichen Schutzbereich des Marktmanipulationsverbots um die genannten Gegenstände zu erweitern, und zwar unter den in § 20a Abs. 2 Satz 2, 3 WpHG genannten Voraussetzungen (Zulassung zum Handel, Einbeziehung in den regulierten Markt oder Freiverkehr oder entsprechender Antrag oder öffentliche Ankündigung des Antrags). Deshalb bleibt es auch im Rahmen des § 20a Abs. 4 WpHG dabei, dass der Handel
1 S. Ziouvas, ZGR 2003, 113 (137 f.); eingehend zu Stabilisierungsmaßnahmen unten Rz. 265 ff. 2 RegE 4. FFG, S. 89; vgl. auch Art. 9 Marktmissbrauchsrichtlinie; ebenso Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 8; Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 11; Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 32. 3 Näher Ziouvas, ZGR 2003, 113 (124 f.).
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mit Waren, Emissionsberechtigungen oder ausländischen Zahlungsmitteln außerhalb börsenüberwachter Märkte nicht dem Marktmanipulationsverbot unterfällt1. Waren sind in ihrer Funktion als Basiswerte (underlying) für Warenderivate in den 43 Schutzbereich einbezogen (RegE 4. FFG, S. 89). Entgegen gelegentlich geäußerter rechtspolitischer Kritik2 ist das sinnvoll, weil die Manipulation der Preise von Waren nicht ohne weiteres als Manipulation der Preise von Warenderivaten erfasst werden kann3. Die früher h.A. verstand unter Waren im kapitalmarktrechtlichen Sinne zum Börsenhandel geeignete bewegliche Sachen4. Nach geltendem Recht ist die Legaldefinition des durch Art. 1 Nr. 2e1) FRUG mit Wirkung vom 1.11.2007 eingefügten § 2 Abs. 2c WpHG maßgeblich: Waren im Sinne des WpHG sind fungible Wirtschaftsgüter, die geliefert werden können; dazu zählen auch Metalle, Erze und Legierungen, landwirtschaftliche Produkte und Energien wie Strom und Gas (näher § 2 Rz. 61). Neuerdings ist die Marktmanipulation auf den Energiemärkten namentlich für 43a Strom und Gas in den Blickpunkt von Öffentlichkeit und Politik geraten5. Soweit es um börsengehandelte Energie bzw. Derivate geht, ist § 20a WpHG bereits nach geltendem deutschen Recht anwendbar, beispielsweise wenn der Auktionspreis für Strom an der EEX dadurch manipuliert wird, dass Kapazitäten aus billig produzierenden Kraftwerken zurückgehalten werden. Noch nicht erfasst ist damit der (quantitativ bei weitem überwiegende) OTC-Handel mit Energie. Daher hat die Europäische Kommission den Vorschlag einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Integrität und Transparenz des Energiemarkts6 unterbreitet, den der Rat am 13.10.2011 angenommen hat7. Der Vorschlag bezieht sich auf die Strom- und Gasmärkte – gleich ob sie börsenüberwacht sind oder nicht – und verbietet hier Insider-Handel und Marktmanipulation, die zu überwachen und zu bestrafen sind, wobei die Überwachung den nationalen Regulierungsbehörden und der europäischen Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden obliegt, die insbesondere mit der europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA und den nationalen Wertpapieraufsichtsbehörden zusammenarbeiten. Mit dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG) vom 8.7.20048 ist die Grund- 43b lage für den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen in dem unionsweiten, auf der Richtlinie 2003/87/EG9 beruhenden Emissionshandelssystem geschaffen worden. In diesem System werden Emissionsberechtigungen, in § 3 Nr. 3 TEHG legal definiert als „Befugnis zur Emission von einer Tonne Kohlendioxidäquivalent in einem bestimmten Zeitraum“, seit 2010 entweder versteigert (§ 8 TEHG) oder kostenlos zugeteilt (§ 9 TEHG). In der Bundesrepublik Deutschland finden die 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Wie hier Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 385. S. Rössner/Worms, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 2. Aufl., § 9 Rz. 6. Zutr. Ziouvas, ZGR 2003, 113 (120 f.). RGZ 130, 85 (88); Eichelberger, S. 216 f.; Schwark, 2. Aufl., § 88 BörsG Rz. 3. S. hierzu BT-Drucks. 17/4469 (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Verhinderung von Marktmanipulationen an der Strombörse“, BT-Drucks. 17/4309); Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 100. KOM(2010) 726 endgültig v. 8.12.2010. Der Vorschlag trägt das englische Akronym REMIT (regulation on energy market integrity and transparency). S. hierzu das Dok. PE-CONS 34/11 v. 23.9.2011 mit der zwischen Rat und Parlament vereinbarten Kompromissfassung der REMIT. BGBl. I 2004, 1584, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 21.7.2011, BGBl. I 2011, 1475. – Zu den weiteren Rechtsgrundlagen und der Handelspraxis informativ die Website der DEHSt (http://www.dehst.de, abgerufen 15.8.2011). ABl. EU Nr. L 275 v. 25.10.2003 S. 32.
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Versteigerungen, bei denen die Kreditanstalt für Wiederaufbau Bankengruppe (KfW) als Verkäuferin auftritt, an der European Energy Exchange (EEX) in Leipzig statt. Zudem kann jede natürliche oder juristische Person mit (zugeteilten, ersteigerten oder sonst erworbenen) Emissionsberechtigungen handeln, die in dem von der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) geführten Emissionshandelsregister gehalten und übertragen werden, ohne dass die DEHSt selbst eine Handelsplattform anbietet bzw. als Maklerin tätig wird; vielmehr werden Emissionsberechtigungen (sowie auf sie bezogene Derivate, s. hierzu auch § 2 Abs. 2 Nr. 2 WpHG) insbesondere an der EEX gehandelt. Es liegt auf der Hand, dass hier erhebliche Marktmanipulationspotentiale bestehen. Deshalb hat der Gesetzgeber, ausgehend davon, dass Emissionsberechtigungen weder Finanzinstrumente noch Waren sind, sie durch das EAEGÄndG mit Wirkung vom 30.6.2009 in den Schutzbereich des Marktmanipulationsverbots einbezogen. Dabei entspricht die Manipulation einer Versteigerung von Emissionsberechtigungen an der EEX der eines IPO an einer Börse. 43c Ausländische Zahlungsmittel i.S. des § 51 (früher § 63 Abs. 2) BörsG sind außer ausländischen Geldsorten (zu denen der Euro nicht zählt, mag er auch im Ausland Zahlungsmittel sein), Auszahlungen, Anweisungen, Schecks und Wechsel, die auf fremde Währung lauten. Damit ist die Manipulation der Kurse ausländischer Währungen in den Schutzbereich des § 20a WpHG einbezogen. Intervenieren Zentralbanken auf Devisenbörsen, um ausländische Währungen zu stützen, ist das nicht ohne Weiteres zulässige „Kurspflege“1, unterfällt aber wegen § 1 Abs. 3 WpHG nicht dem Marktmanipulationsverbot des § 20a WpHG (s. unten Rz. 53). c) Hinweis auf § 88 BörsG a.F. (Alttaten) 44
Für vor dem 1.7.2002 begangene Alttaten (s. hierzu Vor § 20a Rz. 7) ist zu beachten, dass der gegenständliche Schutzbereich des § 88 BörsG a.F. deutliche Unterschiede zu dem des neuen Marktmanipulationsrechts aufweist2: Einerseits ist § 20a WpHG enger als § 88 BörsG a.F., da dieser auch nicht börsenhandelsfähige und lediglich außerbörslich gehandelte, somit nicht börsenüberwachte Gegenstände erfasste3. Andererseits ist § 20a WpHG weiter als § 88 BörsG a.F., da § 20a WpHG Wertpapiere im weiten, kapitalmarktrechtlichen Sinne – nicht nur, wie es der h.A. zu § 88 BörsG a.F. entsprach, im klassischen Sinne verbriefter Papiere4 – sowie die in § 88 BörsG a.F. nicht genannten Geldmarktinstrumente erfasst5. 2. Räumlicher Schutzbereich
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Angesichts der globalen Verflechung der Kapitalmärkte haben Marktmanipulationen nicht selten eine transnationale Dimension und – aus der Sicht der Bundesrepublik Deutschland – eine Auslandsberührung, sei es, dass im Inland zur Manipulation eines ausländischen Markts gehandelt wird, sei es, dass vom Ausland aus ein inländi1 2 3 4 5
So aber Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 101. Näher Ziouvas, ZGR 2003, 113 (119 ff.). Schwark, 2. Aufl., § 88 BörsG Rz. 4, 9. Ziouvas, ZGR 2003, 113 (119). Soweit § 88 BörsG a.F. Bezugsrechte erfasste (s. hierzu Schwark, 2. Aufl., § 88 BörsG Rz. 2; auch Tiedemann, in: Leipziger Kommentar StGB, 11. Aufl. [Stand: 1.10.1996], § 264a Rz. 27), besteht hingegen kein wesentlicher Unterschied zum nunmehrigen Recht, das von Rechten auf Zeichnung von Wertpapieren spricht (§ 2 Abs. 2b WpHG). Gemeint sind vor allem gesetzliche (z.B. §§ 186, 203 AktG) oder auch vertraglich begründete (vgl. § 187 AktG) Zeichnungsrechte.
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scher Markt manipuliert wird, oder sei es, dass eine im Ausland begangene Manipulation eines ausländischen Markts sich zugleich auf einen inländischen Markt auswirkt. In derartigen Fällen stellt sich die Frage nach der internationalen Anwendbarkeit des § 20a WpHG, und zwar sowohl in kapitalmarktrechtlicher Hinsicht (insbesondere mit Blick darauf, ob die Marktmanipulation in den Aufgaben- und Befugniskreis der Bundesanstalt fällt, vgl. § 4 WpHG) als auch in straf- und bußgeldrechtlicher Hinsicht. Die zuerst genannte Frage der internationalen kapitalmarktrechtlichen Anwendbar- 46 keit des § 20a WpHG1 ist – systematisch gesehen – eine Frage des internationalen Kapitalmarktrechts und allgemeiner gesprochen des internationalen Verwaltungsrechts, da die kapitalmarkt- und aufsichtsrechtliche Seite des § 20a WpHG zum Verwaltungsrecht zählt („öffentlich-rechtliches Verbot“2). Im Ausgangspunkt ist zwischen dem Geltungs- und dem Anwendungsbereich der Norm zu unterscheiden: Der Geltungsbereich des § 20a WpHG im Sinne des Gebietes, in dem Gerichte und 47 Behörden an § 20a WpHG gebunden sind und die Norm anwenden und durchsetzen („jurisdiction to enforce“), ist auf das Inland beschränkt3. Insbesondere kann die Bundesanstalt Maßnahmen der Überwachung der Einhaltung des Marktmanipulationsverbots und seiner Durchsetzung nur mit Wirkung im Inland anordnen und vollstrecken, wobei es allerdings nicht auf die Staatsangehörigkeit einer betroffenen natürlichen Person und das Rechtsstatut einer betroffenen juristischen Person (z.B. einer Ltd., die ihren Sitz auf deutschem Gebiet hat) ankommt (Territorialitätsprinzip). Demgegenüber ist der Anwendungsbereich des § 20a WpHG im Sinne des räumli- 48 chen Sitzes der Sachverhalte, auf welche die Norm anwendbar ist („jurisdiction to prescribe“), nicht zwingend auf das Inland beschränkt4. Vielmehr können Anwendungsbereiche öffentlich-rechtlicher Normen durchaus grenzüberschreitende Sachverhalte einschließen, was völkerrechtlich unbedenklich ist, wenn nur ein tragfähiger inländischer Anknüpfungspunkt („genuine link“) besteht5. In der Sache sind Anwendungsbereiche in erster Linie nach der gesetzlichen Regelung und in zweiter Linie durch Auslegung zu ermitteln6. In erster Linie maßgeblich ist deshalb die gesetzliche Regelung in § 1 Abs. 2 WpHG, wonach § 20a WpHG als – einzige – Vorschrift des vierten Abschnitts des WpHG „auch … auf Handlungen und Unterlassungen, die im Ausland vorgenommen werden“, anzuwenden ist, „sofern sie Finanzinstrumente betreffen, die an einer inländischen Börse gehandelt werden“ (§ 1 Rz. 4). Diese durch Art. 1 Nr. 2 AnSVG in Umsetzung von Art. 10 Marktmissbrauchsrichtlinie eingefügte Vorschrift hat folgende Implikationen und wirft folgende Einzelfragen auf7: Zunächst ergibt sich im Gegenschluss, dass Handlungen und Unterlassungen, die im Inland begangen werden, auch dann dem kapitalmarktrechtlichen Anwendungsbereich des § 20a WpHG unterfal1 S. hierzu Mock/Stoll/Eufinger sowie Altenhain, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 133 ff. sowie § 38 Rz. 105 ff.; Schnyder, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2010, Internationales Kapitalmarktrecht, Rz. 294 ff. 2 Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 3. 3 S. insoweit auch § 38 Abs. 5 WpHG und hierzu § 38 Rz. 61 ff.; BT-Drucks. 12/6679, S. 54 (= RegE des Zweiten Finanzmarktförderungsgesetzes). 4 S. nur Linke, Europäisches internationales Verwaltungsrecht, 2001, S. 28 f. m.N. 5 S. nur Linke, Europäisches internationales Verwaltungsrecht, 2001, S. 94 f. m.N. 6 S. nur Linke, Europäisches internationales Verwaltungsrecht, 2001, S. 120 f. m.N. 7 Instruktiv Eichelberger, S. 221 ff.; s. auch Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 1 Rz. 11 ff.
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len, wenn sie kein an einer inländischen Börse gehandeltes Finanzinstrument betreffen. Die diesbezüglichen Grenzen ergeben sich vielmehr aus § 20a WpHG selbst: Zum einen muss die Manipulationshandlung ein Finanzinstrument i.S. von § 20a Abs. 1 Satz 2, 3 WpHG betreffen (soeben Rz. 33 ff.), so dass mindestens ein im EU/ EWiR-Raum an einem organisierten Markt zugelassenes Finanzinstrument betroffen sein muss. Zum anderen muss die tatbestandlich vorausgesetzte Preiseinwirkungseignung gegeben sein, so dass die im Inland begangene Handlung oder Unterlassung mindestens geeignet sein muss, auf den Börsen- oder Marktpreis eines Finanzinstruments an einem organisierten Markt im EU/EWiR-Raum einzuwirken. Soll ausschließlich ein in einem Drittstaat außerhalb des EU/EWiR-Raums belegener Markt manipuliert werden, ist § 20a WpHG nicht anwendbar; in derartigen Fällen ist allerdings § 7 Abs. 7 Satz 1 WpHG zu beachten, wonach eine Zusammenarbeit möglich ist, wenn in dem Drittstaat § 20a WpHG „entsprechende“ Verbote oder Gebote bestehen (was z.B. im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten von Amerika der Fall ist). Bei Handlungen oder Unterlassungen, die im Ausland – auch im nichteuropäischen Ausland – begangen werden, folgt aus § 1 Abs. 2 WpHG hingegen, dass sie ein an einer inländischen Börse gehandeltes Finanzinstrument betreffen müssen. Es genügt, dass das betroffene Finanzinstrument überhaupt an einer inländischen Börse gehandelt wird; nicht etwa muss das manipulative Geschäft oder der manipulative Auftrag an einer inländischen Börse getätigt werden (andernfalls bereits ein Handeln im Inland vorliegt). Beim Wort genommen schließt das die vom Ausland aus vorgenommene Manipulation des Marktpreises einer Ware oder eines ausländischen Zahlungsmittels im Inland, die vom Marktmanipulationsverbot an sich erfasst ist (§ 20 Abs. 4 WpHG, oben Rz. 42 f.) aus dem Anwendungsbereich des § 20a WpHG aus1. Das Erfordernis des – tatsächlichen – Handels an einer inländischen Börse steht weiterhin in einem Spannungsverhältnis dazu, dass § 20a WpHG (wie § 14 WpHG) auf die Zulassung bzw. Einbeziehung ggf. nur in den Freiverkehr abstellt und im Übrigen die Zulassung an einem organisierten Markt im EU/EWiR-Raum genügen lässt2. Schließlich ergibt sich das europarechtliche Bedenken, dass Art. 10 lit. a Marktmissbrauchsrichtlinie die Mitgliedstaaten verpflichtet, im Ausland vorgenommene Manipulationshandlungen auch dann dem innerstaatlichen Marktmanipulationsverbot zu unterstellen, wenn sie ein Finanzinstrument betreffen, für das ein Antrag auf Zulassung im Handel an einem inländischen organisierten Markt gestellt ist, ohne dass das Instrument bereits – wie § 1 Abs. 2 WpHG verlangt – tatsächlich gehandelt werden muss3. 50
Diese Spannungen können in zweiter Linie durch eine richtlinienkonforme und „europafreundliche“ Auslegung des § 1 Abs. 2 WpHG i.V.m. § 20a WpHG gemildert, wenn auch nicht vollständig behoben werden. In Bezug auf Waren und ausländische Zahlungsmittel liegt ersichtlich eine planwidrige Regelungslücke vor. Sie könnte kapitalmarktrechtlich durch Analogie behoben werden, was freilich schwer fällt, wenn – wie hier (oben Rz. 6) – der Grundsatz der Vermeidung einer „Normspaltung“ angewendet wird4. Das Erfordernis, dass das Finanzinstrument „an einer inländischen Börse gehandelt werden“ muss (§ 1 Abs. 2 WpHG), kann und muss hingegen weit ausgelegt werden, so dass lediglich einbezogene Finanzinstrumente mit erfasst sind5. Im Übrigen ist das „Betroffensein“ der Finanzinstrumente bei Auslandshandlungen 1 2 3 4 5
Zutr. Eichelberger, S. 20. Zutr. Eichelberger, S. 20. Zutr. Eichelberger, S. 20. Insofern gegen eine Analogie Eichelberger, S. 224. Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 1 WpHG Rz. 10; Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 1 Rz. 11.
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oder -unterlassungen weit auszulegen: Es genügt, dass das betroffene Finanzinstrument an einer inländischen Börse gehandelt wird; es ist aber nicht notwendig, dass gerade der inländische Börsenpreis manipuliert wird1, sondern es genügt (wie auch sonst bei § 20a WpHG), dass ein Marktpreis dieses Finanzinstruments an einem organisierten Markt im EU/EWiR-Raum betroffen ist. Sind aber von einer Auslandshandlung oder -unterlassung Finanzinstrumente betroffen, die lediglich im EU/EWiRRaum, nicht aber zumindest auch im Inland gehandelt werden, so kann das nach der insoweit nicht mehr auslegungsfähigen Vorgabe des § 1 Abs. 2 WpHG nicht in den räumlichen Schutzbereich des § 20a WpHG einbezogen werden; die hier ursprünglich (4. Aufl. des Kommentars Rz. 34) vertretene „europafreundliche“ gegenteilige Auffassung wurde schon in der 5. Aufl. des Kommentars Rz. 50 aufgegeben2. Auch eine Erstreckung auf Finanzinstrumente, deren Zulassung lediglich beantragt ist, wie sie Art. 10 lit. a Marktmissbrauchsrichtlinie verlangt, ist nach geltendem Recht ausgeschlossen, da eine richtlinienkonforme Auslegung nicht gegen den klaren Wortlaut des nationalen Umsetzungsrechts möglich ist; hier ist vielmehr ggf. ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten und erscheint eine europarechtliche Staatshaftung der Bundesrepublik Deutschland für unterbliebene Richtlinienumsetzung möglich. Die Zurückhaltung des deutschen Gesetzgebers, Auslandshandlungen und -unterlas- 51 sungen und Auslandserfolge in den kapitalmarktrechtlichen Anwendungsbereich des § 20a WpHG einzubeziehen, hat möglicherweise den Grund, dass die theoretische Geltung deutschen Rechts auf Durchsetzungs- und Vollstreckungsprobleme stößt, da die Bundesanstalt dann auf Amtshilfe durch die Stellen des betreffenden ausländischen Staats angewiesen ist3. Auch erscheinen Jurisdiktionsüberschneidungen und positive Kompetenzkonflikte möglich, da der Staat des Handlungs- oder Unterlassungsortes in der Regel gleichfalls sein Marktmanipulationsrecht – das jedenfalls außerhalb des EU-Raumes von dem deutschen abweichen kann4 – für anwendbar erachten wird. Die Marktmissbrauchsrichtlinie jedenfalls lässt solche Überschneidungen zu (vgl. Art. 16 Abs. 3 Satz 4, 55), so dass es zu mehrfachen aufsichtsrechtlichen Verfahren wegen ein und derselben Marktmanipulation kommen kann6. Von alledem im Prinzip zu trennen7 ist die Frage der straf- bzw. bußgeldrechtlichen 52 internationalen Anwendbarkeit des § 20a WpHG i.V.m. §§ 38 Abs. 2, 39 Abs. 1 Nr. 1, 2, Abs. 2 Nr. 11 WpHG. Sie beantwortet sich nach strafrechtlichen Grundsätzen, d.h. einer Schutzbereichsanalyse unter Berücksichtigung der international-kapitalmarktrechtlichen Vorfragen und des § 38 Abs. 5 WpHG i.V.m. den Regeln des sog. internationalen Straf- und Bußgeldrechts (§§ 3–7, 9 StGB, §§ 5, 7 OWiG). Eingehend unten § 38 Rz. 61 ff., § 39 Rz. 52.
1 (Wohl) a.A. Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 10 („Manipulationserfolg […] inlandsbezogen“); s. auch Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 11. 2 Dies insbesondere auch im Hinblick auf die eingehende Argumentation von Mock/Stoll/ Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 135 ff.; ebenso nunmehr Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 12. 3 Zutr. Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 1 Rz. 14. 4 Hierzu Versteegen, in: KölnKomm. WpHG, § 1 Rz. 15. 5 Und hierzu Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 138. 6 Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 139. 7 Unklar Ziouvas, ZGR 2003, 113 (124 f. mit Fn. 53, 54).
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3. Schutzbereichsausnahme nach § 1 Abs. 3 WpHG 53
Gemäß § 1 Abs. 3 WpHG ist u.a. der vierte Abschnitt des WpHG, also § 20a WpHG, nicht auf Geschäfte anzuwenden, die aus geld- oder währungspolitischen Gründen oder im Rahmen der öffentlichen Schuldenverwaltung von bestimmten Trägern hoheitlicher Gewalt (insbesondere Europäische Zentralbank und Deutsche Bundesbank) oder beauftragten Organisationen oder für deren Rechnung handelnden Personen getätigt werden. Zu den Einzelheiten s. § 1 Rz. 5 ff.; zur (inhaltsgleichen) früheren Rechtslage gemäß § 20b Abs. 7 Satz 2 Var. 3 WpHG i.V.m. § 20 WpHG i.d.F. des 4. FFG s. 3. Aufl. des Kommentars Rz. 28. Dass Zentralbanken und Staaten vom wertpapierhandelsrechtlichen Marktmanipulationsverbot ausgenommen sind, kann damit begründet werden, dass der Rechtsrahmen für díe Geld- und Währungspolitik sowie die Schuldenverwaltung durch Zentralbanken und Staaten lex specialis zum Wertpapierhandelsrecht ist und einerseits ein stillschweigendes Marktmanipulationsverbot enthält, sowie andererseits Praktiken erlaubt, die, auch wenn sie den Kurs z.B. einer Währung oder Staatsanleihe zu beeinflussen geeignet oder bestimmt sind, aus geld-, währungs- oder schuldenpolitischen Gründen legitim erscheinen. So mag es diskutabel sein, den Rückkauf von Staatsanleihen hoch verschuldeter Staaten der Euro-Gruppe durch die Europäische Zentralbank1 nicht an diejenigen Bedingungen zu knüpfen, welche ein Emittent beim Handeln mit eigenen Aktien im Rahmen eines Rückkaufprogramms erfüllen müsste (vgl. § 20a Abs. 3 WpHG). Zu beachten ist allerdings, dass die Schutzbereichsausnahme nach § 1 Abs. 3 WpHG auf „Geschäfte“ beschränkt ist, so dass Marktmanipulation durch unrichtige oder irreführende Angaben (§ 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG) und durch sonstige Täuschungshandlungen (§ 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG), die keine Geschäfte i.S. von § 1 Abs. 3 WpHG beinhalten, möglich bleibt. Auch kommt § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG in Betracht, soweit die Geschäfte keine von Rechts wegen anzuerkennenden geld- oder währungspolitischen Gründe haben oder sich nicht mehr im rechtlichen Rahmen öffentlicher Schuldenverwaltung bewegen. Würde beispielsweise ein Staat irreführende Angaben über seine Haushalts- oder Schuldenlage machen, die geeignet oder bestimmt wären, den Börsen- oder Marktpreis seiner Staatsanleihen zu beeinflussen, beispielsweise künstlich zu stützen, um bessere Zinskonditionen zu erhalten, so würde § 1 Abs. 3 WpHG die Anwendbarkeit des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG nicht sperren, und es könnte (vorbehaltlich von Immunitätsfragen) ein Überwachungs- oder auch ein straf- oder bußgeldrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, sofern die Staatsanleihen auch an inländischen Börsen gehandelt würden.
VI. Normadressaten 54
Die Frage nach den kapitalmarktrechtlichen Normadressaten des § 20a WpHG ist von der nach dem Kreis der tauglichen Täter von Straftaten bzw. Ordnungswidrigkeiten gemäß §§ 38 Abs. 2, 39 Abs. 1 Nr. 1, 2, Abs. 2 Nr. 11 WpHG (hierzu näher § 38 Rz. 71 ff.) zu unterscheiden. Der praktisch bedeutsamste Unterschied besteht darin, dass kapitalmarktrechtlich nicht bloß natürliche Personen (Menschen), sondern auch juristische Personen (vgl. insoweit Art. 1 Nr. 6 Marktmissbrauchsrichtlinie,
1 S. hierzu allerdings das Verbot des unmittelbaren Erwerbs von Schuldtiteln der Mitgliedstaaten durch die Europäische Zentralbank in Art. 123 Abs. 1 AEUV, Art. 21 Abs. 1 Protokoll (Nr. 4) über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank, ABl. EU Nr. C 115 v. 9.5.2008, S. 230.
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wonach unter „Person“ natürliche wie juristische Personen zu verstehen sind1) und andere Personenvereinigungen und insbesondere Unternehmen, auch Wertpapierdienstleistungsunternehmen, als solche Normadressaten des Marktmanipulationsverbots sind. Weder nach dem Wortlaut noch nach Sinn und Zweck ist das kapitalmarktrechtliche Marktmanipulationsverbot auf natürliche Personen (Menschen) beschränkt. Vielmehr wird es häufig nur Unternehmen möglich sein, Börsen- und Marktpreise wirksam zu manipulieren, und beispielsweise kann nur ein Unternehmen mit „eigenen“ Aktien handeln (§ 20a Abs. 3 Satz 1 WpHG). Im Übrigen gelten die zum Insiderhandelsverbot angeführten Argumente insbesondere aus § 14 StGB, §§ 9, 30, 130 OWiG entsprechend (§ 14 Rz. 5). Konsequenzen hiervon sind u.a., dass das Verbot des § 20a WpHG auch gegenüber Unternehmen „durchgesetzt“ werden kann (§ 4 Abs. 2 WpHG) und Unternehmen für die Befolgung („compliance“) des § 20a WpHG durch Unternehmensangehörige Sorge tragen müssen. Normadressat des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1, Nr. 2 und 3 WpHG ist jedermann, und strafrechtlich gesprochen ist die Marktmanipulation im Grundsatz ein Allgemeindelikt2. Bei § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG kann Normadressat hingegen nur sein, wer Adressat einer Rechtsvorschrift ist, die ihn zur Offenbarung von Umständen verpflichtet, und strafrechtlich gesprochen liegt insoweit ein (Sonder-) Pflichtdelikt vor.
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Im Einzelnen kommen als Normadressaten des § 20a WpHG u.a. in Betracht
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– Emittenten und die weiteren an einer Emission Beteiligten, – bereits börsennotierte Unternehmen, die Mitglieder ihrer Organe und ihre übrigen Mitarbeiter. Bei ihnen wird das Marktmanipulationsverbot u.a. für die sog. Kurspflege, auch durch Erwerb eigener Aktien, bedeutsam, – sog. institutionelle Anleger, die Mitglieder ihrer Organe und ihre übrigen Mitarbeiter, – Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die Mitglieder ihrer Organe und ihre übrigen Mitarbeiter, – die früheren Kursmakler (s. § 64 Abs. 5 BörsG) und nunmehrigen Skontroführer (§ 25 Satz 1 BörsG; hierzu näher unten Rz. 306), – sonstige Börsenhandelsteilnehmer insbesondere in ihrer Funktion als Market Makers und Designated Sponsors (näher unten Rz. 305), aber auch private Anleger, – Rating-Agenturen und Börseninformationsdienste, die Mitglieder ihrer Organe und ihre übrigen Mitarbeiter, – externe Analysten, namentlich, wenn sie „ins Blaue hinein“ Empfehlungen abgeben (s. noch unten Rz. 234 ff.), – (Wirtschafts-) Journalisten in den Grenzen des § 20a Abs. 6 WpHG (s. unten Rz. 131 ff.), sonstige Börsenexperten und namentlich sog. „Börsengurus“, auf deren Empfehlungen usw. die Allgemeinheit vertraut.
1 Zutr. Eichelberger, S. 200 Fn. 2; s. auch Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 11. 2 S. auch Fuhrmann, in: Erbs/Kohlhaas, § 88 BörsG Rz. 6 zu § 88 BörsG a.F.
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VII. Marktmanipulation durch Machen oder Verschweigen von Angaben (§ 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG) 1. Überblick 57
§ 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG ist zunächst Nachfolgevorschrift zu § 88 Nr. 1 BörsG a.F., und der heutige Gesetzestext, der auf dem 4. FFG und dem AnSVG beruht, baut zunächst auf dem früheren Recht des Kursbetruges auf. Zu dessen Modernisierung hat der Gesetzgeber aus §§ 264 Abs. 1 Nr. 1, 264a Abs. 1, 265b Abs. 1 Nr. 1 StGB bekannte Begriffe (wie das „Machen“ von „Angaben“ über „erhebliche Umstände“) herangezogen; die hierzu entwickelten Grundsätze können mutatis mutandis auf § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG übertragen werden1. Zudem – etwas weniger deutlich als bei § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG – hat der Gesetzgeber die europarechtlichen Vorgaben zugrundegelegt, die sich in Art. 1 Nr. 2 lit. b („Vorspiegelung falscher Tatsachen“) und insbesondere lit. c („Verbreitung … falscher oder irreführender Nachrichten“) Marktmissbrauchsrichtlinie und in Art. 5 lit. a Richtlinie 2003/124/EG („Verbreitung falscher oder irreführender Informationen“) finden. Schließlich muss § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG zusammen mit § 2 MaKonV gelesen werden, der den Rechtsbegriff der „bewertungserheblichen Umstände“ konkretisiert.
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In der Sache geht es bei § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG im Wesentlichen um die sog. „informationsgestützte“ Manipulation (s. Vor § 20a Rz. 33 f.), also um die Marktmanipulation durch irreführungs- und preiseinwirkungsgeeignetes kommunikatives Verhalten. Es kann in positivem Tun (Alt. 1) oder im einem Unterlassen, nämlich im Verschweigen entgegen bestehenden Rechtsvorschriften (Alt. 2), bestehen. Im Verhältnis zu § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG ist § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG ein aliud (näher unten Rz. 142). Im Verhältnis zu § 20a Abs. 1 Nr. 3 WpHG i.d.F. des AnSVG ist Nr. 1 lex specialis (s. noch unten Rz. 209). 2. Manipulationsverhalten nach Alt. 1 (Machen von Angaben) a) Machen unrichtiger oder irreführender Angaben
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Angaben sind Erklärungen über das Vorliegen oder Nichtvorliegen von bewertungserheblichen Umständen (hierzu unten Rz. 68 ff.)2. Alle Erklärungsformen sind erfasst, und es ist unerheblich, ob es sich um schriftliche, mündliche oder über andere, namentlich elektronische Medien (E-Mail, Internet) verbreitete Erklärungen handelt3. Gleichfalls unerheblich ist der Kontext, in dem die Angaben gemacht werden (s. bereits oben Rz. 41 zu außerbörslichem Handeln); so sind auch Erklärungen im (vermeintlich) privaten oder sozialen Bereich erfasst4. In Betracht kommen Angaben in Bilanzen, Lageberichten, sonstigen Geschäftsberichten oder auch in Ad-hoc-Mitteilungen i.S. von § 15 WpHG, weiterhin Angaben, die der Vorstand einer börsennotierten Aktiengesellschaft in der Hauptversammlung macht. Relevante Angaben können sich auch in Prospekten finden; dazu zählen wegen § 20a Abs. 1 Satz 3 1 A.A. – aber nicht überzeugend – Sorgenfrei, wistra 2002, 321 (324 f.). 2 Ähnlich Mock/Stoll/Eufinger, KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 154: „jedes kommunikative Verhalten, das geeignet ist, von mindestens einem Empfänger wahrgenommen zu werden“; s. weiterhin Tiedemann, in: Leipziger Kommentar StGB, 11. Aufl. (Stand: 1.10.1996), § 264 Rz. 77 zum gleich lautenden Begriff im Tatbestand des Kapitalanlagebetrugs. 3 Allg. M., Arlt, S. 154; Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 16; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 154; Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 35; Waschkeit, S. 273 f. 4 Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 154; s. noch unten Rz. 65.
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WpHG i.d.F. des AnSVG auch Emissionsprospekte, die sich auf noch nicht börsenzugelassene Finanzinstrumente beziehen (s. oben Rz. 39). Zudem kommt das „Streuen“ von Angaben über Medien aller Art (Presse, Rundfunk, Fernsehen, Internet), z.B. bei Pressekonferenzen oder -mitteilungen, in Betracht, außerdem das „vergiftete tipping“. Bloße Gerüchte sollen nach RegE 4. FFG, S. 90 keine Angaben sein, weil es sich nur um unverbürgte Nachrichten handele (hierzu krit. unten Rz. 70). Unrichtig sind Angaben, wenn sie nicht den objektiven Gegebenheiten entsprechen, 60 nämlich nicht vorhandene Umstände als vorhanden oder vorhandene als nicht vorhanden bezeichnen1. Um das festzustellen, sind zwei Schritte erforderlich: Erstens muss der Inhalt der Angaben durch Auslegung nach dem objektivierten Empfängerhorizont ermittelt werden2. Dabei sind Auffassung und Verständnis des angesprochenen Personenkreises maßgeblich3. Bloße, wenn auch übertreibende Anpreisungen und Schönfärbereien, die von niemandem ernst genommen werden und für jedermann als solche durchschaubar sind, können bereits an dieser Stelle4 und müssen spätestens bei der Erheblichkeit ausgeschieden werden (s. noch unten Rz. 73 ff.). Auf der anderen Seite geht es zu weit, nur solche Angaben für relevant zu halten, die „mit dem Anspruch besonderer Sachkunde vertreten werden“5. – Zweitens muss der Inhalt der Angaben mit den objektiven Gegebenheiten verglichen werden. Angaben über Tatsachen sind unrichtig, wenn sie objektiv unwahr sind. Angaben, die Werturteile oder Prognosen zum Gegenstand haben, sind jedenfalls dann unrichtig, wenn diejenigen Tatsachen, welche zur Stützung des Werturteils oder der Prognose angegeben werden (sog. Werturteils- oder Prognosebasis), objektiv unwahr sind. Darüber hinaus sind Werturteile und Prognosen unrichtig i.S. von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG, wenn sie eindeutig bzw. schlechterdings unvertretbar sind6. Schlechterdings unvertretbar ist es auch, Werturteile und Prognosen „ins Blaue hinein“ ohne jede Tatsachenprüfung abzugeben, soweit nach den Umständen erwartet werden darf, dass eine solche Prüfung stattgefunden hat. Anders als §§ 264 Abs. 1 Nr. 1, 265b Abs. 1 Nr. 1 StGB nennt § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG – insoweit vergleichbar § 264a StGB – bloß unvollständige Angaben nicht ausdrücklich7. Deshalb stellt sich – wie bei § 264a StGB8 – die Frage, ob unvollständige Angaben unrichtig i.S. von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG 1 Wie hier Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 161; Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 15; Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II, IV WpHG Rz. 34. 2 Ebenso Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 161. 3 Vertiefend Eichelberger, S. 242 ff.; s. für § 264a StGB Tiedemann, in: Leipziger Kommentar StGB, 11. Aufl. (Stand: 1.10.1996), § 264a Rz. 54 m.N. 4 H.A., s. Ledermann, in: Schäfer, 1. Aufl., § 88 BörsG Rz. 8 zu § 86 BörsG a.F.; Schmitz, wistra 2002, 208 (209); Schönhöft, S. 59; insoweit a.A. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 157. 5 So aber für § 264a StGB Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 264a StGB Rz. 24; s. erneut unten Rz. 70. 6 Ebenso Eichelberger, S. 245 f.; Ledermann, in: Schäfer, 1. Aufl., § 88 BörsG Rz. 8 zu § 88 BörsG a.F.; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 162; Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 34; für § 264a StGB Worms, in: Assmann/ Schütze, Kapitalanlagerecht, 2. Aufl., § 8 Rz. 70; Tiedemann, in: Leipziger Kommentar StGB, 11. Aufl. (Stand: 1.10.1996), § 264a Rz. 54; wohl a.A. Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 15. 7 S. zum Problem – im Wesentlichen wie hier – auch Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 21; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 163, 172; Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 16. 8 S. Tiedemann, in: Leipziger Kommentar StGB, 11. Aufl. (Stand: 1.10.1996), § 264a Rz. 56.
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sein können oder ob sie nur über die Unterlassungsalternative des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG erfasst werden können – was bedeuten würde, dass unvollständige Angaben nur bei durch „bestehende Rechtsvorschriften“ begründeten Offenbarungspflichten (hierzu unten Rz. 105 ff.) tatbestandsmäßig wären. Richtigerweise ist zu differenzieren: Unvollständige Angaben sind dann unrichtig und bereits nach § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG tatbestandsmäßig, wenn positive Angaben gemacht werden, in Bezug auf diese aber Teilangaben weggelassen werden, so dass ein eindeutig falsches Gesamtbild entsteht1. Maßstab hierfür ist – wie bei der Irreführungseignung (sogleich Rz. 62) – nicht der flüchtige, sondern vielmehr der verständige, durchschnittlich informierte und situationsadäquat aufmerksame Anleger, der mit Unternehmenskommunikationen vertraut ist und Gehalt und Reichweite der in ihnen enthaltenen Informationen einzuschätzen weiß. So werden (positive) Angaben nicht deshalb unvollständig und irreführend, weil nichts zu (negativen) risikobegründenden Umständen erklärt wird, die jeder Anleger kennt oder ohne Weiteres erkennen kann; anders kann es liegen, wenn Sonderwissen verschwiegen wird. In der Literatur genannte Beispiele für wegen ihrer Unvollständigkeit unrichtige Angaben sind solche über eine bestimmte steuerliche (Vorzugs-)Behandlung eines Finanzinstruments, wenn zugleich verschwiegen wird, dass nicht wenige Finanzämter das Finanzinstrument anders (nachteiliger) behandeln2, oder wenn positive Angaben über Aktivitäten oder Umsätze einer börsennotierten Aktiengesellschaft gemacht werden, aber zugleich verschwiegen wird, dass diese Aktivitäten noch nicht begonnen haben oder die Umsätze noch nicht realisiert worden sind, sofern die diesbezüglichen Risiken erheblich sind. Auf der anderen Seite kann § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG keine Vollständigkeitspflicht in dem Sinne entnommen werden, dass ungefragt sämtliche für die Gesamtbewertung des Finanzinstruments erheblichen Umstände mitgeteilt werden müssen3. Werden z.B. gar keine Angaben über den Umsatz der Aktiengesellschaft gemacht, so kann das Verschweigen eines Umsatzeinbruchs nur über § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG erfasst werden. 62
Die Problematik der unvollständigen Angaben wird dadurch entschärft, dass § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG seit dem AnSVG auch irreführende Angaben genügen lässt, die sich mit den unrichtigen „[u]nvermeidbar überlagern“4. Die Einbeziehung irreführender Angaben entspricht den europarechtlichen Vorgaben (s. oben Rz. 57). Nach RegE AnSVG, S. 37 sind Angaben gemeint, „welche zwar inhaltlich richtig sind, jedoch aufgrund ihrer Darstellung beim Empfänger der Information eine falsche Vorstellung über den geschilderten Sachverhalt nahe legen“5. So liegt es insbesondere bei richtigen Teilangaben, die durch Weglassen anderer Teilangaben ein eindeutig falsches Gesamtbild entstehen lassen (soeben Rz. 61), wenn dies der Zweck des Weglassens der anderen Angaben war. Auch im Bereich des § 263 StGB ist anerkannt, 1 Zust. Eichelberger, S. 251 f.; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 163, 172; s. weiterhin Webowsky, in: Erbs/Kohlhaas, § 20a WpHG Rz. 12; Schäfer, in: Schäfer/ Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 20a WpHG Rz. 32; s. für § 264a StGB Tiedemann, in: Leipziger Kommentar StGB, 11. Aufl. (Stand: 1.10.1996), § 264a Rz. 56 m.N. 2 Vgl. Rössner/Worms, Welche Änderungen bringt § 264a StGB für den Anlegerschutz?, BB 1988, 93 (94). 3 Zur vergleichbaren Rechtslage bei § 264a StGB Tiedemann, in: Leipziger Kommentar StGB, 11. Aufl. (Stand: 1.10.1996), § 264a Rz. 56. 4 Treffend Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 164. – Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 16 meint, unvollständige Angaben seien nicht als „unrichtig“, sondern nur mehr als „irreführend“ zu subsumieren. 5 Sich daran anschließend Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 22; Schwark, in: Schwark/ Zimmer, § 20a WpHG Rz. 18.
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dass eine an sich inhaltlich richtige Erklärung dann zu einer Täuschung wird, wenn sie geeignet ist, einen Irrtum hervorzurufen, und zu diesem Zweck abgegeben wird („Täuschung mit an sich wahren Tatsachen“)1. Im Übrigen kann sich die Auslegung des Irreführungsmerkmals an demselben Merkmal in § 16 Abs. 1 (§ 4 a.F.) UWG orientieren2: Irreführend ist eine Angabe, wenn sie objektiv geeignet ist, einen beachtlichen Teil des angesprochenen Anlegerkreises zu täuschen3. Es genügt mit anderen Worten, dass die Angabe eine konkrete Gefahr einer solchen Täuschung begründet wie z.B. bei evidenten Ungleichgewichten in der Darstellung an sich zutreffend mitgeteilter Sachumstände (z.B. Erwähnung von Patentstreitigkeiten in einem Halbsatz im Rahmen einer seitenlangen Darstellung der guten Auftragslage, wenn verschwiegen wird, dass die Streitigkeiten konkret existenzbedrohend sind4). Maßgeblicher Verständnishorizont ist der eines verständigen, durchschnittlich informierten und situationsadäquat aufmerksamen Anlegers, der mit Unternehmenskommunikationen vertraut ist und Gehalt und Reichweite der in ihnen enthaltenen Informationen einzuschätzen weiß; eine Irreführungseignung gegenüber dem nur flüchtigen Anleger genügt nicht. Nicht irreführend sind auch Angaben, deren Unrichtigkeit jedermann ohne weiteres durchschauen kann; sie bleiben zwar unrichtig i.S. des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG, dürften aber regelmäßig nicht preiseinwirkungsgeeignet sein. Sowohl die Unrichtigkeit als auch die Irreführungseignung der Angaben müssen ein- 63 deutig – über Zweifel erhaben – festgestellt und im Gesamtzusammenhang beurteilt werden. Dass genauere oder vollständigere Angaben hätten gemacht werden können, genügt für sich gesehen nicht, desgleichen nicht, dass die Angaben tendenziös erscheinen. Jedoch können „an sich“ richtige Angaben unrichtig sein, wenn sie so gefasst sind, dass das Anlegerpublikum sie missversteht, und es dem Täter darauf ankommt (s. soeben Rz. 62). So hat das LG Düsseldorf im IKB-Verfahren festgestellt, dass die in einer Pressemitteilung gemachte Angabe, die „IKB“ – nicht: die IKB AG – sei von negativen Ratings nur in Höhe eines „einstelligen Millionenbetrags“ betroffen, irreführend war, wenn eine zwar rechtlich selbständige, wirtschaftlich aber der IKB AG zurechenbare Zweckgesellschaft von den negativen Ratings in dreistelliger Millionenhöhe betroffen war und es beabsichtigt war, mit der Pressemitteilung den Eindruck zu erwecken, die IKB sei unter Einschluss der dem Kapitalmarkt bestens bekannten Zweckgesellschaft nur in einstelliger Millionenhöhe betroffen5. Andererseits ist es bei „an sich“ unrichtigen bzw. unvollständigen schriftlichen Angaben möglich, diese mündlich in der Weise zu ergänzen, dass sie insgesamt richtig bzw. vollständig sind6. Zudem sind normative Richtigkeitsmaßstäbe zu beachten. So ist für die Richtigkeit von Angaben, die in Bilanzen oder Prospekten gemacht werden, zu beachten, ob bilanz- oder prospektrechtliche Richtigkeitsgrundsätze eingehalten worden sind. Beispielsweise gebietet das bilanzrechtliche Realisationsprinzip, dass Gewinne nur berücksichtigt werden dürfen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert worden sind (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 HGB); damit stand die am Neuen 1 BGH v. 26.4.2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1 (5) = NJW 2001, 2187 = JZ 2002, 610 = JR 2002, 75 = DB 2001, 1611 = NStZ 2001, 255. Anm. u. Bspr.: Geisler, NStZ 2002, 86; Krack, JZ 2002, 613; Loos, JZ 2002, 613; Rose, wistra 2002, 13. 2 S. hierzu Diemer, in: Erbs/Kohlhaas, § 16 UWG Rz. 28 ff. mit umfangreichen Nachw. 3 Vgl. demgegenüber Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 164, wonach es nicht erforderlich ist, dass ein „wesentlicher Ausschnitt“ des angesprochenen Anlegerpublikums getäuscht werde. 4 Beispiel nach Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 163. 5 LG Düsseldorf v. 14.7.2010 – 14 KLs 6/09, Juris Rz. 114, 347 ff. 6 Ebenso zu § 264a StGB Tiedemann, in: Leipziger Kommentar StGB, 11. Aufl. (Stand: 1.10.1996), § 264a Rz. 57.
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Markt epidemisch gewesene Praxis, Gewinnmeldungen in Bezug auf noch nicht realisierte Gewinne zu erstatten, nicht im Einklang. Auch „Bilanzkosmetik“, mit der die Lage eines börsennotierten Unternehmens in eindeutig nicht mehr vertretbarer Weise günstiger dargestellt wird, als es dem true and fair view entspricht, oder ein diesem Maßstab widersprechendes Beschönigen von konkreten Risiken in Unternehmenskommunikationen können § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG unterfallen. 64
Wie bei § 88 BörsG a.F. (und anders als bei § 264a StGB) kommt es nicht darauf an, ob die unrichtigen bzw. unvollständigen Angaben für die Bewertung des Vermögenswertes vor- oder nachteilhaft sind. Insbesondere sind auch Angaben erfasst, die geeignet sind, den Börsen- oder Marktpreis künstlich herabzusetzen.
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Für das Machen der Angabe genügt nach h.A. die Kundgabe1. Kundgabe ist mehr als Abgabe der Erklärung und setzt deren Zugang bei mindestens einer Person voraus, indem die Angabe in der Weise in den Herrschaftsbereich mindestens einer Person gelangt, dass diese von der Angabe Kenntnis nehmen kann. Tatsächliche Kenntnisnahme ist hingegen nicht erforderlich2, erst recht nicht, dass bei dem oder den Adressaten ein Irrtum erregt wird, und noch weniger, dass der Börsen- oder Marktpreis wirklich beeinflusst wird. Anders als § 264a StGB setzt § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG nicht voraus, dass die Angabe „gegenüber einem größeren Kreis von Personen“ oder gar öffentlich gemacht wird3. So kann z.B. bei hoch potenten Investoren, deren Alleinhandeln den Kurs oder Marktpreis zu beeinflussen geeignet ist, auch eine gegenüber einer einzigen Person gemachte Angabe tatbestandsmäßig sein. Auch im Übrigen kann das „vergiftete tipping“ in Beratungsgesprächen und das ungezielte „Streuen“ von unrichtigen Angaben ausreichen4.
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Zwar ist § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG im Grundsatz an jedermann adressiert (oben Rz. 55). Aber nicht jede Mitwirkung an Angaben (z.B. eine Sekretärin schreibt die Vorlage zu einem, wie sie erkennt, unrichtigen Prospekt5, oder ein EDVMitarbeiter stellt eine, wie er erkennt, unrichtige Ad-hoc-Mitteilung des Unternehmensvorstandes ins Internet) ist schon ein „Machen“ von Angaben. Hierfür ist vielmehr eine normative Zurechnung („Abgrenzung von Verantwortungsbereichen“6) der Angabe zu dem sie Machenden erforderlich7, und eine Angabe „macht“ nur, wer Konzeptionsherrschaft über sie hat oder sie sich in der Weise zu Eigen macht, dass er selbst Verantwortung für ihre Richtigkeit übernimmt. Diese Maßstäbe sind allerdings weniger streng als die der (straf- oder zivilrechtlichen) Prospekthaftung, weil
1 Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 28. 2 A.A. zu § 264a StGB Samson, in: Systematischer Kommentar, 6. Aufl., § 264a StGB Rz. 51. 3 Wie hier Arlt, S. 157, 160; Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 35 mit Fn. 185; Waschkeit, S. 273 f.; unklar Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 28, der einerseits ein öffentlichkeitsgerichtetes Informationsverhalten verlangt, das geeignet ist, einen Publizitätserfolg herbeizuführen, andererseits in Ausnahmefällen Mitteilungen an Einzelpersonen genügen lassen will; dem zust. aber Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 158. 4 S. Ledermann, in: Schäfer, 1. Aufl., § 88 BörsG Rz. 8 (zu § 88 BörsG a.F.), der über Fälle berichtet, in denen in öffentlichen Telefonzellen systematisch Schriftstücke mit kursrelevanten Fehlinformationen über einen Vermögenswert hinterlegt oder solche Fehlinformationen durch scheinbar fehlgeleitete Faxnachrichten verbreitet wurden. 5 Ähnliches Beispiel bei Joecks, wistra 1986, 142 (148) (zu § 264a StGB). 6 Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 159. 7 S. zum Folgenden Tiedemann, in: Leipziger Kommentar StGB, 11. Aufl. (Stand: 1.10.1996), § 264a Rz. 74 ff. m.N.
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bei der Marktmanipulation anders als dort die Inanspruchnahme besonderen Vertrauens grundsätzlich nicht vorausgesetzt wird1. Zu möglichen Konzeptionären unrichtiger Angaben zählen z.B. Vorstände, Geschäftsführer oder (Mehrheits-)Gesellschafter eines Emittenten. Unrichtige Angaben zu Eigen machen können sich z.B. andere Prospektverantwortliche, aber auch Anlageberater oder -vermittler, sofern sie für Angaben selbst die Verantwortung übernehmen2. Strafrechtlich gesprochen können nur solche Personen Täter (§ 25 StGB) sein; andere dolos Mitwirkende können nur Anstifter oder Gehilfen (§§ 26, 27 StGB) sein. Das Machen unrichtiger Angaben ist in der Regel ein positives Tun, und rechts- 67 pflichtwidriges Unterlassen ist in der Regel ein Fall des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG. Gleichwohl fragt sich, ob für Alt. 1 auch ein (garanten-)pflichtwidriges Unterlassen i.S. von § 13 StGB in Betracht kommt. Denn es sind Fälle denkbar, in denen zwar keine „bestehende Rechtsvorschrift“ (hierzu unten Rz. 105 ff.) eine Aufklärung gebietet, jedoch nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen Aufklärungspflichten bestehen. Insbesondere geht es um mögliche Berichtigungs- und Aktualisierungspflichten, wenn der Täter zunächst gutgläubig Angaben macht, deren objektive Unrichtigkeit er später erkennt, oder wenn seine zunächst richtigen Angaben später dadurch unrichtig werden, dass sich die Umstände verändern, und der Täter dies erkennt, oder wenn er sich – z.B. als Anlageberater – als unrichtig erkannte Angaben zunutze macht, die ein anderer – z.B. ein Unternehmen in einem Prospekt – gemacht hat. In der Literatur werden solche Berichtigungs- und Aktualisierungspflichten teils generell abgelehnt3, teils in § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG verwiesen4. Im Anschluss an die zu § 264a StGB5, aber auch zu § 82 GmbHG6 entwickelten Grundsätze ist wie folgt zu differenzieren: Sind die Angaben noch nicht gemacht, d.h. noch nicht zugegangen (soeben Rz. 65), so führt die in § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG enthaltene Wahrheitspflicht selbst zu einer Berichtigungs- und Aktualisierungspflicht, weil nicht berichtigte bzw. nicht aktualisierte Angaben i.S. des oben Rz. 61 Dargelegten unvollständig und daher unrichtig wären. Sind die Angaben bereits gemacht, d.h. zugegangen, so muss eine kommunikative Verkehrssicherungspflicht in Gestalt einer Rückruf- und Warnpflicht anerkannt werden7. Sie beinhaltet, als unrichtig oder unvollständig erkannte Angaben zurückzuziehen, zu aktualisieren oder zu berichtigen8, worauf ausdrücklich hinzuweisen ist9. b) Bewertungserhebliche Umstände (1): Gesetzliche Vorgaben Die unrichtigen oder irreführenden Angaben müssen bewertungserhebliche Umstände betreffen, nämlich solche, die für die Bewertung eines Finanzinstruments erheb1 Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 159. 2 Was bei Marktmanipulation häufiger als bei § 264a StGB der Fall sein dürfte, s. Tiedemann, in: Leipziger Kommentar StGB, 11. Aufl. (Stand: 1.10.1996), § 264a Rz. 77 m.N. 3 Bernsmann, in: FS Richter II, 2006, S. 51 ff.; s. weiterhin die Kritik bei Papachristou, S. 174 f.; Schönhöft, S. 88 mit Fn. 453. 4 Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 160. 5 S. nur Tiedemann, in Leipziger Kommentar StGB, 11. Aufl. (Stand: 1.10.1996), § 264a Rz. 58. 6 S. nur Tiedemann, in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2010, § 82 GmbHG Rz. 95 ff. 7 Wie hier BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 109; Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 23; a.A. Altenhain, in: KölnKomm. WpHG, § 38 Rz. 86; Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 395. 8 So für § 264a StGB Tiedemann, in: Leipziger Kommentar StGB, 11. Aufl. (Stand: 1.10.1996), § 264a Rz. 58; Samson, in: Systematischer Kommentar, 6. Aufl., § 264a StGB Rz. 52. 9 Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 160.
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lich sind. Dieses gesetzliche, freilich sehr unbestimmte Tatbestandsmerkmal des Marktmanipulationsverbots des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG ist aus § 88 Nr. 1 BörsG a.F. übernommen worden (RegE 4. FFG, S. 89). Es dient dazu, Bagatellfälle, nämlich Täuschungen, die sich auf nach der Verkehrsauffassung Unerhebliches beziehen, aus der Verbotsmaterie auszuscheiden (vgl. amtliche Begründung der KuMaKV, BR-Drucks. 639/03, S. 9). Auf der Grundlage des § 20a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 WpHG ist das Merkmal durch § 2 MaKonV (zuvor § 2 KuMaKV, s. hierzu 3. Aufl. des Kommentars Rz. 53 ff.) näher bestimmt, nämlich legaldefiniert1 und mit Beispielen versehen worden (eingehend hierzu unten Rz. 81 ff.). § 2 Abs. 1 MaKonV stellt dabei zugleich einen Gleichlauf mit der durch das AnSVG geänderten Definition der Insiderinformation her (amtliche Begründung der MaKonV, BR-Drucks. 18/05, S. 12). Die verordnungsrechtliche Konkretisierung ist für den Rechtsanwender grundsätzlich verbindlich (s. oben Rz. 20). Gleichwohl bleibt die Gesetzesauslegung Ausgangspunkt der Ermittlung der Rechtslage und des zutreffenden Verständnisses des § 2 MaKonV. Rechtspolitisch ist das Erfordernis der Bewertungserheblichkeit nicht unbestritten („überflüssig und nicht [mehr] systemgerecht“2), vor allem in seiner Abgrenzung zur zudem erforderlichen Preiseinwirkungseignung (unten Rz. 112 ff.). 69
§ 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG beschränkt den Täuschungsgegenstand bewusst nicht auf Tatsachen (wie es z.B. bei §§ 263 Abs. 1, 264 Abs. 1 Nr. 1, 2 StGB der Fall ist), sondern erweitert ihn (wie es z.B. bei § 88 BörsG a.F., § 264a StGB und seit dem AnSVG auch im Insiderrecht der Fall ist, s. § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG i.d.F. des AnSVG und hierzu RegE AnSVG, S. 33 sowie § 13 Rz. 11 ff.) auf Umstände aller Art. Damit werden neben Tatsachen im klassischen Sinne von äußeren oder inneren Zuständen, Geschehnissen oder Ereignissen in der Vergangenheit oder Gegenwart, die dem Beweise zugänglich sind, insbesondere auch Werturteile und Prognosen erfasst, die, soweit sie nur Künftiges enthalten, vom traditionellen Tatsachenbegriff nicht umfasst sind.
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Einschränkend wird im Emittentenleitfaden 2009 der Bundesanstalt (S. 108) und von einem Gutteil der Literatur verlangt, dass Werturteile bzw. Prognosen, um Umstände i.S. von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG sein zu können, „nachprüfbar“ sein und einen „tatsächlichen Kern“ oder „Tatsachenkern“ haben müssten3. Ähnlich will RegE 4. FFG, S. 90 „unverbürgte Nachrichten“, insbesondere gestreute Gerüchte, schon nicht als Angaben über Umstände ansehen. Dafür werden insbesondere die Argumente ins Feld geführt, nicht tatsachenbasierte Werturteile bzw. Prognosen könnten nicht bzw. nicht ohne Verstoß gegen das Analogieverbot als „unrichtig“ bezeichnet werden4 und es würden sich rationale Anleger nicht auf unverbürgte Nachrichten ohne Tatsachenkern stützen. Diese Argumente haben freilich mit der Einbeziehung irreführender Angaben (oben Rz. 62) an Überzeugungskraft verloren. Richtigerweise ist mit einer vordringenden Auffassung zu differenzieren5: Es trifft 1 S. § 2 Abs. 1 MaKonV und zuvor bereits § 2 Abs. 1 KuMaKV, in deren amtlicher Begründung (BR-Drucks. 639/03, S. 9) es allerdings hieß, eine abschließende Definition der Bewertungserheblichkeit sei „nicht möglich und im Ergebnis auch nicht geboten“. 2 Eichelberger, S. 265. 3 Ebenso Schönhöft, S. 56 f.; Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 13; Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 33; Trüstedt, S. 135 ff.; vgl. bereits zu § 88 BörsG a.F. Fuhrmann, in: Erbs/Kohlhaas, § 88 BörsG Rz. 7; Ledermann, in: Schäfer, 1. Aufl., § 88 BörsG Rz. 8; Schwark, Einl. § 88 BörsG Rz. 6. 4 Vgl. Trüstedt, S. 137 f. 5 Vgl. Arlt, S. 146 ff.; Eichelberger, S. 242; Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 17; noch weitergehend Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 156 f. (wonach die not-
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zu, dass bloße, wenn auch übertreibende, Anpreisungen und verkehrsübliche Schönfärberei häufig keine fassbaren, auf das in Rede stehende Finanzinstrument bezogenen Umstände zum Gegenstand haben und deshalb nach einhelliger Auffassung nicht dem Manipulationsverbot des § 20a Abs. 1 WpHG unterfallen. Jenseits dessen ist der einen „Tatsachenkern“ verlangenden Auffassung zu widersprechen, insbesondere soweit sie dazu tendiert, die „Umstands“täuschung mit der „Tatsachen“täuschung gleichzusetzen1. Durch die Verwendung des Wortes „Umstände“ statt „Tatsachen“ ist bezweckt, die z.B. im Rahmen des § 263 StGB häufig zweifelhafte Suche nach hinter dem Werturteil bzw. der Prognose stehenden Tatsachen oder einem entsprechenden Tatsachenkern sowie den Umweg über die innere Tatsache des Überzeugtseins von dem Werturteil bzw. der Prognose zu erübrigen2. Insbesondere kommen Prognosen usw. bereits dann als Angaben über Umstände in Betracht, wenn sie überhaupt mit dem nachvollziehbaren Anspruch auftreten, ernst genommen zu werden3. So kann es – auch ohne Bezugnahme auf einen nachprüfbaren Tatsachenkern – liegen, wenn der Prognostizierende usw. besondere Sachkunde, Erfahrung oder Autorität in Anspruch nimmt („Börsenguru“). Freilich ist die Inanspruchnahme besonderer Sachkunde usw. keine condicio sine qua non für eine Angabe über Umstände4. So können Gerüchte entgegen RegE 4. FFG, S. 90 Angaben über Umstände sein, wenn der sie Streuende sich z.B. auf vertrauenswürdige Quellen bezieht: „Scharen von Anlegern handeln aufgrund von Gerüchten aus vermeintlich vertrauenswürdiger Quelle, und sie verhalten sich dabei nicht notwendig irrational, wie Studien zu rationalem Herdenverhalten belegen“5. Die praktische Bedeutung des Meinungsstreits hält sich allerdings in Grenzen. Zum 71 einen lässt sich das Erfordernis eines zumindest konkludent miterklärten „Tatsachenkerns“ so verdünnen, dass kaum Unterschiede zur hier vertretenen Auffassung bestehen. Zum anderen führt das Erfordernis letztlich nur zu einem dogmatischen „Verschiebebahnhof“, da tatsachenkernlose Werturteile und Prognosen nach dem Willen des Gesetz- und Verordnungsgebers (s. unten Rz. 210) zumindest als „sonstige Täuschungshandlung“ i.S. von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG dem Marktmanipulationsverbot unterfallen sollen. Auch § 2 Abs. 1 Satz 1 MaKonV stellt – ebenso wie bereits § 2 Abs. 1 KuMaKV – klar, 72 dass Umstände sowohl Tatsachen als auch Werturteile sein können; die gesonderte Erwähnung der Werturteile wäre überflüssig, wenn diese zwingend einen greifbaren Tatsachenkern haben müssten und deshalb selbst als Tatsachen(behauptungen) einzuordnen wären6. Nach BR-Drucks. 639/03, S. 9 f. sind sowohl Werturteile Dritter als auch eigene Werturteile, z.B. Empfehlungen oder Analyseergebnisse, erfasst. Weiterhin bestimmt § 2 Abs. 1 Satz 2 MaKonV, dass als bewertungserhebliche Umstände auch solche gelten, bei denen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass sie in Zukunft eintreten werden. Hierdurch werden in
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wendigen Korrekturen erst auf der Ebene der Preiseinwirkungseignung vorzunehmen sind). Besonders deutlich bei Otto, WM 1988, 729 (731, 737) (zu § 88 BörsG a.F.). Zutr. – zu § 264a StGB – Worms, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 2. Aufl., § 8 Rz. 69 am Ende m.N. Insoweit zutr. Fuhrmann, in: Erbs/Kohlhaas, § 88 BörsG Rz. 7 zu § 88 BörsG a.F. „ernst gemeint“. S. bereits oben Rz. 69 gegen Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, 28. Aufl. 2010, § 264a StGB Rz. 24. Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 17. Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 156 a.E.
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der Sache Prognosen einbezogen, jedenfalls soweit sie einen nachprüfbaren Tatsachenkern haben (s. soeben Rz. 70); in diesem Sinne verlangt BR-Drucks. 18/05, S. 12 „konkrete Anhaltspunkte“ für eine § 2 Abs. 1 Satz 2 MaKonV unterfallende Prognose. 73
Nach dem Gesetz müssen die Umstände für die Bewertung des Finanzinstruments erheblich sein. Dieses aus § 88 Nr. 1 BörsG a.F. übernommene Erfordernis ist wenig bestimmt (s. auch Vor § 20a Rz. 2). Die Kritik, es sei „völlig unklar“1, erscheint aber überzogen. Vielmehr finden sich vergleichbare Erheblichkeitsklauseln in §§ 264a, 265b StGB2. Dort, aber auch bereits zu § 88 Nr. 1 BörsG a.F., sind durchaus Maßstäbe für eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Handhabung des Erheblichkeitskriteriums entwickelt worden, die auf § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG übertragen werden können3. Im Übrigen ist einerseits zu bedenken, dass die Bewertungserheblichkeit durch § 2 MaKonV näher bestimmt wird (s. unten Rz. 81 ff.), und andererseits, dass sich die praktische Bedeutung des Erheblichkeitserfordernisses bei § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG in Grenzen hält: Angaben, die unrichtig bzw. irreführend und preiseinwirkungsgeeignet und gleichwohl für die Bewertung unerheblich sind, dürften eine eher theoretische Ausnahme darstellen.
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Die Bewertungserheblichkeit hängt nicht davon ab, ob sich der Umstand positiv oder negativ auf die Bewertung auswirkt, und ist im Ausgangspunkt auch nicht an eine quantitative Schwelle gebunden4. Gleichwohl muss das Erheblichkeitskriterium wegen seiner Unbestimmtheit restriktiv gehandhabt und auf das eindeutig Erhebliche beschränkt werden, also auf Umstände, über deren Bewertungserheblichkeit Sachkundige nicht unterschiedlicher Meinung sein können5. Deshalb fallen unrichtige Angaben über Bagatellen und Formalien aus der Verbotsmaterie und Straf- bzw. Ahndbarkeit heraus, darüber hinaus solche, über deren Bagatell- und Formalcharakter sich begründeter Maßen streiten lässt6.
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§ 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG enthält keine ausdrückliche Antwort auf die Frage, aus wessen Perspektive die Bewertungserheblichkeit zu bestimmen ist; sie wird erst durch § 2 Abs. 1 Satz 1 MaKonV beantwortet („verständiger Anleger“; näher sogleich Rz. 81 ff.). Sorgenfrei7 leitet aus dem Willen des Gesetzgebers, die Erheblichkeitsmaßstäbe im Insider- und im Marktmanipulationsrecht einander anzugleichen8, i.V.m. der Gesetzesbegründung zu § 13 Abs. 1 Satz 2 WpHG i.d.F. des AnSVG (RegE 1 So aber Sorgenfrei, wistra 2002, 321 (323), der auch die Konkretisierung durch den seinerzeitigen § 2 KuMaKV für unzureichend hielt („nicht geeignet, den Tatbestand des § 20a Abs. 1 Satz 1 WpHG in verfassungsrechtlich gebotener Weise zu konkretisieren“, in: Park, 3. Aufl., §§ 20a, 38 I Nr. 4, 39 WpHG Rz. 21) und zum nunmehrigen § 2 MaKonV rügt, es handele sich um eine „Scheinobjektivierung mittels einer ‚Kunstfigur‘“ (in: Park, 4. Aufl., §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 42). 2 Während das in §§ 13, 15 WpHG enthaltene Merkmal der Eignung der Insidertatsache, den Börsenkurs „erheblich“ zu beeinflussen, auf einer anderen Ebene liegt, s. hierzu § 13 Rz. 67 und insoweit zutr. Sorgenfrei, wistra 2002, 321 (324). 3 A.A. Sorgenfrei, wistra 2002, 321 (324 ff.). 4 BR-Drucks. 639/03, S. 10; s. hierzu auch Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 37 mit Fn. 89. 5 S. nur Tiedemann, in: Leipziger Kommentar StGB, 11. Aufl. (Stand: 1.10.1996), § 264a Rz. 48 m.umf.N. 6 Zu § 264a StGB allg. M., s. nur Tiedemann, in: Leipziger Kommentar StGB, 11. Aufl. (Stand: 1.10.1996), § 264a StGB Rz. 48 m.w.N. in Fn. 57; weiterhin BT-Drucks. 10/318, S. 24 (= RegE 2. WiKG, s. oben Vor § 20a Rz. 1). 7 Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 42 f. 8 Vgl. amtliche Begründung zur MaKonV, BR-Drucks. 18/05, S. 12.
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AnSVG, S. 34), es gehe darum, den europarechtlich vorgegebenen „subjektiven Ansatz“ umzusetzen, ab, dass die Bewertungserheblichkeit subjektiv im Sinne von „konkret“ d.h. individuell zu bestimmen sei. Eine objektive „Anlegervernunft“ gebe es allerdings nicht, wie im Übrigen das WpHG selbst zeige (Unterscheidung von professionellen Kunden und Privatkunden in § 31a Abs. 2, 3 WpHG). Auch gebe es für kein Finanzinstrument homogene Risikoneigungen, die sich im Übrigen nach Umfang und Art des Auftrags und des jeweiligen Finanzinstruments unterschieden. Deshalb sei jeder Versuch, wie in § 2 Abs. 1 Satz 1 MaKonV einen objektiven Maßstab zu bestimmen, untauglich und verfassungswidrig unbestimmt. Aber ist nicht eine subjektive, konkrete oder individuelle Festlegung der Bewer- 76 tungserheblichkeit in besonderem Maße dem Unbestimmtheitsvorwurf ausgesetzt? Was für den einen erheblich sein mag, mag der andere für unerheblich erachten, und die Verbotswidrigkeit bzw. Straf- oder Ahndbarkeit von dem Zufall abhängig zu machen, ob die Fehlinformation das Marktverhalten des einen oder des anderen beeinflusst hat bzw. zu beeinflussen geeignet ist, grenzt an Willkür. Deshalb ist mit dem Willen des Verordnungsgebers und der nunmehr h.L. davon auszugehen, dass die Bewertungserheblichkeit auch im Rahmen des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG im Ausgangspunkt objektiv oder „abstrahierend“ oder „generalisierend“ bestimmt werden muss1. Das entspricht der h.A. zu anderweitigen Erheblichkeitskriterien wie in § 88 Nr. 1 BörsG a.F., §§ 264a, 265b StGB und auch in §§ 13, 15 WpHG (s. § 13 Rz. 63 ff.). Allerdings war bzw. ist dort umstritten, wodurch die erforderliche Objektivität gewährleistet werden kann: Zu § 88 Nr. 1 BörsG a.F. hielt die wohl überwiegende Auffassung die Verkehrsauffassung für maßgeblich2. Unter Betonung der Anlegerseite und des Anlegerschutzes wurde (und wird zu § 264a StGB) aber auch vertreten, es komme auf das Urteil eines verständigen, durchschnittlich vorsichtigen Anlegers an3. Zum früheren Insiderrecht wurde der börsenkundige, objektive und vernünftige, mit allen Umständen des Kapitalmarkts bestens vertraute Investor als „Maßfigur“ des Erheblichkeitsurteils favorisiert (3. Aufl. des Kommentars § 13 Rz. 65c). Demgegenüber betont eine zu § 264a StGB vertretene Auffassung die Kapitalmarktseite und will deshalb auf den Maßstab eines ordentlichen Vertreibers oder Vermittlers von Anlagen und die Erwartungen des Kapitalmarkts im Hinblick auf den jeweils angebotenen Vermögenswert abstellen4. Alles das unterscheidet sich mehr in Formulierung und Akzent als in der Sache und ist dem Einwand ausgesetzt, dass der unbestimmte Rechtsbegriff „erheblich“ lediglich mit anderen, ebenso unbestimmten Rechtsbegriffen umschrieben wird5. Vielmehr liegt die entscheidende Stoßrichtung des Objektivitätserfordernisses der h.L. darin, das Erheblichkeitsurteil nicht dem Belieben einzelner Kapitalmarktbeteiligter zu überlassen6. Maßgeblich ist weder, was der Marktmanipulator für erheblich gehalten hat, noch, was (einzelne) Opfer (Anleger) für erheblich gehalten haben, selbst wenn sie hierauf ausdrücklich Wert gelegt
1 S. nur Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 26; Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 404 f. 2 BT-Drucks. 10/318, S. 24, 46 (= RegE 2. WiKG, s. oben Vor § 20a Rz. 1); Fuhrmann, in: Erbs/ Kohlhaas, § 88 BörsG Rz. 8 zu § 88 BörsG a.F. 3 Schwark, Einl. § 88 BörsG Rz. 8; zu § 264a StGB Tiedemann, in: Leipziger Kommentar StGB, 11. Aufl. (Stand: 1.10.1996), § 264a Rz. 49; je m.N. 4 Cerny, MDR 1987, 271 (277); Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, 28. Aufl. 2010, § 264a StGB Rz. 32. 5 So dass der Richter lediglich auf die Suche nach einem Maßstab geschickt wird, treffend – zu § 265b StGB – Lampe, Der Kreditbetrug, 1980, S. 49. 6 Treffend zu § 265b StGB BGH v. 8.12.1981 – 1 StR 706/81, BGHSt 30, 285 (293).
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haben1. Auszuscheiden sind insbesondere Einzel- und Außenseiteransichten über die Erheblichkeit, des Weiteren Bagatellen und Formalien (s. soeben Rz. 74). Orientierungshilfe für objektiv bewertungserhebliche Umstände können Fachkataloge und Checklisten sein, wie sie auch im Bereich des § 15 WpHG existieren (s. dort 3. Aufl. des Kommentars Rz. 101 ff.). Im Übrigen kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass Gerichte und Behörden über die notwendige Sachkunde verfügen, um die Bewertungserheblichkeit zu beurteilen. Dann können Sachverständigengutachten erforderlich werden. 77
Auf der anderen Seite muss die Bewertungserheblichkeit „selbstverständlich“2 unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles gewürdigt werden. Auch das entspricht der h.A. zu anderweitigen Erheblichkeitskriterien wie bei § 88 Nr. 1 BörsG a.F., §§ 264a, 265b StGB und der hier zu §§ 13, 15 WpHG vertretenen Auffassung (s. § 13 Rz. 63 ff.). Zugegebenermaßen steht die Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles mit dem zuvor begründeten Objektivitätspostulat in einem unverkennbaren Spannungsverhältnis3. Es kann dadurch aufgelöst werden, dass diejenigen Umstände des konkreten Einzelfalles, die berücksichtigt werden, in erster Linie auf den in Frage stehenden Vermögenswert und nur in zweiter Linie auf den in Frage stehenden Anlegerkreis bezogen werden4. In erster Linie zu berücksichtigen sind die Art des Finanzinstruments (z.B. Aktie einerseits, Derivat andererseits), weiterhin der Handelsplatz (z.B. Börse einerseits, Freiverkehr andererseits), aber auch die Geschäftsart (z.B. Aktienkauf zur Kapitalanlage einerseits, zur Unternehmensübernahme andererseits). In zweiter Linie können typische (im Unterschied zu bloß individuellen) Besonderheiten des in Rede stehenden Anlegerkreises berücksichtigt werden, beispielsweise, dass Anleger im Markt für Derivate (§ 2 Abs. 2 WpHG) typischerweise andere Risiken einzugehen bereit sind als im Rentenmarkt5.
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Schließlich ist zu bemerken, dass § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG die Bewertung auf das Finanzinstrument selbst bezieht („für die Bewertung eines Finanzinstruments erheblich“). Der Gesetzeswortlaut unterscheidet sich an dieser Stelle von § 13 Abs. 1 Satz 2 WpHG („wenn ein verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde“) sowie von anderen Vorschriften, die ein Erheblichkeitserfordernis beinhalten wie § 264a StGB (Erheblichkeit „für die Entscheidung“ über die Kapitalanlage) oder § 265b StGB (Erheblichkeit „für die Entscheidung“ über den Kreditantrag). Derartige Formulierungen zielen eindeutig auf den Schutz der Dispositionsfreiheit der Anleger bzw. Kreditgeber, der sich im Wortlaut des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG gerade nicht eindeutig niedergeschlagen hat. Ungeachtet dessen geht eine vordringende Auffassung in der Literatur – in Übereinstimmung mit dem Willen des Verordnungsgebers, der in § 2 Abs. 1 Satz 1 MaKonV gleichfalls von Tatsachen und Werturteilen spricht, die ein verständiger Anleger „bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde“ (näher unten Rz. 81 ff.) – weit in die Richtung eines Schutzes der Dispositionsfreiheit und hält für bewertungserheblich alle Umstände, die „auf die Investitionsentscheidung (…) Einfluss haben können“6 bzw. die „innerhalb der von wirtschaftlichen Erwägungen vorgeprägten – mitunter aber auch eigen1 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 109. 2 Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 43. 3 Vgl. zu der ähnlichen Problemlage bei § 265b StGB BGH v. 8.12.1981 – 1 StR 706/81, BGHSt 30, 285 (291 f. einerseits, 292 f. andererseits zu § 265b StGB). 4 So auch § 13 Rz. 68; s. weiterhin Worms, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 2. Aufl., § 8 Rz. 77: „objektiv-anlagebezogen“. 5 Vgl. Sorgenfrei, wistra 2002, 321 (325). 6 Eichelberger, S. 260.
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willigen – Logik der Kapitalmärkte bei einer das spezifische Finanzinstrument betreffenden Anlageentscheidung einen nachvollziehbaren Stellenwert einnehmen“1: Es gehe um „die im Rahmen einer Anlageentscheidung am und mit Bezug auf den Kapitalmarkt vorzunehmende Bewertung“2. Dem ist zuzugeben, dass für die Bewertung eines Finanzinstruments kapitalmarkt- 79 bezogene Umstände wie z.B. Trends, Handelsvolumina, Marktverhalten von professionellen Investoren u.a.m. ebenso wie Umstände einzubeziehen sind, die auf die Bewertung der Unterlage des Finanzinstruments wie z.B. des Unternehmens bei Aktien oder der Aktie bei Aktienderivaten Einfluss haben. Im Übrigen wird aber an der schon in der 4. Aufl. des Kommentars Rz. 58 vertretenen Auffassung3 festgehalten, dass unter „Bewertung“ eines Finanzinstruments i.S. des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG die Ermittlung des wirtschaftlichen – nicht aber z.B. ethischen, politischen oder ideologischen – Werts des in Rede stehenden Finanzinstruments zu verstehen ist, da andernfalls der durch § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG gewährte Schutz in fragwürdiger Weise auf Überzeugungen, Gefühle und dergleichen erstreckt würde. Der wirtschaftliche Wert ist nicht ohne weiteres mit dem (aktuellen) Geldwert und insbesondere nicht mit dem (aktuellen) Börsen- oder Marktpreis gleichzusetzen, der vielmehr seinen systematischen Ort erst bei der Preiseinwirkungseignung hat. Zu eng wäre es auch, den wirtschaftlichen Wert als Vermögenswert i.S. des strafrechtlichen Vermögensbegriffs zu bestimmen (zu den Auffassungen, die § 20a WpHG als vermögensschützenden Tatbestand verstehen, s. oben Rz. 27). Denn auf Kapitalmärkten geht es um wirtschaftliche Chancen und Risiken einschließlich solcher, die sich noch nicht zu einer vermögenswerten sog. Exspektanz oder Anwartschaft im strafrechtlichen Sinne verdichtet haben4 bzw. die noch keine konkrete und schadensgleiche Vermögensgefährdung darstellen5. Mindestens muss es aber um wirtschaftliche Chancen und Risiken gehen, und für § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG genügen Falschangaben, die sich ausschließlich auf die nichtwirtschaftliche – beispielsweise ethische, politische oder ideologische – Bewertung eines Finanzinstruments beziehen, nicht6. Freilich ist es nicht schlechterdings ausgeschlossen, eine Marktmanipulation mittels unrichtiger oder irreführender Angaben zu begehen, welche unmittelbar nur für die ethische, politische oder ideologische Bewertung eines Vermögenswertes erheblich sind (z.B. über unethische oder illegale Praktiken eines multinationalen Unternehmens in der Dritten Welt, über die Mitgliedschaft der Unternehmenseigner in einer extremistischen politischen Partei oder über eine sektiererische Unternehmensideologie). Denn im Einzelfall können auch solche Umstände mittelbar für die wirtschaftlichen Chancen und Risiken eines Vermögenswertes erheblich sein, beispielsweise wenn öffentliche Aufträge auch nach ethischen, politischen oder ideologischen Kriterien vergeben werden oder wenn wirtschaftlich einflussreiche Anlegerkreise nach solchen Kriterien entscheiden. Ein mögliches Prüfraster für bewertungserhebliche Umstände kann im Anschluss an United States Securities and Exchange Commission, Regulations S-K, SEC 1845 1 2 3 4
Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh I – § 2 MaKonV Rz. 5. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh I – § 2 MaKonV Rz. 5. Ähnlich Schönhöft, S. 73 f. Statt aller Tiedemann, in: Leipziger Kommentar StGB, 11. Aufl. (Stand: 1.10.1996), § 263 Rz. 135 ff. 5 Statt aller Tiedemann, in: Leipziger Kommentar StGB, 11. Aufl. (Stand: 1.10.1996), § 263 Rz. 168 ff. 6 S. erneut Schröder, S. 65 f.; a.A. Eichelberger, S. 259; vermittelnd Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 2 MaKonV Rz. 6: nicht per se bewertungserheblich.
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(2–2003) (s. http://www.sec.gov/divisions/corpfin/forms/regsk.htm) wie folgt angegeben werden (s. auch noch unten Rz. 94 zu § 2 Abs. 3, 4 MaKonV): – Umstände, die das Unternehmen (als Unterlage des Finanzinstruments) betreffen Unternehmensentwicklung (insgesamt, in Sektoren, in räumlichen Gebieten) Anhängige Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren gegen das Unternehmen Personelle Zusammensetzung des Managements Bezüge, Sondervorteile des Managements Inhaberschaft des Unternehmens und Bezüge zum Management Codes of Ethics und ihre Einhaltung – Insbesondere Umstände zur Finanzlage des Unternehmens Umsätze, Umsatzentwicklung Vermögen, Vermögensentwicklung Probleme bei der Rechnungsprüfung Finanzrisiken Finanzkontrolle – Umstände, die das Finanzinstrument selbst betreffen Börsen- oder Marktpreis, Dividenden Inhaberschaft Anlegerstruktur, Anlegerinteresse – Umstände, die die Transaktion mit dem Finanzinstrument betreffen Risikofaktoren Interessenkonflikte Berichte, Meinungen, Empfehlungen zu der Transaktion steuerliche Bewertung. c) Bewertungserhebliche Umstände (2): Konkretisierung durch § 2 MaKonV 81
Konkretisiert wird der Rechtsbegriff der bewertungserheblichen Umstände durch § 2 MaKonV (Text unten im Anhang Rz. 307). Er enthält in Abs. 1 eine Legaldefinition (sogleich Rz. 82 ff.), in Abs. 2 Regelbeispiele (sogleich Rz. 88), in Abs. 3 zwingende, aber nicht abschließende Beispiele (sogleich Rz. 93) und in Abs. 4 Anhaltspunkte oder Hinweise auf weitere Anwendungsfälle (sogleich Rz. 96).
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§ 2 Abs. 1 Satz 1 MaKonV konkretisiert den Rechtsbegriff der Umstände durch die Wendung „Tatsachen und Werturteile“, sieht also Werturteile – umstrittener, aber richtiger Auffassung nach auch solche ohne „Tatsachenkern“ – auch als (Aussagen über) Umstände an (s. bereits oben Rz. 68). Zur Frage, inwieweit Prognosen Umstände i.S. von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG sind, enthält § 2 Abs. 1 Satz 2 MaKonV einen – im früheren § 2 KuMaKV nicht enthaltenen und an § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG angelehnten – Konkretisierungsversuch1: Als bewertungserhebliche Umstände gel1 S. hierzu auch Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 2 MaKonV Rz. 14.
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ten auch solche, bei denen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass sie in Zukunft eintreten werden. Sprachlich und sachlich ist diese Vorschrift durchaus missglückt: Die scheinbare Fiktion („gelten als“) enthebt natürlich nicht der Prüfung, ob die Prognose bewertungserheblich ist. Beim Wort genommen könnten nur zutreffende Prognosen („davon ausgegangen werden kann“) tatbestandsmäßig sein; das ist insiderrechtlich sinnvoll, muss aber marktmanipulationsrechtlich natürlich in der Weise umgestellt werden, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit vorgetäuscht wird. Gewollt ist, bloße Gerüchte oder vage Vermutungen auszuschließen (oben Rz. 72)1; aber das überzeugt in der Sache nicht (oben Rz. 70). Die Bewertungserheblichkeit von Umständen macht § 2 Abs. 1 Satz 1 MaKonV da- 83 von abhängig, dass ein verständiger Anleger sie bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde. Das entspricht der insiderrechtlichen Regelung in § 13 Abs. 1 Satz 2 WpHG (s. dort Rz. 62 ff.) und im Wesentlichen auch der Vorläuferbestimmung in § 2 Abs. 1 KuMaKV („geeignet, auf die Anlageentscheidung eines vernünftigen Anlegers mit durchschnittlicher Börsenkenntnis Einfluss zu nehmen“; s. hierzu 3. Aufl. des Kommentars Rz. 55 f.). Bei § 13 Abs. 1 Satz 2 WpHG spricht der Gesetzgeber insoweit von einem „subjektiven Ansatz“ (RegE AnSVG, S. 34), der beim Insiderrecht in der Tat europarechtlich geboten ist (s. Art. 1 Abs. 2 Richtlinie 2003/124/EG und bereits oben Rz. 75). Als Konkretisierung der Bewertungserheblichkeit bei § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG, die im Ausgangspunkt objektiv zu bestimmen ist (s. oben Rz. 76), erscheint der „subjektive Ansatz“ hingegen problematisch, und er ist auch nicht europarechtlich geboten. Die erforderliche Objektivierung muss durch eine möglichst objektive Handhabung des Merkmals des „verständigen“ Anlegers erreicht werden (sogleich Rz. 85). Vor allem begegnet § 2 Abs. 1 Satz 1 MaKonV dem Bedenken, dass die Vorschrift das 84 gesetzliche Erfordernis der Bewertungserheblichkeit des Umstandes betreffend das Finanzinstrument mit der Entscheidungserheblichkeit für den Anleger gleichsetzt, so die Schutzrichtung des Erheblichkeitsmerkmals auf die Entscheidungs- oder Dispositionsfreiheit der Anleger umstellt und letztlich den Gesetzeswortlaut korrigiert, der sich an § 88 Nr. 1 BörsG a.F. und nicht an die die Dispositionsfreiheit schützenden §§ 264a, 265b StGB anlehnt (s. oben Rz. 73). Freilich führte der Verordnungsgeber zu der Vorläuferbestimmung des § 2 Abs. 1 KuMaKV aus, dass es sich um Umstände handeln müsse, die „für die Bewertung des betreffenden Vermögenswertes durch einen durchschnittlich verständigen, börsenkundigen Anleger eine Rolle spielen und die er folglich in seine Anlageentscheidung vernünftigerweise miteinbeziehen würde“ (BR-Drucks. 639/03, S. 10; Herv. vom Verf.). In der Tat kann eine Diskrepanz zwischen Gesetz und Verordnung vermieden werden, indem der „verständige“ Anleger i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 MaKonV mit einem ökonomisch rational, also nach dem Kriterium des wirtschaftlichen Wertes und der wirtschaftlichen Chancen und Risiken des Finanzinstruments entscheidenden Anleger gleichgesetzt wird (s. bereits oben Rz. 79). Konsequenz hieraus ist, dass Umstände, die allein für einen nichtwirtschaftlich – z.B. ethisch oder politisch – motivierten Anleger entscheidungserheblich sind, trotz des weiter gehenden Wortlauts nicht von § 2 Abs. 1 Satz 1 MaKonV erfasst werden (s. zum Problem bereits oben Rz. 79). Der Streit um die Perspektive, in der die Erheblichkeit zu beurteilen ist (s. oben Rz. 75), wird durch § 2 Abs. 1 Satz 1 MaKonV entschieden: Maßgeblich ist die Per1 S. auch Knauth/Käsler, WM 2006, 1041 (1043).
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spektive eines „verständigen Anlegers“, wie sie z.B. auch bei § 264a StGB zugrundegelegt wird1. Wie viel hiermit gewonnen ist, kann freilich bezweifelt werden, und in der Literatur ist (vor allem zur Vorgängervorschrift des § 2 Abs. 1 KuMaKV) erhebliche Kritik geäußert worden2: „Den“ Anleger gebe es ebenso wenig wie „die“ idealtypische „Anlegervernunft“. Bei ein und demselben Finanzinstrument, z.B. einer Aktie, gebe es diametral zuwiderlaufende Interessen der Anleger (paradigmatisch: An- und Verkaufsinteresse). Die Figur „des“ verständigen Anlegers sei eine realitätsferne Konstruktion, welche die Vielfalt der Anlegergruppen (Privatanleger vs. institutionelle Anleger, risikoaverse vs. spekulationsfreudige Anleger) und der Märkte (Renten- vs. Derivatemarkt) ebenso verkenne wie das unterschiedliche Kenntnis- und Verständnisniveau bei unterschiedlichen Anlegern (professionelle vs. GelegenheitsAnleger). Vor allem aber hingen Anlageentscheidungen von äußerst zahlreichen multikausalen Faktoren ab, die zu berücksichtigen nicht von vorn herein „unverständig“ sei wie z.B. unternehmens-, branchen- oder gesamtwirtschaftliche Umstände nationaler oder internationaler Herkunft, objektiv-normative, betriebswirtschaftliche oder handelsbilanzielle Wertungen, aber auch subjektive und irrationale Parameter wie Gewohnheiten, Motive, Emotionen, Risikobereitschaft bis hin zu purer Spekulationslust. Weiterhin ist gegen die Heranziehung einer „Durchschnittsfigur“ eingewendet worden, dass konsequenterweise Umstände, deren objektiv vorhandene, ggf. große Bewertungserheblichkeit zu erkennen überdurchschnittliche Börsenkenntnis voraussetze, nicht erfasst würden, so dass über solche Umstände – in Bezug auf die das Anlegerpublikum besonders schutzbedürftig sei – getäuscht werden dürfe bzw. solche Umstände verschwiegen werden dürften; da die Normadressaten des § 20a WpHG typischer Weise börsenerfahren seien, läge in einem strengeren Maßstab auch keine Pflichtenüberspannung (s. 3. Aufl. des Kommentars Rz. 56 und § 13 Rz. 65c). Diese Bedenken haben zwar Gewicht. Doch geht es zu weit, hieraus abzuleiten, § 2 Abs. 1 Satz 1 MaKonV beruhe auf einer Fiktion und sei nicht justiziabel und verfassungswidrig3. Das geltende Recht nimmt an zahlreichen Stellen Bezug auf Maßfiguren wie den ordentlichen Kaufmann (§ 347 Abs. 1 HGB) oder Geschäftsmann (§ 43 Abs. 1 GmbHG), den ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter (§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG), den sorgfältigen Verkehrsteilnehmer (vgl. § 276 Abs. 2 BGB) oder den billig und gerecht Denkenden (vgl. § 138 Abs. 1 BGB). Solche Maßfiguren sind zwar stark konkretisierungsbedürftig, doch gibt es durchaus bewährte Methoden der Konkretisierung und Fallgruppenbildung4. 86
Der verständige Anleger i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 MaKonV muss zwar objektiv, aber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles bestimmt werden (s. oben Rz. 77). Er hat die für den Umgang mit dem jeweiligen Finanzinstrument übliche Fachkunde und ist mit den Marktgegebenheiten vertraut5. Seiner Anlageentscheidung legt er nur Umstände zugrunde, welche die wirtschaftlichen Chancen und Risiken des jeweiligen Finanzinstruments betreffen (s. oben Rz. 79), und ist in diesem Sinne ein wirtschaftlich verständig (rational) Handelnder („homo oeconomicus“)6. Umstände, die nur für schlechterdings unverständiges (irrationales) Anlegerverhal1 S. hierzu Tiedemann, in: Leipziger Kommentar StGB, 11. Aufl. (Stand: 1.10.1996), § 264a Rz. 49. 2 Instruktiv Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 404 f.; Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 42 ff.; Weber, NZG 2004, 23 (24, 27 f.); je m.w.N. 3 So aber Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 42. 4 Wie hier Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 30: „handhabbar“. 5 Vgl. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 2 MaKonV Rz. 12. 6 Ähnlich Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 2 MaKonV Rz. 10.
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ten von Bedeutung sind, scheiden aus; beispielsweise wäre es kein Fall des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG, wenn ein Marktmanipulator die unrichtige Angabe verbreitete, ein Hellseher habe der Aktie eine sensationelle Wertentwicklung vorhergesagt (was für sich genommen eine beweisbare Tatsache und somit gewiss ein Umstand wäre!). Einem Trend zu folgen, kann aber auch dann als verständig (rational) gelten, wenn der Trend für sich gesehen unverständig (irrational) ist1: Wer in eine „Blase“ investiert, wird Gewinn machen, solange davon ausgegangen werden kann, die „Blase“ werde noch nicht „platzen“, wozu es Erfahrungswerte gibt. Bleiben Zweifel, ob ein verständiger Anleger den Umstand berücksichtigt hätte, so fehlt es an der Bewertungserheblichkeit i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 MaKonV, die eindeutig festgestellt werden muss (s. oben Rz. 68). Zu bedenken ist weiterhin, dass § 2 Abs. 1 Satz 1 MaKonV nur Umstände betrifft, die Gegenstand einer unrichtigen oder irreführenden Angabe gewesen sind; wenn die Irreführung vorsätzlich erfolgt ist, gibt das durchaus Anlass2 zu prüfen, ob der Umstand bewertungserheblich, nämlich für Anlageentscheidungen von Bedeutung gewesen ist, wenn und soweit sich die vorsätzliche Irreführung nicht anders erklären lässt. Im Einzelnen erfasst § 2 Abs. 1 MaKonV insbesondere3
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– Umstände, die den „inneren Wert“ eines Finanzinstruments bestimmen, namentlich unternehmensbezogene Umstände vor allem bei börsennotierten Aktiengesellschaften als Unternehmensträger. Hier liegt der Schwerpunkt der Konkretisierung in § 2 Abs. 2–4 MaKonV, – sodann produkt- oder branchenbezogene Umstände, z.B. Wachstums- oder Bedarfsanalysen, – sowie volks- und devisenwirtschaftliche Umstände, z.B. Volkswirtschaftskennzahlen oder Prognosen, – Umstände, die den „äußeren Wert“ eines Finanzinstruments am Kapitalmarkt bestimmen, namentlich wirtschaftliche oder rechtliche Chancen und Risiken der Preisentwicklung des Finanzinstruments, aber auch Bewertungen („ratings“) eines Finanzinstruments, – hierzu gehörig Umstände, die das gegenwärtige oder als hinreichend wahrscheinlich dargestellte künftige (§ 2 Abs. 1 Satz 2 MaKonV) Anlegerverhalten betreffen, z.B. Kauf- oder Verkaufsabsichten bedeutsamer institutioneller Anleger, – sowie sonstige kapitalmarktbezogene Umstände, z.B. eine hinreichend wahrscheinlich drohende Untersagung oder Aussetzung des Handels mit einem Finanzinstrument (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 2 WpHG). Im Vordergrund der bisherigen Praxis zu § 88 Nr. 1 BörsG bzw. zu § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG i.d.F. des 4. FFG4 stehen freilich durchaus „primitive“ unrichtige Angaben über Kennzahlen, namentlich über Umsatz und Gewinn, börsennotierter Aktiengesellschaften, mit dem Ziel, den Preis von Aktien zu beeinflussen.
1 Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 2 MaKonV Rz. 10; s. auch Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 26 zu rationalem Herdenverhalten. 2 In der 4. Aufl. des Kommentars Rz. 63 hieß es, vorsätzliche Irreführung sei sogar ein „Indiz“ für Bewertungserheblichkeit; das geht zu weit, zutr. krit. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 2 MaKonV Rz. 13. 3 S. auch die Zusammenstellung bei Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 2 MaKonV Rz. 6. 4 S. hierzu den Fall Ision, LG Hamburg 620 Kls 5/04, 5500 Js 97/03.
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§ 2 Abs. 2 MaKonV bestimmt, dass Insiderinformationen, die nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG ad-hoc-publizitätspflichtig sind (s. hierzu die dortige Kommentierung), und Entscheidungen und Kontrollerwerbe, die der Publizitätspflicht nach §§ 10, 35 WpÜG unterliegen (s. hierzu die dortigen Kommentierungen), „regelmäßig“ bewertungserhebliche Umstände sind. Da es in Ausnahmefällen anders liegen kann, handelt es sich nur um Regelbeispiele; ob und welche Fälle denkbar sind, in denen die Indizwirkung entfällt, bleibt das Geheimnis des Verordnungsgebers1.
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Hinsichtlich der Insiderinformationen weist BR-Drucks. 639/03, S. 10 (zum seinerzeitigen § 2 Abs. 2 KuMaKV) darauf hin, dass § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG nach dem Willen des Gesetzgebers (s. RegE 4. FFG, S. 89) eine Rechtsvorschrift i.S. des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG (Marktmanipulation durch Verschweigen von Umständen) ist (s. noch unten Rz. 101 ff.); dann ist es nur folgerichtig, dass unrichtige bzw. irreführende Angaben über Insiderinformationen dem § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG unterfallen, zumal durch AnSVG und MaKonV die Legaldefinitionen der Insiderinformationen einerseits und der der bewertungserheblichen Umstände andererseits parallelisiert worden sind (s. oben Rz. 23). Im Übrigen liegt es ausgesprochen nahe, dass Insiderinformationen, die geeignet sein müssen, den Börsen- oder Marktpreis erheblich zu beeinflussen, zugleich bewertungserhebliche und den Börsen- oder Marktpreis überhaupt zu beeinflussen geeignete Umstände sind2. In der Praxis sind unrichtige Ad-hoc-Mitteilungen z.B. über erwartete Gewinne oder Gewinnsteigerungen ein durchaus bedeutsames Mittel der Marktmanipulation.
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Solange der Emittent gemäß § 15 Abs. 3 WpHG von der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität befreit ist, da und soweit es der Schutz seiner berechtigten Interessen erfordert, kann sein Schweigen keine verbotene Marktmanipulation sein (s. noch unten Rz. 101). Jedoch impliziert das Schweigerecht des § 15 Abs. 3 WpHG kein Lügerecht, so dass positiv unrichtige oder irreführende Angaben über ad-hoc-publizitätspflichtige Insiderinformationen Marktmanipulation i.S. des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG sein können3.
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Entscheidungen über Erwerbs- oder Übernahmeangebote i.S. des § 10 WpÜG und Kontrollerwerbe i.S. des § 35 WpÜG sind regelmäßig für die Bewertung der Zielgesellschaft von erheblicher Bedeutung4 und werden deshalb in § 2 Abs. 2 MaKonV (ebenso zuvor § 2 Abs. 2 KuMaKV) mit Recht als Regelbeispiele für bewertungserhebliche Umstände genannt. Im Vordergrund steht das gemäß § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG verbotene Verschweigen derartiger Entscheidungen oder Erwerbe; für § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG sind z.B. lediglich zum Schein abgegebene Übernahmeangebote5 sowie unrichtige Angaben über eine getroffene oder nicht getroffene Erwerbs- oder Übernahmeentscheidung von Bedeutung. Nicht von § 2 Abs. 2 MaKonV erfasste Erwerbs- oder Übernahmeangebote können gemäß § 2 Abs. 4 Nr. 3 MaKonV erfasst werden (s. unten Rz. 97).
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§ 2 Abs. 2 MaKonV verweist nicht auf die „Vorgänge von besonderer Bedeutung“ i.S. von § 289 Abs. 2 Nr. 1 HGB, die im Lagebericht darzustellen sind. In der Sache dürfte
1 Vgl. auch die Kritik von Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 2 MaKonV Rz. 17. 2 Zutr. Trüstedt, S. 150 f.; krit. freilich Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 2 MaKonV Rz. 16: „kein ‚Konkretisierungsmehrnutzen‘“. 3 Zutr. BR-Drucks. 18/05, S. 12. 4 BR-Drucks. 639/03, S. 10. 5 BR-Drucks. 639/03, S. 10.
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es sich aber insoweit gleichfalls um ein Regelbeispiel für bewertungserhebliche Umstände i.S. des § 2 Abs. 1 MaKonV handeln. § 2 Abs. 3 MaKonV enthält eine Liste von Beispielen1 für bewertungserhebliche Um- 93 stände. Die Liste ist einerseits nicht abschließend („insbesondere“), andererseits aber zwingend: Die in § 2 Abs. 3 MaKonV angeführten Umstände sind immer als bewertungserheblich anzusehen; die Wertung ist durch die Beispiele vorgegeben2. Da § 2 Abs. 3 MaKonV den Anwendungsbereich des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG und des § 2 Abs. 1 MaKonV allerdings nicht erweitern kann und will, ist das Erfordernis der Bewertungserheblichkeit bei der Auslegung der Beispiele, insbesondere der in ihnen durchweg verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe („bedeutend“, „wichtig“, „Schlüssel“position usw.) mit zu berücksichtigen. Entgegen Sorgenfrei3 liegt hierin kein Zirkelschluss, und es ist nach hier vertretener Auffassung auch nicht gerechtfertigt, die Mehrzahl der Beispiele als zu unbestimmt abzulehnen4. In der Sache übernimmt § 2 Abs. 3 (und auch Abs. 4) MaKonV Umstände, die im 94 Emittentenleitfaden der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht5 als ad-hocpublizitätspflichtige Insiderinformationen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG genannt werden. Ob diese Übernahme angesichts der unterschiedlichen Schutzzwecke von Insiderhandels- und Marktmanipulationsverbot glücklich ist, muss bezweifelt werden6. Die insiderrechtliche Herkunft des § 2 Abs. 3 (und auch Abs. 4) MaKonV führt zum einen dazu, dass im Schwerpunkt unternehmensbezogene Umstände (s. oben Rz. 87) erfasst werden, die in erster Linie für die Bewertung der Aktien eines Unternehmens (bzw. der hiervon abhängigen Derivate) erheblich sind, und zum anderen, dass der Schwerpunkt auf Veränderungen liegt (ausdrücklich in § 2 Abs. 3 Nr. 5, 6, Abs. 4 Nr. 1, 2 MaKonV). Aber selbstverständlich sind auch unternehmensunabhängige Marktdaten wie z.B. die Orderlage oder das Transaktionsverhalten großer Marktteilnehmer wie etwa Fonds in hohem Maße bewertungserheblich und manipulationsanfällig (s. bereits oben Rz. 73 ff.)7. Gleiches gilt für „gewöhnliche“ Unternehmensdaten im betriebswirtschaftlichen Sinne unabhängig von Veränderungen, z.B. für Gewinn- und Verlustrechnung, Bilanzaussagen oder Unternehmenskennzahlen, etwa das EBITDA-Ergebnis oder die Umsatzrendite8. Dass sie in § 2 Abs. 3 (und auch Abs. 4) MaKonV nicht genannt sind, ist rechtspolitisch fragwürdig, und der Verordnungsgeber sollte § 2 Abs. 3 (und auch Abs. 4) MaKonV bei Gelegenheit einer gründlichen Revision unterziehen. Im Einzelnen enthält § 2 Abs. 3 MaKonV sechs Beispiele für bewertungserhebliche 95 Umstände: Nr. 1 nennt bedeutende Kooperationen, den Erwerb oder die Veräußerung von wesentlichen Beteiligungen sowie den Abschluss, die Änderung oder die Kündigung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen (s. hierzu § 291 AktG) und sonstigen bedeutenden Vertragsverhältnissen. Wann eine Kooperation „bedeutend“ ist, lässt sich abstrakt-generell nicht sagen. Mock/Stoll/Eufinger9 schlagen vor, entsprechend § 5 Abs. 3 Satz 2 FinAnV (Text im Anhang zu § 34b Rz. 187) eine Betei1 2 3 4 5 6
Unzutr. BR-Drucks. 18/05, S. 13: „Regelbeispiele“. Vgl. BR-Drucks. 18/05, S. 13. Vgl. Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 56. So aber Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 51 ff. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 56 f. Krit. auch Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 2 MaKonV Rz. 19. 7 Vgl. auch BR-Drucks. 639/03, S. 10. 8 Vgl. erneut BR-Drucks. 639/03, S. 10. 9 Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 2 MaKonV Rz. 21.
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ligung von mehr als 5 % des Grundkapitals einer Aktiengesellschaft als „wesentlich“ anzusehen. Umstritten ist, ob die „sonstigen bedeutenden Vertragsverhältnisse“ in einem Zusammenhang mit den Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen zu stellen und deshalb konzernrechtlich zu deuten sind, sich also auf Verflechtungen des Unternehmens mit anderen Unternehmen beschränken (so 4. Aufl. des Kommentars Rz. 72), oder ob sie auch in einen Zusammenhang mit den Kooperationen zu stellen sind, so dass z.B. bedeutende Zulieferverträge oder das „Outsourcing“ von Unternehmensabteilungen mit erfasst sind1, wofür die Bewertungserheblichkeit solcher Geschehnisse spricht2. – Nr. 2 nennt Liquiditätsprobleme, Überschuldung (§ 19 Abs. 2 Satz 1 InsO) oder Verlustanzeige nach § 92 Abs. 1 AktG. Liquiditätsprobleme unterhalb drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 Abs. 2 InsO3) genügen nur, wenn sie nach allgemeinen Grundsätzen bewertungserheblich sind (s. oben Rz. 82). – Nach Nr. 3 bewertungserheblich sind bedeutende Erfindungen, die Erteilung oder der Verlust bedeutender Patente und Gewährung wichtiger Lizenzen, wobei es weniger auf den Wert der Erfindung, des Patents oder der Lizenz ankommt, sondern auf die nach allgemeinen Grundsätzen zu beurteilende Bewertungserheblichkeit. – Nr. 4 nennt Rechtsstreitigkeiten (auch Verwaltungsrechtsstreitigkeiten sowie schieds- und sonst außergerichtliche Rechtsstreitigkeiten4) und Kartellverfahren von besonderer Bedeutung. Eine gegen ein Unternehmen erhobene Klage hat auch bei hoher Klagforderung nur dann besondere Bedeutung, wenn sie so aussichtsreich ist, dass ein verständiger Anleger sie bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde5. – Nach Nr. 5 sind Veränderungen in personellen Schlüsselpositionen des Unternehmens bewertungserheblich. Ob eine Schlüsselposition vorliegt, ist nicht formell nach dem Unternehmensverfassungsrecht (Wechsel im Vorstand, Aufsichtsrat) zu beurteilen, sondern materiell nach den allgemeinen Grundsätzen zur Bewertungserheblichkeit (Rückzug des Unternehmensgründers, Kündigung eines unverzichtbaren Mitarbeiters, etwa des Chefkonstrukteurs eines Automobilunternehmens, Abgang eines Anlageteams in einer Investmentbank). – Schließlich nennt Nr. 6 strategische Unternehmensentscheidungen, insbesondere den Rückzug aus oder die Aufnahme von neuen Kerngeschäftsfeldern oder die Neuausrichtung des Geschäfts. Zu den strategischen Unternehmensentscheidungen zählen auch (insbesondere internationale) Standort- und Sanierungsentscheidungen. 96
§ 2 Abs. 4 MaKonV schließlich zählt Umstände auf, die bewertungserheblich i.S. des § 2 Abs. 1 MaKonV sein „können“. Es handelt sich weder um zwingende Beispiele wie in § 2 Abs. 3 MaKonV noch um Regelbeispiele6, weil der Verordnungsgeber im Unterschied zu § 2 Abs. 2 MaKonV („regelmäßig“) keine Regelwirkung angeordnet und auch keine „Ermessensebene“ eingeräumt hat7, sondern eine „Bewertung im Einzelfall“ voraussetzt8. Vielmehr enthält § 2 Abs. 4 MaKonV, insoweit vergleichbar 1 Bejahend Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 2 MaKonV Rz. 21; Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 21; zweifelnd Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 51 mit Fn. 247. 2 Instruktiv der bei Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 408 mit Fn. 620 geschilderte Fall Altana. 3 Hierzu Hirte, ZInsO 2006, 1289 (1292); Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 2 MaKonV Rz. 22. 4 Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 2 MaKonV Rz. 24. 5 A.A. Fürhoff/Wölk, WM 1997, 449 (454), wonach die Höhe der Klagforderung für sich genommen zu einer besonderen Bedeutung führen kann. 6 Unrichtig BR-Drucks. 18/05, S. 13. 7 Unrichtig BR-Drucks. 18/05, S. 13; zutr. Kritik bei Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 2 MaKonV Rz. 28. 8 Nur insoweit zutr. BR-Drucks. 18/05, S. 13.
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dem früheren § 2 Abs. 3 KuMaKV, eine „Orientierungshilfe für Normadressaten und Rechtsanwender“1 in Gestalt eines verordnungsrechtlichen Prüfrasters: Normadressaten und Rechtsanwender sind gehalten, die potentiell bewertungserheblichen Umstände, die in § 2 Abs. 4 MaKonV aufgeführt sind, auf ihre aktuelle Bewertungserheblichkeit zu prüfen. Gemäß Nr. 1 können Änderungen in den Jahresabschlüssen und Zwischenberichten 97 und den hieraus üblicherweise abgeleiteten Unternehmenskennzahlen bewertungserheblich sein. Stets muss es sich um Änderungen gegenüber bereits vorliegenden Jahresabschlüssen, Zwischenberichten und Unternehmenskennzahlen handeln, die als solche in § 2 Abs. 4 Nr. 1 MaKonV nicht erfasst sind (aber i.d.R. von § 2 Abs. 1 MaKonV umfasst werden); hier wirkt sich erneut die insiderrechtliche Herkunft des § 2 Abs. 3, 4 MaKonV aus (s. oben Rz. 94). Nr. 2 nennt Änderungen der Ausschüttungen, insbesondere Sonderausschüttungen, eine Dividendenänderung oder die Aussetzung der Dividende als weitere in Betracht kommende bewertungserhebliche Umstände. Die in Nr. 3 genannten, nicht bereits von § 20a Abs. 2 WpHG erfassten Übernahme-, Erwerbs- und Abfindungsangebote (s. oben Rz. 91) sind vor allem solche, bei denen die Anteile der Zielgesellschaft nicht an einem organisierten Markt gehandelt werden, so dass die Zielgesellschaft nicht dem WpÜG unterfällt. Kapitalund Finanzierungsmaßnahmen gemäß Nr. 4 sind u.a. Kapitalerhöhungen, aber auch bedeutsame Fremdfinanzierungen (Darlehen u.a.m.). 3. Manipulationsverhalten nach Alt. 2 (Verschweigen) a) Unterlassungstatbestand, Blankettcharakter § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG verbietet das Verschweigen von erheblichen 98 Angaben und gebietet somit, solche Angaben zu machen. Es handelt sich um einen Unterlassungstatbestand. Ob er im strafrechtsdogmatischen Sinne ein „echtes“ oder „unechtes Unterlassungsdelikt“ enthält, ist umstritten2 und hängt davon ab, was man unter „echtem“ und „unechtem“ Unterlassen versteht3. In der Sache sollten von derart „botanisierender“ Dogmatik die Sachlösungen nicht abhängen; materiell festzuhalten ist, dass die in Bezug genommenen bestehenden Rechtsvorschriften (s. unten Rz. 105 ff.) Sonderpflichten und -verantwortlichkeiten enthalten, so dass es nicht um ein „Jedermannsunterlassen“ geht.
1 BR-Drucks. 639/03, S. 10. 2 In Richtung unechtes Unterlassungsdelikt gehen Bernsmann, in: FS Richter II, 2006, S. 51 (53 f.); Schönhöft, S. 86 f.; auch 5. Aufl. des Kommentars Rz. 98; nur als echtes Unterlassungsdelikt sehen die Alt. Eichelberger, S. 266; Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 35; Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 29; Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, IV WpHG Rz. 72; Trüstedt, S. 89; s. weiterhin zu § 88 Nr. 1 Alt. 2 BörsG a.F. Ledermann, in: Schäfer, 1. Aufl., § 88 BörsG Rz. 11; zu dem vergleichbaren Streit bei § 264a StGB s. nur Tiedemann, in: Leipziger Kommentar StGB, 11. Aufl. (Stand: 1.10.1996), § 264a Rz. 61 m.N. 3 Dazu gibt es – mindestens – drei Ansätze: „Echte“ Unterlassungsdelikte beschreiben bereits unmittelbar ein Unterlassen, „unechte“ unmittelbar ein Tun (dem erst über § 13 StGB ein Unterlassen gleichgestellt wird). – „Echte“ Unterlassungsdelikte entsprechen Tätigkeitsdelikten und haben keinen Erfolg, während „unechte“ Unterlassungsdelikte die unterlassene Abwendung eines eingetretenen Erfolges zum Gegenstand haben. – „Echte“ Unterlassungsdelikte können von Jedermann, „unechte“ nur von Sonderpflichtigen begangen werden.
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Nach allgemeinen Regeln ist Unterlassen subsidiär zu positivem Tun, so dass Alt. 1 den Vorrang hat1. Insbesondere kann bei unvollständigen Angaben („Teilschweigen“) Alt. 1, nicht 2, einschlägig sein (s. oben Rz. 61 f.), und es ist weiterhin zu bedenken, ob bei unrichtigen oder unrichtig gewordenen gemachten Angaben Berichtigungsund Aktualisierungspflichten bestehen, die nicht über Alt. 2, sondern über Alt. 1 i.V.m. § 13 StGB erfasst werden (str., s. oben Rz. 67). Dass der Alt. 2 deswegen keine große Bedeutung zukomme2, ist aber – insbesondere mit Blick auf § 15 WpHG – nicht zutreffend.
100 Indem die Unterlassensalternative „bestehende Rechtsvorschriften“ in Bezug nimmt, enthält sie eine dynamische Verweisung, die nicht auf das WpHG begrenzt ist, und ist somit ein echtes dynamisches (Teil-)Blankett. Zu den diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Problemen s. Vor § 20a Rz. 26 ff. sowie hier Rz. 73; zu den diesbezüglichen Irrtumsproblemen s. unten Rz. 129. b) Verschweigen von Angaben über erhebliche Umstände 101 Verschwiegen sind jedenfalls solche Angaben, die überhaupt nicht, d.h. gegenüber niemandem, gemacht worden sind. Mit dem Wortlaut vereinbar und nach Sinn und Zweck geboten ist es aber, auch Angaben einzubeziehen, die zwar gegenüber einzelnen oder mehreren Personen gemacht, jedoch gegenüber mindestens einer Person verschwiegen worden sind, sofern nach bestehenden Rechtsvorschriften eine Offenbarungspflicht gegenüber dieser Person bestand3. Die bloße Verletzung von Formund Verfahrensvorschriften über die Offenbarung genügt hingegen für sich nicht. Praktisch relevant wird das bei Ad-hoc-Mitteilungen: Das bloße Unterlassen der Mitteilungen an die Börsengeschäftsführung bzw. das Bundesamt (§ 15 Abs. 4 WpHG s. § 15 Rz. 254 ff.) ist nur eine Verletzung einer Form- und Verfahrensvorschrift, da nach dem Schutzzweck des § 15 WpHG ebenso wie des § 20a WpHG die Veröffentlichung gegenüber dem Anlegerpublikum entscheidend ist; wird gegenüber diesem die Publizität in qualitativ zureichender Form hergestellt, ist § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG nicht verletzt4. Demgegenüber kann eine Ad-hoc-Mitteilung, die nicht in der von § 15 Abs. 7 WpHG i.V.m. § 5 WpAIV geforderten Form erfolgt (hierzu § 15 Rz. 311 ff.), ein Verschweigen zumindest gegenüber einem Teil des Anlegerpublikums sein, sofern nicht in anderer Weise eine funktional gleichwertige Öffentlichkeit hergestellt wird. Bereits öffentlich bekannte Umstände können nicht mehr verschwiegen werden. Das ergibt sich für §§ 13, 15 WpHG aus dem Gesetz, muss aber auch bei § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG angenommen werden, da Offenbarungspflichten gegenstandslos werden, wenn der zu offenbarende Umstand bereits allgemein bekannt ist. 102 Ein Verschweigen entgegen bestehenden Rechtsvorschriften liegt auch dann vor, wenn die in Rede stehende Rechtsvorschrift eine sofortige, unverzügliche oder binnen bestimmter Frist erfolgende Offenbarung verlangt und diese zu spät erfolgt. Zuzugeben ist, dass es im Einzelfall schwierig sein kann, die zeitliche Grenze zu bestimmen. Das gilt insbesondere für gestreckte und/oder mehrstufige Unternehmensentscheidungen in börsennotierten Unternehmen über gemäß § 15 WpHG publizitätspflichtige Geschehnisse5. Kapitalmarktrechtliche Tendenz ist, die Publizi1 2 3 4 5
Ebenso Eichelberger, S. 273. So zu § 88 Nr. 1 Alt. 2 BörsG a.F. Fuhrmann, in: Erbs/Kohlhaas, § 88 BörsG Rz. 13. Ebenso Eichelberger, S. 273; Schönhöft, S. 88. Ebenso Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 171. S. hierzu auch Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 30.
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tätspflicht auf den Zeitpunkt vorzuverlagern, zu dem der Entscheidungsprozess so weit vorangeschritten ist, dass die Information hierüber preisbeeinflussungsgeeignet ist, während in einer gesellschaftsrechtlich orientierten Sicht die Entscheidungsfreiheit der Gesellschaftsorgane zu schützen ist, so dass erst zu dem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung faktisch gefallen ist, eine Publizitätspflicht entsteht (s. zu den Einzelheiten § 15 Rz. 32 ff.). Bis der EuGH die Frage entschieden haben wird1, dürfte es angemessen sein, ein tatsächlich und rechtlich noch vertretbares Zuwarten aus dem Anwendungsbereich des § 20a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 WpHG und jedenfalls aus der Straf- bzw. Ahndbarkeit herauszunehmen. Im Übrigen ist der Praxis auch und gerade im Hinblick auf mögliche Verstöße gegen das Marktmanipulationsverbot zu raten, bei gestreckten und/oder mehrstufigen Unternehmensentscheidungen in börsennotierten Unternehmen von der Möglichkeit der Selbstbefreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG Gebrauch zu machen, sofern deren Voraussetzungen – berechtigte Interessen und Wahrung der Vertraulichkeit – erfüllt sind2. Gegenstand des Verschweigens können alle Umstände i.S. des oben Rz. 69 Dargelegten sein. Anders als z.B. § 264a Abs. 1 StGB3 ist § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG nicht auf das Verschweigen von Tatsachen beschränkt, sondern umfasst im Grundsatz auch das Verschweigen von Werturteilen oder Prognosen. Dies gilt freilich nur, soweit die jeweils bestehenden Rechtsvorschriften die Offenbarungspflicht auf Umstände in diesem Sinne erstrecken. So liegt es aber auch bei § 15 WpHG, der die Ad-hoc-Publizitätspflicht auf jede preisbeeinflussungsgeeignete Information über „Umstände“ – nicht bloß Tatsachen! – erstreckt (eingehend § 15 Rz. 51 ff.).
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Die Erheblichkeit der verschwiegenen Umstände bestimmt sich wie oben Rz. 73 ff. 104 dargelegt. Allerdings dürfte eine Vermutung dafür bestehen, dass ein Umstand, in Bezug auf den eine bestehende Rechtsvorschrift eine Offenbarungspflicht begründet, zugleich erheblich i.S. des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG ist4, jedenfalls wenn es sich um spezifisch kapitalmarktrechtliche Offenbarungspflichten handelt5. Dies gilt insbesondere für § 15 WpHG, wenngleich der dortige Erheblichkeitsbegriff theoretisch von dem des § 20a WpHG zu unterscheiden ist (s. oben Rz. 75 f.). c) Entgegen bestehenden Rechtsvorschriften Anders als z.B. § 264a Abs. 1 StGB statuiert § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG 105 nicht selbst eine Offenbarungspflicht, sondern setzt eine zum Zeitpunkt des Unterlassens bestehende, d.h. in Kraft befindliche Rechtsvorschrift voraus, die ihrerseits eine Offenbarungspflicht statuiert. Zu den Rechtsvorschriften zählen unstreitig deutsche Gesetze und Rechtsverordnungen sowie unmittelbar geltendes europäisches Unionsrecht, namentlich Verordnungen des Rates oder der Kommission6. Auch ausländische Gesetze und Rechtsverordnungen kommen in Betracht (vgl. § 38 1 S. hierzu die mit Stand 1.8.2011 anhängige, aber noch nicht entschiedene Rechtssache C-19/11 („Geltl“) (ABl. Nr. C 113 v. 9.4.2011, S. 3), beruhend auf dem Vorlagebeschluss BGH v. 22.11.2010 – II ZB 7/09, ZIP 2011, 72. 2 S. hierzu Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 36; Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 30. 3 Hierzu Tiedemann, in: Leipziger Kommentar StGB, 11. Aufl. (Stand: 1.10.1996), § 264a Rz. 63. 4 Wie hier Eichelberger, S. 268; Schönhöft, S. 87. 5 Vgl. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 179, die eine Vermutungswirkung bei anderen Offenbarungspflichten ablehnen. 6 Allg. M.; s. nur Arlt, S. 177; Eichelberger, S. 269; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 166; zu § 88 BörsG a.F. Fuhrmann, in: Erbs/Kohlhaas, § 88 BörsG Rz. 14.
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Abs. 5 WpHG und hierzu § 38 Rz. 61 ff.). Demgegenüber reichen nicht umgesetzte Richtlinien der Europäischen Union nicht, weil sie sich im Ausgangspunkt nur an die Mitgliedstaaten richten und eine unmittelbare Wirkung zum Nachteil von Wirtschaftsteilnehmern nicht in Betracht kommt1. Umstritten ist, ob Publizitätspflichten, die sich aus Börsenordnungen nach § 16 BörsG z.B. im Zusammenhang mit der Zulassung eines Finanzinstruments ergeben (vgl. etwa §§ 45 ff. BörsO-FWB, Stand 11.7.2011) ausreichen. Es handelt sich um öffentlich-rechtliche Satzungen, die eine gesetzliche Grundlage haben und rechtsverbindlich sind, was für eine Rechtsvorschrift ausreicht2. 106 Nach h.A. ist erforderlich, dass die Rechtsvorschrift die Offenbarungspflicht ausdrücklich statuiert, so dass „allgemeine Rechtspflichten“ wie die in § 13 StGB genannten Erfolgsabwendungspflichten oder „allgemeine Grundsätze“ wie Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht genügen3. Zwar ist das vom Wortlaut her nicht zwingend, und der Gesetzgeber scheint zu meinen, dass alle „Rechtspflichten zur Offenbarung“ ausreichen4. Aus Gründen der Tatbestandsbestimmtheit und der Vorhersehbarkeit für die Normadressaten erscheint jedoch die h.A. vorzugswürdig. Freilich bleibt § 13 StGB im Rahmen des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG insoweit anwendbar, als es um die Berichtigung bzw. Aktualisierung gemachter unrichtiger bzw. unrichtig gewordener Angaben geht (s. oben Rz. 67). 107 Jedenfalls nicht ausreichend sind Offenbarungspflichten, die sich aus nicht rechtsverbindlichen Verhaltenscodices (wie z.B. Ziff. 3.10 Deutscher Corporate Governance Kodex, Fassung vom 26.5.2010, zum Corporate Governance Bericht) und freiwilligen Vereinbarungen (wie den früheren Insiderhandels-Regeln) oder sonstigen zivilrechtlichen Vertragsverhältnissen ergeben5. Auch scheidet bloßes Richterrecht aus6. 108 Die Frage, ob nur anleger- bzw. kapitalmarktschützende bzw. spezifisch kapitalmarktrechtliche Offenbarungspflichten in Betracht kommen, so dass z.B. lediglich steuer- oder umweltrechtlich begründete Offenbarungspflichten ausscheiden, wird mittlerweile im Anschluss an Schlüchter7 überwiegend bejaht8. Diese lässt freilich genügen, dass man den Anleger „(z)umindest mittelbar … angesprochen“ sehen kann wie z.B. bei handelsrechtlichen Pflichten, bestimmte Tatsachen ins Handelsregister eintragen zu lassen, das dann öffentlich bekannt gemacht wird. Hiernach reicht ein bloß faktischer Schutzreflex zugunsten der Anleger bzw. Kapitalmärkte aus. Er wird in der Regel bei Rechtsvorschriften gegeben sein, die Publizitätspflichten begründen.
1 Zutr. Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 37; Fuhrmann, in: Erbs/Kohlhaas, § 88 BörsG Rz. 14 zu § 88 BörsG a.F.; s. auch Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 166. 2 I.E. ebenso Eichelberger, S. 269; a.A. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 166 mit Hinweis auf BT-Drucks. 10/318, S. 46, wonach eine gesetzlich geregelte Verpflichtung erforderlich sei; eine hinreichend bestimmte Satzungsermächtigung genügt aber ebenso wie eine entsprechende Verordnungsermächtigung. 3 Eichelberger, S. 270; Fuhrmann, in: Erbs/Kohlhaas, § 88 BörsG Rz. 14 zu § 88 BörsG a.F.; Schlüchter, S. 141 f. 4 S. RegE, S. 89. 5 S. Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 37; Schwark, § 88 BörsG Rz. 5. 6 Ledermann, in: Schäfer, 1. Aufl., § 88 BörsG Rz. 11; a.A. Hopt, 30. Aufl., § 88 BörsG Rz. 1. 7 Schlüchter, S. 145. 8 Eichelberger, S. 270 f.; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 167; Schönhöft, S. 88 f.
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Allerdings ist in solchen Fällen stets sorgfältig zu prüfen, ob sich die nicht kapitalmarktrechtliche Publizitätspflicht auf bewertungserhebliche Umstände bezieht1. Die in Betracht kommenden Rechtsvorschriften statuieren i.d.R. Offenbarungspflichten, die eine juristische Person als solche treffen2. In kapitalmarktrechtlicher Sicht führt das bei der Handhabung des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG nicht zu Problemen, da, unterlässt eine juristische Person eine gebotene Offenbarung, zugleich alle ihr zugehörigen natürlichen Personen dies unterlassen haben. In strafund bußgeldrechtlicher Sicht sind demgegenüber § 14 StGB, § 9 OWiG zu beachten, die eine „Pflichtenüberwälzung“ auf natürliche Personen ermöglichen. Bei Pflichtendelegation verbleibt beim Delegatar eine Überwachungspflicht; in Kollegialorganen sind alle Mitglieder insoweit kollektivverantwortlich3.
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Im Einzelnen kommen u.a. folgende Rechtsvorschriften in Betracht4:
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Rechtsvorschriften über kapitalmarktrechtliche Publizitätspflichten, namentlich aus dem WpHG die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG (RegE 4. FFG, S. 89), wenn nicht die Befreiungsvoraussetzungen des § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG vorliegen, die Publizitätspflichten bei „director’s dealings“ nach § 15a WpHG, die Publizitätspflichten bei Stimmrechtsveränderungen nach §§ 21, 25, 25a, 26 WpHG5, diejenigen nach §§ 30b, e WpHG und bei Übernahmen nach §§ 37w, x WpHG6, aus dem WpÜG die Publizitätspflichten nach § 10 WpÜG (Entscheidung über die Abgabe eines Antrages), § 35 WpÜG (Erlangung der Kontrolle) und auch § 27 Abs. 3 WpÜG (Stellungnahme der Zielgesellschaft), sowie aus dem WpPG die Prospektpflicht. Wegen § 20a Abs. 1 Satz 3 WpPG (s. hierzu oben Rz. 39) kommen nunmehr alle Rechtsvorschriften über Publizitätspflichten bei Börsenzulassung in Betracht, Rechtsvorschriften über gesellschaftsrechtliche Publizitätspflichten z.B. aus §§ 131 Abs. 3 (Beantwortung einer Aktionärsfrage), 161 Satz 1 (Erklärung zum Corporate Governance Kodex), 399 Abs. 1, 400 Abs. 2 AktG7, Rechtsvorschriften über bilanzrechtliche Publizitätspflichten, namentlich nach §§ 325 ff. i.V.m. §§ 264 ff. HGB. Die Pflicht, bei der Kundgabe einer Finanzanalyse interessenkonfliktbegründende Umstände zu veröffentlichen (§ 34b Abs. 1 Satz 2 WpHG), wird zwar mittelbar über § 4 Abs. 2 Nr. 2 MaKonV erfasst (unten Rz. 229), stellt aber nach der zutr. h.A. zugleich eine Offenbarungspflicht i.S. von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG dar8. Umstritten ist die Einordnung der Rechtsvorschriften über Handelsregisterpublizität und namentlich über Pflichten, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die Er1 Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 167. 2 S. zum Folgenden Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 38; Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 31. 3 Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 168. 4 Vgl. auch die Zusammenstellung bei Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 173 ff. sowie die – nicht auf aktuellem Stand befindliche – Zusammenstellung bei Schlüchter, S. 143 ff. 5 Papachristou, S. 176. 6 Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 29. 7 Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11 IV WpHG Rz. 72. 8 Arlt, S. 294 f.; Eichelberger, S. 271; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 174.
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öffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen (§ 15a InsO), was von Amts wegen ins Handelsregister einzutragen ist (§ 32 Abs. 1 Satz 1 HGB)1 und zwar nicht bekannt gemacht wird (§ 32 Abs. 2 Satz 1 HGB), jedoch über das jedermann gewährte Einsichtsrecht (§ 9 HGB) Publizität ermöglicht. Das spricht für die Einbeziehung derartiger Pflichten in § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG2. Dagegen wird eingewendet, die Offenbarungspflicht müsse dem Normadressaten selbst auferlegt sein, nicht aber öffentlichen Stellen oder Dritten3. Der Streit hat für den Hauptfall der Insolvenz eines Emittenten keine praktische Bedeutung, da sich eine Offenbarungspflicht jedenfalls aus § 15 WpHG ergibt4. 4. Eignung, auf den Preis einzuwirken 112 Die Verhaltensnorm des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG setzt ebenso wenig wie die Bußgeldvorschrift nach § 39 Abs. 2 Nr. 11 WpHG voraus, dass das Verhalten zu einer tatsächlichen Einwirkung auf einen Börsen- oder Marktpreis führt. Vielmehr genügt es, dass das Verhalten hierzu geeignet ist. Ver- bzw. Gebot und Ordnungswidrigkeit stellen sich somit als Eignungstatbestände oder sog. abstrakt-konkrete oder potentielle Gefährdungstatbestände dar5. Demgegenüber setzt die Strafvorschrift des § 38 Abs. 2 WpHG eine tatsächliche Preiseinwirkung voraus und enthält somit ein Erfolgsdelikt (s. noch unten Rz. 125). Wird tatsächlich kausal auf den Preis eingewirkt, so steht denknotwendig fest, dass das Verhalten hierzu geeignet war, ebenso wie in einer kausal bewirkten Verletzung denknotwendig eine Gefährdung enthalten ist. 113 Rechtspolitisch ist das Erfordernis der Preiseinwirkungseignung, das in der Sache auch für § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3 WpHG gilt (unten Rz. 151, 213), nicht unbestritten. Vielfach wird darauf hingewiesen, es überschneide sich weithin mit dem Erfordernis der Bewertungserheblichkeit der Angaben6. Demgegenüber weist Eichelberger7 darauf hin, dass eher dieses Erfordernis fragwürdig sei. Jedoch lassen sich beide Erfordernisse nicht nur theoretisch voneinander trennen: Eine eindeutig bewertungserhebliche Angabe (z.B. eine frei erfundene Unternehmenskennzahl) kann durchaus im Hinblick auf die Art und Weise ihrer Verbreitung (z.B. nur gegenüber einzelnen Privatanlegern) oder die Person des Verbreitenden (z.B. eines bekanntermaßen einschlägig Vorbestraften8) oder den Umstand, dass bereits zuvor gleichlautende Infor-
1 Zutr. Fuhrmann, in: Erbs/Kohlhaas, § 88 BörsG Rz. 14 zu BörsG a.F. 2 So 4. Aufl. des Kommentars Rz. 87; s. auch BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 110; zust. Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 38; Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 72. 3 Eichelberger, S. 271 f.; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 175. 4 Trüstedt, S. 90. 5 S. hierzu Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. I, 4. Aufl. 2006, § 11 Rz. 162 f. m.N. – Die überwiegende kapitalmarktrechtliche Auffassung spricht von „abstrakten Gefährdungstatbeständen“, vgl. Grüger, S. 117; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 180; Schönhöft, S. 82; Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 3. 6 Vgl. Altenhain, BB 2002, 1874 (1877); Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 34 („keine nennenswerte Selektionskraft“); Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 180; Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 27; Schönhöft, S. 81. 7 Eichelberger, S. 281. 8 S. auch Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 437 mit dem treffenden Beispiel, dass die unwahre Angabe über den bewertungserheblichen Umstand, die X AG werde ihren Jahresüberschuss im laufenden Geschäftsjahr voraussichtlich verdoppeln, einerseits vom Aufsichtsratsvorsitzenden und andererseits in einem anonymen Internetforum gemacht wird.
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mationen in den Markt gegeben worden und bereits „eingepreist“ sind, ungeeignet sein, auf den Preis eines Finanzinstruments einzuwirken. Gegenstand der Einwirkung müssen entweder der inländische Börsen- oder Markt- 114 preis eines Finanzinstruments oder der Preis eines Finanzinstruments auf einem organisierten Markt im EU- bzw. EWiR-Raum sein1. Der Begriff des inländischen Börsenpreises richtet sich nach § 24 Abs. 1 BörsG. Erfasst sind insbesondere Preise für Wertpapiere (im börsenrechtlichen Sinn), die während der Börsenzeit an einer inländischen Wertpapierbörse im inländischen regulierten Markt oder an einer inländischen Warenbörse ermittelt werden, zudem Preise, die für Derivate an einer inländischen Börse ermittelt werden. – Marktpreise sind die sich auf inländischen außerbörslichen Märkten bei freiem Wirksamwerden von Angebot und Nachfrage ergebenden Gleichgewichtspreise2. Einseitige Preisfestsetzungen durch Interessengruppen oder Verbände genügen nicht3. Da § 20a WpHG auch den außerbörslichen Handel mit börsenüberwachten Finanzinstrumenten schützt (s. oben Rz. 41 f.), ist es zwingend, auch außerbörslich (z.B. im elektronischen Handel) ermittelte Preise einzubeziehen. Nicht erfasst sind demgegenüber die sog. Direktgeschäfte, die ohne Einschaltung eines Skontroführers zustande kommen; für sie gibt es auch keinen Markt i.S. des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG4. – Preise an einem organisierten Markt im EU- bzw. EWiR-Raum (s. § 2 Abs. 5 WpHG und oben Rz. 34) sind insbesondere an dort belegenen Börsen und anderen überwachten Märkten ermittelte Preise. Vom Wortlaut nicht erfasst sind Preise, die an in diesem Raum belegenen nicht organisierten Märkten gebildet werden, selbst wenn sie sich auf börsenüberwachte Vermögenswerte beziehen. Das ist teleologisch wenig überzeugend, muss aber wegen Art. 103 Abs. 2 GG hingenommen werden. – Gleichfalls nicht erfasst sind Preise an Märkten, die außerhalb des EU- bzw. EWiR-Raumes (z.B. in den Vereinigten Staaten von Amerika) belegen sind. Im StGB (s. §§ 89 Abs. 1, 125 Abs. 1, 316c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) versteht der Gesetzgeber unter Einwirken das Tätigwerden zur (bei §§ 89, 125 StGB: psychischen) Beeinflussung. Eine solche Auslegung ist bei § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG wenig sinnvoll5, da das Gesetz ohnehin die Einwirkungseignung genügen lässt. Richtigerweise ist das Einwirken ebenso zu verstehen wie das Beeinflussen in §§ 13, 15 WpHG6. Erfasst sind das künstliche, d.h. gegen den Markttrend erfolgende Erhöhen („nach oben“) oder Erniedrigen („nach unten“) aber auch das künstliche Stabilisieren des Preises („zur Seite“)7. Im Unterschied zu § 13 WpHG (dort Rz. 50 ff.) bzw. § 15 1 2 3 4 5 6 7
S. zum alten Recht Schwark, § 88 BörsG Rz. 9. Sorgenfrei, wistra 2002, 321 (326). RG v. 25.1.1927 – VI ZR 456/26, JW 1927, 1143 (zu § 315 BGB). Zutr. Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 66. A.A. wohl Sorgenfrei, wistra 2002, 321 (326 f.). Vgl. auch RegE, S. 90: „Preisbeeinflussung“; s. auch Ziouvas, ZGR 2003, 113 (141). Im niederländischen Recht ist die Marktmanipulation auf das „Halten“ (nl. houden), also Stabilisieren eines Preises beschränkt. Beim Wort genommen können deshalb gängige Marktmanipulationspraktiken – z.B. „pumping and dumping“ oder „trashing and cashing“ – im Königreich der Niederlande nicht erfasst werden, was ersichtlich nicht konform zur Marktmissbrauchsrichtlinie ist. EuGH v. 7.7.2011 – Rs C-445/09 („IMC Securities“), ZBB 2011, 285 hat das niederländische Recht dadurch „gerettet“, dass er in einem klassischen „trashing and cashing“-Fall annahm, der Marktmanipulator habe den durch eine „EisbergOrder“ manipulativ unter eine Stop-loss-Schwelle erniedrigten Preis, der dann einbrach, für eine Sekunde, in der er dann kaufte, manipulativ „gehalten“. Das überzeugt allenfalls im Ergebnis; im Übrigen hat das Urteil fürs deutsche Recht keine Folgen, zutr. Waßmer, ZBB 2011, 288 (289); s. auch Klöhn, NZG 2011, 934 (935 f.).
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WpHG (dort Rz. 10 ff.) setzt § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG nicht voraus, dass die Preisbeeinflussung erheblich ist, so dass sich die diesbezüglichen Streitfragen (Schwellenwerte? anderweitige Kriterien?) für die Marktmanipulation nicht stellen1. 116 In der 4. Aufl. des Kommentars Rz. 90 ist vertreten worden, bei wörtlicher Handhabung des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG bestehe die Gefahr, dass das Erfordernis der Preiseinwirkungseignung jede Begrenzungsfunktion verliere2 und die Gefährlichkeit des Verhaltens so weit absinke, dass die Straf- bzw. Bußgelddrohung verfassungsrechtlich fragwürdig werde (Schuldangemessenheit und Verhältnismäßigkeit von Strafe und Geldbuße), weshalb im Wege der teleologischen Restriktion die Eignung zu völlig unerheblichen, bagatellhaften Preisbeeinflussungen ausgenommen werden müssten („de-minimis-Vorbehalt“)3. Kapitalmarktrechtlich ist gegen diese Auffassung allerdings einzuwenden, dass auch kleinste Preisveränderungen die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts beeinträchtigen können und mit Hilfe von Derivaten gewinnbringend ausgenutzt werden können4, z.B. wenn der Preis nur ganz geringfügig über einer Schwelle liegt, ab der massenhaft sog. stop-loss-orders ausgelöst werden. Straf- und bußgeldrechtlich ist zu bedenken, dass die Preiseinwirkungseignung zur Überzeugung der zuständigen Behörden und Gerichte festgestellt werden, also eindeutig feststehen muss; sie wird aber häufig zweifelhaft bleiben, wenn nicht mehr als eine Eignung zu minimaler Preisbeeinflussung möglich erscheint. Im Übrigen kann dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz straf- und bußgeldrechtlich über das ordnungswidrigkeitenrechtliche Opportunitätsprinzip (§ 47 Abs. 1 OWiG) und über §§ 153, 153a StPO Rechnung getragen werden. 117 Nach § 24 Abs. 2 Satz 1 BörsG müssen Börsenpreise „ordnungsgemäß zustande kommen“ und „der wirklichen Marktlage entsprechen“. Daraus ergeben sich theoretisch zwei Einwirkungsmöglichkeiten: gleichsam „intern“ durch Manipulation der Verfahren der Preisfeststellung z.B. durch EDV-Manipulationen im elektronischen Handel und gleichsam „extern“ durch Manipulation der Marktlage5. Im Rahmen des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG spielt nur die zweite Konstellation eine Rolle. Denn bei informationsbezogenen Marktmanipulationen wird gerade nicht durch Missbrauch der Preisfeststellungsmechanismen auf den Preis eingewirkt, sondern durch unrichtige oder irreführende Informationen bzw. durch Verschweigen von Umständen, womit unmittelbar „nur“ das Verhalten anderer Marktteilnehmer beeinflusst werden soll. 118 Geeignet zur Einwirkung auf Preise, d.h. Beeinflussung von Preisen, ist ein Verhalten, wenn es bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der konkreten Angaben und der konkreten Marktverhältnisse, generell tauglich ist, den Preis zu beeinflussen. Mit anderen Worten muss für den konkreten Einzelfall eine generelle Kausalität zwischen dem Verhalten einerseits und einer möglichen Preisbeeinflussung andererseits festgestellt werden. Nicht erforderlich ist demgegenüber der Nachweis, dass konkret die Gefahr einer Preisbeeinflussung eintrat, erst recht nicht, dass es tatsächlich zu einer Preisbeeinflussung gekommen ist (s. bereits oben Rz. 112). Auf der anderen Seite kann aus einer Preisänderung, die zeitlich auf das manipulative Verhalten gefolgt ist, nicht ohne weiteres die Preisbeeinflussungseignung geschlossen werden, da es möglich bleibt, dass die Preisänderung unabhängig von 1 2 3 4 5
A.A., aber contra legem, Nowak, ZBB 2001, 449 (450). Insoweit zutr. Sorgenfrei, wistra 2002, 321 (327). Treffend Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 181. Eichelberger, S. 274 f. Zutr. Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 69.
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dem Verhalten erfolgt ist und es am Kausalzusammenhang fehlt. Mit anderen Worten ist die auf die Manipulation folgende Marktentwicklung nicht entscheidend: Weder beweist eine spätere Preisänderung ohne weiteres die Preisbeeinflussungseignung, noch wird die Preisbeeinflussungseignung allein dadurch ausgeschlossen, dass sich der Preis nicht ändert (zutr. § 13 Rz. 55). Methodisch wird die Preisbeeinflussungseignung – ebenso wie bei §§ 13, 15 WpHG 119 (eingehend § 13 Rz. 54 ff.) – im Wege einer objektiv nachträglichen Prognose festgestellt1. Nachträglich ist die Prognose, weil sie erst nach der Manipulation im Verwaltungs-, Bußgeld- oder Strafverfahren zu treffen ist (zutreffend § 13 Rz. 55). Objektiv ist sie, weil es nicht auf die Einschätzung des Täters oder einzelner Anleger, sondern auf die objektive Eignung ankommt (s. § 13 Rz. 56 m.N.). Im Einzelnen erfolgt die Prognose in drei Schritten: Erstens muss die Prognosegrundlage festgestellt werden. Sie besteht einerseits aus 120 den konkreten unrichtigen oder irreführenden bzw. verschwiegenen Umständen und andererseits aus den konkreten Marktverhältnissen zum Zeitpunkt des Manipulationsverhaltens. In diesem Sinne erfolgt die Prognose in einer ex-ante-Betrachtung (s. § 13 Rz. 55 m.N.). Damit ist freilich noch nicht entschieden, welche Erkenntnisse im nachträglichen Verwaltungs-, Bußgeld- oder Strafverfahren über die zum Zeitpunkt des Manipulationsverhaltens vorliegenden Verhältnisse zugrunde zu legen sind. Die bislang h.A. stellt – ebenso wie bei der Erheblichkeitsprüfung (oben Rz. 85 f.) – auf die ex-ante-Perspektive eines „durchschnittlich verständigen Anlegers“ ab (s. § 13 Rz. 57 m.N.). Im Vordringen befindlich ist die Auffassung, dass es auf die ex-ante-Perspektive eines „börsenkundigen“ Anlegers, auf das Urteil eines „objektiven und vernünftigen, mit allen Umständen des Kapitalmarkts bestens vertrauten Investors“ ankommt (so § 13 Rz. 58 m.N.). Schließlich kommt in Betracht, auch solche Erkenntnisse über die seinerzeitigen Verhältnisse zu berücksichtigen, die erst nachträglich offenbar geworden sind2. Zumindest für strafrechtliche Zwecke ist der zuletzt genannten Auffassung zu folgen3. Eignung ist ein objektives Urteil (insoweit auch kapitalmarktrechtlich h.A., s. nur § 13 Rz. 56), und ein Verhalten kann geeignet sein, Folgen zu bewirken, auch wenn dies niemandem bekannt ist, ja sogar, wenn es niemandem erkennbar ist. Zweitens müssen die Prognoseregeln festgestellt werden. Nach strenger Theorie muss es sich um generelle Kausalgesetze handeln. Im Rahmen des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG müssten sie kausale, mindestens mitkausale Einflüsse der dort genannten Verhaltensweisen auf die Preisbildung an Kapitalmärkten zum Gegenstand haben. Die Suche nach derartigen generellen Kausalgesetzen verweist den Rechtsanwender auf die wirtschaftswissenschaftliche Theorie der Preisbildung an Kapitalmärkten. Allerdings ist es eine mehr als offene Frage, ob dort deterministische Gesetzmäßigkeiten nach Art physikalischer Naturgesetze angegeben werden können. Bei § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG muss deshalb ausreichen, dass es Erfah1 Ebenso Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 34; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 182; Schönhöft, S. 83; Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 27. 2 In diese Richtung Hirte, Die Ad-hoc-Publizität im System des Aktien- und Börsenrechts, in: Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz in der praktischen Umsetzung – Bankrechtstag 1995, 1996, S. 47 (77). 3 Im Strafrecht h.A., s. Weber, U., in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, 2. Aufl. 2009, § 35 Rz. 75 ff. m.N.; kapitalmarktrechtlich ebenso nunmehr Eichelberger, S. 277; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 182.
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rungssätze über den Einfluss von Marktmanipulationen auf Börsen- und Marktpreise gibt, die so gut bestätigt sind, dass sich der Rechtsanwender von ihnen überzeugen kann, beispielsweise der Satz, dass das Bekanntwerden von Umsatzeinbrüchen einer börsennotierten Aktiengesellschaft zu Kursverlusten bei der Aktie führt. Solche Erfahrungssätze sind wie bei §§ 13, 15 WpHG der „allgemeinen Lebenserfahrung“ (s. § 13 Rz. 56), genauer: der allgemeinen Erfahrung der an Kapitalmärkten Tätigen zu entnehmen. Sie schlagen sich in Katalogen von Tatsachen mit Kursbeeinflussungspotential nieder. Für §§ 13, 15 WpHG ist ein derartiger Katalog von der Bundesanstalt erarbeitet worden (s. § 13 Rz. 68, § 15 Rz. 62 ff.). Auch wenn dieser Katalog das Insider- und nicht das Marktmanipulationsrecht betrifft und weder verbindlich noch abschließend ist, kann er auch für § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG eine Orientierungshilfe bieten: Unrichtige oder verschwiegene Angaben über Veränderungen der Vermögens- und/oder Finanzlage sind ebenso wie solche über Veränderungen im allgemeinen Geschäftsverlauf „Kandidaten“ für preiseinwirkungsgeeignete Angaben. 122 Und drittens müssen die Prognoseregeln auf die Prognosegrundlage angewendet werden, um zu dem Eignungsurteil zu kommen. Dieses Urteil ist in der Regel nur ein Möglichkeits- oder Wahrscheinlichkeitsurteil: Erforderlich, aber auch genügend ist die Feststellung, dass das Manipulationsverhalten nach den Umständen des Einzelfalles möglicher- oder wahrscheinlicherweise den Preis beeinflussen kann. Nicht geklärt ist freilich, mit welchem Wahrscheinlichkeitsgrad die Preisbeeinflussung eintreten muss. Bei §§ 13, 15 WpHG lässt die h.A. die bloße Möglichkeit oder nur geringe Wahrscheinlichkeit der Kursbeeinflussung nicht genügen, sondern verlangt eine hinreichende oder realistische Möglichkeit oder eine überwiegende Wahrscheinlichkeit (von mehr als 50 %, s. § 13 Rz. 60). Bei den Eignungsdelikten des StGB lässt die h.A. demgegenüber genügen, dass der Erfolg „nicht fern liegt“ bzw. dass das Verhalten nach wissenschaftlicher Erkenntnis bereits einmal Ursache für den Erfolg geworden ist1. Für § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG empfiehlt sich eine Zwischenlösung: Erforderlich, aber auch genügend ist die nicht entfernte, sondern vielmehr ernstzunehmende Möglichkeit der Einwirkung auf den Preis2. Der Unterschied zum Insiderhandel erklärt sich daraus, dass der Insider bei Vornahme des Insidergeschäfts in der Regel Vermögenswerte einsetzt, was er nur tun wird, wenn sich dies auch lohnt (s. § 13 Rz. 60). Demgegenüber setzt der Marktmanipulator in der Regel keine Vermögenswerte ein, sondern beschränkt sich auf eine Täuschung, deren Folgen er abwartet, so dass es hier nicht sachgerecht erscheint, überwiegende Wahrscheinlichkeit zu verlangen. 123 In der Praxis der Bundesanstalt wird aus der Sichtweise eines verständigen Anlegers (objektivierte Betrachtung) gefragt, ob nach kapitalmarktbezogenen Erfahrungssätzen vor dem Hintergrund der zum Zeitpunkt der Handlung vorherrschenden Marktverhältnisse die ernstzunehmende Möglichkeit bestand, dass durch die konkrete Handlung auf die Preisbildung eingewirkt wird3. Das stimmt mit dem hier Ausgeführten weitgehend überein und führt dazu, dass „die Schwelle ‚Eignung zur Preiseinwirkung‘ (…) leicht genommen“ ist4: Ein Manipulationsverhalten, das im Übrigen die Voraussetzungen des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG (und auch Nrn. 2, 3) erfüllt, unterliegt nur dann nicht dem Marktmanipulationsverbot, wenn es „völlig ungeeignet“ 1 S. nur Weber, U., in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, 2. Aufl. 2009, § 35 Rz. 83 m.N. 2 Ebenso Eichelberger, S. 280; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 183; Schönhöft, S. 84. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 111. 4 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 112.
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zur Preisbeeinflussung ist oder eine solche Eignung „lediglich rein theoretisch konstruiert“ werden kann1. Zu bedenken ist allerdings weiterhin, dass es nicht in Bezug auf alle Finanzinstrumente hinreichend verfestigte Erfahrungssätze der in Rz. 121 erwähnten Art gibt; je synthetischer ein Finanzinstrument ist (gestufte Derivate, Basket-Produkte usw.), desto unberechenbarer ist die Preisentwicklung2 und desto schwerer feststellbar ist die Preisbeeinflussungseignung eines bestimmten Manipulationsverhaltens. Die Beurteilung der Preiseinwirkungseignung setzt Sachkunde voraus. Sie kann bei 124 der Bundesanstalt vorausgesetzt werden, nicht aber ohne weiteres bei den Gerichten, die in Straf- oder Bußgeldverfahren mit Marktmanipulationen befasst sind. Hier wird es vielmehr häufig angezeigt sein, die Frage der Einwirkungseignung durch von Amts wegen einzuholende Sachverständigengutachten klären zu lassen. Nur für die Strafbarkeit nach § 38 Abs. 2 WpHG ist – auch im Falle des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3 WpHG – zudem die tatsächliche Einwirkung auf den Börsen- oder Marktpreis erforderlich. Hierzu eingehend unten § 38 Rz. 49 f.
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5. Vorsatz bzw. Leichtfertigkeit Strafrechtlich, aber auch im Grundsatz kapitalmarktrechtlich (oben Rz. 3) ist der 126 Verstoß gegen § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG nur relevant, wenn er vorsätzlich begangen worden ist (§ 15 StGB, § 10 OWiG). Der Vorsatz muss sich auf alle Tatbestandsmerkmale beziehen. Dies gilt insbesondere auch für die Preiseinwirkungseignung; die zum Insiderhandelsverbot vertretene Auffassung, die Preisbeeinflussungseignung sei objektive Bedingung der Strafbarkeit, entbehrt jeglicher Grundlage (zutreffend § 13 Rz. 52 m.N.). Dass bei der Marktmanipulation der Vorsatz vermutet werde, lässt sich auch dem Spector-Urteil des EuGH nicht entnehmen (s. oben Rz. 3a). Demgegenüber verzichtet § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG – im Unterschied zu § 88 Nr. 1 BörsG a.F. – auf das Erfordernis einer Preisbeeinflussungsabsicht (s. hierzu auch unten Rz. 128). Erst recht ist nicht vorausgesetzt, dass der Manipulator in Schädigungs- oder Bereicherungsabsicht handelt. Ausreichend ist bedingter Vorsatz (s. hierzu § 38 Rz. 81). Er liegt vor, wenn der Täter 127 sämtliche Umstände, welche zum gesetzlichen Tatbestand gehören, für möglicherweise gegeben hält und sie billigend in Kauf nimmt. Hieran fehlt es, wenn der Täter ernsthaft darauf vertraut (nicht bloß vage hofft), dass die als möglicherweise gegeben erkannten Umstände doch nicht gegeben sind. Es genügt Umstandskenntnis, und der Täter muss nicht die Subsumtion unter das jeweilige Tatbestandsmerkmal nachvollziehen. Allerdings ist Umstandskenntnis mehr als Tatsachenkenntnis, sondern setzt bei sog. normativen Tatbestandsmerkmalen auch voraus, dass der Täter zumindest in laienhafter Wertung („Parallelwertung in der Laiensphäre“) die in dem Tatbestandsmerkmal enthaltene Wertung nachvollzieht. Für § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG sind hiernach folgende Einzelfragen prak- 128 tisch bedeutsam: Der Vorsatz, unrichtige oder irreführende Angaben zu machen, setzt voraus, dass der Täter mindestens für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, dass die behaupteten Tatsachen nicht der Wahrheit entsprechen bzw. die behaupteten Werturteile, Prognosen usw. eindeutig unvertretbar sind. Dies wird bei
1 Treffend Eichelberger, S. 280. 2 Zutr. Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, IV WpHG Rz. 70.
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„ins Blaue hinein“ gemachten Angaben nahe liegen1. – Schwierige, aus § 88 Nr. 1 BörsG a.F. und §§ 264a, 265b StGB2 bekannte Fragen stellen sich beim Vorsatz hinsichtlich der Erheblichkeit der Umstände. Nach den soeben Rz. 127 dargelegten Grundsätzen muss der Täter die hierin enthaltene Wertung nachvollziehen3. Bei unrichtigen Angaben dürfte es aber nahe liegen, aus dem Vorsatz hinsichtlich der Unrichtigkeiten den Schluss auf die Kenntnis von der Erheblichkeit zu ziehen4. Anders kann es bei lediglich unvollständigen Angaben liegen, wo der Täter den „Soll-Zustand“ zumindest in laienhafter Parallelwertung kennen muss5. Erst recht ist der Vorsatz hinsichtlich der Erheblichkeit ausgeschlossen, wenn der Täter die wirtschaftliche Tragweite des Umstandes verkennt6. – Der Vorsatz hinsichtlich der Preiseinwirkungseignung der unrichtigen oder verschwiegenen Angabe kann fehlen, wenn sich der Täter keine Gedanken über die Auswirkung unrichtiger oder verschwiegener Angaben auf den Börsen(usw.)preis macht, beispielsweise wenn er nur daran denkt, die Kündigung von Krediten oder die Insolvenz abzuwenden. – Der für eine Straftat gemäß § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG i.V.m. § 38 Abs. 2 WpHG erforderliche Vorsatz, auf den Preis einzuwirken, umfasst denknotwendig den Vorsatz der Preiseinwirkungseignung. In den typischen Fällen der Marktmanipulation wird ohnehin Absicht vorliegen. 129 Bei § 20a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 WpHG stellt sich insbesondere die aus § 88 Nr. 1 Alt. 2 BörsG a.F.7 und § 264 Abs. 1 Nr. 2 StGB8 bekannte Frage, ob der Irrtum über Existenz und Umfang einer Offenbarungspflicht nach bestehenden Rechtsvorschriften vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum (§ 16 Abs. 1 StGB, § 11 Abs. 1 OWiG) oder bloßer Gebotsirrtum ist, der als Verbotsirrtum den Vorsatz unberührt lässt und nur bei Unvermeidbarkeit die Schuld bzw. Vorwerfbarkeit ausschließt (§ 17 StGB, § 11 Abs. 2 OWiG). Die überwiegende Auffassung steht auf dem zuletzt genannten Standpunkt9. Demgegenüber will Schwark10 den Irrtum über die Existenz – nicht aber über den Umfang – der Offenbarungspflicht als vorsatzausschließend ansehen. Dem ist aus den bereits oben Rz. 127 f. dargelegten Gründen zu widersprechen. Es genügt also, dass derjenige, welcher Angaben über erhebliche Umstände verschweigt, die Umstände kennt, aus denen nach einer bestehenden Rechtsvorschrift eine Offenbarungspflicht folgt; der Irrtum über die Offenbarungspflicht als solche kann aber in Grenzfällen als unvermeidbarer Verbotsirrtum die Schuld ausschließen (s. erneut oben Rz. 128). 1 Zust. Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 74; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 213; zurückhaltender (Frage des Einzelfalles) Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 592. 2 Hierzu Tiedemann, in: Leipziger Kommentar StGB, 11. Aufl. (Stand: 1.10.1996), § 264a Rz. 68, § 265b Rz. 98. 3 Für § 264a StGB a.A. – d.h. bloßer Verbotsirrtum – Pabst, Rechtliche Risiken bei Konzeption und Vertrieb von Kapitalanlagen, 1989, S. 46 m.N. 4 S. hierzu Tiedemann, in: Leipziger Kommentar StGB, 11. Aufl. (Stand: 1.10.1996), § 265b Rz. 98 m.N. 5 Tiedemann, in: Leipziger Kommentar StGB, 11. Aufl. (Stand: 1.10.1996), § 265b Rz. 100. 6 Vgl. Tiedemann, in: Leipziger Kommentar StGB, 11. Aufl. (Stand: 1.10.1996), § 264a Rz. 68 mit dem Beispiel, dass der Verantwortliche nicht erkennt, dass die verschwiegene Sitzverlegung ins Ausland steuerrechtliche oder wirtschaftliche Nachteile mit sich bringt. 7 Betreffend § 88 Nr. 1 Alt. 2 BörsG a.F. Schwark, § 88 BörsG Rz. 11. 8 Hierzu Tiedemann, in: Leipziger Kommentar StGB, 11. Aufl. (Stand: 1.10.1996), § 264 Rz. 120. 9 Zu § 264 Abs. 1 Nr. 2 StGB Tiedemann, in: Leipziger Kommentar StGB, 11. Aufl. (Stand: 1.10.1996), § 264 Rz. 120 m.N. in Fn. 94. 10 Betreffend § 88 Nr. 1 Alt. 2 BörsG a.F. Schwark, § 88 BörsG Rz. 11.
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Für die Ordnungswidrigkeit nach § 39 Abs. 2 Nr. 11 WpHG i.V.m. § 20a Abs. 1 Satz 1 130 Nr. 1 WpHG genügt allerdings Leichtfertigkeit. Sie entspricht im Ausgangspunkt der zivilrechtlichen groben Fahrlässigkeit, setzt also einen objektiv besonders schweren Sorgfaltsverstoß in dem Sinne voraus, dass der Angaben Machende oder Verschweigende das außer Acht lässt, was sich jedermann aufdrängt. Freilich ist bußgeldrechtlich zudem die subjektive (persönliche) Vorwerfbarkeit des Sorgfaltsverstoßes zu prüfen (s. noch unten § 39 Rz. 65 f.). 6. Eingeschränkte Verantwortlichkeit von Journalisten (§ 20a Abs. 6 WpHG) Journalisten sind im Grundsatz nicht vom Marktmanipulationsverbot ausgenom- 131 men, und in der Praxis mehren sich Fälle, in denen Netzwerke, zu denen auch und gerade Journalisten gehören, durch unrichtige oder irreführende Medienberichte Finanzinstrumente künstlich hochschreiben (sog. pumping) und hieraus hohe Gewinne erzielen. Auch am sog. scalping sind häufig Journalisten beteiligt. Auf der anderen Seite ist es das gute Recht des Finanzjournalismus, auch Gerüchte oder sonst Ungesichertes zum Gegenstand der Berichterstattung zu machen, die sich nachträglich als unrichtig oder irreführend erweisen kann. Im Hinblick auf die grund- und menschenrechtlich abgesicherte Medienfreiheit muss dieser Bereich aus dem Anwendungsbereich des Marktmanipulationsverbots herausgenommen werden. Das als „Journalistenprivileg“ zu bezeichnen1, hat einen gewissen Zungenschlag, der dem grundund menschenrechtlichen Anliegen hinter § 20a Abs. 6 WpHG nicht vollauf gerecht wird. Dogmatisch handelt es sich um eine Tatbestandseinschränkung, nicht (bloß) um einen Rechtfertigungs-, Entschuldigungs- oder Strafausschließungsgrund2. Sie bezieht sich auf § 20 „Absatz 1 Satz 1 Nr. 1“ WpHG (s. noch unten Rz. 139) und dabei jedenfalls auf das Machen unrichtiger oder irreführender Angaben durch Journalisten. Noch nicht abschließend geklärt ist, ob und inwieweit auch unterlassene Angaben und namentlich das Verschweigen bewertungserheblicher Umstände entgegen bestehenden Rechtsvorschriften (§ 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG) erfasst sind3. Teilweise wird behauptet, es gebe keine für Journalisten einschlägigen Offenbarungspflichten4. Das Gegenteil erhellt in Bezug auf Interessenkonflikte aus § 34b Abs. 4 WpHG und in dem bedeutsamen Fall, dass der Journalist nachträglich die Unrichtigkeit oder Irreführungseignung seiner Berichterstattung erkennt, aus den Grundsätzen über die Aktualisierungs- und Berichtigungspflicht (s. oben Rz. 67). Die Medienfreiheit steht solchen Pflichten nicht grundsätzlich entgegen; insbesondere gewährleistet Art. 5 GG nicht schlechthin die Freiheit, eine Meinung nicht zu äußern5. Wenn, wie § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG voraussetzt, eine Rechtsvorschrift zur Offenbarung bewertungserheblicher Umstände verpflichtet, ist schwerlich begründbar, warum berufsständische Regeln für Journalisten diese Rechtspflicht beschränken oder gar außer Kraft setzen können. Alles das spricht gegen die Anwendbarkeit des § 20a Abs. 6 WpHG auf die Verschweigensalternative des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG6.
1 S. nur Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 33; w.N. bei Nossol, S. 61. 2 I.E. zutr. Nossol, S. 81. 3 Vgl. einerseits 4. Aufl. des Kommentars Rz. 110 und andererseits Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 414; s. nunmehr Nossol, S. 44 ff. 4 Nossol, S. 50. 5 Vgl. BVerfG v. 22.1.1997 – 2 BvR 1915/91, BVerfGE 95, 173 (182 f.) – Warnhinweise auf Zigarettenpackungen. 6 A.A. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 414.
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Die Vorschrift beruht auf Art. 1 Nr. 2c Satz 2 Marktmissbrauchsrichtlinie, wonach bei Journalisten, die in Ausübung ihres Berufs handeln, eine Verbreitung falscher oder irreführender Informationen „unter Berücksichtigung der für ihren Berufsstand geltenden Regeln zu beurteilen“ ist, es sei denn, dass diese Personen aus der Verbreitung der betreffenden Informationen direkt oder indirekt einen Nutzen ziehen oder Gewinne schöpfen. Ursprünglich hatte der Gesetzgeber des AnSVG nicht vor, diese Vorgabe ausdrücklich umzusetzen, weil ohnehin das Grundrecht der Pressefreiheit zu beachten sei (RegE AnSVG, S. 21). Nach heftiger Verbandskritik1 ist dann auf Empfehlung des Finanzausschusses aber doch § 20 Abs. 6 WpHG, der im Wesentlichen wortgleich mit der europarechtlichen Vorgabe ist, eingefügt worden (s. Ber. u. Empf. Fin. AnSVG, S. 65).
132 § 20a Abs. 6 WpHG muss im Zusammenhang mit § 34b Abs. 4 WpHG i.d.F. des AnSVG gesehen und zugleich von der dortigen Regelung der Analyse von Finanzinstrumenten abgeschichtet werden2. Denn auch Journalisten können Personen sein, die im Rahmen ihrer Berufstätigkeit eine Information über Finanzinstrumente oder deren Emittenten erstellen, die eine Empfehlung für eine bestimmte Anlageentscheidung enthält und einem unbestimmten Personenkreis zugänglich gemacht werden soll (Finanzanalyse, § 34b Abs. 1 Satz 1 WpHG; näher dort Rz. 3 ff.) und deshalb bestimmten Sorgfaltsanforderungen unterliegen. Von diesen – tendenziell strengeren – Maßstäben bei Finanzanalysen sind Journalisten nur ausgenommen, wenn sie einer den Vorgaben der §§ 34b Abs. 1, 2 und 5, 34c WpHG vergleichbaren Selbstregulierung einschließlich wirksamer Kontrollmechanismen unterliegen (§ 34b Abs. 4 WpHG). Zu den Einzelheiten s. § 34b Rz. 72. 133 Weiterhin ist § 20a Abs. 6 WpHG vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund der grund- und menschenrechtlich geschützten Medienfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 10 EMRK) zu sehen, die bereits nach allgemeinen Regeln bei der Anwendung der §§ 20a, 38 Abs. 2, 39 Abs. 2 Nr. 11 WpHG nicht unberücksichtigt bleiben darf3. (Wirtschafts-)Medien (Presse, Rundfunk, Film, Medien-, Informations- und Kommunikationsdienste) sind in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG einbezogen, auch wenn sie kommerzielle Zwecke verfolgen. Allerdings schützt Art. 5 Abs. 1 GG jedenfalls bewusst – insbesondere wissentlich oder gar absichtlich – und erwiesenermaßen – insbesondere offenkundig – unrichtige Tatsachenmitteilungen nicht4. Gleichwohl kann ein nach § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG tatbestandsmäßiges Verhalten in den Schutzbereich der Medienfreiheit fallen, wenn unrichtige Angaben über Umstände gemacht werden, die keine Tatsachen i.S. des Art. 5 Abs. 1 GG sind, oder wenn ein (Wirtschafts-)Journalist nur Zweifel an einer nicht erwiesen unrichtigen Tatsachenmitteilung hat (was nach strafrechtlichen Maßstäben ggf. als bedingt vorsätzliches Handeln erfasst werden könnte). Zwar beschränkt § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG als allgemeines Gesetz i.S. von Art. 5 Abs. 2 GG die Medienfreiheit. Jedoch kommt es in derartigen Fällen zu einer Wechselwirkung und Abwägung zwischen § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG einerseits und Art. 5 Abs. 1 GG andererseits: Einerseits muss von (Wirtschafts-)Medien verlangt werden, dass sie (wirtschafts-)journalistische Sorgfaltspflichten einhalten und zumutbare Anstrengungen unternehmen, preiseinwirkungsgeeignete Angaben, an deren Richtigkeit sie zwei1 S. Stellungnahme des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger, des Deutschen Presserats u.a.m. vom 16.6.2004, abrufbar über http://www.presserat.info (abgerufen 15.8.2011). 2 Vertiefend Spindler, NZG 2004, 1138 (1139, 1141 f., 1144 ff.) und noch unten § 34b Rz. 71. 3 Näher Spindler, NZG 2004, 1138 (1139 ff.). 4 Statt aller Degenhart, in: Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Art. 5 GG Rz. 103 ff., 461 m.N.
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feln, auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Andererseits darf die Sorgfaltspflicht mit Blick auf Aktualitätserfordernisse1 – sie spielen im Kapitalmarktbereich eine besondere Rolle – nicht überspannt werden. Insbesondere muss es (Wirtschafts-)Medien möglich sein, preisrelevante Gerüchte, Spekulationen usw. als solche – d.h. nicht als gesicherte Tatsachen – zu verbreiten, selbst wenn ihr Wahrheitsgehalt Zweifeln unterliegt (die nach strafrechtlichen Maßstäben ggf. den Vorwurf bedingt vorsätzlichen Handelns tragen würden). Anderes gilt selbstverständlich für den „geschmierten“ (Wirtschafts-)Journalisten, der gegen Entgelt erkanntermaßen unrichtige Angaben verbreitet, oder denjenigen, welcher bewusst unrichtige Angaben macht und durch Eigengeschäfte ausnutzt. Der Kreis der Journalisten, denen die Privilegierung des § 20a Abs. 6 WpHG zugute 134 kommt, darf nach der zutr. h.A. vor dem Hintergrund des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG weder formal noch eng bestimmt werden2. Zunächst sind sowohl natürliche als auch juristische Personen erfasst, insbesondere Medienunternehmen, aber auch Finanzdienstleistungsunternehmen, wenn sie im Einzelfall auch journalistisch tätig werden. Es kommt weder auf die Art des Mediums noch darauf an, ob der Journalist gerade in einem Medienunternehmen tätig, in berufliche bzw. presserechtliche Selbstregulierungsmechanismen einbezogen und ob die mediale Tätigkeit seine Haupttätigkeit ist. Insbesondere kommt § 20a Abs. 6 WpHG auch freien Journalisten und Journalisten zugute, die sich neuer Medien wie insbesondere des Internets bedienen, aber auch mit journalistischen Aufgaben betrauten Mitarbeitern von Unternehmen, die für sich gesehen keine Medienunternehmen sind, z.B. Pressesprechern oder Mitarbeitern, die für Newsletter u. dgl. verantwortlich sind. Entscheidend ist stets, ob eine Finanzberichterstattung vorliegt, die materiell den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG genießt. Indizien hierfür sind u.a. ein enger Zusammenhang mit anderen presse- und medientypischen Berichten („Wirtschaftsteil“), die Zielsetzung, auf die öffentliche Meinungsbildung einzuwirken, und ein Mindestmaß an redaktioneller Bearbeitung. Nicht mehr zur journalistischen Tätigkeit zählen demgegenüber bloße Werbung oder Kundenberatung bei einer Investitionsentscheidung. Sie dürften bei Newslettern von Finanzdienstleistern im Vordergrund stehen3, aber auch bei Anlegerprofilen, die Wirtschaftsmagazine oder spezialisierte Informationsangebote in „personalisierter“ Form aufgrund persönlicher Angaben des Kunden erstellen. Durch § 20a Abs. 6 WpHG privilegiert sind nur Journalisten, die in Ausübung ihres Berufs handeln. Nach allgemeinen Grundsätzen muss es sich freilich nicht um einen Hauptberuf handeln („Gelegenheitsjournalist“). Ausgenommen ist nur nichtberufliches, v.a. privates Handeln wie z.B. bei Leserbriefen u. dgl.
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Die Privilegierung besteht darin, dass die Voraussetzungen des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG unter Berücksichtigung der berufsständischen Regeln für Journalisten zu beurteilen sind. Diese Regeln umfassen die sich aus internationalem und nationalem Recht ergebenden Regeln für Journalisten i.S. von Rz. 134, aber auch die vielfältigen selbstgesetzten Verhaltenskodizes der Berufsvereinigungen der Journalisten4. Sie sind im Kern verfassungsrechtlich geprägt und beinhalten namentlich die journa-
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1 Hierzu Degenhart, in: Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Art. 5 GG Rz. 461. 2 Zutr. Spindler, NZG 2004, 1138 (1141); s. auch Eichelberger, S. 284; Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 143; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 405; Nossol, S. 94 f.; enger Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 439 (nur „Bereich des Journalismus, der sich einer ‚betriebswirtschaftlichen‘ Berichterstattung widmet“). 3 Stärker differenzierend Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 407. 4 A.A. Nossol, S. 197 (nur Rechtsregeln, nicht freiwillige Verhaltenskodizes).
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listische Sorgfalts- und insbesondere Recherche-, Prüfungs- und Wahrheitspflicht, aber auch die Pflicht, Medien von strafbaren Inhalten frei zu halten und Interessenkonflikte zu vermeiden bzw. mindestens offen zu legen. Im Einzelnen finden sich einschlägige Regeln insbesondere in den Presse- bzw. Mediengesetzen der Länder sowie in berufsständischen Verhaltenskodizes, z.B. in Ziff. 7 Pressekodex1, wonach redaktionelle Inhalte nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalisten beeinflusst werden dürfen, in den „Journalistischen Verhaltensgrundsätzen des Presserats zu Insider- und anderen Informationen mit potentiellen Auswirkungen auf Wertpapierkurse“ aus dem Jahr 20002, in dem „Kodex für anlegergerechte Kapitalmarktinformation“ des Deutschen Aktieninstituts vom Mai 20013 und nunmehr vor allem in den „Journalistischen Verhaltensgrundsätzen und Empfehlungen des Deutschen Presserats zur Wirtschaftsund Finanzmarktberichterstattung“ vom März 20064. So müssen unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen als solche kenntlich gemacht werden. Haltlose oder „ins Blaue hinein“ gemachte Werturteile und Prognosen entsprechen nicht der journalistischen Sorgfaltspflicht. Eigeninteressen müssen mindestens kenntlich gemacht werden (s. noch unten Rz. 233 ff.). 137 Seinem Wortlaut nach begründet § 20a Abs. 6 WpHG nur eine materiell-rechtliche, nicht auch eine verfahrensrechtliche Privilegierung von Journalisten. Die h.L.5 leitet aber unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ab, dass § 34b Abs. 4 WpHG (hierzu bereits oben Rz. 132) auch im Bereich des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 6 WpHG entsprechend gelten müsse. Hiernach sollen Überwachungsverfahren der Bundesanstalt gegen Journalisten wegen Verdachts der Marktmanipulation nur zulässig sein, wenn diese nicht einer Selbstregulierung einschließlich wirksamer Kontrollmechanismen unterliegen; die Bundesanstalt soll im Grundsatz darauf beschränkt sein, die Selbstregulierungs- und Kontrollmechanismen zu überwachen. In der Tat sind Überwachungsverfahren, die auf eine Zensur hinauslaufen, verfassungsrechtlich ausgeschlossen (Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG). Ob Art. 5 GG jenseits dessen eine verfahrensrechtliche Absicherung der Pressefreiheit in der von der h.L. verlangten Gestalt fordert, erscheint aber zweifelhaft. Die h.L. dürfte auch nicht richtlinienkonform sein, da Art. 1 Nr. 2c Satz 2 Marktmissbrauchsrichtlinie bestimmt, die für den Berufsstand der Journalisten geltenden Regeln seien „unbeschadet des Artikels 11“ anzuwenden, und Art. 11 Marktmissbrauchsrichtlinie eben die Überwachungsbehörde betrifft. Jedenfalls ist die h.L. derzeit praktisch gegenstandslos, da den Anforderungen des § 34b Abs. 4 WpHG entsprechende Mechanismen in der deutschem Medienlandschaft zurzeit nicht existieren6. 138 Nicht privilegiert sind unrichtige oder irreführende Angaben von Journalisten, wenn sie hieraus direkt oder indirekt einen Nutzen ziehen oder Gewinne schöpfen, was
1 http://www.presserat.info/inhalt/der-pressekodex/pressekodex.html (abgerufen 15.8.2011). 2 http://www.presserat.info/uploads/media/Journalistische_Verhaltensgrundsaetze.pdf (abgerufen 15.8.2011). 3 http://www.dai.de/internet/dai/dai-2-0.nsf/0/EBC8083051C003F7C12574890032AD37/$FILE /D373D81CF9FE6382C125747C0053B161.pdf?openelement&cb_content_name_utf=Kodex_ Endversion.pdf (abgerufen 15.8.2011); s. hierzu auch Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 400. 4 http://www.presserat.info/fileadmin/download/PDF/Finanzberichterstattung.pdf (abgerufen 15.8.2011). 5 Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 413; Spindler, NZG 2004, 1138 (1142). 6 Möllers, in: KölnKomm. WpHG, § 34 Rz. 234.
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staatliche Stellen zu beweisen haben („es sei denn“1). Die Tragweite dieser Ausnahme ist nicht ganz einfach zu bestimmen: Auch kapitalmarktrechtlich sind nur vorsätzliche oder leichtfertige unrichtige oder irreführende Berichterstattung verboten (s. oben Rz. 3); solche Berichterstattung widerspricht aber ohne Weiteres berufsständischen Regeln für Journalisten. Beachtet der Journalist hingegen die journalistische Sorgfaltspflicht, so kann eine lediglich objektiv unrichtige oder irreführende Berichterstattung nicht ohne Weiteres als Marktmanipulation angesehen werden, auch dann nicht, wenn der Journalist aus ihr direkt oder indirekt einen Nutzen zieht oder Gewinne schöpft. Insbesondere kann der Umstand, dass der Journalist ein Finanzinstrument hält, nicht für sich gesehen ein Verbot begründen, über dieses Finanzinstrument unter Einhaltung der journalistischen Sorgfaltspflicht zu berichten, auch wenn hierdurch ein Nutzen oder Gewinn für den Journalisten bewirkt wird2. Jedoch ist die Ausnahme eine Erinnerung daran, dass es in derartigen Fällen zur journalistischen Sorgfaltspflicht gehört, den potenziellen Interessenkonflikt zu offenbaren. Im Übrigen geht es um die Klarstellung, dass Journalisten, die durch Korruption zu unrichtiger oder irreführender Berichterstattung bewegt werden, sich – selbstverständlich – nicht auf ein „Journalistenprivileg“ berufen können. Insofern ist der h.L. zuzustimmen, dass die Begriffe „Nutzen“ und „Gewinn“ mit dem Vorteilsbegriff nach §§ 331 ff. StGB gleichzusetzen sind3, so dass alles erfasst ist, was den Journalisten direkt oder indirekt – vor allem wenn Drittvorteile, die bei § 20a Abs. 6 WpHG als solche nicht genügen, dem Journalisten zugute kommen – in seiner wirtschaftlichen, rechtlichen oder persönlichen Lage besser stellt. In der Konsequenz der h.L. und der hier entwickelten Korruptionsteleologie liegt weiterhin, dass eine Unrechtsvereinbarung gegeben sein muss, d.h. der Nutzen oder Gewinn eben für die unrichtige oder irreführende Berichterstattung gewährt werden muss. Hieran würde es z.B. fehlen, wenn ein freier Journalist für einen Bericht, der unrichtige oder irreführende Angaben enthält, von seinem gutgläubigen Auftraggeber ein Honorar für die Berichterstattung als solche erhält. Für Journalisten gelten die Verbote der handelsgestützten und sonstigen Marktmani- 139 pulationen nach § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 WpHG in vollem Umfang. Beispielsweise wäre es nicht als „investigativer Journalismus“ gedeckt, Geschäfte i.S. von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG vorzunehmen, um hierüber aufsehenerregend berichten zu können.
VIII. Marktmanipulation durch Geschäfte oder Aufträge (§ 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG) 1. Überblick § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG ist durch Art. 1 Nr. 7 AnSVG mit Wirkung vom 30.10.2004 in die Verbotsmaterie des § 20a WpHG aufgenommen worden (zum früheren Recht unten Rz. 143 in Fn. 3). Durch Nr. 2 hat der Gesetzgeber insbesondere die gemeinschaftsrechtliche Vorgabe aus Art. 1 Nr. 2a Marktmissbrauchsrichtlinie umgesetzt (RegE AnSVG, S. 37). Die Umsetzungspflicht war im Gesetzgebungsverfahren im Ausgangspunkt unbestritten, weshalb der Finanzausschuss insoweit auch nur eine redaktionelle Klarstellung („Börsen- oder Marktpreis“ statt „Kurs“) vornahm (s. Ber. u. Empf. Fin. AnSVG, S. 65). Gleichfalls unbestritten war allerdings, 1 Zutr. Spindler, NZG 2004, 1138 (1143). 2 Ebenso Eichelberger, S. 285 f.; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 408. 3 Eichelberger, S. 286; Nossol, S. 199.
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dass die neue Alternative wenig bestimmt und sehr weitreichend erscheint, weshalb sie der Konkretisierung bedarf. Auf europarechtlicher Ebene ist die Konkretisierung im Wesentlichen in Art. 4 Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG enthalten, der für die europarechtskonforme Auslegung und Handhabung maßgeblich ist. Im deutschen Recht erfolgt die Konkretisierung durch § 3 MaKonV, mit dem der Verordnungsgeber von der Verordnungsermächtigung in § 20a Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 WpHG Gebrauch gemacht und zugleich Art. 4 Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG umgesetzt hat (Begr. MaKonV, BR-Drucks. 18/05, S. 13). 141 Weiterhin erfährt das Verbot des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG eine spezifische Einschränkung unter dem Gesichtspunkt der zulässigen Marktpraxis (§ 20a Abs. 2 WpHG, eingehend unten Rz. 168 ff.). Diese bereits in Art. 1 Nr. 2a Marktmissbrauchsrichtlinie enthaltene Einschränkung ist auf europarechtlicher Ebene durch Art. 2, 3 Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG näher konkretisiert worden. In Umsetzung hiervon ist der deutsche Verordnungsgeber auf der Grundlage des § 20a Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 WpHG tätig geworden und hat Verfahren und Kriterien bei der Anerkennung einer zulässigen Marktpraxis in Teil 4, §§ 7–10 MaKonV näher geregelt. Im Übrigen ist auch für § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG die allgemeine Einschränkung des Marktmanipulationsverbots bei Rückkaufprogrammen und Stabilisierungsmaßnahmen gemäß § 20a Abs. 3 WpHG zu beachten (eingehend hierzu Rz. 248 ff.; 265 ff.). 142 In der Sache betrifft § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG vor allem die sog. handelsgestützten Marktmanipulationen (s. Vor § 20a Rz. 35 ff.) durch Transaktionen, die dem Markt falsche oder irreführende Signale zu geben oder ein künstliches Preisniveau herbeizuführen geeignet sind. Anders als bei Nr. 1 geht es also nicht um ausdrückliche oder konkludente Erklärungen mit kommunikativem Erklärungswert1, sondern um Marktmanipulation im engeren Sinne einer „Objektmanipulation“, wenn auch mit Täuschungswert (s. 3. Aufl. des Kommentars Rz. 93). Insbesondere sind auch effektive Geschäfte erfasst2. Bei ihnen ist allerdings die Grenze zwischen legitimer und legaler Nutzung von Informationsvorsprüngen (die keine Insiderinformationen sind) sowie illegitimer und illegaler Manipulation des Marktes durchaus heikel und schwierig zu ziehen, wie sich beispielsweise bei den seit einigen Jahren heftig diskutierten Leerverkäufen zeigt (s. hierzu unten Rz. 151a ff.). Für den Wertpapierhandel stellt § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG eine große Herausforderung dar. 143 Es überrascht daher nicht, dass gegen die Vorschrift verfassungsrechtliche und rechtspolitische Bedenken erhoben worden sind3. Bereits die europarechtlichen Vorgaben seien unklar, und die Methodik sei nicht nachvollziehbar. Die Verhaltensvorgabe sei wenig konkret und jedenfalls in strafrechtlicher Sicht zu unbestimmt, zumal die unbestimmten Rechtsbegriffe des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG in § 3 1 Zust. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 187. 2 Für Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 43 ist das sogar „kennzeichnend“ für die Neuregelung. 3 Vgl. nur Bisson/Kunz, BKR 2005, 186 (187); Kutzer, WM 2005, 1401 (1403). – Vor dem AnSVG waren effektive Geschäfte nur in Ausnahmefällen als „sonstige Täuschungshandlungen“ i.S. von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a.F. WpHG und setzten den Nachweis einer Preisbeeinflussungsabsicht voraus. Der Gesetzgeber des AnSVG bezweckte, Marktmanipulationen durch effektive Geschäfte weitergehend zu erfassen, was sich in der MaKonV darin niedergeschlagen hat, dass bestimmte Manipulationsalternativen, die noch in § 3 KuMaKV als Konkretisierung sonstiger Täuschungshandlungen eingeordnet worden waren, in den Regelungsbereich des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG und des ihn konkretisierenden § 3 MaKonV einbezogen worden sind.
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MaKonV überwiegend nur durch andere unbestimmte Rechtsbegriffe „konkretisiert“ würden. Mit Blick auf die Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 MRK) sei es rechtsstaatlich bedenklich, wenn der Einwand der zulässigen Marktpraxis mit einer Beweislast für den Handelnden verbunden sei („es sei denn“). Überhaupt müsse es in einer auf die Eigenverantwortlichkeit der Rechtssubjekte gegründeten freien Wirtschaftsordnung als Fremdkörper erscheinen, jedem Marktteilnehmer eine Art Garantenfunktion zuzuweisen, wenn ein Geschäft von anderen Marktteilnehmern auf die eine oder andere Weise falsch gedeutet werden könne. Insgesamt handele es sich um eine Überregulierung zum Nachteil des Finanzplatzes Deutschland. – Derartige Einwände sind nicht von der Hand zu weisen, und in der Tat ist der Gesetzeswortlaut weitgehend missglückt (s. unten Rz. 150 a.E.). Allerdings ist es dem Verordnungsgeber zu danken, mit § 3 MaKonV den Boden für eine vielleicht nicht sonderlich bestimmte, aber doch restriktive Auslegung und Handhabung des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG gelegt zu haben1. Dann aber verlieren die Bedenken an Gewicht. Die im Gesetz nur unzureichend umschriebenen, aber in Wahrheit gemeinten Manipulationsakte sind in Kapitalmarktkreisen bestens bekannt und werden durchweg mit negativen Vorzeichen versehen und für kapitalmarktsrechtswidrig gehalten. Dass Kapitalmärkte nicht nur mit Worten, sondern – möglicherweise effektiver – mit Taten manipuliert werden können, muss als anerkannt gelten, und Manipulatoren unterlassen nicht bloß etwas (nur hierfür wäre eine Garantenstellung erforderlich), sondern sie handeln durch positives Tun, das nach allgemeinen Grundsätzen folgenverantwortlich macht. 2. Gesetzliche Vorgaben a) Geschäfte, Aufträge Das nach § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG verbotene Verhalten muss in der Vornahme von Geschäften mit Finanzinstrumenten oder in der Erteilung von Kauf- oder Verkaufsaufträgen betreffend Finanzinstrumente bestehen.
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Geschäfte sind alle Transaktionen mit Finanzinstrumenten2, nicht nur Erwerb (Kauf) 145 oder Veräußerung (Verkauf), sondern z.B. auch Sicherungsgeschäfte wie Sicherungszession, -übereignung, Treuhandschaften oder Verpfändungen. Ebenso wie beim Insidergeschäft (s. § 14 Rz. 15) ist ein Vollrechtserwerb auf der einen und ein entsprechender Rechtsverlust auf der anderen Seite nicht erforderlich, und auch Leihgeschäfte (z.B. die sog. Wertpapierleihe) sind erfasst. Unerheblich ist, ob es sich um Eigen- oder Fremdgeschäfte handelt, und es kommt nicht darauf an, ob das Geschäft in eigenem oder fremdem Namen oder für eigene oder fremde Rechnung getätigt wird. Vorgenommen ist ein Geschäft jedenfalls, wenn es ausgeführt (vollzogen) worden ist. 146 Insoweit sind jedenfalls effektive im Sinne rechtswirksamer Geschäfte erfasst, in deren Vollzug es zu einem Wechsel der wirtschaftlichen Berechtigung an einem Finanzinstrument kommt. Wie aus § 3 Abs. 1 Nr. 3 MaKonV erhellt, ist letzteres aber keine zwingende Voraussetzung für ein Geschäft i.S. von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG. Dann aber liegt es nahe, auch rechtsunwirksame Geschäfte, insbesondere nicht ernstlich gewollte Geschäfte bzw. Scheingeschäfte i.S. von §§ 116, 117 BGB, 1 Krit. allerdings Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 485: § 3 MaKonVO müsse als „verunglückt“ gelten. 2 Ebenso Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 44; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 187; Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 480.
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ausreichen zu lassen, wenn sie nur äußerlich – dem Schein nach – vollzogen worden sind1. Erst recht beeinträchtigen Rückabwicklungen oder spätere Gegengeschäfte die Vornahme nicht. Umstritten ist, ob bloße Aufträge zu Geschäften bzw. deren Abschlüsse als Verpflichtungsgeschäfte genügen. In der 4. Aufl. Rz. 116 ist die Frage im Gegenschluss zu den ausdrücklich genannten Kauf- oder Verkaufsaufträgen (sogleich Rz. 147) noch verneint worden. Aber Art. 1 Nr. 2a Marktmissbrauchsrichtlinie spricht im Zusammenhang der zulässigen Marktpraktiken von „der Person, welche die Geschäfte abgeschlossen (…) hat“ (Herv. v. Verf.). Deshalb muss in richtlinienkonformer Auslegung des deutschen Rechts der bloße Abschluss genügen2. Daher sind Leerverkäufe vorgenommene Geschäfte i.S. von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG (s. hierzu noch unten Rz. 151a ff.). Keine vorgenommenen Geschäfte sind aber solche, die nicht zustandekommen, z.B. vom Skontroführer wegen Manipulationsverdacht abgelehnt werden. 146a
Darauf, ob das Geschäft börslich oder außerbörslich vorgenommen worden ist, kommt es nicht an. Insbesondere erscheint es möglich, Börsenpreise über außerbörsliche Geschäfte zu beeinflussen, beispielsweise wenn der Börsenpreis von Staatsanleihen maßgeblich durch den (weithin) außerbörslichen Markt für Credit Default Swaps und andere Kreditderivate bestimmt wird3; in derartigen Fällen unterfallen auch die außerbörslichen Geschäfte dem Marktmanipulationsverbot des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG.
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Ein bloßes Unterlassen genügt für § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG nicht, selbst wenn es kapitalmarktrechtlich zu beanstanden ist. Deshalb sind sog. lock-up-agreements, also Vereinbarungen, bestimmte Finanzinstrumente in bestimmten Fristen unter bestimmten Bedingungen zu halten, auch dann nicht von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG erfasst, wenn sie über das kapitalmarktrechtlich Anerkannte (z.B. im Rahmen von IPOs) hinausgehen; allenfalls kommt § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG in Betracht. Demgegenüber enthält der Bruch eines lock-up-agreements die Vornahme von Geschäften i.S. von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG; jedoch senden diese keine falschen oder irreführenden Signale aus und führen nicht zu einem künstlichen Preisniveau, und zwar auch dann, wenn – wie bei kapitalmarktrechtlich anerkannten lock-up-agreements – diese zuvor bekannt gegeben worden sind: Es würde zu weit gehen, jedem getätigten Geschäft den Erklärungswert zu unterstellen, es stehe im Einklang mit dem lock-up-agreement4. S. noch unten Rz. 301.
147 Die in § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG weiterhin genannten Kauf- oder Verkaufsaufträge sind nicht streng zivilrechtlich (im Sinne des bürgerlichen Auftrags- und Kauf-
1 Ebenso Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 44; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 189; Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 87. 2 Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 188; Schönhöft, S. 90 f. 3 S. hierzu BaFin, Allgemeinverfügung v. 18.5.2010: „Insbesondere bei der derzeitigen Lage der Kapitalmärkte besteht die Gefahr, dass durch den Handel mit Credit Default Swaps bei gleichzeitiger unklarer Nachrichtenlage Auswirkungen auf die Marktpreise von Staatsanleihen von Ländern der Eurozone eintreten können, die bei Bewertung der Ausfallrisiken zu exzessiven Preisbewegungen führen können, welche die Stabilität des Finanzsystems insgesamt gefährden könnten und somit zu erheblichen Nachteilen für den Finanzmarkt führen können“. 4 Ähnlich Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 481 gegen Stoll, Der Konzern 2007, 561 (568).
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rechts) zu verstehen, sondern kapitalmarktrechtlich als „Order“1. Der Begriff umfasst sowohl sog. Effektenorder (typischerweise kommissionsrechtliche Kauf- oder Verkaufsaufträge der Kunden an ihre Bank) als auch (unmittelbar auf den Börsenhandel bezogen) Vermittlungsaufträge an den Skontroführer im Parketthandel und bindende Kauf- oder Verkaufsangebote im elektronischen Handel. Gegenstand des Auftrags muss der Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten sein. Obwohl die Terminologie von der des § 14 (Abs. 1 Nr. 1 WpHG: „erwerben“, „veräußern“) abweicht, ist auch hier eine kapitalmarktrechtliche Auslegung geboten, so dass nicht bloß Aufträge zu Sach- oder Rechtskäufen, sondern zu allen Erwerbs- und Veräußerungsgeschäften (auch der sog. Wertpapierleihe) gemeint sind (s. § 14 Rz. 15). Ein Kauf- oder Verkaufsauftrag ist erteilt, wenn er dem Adressaten zugegangen ist; nicht erforderlich ist, dass er bereits im Orderbuch eingestellt ist. Unerheblich ist, ob der Auftrag bedingt oder befristet ist; auch Limit-Orders sind bereits dann erteilt, wenn sie dem Adressaten zugegangen sind. Bereits aus dem Rechtsgedanken des § 116 Satz 1 BGB ergibt sich, dass der innere Vorbehalt, den Auftrag nicht zu wollen, unbeachtlich ist (vgl. auch § 3 Abs. 1 Nr. 2 MaKonV und hierzu unten Rz. 161); vor dem Hintergrund des Sinns und Zwecks des Manipulationsverbots kann für kollusiv erteilte Aufträge („Scheinaufträge“) nichts anderes gelten. Die Rücknahme eines Auftrages („Storno“) ist als solche keine Erteilung eines Auftrages, kann aber ein Indiz dafür sein, dass der Auftrag manipulativ erteilt worden ist (s. erneut § 3 Abs. 1 Nr. 2 MaKonV und hierzu Rz. 161).
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b) Irreführungs- oder Preismanipulationseignung Das kapitalmarktrechtliche Unwerturteil, es handele sich um marktmanipulierende 149 Geschäfte oder Aufträge, will der Gesetzgeber durch ein besonderes Eignungsmerkmal erfassen: Das Geschäft oder der Auftrag müssen geeignet sein, entweder falsche oder irreführende Signale für das Angebot, die Nachfrage oder den Preis von Finanzinstrumenten zu geben (Irreführungseignung) oder ein künstliches Preisniveau herbeizuführen (Preismanipulationseignung). Ähnlich wie bei § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG handelt es sich um einen Eignungs- oder abstrakt-konkreten oder potentiellen Gefährdungstatbestand (s. oben Rz. 112), der keinen Erfolg, insbesondere keine tatsächliche Preisbeeinflussung, voraussetzt, und ähnlich wie dort wird die Eignung methodisch durch eine objektiv-nachträgliche Prognose festgestellt (s. oben Rz. 119). Besonders weit ins Vorfeld eigentlicher Markmanipulationen greift die erste Variante 150 aus: Es genügt, dass das Geschäft oder der Auftrag geeignet sind, falsche oder irreführende Signale für Angebot, Nachfrage oder Preis zu geben. Mit anderen Worten ist nicht nur keine Beeinflussung von Angebot, Nachfrage oder Preis erforderlich, sondern nicht einmal, dass überhaupt ein falsches oder irreführendes Signal für Angebot, Nachfrage oder Preis gegeben wird; vielmehr genügt die bloße Eignung des Geschäfts oder Auftrags, ein solches Signal zu geben. Nun wird ein Geschäft bzw. Auftrag, das bzw. der geeignet ist, ein Signal zu geben, das in der Regel auch tun; denkbar ist allerdings, dass die Signalwirkung z.B. durch sofortige Gegenpublizität oder durch sofortige Gegenmaßnahmen der Börsenaufsicht bzw. der Bundesanstalt verhindert wird, was dann an der Verbotswidrigkeit des Geschäfts bzw. Auftrags nichts mehr ändern würde. Ein Signal für das Angebot bzw. die Nachfrage bzw. den Preis liegt vor, wenn das Geschäft bzw. der Auftrag geeignet ist, das Angebots- bzw. Nachfrageverhalten 1 Ebenso Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 45; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 187.
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auf dem Markt bzw. den Preis zu beeinflussen, gleich, ob die Beeinflussung darin besteht, dass das Angebot bzw. die Nachfrage verstärkt oder abgeschwächt wird oder aber gleich bleibt bzw. der Preis sich nach oben oder nach unten oder nur „zur Seite“ bewegt. Darauf, ob derartige Einflüsse tatsächlich gegeben und nachweisbar sind, kommt es nicht an, weil ein Signal auch dann ein Signal bleibt, wenn es von niemandem wahrgenommen oder beachtet wird, zumal nach dem Gesetzeswortlaut schon die Eignung, ein Signal zu geben, ausreicht. Eine Erheblichkeitsschwelle sieht das Gesetz bei alledem nicht vor. Ein Signal ist falsch, wenn es nicht den wahren wirtschaftlichen Verhältnissen auf dem jeweiligen Markt in Bezug auf das jeweilige Finanzinstrument entspricht; es ist irreführend, wenn es geeignet ist, einen verständigen Anleger hierüber zu täuschen1. Zu den wahren wirtschaftlichen Verhältnissen zählen insbesondere das marktgerechte Angebot und die marktgerechte Nachfrage, aber auch die Marktliquidität und nicht zuletzt der marktgerechte Preis (s. zu alledem noch unten Rz. 211). – Alles das ist viel zu unbestimmt und viel zu weit geraten und grenzt teilweise ans Unsinnige. Beispielsweise werden Preise auf Märkten per definitionem durch Angebot und Nachfrage gebildet, weshalb jedes Geschäft bzw. Angebot ein „Signal“ für den Preis enthält; und ebenso wenig wie es auf Märkten einen „wahren“ Preis gibt, gibt es „wahre“ Signale hierüber. Es muss als großer Verdienst des Verordnungsgebers angesehen werden, mit § 3 MaKonV den sinnvollen Kern des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG herausgearbeitet zu haben (s. unten Rz. 153 ff.); unter Rückgriff auf den missglückten Gesetzeswortlaut hierüber hinauszugehen, erscheint durchaus problematisch. 151 In der zweiten – alternativen – Variante hängt das Unwerturteil davon ab, ob das Geschäft bzw. der Auftrag geeignet ist, ein künstliches Preisniveau herbeizuführen. Wiederum ist nicht erforderlich, dass tatsächlich ein künstliches Preisniveau herbeigeführt worden ist, sondern es genügt die Eignung hierzu, und wiederum sieht das Gesetz keine Erheblichkeitsschwelle vor2. Auch eine gewisse Nachhaltigkeit der Preisniveaubeeinflussung ist nicht vorausgesetzt3. Warum von Preisniveau und nicht – wie sonst – von Börsen- oder Marktpreis die Rede ist, kann durch Auslegung nicht aufgeklärt werden. Ein Preisniveau ist künstlich, wenn es die wahren wirtschaftlichen Verhältnisse oder den marktgerechten Preis verfehlt, weil es sich nicht mehr als Ergebnis unmanipulierten Marktgeschehens darstellt – was „nahe an der Grenze zu unauflöslichen Zirkelschlüssen“4 liegt und in Zeiten, in denen es kein pretium iustum mehr gibt, nur schwerlich zu bestimmen ist („weder kapitalmarkttheoretisch noch wirtschaftswissenschaftlich zutreffend“)5. Allemal bedarf es eines intensiven Austauschs mit der ökonomischen Kapitalmarktforschung6. 151a
Welche theoretischen und praktischen Schwierigkeiten § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG in sich birgt, lässt sich an der Diskussion darüber verdeutlichen, ob und unter welchen Voraussetzungen Leerverkäufe und insbesondere ungedeckte Leerverkäufe i.S. von § 30h Abs. 1 Satz 4 WpHG gegen das Verbot der Marktmanipulation versto-
1 A.A. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 191: die Begriffe „falsch“ und „irreführend“ seien hier sachlich gleichbedeutend; im Wesentlichen wie hier Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 47. 2 S. BR-Drucks. 18/05, S. 13: „ohne dass diese Einwirkung erheblich sein müsste“. 3 Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 194. 4 Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 194. 5 Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1, 2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 90. 6 Zutr. Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 48.
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ßen1. Teils werden sie unter der Voraussetzung großen Volumens und gezielten Einsatzes zur Preisbeeinflussung als marktmanipulativ angesehen2; teils wird das auf die Manipulation von Referenzpreisen beschränkt3; teils werden nur „abusive short sales“, bei denen der Verkäufer letztlich nicht erfüllungswillig ist, als Marktmanipulation angesehen4. Hinter dem Meinungsstreit steht die Kontroverse um Definition, Chancen und Risiken von Leerverkäufen: Leerverkäufe (short sales)5 sind Verkäufe von Finanzinstrumenten, über die der Ver- 151b käufer zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht – jedenfalls nicht dauerhaft6 – verfügt. Gedeckt (covered) sind sie, wenn der Verkäufer noch am Ende des Tages, an welchem der Vertragsschluss erfolgt ist, Eigentümer der verkauften Finanzinstrumente ist oder einen unbedingt durchsetzbaren Anspruch auf Übereignung hat, ungedeckt (naked), wenn dies nicht der Fall ist. Im Regelfall erfolgt die Deckung durch Wertpapierleihe (-darlehen) gegen Gebühr. Der Leerverkäufer (short seller, „shorty“) macht Gewinn, wenn der Preis des Finanzinstruments in der Zeitspanne zwischen Vertragsschluss und Abwicklung sinkt; deshalb signalisieren Leerverkäufe dem Markt, dass die Verkäuferseite auf fallende Preise setzt. Sie kommen freilich nur zustande, wenn die Käuferseite den Preis akzeptiert, was sie in der Regel tun wird, wenn sie steigende, mindestens gleichbleibende Preise erwartet. Unbestrittenermaßen sind Leerverkäufe sinnvoll, um Vorsorge gegen Preisverfall zu treffen (hedging), beispielsweise wenn jemand Aktien hält, die er für preisverfallsgefährdet erachtet. Auch kann es für market makers sinnvoll sein, eine Nachfrage ungeachtet dessen zu bedienen, dass sie zum Vertragsschluss (noch) nicht erfüllungsfähig sind. Auf der anderen Seite können namentlich ungedeckte Leerverkäufe durchaus ein Instrument der Spekulation auf einen möglichen Preisverfall sein und werden deshalb – vor allem in bereits fallenden Märkten – verständlicherweise kontrovers diskutiert: Ökonomen neigen zu der positiven Einschätzung, dass spekulative Leerverkäufer die unverzügliche Einpreisung negativer Informationen über ein Finanzinstrument und damit wahre Preise bewirken; Boten schlechter Nachrichten seien zwar unbeliebt, jedoch nicht schuld an den Nachrichten. Demgegenüber neigen Politik und Öffentlichkeit zu einer negativen Beurteilung, weil es unanständig sei, auf den Niedergang oder gar Zusammenbruch anderer zu spekulieren und hiervon zu profitieren, zumal Leerverkäufe den Niedergang oder gar Zusammenbruch beschleunigen oder gar auslösen würden. Unstreitig sind Leerverkäufe mit Marktmanipulationsrisiken verbunden. So lösen 151c sie bei den Leerverkäufern den Anreiz aus, gegebenenfalls marktmanipulativ für einen Preisverfall zu sorgen, beispielsweise indem unsubstantiierte nachteilige Ge-
1 S. hierzu noch unten Rz. 221 sowie die Kommentierung des § 30h und das dort nachgewiesene Schrifttum. 2 Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 38; Weber, NZG 2000, 113 (115); Zimmer/ Beisken, WM 2010. 485 (488) – beschränkt auf ungedeckte Leerverkäufe. 3 Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 502. 4 Trüg, NJW 2009, 3202 (3204 f.). 5 S. hierzu das bei § 30h nachgewiesene Schrifttum; in angelsächsischer Klarheit und Verständlichkeit Financial Services Authority, Short Selling – Discussion Paper 09/1, abrufbar unter http://www.fsa.gov.uk/pubs/discussion/dp09_01.pdf (abgerufen am 13.10.2011). 6 Zu den Leerverkäufen zählt die h.M. auch die Konstellation, dass der Leerverkäufer sich vor Vertragsschluss im Wege der Wertpapierleihe eingedeckt hat; wirtschaftlich gesehen ist entscheidend, dass der Leerverkäufer eine Shortposition eingeht, d.h. eine wertvariable Verpflichtung in dem Wertpapier, zutr. Trüg, NJW 2009, 3202 (3203).
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rüchte in die Welt gesetzt werden1. Weiterhin ist es bei ungedeckten Leerverkäufen nicht bloß theoretisch möglich, dass mehr Finanzinstrumente verkauft werden als am Markt erhältlich; dann kann es zu einem „short squeeze“ kommen, wenn die Leerverkäufer ihre Positionen glattstellen müssen2. Sodann können durch Leerverkäufe „sich selbst erfüllende Prophezeiungen“ ausgelöst werden, namentlich wenn sich mehrere potente Leerverkäufer (z.B. große Hedgefonds) abstimmen, zeitgleich großvolumige Leerverkäufe tätigen, wobei das hiervon ausgehende Signal von anderen Marktteilnehmern aufgegriffen wird, die gleichfalls verkaufen, weshalb der Preis einbricht, was die Refinanzierungsbedingungen für den betroffenen Emittenten so verschlechtern kann, dass er in eine Krise gerät, die den Preiseinbruch (nachträglich) rechtfertigt3. Jedoch ist bei alledem noch zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG erfüllt sind: 151d
Für sich gesehen setzt ein Leerverkauf – und zwar auch dann, wenn er in spekulativer Absicht durchgeführt wird und/oder nach deutschem Recht verboten und als Ordnungswidrigkeit ahndbar ist (vgl. § 30h WpHG) – kein falsches oder irreführendes Signal und führt nicht zu einem künstlichen Preisniveau4: Erfüllungsfähigkeit und -willigkeit des Leerverkäufers vorausgesetzt, trifft es zu, dass der Leerverkäufer verkaufen kann und will und auf fallende Preise setzt; findet er einen Käufer, der auf gleichbleibende oder steigende Preise setzt, so bedeutet das, dass ein wirkliches Angebot und eine wirkliche Nachfrage aufeinander treffen. Ob der Leerverkäufer sich die verkauften Stücke bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gesichert hat, ist keine marktmanipulationsrelevante Redlichkeitserwartung des Marktes, sondern eine in § 30h WpHG niedergelegte Forderung der Politik, die spekulative Leerverkäufe erschweren will. Der Umstand, dass Leerverkäufe großvolumig und gezielt erfolgen und/oder auf abgestimmtem Verhalten mehrerer beruhen, ändert an alledem nichts. Ein künstliches Preisniveau entsteht auch nicht, wenn der Markt nach großvolumigen Leerverkäufen das Vertrauen in das Finanzinstrument verliert und auf Verkaufen umschaltet, was bestenfalls eigene Einsicht, schlechtestenfalls Herdenverhalten, in jedem Falle aber aus Marktsicht nicht irrational ist, mag es der Emittent des Finanzinstruments auch für unangemessen oder ungerecht halten. Die Schwelle zur Marktmanipulation ist aber überschritten, wenn der Leerverkäufer nicht erfüllungsfähig
1 So hat die französische Autorité des Marchés Financiers am 11.8.2011 eine Untersuchung eingeleitet, warum die englische Zeitung Mail on Sunday am Sonntag, dem 7.8.2011, berichtete, die französische Bank Societé Génerale stehe vor der Insolvenz, was zwar am Dienstag, dem 9.7.2011, von der Zeitung als unwahr zurückgezogen wurde, aber gleichwohl dazu führte, dass der Preis der Aktie der Societé Générale am Mittwoch, dem 10.8.2011, um 17,4 % einbrach, wobei Leerverkäufe in einer Weise mitwirkten, dass die AMF am Donnerstag, dem 11.8.2011, Leerverkäufe u.a. in Aktien der Societé Générale verbot. 2 Dramatisches Beispiel ist das Allzeithoch der Stammaktie der Volkswagen AG am Dienstag, dem 29.10.2008 (intraday 1005,– Euro), das darauf beruhte, dass v.a. amerikanische Hedgefonds weit mehr Aktien leerverkauft hatten, als im free float verfügbar waren, was dem Markt schlagartig klar wurde, nachdem die Porsche Automobil Holding S.E. am Sonntag, dem 26.10.2008, bekanntgegeben hatte, dass sie ihre Beteiligung an der Volkswagen AG auf 75 % zu erhöhen beabsichtigte und hierzu über 42,6 % physische Aktien und zusätzlich 31,5 % cash gesettelte Optionen auf Aktien zur Kurssicherung verfügte, die, weil sie mit Aktien gehedgt worden waren, den free float entsprechend verringerten. 3 So erklären Teile der Medien und Politik die derzeitige Krise der Hellenischen Republik. 4 Ebenso Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 501; Trüg, NJW 2009, 3202 (3205).
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oder -willig ist; dann übermittelt er ein unrichtiges Signal über das Angebot1. Deshalb können ungedeckte Leerverkäufe in hoch volatilen Märkten, in denen das konkrete Risiko eines Preisanstieges in einer Dimension besteht, die es dem Leerverkäufer verunmöglicht, die leerverkauften Stücke zu erwerben, ebenso nach § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG verboten sein wie ungedeckte Leerverkäufe, die den free float oder gar das Gesamtangebot eines Finanzinstruments übersteigen2. c) Vorsatz Sowohl straf- und bußgeldrechtlich (s. § 39 Abs. 1 Nr. 1 WpHG), aber auch kapital- 152 marktrechtlich (s. oben Rz. 6) setzt der Verstoß gegen § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG Vorsatz voraus, wobei bedingter Vorsatz genügt. Er muss sich insbesondere auf die Irreführungs- bzw. Preismanipulationseignung beziehen und – zumindest in Art einer „Parallelwertung in der Laiensphäre“ – auch Eignung umfassen, „falsche“ oder „irreführende“ Signale zu geben bzw. ein „künstliches“ Preisniveau herbeizuführen. Eine besondere Manipulationsabsicht oder gar Bereicherungsabsicht sind aber nicht erforderlich. 3. Konkretisierung durch § 3 MaKonV Bereits Art. 1 Nr. 2 Marktmissbrauchsrichtlinie enthält nicht nur eine „Basisdefiniti- 153 on“ der Marktmanipulation, sondern auch hieraus abgeleitete „Beispiele“. Sie werden durch Art. 4 (und auch Art. 5) Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG in der Weise näher konkretisiert, dass „nicht erschöpfende Signale – die als solche nicht unbedingt als Marktmanipulation anzusehen“ und zu „berücksichtigen“ sind, angegeben werden. Es handelt sich also um eine Art Prüfraster, das Indizien für das Vorliegen einer Marktmanipulation auflistet. Diese praxis- und verfahrensorientierte Regelungstechnik ist dem deutschen Recht fremd und methodisch insoweit fragwürdig, als es um eine letztlich materiell-rechtliche Konkretisierung einer Verbotsmaterie geht, die mit straf- bzw. bußgeldrechtlichen Sanktionen bewehrt ist; hier liegt der Einwand, die Regelungstechnik verstoße gegen das straf- und bußgeldrechtliche Bestimmtheitsgebot, nicht fern, zumal die europarechtlichen Vorgaben die Frage der genauen Zuordnung der „Signale“ zu den „Basisdefinitionen“ offen lassen. Der Verordnungsgeber der MaKonV hat es verdienstlicherweise3 unternommen, in den Grenzen der europarechtlichen Spielräume diese Zuordnung nachzuholen und eine möglichst bestimmte Regelung zu treffen. Dabei bedient er sich einerseits der Technik, in § 3 Abs. 1 MaKonV „Anzeichen“ für falsche oder irreführende Signale oder die Herbeiführung eines künstlichen Preisniveaus i.S. von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG festzulegen; es würde zu weit gehen, diese Anzeichen geradezu als Regelbeispiele anzusehen (sogleich Rz. 154). Andererseits gibt der Verordnungsgeber in § 3 Abs. 2 MaKonV „insbesondere auch“ Beispiele für irreführende Signale i.S. von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG an (sogleich Rz. 164). Gewiss sind diese Anzeichen und Beispiele selbst nicht sehr bestimmt; durch eine – gebotene – restriktive Handhabung dürfte sich aber eine noch hinreichende Bestimmtheit herstellen lassen. 1 Das ist die Linie des Rechts der Vereinigten Staaten und des Vereinigten Königreichs, s. noch unten Rz. 221. 2 In dem oben Rz. 151c Fn. 2 geschilderten Fall ist durchaus Marktmanipulation durch die Leerverkäufer, v.a. amerikanische Hedgefonds, zu erwägen. 3 Krit. hingegen Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 485: Die Vorschrift sei sprachlich „verunglückt“, es mangele an der wünschenswerten Stringenz und es seien zahlreiche Auslegungsversuche zu erwarten.
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Die frühere Unterteilung marktmanipulativer Geschäfte in fiktive, effektive und insiderähnliche kann bei § 3 MaKonV allenfalls als „Grundmuster“ dienen1. Fiktive Geschäfte sind von den Beteiligten wirtschaftlich nicht gewollt und für sie wirtschaftlich nicht erheblich wie z.B. bei prearranged trades, wo sich Geschäft und abgesprochenes Gegengeschäft gegenüberstehen; ihr manipulativer Charakter liegt häufig auf der Hand. Bei effektiven Geschäften, die von den Beteiligten wirtschaftlich gewollt und für sie erheblich sind, ist der manipulative Charakter ungleich schwerer festzustellen, zumal die Gegenseite in aller Regel redlich ist; hier spielt die Motivationslage eine entscheidende Rolle. Erhält z.B. ein Finanzdienstleister die Order, zu einem bestimmten Limit zu verkaufen, um Gewinne mitzunehmen, so mag sich das bei entsprechendem Volumen der Position wie ein Versuch ausnehmen, den Preis nicht über das Limit steigen zu lassen – doch handelt es sich um wirtschaftlich begründete Geschäfte. a) Anzeichen (§ 3 Abs. 1 MaKonV)
154 § 3 Abs. 1 MaKonV legt Anzeichen für falsche oder irreführende Signale oder die Herbeiführung eines künstlichen Preisniveaus fest. Es handelt sich um „Anhaltspunkte“, „Faktoren“ oder „Richtlinienvorgaben“2 für das Vorliegen des objektiven – nicht subjektiven3 – Tatbestandes des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG, der bereits die Irreführungs- bzw. Preisbeeinflussungseignung genügen lässt. Die Anzeichen sind nicht abschließend gemeint und nur insoweit zwingend, als sich die Bundesanstalt bei ihrer Überwachungstätigkeit nach ihnen richten muss4; insoweit handelt es sich um eine „verfahrensrechtlich zu verstehende Norm“5. Als Anzeichen sind sie noch keine Regelbeispiele mit Indizwirkung; vielmehr sind Sachverhalte, die den Anzeichen entsprechen, nach den Umständen des Einzelfalles umfassend zu würdigen6. Der Verordnungsgeber bezweckt im Übrigen, den Marktteilnehmern zusätzliche Rechtssicherheit zu geben7 – was freilich nur in dem Sinne gelingt, als Marktteilnehmer, die von Geschäften bzw. Aufträgen absehen, die in § 3 Abs. 1 MaKonV genannt sind, nicht ohne weiteres damit rechnen müssen, einem Überwachungsverfahren unterworfen zu werden. 155 Den Anzeichen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 MaKonV ist gemeinsam, dass sie grundsätzlich eine erhebliche Preisänderung infolge der jeweiligen Geschäfte bzw. Aufträge voraussetzen. Damit engt der Verordnungsgeber die Verbotsmaterie im Ergebnis deutlich ein, da nicht einmal die strafbare Marktmanipulation eine erhebliche Preiseinwirkung voraussetzt (s. unten § 38 Rz. 51)8; jedoch ist die Voraussetzung gemeinschaftsrechtlich vorgegeben (vgl. Art. 4a und b, auch d–g Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG). Preisänderung ist jede Erhöhung oder Erniedrigung, nach dem Willen des Verordnungsgebers aber auch die „künstliche Beibehaltung“ eines Preises9; letzteres dürfte jedenfalls in straf- und bußgeldrechtlicher Sicht an die Wortlautgrenze stoßen, mag es auch teleologisch einleuchten, dass ein Preis, der sich z.B. im starken 1 2 3 4 5 6
Zutr. Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 40. BR-Drucks. 18/05, S. 13, 15. Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 1. BR-Drucks. 18/05, S. 13. Zutr. Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 486. Knauth/Käsler, WM 2006, 1041 (1045); wohl stärker – im Sinne einer „Indizfunktion“ – Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 50. 7 BR-Drucks. 18/05, S. 13. 8 S. auch BR-Drucks. 18/05, S. 13 und krit. Knauth/Käsler, WM 2006, 1041 (1045). 9 BR-Drucks. 18/05, S. 14.
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Fall befindet, durch Massenkäufe künstlich und damit manipulativ stabilisiert werden kann. Das Erheblichkeitskriterium wirft strukturell gleiche Fragen wie im Insiderrecht auf. Sie sind bei § 3 Abs. 1 Nr. 1 MaKonV im gleichen Sinne wie bei § 13 Abs. 1 WpHG zu beantworten (s. dort Rz. 62)1. Feste Schwellenwerte gibt es nicht, und je nach Marktlage oder Volatilität kann eine kurzfristige Preisänderung von 2, 5 oder 10 % als erheblich anzusehen sein (vgl. auch § 13 Rz. 63). Im Einzelnen erfasst § 3 Abs. 1 Nr. 1a MaKonV Geschäfte bzw. Aufträge (hierzu oben 156 Rz. 144 ff.), die an einem Markt einen bedeutenden Anteil am Tagesgeschäftsvolumen ausmachen, insbesondere wenn sie eine erhebliche Preisänderung bewirken. Damit wird Art. 4a Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG umgesetzt. Nach BTDrucks. 18/05, S. 14 ist unter Markt „jeder börsliche oder außerbörsliche Markt zu verstehen, an dem Angebot und Nachfrage bezüglich Finanzinstrumenten zusammengeführt und Preise gebildet werden“; demgegenüber ist daran zu erinnern, dass sich das Marktmanipulationsverbot im Ausgangspunkt auf regulierte bzw. organisierte Märkte bezieht, mag auch außerbörsliches Handeln erfasst sein (s. oben Rz. 41). Ein Anteil am Tagesgeschäftsvolumen ist bedeutend, wenn er so groß ist, dass er ein auf der Hand liegendes Preisbeeinflussungspotential hat2. Der Verordnungsgeber gesteht ein, dass „das Volumen für sich genommen keine Manipulation begründet“, sondern der manipulative Charakter „im Einzelfall unter Heranziehung weiterer Umstände zu prüfen“ ist3. Entscheidend sein dürfte, dass das Volumen keine wirtschaftlich legitimen Gründe hat, sondern lediglich der Preisbeeinflussung dient wie z.B. beim „advancing the bid“ oder beim „pumping and dumping“, besonders deutlich, wenn der beeinflusste Preis anschließend durch gegenläufige Geschäfte ausgenutzt wird4. Demgegenüber ist der Umstand, dass das großvolumige Geschäft eine erhebliche Preisänderung (s. oben Rz. 155) bewirkt, für sich genommen neutral5. § 3 Abs. 1 Nr. 1b MaKonV setzt Art. 4 Buchst. b) Durchführungsrichtlinie 157 2003/124/EG um und nennt Geschäfte bzw. Aufträge, durch die Personen erhebliche Preisänderungen bei Finanzinstrumenten, von denen sie bedeutende Kauf- oder Verkaufspositionen innehaben, oder bei sich darauf beziehenden Derivaten oder Basiswerten bewirken. Was unter einer innegehabten Kauf- oder Verkaufsposition zu verstehen ist, sagt die Verordnung nicht. Gemeint sein dürften nicht bloße am Markt platzierte Aufträge, sondern Handelspositionen in Finanzinstrumenten und Derivaten, insbesondere Kauf- und Verkaufsoptionen sowie offene Verpflichtungen aus Leerverkäufen oder Wertpapierleihegeschäften6. Wenn jemand solche Positionen inne hat und sodann Geschäfte tätigt bzw. Aufträge erteilt, die eine erhebliche Preisänderung (s. oben Rz. 155) bei dem Finanzinstrument als Basiswert bewirken, so liegt es nahe, dass er nicht aus wirtschaftlich legitimen Gründen, sondern lediglich im Ei1 Zust. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 3 MaKonV Rz. 8. 2 Vgl. BR-Drucks. 18/05, S. 14; wegen fehlender Bestimmtheit krit. Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 95; s. auch Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 510: „kaum mehr als eine Leerformel“. 3 BR-Drucks. 18/05, S. 14. 4 Ähnlich Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 3 MaKonV Rz. 9: „Motivation des Handelnden und […] Transparenz“. 5 A.A. BR-Drucks. 18/05, S. 14, wonach die tatbestandsbezogene Indizwirkung verstärkt werde; s. hierzu auch Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 3 MaKonV Rz. 9: fragwürdige, aber durch Art. 4a Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG vorgegebene Verknüpfung. 6 Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 512; s. auch Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 97.
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geninteresse um einer Preisbeeinflussung willen handelt, was der Verordnungsgeber als Anzeichen für eine Marktmanipulation ansieht1. Beispielsweise besteht im Falle sog. knock-out-options (barrier-options) ein erheblicher Anreiz, einen Börsen- oder Marktpreis, der sich in der Nähe der knock-out-Schwelle bewegt, zu manipulieren, so dass die Schwelle überschritten wird (sog. knock-out-kicker)2. Werden hingegen in Vorbereitung eines noch nicht öffentlich bekannten Übernahmevorhabens in erheblichem Umfang Kaufoptionen auf Aktien erworben, so mag das bei Bekanntwerden des Übernahmevorhabens eine erhebliche Preissteigerung der Aktie bewirken, kann aber für sich gesehen nicht als marktmanipulativ gelten3. 158 In Umsetzung von Art. 4 Buchst. d) Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG nennt § 3 Abs. 1 Nr. 1c MaKonV Geschäfte bzw. Aufträge, mit denen innerhalb kurzer Frist Positionen umgekehrt werden und die an einem Markt einen bedeutenden Anteil am Tagesgeschäftsvolumen dieser Finanzinstrumente und die mit einer erheblichen Preisänderung (s. oben Rz. 155) in Verbindung stehen könnten. BR-Drucks. 18/05, S. 14 hebt hervor, dass es sich um ein durchaus geläufiges Verfahren handelt, um künstlich Umsätze und Handelsaktivität zu generieren und so auf den Preis einzuwirken, lässt aber offen, was mit „Umkehrung von Positionen“ gemeint ist. Abgesprochene Hin- und Herverkäufe („improper matched orders“) können nicht gemeint sein, da sie in § 3 Abs. 2 Nr. 2 MaKonV besonders geregelt sind (s. unten Rz. 166). Vielmehr zielt § 3 Abs. 1 Nr. 1c MaKonV auf umsatzstarke Händler, die zunächst als Käufer und dann als Verkäufer auftreten oder vice versa, und auf die Manipulationspraktiken des „pumping and dumping“ oder „trashing and cashing“4 in relativ illiquiden Märkten, wo Handelsaktivität letztlich nur vorgetäuscht wird. In liquiden und volatilen Märkten muss es hingegen als zulässig gelten, Preisschwankungen auch dadurch auszunutzen, dass ein Handelsteilnehmer von der Käufer- auf die Verkäuferseite wechselt und vice versa, und zwar auch binnen kurzer Zeiträume und mehrfach; das ist Alltag des professionellen Intraday-Handels bzw. des Daytradings durch Privatanleger. Jedenfalls nicht manipulativ sind auch ggf. wiederholte Arbitrage-Geschäfte, mit denen Preisunterschiede an verschiedenen Märkten oder Marktsegmenten ausgenutzt werden5 sowie die Tätigkeit sog. designated sponsors, die im Einklang mit den Börsenregeln eine Mindestliquidität gewährleisten und dazu ggf. auch Positionen i.S. von § 3 Abs. 1 Nr. 1c MaKonV umkehren, solange nicht künstlich Marktaktivität vorgetäuscht wird6. 159 § 3 Abs. 1 Nr. 1d MaKonV nennt in Umsetzung von Art. 4 Buchst. e) Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG Geschäfte bzw. Aufträge, die durch ihre Häufung innerhalb eines kurzen Abschnitts des Börsentages eine erhebliche Preisänderung (oben Rz. 155) bewirken, auf die eine gegenläufige Preisänderung folgt. Mit Recht hebt BRDrucks. 18/05, S. 14 hervor, dass die anschließende gegenläufige Preisänderung ein gewichtiges Indiz dafür ist, dass das zunächst erzielte Preisniveau künstlich (nicht marktgerecht) war. Feste zeitliche Grenzen für einen kurzen Abschnitt des Börsentages lassen sich nicht angeben. Die gegenläufige Preisänderung muss zwar nicht ei1 BR-Drucks. 18/05, S. 14. 2 S. hierzu Schwark, in: FS Kümpel, S. 485 (490, 502). 3 Knauth/Käsler, WM 2006, 1041 (1046); vgl. auch Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 97. 4 Vgl. auch Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 3 MaKonV Rz. 12; Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 513; Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 44. 5 Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 513. 6 Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 3 MaKonV Rz. 14.
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ne Rückkehr zum Ausgangspreis enthalten, darf jedoch nicht bloß unerheblich sein1. Nicht Tatbestandsmerkmal, aber mitgedacht ist das Ausnutzen der durch gehäufte Geschäfte bewirkten Preisänderung durch gegenläufiges Handeln2. Die gemeinten Manipulationspraktiken bezeichnet die Kapitalmarktwelt als „pumping and dumping“ bzw. „trashing and cashing“ oder „creating a price and trading against it“. Ähnlich liegt es beim „stop-loss-order-fishing“3, aber auch bei „marking the close“, das zugleich ein Fall des § 3 Abs. 1 Nr. 1e, Abs. 2 Nr. 1 MaKonV sein kann (s. unten Rz. 160, 165). Mitlaufen in einem anderweitig bewirkten Trend und nachfolgende Gewinnmitnahme dürfte aber regelmäßig nicht manipulativ sein4. § 3 Abs. 1 Nr. 1e MaKonV setzt Art. 4 Buchst. g) Durchführungsrichtlinie 160 2003/124/EG um und nennt Geschäfte bzw. Aufträge, die nahe zum Zeitpunkt der Feststellung eines Referenzpreises für ein Finanzinstrument oder andere Vermögenswerte5 erfolgen und mittels Einwirkung auf den Referenzpreis den Preis oder die Bewertung des Finanzinstruments oder Vermögenswerts beeinflussen. Die Vorschrift löst das frühere – zwingende – Beispiel des § 3 Abs. 2 Nr. 4 KuMaKV ab und ordnet die Manipulationsalternative nicht mehr den „sonstigen Täuschungshandlungen“, sondern dem neuen § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG zu. Referenzpreise sind insbesondere die Schlussnotierung eines Börsentages, der Kassakurs und der Abrechnungskurs von Derivatekontrakten6. Erfasst ist u.a. das „marking the close“, d.h. die künstliche Beeinflussung der Schlussnotierung durch am Ende des Börsentages getätigte Geschäfte bzw. erteilte Aufträge, aber auch sonstige unmittelbare oder mittelbare Beeinflussungen von Referenzpreisen nahe dem Zeitpunkt, zu dem sie festgestellt werden7. Ein wichtiges Anwendungsfeld bietet auch der bekannte „Hexensabatt“ („witch day“), die hohe Volatilität von Referenzpreisen für Futures und Optionen an deren „großen“ Verfallsterminen (jeweils der dritte Freitag der Monate März, Juni, September und Dezember); hier kann es durchaus zu Marktmanipulationen der Referenzpreise kommen, z.B. um Optionen ins Geld oder aus dem Geld zu bringen. In der Praxis bestehen erhebliche Überschneidungen mit § 3 Abs. 2 Nr. 1 MaKonV (s. noch unten Rz. 165). § 3 Abs. 1 Nr. 2 MaKonV setzt Art. 4 Buchst. b) Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG 161 um und erfasst vor Ausführung zurückgenommene („stornierte“) Kauf- oder Verkaufsaufträge, die auf die den Marktteilnehmern ersichtliche Orderlage, insbesondere auf die zur Kenntnis gegebenen Preise der am höchsten limitierten Kaufaufträge oder der am niedrigsten limitierten Verkaufsaufträge, einwirken. Die Orderlage ist für Marktteilnehmer insbesondere über das elektronische Orderbuch des Skontroführers ersichtlich; es ist in dem Sinne ein offenes Orderbuch, als die zehn teuersten 1 2 3 4 5
Zutr. Mock/Stoll//Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 3 MaKonV Rz. 15. Vgl. Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 514. S. hierzu Arlt, S. 320 ff. Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 515. Im Hinblick auf den auf Finanzinstrumente beschränkten Schutzbereich der Marktmissbrauchsrichtlinie halten Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 3 MaKonV Rz. 18 dies für ein redaktionelles Versehen. Zumindest im deutschen Recht könnte sich aber aus § 20a Abs. 4 WpHG ein sinnvoller Anwendungsbereich ergeben. 6 BR-Drucks. 639/03, S. 12. 7 Beispiele nach Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 100 Fn. 385: Manipulation des underlying, um ein knock-out noch vor Optionsverfall zu bewirken (s. bereits oben Rz. 157); sog. capping and pegging, um Optionen zu entwerten; Manipulation des Bezugskurses von Wandelschuldverschreibungen im Wandlungszeitpunkt oder des Aktienkurses zur Abfindung von Minderheitsaktionären im Zuge eines squeeze out; sog. window dressing zum Jahresende bei Fonds.
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Kaufaufträge bzw. billigsten Verkaufsaufträge, die jeweils noch nicht zur Ausführung gelangt sind, für alle Handelsteilnehmer ersichtlich sind1. § 3 Abs. 1 Nr. 2 MaKonV lässt die Einwirkung auf die Orderlage genügen, und es ist nicht erforderlich, dass zugleich (z.B. über die mitgeteilte Spanne, in der der künftige Preis liegen wird) auch auf den Preis eingewirkt wird. Die Rücknahme der Order ist ein Indiz dafür, dass die Order nicht ernstlich gewollt war, sondern der Marktmanipulation diente (placing orders without intention to execute). In halbwegs liquiden Märkten können Preise so nur kurzfristig und in nicht sehr erheblichem Umfang manipuliert werden; jedoch können auch solche Manipulationen in Drittmärkten gewinnbringend ausgenutzt werden2. Nicht manipulative Orderrücknahmen aus wirtschaftlich legitimen Gründen gibt es z.B. bei versehentlichen Ordereingaben (mistrades, „fat finger trades“)3 oder wenn ein Marktteilnehmer auf eine Ad-hoc-Mitteilung reagiert oder bei anhaltend hoher Nachfrage sein Verkaufslimit sukzessiv erhöht, um bessere Preise zu erzielen4. Kommt es nicht zur Orderrücknahme, ist § 3 Abs. 1 Nr. 2 MaKonV nicht anwendbar; gleichwohl kann eine Marktmanipulation i.S. von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG vorliegen, z.B. bei den sog. defensive bids der sog. primary dealer, die bei der Auktion von Staatsanleihen marktferne Gebote einbringen, die nicht zum Zuge kommen (sollen), aber die sog. bid-to-cover ratio verbessern, die wiederum den Preis zu erhöhen geeignet ist5. 162 § 3 Abs. 1 Nr. 3 MaKonV schließlich setzt Art. 4 Buchst. c) Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG um und erfasst Geschäfte, die zu keinem Wechsel des wirtschaftlichen Eigentümers führen. Die Vorschrift ist Nachfolgevorschrift zu dem früheren § 3 Abs. 2 Nr. 1 KuMaKV; im Unterschied hierzu handelt es sich nicht mehr um ein zwingendes Beispiel, und die Alternative ist nicht mehr den „sonstigen Täuschungshandlungen“ gemäß § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG zugeordnet. Mit alledem bezweckt der Verordnungsgeber aber „keine Herabstufung bei der Illegalität derartiger Scheingeschäfte“6. Erfasst sind Geschäfte, die entgegen dem äußeren Anschein wirtschaftlich betrachtet keine Vermögensverschiebung bewirken7. Sie werden teilweise auch als „Scheingeschäfte“8 oder „fiktive Geschäfte“ bezeichnet. Anders als bei § 117 Abs. 1 BGB ist freilich nicht der fehlende Rechtsbindungswille entscheidend, weshalb die Geschäfte keineswegs zwingend nichtig sein müssen. Vielmehr ist ähnlich wie bei § 42 AO (s. aber auch § 41 Abs. 2 Satz 1 AO) eine wirtschaftliche Betrachtungsweise maßgeblich: Wenn es nicht zu einem Wechsel des wirtschaftlichen Eigentümers kommt, fehlt den Geschäften die wirtschaftliche Relevanz, die ansonsten Wertpapier(usw.)transaktionen zukommt, und es besteht der Verdacht, dass sie allein zum Zweck vorgenommen werden, erhöhte Umsätze und damit einen aktiven Markt und entsprechende Liquidität vorzutäuschen9. Die Frage, ob es zu einem Wechsel des wirtschaftlichen Eigentümers kommt, ist in einer Gesamtbetrachtung zu beurteilen. Nicht erforderlich (wenn auch stets ausreichend) ist es, dass rechtliche Identität zwischen den Beteiligten besteht (s. hierzu 3. Aufl. Rz. 114); vielmehr ge1 2 3 4 5 6 7 8 9
Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 101. S. das Beispiel bei Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 517. Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 101. Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 518. Eingehend Schmidtbleicher/Cordalis, ZBB 2007, 124 ff. BR-Drucks. 18/05, S. 15. BR-Drucks. 18/05, S. 15. BR-Drucks. 18/05, S. 15. RegE 4. FFG, S. 89; Lenzen, S. 9; s. weiterhin zu § 3 Abs. 2 Nr. 1 KuMaKV Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 34; Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 102.
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nügt wirtschaftliche Identität, die z.B. bei Geschäften mit Strohleuten oder -unternehmen, aber auch innerhalb verbundener Unternehmen bestehen kann. Im Einzelnen werden als Beispiele genannt: – sog. „wash sales“, auch „cross trades“ oder „crossing“, wenn Verkäufer und Käufer (wirtschaftlich) identisch sind; – die sog. „improper matched orders“, auch „pre-arranged trades“, bei denen Verkäufer und Käufer aufeinander abgestimmte, gegenläufige Aufträge geben, so dass im wirtschaftlichen Ergebnis kein Eigentümerwechsel stattfindet. Diese Konstellation ist freilich besonders in § 3 Abs. 2 Nr. 2 MaKonV geregelt (s. unten Rz. 166); – das sog. „circular trading“, bei dem mehrere Markteilnehmer in der Weise „im Kreis“ kollusiv zusammenwirken, dass der erste Käufer bzw. Verkäufer zugleich der letzte Verkäufer bzw. Käufer ist. Die Einzelheiten und insbesondere die Ausnahmen von der Indizwirkung sind 163 freilich umstritten. So wird geltend gemacht, dass Umschichtungen von Finanzinstrumenten innerhalb verbundener Unternehmen durchaus legitime unternehmenspolitische oder steuerliche Gründe haben können1. Auch das sog. „inhousecrossing“ bei gegenläufigen Kundenorders in einem eigenen elektronischen System des Betreibers soll ausgenommen sein2. Generell ist die Indizwirkung ausgeschlossen, wenn die (wirtschaftliche) Identität den Marktteilnehmern im Einklang mit den gesetzlichen Regelungen und einschlägigen Marktbestimmungen im Voraus angekündigt und so Transparenz hergestellt worden ist3. Nach den jeweiligen Marktbedingungen unzulässige cross trades (wie es z.B. an der Frankfurter Wertpapierbörse der Fall ist) sind hingegen jedenfalls dann manipulativ, wenn sie intransparent bleiben; im (theoretischen) Fall, dass hinreichende Markttransparenz hergestellt wird, führt die börsenrechtliche Unzulässigkeit nicht zugleich zu einem Verstoß gegen das Marktmanipulationsverbot4. Nicht manipulativ sind weiterhin Kompensationsgeschäfte im Präsenzhandel, die vom Skontroführer als solche gekennzeichnet sind, bei sog. „cross requests“ im EUREX-Handel, wenn der Auftrag unmittelbar im Anschluss eingegeben wird, oder beim sog. „XETRA-block-crossing“. Die in § 3 Abs. 2 Nr. 1 KuMaKV enthaltene Ausnahme des Irrtums der Beteiligten über die (wirtschaftliche) Identität ist in § 3 Abs. 1 Nr. 3 MaKonV nicht mehr ausdrücklich erwähnt; mit Blick auf das subjektive Element des Manipulationstatbestandes (s. oben Rz. 152) dürfte sie aber weiterhin sinngemäß anwendbar sein. b) Beispiele (§ 3 Abs. 2 MaKonV) Mit § 3 Abs. 2 MaKonV übernimmt der Verordnungsgeber im Wesentlichen die zu- 164 vor in § 3 Abs. 2 Nr. 2–4 KuMaKV enthaltenen Beispiele für Marktmanipulationen durch Geschäfte bzw. Aufträge, ordnet sie aber nicht mehr den „sonstigen Täuschungshandlungen“, sondern dem nunmehrigen § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG
1 Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 3 MaKonV Rz. 21; Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 50. 2 Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 104. 3 BR-Drucks. 18/05, S. 15; Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 53; Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2 Nr. 11, IV WpHG Rz. 103; s. bereits § 3 Abs. 2 Nr. 1 KuMaKV: „es sei denn, diese Geschäfte wurden … den anderen Marktteilnehmern im Einklang mit den gesetzlichen Regeln und Marktbestimmungen angekündigt“. 4 Nicht überzeugend a.A. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 3 MaKonV Rz. 23 mit Verweis auf Knauth/Käsler, WM 2006, 1041 (1047).
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zu1. Es handelt sich um zwingende Beispiele für irreführende Signale i.S. von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG. Das bedeutet, dass nach dem verbindlichen Willen des Verordnungsgebers das objektive Tatbestandsmerkmal „irreführendes Signal“ i.S. von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG als erfüllt gilt, wenn eines der Beispiele vorliegt; es handelt sich also nicht bloß um „Anzeichen“ oder „Indizien“ oder „Regelbeispiele“, bei denen noch eine weitere Würdigung vorzunehmen wäre2. Jedoch muss auch im Rahmen des § 3 Abs. 2 MaKonV geprüft werden, ob es sich um eine zulässige Marktpraxis i.S. von § 20 Abs. 2 WpHG handelt und ob die weiteren, insbesondere subjektiven Tatbestandsmerkmale des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG erfüllt sind3. Auf der anderen Seite ist § 3 Abs. 2 MaKonV nicht als abschließende Regelung gemeint („insbesondere auch“). 165 § 3 Abs. 2 Nr. 1 MaKonV übernimmt die frühere Regelung des § 3 Abs. 2 Nr. 4 KuMaKV und setzt zugleich Art. 1 Nr. 2c zweiter Spiegelstrich Marktmissbrauchsrichtlinie um. Nach der Vorschrift sind Geschäfte bzw. Aufträge irreführende Signale i.S. von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG, wenn sie geeignet sind, über Angebot oder Nachfrage bei einem Finanzinstrument im Zeitpunkt der Feststellung eines Referenzpreises für ein Finanzinstrument oder andere Produkte4 zu täuschen, insbesondere wenn bei Börsenschluss Käufe oder Verkäufe getätigt werden und hierdurch Anleger, die aufgrund des Schlusspreises Aufträge erteilen, über die wahren wirtschaftlichen Verhältnisse getäuscht werden (sog. „marking the close“), oder wenn zu den „großen“ Verfallstagen von Futures und Optionen die Preise der Basiswerte (underlying) manipuliert werden, z.B. um eine Option „ins Geld“ zu bringen5. Von dem Anzeichen des § 3 Abs. 1 Nr. 1e MaKonV unterscheidet sich das Beispiel gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 MaKonV dem Wortlaut nach durch das Täuschungselement (Täuschungseignung bzw. Anlegertäuschung). Die Täuschung soll nach BR-Drucks. 18/05 u.a. darin liegen, dass „der Eindruck wirtschaftlich begründeten Kauf- oder Verkaufsinteresses erweckt wird, wo in Wirklichkeit nur der Schlusspreis beeinflusst werden soll“; diese Subjektivierung ist bedenklich (s. unten Rz. 179). Mock/Stoll/Eufinger6 weisen allerdings mit Recht darauf hin, dass über das Erfordernis der Preisänderung in § 3 Abs. 1 Nr. 1e MaKonV dort gleichfalls ein Täuschungselement impliziert ist, so dass das Verhältnis von § 3 Abs. 2 Nr. 1 zu Abs. 1 Nr. 1e MaKonV insgesamt unklar bleibt. 166 § 3 Abs. 2 Nr. 2 MaKonV übernimmt die frühere Regelung des § 3 Abs. 2 Nr. 2 KuMaKV und betrifft die bereits Rz. 162 erwähnten „improper matched orders“ bzw. „pre-arranged trades“, darüber hinaus das circular trading, nämlich Geschäfte bzw. Aufträge, die zu im Wesentlichen gleichen Stückzahlen und Preisen von verschiedenen Parteien, die sich abgesprochen haben, erteilt werden. Es muss sich um gegenläufige bzw. „im Kreis“ abgesprochene Geschäfte bzw. Aufträge handeln („Aufträge und Gegenaufträge“)7. Eine vollständige Kompensation ist aber nicht erforderlich („im Wesentlichen“); freilich wird der erforderliche Nachweis der Absprache umso 1 2 3 4
Vgl. BR-Drucks. 18/05, S. 15. Ebenso Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 54. Zutr. Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 53. Im Hinblick auf den auf Finanzinstrumente beschränkten Schutzbereich der Marktmissbrauchsrichtlinie halten Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 3 MaKonV Rz. 26 dies für ein redaktionelles Versehen. Zumindest im deutschen Recht könnte sich aber aus § 20a Abs. 4 WpHG ein sinnvoller Anwendungsbereich ergeben. 5 Zutr. Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 51; s. bereits oben Rz. 160. 6 Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 3 MaKonV Rz. 27. 7 BR-Drucks. 639/03, S. 12.
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schwieriger, je mehr Geschäfte und Gegengeschäfte voneinander abweichen. Entscheidend ist die vorherige Absprache, nicht aber eine zeitgleiche oder zeitnahe Vornahme bzw. Erteilung der gegenläufigen Geschäfte bzw. Aufträge; ein abgesprochenes Geschäft genügt, ohne dass es zwingend zu einem Gegenauftrag kommen muss, wenn von vornherein feststeht, dass Gegenaufträge erteilt werden1. Steuerlich veranlasste Geschäfte und Gegengeschäfte wie das sog. Dividenden- oder Zins-Stripping sind nicht a limine aus dem Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 Nr. 1 MaKonV ausgenommen2, da und soweit sie den unzutreffenden Eindruck wirtschaftlich – nicht bloß steuerlich – begründeter Umsätze erwecken; ebenso liegt es bei Geschäften und Gegengeschäften, mit denen bei illiquiden Titeln ein Börsenkurs erzielt oder angepasst werden soll3. In diesen Fällen wird häufig zugleich § 3 Abs. 1 Nr. 3 MaKonV erfüllt sein; zum Verhältnis zu § 3 Abs. 1 Nr. 1c MaKonV s. oben Rz. 158. § 3 Abs. 2 Nr. 3 MaKonV übernimmt die frühere Regelung des § 3 Abs. 2 Nr. 3 Ku- 167 MaKV und betrifft Geschäfte bzw. Aufträge, die den unzutreffenden Eindruck wirtschaftlich begründeter Umsätze erwecken. Es handelt sich in der Sache um einen weiten Auffangtatbestand, der sich erheblich mit den Beispielen nach § 3 Abs. 2 Nr. 1, 2 und auch mit den Anzeichen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 (vor allem c], d] und e]), Nr. 2 und 3 MaKonV überschneidet. Nach dem Willen des Verordnungsgebers soll das Beispiel insbesondere auch effektive Geschäfte erfassen4, trifft aber erst recht auf fiktive Geschäfte zu. Die entscheidende Frage, wann ein Umsatz wirtschaftlich begründet ist, beantwortet der Verordnungsgeber dahin, dass eine „Investmentidee umgesetzt werden soll“; sei das nicht der Fall und könne und solle nur das Marktverhalten anderer Marktteilnehmer beeinflusst werden, liege eine Täuschung über die Preisbeeinflussungsabsicht vor5. In der Tat ist die Preisbeeinflussungsabsicht – obgleich kein Tatbestandsmerkmal der Marktmanipulation mehr – ein wesentliches Indiz für einen wirtschaftlich unbegründeten Umsatz6. Gleichwohl bleibt es unbestimmt und unklar, welche wirtschaftliche Begründung bzw. Motivation akzeptiert wird7. Eine Konkretisierung kann am ehesten im Gegenschluss zu den zulässigen Marktpraktiken erfolgen; s. hierzu sogleich Rz. 176, 179. Als Beispiele nennt der Verordnungsgeber das sog. „painting the tape“ oder „advancing the bid“8; in der Literatur werden zudem das sog. „pumping and dumping“ oder die „circular orders“ genannt9. Wirtschaftlich begründet sind hingegen Arbitrage-Geschäfte, durch die Preisdifferenzen an verschiedenen Märkten ausgenutzt werden, und das sog. IntraDay-Trading, sofern nur ein Preistrend ausgenutzt wird. Das sog. Late Trading, bei dem nach Börsenschluss ein außerbörsliches Geschäft zum Tagesschlusskurs getätigt und dabei ein kursrelevantes Ereignis ausgenutzt wird, das noch nicht im Tagesschlusskurs berücksichtigt ist, beinhaltet wirtschaftlich begründete Umsätze und
1 BR-Drucks. 639/03, S. 12; ebenso Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 3 MaKonV Rz. 30. 2 A.A. Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 108. 3 Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 3 MaKonV Rz. 30. 4 BR-Drucks. 639/03, S. 12. 5 BR-Drucks. 639/03, S. 12. 6 Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 3 MaKonV Rz. 33; Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 109. 7 Zutr. Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 109 mit Hinweis auf die Grenzfälle des Arbitrage-Handels, Intra-Day-Trading, Late Trading bei Investmentfondsanteilen. Acting in Concert u.s.w. 8 BR-Drucks. 639/03, S. 12. 9 Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 109.
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unterfällt deshalb nicht § 3 Abs. 2 Nr. 3 MaKonV1, mag es auch unter anderen Gesichtspunkten unzulässig sein. 167a
Eine „Investmentidee“ wird auch dann umgesetzt, wenn die Idee ex post oder auch objektiv ex ante gesehen riskant oder spekulativ erscheint. Es ist nicht Aufgabe des Marktmanipulationsrechts, riskante oder spekulative Geschäfte als solche zu verbieten; rechtliche Grenzen hierfür ergeben sich vielmehr aus dem Börsenrecht sowie auch und vor allem aus dem Gesellschaftsrecht und dem Untreuestrafrecht. Bei riskanten oder spekulativen Geschäften ist die Schwelle zur Marktmanipulation nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 MaKonV vielmehr erst überschritten, wenn die Investmentidee nur vorgeschoben wird, um das eigentliche Ziel der Preisbeeinflussung zu verschleiern. 4. Zulässige Marktpraxis a) Europarechtlicher Hintergrund
168 Bei der Marktmanipulation durch Geschäfte und Aufträge i.S. von Art. 1 Nr. 2a Marktmissbrauchsrichtlinie, der mit § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG umgesetzt wird, ist die Grenze zwischen legalem Marktverhalten und illegalem, manipulativen Verhalten besonders schwer zu ziehen. Deshalb schränkt Art. 1 Nr. 2a Marktmissbrauchsrichtlinie das Verbot der Marktmanipulation durch die dort genannten Geschäfte oder Kauf- bzw. Verkaufsaufträge durch die Wendung ein: „es sei denn, die Person, welche die Geschäfte abgeschlossen oder die Aufträge erteilt hat, weist nach, dass sie legitime Gründe hierfür hatte und dass diese Geschäfte oder Aufträge nicht gegen die zulässige Marktpraxis auf dem betreffenden geregelten Markt verstoßen“. Bemerkenswert hieran ist die mit der Wendung „es sei denn“ geregelte und beabsichtigte Beweislastumkehr, die nach deutschem Verständnis jedenfalls straf- und bußgeldrechtlich problematisch ist2. Art. 1 Nr. 5 Marktmissbrauchsrichtlinie enthält eine Legaldefinition der zulässigen Marktpraxis als „Gepflogenheiten, die auf einem oder mehreren Finanzmärkten nach vernünftigem Ermessen erwartet werden und von den zuständigen Behörden (…) anerkannt werden“. Die bei der Anerkennung zu beachtenden Faktoren und Verfahren sind im europäischen Recht in Art. 2, 3 Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG näher konkretisiert worden. 169 Innerhalb dieses europarechtlichen Rahmens liegt es in der Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten und der jeweils zuständigen Behörde, über konkrete zulässige Marktpraktiken zu entscheiden, und zwar im Grundsatz mit Geltung nur für den jeweiligen nationalen (Teil-)Markt. Dadurch soll Raum für die Berücksichtigung spezifisch 1 Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 3 MaKonV Rz. 34. 2 S. noch unten Rz. 172 und weiterhin Kutzner, WM 2005, 1401 (1404); Schmitz, ZStW 115 (2003), 501 (525 f.); sodann auch Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 77; Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 528. – Ob die Beweislastumkehr, wie Kutzner annimmt, geradezu menschenrechtswidrig ist, nämlich Art. 6 Abs. 2 MRK widerspricht, erscheint fragwürdig. Art. 6 Abs. 2 MRK verlangt nur einen gesetzlichen Nachweis der Schuld und nimmt dabei auf das jeweilige nationale Beweisrecht Bezug. Das schließt eine Beweislastumkehr – wie sie in anderen Mitgliedstaaten der EU auch im Strafrecht keineswegs ausgeschlossen ist – nicht schlechterdings aus, wenn nur die Verteidigungsrechte nicht übermäßig beschnitten werden. – Auch kann nicht ohne weiteres angenommen werden, es sei der strafprozessuale Grundsatz „in dubio pro reo“ verletzt (so aber Verf., WM 2003, 2437 [2444]), da es sich zunächst um einen materiell-rechtlichen Vermutungstatbestand handelt (zutr. Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rz. 67). – Freilich widersprechen Schuldvermutungen im Strafrecht der deutschen Rechtsstaatstradition und dürften im Hinblick auf BVerfG v. 30.6.2009 – 2 BvE 2, 5/08 u.a. = BVerfGE 123, 267 (413) als der „unverfügbaren Verfassungsidentität“ widersprechend verfassungswidrig sein.
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nationaler Besonderheiten geschaffen werden. Der europäische Richtliniengeber nimmt sogar hin, dass eine Marktpraxis in einem Mitgliedstaat als zulässig anerkannt, in einem anderen Mitgliedstaat aber als unzulässig angesehen wird (vgl. Erwägungsgrund [4] Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG; s. noch unten Rz. 190 f.). Mit anderen Worten gibt es nur national-beschränkt zulässige, nicht aber europäisch-einheitlich zulässige Marktpraktiken. Zu den hieraus folgenden Geltungs- und Anwendungsfragen unten Rz. 205. Immerhin kommt dem Committee of European Securities Regulators (CESR), in dem mögliche Diskrepanzen diskutiert werden sollen (vgl. erneut Erwägungsgrund [4] Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG) und das nunmehr in der European Securities and Markets Authority (ESMA) aufgegangen ist, eine de facto bedeutsame Koordinierungsfunktion zu. b) Gesetzliche Vorgaben (§ 20a Abs. 2 WpHG) Der deutsche Gesetzgeber hat die europarechtlichen Vorgaben zunächst mit § 20a 170 Abs. 2 WpHG umgesetzt. Die Vorschrift nimmt zulässige Marktpraktiken von dem Verbot des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG aus („gilt nicht“). Das geht weniger weit als die „safe harbours“ i.S. von § 20a Abs. 3, 5 Satz 1 Nr. 4 WpHG, die in keinem Fall Verstöße gegen das Verbot der Marktmanipulation nach § 20a Abs. 1 Satz 1 WpHG – also auch Nr. 1 und 3 – darstellen. Freilich dürfte es praktisch ausgeschlossen sein, ein Verhalten, das § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 3 WpHG erfüllt, in Bezug auf § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG nach den Kriterien des § 8 MaKonV als zulässige (!) Marktpraxis anzuerkennen1. Ein weiterer Unterschied insbesondere zum „safe harbour“ bei Rückkaufprogrammen und Stabilisierungsmaßnahmen nach § 20a Abs. 3 WpHG i.V.m. der Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 besteht darin, dass dieser europäisch-einheitlich gilt, während die Bundesanstalt im Rahmen des § 20a Abs. 2 WpHG im Ausgangspunkt nur Praktiken auf bestimmten inländischen Märkten als zulässig anerkennen kann (s. oben Rz. 169 und noch unten Rz. 205). Im Übrigen ist eine scharfe Abgrenzung zwischen anerkannten Marktpraktiken i.S. von § 20a Abs. 2, 5 Satz 1 Nr. 5 WpHG einerseits und „safe harbours“ i.S. von § 20a Abs. 3, 5 Satz 1 Nr. 4 WpHG andererseits schwerlich möglich – wie sich daran zeigt, dass für Zweifelsfälle wie den sog. Pakethandel beide Wege nebeneinander in Erwägung gezogen werden2. Dogmatisch handelt es sich bei der Anerkennung einer zulässigen Marktpraxis gemäß § 20a Abs. 2 WpHG nicht erst um einen Rechtfertigungsgrund, sondern um einen Tatbestandsausschluss, und die Nichtanerkennung ist negatives Tatbestandsmerkmal des Marktmanipulationsverbots nach § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG3. Mit Recht weisen Mock/Stoll/Eufinger4 darauf hin, dass eine zulässige Marktpraxis sozial- und professionsadäquates Verhalten beinhaltet, das von vornherein den Schutz1 A.A. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 248, wonach „eine Gepflogenheit trotz des Vorliegens einer zulässigen Marktpraxis noch einen Verstoß gegen das Verbot der Kurs- und Marktpreismanipulation darstellen“ kann; s. aber auch Rz. 201, wo die Wirkung des § 20a Abs. 2 WpHG praeter legem auf § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG erstreckt wird. 2 Vgl. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 254, auch Rz. 378 ff. zu Rückkaufprogrammen jenseits § 20a Abs. 3. 3 Wie hier Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 76; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 220; Papachristou, S. 224; Schönhöft, S. 112; Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 536 (s. aber auch Rz. 604); Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 110 und 112; für Rechtfertigungsgrund aber Bisson/Kunz, BKR 2005, 186 (189); s. auch Kuthe, ZIP 2004, 883 (887); Spindler, NJW 2004, 3449 (3453). 4 Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 222.
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zweck des Marktmanipulationsverbots nicht berührt und nicht etwa erst im Hinblick auf eine Güterabwägung ausnahmsweise gerechtfertigt erscheint. Unabhängig davon, ob § 20a Abs. 2 WpHG – strafrechtlich gesprochen – bereits die Tatbestandsoder erst die Rechtfertigungsebene betrifft, sind an ihn die allgemeinen und besonderen strafrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen (Art. 20 Abs. 3, 103 Abs. 2 GG) zu stellen1; unter Berücksichtigung der §§ 7–10 MaKonV dürfte die Vorschrift sie aber nicht durchgreifend verfehlen2. 172 Die auf eine Beweislastumkehr abzielende Formulierung in Art. 1 Nr. 2a Marktmissbrauchsrichtlinie (s. oben Rz. 168) hat der deutsche Gesetzgeber nicht übernommen, was die Frage aufwirft, ob die Umsetzung richtlinienkonform erfolgt ist. Die Richtlinienkonformität kann dadurch gewährleistet werden, dass zwischen der kapitalmarkt- und straf- bzw. bußgeldrechtlichen Handhabung des § 20a Abs. 2 WpHG und im Übrigen zwischen Tat- und Rechtsfragen unterschieden wird3: Die Rechtsfragen, ob eine Marktpraxis „zulässig“ und ein Grund „legitim“ ist, müssen ohnehin von der Bundesanstalt bzw. den Gerichten in eigener Verantwortung entschieden werden; hier besteht ohnehin keine Darlegungs- oder Beweislast des von einem Überwachungs-, Bußgeld- oder Strafverfahren Betroffenen. Die Tatfragen, was „Marktpraxis“ bzw. „Gepflogenheit“ (§ 7 MaKonV) ist und wie sie sich im Lichte der Kriterien (§ 8 MaKonV) auswirkt und aus welchen „Gründen“ der Betroffene handelte, sind im Straf- und Bußgeldverfahren von Amts wegen zu ermitteln, ohne dass den Beschuldigten bzw. Betroffenen eine Darlegungslast träfe, und sie sind zur Überzeugung der Bundesanstalt oder Gerichte festzustellen, ohne dass den Beschuldigten bzw. Betroffenen eine Beweislast träfe. Vielmehr sind im Zweifel die dem Beschuldigten bzw. Betroffenen günstigeren Tatsachen zu unterstellen („in dubio pro reo“). Das ist auch europarechtskonform, weil die Marktmissbrauchsrichtlinie nicht bezweckt und bezwecken kann, die nach dem jeweiligen nationalen Recht geltenden straf- und bußgeldrechtlichen Nachweisanforderungen zu beeinflussen. Sollte das EuGH-Urteil „Spector“ (oben Rz. 3a) anders zu verstehen sein, wäre dies für die Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf das Lissabon-Urteil des BVerfG (oben Rz. 168) innerstaatlich nicht verbindlich. Anders liegt es bei Überwachungsverfahren, die die Bundesanstalt bei Verdacht auf Verstöße gegen § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG einleitet. Zwar gilt auch im Verwaltungsverfahrensrecht der Amtsermittlungsgrundsatz (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) und der Grundsatz, dass Maßnahmen der Eingriffsverwaltung nur auf festgestellte Tatsachen gegründet werden dürfen. Jedoch sind (spezial-) gesetzlich geregelte Ausnahmen, die eine Darlegungs- und auch Nachweispflicht begründen, rechtlich möglich und keineswegs eine Seltenheit. Da der Wortlaut des § 20a Abs. 2 WpHG eine Darlegungs- und Nachweispflicht nicht ausschließt, erscheint eine richtlinienkonforme Auslegung für überwachungsverfahrensrechtliche Zwecke möglich und geboten. 173 Wie sich aus § 20a Abs. 2 Satz 2 WpHG ergibt („und von der Bundesanstalt […] anerkannt worden sind“), bezieht sich die Verbotsausnahme im Grundsatz (s. aber sogleich Rz. 174) nur auf solche zulässigen Marktpraktiken, die von der Bundesanstalt in dem in §§ 7–10 MaKonV näher geregelten Verfahren (unten Rz. 181 ff.) als solche anerkannt worden sind. Die vorherige Anerkennung ist also im Grundsatz (s. aber sogleich Rz. 174) für die Verbotsausnahme konstitutiv. Entspricht ein Verhalten ei1 Insoweit zutr. Schönhöft, S. 115 f. 2 A.A. Schönhöft, S. 113 ff. 3 In dieselbe Richtung Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 77; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 241 ff.; Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 112.
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ner Gepflogenheit bzw. Marktpraxis, so darf die Bundesanstalt das Vorliegen einer Marktmanipulation nach § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG nur feststellen, wenn sie der entsprechenden Marktpraxis die Anerkennung als zulässig versagt hat1. Allerdings bestimmt § 20a Abs. 2 Satz 3 WpHG in Umsetzung von Art. 2 Abs. 2 174 Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG, dass eine Marktpraxis nicht bereits deshalb unzulässig ist, weil sie zuvor nicht ausdrücklich anerkannt wurde. Die Regelung war im RegE AnSVG noch nicht enthalten, da der Gesetzgeber für selbstverständlich gehalten hatte, dass eine Anerkennung auch ex post erfolgen könne (RegE AnSVG, S. 37). Die Klarstellung zielt in erster Linie auf neue Marktpraktiken, über deren Zulässigkeit zu entscheiden noch nicht möglich gewesen ist (s. Ber. Fin. AnSVG, S. 65); der Wortlaut ist hierauf aber nicht beschränkt. Nicht zweifelsfrei ist, wie die Vorschrift mit § 20a Abs. 2 Satz 2 WpHG in Einklang gebracht werden kann, wonach als zulässige Marktpraxis „nur“ gilt, was als solche von der Bundesanstalt anerkannt wird. Nach einer restriktiven Auffassung2 betrifft § 20a Abs. 2 Satz 3 WpHG ausschließlich den Fall der nachträglichen Anerkennung, wenn die Bundesanstalt eine Marktpraxis nachträglich – d.h. nach Vornahme eines mit ihr im Einklang stehenden Geschäfts bzw. Auftrags, das bzw. der Gegenstand eines Überwachungs-, Bußgeldoder gar Strafverfahrens ist – als zulässig anerkennt. Hiernach bleibt der Grundsatz unberührt, dass die wenn auch ggf. nachträgliche Anerkennung für die Verbotsausnahme konstitutiv ist, und § 20a Abs. 2 Satz 3 WpHG erschöpft sich darin, gleichsam eine (ohnehin gebotene) rückwirkende Anwendung milderen Rechts3 einer erst nach dem Geschäft bzw. Auftrag erfolgten Anerkennung zuzulassen (s. hierzu auch RegE AnSVG, S. 37). – Demgegenüber ist in der 4. Aufl. Rz. 1404 noch vertreten worden, es genüge die bloße Anerkennungsfähigkeit einer Marktpraxis unabhängig davon, ob und wann später über die Anerkennung entschieden werde. Materiell-rechtlich unbedenkliche Marktpraktiken allein deshalb für unzulässig zu erklären, weil die zuständige Behörde (Bundesanstalt) das ggf. durchaus aufwendige Anerkennungsverfahren scheue, erscheine unverhältnismäßig. In diesem Sinne führe auch BR-Drucks. 18/05, S. 19 aus: „Um die gewünschte Fortentwicklung der Kapitalmärkte nicht zu behindern, soll … sichergestellt werden, dass eine Handlung nicht als Marktmanipulation verfolgt wird, wenn sie einer zulassungswürdigen, lediglich noch nicht von der Bundesanstalt anerkannten Marktpraxis entspricht“ (Herv. v. Verf.). Es sei als Redaktionsversehen anzusehen, dass in § 20a Abs. 2 Satz 2 WpHG das Wort „nur“ nicht gestrichen worden sei, als auf Empfehlung des Finanzausschusses § 20a Abs. 2 Satz 3 WpHG angefügt wurde. Allerdings laufe der Marktteilnehmer, der sich nicht auf eine vorherige Anerkennung berufen könne, das Risiko, dass die Bundesanstalt im Überwachungs- bzw. Bußgeldverfahren bzw. ein Gericht im Strafverfahren die Marktpraxis, auf die sich der Marktteilnehmer berufe, für unzulässig erachte (vgl. RegE AnSVG, S. 37). – Die besseren Argumente dürften für die restriktive Auffassung sprechen (a.A. 4. Aufl. des Kommentars Rz. 140). Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 MaKonV ist die Bundesanstalt verpflichtet, über die Anerkennung von Gepflogenheiten als zulässige Marktpraktiken zu entscheiden; ist bereits ein Überwachungsverfahren eingelei1 BR-Drucks. 18/05, S. 19; s. noch unten Rz. 185. 2 Eichelberger, S. 297 f.; Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 539 ff.; wohl auch Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 116; letztlich offen Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 85, s. aber auch Rz. 80: „Notwendigkeit“ einer Anerkennung, „Anerkennungsmonopol“. 3 Treffend Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 541. 4 Ebenso Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 230 ff.; Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 55; vgl. auch Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 39 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 116.
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tet worden, kann gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 MaKonV in einem vereinfachten Verfahren (mit Wirkung nur für den Einzelfall) entschieden werden. Da diese Pflichten auch durchgesetzt werden können (unten Rz. 192), besteht kein durchgreifendes Bedürfnis, bloße Anerkennungsfähigkeit genügen zu lassen und so die der Bundesanstalt zugedachte „Federführung“ und das ihr zustehende „letzte Wort“1 zu unterlaufen. 175 Zwar handelt es sich bei anerkannten zulässigen Marktpraktiken nicht um „safe harbours“ im strikten Sinne des § 20a Abs. 3, 5 Satz 1 Nr. 4 WpHG (s. bereits oben Rz. 170). Jedoch muss eine Anerkennung in dem Sinne bindend sein, dass eine als zulässig anerkannte Marktpraxis als solche gelten muss, auch wenn hierüber gestritten werden kann, und auch dann, wenn die Anerkennung von Anfang an materiell rechtswidrig gewesen ist bzw. durch geänderte Umstände rechtswidrig geworden ist. § 7 Abs. 1 Satz 3 MaKonV bestimmt, dass eine Anerkennung nur mit Wirkung für die Zukunft geändert oder widerrufen werden kann (s. noch unten Rz. 187). Auch wenn die Anerkennung nicht als in Bestandskraft erwachsende Allgemeinverfügung, sondern als Rechtsverordnung zu qualifizieren sein sollte (s. zum Problem unten Rz. 181 f.), erscheint es doch als zwingendes Gebot der Rechtssicherheit, dass sich jedermann auf sie berufen kann, solange sie nicht gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 MaKonV geändert oder widerrufen worden ist. Hieraus folgt, dass Geschäfte bzw. Aufträge, die einer zum Zeitpunkt ihrer Vornahme bzw. Erteilung anerkannten Marktpraxis entsprachen und legitime Gründe hatten, als unverboten gelten müssen, und zwar auch dann, wenn die Anerkennung fragwürdig oder gar anfänglich rechtswidrig war oder mittlerweile rechtswidrig geworden ist. In derartigen Fällen sind insbesondere auch Strafverfolgungsbehörden und -gerichte an die Anerkennung gebunden, selbst wenn sie die Zulässigkeit der Marktpraxis anders beurteilen als die Bundesanstalt; insoweit besteht eine Verwaltungsakzessorietät des Kapitalmarktstrafrechts2. Die Grenze ist erst erreicht, wenn die Anerkennung geradezu als nichtig i.S. von § 44 VwVfG gelten muss. Unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs und der fehlenden legitimen Gründe für das Geschäft bzw. den Auftrag ist weiterhin eine Ausnahme zu machen, wenn der Marktteilnehmer die materielle Rechtswidrigkeit der Anerkennung sicher kennt und sie zur Begehung einer Marktmanipulation nach § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG ausnutzt. 176 In der Sache setzt § 20a Abs. 2 Satz 1 WpHG zum einen voraus, dass das Geschäft bzw. der Auftrag mit der zulässigen Marktpraxis auf dem betreffenden organisierten Markt oder Freiverkehr vereinbar ist. § 20a Abs. 2 Satz 2 WpHG enthält insoweit eine Legaldefinition der zulässigen Marktpraxis3, mit der Art. 1 Nr. 5 Marktmissbrauchsrichtlinie umgesetzt wird: Es muss sich um eine (als zulässige Marktpraxis anerkannte, s. soeben Rz. 174) Gepflogenheit handeln, die auf dem jeweiligen Markt nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann und von der Bundesanstalt anerkannt wird (hierzu soeben Rz. 173 ff.). Eine Gepflogenheit ist (objektiv) eine Übung, die (subjektiv) für üblich und angemessen gehalten wird4. Dass die Übung neu ist oder sich gerade erst entwickelt, schließt eine Gepflogenheit nicht aus; ein Marktverhalten, das nur wenige oder Außenseiter an den Tag legen, genügt aber nicht. Auch verbreitetes Marktverhalten begründet keine Gepflogenheit, wenn es von verständigen Marktteilnehmern als unüblich oder unangemessen oder gar als miss1 Treffend Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 535. 2 I.E. ebenso Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 538. 3 Trotz des Wortlauts („Als zulässige Marktpraxis gelten …“) handelt es sich nicht um eine Fiktion. 4 Ebenso Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 227; a.A. – nur objektiv zu beurteilen – Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 56.
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bräuchlich, rechts- oder sittenwidrig angesehen wird. Nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann eine Gepflogenheit, wenn sie sich an bestehende Gepflogenheiten anschließt oder sie in einer Weise fortentwickelt, die mit den anerkannten Prinzipien, Strukturen, Mechanismen, Funktionsbedingungen und der Integrität der jeweiligen Märkte (s. noch § 8 MaKonV und hierzu unten Rz. 195 ff.) vereinbar ist. Insgesamt lässt sich erkennen, dass bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Markt- 177 praktiken das Selbstverständnis der Marktteilnehmer und die Selbstregulierungsmechanismen der Märkte eine wichtige Rolle spielen. Materiell-rechtlich schlägt sich dies im Leitbegriff der Gepflogenheit nieder, verfahrensrechtlich in der Pflicht, insbesondere auch Spitzenverbände der betroffenen Wirtschaftskreise (Emittenten und Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Betreiber von Märkten) anzuhören (§ 9 Abs. 1 Satz 1 MaKonV). Deshalb sind u.a. Börsenordnungen, aber auch Verhaltenskodices und sonstige Verhaltensempfehlungen ein gewichtiges Indiz, um zulässige bzw. unzulässige Marktpraktiken zu identifizieren1. Der betreffende organisierte Markt oder Freiverkehr muss im Inland belegen (oben Rz. 169, 170) und räumlich-gegenständlich bestimmt sein. Ob das eine sich auf alle organisierten Märkte bzw. Freiverkehre in der Bundesrepublik Deutschland erstreckende Anerkennung ausschließt2, ist aber fragwürdig; für derartige Anerkennungen gibt es durchaus Vorbilder im europäischen Ausland (s. noch unten Rz. 204).
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Zudem verlangt § 20a Abs. 2 Satz 1 WpHG, dass der im Einklang mit einer zuläs- 179 sigen Marktpraxis Handelnde hierfür legitime Gründe hat. Europarechtlich ist dieses Erfordernis durch Art. 1 Nr. 1a Marktmissbrauchsrichtlinie vorgegeben und geht wiederum auf den „regular user test“ des englischen und angloamerikanischen Rechts zurück, wonach ein Handeln aus „legitimate business reasons“ nicht marktmissbräuchlich ist3, was mit einer Darlegungs- und Nachweispflicht des betreffenden Marktteilnehmers verbunden wird4. Nach RegE AnSVG, S. 37 handelt es sich um ein subjektives Element, das lediglich dann zu verneinen sei, wenn festgestellt werden könne, dass der Handelnde in betrügerischer oder manipulativer Absicht gehandelt habe. Diese Meinung der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten ist nach allgemeinen Regeln für die Auslegung nicht bindend. In der Sache überzeugt sie nicht, da sie „durch die Hintertür“ das nicht mehr im geltenden Recht enthaltene Erfordernis der Preisbeeinflussungabsicht (s. unten Rz. 215) sowie das dem Marktmanipulationsrecht seit jeher fremde Erfordernis der Betrugs(= Bereicherungs)absicht einführt und eine fragwürdige Aussage zur Beweislast macht (s. oben Rz. 168)5. Eine an Wortlaut und Zweck des § 20a Abs. 2 Satz 1 WpHG orientierte Auslegung ergibt vielmehr6: Die gemeinten Gründe für ein Geschäft bzw. einen Auftrag sind nicht umstandslos mit den subjektiven Beweggründen, Motiven, Absichten, Zwecken oder Zielen des Handelnden gleichzusetzen; beispielsweise interessiert bei § 20a Abs. 2 Satz 1 WpHG nicht, ob die Transaktion der Geldwäsche, Steuerhinterziehung oder 1 2 3 4
Ebenso Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 228. So wohl Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 235 am Ende. Sorgenfrei, in: Park §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 134 m.N. Krit. Sorgenfrei, in: Park §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 134: „Motivforschung“ … „mit deutschem Rechtsverständnis nicht vereinbar“; s. auch die krit. Stellungnahme des Bundesrats in BT-Drucks. 15/3355, S. 2. 5 S. auch Bisson/Kunz, BKR 2005, 186 (188); Papachristou, S. 272; Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 529; Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 134. 6 Ähnlich Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 79; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 238; Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 57.
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Zwangsvollstreckungsvereitelung – für sich genommen durchaus illegitime Gründe! – dient. Vielmehr geht es nur um die kapitalmarkrechtlich relevanten Gründe, die sowohl objektive als auch subjektive und nicht zuletzt normative Elemente haben, wobei die objektiven Wirkungen, subjektiven Ziele und der wirtschaftliche Sinn der Transaktion auch und gerade in Bezug auf den jeweiligen Markt im Vordergrund stehen. Legitim i.S. von § 20a Abs. 2 Satz 1 WpHG sind Gründe, die kapitalmarktrechtlich anzuerkennen sind und insbesondere nicht den anerkannten Prinzipien, Strukturen, Mechanismen, Funktionsbedingungen und der Integrität der jeweiligen Märkte zuwiderlaufen. So ist das Ausnutzen von Kurs- oder Zinsdifferenzen bei sog. Arbitragegeschäften legitim1, nicht aber ein Geschäft, dessen Wirkung, Ziel und Sinn sich in der marktfunktionswidrigen Preisbeeinflussung erschöpft, wobei eine Preisbeeinflussungsabsicht nicht zwingend vorliegen muss. Grundsätzlich legitim ist es, sich auf die Anerkennung der Zulässigkeit der Marktpraxis zu stützen, auch wenn mittlerweile Zweifel an der Zulässigkeit aufgekommen sein mögen; erst die geradezu rechtsmissbräuchliche Ausnutzung der Anerkennung kann als illegitim gelten2. c) Verordnungsrechtliche Konkretisierung (§ 20a Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 WpHG und §§ 7–10 MaKonV) 180 Von der Ermächtigung des § 20a Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 WpHG, nähere Bestimmungen über Handlungen, die als zulässige Marktpraxis gelten, und das Verfahren zur Anerkennung einer zulässigen Marktpraxis zu treffen, hat der Verordnungsgeber mit Teil 4, §§ 7–10 MaKonV Gebrauch gemacht, die zugleich Art. 2, 3 Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG umsetzen. 181 §§ 7, 9 und 10 MaKonV regeln das Anerkennungsverfahren. Zu der Grundsatzfrage, ob es sich um ein Verwaltungs- oder aber Normsetzungsverfahren und bei der Anerkennung um eine Allgemeinverfügung oder eine Rechtsverordnung handelt, verhalten sich diese Vorschriften freilich nicht. 182 Nach h.A. ist das Anerkennungs- als Verwaltungsverfahren und die Anerkennungsentscheidung als Verwaltungsakt in Gestalt einer Allgemeinverfügung zu qualifizieren3. Hiernach richtet sich das Verfahren zwar in erster Linie nach den besonderen Verfahrensvorschriften der §§ 7, 9 und 10 MaKonV, im Übrigen aber nach dem VwVfG. Die Anerkennung (und ebenso die Nichtanerkennung) erwächst als Verwaltungsakt in Bestandskraft, auch wenn sie materiell rechtswidrig ist. Straf- und bußgeldrechtlich gesehen ist die Folge, dass § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG zum verwaltungsaktsakzessorischen Tatbestand wird. 183 In der Sache sprechen die besseren Argumente dafür, dass es sich materiell um ein Normsetzungsverfahren handelt, das sich nicht nach dem VwVfG richtet, und dass die Anerkennung in der Sache eine Rechtsverordnung darstellt4. BR-Drucks. 18/05, S. 20 spricht von der „abstrakt-generellen Wirkung“ der Anerkennung einer zulässigen Marktpraxis; eine solche Wirkung – im Unterschied zu einer bloß konkret-generellen oder abstrakt-individuellen – ist kennzeichnend für Rechtsnormen. Ein Indiz 1 Vgl. Sorgenfrei, in: Park §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 134. 2 Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 239; s. bereits oben Rz. 175. 3 Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 81; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 7 MaKonV Rz. 7 ff.; Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 530; Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 59. 4 S. bereits 4. Aufl. des Kommentars Rz. 146; 5. Aufl. des Kommentars Rz. 182; wie hier Sorgenfrei, in: Park, §§ 30a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 132.
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dafür, dass der Verordnungsgeber die Anerkennung in der Sache als Rechtsverordnung angesehen hat, findet sich auch im Erfordernis der Bekanntgabe im (elektronischen)1 Bundesanzeiger (§ 10 Abs. 1 Satz 1 MaKonV), die vom Verordnungsgeber für „geboten“ gehalten wird2; im Bundesanzeiger werden aber auch und gerade Rechtsverordnungen verkündet (vgl. Art. 82 Abs. 1 Satz 2 GG, § 1 Abs. 1 Gesetz über die Verkündung von Rechtsverordnungen vom 30.1.1950, BGBl. 1950, 23). Anerkennungsentscheidungen mit der h.A. als Allgemeinverfügungen i.S. von § 35 Satz 2 VwVfG zu qualifizieren, erscheint gezwungen und rechtlich fragwürdig. Zwar lässt § 35 Satz 2 VwVfG adressatenbezogene Allgemeinverfügungen auch in der Weise zu, dass sich die Regelung an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet; jedoch muss sie dann einen bestimmten, räumlich-zeitlich-gegenständlich konkretisierten Sachverhalt betreffen, also konkret-generellen Charakter haben3. Demgegenüber dürfte die Anerkennung einer zulässigen Marktpraxis und aller mit ihr vereinbaren Handlungen, gleich von wem, wann und wo auch immer sie vorgenommen werden, diesen Anforderungen kaum genügen; dass eine „Gepflogenheit“ ein „Einzelfall“ sein soll, überzeugt ebensowenig wie die Deutung der Anerkennung als die Benutzung der deutschen Börsenplätze regelnde Allgemeinverfügung. In rechtsvergleichender Hinsicht ist bemerkenswert, dass der österreichische Gesetzgeber die dortige Finanzmarktaufsicht ermächtigt hat, zulässige Marktpraktiken durch Verordnung festzulegen (§ 48a Abs. 3 BörseG). Im französischen Recht bestand und besteht seit jeher eine ausgeprägte Normsetzungskompetenz der Verwaltung (pouvoir règlementaire); dass Art. 612-4 Règlement géneral de l’Autorité des Marchés Financiers insoweit von einer Entscheidung (decision) der AMF spricht, besagt wenig, da das französische Recht auch den Erlass von Rechtsverordnungen als acte règlementaire und acte administratif auffasst. Auch die „safe harbours“ des Unionsrechts sind im Verordnungsweg erlassen worden. Zuzugeben ist, dass die hier vertretene Auffassung zu verfassungsrechtlichen Beden- 184 ken gegen § 20a Abs. 2 WpHG führt, soweit die Zuständigkeit für die Anerkennung bei der Bundesanstalt liegt. Wenn die Anerkennung materiell Rechtsnorm und formell Rechtsverordnung ist, muss sie sich an Art. 80 (insbesondere Abs. 1 Satz 4) GG messen lassen, wonach Bundesoberbehörden nicht primäre Verordnungsdelegatare sein können, sondern nur Subdelegatare aufgrund von Rechtsverordnungen auf gesetzlicher Grundlage. § 20a Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 WpHG ermächtigt aber nicht, jedenfalls nicht hinreichend deutlich dazu, die Bundesanstalt zu ermächtigen, zulässige Marktpraktiken durch Rechtsverordnung anzuerkennen. Zwar sieht § 20a Abs. 5 Satz 2 WpHG die Möglichkeit einer Subdelegation der Bundesanstalt durch Rechtsverordnung vor, und es könnte argumentiert werden, diese Rechtsverordnung sei die MaKonV selbst. Jedoch wäre auch bei dieser kühnen Konstruktion die gesetzliche Vorgabe des § 20a Abs. 5 Satz 3 WpHG, wonach die Bundesanstalt von ihr übertragenen Ermächtigungen nur im Einvernehmen mit den Börsenaufsichtsbehörden der Länder Gebrauch machen darf, in §§ 7–10 MaKonV nicht eingehalten. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 MaKonV besteht eine Pflicht der Bundesanstalt, über die 185 Anerkennung einer Gepflogenheit als zulässige Marktpraxis zu entscheiden, wenn die Bundesanstalt im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit Kenntnis von einer Gepflo1 Mit dem vom Bundestag am 10.11.2011 angenommenen Gesetz zur Änderung von Vorschriften über Verkündung und Bekanntmachungen … (BR-Drucks. 747/11 v. 25.11.2011) wird der (gedruckte) Bundesanzeiger eingestellt und eine dauerhaft verfügbare elektronische Veröffentlichung unter der Bezeichnung „Bundesanzeiger“ eingeführt. 2 BR-Drucks. 18/05, S. 23 f. 3 S. nur Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, § 9 Rz. 30.
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genheit erhält, die in den Regelungsbereich des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG fällt. Damit setzt der Verordnungsgeber Art. 2 Abs. 2, 3 Abs. 1 Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG um1. Nach allgemeinen Regeln ist sichere Kenntnis nicht erforderlich; es genügt vielmehr, dass die bekannt gewordenen Tatsachen für möglich erscheinen lassen, dass § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG anwendbar ist. Die Kenntnis muss im Rahmen der Aufsichtstätigkeit i.S. von § 4 WpHG erlangt worden sein, sei es, dass generelle Missstände bekannt werden, sei es, dass die Gepflogenheit im Rahmen eines konkret-individuellen Überwachungsverfahrens bekannt wird (s. unten Rz. 188). Rechtspolitisch ist die Verknüpfung des Anerkennungsverfahrens mit der Aufsichtstätigkeit wegen möglicher Verletzungen des Marktmanipulationsverbots zweifelhaft; vorzugswürdig wäre ein Antragsverfahren mit dem klaren Ziel der Zulässigerklärung bestimmter Marktpraktiken2. 186 Das weitere Verfahren richtet sich nach §§ 8–10 MaKonV und nach dem VwVfG, wenn man mit der h.A. das Anerkennungs- als Verwaltungsverfahren ansieht (s. oben Rz. 181 ff.). Auf anderem Weg oder durch andere Stellen – auch (Straf-) Gerichte – darf eine förmliche Anerkennung zulässiger Marktpraktiken nicht erfolgen3, und in diesem Sinne hat die Bundesanstalt ein „Anerkennungsmonopol“4. 187 Eine einmal anerkannte zulässige Marktpraxis muss gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 MaKonV regelmäßig überprüft werden, wobei insbesondere wesentliche Änderungen des Marktes wie geänderte Handelsregeln5 oder eine Änderung der Infrastruktur des Marktes zu berücksichtigen sind. Damit setzt der Verordnungsgeber Art. 2 Abs. 3 Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG um und will gewährleisten, dass die Verfolgung der Marktmanipulation der hohen Veränderungs- und Modernisierungsgeschwindigkeit des Handels mit Finanzinstrumenten Schritt hält6. Ergibt sich bei der Überprüfung, dass die Marktpraxis nicht mehr, nicht mehr in gleichem Umfang oder nicht mehr in gleicher Art und Weise als zulässig anerkannt werden kann, so bestimmt § 7 Abs. 1 Satz 3 MaKonV, dass die Anerkennung geändert oder widerrufen werden kann; das hier scheinbar eingeräumte Ermessen ist in richtlinienkonformer Auslegung auf Null zu reduzieren und das Wort „kann“ durch „muss“ zu ersetzen, da Art. 2 Abs. 3 Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG verlangt, dass die Mitgliedstaaten „sicherstellen“, dass bei den von ihnen anerkannten Marktpraktiken wesentliche Änderungen berücksichtigt werden7. Die Pflicht zur Änderung oder zum Widerruf nach § 7 Abs. 1 Satz 3 MaKonV gilt erst recht, wenn eine Anerkennung ursprünglich rechtswidrig war8. Die Änderung oder der Widerruf wirken nur für die Zukunft; sie dürfen sich nicht rückwirkend zu Lasten der Marktteilnehmer auswirken9. Auch bei Änderung oder Widerruf sind gemäß § 7 Abs. 1 Satz 4 MaKonV, der Art. 3 Abs. 5 Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG umsetzt, die (Verfahrens-) Vorschriften der §§ 8, 9 MaKonV zu beachten, und die Änderung oder der Widerruf sind – selbstverständlich – gemäß § 10 MaKonV bekannt zu geben (s. unten Rz. 191). 1 BR-Drucks. 18/05, S. 19. 2 Vgl. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 7 MaKonV Rz. 5. 3 BR-Drucks. 18/05, S. 19; zur Bindung von (Straf-) Gerichten an eine Anerkennung s. oben Rz. 173. 4 Treffend Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 80. 5 Die als solche nicht auf ihre Recht- oder Zweckmäßigkeit zu überprüfen sind, BR-Drucks. 18/05, S. 20. 6 BR-Drucks. 18/05, S. 19. 7 Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 7 MaKonV Rz. 36. 8 A.A. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 7 MaKonV Rz. 37: Anwendung des § 48 VwVfG. 9 BR-Drucks. 18/05, S. 20; s. bereits oben Rz. 173.
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§ 7 Abs. 2 MaKonV betrifft das Verhältnis zwischen Anerkennungsverfahren und an- 188 derweitigen Verfahren, insbesondere konkret-individuellen Überwachungsverfahren wegen eines möglichen Verstoßes gegen § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG. Entspricht der mögliche Verstoß einer Gepflogenheit, so muss die Bundesanstalt, bevor sie einen Verstoß feststellt, über die Anerkennung der Gepflogenheit als zulässige Marktpraxis entscheiden1; mit anderen Worten besteht insoweit ein Vorrang des Anerkennungsverfahrens. Freilich können Überwachungsverfahren besonders eilbedürftig sein, insbesondere wenn es darum geht, aktuelle Gefahren für die Integrität der Märkte abzuwenden. In derartigen Fällen lässt § 7 Abs. 2 Satz 1 MaKonV in Umsetzung von Art. 3 Abs. 4 Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG ein vereinfachtes Verfahren zu, indem die Bundesanstalt bei der Entscheidung über die Anerkennung von der Berücksichtigung anderweitiger Erkenntnisse gemäß § 8 Abs. 2 MaKonV und von dem Erfordernis der Beteiligung anderweitiger Stellen gemäß § 9 MaKonV befreit wird. Die so getroffene Entscheidung über die Anerkennung wirkt freilich nur für den Einzelfall, ist also Verwaltungsakt2 und muss auch nicht gemäß § 10 MaKonV – wohl aber gemäß § 39 VwVfG dem Betroffenen – bekannt gegeben werden. Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 MaKonV muss das Anerkennungsverfahren anschließend weitergeführt werden, und es müssen die Beteiligung anderweitiger Stellen gemäß § 9 MaKonV3 und ggf. die Bekanntgabe der Anerkennung gemäß § 10 MaKonV nachgeholt werden; nur so und nur in diesem Umfange erlangt die Anerkennung abstrakt-generelle Wirkung4. § 7 Abs. 2 Satz 3 MaKonV stellt klar, dass die Ermittlungsbefugnisse einer Staats- 189 anwaltschaft unberührt bleiben, wenn sie wegen desselben Sachverhalts, der Gegenstand des Überwachungs- und Anerkennungsverfahrens ist, ermittelt. Strafverfahren einerseits und Überwachungs- und Anerkennungsverfahren andererseits sind selbstständig und unabhängig voneinander, und die Beteiligung der Bundesanstalt an Strafverfahren richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 4 Abs. 5, 40a WpHG5). Auf der anderen Seite ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet, die Bundesanstalt über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu informieren6 und sie zu hören, wenn sie erwägt, das Verfahren einzustellen (§ 40a Abs. 1 Satz 1, 4 WpHG), wie umgekehrt die Bundesanstalt zur Anzeige eines im Rahmen eines Überwachungs- und Anerkennungsverfahrens entstandenen Marktmanipulationsverdachts verpflichtet ist (§ 4 Abs. 5 WpHG). Auch in der Sache wirkt der Ausgang des Anerkennungsverfahrens 1 BR-Drucks. 18/05, S. 19. 2 In Bezug auf das Überwachungsverfahren (und ggf. ein Straf- oder Bußgeldverfahren) handelt es sich nicht bloß um eine behördliche Verfahrenshandlung i.S. von § 44a Abs. 1 VwGO, zutr. Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 61; a.A. 5. Aufl. des Kommentars Rz. 188, die hiermit aufgegeben wird. 3 Redaktionsfehlerhaft nicht erwähnt wird, dass – selbstverständlich – auch die Berücksichtigung anderweitiger Erkenntnisse gemäß § 8 Abs. 2 MaKonV nachgeholt werden muss. 4 BR-Drucks. 18/05, S. 20. 5 S. BR-Drucks. 18/05, S. 20. 6 Tut sie das nicht und kommt es zur Verurteilung nach § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG, obwohl möglicherweise die Bundesanstalt das Verhalten als zulässige Marktpraxis anerkannt hätte, so soll das nach Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 7 MaKonV Rz. 47 kein Revisionsgrund nach § 337 StPO sein, da die Durchführung des Anerkennungsverfahrens keine zwingende Voraussetzung für die Anwendung des § 20a Abs. 2 WpHG sei. Aber Gesetz i.S. von § 337 StPO ist jede Rechtsnorm (vgl. auch § 7 EGStPO), auch § 40a Abs. 1 Satz 1 WpHG; die Rüge der Nichtbeteiligung der Bundesanstalt entgegen § 40a Abs. 1 Satz 1 WpHG ist also Verfahrensrüge (vgl. § 344 Abs. 2 StPO); wenn es möglich erscheint, dass die Bundesanstalt eine zulässige Marktpraxis anerkannt und so dem Anklagevorwurf die Grundlage entzogen hätte, kann die Verurteilung auf dem Verfahrensfehler beruhen; dann ist die Revision begründet.
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auf das Strafverfahren ein: Entscheidet die Bundesanstalt vorläufig, die Marktpraxis als zulässig anzuerkennen, oder macht sie sogar eine endgültige Anerkennung bekannt, so ist das nach den hier entwickelten Grundsätzen (s. oben Rz. 175) für die Staatsanwaltschaft bindend und führt zum Tatbestandsausschluss1, auch wenn die Staatsanwaltschaft die Marktpraxis für unzulässig halten sollte. Im Ergebnis nichts anderes gilt im umgekehrten Fall, dass die Bundesanstalt die Anerkennung verweigert, obwohl die Staatsanwaltschaft von einer zulässigen Marktpraxis ausgeht, da bloße Anerkennungsfähigkeit nicht genügt (oben Rz. 174). 190 § 9 MaKonV setzt Art. 3 Abs. 1, 2 Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG um und regelt die Beteiligung von Marktteilnehmern, Behörden und ausländischen Stellen am Anerkennungsverfahren. Die Vorschrift will gewährleisten, dass der externe Sachverstand eingebunden und die berechtigten Interessen derjenigen berücksichtigt werden, die von der Anerkennungsentscheidung betroffen sind2. Im Einzelnen begründet § 9 Abs. 1 Satz 1 MaKonV eine Pflicht, die dort Genannten zu beteiligen, soweit dies für eine sachgerechte Entscheidung erforderlich ist. Auch unter Berücksichtigung eines Verfahrensgestaltungsspielraums der Bundesanstalt dürfte von der Beteiligung nur dann abgesehen werden können, wenn es um tatsächlich und rechtlich eindeutig (zweifelsfrei) gelagerte Fälle geht. Zu beteiligen sind Spitzenverbände der betroffenen Wirtschaftskreise, insbesondere der Emittenten und der Wertpapierdienstleistungsunternehmen (z.B. der Zentralausschuss der Kreditwirtschaft), Betreiber von Märkten, auf denen Finanzinstrumente gehandelt werden (z.B. Deutsche Börse AG), Verbraucherverbände (z.B. Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V.) oder Behörden, deren Aufgabenbereiche von der Anerkennung der Marktpraxis berührt werden (z.B. Börsenaufsichtsbehörden). Nach pflichtgemäßem Ermessen können weitere Personen oder Institutionen beteiligt werden (z.B. Repräsentanten der Gruppe der professionellen Anleger3). Nur eine Soll-Vorschrift enthält § 9 Abs. 1 Satz 2 MaKonV, wonach zuständige Stellen anderer Mitgliedstaaten der EU und anderer Vertragsstaaten des EWiR, die den Handel mit Finanzinstrumenten überwachen, beteiligt werden sollen, insbesondere wenn sie für die Überwachung von mit dem jeweiligen Markt vergleichbaren Märkten zuständig sind. Anlass zu einer Beteiligung solcher Stellen besteht regelmäßig, wenn sie die Marktpraxis anders einschätzen als die Bundesanstalt. Rechtlich ist die Bundesanstalt aber frei, anders zu entscheiden als eine ausländische Stelle (s. hierzu § 10 Abs. 1 Satz 3 MaKonV und hierzu unten Rz. 191); jedoch empfiehlt es sich, dann die ESMA zu befassen4. § 9 Abs. 2 MaKonV ermöglicht es der Bundesanstalt, den Beteiligten angemessene Fristen für die Abgabe von Stellungnahmen zu setzen (Satz 1); nur fristgerecht eingegangene Stellungnahmen müssen berücksichtigt werden (Satz 2), was aber nicht ausschließt, dass auch verfristete Stellungnahmen berücksichtigt werden. Nur so kann ein mit Blick auf die Wandlungsfreudigkeit und Schnelllebigkeit der Kapitalmärkte gebotenes zügiges Anerkennungsverfahren gewährleistet werden5, was auch für die Angemessenheit der Stellungnahmefrist zu berücksichtigen ist. 191 In Umsetzung von Art. 3 Abs. 3 Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG enthält § 10 MaKonV Regelungen über die Bekanntgabe von Anerkennungsentscheidungen der Bundesanstalt. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 MaKonV bekannt zu geben sind nur ganz oder teilweise positive Anerkennungsentscheidungen, nicht aber Entscheidungen, in 1 2 3 4 5
Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 7 MaKonV Rz. 46. BR-Drucks. 18/05, S. 23. Zutr. Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 129. BR-Drucks. 18/05, S. 23. Zutr. BR-Drucks. 18/05, S. 23.
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denen eine Marktpraxis in vollem Umfang für unzulässig erklärt wird1. Nur jene, nicht aber diese sind allgemeinverbindlich und bindend2. Freilich erscheint es aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit rechtlich geboten, über den Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 1 MaKonV hinaus Entscheidungen über die Änderung oder den Widerruf einer Anerkennung i.S. von § 7 Abs. 1 Satz 3 MaKonV im elektronischen3 Bundesanzeiger und auf der Website der Bundesanstalt bekannt zu geben4. Unabhängig von einer Rechtspflicht dürfte es im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, eine gleichmäßige Information aller Marktteilnehmer und sonstigen Betroffenen zu gewährleisten5, mehr als nahe liegen, negative Anerkennungsentscheidungen in geeigneter Weise zu publizieren6. Die rechtlich erforderliche Bekanntgabe muss auf der Website der Bundesanstalt und im elektronischen7 Bundesanzeiger erfolgen; dass das Internet Veröffentlichungsmedium ist, begründet der Verordnungsgeber mit dessen universeller Zugänglichkeit8. § 10 Abs. 1 Satz 2 MaKonV regelt den Inhalt der Bekanntgabe: Sie muss das Verhalten beschreiben, welches die zulässige Marktpraxis kennzeichnet, und die der Anerkennung zugrunde liegenden Erwägungen nennen, wobei sich die Bundesanstalt am Kriterienkatalog des § 8 MaKonV orientieren soll9. Im Hinblick auf § 20a Abs. 2 Satz 3 WpHG und § 7 Abs. 1 Satz 3 MaKonV (vgl. auch Art. 82 Abs. 2 Satz 1 GG) empfiehlt es sich zudem, einen Anerkennungszeitpunkt (Wirksamwerden, Inkrafttreten) festzulegen. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 MaKonV sind Abweichungen von der zulässigen Marktpraxis auf anderen, mit dem jeweiligen Markt vergleichbaren Märkten, gesondert zu begründen; gemeint sind insbesondere Fälle, in denen die Bundesanstalt eine Marktpraxis für zulässig erachtet, die auf anderen, vergleichbaren Märkten im Inland, EU- oder EWiR-Ausland für unzulässig erachtet wird10. § 10 Abs. 1 MaKonV zwingt von Rechts wegen nicht dazu, eine aktuelle Liste aller als zulässig anerkannten Marktpraktiken zu führen und zu veröffentlichen; die gegenteilige Auffassung in BR-Drucks. 18/05 ist lediglich eine – allerdings sinnvolle! – Anregung für die Bundesanstalt. § 10 Abs. 2 MaKonV verpflichtet die Bundesanstalt zur Übermittlung aller Bekanntgaben nach § 10 Abs. 1 MaKonV an den Ausschuss der Europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (Committee of European Securities Regulators, CESR, nunmehr European Securities and Markets Authority, ESMA) zum Zweck der Veröffentlichung auf der dortigen Website. Damit soll ein Informationsgefälle zwischen in- und ausländischen Marktteilnehmern vermieden und alle EU- und EWiR-weit für zulässig erachteten Marktpraktiken an einer zentralen Stelle zur Verfügung gehalten werden, was eine wichtige Informationsquelle für die Aufsichtstätigkeit ausländischer Regulierungsbehörden ist11. 1 BR-Drucks. 18/05, S. 24; krit. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 10 MaKonV Rz. 3: im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 Satz 1 Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG nicht richtlinienkonform. 2 Vgl. BR-Drucks. 18/05, S. 23 f. 3 Mit dem vom Bundestag am 10.11.2011 angenommenen Gesetz zur Änderung von Vorschriften über Verkündung und Bekanntmachungen … (BR-Drucks. 747/11 v. 25.11.2011) wird der (gedruckte) Bundesanzeiger eingestellt und eine dauerhaft verfügbare elektronische Veröffentlichung unter der Bezeichnung „Bundesanzeiger“ eingeführt. 4 Ebenso Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 10 MaKonV Rz. 3. 5 BR-Drucks. 18/05, S. 23. 6 Strenger Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 10 MaKonV Rz. 3: richtlinienkonforme Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 1 MaKonV. 7 S. Fn. 3. 8 BR-Drucks. 18/05, S. 23. 9 BR-Drucks. 18/05, S. 24. 10 BR-Drucks. 18/05, S. 24. 11 BR-Drucks. 18/05.
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192 Die MaKonV enthält ebenso wenig wie das Gesetz oder die europarechtlichen Vorgaben besondere Regelungen über den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Bundesanstalt im Anerkennungsverfahren. Ein Interesse an einem solchen Rechtsschutz kann durchaus bestehen: Marktteilnehmer, die sich bestimmter Marktpraktiken bedienen oder bedienen wollen, können interessiert sein, diese Praktiken abstrakt-generell als zulässig anerkannt zu wissen bzw. gegen negative Anerkennungsentscheidungen vorzugehen. Insbesondere haben Betroffene eines Überwachungs- oder gar Bußgeld- oder Strafverfahrens ein auf der Hand liegendes Interesse an einer zumindest vorläufigen Anerkennung bzw. daran, gegen eine negative Anerkennungsentscheidung vorzugehen. Umgekehrt können Marktteilnehmer wie z.B. Privatkunden oder auch professionelle Kunden ein Interesse daran haben, gegen die (Reichweite der) Anerkennung einer Marktpraxis als zulässig vorzugehen. Ob und in welcher Form in derartigen Konstellationen Rechtsschutz gewährt wird, richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften1. 193 Deren Anwendung läuft freilich auf nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit hinaus: Wer Anerkennungsentscheidungen als Rechtsverordnungen ansieht (oben Rz. 183), stößt auf das Problem, dass die VwGO keinen allgemeinen (s. § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) Rechtsweg gegen Rechtsverordnungen des Bundes kennt, so dass sich verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz nur schwierig begründen lässt2 und im Übrigen nur eine Normverfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG) in Betracht kommt. Wer mit der h.A. positive Anerkennungsentscheidungen als Allgemeinverfügungen qualifiziert (oben Rz. 182), kommt zwar wie Mock/Stoll/Eufinger3 zur grundsätzlichen Statthaftigkeit von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen positive Anerkennungsentscheidungen bzw. Widerspruch und Verpflichtungsklage gegen negative Anerkennungsentscheidungen (§ 42 VwGO). Jedoch stößt er für negative vorläufige Anerkennungsentscheidungen nach § 7 Abs. 2 Satz 1 MaKonV auf das Problem des § 44a VwGO (s. oben Rz. 188) und im Übrigen auf das Problem der Widerspruchsund Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO); nach Mock/Stoll/Eufinger4 erscheint es „zweifelhaft“, ob sich die Rechtsposition der Marktteilnehmer, die von einer ggf. zu Unrecht als zulässig anerkannten, in Wahrheit manipulativen Marktpraxis betroffen sind, bereits zu einem subjektiven Recht verdichtet hat; und gegen ein subjektiv-öffentliches Recht auf Anerkennung einer Marktpraxis führen die Genannten5 § 20a Abs. 2 Satz 3 WpHG an, wonach die Anerkennung nicht zwingende Voraussetzung für die Annahme der Zulässigkeit einer Marktpraxis sei. Auch indirekte Rechtsschutzmöglichkeiten versagen weitgehend: In anderweitigen Verfahren, insbesondere Strafverfahren, besteht im Grundsatz eine Bindung an die Anerkennung oder Nichtanerkennung, so dass keine Implizitprüfung stattfindet (oben Rz. 182). Ob deutsche Gerichte, die mit einer anerkannten oder nicht anerkannten Marktpraxis befasst sind und die Gemeinschaftsrechtskonformität der Anerkennung oder Nichtanerkennung bezweifeln, ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH einleiten können6, ist im Hinblick auf diese Bindung gleichfalls zweifelhaft. 194 Alles das stößt auf verfassungsrechtliche Grenzen und Bedenken. Gerade wenn Anerkennungsentscheidungen als Allgemeinverfügungen gedeutet werden, die eine Regelungswirkung entfalten, welche bei negativen Anerkennungsentscheidungen de facto 1 2 3 4 5 6
Ebenso Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 7 MaKonV Rz. 27. S. BVerfG v. 2.4.1997 – 1 BvR 446/96, NVwZ 1998, 169 mit Bspr. Kilian, NVwZ 1998, 142. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 7 MaKonV Rz. 28 ff. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 7 MaKonV Rz. 28. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 7 MaKonV Rz. 29. S. hierzu auch Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 7 MaKonV Rz. 32.
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auf eine Untersagung hinausläuft, kann es nicht zutreffend sein, die Möglichkeit einer Rechtsverletzung i.S. von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG weitgehend zu verneinen. Dass die Bundesanstalt in erster Linie im öffentlichen Interesse der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte handelt, hebelt den dann gebotenen Individualrechtsschutz nicht aus, hinter dem grundrechtlich geschützte Positionen aus Art. 12, 14 GG stehen. Eine nicht abschließende („insbesondere“) Aufzählung materieller Kriterien für die 195 Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer Marktpraxis ist in § 8 MaKonV enthalten, mit dem Art. 2 Abs. 1 Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG umgesetzt wird. Die Vorschrift ist unmittelbar nur an die Bundesanstalt adressiert, gibt jedoch mittelbar den Marktteilnehmern Kriterien an die Hand, um nicht nur die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer Marktpraxis im Rahmen des § 20a Abs. 2 WpHG, sondern auch die Verbotswidrigkeit eines Marktverhaltens im Rahmen des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG zu beurteilen. In der Tat dürfte § 8 MaKonV der Schlüssel zu einer teleologisch überzeugenden Auslegung und Handhabung des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG und darüber hinaus des gesamten § 20a Abs. 1 Satz 1 WpHG sein. Insbesondere ist aus § 8 MaKonV herzuleiten, dass manipulativ und verboten nur ein Verhalten sein kann, dass mindestens – die Markttransparenz (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 1 MaKonV), – die Marktliquidität (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 2 MaKonV), – die Marktfunktion, ein freies Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage zu gewährleisten (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 3 MaKonV), – die Fairness gegenüber allen Marktteilnehmern (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 4 MaKonV), – die Marktstruktur (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 5 MaKonV) oder – die Marktintegrität (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 6 MaKonV) beeinträchtigt, d.h. verletzt oder gefährdet. Dabei müssen nicht alle Kriterien kumulativ erfüllt sein, sondern es ist eine Abwägung der Kriterien im Einzelfall erforderlich, wobei der Markttransparenz besonderes Gewicht zukommt; sie wird durch Täuschungen besonders beeinträchtigt. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 MaKonV kommt es darauf an, ob die jeweilige Gepflogenheit 196 für den gesamten Markt hinreichend transparent ist. Hinreichende Transparenz bedeutet, dass Marktteilnehmer sich in zumutbarer Weise über die Gepflogenheit, aber auch darüber, ob und inwieweit ein konkretes Geschäft bzw. ein konkreter Auftrag der Gepflogenheit entspricht, unterrichten können. Die Transparenz muss im Verhältnis zum gesamten Markt gewährleistet sein; nur im Verhältnis zu Teilen des Markts oder gar nur einzelnen Marktteilnehmern genügt nicht. Hieraus folgt, dass das Transparenzerfordernis im Grundsatz nur durch Publizität erfüllt wird, die ad hoc, aber auch dadurch hergestellt werden kann, dass bestimmte Geschäftsarten im Einklang mit dem Regelwerk eines Marktes nachvollziehbar offen gelegt werden1. Auf Strukturbedingungen des jeweiligen Markts muss Rücksicht genommen werden; so herrscht auf nichtorganisierten Märkten strukturbedingt weniger Transparenz als auf organisierten, was in die Beurteilung, ob die Transparenz „hinreichend“ gewährleistet wird, einfließen muss2. § 8 Abs. 1 Nr. 2 MaKonV legt als Kriterium fest, ob die jeweilige Gepflogenheit die 197 Liquidität und Leistungsfähigkeit des Markts beeinträchtigt. Ein Markt ist liquide, 1 BR-Drucks. 18/05, S. 21. 2 BR-Drucks. 18/05, S. 21.
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wenn die auf ihm gehandelten Finanzinstrumente in hinreichendem Umfange angeboten und nachgefragt und somit gehandelt werden; er ist leistungsfähig, wenn er jederzeit schnelle, kostengünstige und sichere Geschäfte und eine effektive Preisbildung gewährleistet1. Das Kriterium ist nur erfüllt, wenn das Verhalten die Liquidität und Leistungsfähigkeit des Markts beeinträchtigt, d.h. vermindert oder zumindest gefährdet; wer Liquidität schafft („market makers“, „designated sponsors“), fällt nicht unter das Kriterium2, wohl aber, wer das Angebot oder die Nachfrage verknappt („cornering“, „abusive squeeze“). 198 Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 MaKonV kommt es für eine zulässige Marktpraxis weiterhin darauf an, ob sie das Funktionieren der Marktkräfte und das freie Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage beeinträchtigt, wobei insbesondere die Auswirkungen der Marktpraxis auf die vor ihrer Einführung bestehenden Marktbedingungen, den gewichteten Durchschnittskurs eines Handelstages und die tägliche Schlussnotierung zu berücksichtigen sind. Dieses ausgesprochen generalklauselartige Kriterium setzt eine Gesamtwürdigung der Auswirkungen der Marktpraxis auf die wichtigsten Marktparameter voraus, die „negativ beeinflusst“3 werden müssen. Freilich wäre es kurzschlüssig, z.B. von einem Absinken der Durchschnittskurse oder Schlussnotierungen ohne weiteres auf die Unzulässigkeit einer neuen Marktpraxis zu schließen. 199 Anschaulicher und überzeugungskräftiger ist das in § 8 Abs. 1 Nr. 4 MaKonV enthaltene Kriterium, ob die Gepflogenheit mit dem Handelsmechanismus auf dem Markt vereinbar ist und den anderen Marktteilnehmern eine angemessene und rechtzeitige Reaktion erlaubt. Insoweit stehen die Marktprinzipien der Effizienz und Fairness im Vordergrund4. Wird z.B. ein wirtschaftlich begründeter Preisverfall bei einem Finanzinstrument vorübergehend künstlich (etwa durch „pumping“ oder „painting the tape“) aufgehalten, nimmt dies den anderen Marktteilnehmern die Möglichkeit, sich rechtzeitig von dem Finanzinstrument zu trennen; derartige Praktiken können die Marktintegrität ernsthaft gefährden5. 200 Nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 MaKonV kommt es darauf an, ob die Gepflogenheit den Strukturmerkmalen des Marktes gerecht wird. Zu den Strukturmerkmalen zählen die Art und der Grad der Regulierung und Überwachung, die Art der gehandelten Finanzinstrumente und die Art der Marktteilnehmer, z.B. der Anteil unerfahrener und deshalb schutzwürdiger Privatanleger6. 201 Schließlich nennt § 8 Abs. 1 Nr. 6 MaKonV das Kriterium der Gefährdung der Integrität anderer Märkte, auf denen das betreffende Finanzinstrument gehandelt wird. Andere Märkte sind auch nichtorganisierte und auch solche im EU- oder EWiR-Ausland7. Deren Integrität kann insbesondere dadurch gefährdet weden, dass sich die Manipulation von Inlandsmärkten wegen der internationalen Verflechtung der Kapitalmärkte auch auf Auslandsmärkten auswirkt, beispielsweise wenn ein Finanzinstrument im Inland und im Ausland börsennotiert ist, der Inlandspreis künstlich „gepumpt“ wird und dann auch der Auslandspreis steigt8. 1 2 3 4 5 6 7 8
Vgl. BR-Drucks. 18/05, S. 21. Vgl. auch Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 122. BR-Drucks. 18/05, S. 21. BR-Drucks. 18/05, S. 22. Zutr. BR-Drucks. 18/05, S. 22. BR-Drucks. 18/05, S. 22. BR-Drucks. 18/05, S. 22. Sog. Preisimport, vgl. aber auch § 24 Abs. 2 Satz 4 BörsG, der Anlegerschutz bewirken soll, zutr. Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 64.
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In Umsetzung von Art. 2 Abs. 1 Satz 1f Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG ver- 202 pflichtet § 8 Abs. 2 MaKonV die Bundesanstalt dazu, Erkenntnisse anderer Stellen im Inland und EU- oder EWiR-Ausland umfassend zu berücksichtigen. Die Vorschrift bezweckt nicht nur eine Verbreiterung der Beurteilungsgrundlage, sondern trägt auch der engen Verflechtung der Kapitalmärkte im EU- und EWiR-Raum Rechnung und hat ersichtlich zum Ziel, eine – rechtlich allerdings mögliche (s. oben Rz. 190) – unterschiedliche Beurteilung der Zulässigkeit ein und derselben Marktpraxis im EU- und EWiR-Raum zu vermeiden. Sie wird durch die Konsultationsverfahren nach § 9 MaKonV flankiert, verpflichtet aber für sich nicht zu einem solchen Verfahren1. Zu berücksichtigen sind nur Erkenntnisse aus anderweitigen Ermittlungstätigkeiten im Zusammenhang mit der betreffenden Marktpraxis, gleich, ob es sich um straf- oder bußgeldrechtliche Ermittlungen oder Ermittlungen im Zusammenhang mit kapitalmarktrechtlichen Aufsichts- oder Überwachungsverfahren handelt, und gleich, ob es sich um einzelfallbezogene Ermittlungen im Zusammenhang mit konkreten Marktmissbrauchsfällen oder um Ermittlungen im Zusammenhang mit der abstrakten Anerkennung einer Marktpraxis handelt2. Inländische Behörden sind u.a. Handelsüberwachungsstellen und Strafverfolgungsbehörden bzw. Strafgerichte. Zuständige ausländische Stellen sind u.a. ausländische Aufsichtsbehörden und Strafverfolgungsorgane. Zu berücksichtigen sind nicht bloß Erkenntnisse über Tatsachen, z.B. die Auswirkungen einer Marktpraxis auf das Funktionieren des Markts, sondern auch Erkenntnisse über die rechtliche Würdigung, insbesondere über die Vereinbarkeit mit Marktmissbrauchsrecht und Verhaltensregeln der betreffenden Märkte. Im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren trifft die Bundesanstalt eine Pflicht, solche Erkenntnisse zu ermitteln; sie darf sich nicht auf im Hause zufällig bekannte Erkenntnisse beschränken. d) Derzeit anerkannte zulässige Marktpraktiken In der Bundesrepublik Deutschland gibt es derzeit keine von der Bundesanstalt als 203 zulässig anerkannten Marktpraktiken i.S. von § 20a Abs. 2, §§ 7–10 MaKonV, und die Bundesanstalt sieht auch grundsätzlich keine Veranlassung, proaktiv tätig zu werden, um nicht durch zu eng gefasste Anerkennungen den Markt faktisch zu behindern3. Zwei gleichwohl an CESR zur Diskussion übermittelte Vorschläge – der eine entsprach in der Sache dem, was in der österreichischen Marktpraxisverordnung enthalten ist (sogleich Rz. 204), der andere betraf die Glättung des ersten Handelspreises von Wertpapieren an der Frankfurter Wertpapierbörse bei überzeichneten Emissionen durch den lead manager als zulässige Marktpraxis anzuerkennen4 – haben nicht zu einer entsprechenden Anerkennung durch die Bundesanstalt geführt. Im europäischen Ausland sind – soweit ersichtlich – derzeit folgende Marktpraktiken anerkannt5: In der Republik Österreich hat die Finanzmarktaufsichtsbehörde in der Marktpraxisverordnung (BGBl. II Nr. 1/2005) sog. Kompensgeschäfte in ausgewählten Schuldverschreibungen als zulässige Marktpraxis anerkannt. Die gemeinten Schuld1 BR-Drucks. 18/05, S. 22. 2 BR-Drucks. 18/05, S. 22. 3 S. hierzu Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 87 mit Verweis auf Dreyling, Der Konzern 2005, 1 (3). 4 Näher Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 253. 5 S. http://www.esma.europa.eu und dort zu „Accepted Market Practices“ (abgerufen am 15.8.2011); weiterhin Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 259 ff.
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verschreibungen werden praktisch nur außerbörslich gehandelt; die Marktpraxisverordnung lässt es zu, den Börsenpreis dem außerbörslichen durch zu marktadäquaten Kursen abgeschlossene geringfügige Kompensgeschäfte anzupassen, ohne dass bei diesen Geschäften der wirtschaftlich Berechtigte wechselt. In der Französischen Republik hat die Autorité des Marchés Financiers (AMF) durch zwei Entscheidungen je vom 22.3.2005 als zulässige Marktpraktiken anerkannt, Aktienrückkaufprogramme auch zu dem Zweck des späteren Erwerbs eines anderen Unternehmens durchzuführen und zwecks Durchführung von Aktienrückkaufprogrammen einen investment service provider zu beauftragen, durch Aktienkäufe und -verkäufe die Liquidität des Marktes zu stärken. Im Königreich Spanien hat die Comisión Nacional del Mercado de Valores mit Circular 3/2007 vom 19.12.2007 Liquidity Contracts, d.h. Verträge von Emittenten mit Finanzintermediären, die als market makers oder designated sponsors Liquidität herstellen und so einen regulären Handel ermöglichen, als zulässige Marktpraxis anerkannt. Parallel und inhaltsgleich sind auch in der Portugiesischen Republik Liquidity Contracts von der Comissão do Mercado de Valores Mobiliários seit 19.8.2008 als zulässige Marktpraxis anerkannt worden. In der Hellenischen Republik ist am 2.1.2009 der Rückkauf eigener Aktien zur Bezahlung des Erwerbs von Aktien eines anderen Emittenten als zulässige Marktpraxis anerkannt worden. Die Consob hat in der Italienischen Republik am 19.3.2009 zum einen bestimmte Liquidity Enhancement Agreements und zum anderen den Kauf eigener Aktien, um eine warehouse position aufzubauen, als zulässige Marktpraktiken anerkannt. Im Königreich der Niederlande hat das Finanzministerium am 4.5.2011 bestimmte Liquidity Agreements als zulässige Marktpraktiken anerkannt1. 205 Die genannten zulässigen Marktpraktiken im europäischen Ausland beziehen sich auf Geschäfte bzw. Aufträge, die jeweils auf bestimmten Märkten im jeweiligen Ausland getätigt werden. Derartige Auslandsgeschäfte bzw. -aufträge können gleichwohl nach den Regeln des internationalen Kapitalmarktrechts deutschem Recht unterfallen, wenn sie – auch – ein an einer inländischen Börse gehandeltes Finanzinstrument betreffen (§ 1 Abs. 2 WpHG und oben Rz. 45 ff.); auch international straf- und bußgeldrechtlich kommt eine Anwendung deutschen Rechts in Betracht. In solchen Fällen erscheint es nahe liegend, dass sich der Marktteilnehmer auf die ausländische Anerkennung berufen kann. § 20a Abs. 2 WpHG lässt dies aber nicht zu, weil die Anerkennung der Bundesanstalt fehlt (die auch rechtlich nicht möglich ist, weil der Bundesanstalt die Zuständigkeit fehlt, Praktiken auf ausländischen Märkten als zulässig anzuerkennen). Zur Lösung des Problems bietet sich der europarechtliche Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung als zulässig anerkannter Marktpraktiken an (ausgenommen den lediglich theoretischen Fall einer evident missbräuchlichen Anerkennung, die dem ordre public der europäischen Kapitalmärkte widerspricht). 205a
De lege ferenda wird im Schrifttum erwogen, neben den Bereichen des Aktienrückkaufs und der Liquidity Agreements den Handel mit Wertpapierblöcken sowie die Tätigkeit von designated sponsors, market makers und Skontroführern als zulässige Marktpraktiken anzuerkennen2. Die Praxis ist gespalten, da ihrer Einschätzung nach 1 S. hierzu bereits Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 264. 2 Zusammenfassend Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 88.
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Anerkennungen nur unter engen Voraussetzungen erfolgen werden und den Umkehrschluss nahelegen, dass ein Verhalten, das diese Voraussetzungen nicht erfüllt, als Marktmanipulation zu qualifizieren ist.
IX. Marktmanipulation durch sonstige Täuschungshandlungen (§ 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG) 1. Überblick Art. 1 Nr. 2b Marktmissbrauchsrichtlinie erfasst auch Geschäfte oder Kauf- bzw. Ver- 206 kaufsaufträge „unter Verwendung sonstiger Kunstgriffe oder Formen der Täuschung“, die in Art. 5 der Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG näher konkretisiert werden. Eine ausdrückliche Vorgabe, jegliche Täuschungshandlung zu untersagen, gibt es im Gemeinschaftsrecht aber nicht. Insofern ist § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG nicht bloß Umsetzung von Gemeinschaftsrecht (s. aber RegE AnSVG, S. 37), sondern mindestens zum Teil auch autonomes deutsches Recht, nämlich Nachfolgevorschrift zu § 88 Nr. 2 BörsG a.F., der die Anwendung „sonstiger auf Täuschung berechneter Mittel“ untersagte (Vor § 20a Rz. 1). Diese Vorschrift wurde mit dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz zunächst in § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG früherer Fassung überführt, wobei der Gesetzgeber das aus § 88 Nr. 2 BörsG herrührende Erfordernis des Handelns in Preisbeeinflussungsabsicht zunächst beibehielt. Mit dem AnSVG ist die Vorschrift sodann als § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG – nach der neuen Nr. 2 – eingestellt und insoweit geändert worden, als das Erfordernis der Preisbeeinflussungsabsicht durch die objektive Preisbeeinflussungseignung (und den diesbezüglichen Vorsatz) ersetzt worden ist (näher unten Rz. 213 f.). Das bereits gegen § 88 Nr. 2 BörsG a.F. vorgebrachte Bedenken der „Unschärfe“1, 207 „Uferlosigkeit“2 und „geringen Tatbestandspräzision“3 bestand auch gegenüber § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG i.d.F. des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes und besteht gegen § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG in tendenziell erhöhtem Maße, nachdem das Erfordernis der Preisbeeinflussungsabsicht weggefallen ist, das auf der Ebene des subjektiven Unrechtstatbestands erhebliche Restriktionen ermöglichte. Gegen § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG bestehen jedenfalls insoweit, als er Grundlage der Strafund Ahndbarkeit ist, ernsthafte verfassungsrechtliche Bedenken wegen zu großer Unbestimmtheit (Art. 103 Abs. 2 GG): Wenn ein „modernes“ Rechtsgebiet wie das Kapitalmarktrecht sich der „traditionellen“ Mittel des Straf- und Bußgeldrechts bedient, dann kann es sich nicht mit modernen kapitalmarktrechtlichen Topoi wie „Regelungsflexibilität“ oder „-effizienz“ von den traditionellen rechtsstaatlichen Anforderungen dispensieren. Eine „generalklauselartige Gesetzesfassung“4 bleibt im Strafrecht auch dann bedenklich, wenn sie im Verordnungsweg konkretisiert wird und sich das Strafrecht fortlaufend neu geprägten Manipulationstechniken anpassen muss5. Dem Verdikt übergroßer Unbestimmtheit kann § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG nur entgehen, wenn er von der Praxis restriktiv gehandhabt wird. Demgegenüber zeigt sich in der staatsanwaltschaftlichen und tatrichterlichen Praxis die Neigung, die Vorschrift als „catch-all-rule“ für unerwünschtes bzw. skandalisierbares Marktverhalten anzuwenden. Ob der Bundesgerichtshof dem entgegentreten wird, 1 2 3 4 5
Schwark, § 88 BörsG Rz. 5. Park, BB 2001, 2069 (2071). Rössner/Worms, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 2. Aufl., § 9 Rz. 9. Insoweit zutr. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 200. M.E. zu großzügig Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 72.
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erscheint eher offen; dann wird es nobile officium des Bundesverfassungsgerichts sein, in Fortführung seiner Rechtsprechung zu unbestimmtem Wirtschaftsstrafrecht1 für eine restriktive Handhabung der Marktmanipulation durch sonstige Täuschungshandlungen zu sorgen. 208 Auch der Gesetzgeber verschließt sich nicht der Einsicht, dass § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG der Konkretisierung bedarf, will sie aber – in rechtsstaatlich diskussionswürdiger Weise – im Verordnungsweg erreichen, nämlich durch den auf § 20a Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 WpHG gestützten § 4 MaKonV (näher unten Rz. 224), der Nachfolgevorschrift zu dem früheren § 3 KuMaKV ist, der § 20a Abs. 1 Nr. 2 WpHG a.F. konkretisierte. Im Einzelnen enthält § 4 Abs. 1 MaKonV eine Legaldefinition der sonstigen Täuschungshandlung, welche die frühere Legaldefinition in § 3 Abs. 1 KuMaKV anpasst und verbessert (näher unten Rz. 225); § 4 Abs. 2 und 3 MaKonV enthalten Anzeichen und Beispiele, die sich nur teilweise mit den früheren des § 3 Abs. 2 und 3 KuMaKV decken (näher unten Rz. 227 ff.). 209 In der Sache betrifft § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG, insoweit ähnlich Nr. 2, insbesondere handelsgestützte Manipulationen, vermag aber auch informationsgestützte zu erfassen, soweit sie nicht schon durch Nr. 1 erfasst sind. Durch die Einfügung der neuen Nr. 2 und die inhaltliche Änderung des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG hat sich das systematische Verhältnis der Nummern zueinander gegenüber der früheren Rechtslage (s. 3. Aufl. des Kommentars Rz. 33, 87) verändert: Nr. 3 ist insgesamt als Auffangtatbestand2 und lex generalis zu den leges speciales der Nr. 1 (informationsgestützte Manipulationen) sowie Nr. 2 (handelsgestützte Manipulationen durch Geschäfte und Kauf- oder Verkaufsaufträge) zu verstehen, ähnlich wie der frühere § 88 Nr. 2 BörsG a.F. allgemein als Auffangtatbestand im Verhältnis zu dessen Nr. 1 verstanden wurde3. Das bedeutet, dass Konstellationen, die (noch) nicht (mehr) von Nrn. 1 und 2 erfasst werden, durchaus von Nr. 3 erfasst sein können; eine „Ausschlusswirkung“ (besser: Rückgriffssperre) besteht gerade nicht4. 2. Gesetzliche Vorgaben a) Sonstige Täuschungshandlung 210 Das Gesetz (zur Legaldefinition gemäß § 4 Abs. 1 MaKonV s. unten Rz. 225) gibt wenig Anhaltspunkte, was unter „sonstiger Täuschungshandlung“ zu verstehen ist. Der durch das Wort „sonstige“ bewirkte Bezug auf § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 WpHG bietet nur geringe Hilfestellung5. Gleichfalls wenig Ertrag verspricht der Rückgriff auf Vorschriften, die zwar den Rechtsbegriff der Täuschung verwenden (z.B. §§ 145d, 267 StGB), damit jedoch Individualtäuschungen in konkreten Kommunikationsbeziehungen erfassen, um die es bei Marktmanipulationen typischerweise nicht geht. Deshalb verbietet sich letztlich auch ein Rückgriff auf die Dogmatik der Täu1 Grundlegend BVerfG v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170 zu § 266 StGB. 2 Ebenso Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 58; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 201; Schönhöft, S. 123; Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 66. 3 S. nur Schwark, § 88 BörsG Rz. 6 m.N. 4 A.A. Trüstedt, S. 145 (zu § 88 Nr. 2 BörsG a.F.); wohl auch Papachristou, S. 236 (zu § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG a.F.); wie hier aber die h.L., s. Eichelberger, S. 319; Mock/Stoll/ Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 201; Schönhöft, S. 135, 142 f. 5 S. aber Joecks, wistra 1986, 142 (148 f.), der zu § 88 BörsG a.F. meinte, Nr. 1 beschreibe die häufigsten Tathandlungen, und für Nr. 2 verblieben nur mehr einige wenige Begehungsformen.
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schung zu § 263 StGB (s. unten Rz. 211). Schließlich sind die Gesetzesmaterialien wenig ergiebig. Der Gesetzgeber des AnSVG hat sich jeder Stellungnahme enthalten, der des 4. FFG sich im Wesentlichen damit begnügt, Beispiele anzuführen, die freilich nach geltendem Recht teilweise zu § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG gehören. So sollen nach RegE 4. FFG, S. 89 f. „insbesondere“ Transaktionen erfasst sein, die über die tatsächliche Geschäftslage in einem Vermögenswert täuschen und denen die wirtschaftliche Relevanz fehlt (s. noch unten Rz. 219). Auch durch effektive Geschäfte soll über die tatsächliche Geschäftslage getäuscht werden können wie bei am Ende des Tages erteilten Aufträgen größeren Volumens (s. aber jetzt § 3 Abs. 2 Nr. 1 MaKonV). Täuschen soll auch, wer sich die Kontrolle über die Nachfrage verschafft, so eine beherrschende Stellung gewinnt und diese zur Preismanipulation ausnutzt (sog. „cornering“, s. noch unten Rz. 231). Weiterhin falle das Ausstreuen von Gerüchten, die keine Angaben darstellen sollen (hierzu krit. oben Rz. 69 f.), unter § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG. In Ber. Fin. 4. FFG, S. 19 f. wird das Problem hervorgehoben, legitime Transaktionen und unerwünschte Manipulationen voneinander abzugrenzen. Ein sanktionswürdiges Verhalten wird „unter anderem“ darin gesehen, dass durch die Transaktion andere Marktteilnehmer zum Handel veranlasst werden sollen, indem durch das Geschäft der falsche Eindruck von Handelsaktivitäten erweckt werden soll, oder darin, dass das Geschäft zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgenommen wird, beispielsweise bei Beeinflussung des Kassakurses zu dem Zweck, auf den Abrechnungskurs am Terminmarkt einzuwirken (s. aber § 3 Abs. 1 Nr. 1e MaKonV). Sonstige Täuschungshandlungen i.S. von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG sind Hand- 211 lungen, die einen verständigen (durchschnittlich erfahrenen und vorsichtigen) Anleger auf dem betreffenden Markt über die dort bestehenden wahren wirtschaftlichen Verhältnisse in die Irre zu führen geeignet sind1. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Nach allgemeinen Grundsätzen sind Täuschungs„handlung“ einerseits und Täuschungs„erfolg“, d.h. der Irrtum des Getäuschten, andererseits voneinander zu trennen. Deshalb setzt eine Täuschungshandlung nach § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG – ebenso wenig wie eine unrichtige oder irreführende Angabe nach § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG – keinen Irrtum voraus2. Andererseits liegt eine Täuschungshandlung nicht allein deshalb vor, weil der Täter subjektiv mit Täuschungsvorsatz handelt. Das ergibt sich im Gegenschluss aus § 88 Nr. 2 BörsG a.F., der die Tathandlung subjektivierend als Anwendung „auf Täuschung berechneter“ Mittel beschrieb, so dass nach h.A. objektive Irreführungseignung nicht erforderlich war3. Nunmehr muss die Handlung objektiv zur Täuschung, d.h. Irreführung, geeignet sein. Die somit erforderliche Eignungsprüfung ist im Ausgangspunkt auf alle potentiellen Anleger auf dem betreffenden Markt zu beziehen. Allerdings ist dieser Kreis in der Regel ausgesprochen heterogen und reicht von hochprofessionellen institutionellen Anlegern bis zu privaten Gelegenheitsanlegern, von risikoaversen Investoren bis hin zu Spekulanten. Für die Irreführungseignung muss daher noch bestimmt werden, wen aus dem Kreis der potentiellen Anleger auf dem betreffenden Markt irrezuführen die Handlung geeignet sein muss. Das Problem ist aus § 4 UWG bekannt
1 Ähnlich Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 66. 2 Ebenso für § 88 Nr. 2 BörsG a.F. Fuhrmann, in: Erbs/Kohlhaas, § 88 BörsG Rz. 18; Schwark, 2. Aufl., § 88 BörsG Rz. 7; unrichtig Groß, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., § 88 BörsG Rz. 5: „Täuschen ist Hervorrufen eines Irrtums“; s. zu § 263 StGB Fischer, 56. Aufl., § 263 StGB Rz. 10 ff. m.w.N. 3 Schwark, 2. Aufl., § 88 BörsG Rz. 7 m.N.
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und ähnlich wie dort zu lösen1: Anlegerschutz kann nicht bedeuten, dass sich das Schutzniveau an besonders Unerfahrenen oder besonders Unvorsichtigen ausrichten muss, selbst wenn sie einen nicht unerheblichen Teil des Anlegerpublikums ausmachen. Vielmehr ist das Schutzniveau an dem auch in anderem Zusammenhang herangezogenen (s. oben Rz. 62) verständigen, d.h. durchschnittlich erfahrenen und vorsichtigen Anleger auszurichten. In Publikumsmärkten handelt es sich um den verständigen Privatanleger, in Märkten, in denen nur institutionelle Anleger tätig sind, um den weit erfahreneren, ggf. andere Risikotoleranzen aufweisenden institutionellen Anleger. Im Übrigen muss eine sonstige Täuschungshandlung i.S. von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG keine ausdrückliche oder konkludente Erklärung sein, also keinen Erklärungswert i.S. eines Kommunikationswerts haben, wie es nach h.A. für eine Täuschung i.S. des § 263 StGB erforderlich ist2. Denn anders als beim Betrug fehlt es insbesondere bei den von Nr. 3 erfassten „handelsgestützten“ Manipulationen typischerweise an konkret-individuellen Kommunikationsbeziehungen. Vielmehr kann bei Nr. 3 auch die bloße irreführende Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse an Börsen oder Märkten – die für § 263 StGB nicht genügende sog. Objektmanipulation – ausreichen3. Insbesondere ergibt sich im Gegenschluss zu § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG, dass „sonstige“ Täuschungs„handlungen“ nach § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG nicht voraussetzen, dass irgendwelche Angaben über Umstände gemacht oder verschwiegen werden. Erst recht ist nicht erforderlich, dass sich die Täuschungshandlung auf Tatsachen oder sonstige Angaben mit Tatsachenkern bezieht4. Vielmehr sind nach dem allgemeinen Schutzzweck des § 20a Abs. 1 WpHG, die Zuverlässigkeit und Wahrheit der Preisbildung an Börsen und Märkten zu gewährleisten (s. oben Rz. 26 ff.), die wahren wirtschaftlichen Verhältnisse an Börsen und Märkten taugliche Täuschungsgegenstände5. Bewegt sich eine Handlung im Rahmen der wahren wirtschaftlichen Verhältnisse an Börsen und Märkten, liegt insbesondere eine marktgerechte Transaktion vor, oder wird bei einer nicht marktgerechten Transaktion der wahre wirtschaftliche Hintergrund in einer für verständige Anleger einsehbaren Weise offen gelegt, so fehlt es an einer Täuschungshandlung6. Solche Handlungen bleiben auch dann erlaubt, wenn mit ihnen die Einwirkung auf Preise bezweckt ist, wie es namentlich bei erlaubter Kurspflege der Fall ist (s. noch unten Rz. 215 ff.). b) Vornehmen 212 Die Vornahme einer sonstigen Täuschungshandlung setzt in der Regel ein positives Tun voraus (Täuschungs„handlung“). Ungeklärt ist die Frage, ob bei § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG ein Unterlassen entgegen einer Rechtspflicht genügen kann (s. aber zu § 4 Abs. 1 MaKonV unten Rz. 225). Denkbar ist z.B., dass einzelne Mitarbeiter eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens nach § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG verbotene und nach § 38 Abs. 2 WpHG bzw. § 39 Abs. 1 Nr. 2 WpHG strafbzw. ahndbare Marktmanipulationen vornehmen und dies von der Unternehmenslei1 S. näher Hernández, Strafrechtlicher Vermögensschutz vor irreführender Werbung – § 4 UWG, 1999, S. 192 ff. m.N. 2 S. Tiedemann, in: Leipziger Kommentar StGB, 11. Aufl. (Stand: 1.10.1996), § 263 Rz. 22 f. m.N. 3 Zutr. Altenhain, BB 2002, 1874 (1877); a.A. Eichelberger, S. 308. 4 Für § 88 Nr. 2 BörsG a.F. a.A. Fuhrmann, in: Erbs/Kohlhaas, § 88 BörsG Rz. 16; s. auch Altenhain, BB 2002, 1874 (1877); Schmitz, wistra 2002, 208 (211). 5 Zum Begriff der wirtschaftlichen Verhältnisse bei § 265b StGB s. Tiedemann, in: Leipziger Kommentar StGB, 11. Aufl. (Stand: 1.10.1996), § 265b Rz. 79 ff. 6 Zutreffend Ziouvas/Walter, WM 2002, 1483 (1487).
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tung geduldet wird. In derartigen Fällen kann nach allgemeinen Grundsätzen (§ 13 StGB, § 8 OWiG) eine Straftat- bzw. Ordnungswidrigkeitenverhinderungspflicht bestehen1, die eine (zumindest: Teilnahme-)Verantwortlichkeit der Unternehmensspitze begründen kann. c) Preiseinwirkungseignung Bei § 88 Nr. 2 BörsG a.F. legte der Wortlaut (s. oben Vor § 20a Rz. 1) nahe, dass eine objektive Preiseinwirkungseignung, ja nicht einmal eine objektive Irreführungseignung erforderlich war; freilich wurde auch vertreten, es müsse die objektive Preiseinwirkungseignung hinzukommen, um dem Tatbestand Konturen zu geben und ihn auf Begehungsweisen einzuschränken, die dem beabsichtigten Rechtsgüterschutz entsprächen2. Bereits im Gesetzgebungsverfahren zum Vierten Finanzmarktförderungsgesetz war vorgesehen, das Erfordernis ins Gesetz zu übernehmen; auf Empfehlung des Finanzausschusses verblieb es jedoch zunächst bei einer subjektivierten Fassung in § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG a.F. (s. 3. Aufl. des Kommentars Rz. 94). Mit dem AnSVG hat der Gesetzgeber das Erfordernis ausdrücklich statuiert. Es ist wort- und inhaltsgleich mit dem in § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG enthaltenen Erfordernis der Preiseinwirkungseignung (s. oben Rz. 112 ff.).
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d) Vorsatz Sowohl in kapitalmarktrechtlicher (s. oben Rz. 2) als auch in straf- bzw. bußgeld- 214 rechtlicher Sicht (§ 15 StGB, § 10 OWiG) müssen auch die sonstigen Täuschungshandlungen i.S. von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG grundsätzlich vorsätzlich begangen werden. Wie bei § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG (s. oben Rz. 127) genügt einerseits bedingter Vorsatz und ist andererseits erforderlich, dass der Täter zumindest in laienhafter Parallelwertung nachvollzieht, dass sein Handeln Täuschungswert hat, d.h. geeignet ist, verständige, d.h. durchschnittlich erfahrene und vorsichtige Anleger über die wahren wirtschaftlichen Verhältnisse am Markt in die Irre zu führen. Weiterhin ist mindestens bedingter Vorsatz hinsichtlich der Preiseinwirkungseignung erforderlich. Die bloße Vorstellung, das Handeln sei erlaubt, da börsen- oder marktüblich, begründet hingegen nur einen Verbotsirrtum, der nach § 17 StGB bzw. § 11 Abs. 2 OWiG nur bei Unvermeidbarkeit die Schuld bzw. Vorwerfbarkeit ausschließt. Anders als § 88 Nr. 2 BörsG a.F. und § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG a.F. setzt § 20a 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG keine Kurs- bzw. Preiseinwirkungsabsicht mehr voraus. So war es bereits im RegE 4. FFG vorgesehen, und BT-Drucks. 15/3174, S. 37 begründet es mit den Erwägungen, dass ein derartiges Absichtserfordernis nicht den europarechtlichen Vorgaben entspreche und in der Praxis regelmäßig erhebliche Probleme, die Absicht zu beweisen, aufgetreten seien. Demgegenüber hatte der Finanzausschuss im Gesetzgebungsverfahren des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes (Ber. Fin. 4. FFG, S. 19) angemerkt, dass die Preiseinwirkungsabsicht das entscheidende Kriterium zur Abgrenzung zwischen legitimen Transaktionen und unerwünschten Manipulationen sei und der Unrechtsgehalt auf der subjektiven Seite des Handelnden liege. Diese subjektivierende Auffassung war insoweit verfehlt, als auch bei der erlaubten Kurspflege, namentlich dem Rückkauf eigener Aktien, durchaus Preisein1 S. nur Rengier, in: Karlsruher Kommentar Ordnungswidrigkeitengesetz, 3. Aufl. 2006, § 8 OWiG Rz. 47 ff. m.N. 2 Fuhrmann, in: Erbs/Kohlhaas, § 88 BörsG Rz. 16.
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wirkungsabsicht vorliegt (s. noch unten Rz. 248 ff.). Auf der anderen Seite kann der auch in der Literatur1 vertretene Aspekt, Beweisschwierigkeiten zu vermeiden, für sich genommen die nicht unerhebliche Ausweitung der Verbotsmaterie nicht rechtfertigen. Jedoch ist zu bedenken, dass das Erfordernis der objektiven Preiseinwirkungseignung und des diesbezüglichen Vorsatzes in Verbindung mit dem einschränkenden Gedanken der Sozial- oder Professionsadäquanz (s. unten Rz. 239) eine hinreichende Konturierung des Unrechts erlaubt2. Weiterhin ist festzuhalten, dass nach dem heute herrschenden personalen Unrechtsbegriff objektive und subjektive Unrechtselemente gleichrangig zu berücksichtigen sind. Deshalb kann eine nachweisbare Preiseinwirkungsabsicht jedenfalls dann, wenn es an legitimen Gründen für die Preiseinwirkung fehlt, durchaus weiterhin ein Indiz dafür sein, dass es sich um eine Marktmanipulation i.S. des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG handelt. Zu den nur mehr für Altfälle relevanten Einzelfragen der früher erforderlichen Preiseinwirkungsabsicht s. 3. Aufl. des Kommentars Rz. 97 f. 216 Seit jeher unstreitig war, dass Kursbetrug3 bzw. Marktmanipulation keine Schädigungs- oder gar Bereicherungsabsicht voraussetzt. Daher können auch „wohlmeinende“ Kurs- und Marktpreismanipulationen tatbestandsmäßig sein, sofern sie den Rahmen des (noch) Erlaubten überschreiten. e) „Professionsadäquanz“ und „safe harbours“ 217 Bereits an dieser Stelle ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Weite der Verbotsmaterie des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG der Einschränkung bedarf. Sie erfolgt einerseits unter dem Gesichtspunkt „professionsadäquaten Verhaltens“ und andererseits durch die „safe harbours“ nach § 20a Abs. 3, 5 Satz 1 Nr. 4 WpHG (s. unten Rz. 239 ff.), die sich zwar auf den gesamten § 20a Abs. 1 Satz 1 WpHG beziehen, jedoch für Nr. 3 von besonderer Bedeutung sind. f) Fallgruppen 218 Dass § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG – wie zuvor Nr. 2 a.F. – der Konkretisierung durch in der Rechtsprechung und Lehre zu entwickelnde Fallgruppen bedarf, ist unstreitig. Allerdings hat sich die Problematik mit dem AnSVG deutlich entschärft: Einerseits sind zahlreiche Fälle, die zuvor den sonstigen Täuschungshandlungen zugeordnet waren, § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG zugeordnet und durch § 3 MaKonV konkretisiert worden. Andererseits benennt § 4 Abs. 2, 3 MaKonV weitere wichtige Fallgruppen. Gleichwohl bleiben die Vorstellungen des Gesetzgebers, welche Fallgruppen den sonstigen Täuschungshandlungen zuzuordnen sind, weiterhin von Interesse. 219 Gedacht war und ist zunächst an fiktive Transaktionen, die auch als „Scheingeschäfte“ bezeichnet werden4, wenngleich es nicht auf den fehlenden Rechtsbindungs1 S. Kaiser, WM 1997, 1557 (1563); s. auch Weber, Martin, NZG 2000, 113 (116) m.N. 2 Zweifelnd Eichelberger, S. 311 f. mit dem Beispiel, dass ein Großinvestor zwecks Finanzierung einer anderen Investition innerhalb kurzer Zeit ein erhebliches Aktienpaket verkauft, wohl wissend, dass der Markt ihm Insiderkenntnisse unterstellen und der Aktienkurs deshalb stark unter Druck geraten wird. Aber im Beispiel beruht der Täuschungswert auf einer Selbsttäuschung des Marktes, und es stellen sich – strafrechtlich gesprochen – Fragen der objektiven Zurechenbarkeit. 3 Hierzu Schwark, 2. Aufl., § 88 BörsG Rz. 1. 4 Ber. Fin., S. 20; s. weiterhin Worms, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 3. Aufl., § 9 Rz. 78; Schwark, 2. Aufl., § 88 BörsG Rz. 7.
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willen, sondern darauf ankommt, ob ihnen die wirtschaftliche Relevanz fehlt, die ansonsten Wertpapier(usw.)transaktionen zukommt, da sie allein zum Zweck vorgenommen werden, erhöhte Umsätze und damit einen aktiven Markt und entsprechende Liquidität vorzutäuschen1. Ob diese Fallgruppe große praktische Bedeutung hat, ist umstritten. Nicht selten wird darauf hingewiesen, dass Scheingeschäfte im Bankenbereich bzw. auf Börsen und organisierten Märkten kaum abzuwickeln seien2. Demgegenüber halten andere Stimmen fiktive Transaktionen vor allem in den elektronischen Handelssystemen bei Einschaltung von Strohpersonen bzw. -unternehmen3 oder in der Weise für möglich, dass sich die Beteiligten vorab auf spätere Stornierung der Transaktion verständigen4. Für das geltende Recht ist zu bemerken, dass die meisten üblicherweise genannten Beispiele für fiktive Transaktionen (s. 3. Aufl. des Kommentars Rz. 103 m.N.) durch § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG und § 3 (vor allem Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 2, 3) MaKonV erfasst werden. Sonstige Täuschungshandlungen können nach h.A. aber auch durch effektive Trans- 220 aktionen begangen werden. Freilich muss dies nach gleichfalls h.A. die Ausnahme bleiben und auf Transaktionen beschränkt werden, die Täuschungswert und Preiseinwirkungseignung haben, vorsätzlich vorgenommen werden und insgesamt rechtlich zu beanstanden, namentlich börsenrechtlich negativ zu bewerten sind (s. noch unten Rz. 222 f.). Problematisch ist allerdings, ob effektive Transaktionen als solche überhaupt Täuschungswert haben können. Lenzen5 verneint das: Bei effektiven Transaktionen könne nur über Motive bzw. Absichten des Handelnden getäuscht werden. Zwar seien Motive bzw. Absichten als innere Tatsachen an sich taugliche Täuschungsgegenstände. Jedoch seien die Motive für einen Handel vielfältig und hingen keineswegs zwingend mit der Bewertung des jeweiligen Vermögenswerts zusammen, und die Investoren könnten nur auf die Ordnungsgemäßheit der Kursbildung vertrauen, die aber nicht verletzt sei, wenn formal die Handelsregeln eingehalten seien. Effektive Transaktionen könnten also nur erfasst werden, wenn mit ihnen die Streuung von Gerüchten oder anderen irreführenden Maßnahmen verbunden sei. Diese Argumentation dürfte von einem zu engen Täuschungsverständnis ausgehen (s. oben Rz. 210 ff.): „Der Umstand …, dass diese Transaktionen mit der Absicht der Preisbeeinflussung vorgenommen werden, ist für den Markt … regelmäßig genau so wenig erkennbar wie die Tatsache, dass der daraus resultierende Preis verzerrt ist. Genau in diesem Sachverhalt liegt die Täuschung“6. Zutreffend bleibt aber, dass § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG keinen allgemeinen Schutz vor unfairen Handelspraktiken gewährt, mag dies auch rechtspolitisch zu diskutieren sein7. Im Übrigen muss bedacht werden, dass kapitalmarktrechtliche Bewertungen nicht 221 in Stein gemeißelt sind, sondern Veränderungen unterliegen. Ein anschauliches Beispiel hierfür ist die Bewertung von Leerverkäufen (short sales, s. bereits oben Rz. 151a ff. sowie Vor § 20a Rz. 36)8. In der Hochzeit des Investmentbanking seit den 1 RegE S. 89; Lenzen, S. 9. 2 Otto, WM 1988, 729 (736); Rössner/Worms, in: Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 2. Aufl., § 9 Rz. 9. 3 Lenzen, S. 10 f. 4 Schwark, 2. Aufl., § 88 BörsG Rz. 7; ebenso Weber, Martin, NZG 2000, 113 (115). 5 Lenzen, S. 192 ff., auch 201 f., 209, 211; zust. Altenhain, BB 2002, 1874 (1877 f.). 6 Möller, WM 2002, 309 (313); krit. Altenhain, BB 2002, 1874 (1877 f.), der geltend macht, eine allgemeine Redlichkeits- und Normeinhaltungserwartung sei nicht begründbar. 7 S. erneut Altenhain, BB 2002, 1874 (1877 f.): „Im Ergebnis erweist sich die Einführung des Begriffs der Täuschungshandlung … als verfehlt und dem Ziel des Anlegerschutzes nicht dienlich“. 8 Grundlegend Ziouvas, ZGR 2003, 113 (135 f. m.N.).
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1980er Jahren ist auch in der Literatur zunehmend vertreten worden, dass Leerverkäufe grundsätzlich wirtschaftlich sinnvoll und nicht manipulativ seien1. Diese Einschätzung ist im Begriff, sich deutlich zu wandeln, seitdem zumindest spekulative und manipulative ungedeckte Leerverkäufe (abusive naked short selling) als ein bedeutsamer Faktor der Marktverunsicherung in der Weltfinanzkrise seit 2007 sowie in der Euro-Schuldenkrise seit 2010 identifiziert worden sind. Nachdem die Überwachungsbehörden wie die Security Exchange Commission (SEC) in den Vereinigten Staaten, die Financial Services Authority (FSA) im Vereinigten Königreich und die Bundesanstalt in der Bundesrepublik Deutschland zunächst notfallmäßig befristete und auf bestimmte Finanzinstrumente (namentlich Aktien von Finanzdienstleistern sowie Staatsanleihen) bezogene Verbote ungedeckter Leerverkäufe erlassen hatten, setzt sich derzeit das dauerhafte gesetzliche Verbot ungedeckter und/oder missbräuchlicher Leerverkäufe durch, zuerst in den Vereinigten Staaten als „‚Naked‘ Short Selling Antifraud Rule“ der SEC2, sodann im Vereinigten Königreich durch sec. 8 Financial Services Act 2010 über „Short selling rules“ sowie in der Bundesrepublik Deutschland durch § 30h WpHG (s. dort) und künftig in der Europäischen Union durch die kommende Verordnung über Leerverkäufe3. Alles das kann nicht ohne Auswirkung auf die marktmanipulationsrechtliche Beurteilung bleiben. 222 Wie auch bei den fiktiven ist bei den effektiven Geschäften zu bemerken, dass zahlreiche früher diskutierte Fallgruppen und Beispiele sonstiger Täuschungshandlungen (s. 3. Aufl. des Kommentars Rz. 105 f.) nunmehr § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG und § 3 MaKonV zugeordnet werden. Weiterhin erfassen die konkretisierten Anzeichen und Beispiele nach § 4 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1 MaKonV auch effektive Geschäfte, die zuvor (und vor Erlass der KuMaKV) als Fallgruppen sonstiger Täuschungshandlungen diskutiert wurden. 223 RegE 4. FFG, S. 90 nennt weiterhin das „Ausstreuen von Gerüchten“ als Fall sonstiger Täuschungshandlungen, da Gerüchte als „unverbürgte Nachrichten“ keine Angaben i.S. von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG seien (krit. hierzu oben Rz. 69). In der Literatur wird zudem das „Herauf- und Herunterreden“ von Kursen ohne sachlichen Grund z.B. durch Börseninformationsdienste genannt4. In der Tat lässt sich bei frei erfundenen Gerüchten oder Empfehlungen oder Warnungen, die wider besseres Wissen gemacht werden, eine sonstige Täuschungshandlung annehmen. Am Täuschungsvorsatz fehlt es aber, wenn der das Gerücht Streuende an dessen (mögliche) Stichhaltigkeit glaubt oder von der Stichhaltigkeit seiner Empfehlung oder Warnung – sei sie auch nur auf Intuition gegründet – überzeugt ist; das Gegenteil nachzuweisen dürfte nicht selten schwierig sein. In BT-Drucks. 10/5058, S. 37 und in der Literatur5 wird weiterhin die Bestechung eines Skontroführers oder sonstigen Händlers mit dem Ziel, durch entsprechende Geschäfte den Kurs in eine bestimmte Richtung zu lenken, als Fall sonstiger Täuschungshandlungen angeführt. Das ist jedenfalls für § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG nicht haltbar. Die Bestechung als solche ist noch 1 In diesem Sinne z.B. Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 140 mit instruktiven Nachweisen. 2 17 CFR § 240.10b-21 v. 14.10.2008; s. weiterhin 17 CFR § 242.204 v. 27.7.2009 zum closeout requirement. 3 S. den Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Verordnung über Leerverkäufe, KOM(2010) 482 endgültig v. 15.9.2010; zum schwierigen Verhandlungsstand Ratsdok. 12481/11 v. 14.7.2011. 4 Schwark, § 88 BörsG Rz. 8. 5 Ledermann, in: Schäfer, 1. Aufl., § 88 BörsG Rz. 12; Schwark, 2. Aufl., § 88 BörsG Rz. 8; Weber, Martin, NZG 2000, 113 (115).
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keine Täuschungshandlung; vielmehr ist der Bestechende allenfalls an Täuschungshandlungen beteiligt, die der Bestochene später vornimmt. Das vieldiskutierte scalping ist nunmehr in § 4 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2 MaKonV erfasst (s. unten Rz. 235). 3. Konkretisierung durch § 4 MaKonV Bereits mit § 3 KuMaKV hatte es der Verordnungsgeber unternommen, dem Norm- 224 adressaten eine „Orientierungshilfe“ zu den sonstigen Täuschungshandlungen an die Hand zu geben (vgl. BR-Drucks. 639/03, S. 10). § 3 Abs. 1 KuMaKV enthielt eine Legaldefinition der sonstigen Täuschungshandlungen, die allerdings mit den damaligen gesetzlichen Vorgaben nicht durchweg übereinstimmte und rechtspolitisch missglückt war (s. 3. Aufl. des Kommentars Rz. 110 ff.). § 3 Abs. 2 KuMaKV enthielt nicht durchweg überzeugende Beispiele, und § 3 Abs. 3 KuMaKV enthielt eine fragwürdige Fiktion weiterer Anwendungsfälle (s. 3. Aufl. des Kommentars Rz. 114 f.). § 4 MaKonV enthält demgegenüber eine an die geänderten gesetzlichen Vorgaben in § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG angepasste und insgesamt wesentlich verbesserte sowie weithin überzeugende Regelung. Mit ihr setzt der Verordnungsgeber zugleich europarechtliche Vorgaben um, die sich teils aus den in Art. 1 Nr. 2 Marktmissbrauchsrichtlinie genannten Beispielen, teils aus Art. 4 und vor allem Art. 5 Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG ergeben. a) Legaldefinition (§ 4 Abs. 1 MaKonV) § 4 Abs. 1 MaKonV enthält – ähnlich wie § 2 MaKonV für die bewertungserheblichen 225 Umstände (s. oben Rz. 68) – eine abschließende Legaldefinition der sonstigen Täuschungshandlung i.S. von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG: Es handelt sich um Handlungen oder Unterlassungen, die geeignet sind, einen verständigen Anleger über die wahren wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere Angebot und Nachfrage in Bezug auf ein Finanzinstrument, an einer Börse oder einem Markt in die Irre zu führen und den Börsen- oder Marktpreis eines Finanzinstruments im Inland oder an einem organisierten Markt im EU- oder EWiR-Raum hoch- oder herunterzutreiben oder beizubehalten. Mit dieser Legaldefinition schließt sich der Verordnungsgeber im Wesentlichen dem an, was bereits in der 3. Aufl. dieses Kommentars Rz. 90 ff. als Auslegung des damaligen § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG vertreten wurde; die Bedenken, die insoweit gegen die damalige Legaldefinition in § 3 Abs. 1 KuMaKV erhoben wurden, sind nunmehr hinfällig, und § 4 Abs. 1 MaKonV enthält eine begrüßenswerte, zulässige und für den Rechtsanwender verbindliche „nähere Bestimmung“ i.S. von § 20a Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 WpHG. Handlungen müssen keine Erklärungen sein und keinen kommunikativen Erklä- 226 rungswert haben1. Insbesondere genügen objekt-, nämlich marktmanipulierende Realakte wie die Vornahme von Geschäften und die Erteilung von Kauf- oder Verkaufsaufträgen (die freilich zum größeren Teil bereits von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG abgedeckt werden), sofern sie Täuschungswert haben. Problematisch ist, dass der Verordnungsgeber – begründungslos – sämtliche Unterlassungen einbezieht. Um nicht den Rahmen des Gesetzes und der Verordnungsermächtigung zu sprengen, erscheint es geboten, dies auf rechts(garanten)pflichtwidrige Unterlassungen zu beschränken (s. oben Rz. 212), zumal ein schlichtes Unterlassen kaum irreführungs-
1 Zutr. BR-Drucks. 18/05, S. 16; a.A. Eichelberger, S. 308; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rz. 3; s. auch Bingel, S. 136 f.
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geeignet sein kann1. Das im Wort „Täuschungshandlung“ enthaltene Täuschungselement umschreibt der Verordnungsgeber zutreffend (s. oben Rz. 211) als Irreführungseignung, die wie bei § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und auch Nr. 2 WpHG sowie § 2 Abs. 1 Satz 1 MaKonV auf die „Maßfigur“ des verständigen Anlegers zu beziehen und wie dort zu handhaben ist (s. oben Rz. 62, 83, 150). Gegenstand der Irreführung müssen die wahren wirtschaftlichen Verhältnisse an einer Börse oder einem Markt sein, was ebenso wie bei § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG und § 3 Abs. 2 Nr. 1 MaKonV zu bestimmen ist (s. oben Rz. 150, 163)2. Zu diesen Verhältnissen gehören insbesondere Angebot und Nachfrage, aber auch der Preis als solcher. Zu einer Irreführung soll nach BR-Drucks. 18/05, S. 16 auch die Fehlvorstellung führen, die Geschäftspartner beabsichtigten eine effektive Übertragung von Finanzinstrumenten, während sie in Wahrheit dies nur in Kauf nehmen, um das eigentliche Ziel der Preiseinwirkung zu erreichen. Die schließlich erforderliche Preiseinwirkungseignung ist wie bei § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG zu bestimmen (s. oben Rz. 118); § 4 Abs. 1 MaKonV stellt klar, dass nebem dem künstlichen Hoch- oder Heruntertreiben auch das künstliche Aufrechterhalten eines Preises („zur Seite“) erfasst ist. b) Anzeichen (§ 4 Abs. 2 MaKonV) 227 § 4 Abs. 2 MaKonV setzt Art. 5a, b Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG um und enthält Anzeichen für sonstige Täuschungshandlungen, die weder zwingenden Charakter haben noch abschließend gemeint sind3, sondern wie bei § 3 Abs. 1 MaKonV als Prüfraster oder Indizien zu verstehen sind (s. oben Rz. 154). Mit anderen Worten ist stets eine umfassende Gesamtwürdigung erforderlich4. 228 In Umsetzung von Art. 5a Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG nennt § 4 Abs. 2 Nr. 1 MaKonV die Konstellation, dass vor, während oder nach einem Geschäft oder Kauf- oder Verkaufsauftrag unrichtige oder irreführende Informationen von einer Person (die auch eine juristische Person sein kann5) weitergegeben werden, die entweder Geschäftspartner oder Auftraggeber ist oder mit diesen in enger Beziehung steht. Praktisch gesehen sind die gemeinten Fälle typisch für Marktmanipulationen, beispielsweise indem nach Leerverkauf eines Finanzinstruments unrichtige negative Informationen verbreitet werden, um den Preis künstlich zu erniedrigen. Rechtlich gesehen ist in solchen Fällen die Weitergabe von unrichtigen oder irreführenden Informationen bereits ein Fall des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG, sofern die Informationen – wie regelmäßig – bewertungserhebliche Umstände betreffen, weshalb sich der selbständige rechtliche Anwendungsbereich des § 4 Abs. 2 Nr. 1 MaKonV weitgehend auf Fehlinformationen über anderweitige Umstände (z.B. Marktdaten) beschränken dürfte. Der Begriff der Information ist wie bei § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG zu bestimmen (s. dort Rz. 6 ff.)6; bloße Gerüchte genügen hier nicht7. Weitergegeben 1 Wie hier Eichelberger, S. 313; Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 60; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rz. 5. 2 Krit. Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 144: Die wahren wirtschaftlichen Verhältnisse deckten sich nicht notwendig mit den Umständen, die bei einer Preisfeststellung maßgeblich seien; § 20a schütze die Preisbildung, nicht aber die Wahrheit über wirtschaftliche Verhältnisse. 3 Vgl. BR-Drucks. 18/05, S. 17. 4 Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV. 5 Zweifelnd aber Knauth/Käsler, WM 2006, 1041 (1050). 6 Zust. Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 62; Mock/Stoll/Eufinger, KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rz. 10. 7 A.A. Knauth/Käsler, WM 2006, 1041 (1050).
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ist eine Information, wenn sie mindestens an eine Person weitergeleitet und von dieser zur Kenntnis genommen worden ist; die Weitergabe an einen unbestimmten Personenkreis oder das Anlegerpublikum ist nicht erforderlich1. Die Indizwirkung für die Marktmanipulation wird dadurch begründet, dass zwischen Fehlinformation und Transaktion (Geschäft oder Kauf- oder Verkaufsauftrag wie bei § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG, s. oben Rz. 145) ein enger personeller und zeitlicher Zusammenhang besteht2; gerade in dem Zusammentreffen von Fehlinformation und Transaktion liegt ein gewisser praktischer Mehrwert im Verhältnis zu § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG. § 4 Abs. 2 Nr. 2 MaKonV setzt Art. 5b Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG um 229 und betrifft die Erstellung oder Weitergabe unrichtiger, fehlerhafter, verzerrender oder von wirtschaftlichen Interessen beeinflusster Finanzanalysen oder Anlageempfehlungen. Auch dieses Anzeichen weist starke Überschneidungen mit dem Anwendungsbereich des – vorrangigen – § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG auf, da und soweit Finanzanalysen oder Anlageempfehlungen zugleich Angaben über bewertungserhebliche Umstände enthalten3. Finanzanalysen sind im technischen Sinne des § 34b Abs. 1 Satz 1 WpHG zu verstehen4 (näher § 34b Rz. 3), Anlageempfehlungen sind alle sonstigen direkten oder indirekten Empfehlungen für eine bestimmte Anlageentscheidung. Der Begriff der Weitergabe ist wie bei § 4 Abs. 2 Nr. 1 MaKonV zu bestimmen (soeben Rz. 228). Das bloße Erstellen einer Finanzanalyse oder Anlageempfehlung ist für sich genommen mangels Preiseinwirkungseignung keine taugliche Tathandlung des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG5; vielmehr muss eine Weitergabe hinzukommen, und für die darin möglicherweise liegende Marktmanipulation kann der Ersteller als Beteiligter (mit-) verantwortlich sein. Nach BR-Drucks. 18/05, S. 17 soll eine Finanzanalyse oder Anlageempfehlung dann unrichtig, fehlerhaft, verzerrend oder von wirtschaftlichen Interessen beeinflusst sein, wenn sie „inhaltlich oder der Form nach mit Fehlern behaftet, von wirtschaftlichem Interesse geleitet oder durch sonstige Voreingenommenheit beeinflusst“ ist. Das ist zu pauschal; z.B. liegt auf der Hand, dass bloße Formverstöße (z.B. gegen die Identifizierungspflicht des § 34b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG) für sich genommen nicht ausreichen6. Bei Finanzanalysen empfiehlt es sich, die Auslegung des § 4 Abs. 2 Nr. 2 MaKonV an den Anforderungen des § 34b Abs. 1 WpHG zu orientieren, insbesondere am Erfordernis der Sachgerechtigkeit der Finanzanalyse und der Pflicht, Interessenkonflikte offen zu legen7. Unrichtig ist eine Finanzanalyse, wenn mehr als nur unwesentliche Teile der Analysegrundlage unrichtig (unwahr oder unvertretbar) sind, aber auch dann, wenn das Analyseergebnis nicht mehr vertretbar ist. Fehlerhaft ist eine Finanzanalyse nicht nur, wenn sie Fehler im Sinne von Unrichtigkeiten enthält, sondern auch, wenn sie unvollständig ist oder entgegen § 34b Abs. 1 Satz 1 ohne die erforderliche Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit erstellt worden ist; solche Finanzanalysen haben jedenfalls dann Täuschungswert, wenn sie vorgeben, auf Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit zu beruhen. Verzerrend ist eine Finanzanalyse, 1 2 3 4 5
BR-Drucks. 18/05, S. 16. BR-Drucks. 18/05, S. 16. Zutr. Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 63. BR-Drucks. 18/05, S. 17. Krit. auch Knauth/Käsler, WM 2006, 1041 (1050); Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rz. 14; Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 154. 6 Zust. Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 7. 7 Deren Verletzung zudem über § 4 Abs. 3 Nr. 2 MaKonV erfasst werden kann, insoweit zutr. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rz. 15.
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wenn sie zwar weder unrichtig noch fehlerhaft ist, jedoch die Darstellung in einer Weise gefasst ist, dass ein verständiger Anleger über die wahren wirtschaftlichen Verhältnisse in die Irre geführt wird. Entgegen dem Wortlaut des § 4 Abs. 2 Nr. 2 MaKonV hat der Umstand, dass die Finanzanalyse von wirtschaftlichen Interessen beeinflusst ist, für sich genommen nur dann Indizwirkung für eine Täuschungshandlung, wenn die Beeinflussung dazu führt, dass die Finanzanalyse zugleich unrichtig, fehlerhaft oder verzerrend ist; die „schlichte“ Beeinflussung durch ein wirtschaftliches Interesse hat jedenfalls dann keinen Täuschungswert, wenn der mögliche Interessenkonflikt gemäß § 34b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 WpHG offen gelegt wird. Bei anderen Anlageempfehlungen gelten diese Grundsätze entsprechend; allerdings ist zu beachten, dass bei ihnen ggf. weniger strenge und weniger formalisierte Anforderungen an die Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit der Erstellung und an die Sachgerechtigkeit der Darstellung bestehen. – Zur Frage des sog. „scalping“ s. unten Rz. 235. c) Beispiele (§ 4 Abs. 3 MaKonV) 230 Ähnlich wie zuvor § 3 Abs. 3 KuMaKV enthält § 4 Abs. 3 MaKonV zwingende, aber nicht abschließende („insbesondere auch“) Beispiele für sonstige Täuschungshandlungen und setzt Art. 1 Nr. 2 nach c) erster und dritter Spiegelstrich Marktmissbrauchsrichtlinie um. Entgegen BR-Drucks. 18/05, S. 17 handelt es sich nicht um Regelbeispiele, weil der Verordnungsgeber nicht anordnet, dass bei Erfüllung der Voraussetzungen nur „in der Regel“ (vgl. zur eigentlichen Regelbeispielstechnik §§ 243 Abs. 1 Satz 2, 263 Abs. 3 Satz 2 StGB) der objektive Tatbestand einer sonstigen Täuschungshandlung vorliege. 231 § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV bestimmt, dass die Sicherung einer marktbeherrschenden Stellung über das Angebot von oder die Nachfrage nach Finanzinstrumenten eine sonstige Täuschungshandlung ist, wenn sie die Folge hat, dass unmittelbar oder mittelbar Ankaufs- oder Verkaufspreise dieser Finanzinstrumente bestimmt oder nicht marktgerechte Handelsbedingungen geschaffen werden. Gemeint sind insbesondere die Praktiken des „cornering“ oder des „abusive squeeze“, die vor allem auf Märkten mit geringer Liquidität sowie Warenterminmärkten effektive Manipulationsmöglichkeiten eröffnen, aber auch die sonstige künstliche Verknappung eines Finanzinstruments mit dem Ziel, die Kontrolle über Angebot oder Nachfrage zu erlangen1. Das Beispiel ist durch Art. 1 Nr. 2 nach c) erster Spiegelstrich Marktmissbrauchsrichtlinie europarechtlich zwingend vorgegeben, aber in der Sache aus zwei Gründen problematisch2: Erstens fragt sich, ob das Beispiel den Rahmen der Verordnungsermächtigung und der Legaldefinition sonstiger Täuschungshandlungen sprengt. Für sich genommen hat Marktbeherrschung und deren Herstellung keinen Täuschungswert3, und der Angriff richtet sich weniger gegen die Transparenz des Marktes als gegen die Marktfairness, die als solche kein Schutzzweck des § 20a Abs. 1 Satz 1
1 Vgl. BR-Drucks. 639/03, S. 12. 2 Krit. auch Pfüller/Anders, WM 2003, 2445 (2450). 3 Es ist schlichtweg falsch zu sagen, Geschäften, mit denen sukzessive eine marktbeherrschende Stellung hergestellt wird, würden den Markt täuschen, weil er „zunächst nichtsahnend nur ‚normale‘ Geschäfte eines (oder mehrerer) Handelsteilnehmer wahrnimmt“ (so aber Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 68): Soweit die Publizitätspflichten nach §§ 21 ff. WpHG eingehalten werden, wird der Markt nicht getäuscht; über Motive des Geschäfts enthält das Geschäft keinen Erklärungswert.
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WpHG ist (s. oben Rz. 26 ff.)1. In der Sache betrifft das Beispiel kein marktmanipulations-, sondern ein wettbewerbs-, d.h. kartellrechtliches Problem2. Die Vorgängervorschrift des § 3 Abs. 3 Nr. 1 KuMaKV griff deshalb – in sich folgerichtig, wenngleich unter flagranter Sprengung der gesetzlichen Verordnungsermächtigung – zur Regelungstechnik der Fiktion, indem angeordnet wurde, dass das Ausnutzen einer marktbeherrschenden Stellung als sonstige Täuschungshandlung „gilt“ (s. 3. Aufl. des Kommentars Rz. 115). An diesen sachlichen Problemen hat die Neufassung durch § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV nichts geändert, mag sich der Verordnungsgeber nunmehr auch ausdrücklich dazu bekennen, dass die Vorschrift den Schutz vor „unfairen Handelsbedingungen“, ja vor „sonstigen Bedingungen, die für die Funktionsfähigkeit der Märkte und deren Nutzung für die Marktteilnehmer von Bedeutung sind“3. Es liegt auf der Hand, dass eine derart weitreichende Verordnungsgebung der verfassungsgerichtlichen Nachprüfung zugänglich ist. – Zweitens stellt sich die Frage, wie das Verbot, sich eine marktbeherrschende Stellung zu sichern, mit der Möglichkeit und Erlaubnis der (auch: „feindlichen“) Übernahme einer börsennotierten Gesellschaft und des squeeze out von Minderheitsaktionären zu vereinbaren ist. Ersichtlich kann § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV das Übernahme- und Aktienrecht nicht aushebeln, sondern muss umgekehrt zurücktreten: Das Beispiel ist unanwendbar, solange das Übernahmerecht (im weiteren Sinne nicht nur des WpÜG, sondern auch der übernahmerechtlichen Bestimmungen des AktG und des WpHG selbst [§§ 21 ff.]) beachtet werden. Allgemeiner gesprochen kann es nicht zutreffend sein, dass der für sich gesehen legale Aufbau einer Position unter dem Gesichtspunkt des § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV verboten sein soll4. Die marktbeherrschende Stellung muss von einer Person oder mehreren in mittäter- 232 schaftlicher Absprache, die positiv nachzuweisen ist5, gemeinschaftlich handelnden Personen gesichert werden und ist nicht im wettbewerbs-, d.h. kartellrechtlichen Sinne zu verstehen (vgl. hierzu § 19 GWB). Mono- oder oligopolistische Angebotsoder Nachfragestrukturen genügen für sich genommen nicht, auch nicht auf einem wenig liquiden Markt6. Desgleichen ist unergiebig, ob börsenregulatorisch vorgegebene Positionslimits überschritten werden7. Gleichfalls nicht ausreichend ist es, dass für die Marktgegenseite keine zumutbare Ausweichmöglichkeit besteht, denn nach diesem Maßstab kann es vom Zufall abhängen, ob jemand marktbeherrschend ist oder nicht8. Vielmehr ist erforderlich, dass der Tagesmarkt in Bezug auf das jewei1 Ganz h.A., s. nur Arlt, S. 316; Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 65; Knauth/Häsler, WM 2006, 1041 (1051); Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rz. 18; Trüstedt, S. 202. 2 Hierzu Fleischer, ZGR 2008, 185 (221 ff.). 3 BR-Drucks. 639/03, S. 17. 4 Zutr. Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 504. 5 Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rz. 20. 6 Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rz. 19. 7 So aber BR-Drucks. 639/03, S. 12 f.; hiergegen zutr. Mock/Stoll/Eufinger, KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rz. 19. 8 Instruktiv Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 504 f. zum Fall „Porsche-VW“: Im Oktober 2008 hatte sich Porsche 42,6 % VW-Stammaktien und zudem 31,5 % cash-gesettelte Kaufoptionen gesichert. Da die Kaufoptionen von den Stillhaltern – offenbar – mit physischen VW-Stammaktien unterlegt wurden und das Land Niedersachsen seine Sperrminorität von 20,2 % nicht abbauen wollte, sank der free float auf unter 5 %. Nun hatten insbesondere amerikanische Hedgefonds mit (missbräuchlichen, s. oben Rz. 151d) ungedeckten Leerverkäufen im Volumen von 10–15 % der VW-Stammaktien darauf spekuliert, dass Porsche den Übernahmeversuch abbrechen und der Preis der VW-Stammaktie dann einbrechen würde. Das geschah nicht; als die Leerverkäufer erfüllen mussten, trat ein im-
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lige Finanzinstrument in einer Weise beherrscht wird, die es der Person oder den Personen ermöglicht, die Preisbildung oder die Handelsbedingungen nach Belieben zu bestimmen. Der Markt muss „an der Schwelle zum Preis- oder Bedingungsdiktat“ stehen1, was umso eher möglich ist, je enger der liquide Markt ist. 232a
Tathandlung ist die Sicherung einer marktbeherrschenden Stellung über das Angebot oder die Nachfrage von Finanzinstrumenten. Für die Sicherung genügt es nicht, dass jemand eine in legitimer Weise erlangte Position schlicht bewahrt bzw. aufrechterhält2. Wer z.B. im Rahmen eines Übernahmevorhabens einen bedeutenden Anteil an den Aktien der Zielgesellschaft erworben hat, sichert sich keine marktbeherrschende Stellung, wenn er diesen Anteil behält, obwohl Hedgefonds, die auf das Scheitern des Übernahmeversuchs spekuliert haben, in einem den free float weit übersteigenden Ausmaß ungedeckte Leerverkäufe getätigt haben und nunmehr auf den erworbenen Anteil angewiesen sind, um die Leerverkäufe zu erfüllen. Vielmehr muss die marktbeherrschende Stellung tätig gesichert, das heißt vorsätzlich handelnd herbeigeführt werden, beispielsweise dadurch, dass jemand auf einem Markt, auf dem ungedeckte Leerverkäufe epidemisch sind, den verbleibenden free float aufkauft, um ihn den erfülllungspflichtigen Leerverkäufern zu diktierten Preisen zurückzuverkaufen3. Angesichts der Schnelllebigkeit der Märkte genügt es, dass die marktbeherrschende Stellung für eine nicht ganz vorübergehende Zeit gesichert wird4. An einer Sicherung soll es nach BR-Drucks. 18/05, S. 17 in der Regel fehlen, wenn sog. „market makers“, insbesondere Emittenten oder verbundene Unternehmen, in Bezug auf ein emittiertes Finanzinstrument Kauf- oder Verkaufsaufträge einstellen, um einen Handel erst zu ermöglichen, wie es z.B. im Optionsscheinhandel üblich ist.
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Im Unterschied zu § 3 Abs. 3 Nr. 1 KuMaKV verlangt § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV nicht, dass die marktbeherrschende Stellung absichtlich zur Preiseinwirkung ausgenutzt wird5; damit verlagert der Verordnungsgeber (bzw. der Unionsgesetzgeber) die Tathandlung in das Vorbereitungsstadium einer Marktmanipulation vor6. Vielmehr genügt, dass es tatsächliche Folge der marktbeherrschenden Stellung ist, dass An- oder Verkaufspreise bestimmt oder nicht marktgerechte Handelsbedingungen geschaffen werden. Preise bestimmt, wer sie nach Gutdünken, ohne auf andere Marktteilnehmer Rücksicht zu nehmen, festlegen kann und festlegt. Wer sich aber nicht am Handel beteiligt, legt auch in marktbeherrschender Stellung keine Preise fest. Nicht marktgerechte Handelsbedingungen schafft, wer Bedingungen beeinträchtigt, die für die Funktionsfähigkeit der Märkte und deren Nutzen für die Marktteilnehmer von
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menser short squeeze auf, und der Preis der VW-Stammaktie erreichte ein Allzeithoch von (intraday) 1005,– Euro. In dem Beispiel hatten die Leerverkäufer zwar keine Ausweichmöglichkeit. Das beruhte jedoch nicht (nur) darauf, dass sich Porsche die beschriebenen Positionen gesichert hatte, sondern (auch) darauf, dass das Land Niedersachsen aus politischen Gründen nicht verkaufte und die Stillhalter der Optionen physisch gehedgt hatten. Beides beruhte auf selbstverantwortlichen Entscheidungen anderer Marktteilnehmer, die Porsche nicht zurechenbar waren, weshalb es an einer marktbeherrschenden Stellung fehlte. Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rz. 19. Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rz. 20. Instruktiv Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 69. Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, KölnKomm.WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rz. 20. S. BR-Drucks. 639/03, S. 17. Mit Recht krit. Sorgenfrei, in: Park, 1. Aufl., §§ 20a, 38 I Nr. 4, 39 WpHG Rz. 55 (zu § 3 Abs. 3 Nr. 1 KuMaKV); s. aber auch Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 69 (es sei folgerichtig, auf die Sicherung abzustellen, weil bereits die zur Marktbeherrschung führenden Geschäfte Täuschungscharakter hätten – das trifft aber nicht zu).
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Bedeutung sind1 – eine Generalklausel, die jede Kontur vermissen lässt und darauf hinausläuft, dass jeder, der sich eine marktbeherrschende Stellung sichert und dadurch notwendigerweise die Marktliquidität beeinträchtigt, in den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 3 Nr. 1 MaKonV gerät. Diese Alternative bedarf verfassungsrechtlicher Nachprüfung. § 4 Abs. 3 Nr. 2 MaKonV bestimmt, dass sonstige Täuschungshandlung auch die me- 233 diale Kundgabe einer Stellungnahme oder eines Gerüchts zu einem Finanzinstrument oder dessen Emittenten ist, nachdem Positionen über dieses Finanzinstrument eingegangen worden sind, ohne dass dieser Interessenkonflikt zugleich mit der Kundgabe in angemessener und wirksamer Weise offenbart wird. Die Vorschrift, mit der Art. 1 Nr. 1 nach c) letzter Spiegelstrich Marktmissbrauchsrichtlinie umgesetzt wird und die § 3 Abs. 3 Nr. 2 KuMaKV ablöst, zielt insbesondere auf das sog. „scalping“2 (sogleich Rz. 235), erfasst es aber weder vollständig noch ist sie hierauf beschränkt. Vorausgesetzt ist zunächst, dass eine Person Positionen über ein Finanzinstrument 234 eingegangen ist, sei es in Gestalt des Erwerbs, sei es durch Kauf- oder Verkaufsaufträge oder Optionen. Die bloße Absicht, nach der Kundgabe Positionen einzugehen, genügt nicht3; teleologisch ist das verfehlt – man denke daran, dass ein „scalper“ eine aus der Luft gegriffene Verkaufsempfehlung gibt, um bei daraufhin fallendem Preis zu kaufen und, nachdem sich der Preis wieder erholt hat, zu verkaufen. Weiterhin muss die Person gelegentlichen oder regelmäßigen Zugang zu traditionellen oder elektronischen Medien haben, was vor allem auf medial präsente Personen (z.B. in der Öffentlichkeit bekannte Analysten, Wirtschaftsjournalisten, „Börsengurus“) zielt, jedoch mit Blick auf das universell zugängliche Internet („Chat-Foren“ etc.) im Grunde für jedermann gilt4. Diesen Zugang muss die Person zu einer Kundgabe einer Stellungnahme oder eines Gerüchts über das Finanzinstrument oder dessen Emittenten nutzen. Die Kundgabe muss ein Mindestmaß an Publizität haben; eine E-Mail an einen oder wenige Adressaten würde nicht genügen. Stellungnahme ist insbesondere eine Kauf- oder Verkaufsempfehlung, aber auch jede sonstige Meinungsäußerung zu dem Finanzinstrument oder Emittenten5. Darauf, ob die Stellungnahme wahr oder unwahr, begründet oder unbegründet, vertretbar oder unvertretbar ist, kommt es nicht an, desgleichen nicht, ob sie sich auf Tatsachen oder Umstände bezieht oder in bloßen Meinungen oder Werturteilen erschöpft. In diesem Sinne kann auch die Kundgabe bloßer Gerüchte genügen, deren ausdrücklicher Nennung die Auffassung zugrunde liegt, dass Gerüchte und unverbürgte Nachrichten keine Angaben über Umstände i.S. von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG seien6. Schließlich muss es die Person unterlassen, zeitgleich mit der Kundgabe in angemessener und wirksamer Weise zu offenbaren, dass zuvor Positionen über das Finanzinstrument eingegangen worden sind und deshalb ein Interessenkonflikt besteht. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift („zeitgleich“) genügt die vorherige oder nachträgliche Offenbarung des Interessenkonflikts nicht. Konkretisierend sind die Offenlegungspflichten nach Art. 5, 6 Durchführungsrichtlinie 2003/125/EG und nach § 34b Abs. 1 Satz 2 1 2 3 4
BR-Drucks. 639/03, S. 17. BR-Drucks. 639/03, S. 13 (zu § 3 Abs. 3 Nr. 2 KuMaKV). Ebenso Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rz. 35. Tendenziell enger Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rz. 33: „gewisses Maß an Exklusivität“ wie beim Zugang zu Fernsehen oder verbreiteten Printmedien erforderlich. 5 BR-Drucks. 639/03, S. 17. 6 S. BR-Drucks. 639/03, S. 13 und oben Rz. 69.
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Nr. 2 WpHG zu beachten. Im Grundsatz reicht es aus, dass offen gelegt wird, welche Art von Positionen eingegangen worden sind; es ist grundsätzlich nicht erforderlich, ggf. die Absicht zu offenbaren, die Positionen rasch wieder aufzulösen1. Die Verletzung der Offenbarungspflicht begründet den Täuschungswert der Kundgabe: Durch das Unterlassen der gebotenen Aufklärung über den Interessenkonflikt wird der Markt darüber getäuscht, dass ein Interessenkonflikt besteht. 235 § 4 Abs. 3 Nr. 2 MaKonV erfasst u.a. die Marktmanipulation durch sog. „scalping“, das noch vor Inkrafttreten der Vorschrift2 Gegenstand intensiver literarischer Diskussion und eines strafrechtlichen Grundsatzurteils des BGH3 geworden ist4. Praxis und Begriff stammen aus dem angloamerikanischen Raum, sind aber längst auch im deutschen Raum eingebürgert. Scalping5 wird durch Personen begangen, die in der Lage sind, durch Empfehlungen in Bezug auf Finanzinstrumente, namentlich börsennotierte Wertpapiere, auf den Börsen- oder Marktpreis des Finanzinstruments Einfluss zu nehmen. Typischerweise handelt es sich um in den (Fach-)Medien präsente Analysten, (Fach-)Journalisten oder „Börsengurus“, es kommen aber auch Personen in Betracht, deren nicht in Medien verbreitete Empfehlungen für institutionelle Anleger bedeutsam sind. In der Sache beinhaltet Scalping typischerweise ein dreiaktiges Vorgehen: Erstens geht der Scalper Positionen hinsichtlich bestimmter Finanzinstrumente ein, kauft z.B. Wertpapiere. Zweitens gibt der Scalper eine Empfehlung in Bezug auf diese Finanzinstrumente ab, empfiehlt z.B. die Wertpapiere zum Erwerb, ohne offen zu legen, dass er selbst Positionen hinsichtlich dieser Vermögenswerte inne hat. Kommt es dann erwartungsgemäß zu einer Beeinflussung der Börsen- oder Marktpreise, steigt z.B. der Kurs der zum Erwerb empfohlenen Wertpapiere, weil sich viele Marktteilnehmer an der Empfehlung orientieren, so nutzt der Scalper drittens die Preisbeeinflussung aus, indem er seine Positionen realisiert, beispielsweise die Wertpapiere mit Gewinn veräußert. Denkbar ist aber auch die Reihenfolge, dass der Scalper erstens eine (negative) Empfehlung abgibt, zweitens sich zu (niedrigen) Kursen oder Marktpreisen eindeckt und drittens nach Kursnormalisie1 Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rz. 36; mit Recht krit. Schönhöft, S. 141, weil so das Gewicht der Empfehlung tendenziell verstärkt wird; s. weiterhin Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 559 f. 2 Soweit ersichtlich, ist § 4 Abs. 3 Nr. 2 MaKonV auf einen scalping-Fall erstmals durch LG Berlin v. 14.4.2011 – (519) 3 Wi Js 1665/07 KLs (03/09) angewendet worden (Fall Frick). 3 BGH v. 6.11.2003 – 1 StR 24/03, BGHSt 48, 373 = NJW 2004, 302 = JZ 2004, 285 = MR 2004, 69 = ZIP 2003, 2354 = DB 2004, 64 = BB 2004, 11 mit Anm. bzw. Bspr. Fleischer, DB 2004, 51; Hellgardt, ZIP 2005, 2000; Pananis, NStZ 2004, 287; Vogel, NStZ 2004, 252. S. zuvor LG Stuttgart v. 30.8.2002 – 6 KLs 150 Js 77452/00, ZIP 2003, 259 mit Anm. Lenenbach, ZIP 2003, 243 = EWiR § 13 WpHG 1/03 mit Anm. Ziouvas, EWiR 2003, 85 = wistra 2003, 153 mit Bespr. Mühlbauer, wistra 2003, 169; s. weiterhin Wohlers, Strafbarkeit des „Scalping“, in: von der Crone u.a. (Hrsg.), Neuere Tendenzen im Gesellschaftsrecht, FS Forstmoser, 2003, S. 743 ff. (aus schweizerischer Sicht); je m.w.N. Zum sog. Fall Prior s. LG Frankfurt/M. NJW 2000, 301 und OLG Frankfurt/M. NJW 2001, 982. –– S. aus neuerer Zeit auch LG Berlin v. 8.3.2005 – 505-11/04, wistra 2005, 277 = ZInsO 2005, 661 = VuR 2005, 318; Papachristou, S. 283 ff.; Trüstedt, S. 181 ff. 4 Vgl. zum Folgenden auch Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 67 f.; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rz. 24 ff. 5 Wörtlich „skalpieren“, idiomatisch „das Fell über die Ohren ziehen“. – In der Literatur werden verschiedene Definitionen angeboten: „Scalping ist der Kauf oder Verkauf von Wertpapieren in Kenntnis der bevorstehenden Abgabe einer sie betreffenden Bewertung oder Empfehlung“, Uwe H. Schneider/Burgard, ZIP 1999, 381 (382, 389); „Vorgehen, bei dem der Täter (Scalper) eine Empfehlung für den Erwerb oder die Veräußerung von Wertpapieren abgibt, um die erhoffte empfehlungsbedingte Kursbeeinflussung für sich selbst zu vorteilhaften Wertpapiertransaktionen zu nutzen“, Lenenbach, ZIP 2003, 243.
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rung gewinnbringend verkauft1. Ersichtlich ist Scalping problematisch, wenn alle Akte durch eine durchgängige Absicht des Scalpers verbunden sind (sog. absichtliches scalping) und die Empfehlung sachlich nicht hinreichend begründet ist, sondern allein den Interessen des Scalpers dient. Dann ist nämlich zu erwarten, dass sich der durch die Empfehlung beeinflusste Börsen- oder Marktpreis rasch normalisiert, so dass diejenigen Marktteilnehmer, welche sich an der Empfehlung orientiert haben, Vermögensschäden erleiden können und zugleich das funktionsnotwendige Vertrauen in die Integrität der Kapitalmärkte beeinträchtigt wird (s. oben Rz. 26). Davon zu unterscheiden ist die Konstellation, dass der Scalper beim Erwerb der Finanzinstrumente noch keine Scalping-Absicht hatte oder – praktisch bedeutsamer – ihm eine solche Absicht nicht nachgewiesen werden kann; jedenfalls wenn zwischen Erwerb einerseits und Empfehlung sowie deren Ausnutzung andererseits größere Zeitabstände liegen, dürften die Scalping-Absicht in Abrede stellende Einlassungen nicht einfach zu widerlegen sein. Noch heikler ist die Konstellation, dass der Scalper bei der Empfehlung keine (oder nicht ausschließlich die) Absicht hatte, die empfehlungsbedingte Preisbeeinflussung auszunutzen, oder – praktisch bedeutsamer – ihm eine solche (ausschließliche) Absicht nicht nachgewiesen werden kann, z.B. wenn sich der Scalper dahin einlässt, er habe im Zeitpunkt der Empfehlung nicht bedacht, dass er die empfohlenen Finanzinstrumente im Portefeuille gehabt, und den Entschluss, die Preisbeeinflussung auszunutzen, erst später gefasst. In rechtlicher Hinsicht gilt, dass sachgerechte Empfehlungen, die der Empfehlende im Rahmen seiner Berufsausübung abgibt, auch mit Blick auf Art. 5 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG nicht allein deshalb unzulässig und straf- bzw. ahndbar sein können, weil der Empfehlende das empfohlene Finanzinstrument in seinem Portefeuille hat (s. bereits 3. Aufl. des Kommentars Rz. 109). Auch für das absichtliche scalping war und ist umstritten, ob, unter welchen Voraus- 236 setzungen und nach welchen Vorschriften es kapitalmarktrechtlich zu beanstanden und straf- bzw. ahndbar sein kann. Die Versuche, es als verbotenen und strafbaren Verstoß gegen das Insiderhandelsverbot zu erfassen, setzen im Ausgangspunkt an dem ersten Akt des scalping an, der Eingehung von Positionen in Finanzinstrumenten, beispielsweise dem Erwerb von Aktien. Dies gelingt ohne weiteres, wenn der Scalper zu diesem Zeitpunkt die Kenntnis einer „gewöhnlichen“ Insiderinformation ausnutzt; dann liegt „gewöhnlicher“ Insiderhandel vor, mag der Scalper auch zudem beabsichtigen, den Börsen- oder Marktpreis durch spätere Empfehlungen weiter zu beeinflussen2. Das eigentliche Problem liegt darin, ob bereits die Scalping-Absicht für sich eine Insiderinformation sein kann, deren Kenntnis der Scalper bereits bei Eingehung der Positionen ausnutzt, in Bezug auf die er eine Empfehlung abgeben will, um deren preisbeeinflussende Wirkung auszunutzen. Durchgreifende Bedenken hiergegen ergeben sich nicht schon daraus, dass die Scalping-Absicht eine innere Tatsache ist3. Auch innere Tatsachen sind Informationen, und Beispiele dafür, dass sie in hohem Maße geeignet sein können, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Kurs von Insiderpapieren erheblich zu beeinflussen, lassen sich unschwer finden – man denke an die Absicht einer Gesellschaft, einer anderen Gesellschaft ein Übernahmeangebot zu unterbreiten. Insbesondere von kapitalmarktrechtlicher Seite aus ist deshalb nach anfänglichem Zögern zunehmend vertreten worden, die Scalping1 Zu dieser Konstellation Martin Weber, NZG 2000, 113 (125 l.Sp. bei und mit Fn. 143). 2 So auch Autoren, welche das Insiderhandelsverbot im Grundsatz für nicht anwendbar halten; s. nur Martin Weber, NZG 2000, 113 (125 bei und mit Fn. 145, 146). 3 So auch Autoren, welche das Insiderhandelsverbot im Grundsatz nicht für anwendbar halten; s. nur Volk, BB 1999, 66 (67) sowie ZIP 1999, 787.
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Absicht sei eine Insiderinformation1. Dagegen hat sich u.a. von wirtschaftsstrafrechtlicher Seite aus eine Gegenauffassung formiert, die verschiedene Argumente ins Feld führt2: Die Empfehlung sei in dem Zeitpunkt, in dem der Scalper die Position eingeht, etwas Künftiges und somit noch keine Tatsache, zudem entweder eine Meinungsäußerung oder aber eine sachgerechte Bewertung. Dann aber sei es widersprüchlich, die bloße Absicht späterer Empfehlung als Insidertatsache bzw. -information anzusehen. Vor allem sei es im Grundsatz anerkannt, dass bei „selbstgeschaffenen Tatsachen“ wie z.B. der Durchführung des Entschlusses zum Auf- oder Ausbau einer Beteiligung keine Insiderinformationen ausgenutzt werden. Nicht anders liege es bei der Durchführung des Entschlusses, zuvor eingegangene Positionen zu empfehlen3. Die Gegenauffassung hat nunmehr die höchstrichterliche Zustimmung des BGH4 unter dem Gesichtspunkt der richtlinienkonformen Auslegung gefunden: Eine Insiderinformation i.S. von Art. 1 Nr. 1 Marktmissbrauchsrichtlinie müsse eine „präzise Information“ sein. Eine „Information“ weise aber regelmäßig einen Drittbezug auf, der bei selbstgeschaffenen Tatsachen nicht vorliege. Auch sei es dem Sprachgebrauch fremd, dass eine Person – hier: der Scalper – sich über ihre eigenen Absichten – hier: die Scalping-Absicht – „informiere“. Vor allem aber ergebe sich aus dem Beispiel des Art. 1 Nr. 2 nach c dritter Spiegelstrich Marktmissbrauchsrichtlinie, dass Scalping systematisch als Marktmanipulation, nicht als Insiderhandel einzuordnen sei. Zwar hätte es keineswegs fern gelegen, die Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen (damals Art. 234 EG-Vertrag, heute Art. 267 AEUV)5. Jedoch überzeugt es in der Sache, dass erst die verdeckt eigennützige Empfehlung des Scalpers auf den Kapitalmärkten zu sozialschädlichen Folgen führt. Demgegenüber ist die vorherige Eingehung von Positionen nur eine Vorbereitungshandlung. Sie selbständig über das Insiderhandelsverbot zu erfassen, überdehnt dessen Verbotsmaterie und führt zu Wertungswidersprüchen sowie zu nicht wirklich überzeugenden dogmatischen Feinziselierungen6. 237 Ist es also sachgerecht, die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Scalpers am zweiten Akt des scalping anzuknüpfen, der im Eigeninteresse des Scalpers gemachten Empfehlung, so kommt in der Tat das Verbot der Marktmanipulation ins Spiel7. Unproblematisch verboten und strafbar sind Empfehlungen des Scalpers, in denen unrichtige oder irreführende Angaben gemacht oder Umstände entgegen bestehenden Rechtsvorschriften verschwiegen werden (§ 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG). Aber auch solche Empfehlungen des Scalpers, die für sich genommen sachgerecht sind oder sich nur in einer bloßen Meinungsäußerung erschöpfen, können nach „fast einhelliger Ansicht“8 verboten und strafbar bzw. ahndbar sein, unterfallen nämlich dem Verbot sonstiger Täuschungshandlungen nach § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG i.V.m. 1 S. nur § 14 Rz. 48 f.; Benner, in: Wabnitz/Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und SteuerstrafR, 3. Aufl. 2007, 9/176; Cahn, ZHR 162 (1998), 1 (20 f.); Uwe H. Schneider/Burgard, ZIP 1999, 381; je m.w.N. 2 S. nur Lenenbach, ZIP 2003, 243 (244 ff.); Petersen, wistra 1999, 328 (329 ff.); Martin Weber, NZG 2000, 113 (124 f.). 3 Besonders deutlich Martin Weber, NJW 2000, 562 (f.). 4 Wie oben Rz. 235 Fn. 3. 5 Art. 1 Nr. 2 nach c dritter Spiegelstrich Marktmissbrauchsrichtlinie dürfte allerdings kaum Zweifel lassen, dass scalping Marktmanipulation – nicht Insiderhandel – ist, so dass es im Sinne der sog. acte clair-Doktrin (hierzu statt aller Karpenstein, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Euroäischen Union, Erg.Lief. 36 Juli 2008, Art. 234 EGV Rz. 54 m.w.N.) an einer Vorlegungspflicht gefehlt haben dürfte. 6 Vgl. hierzu Martin Weber, NZG 2000, 113 (124 f.). 7 A.A. Trüstedt, S. 187 ff. 8 Schmitz, wistra 2002, 209 (211).
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§ 4 Abs. 3 Nr. 2 MaKonV, sofern das Eigeninteresse und der darin liegende Interessenkonflikt nicht offenbart wird. Die Täuschungshandlung liegt darin, dass die Empfehlung in Wirklichkeit einem empfehlungsgegenläufigen Auf- oder Abbau eigener Wertpapiere dient, worüber das Anlegerpublikum in die Irre geführt wird1. Dem hat sich auch der BGH angeschlossen und betont, dass der Scalper durch aktives Tun – nicht bloß durch pflichtwidriges Unterlassen – konkludent oder stillschweigend vortäusche, dass Interessenkonflikte nicht beständen, nämlich dass die Empfehlung „nicht mit dem sachfremden Ziel der Kursbeeinflussung zu eigennützigen Zwecken bemakelt“ sei; damit erspart sich der BGH die Begründung einer Offenbarungspflicht, die im amerikanischen Recht als unverzichtbar angesehen wird2. Jedenfalls bei absichtlichem Scalping komme es im Übrigen nicht darauf an, ob die Empfehlung sachlich gerechtfertigt war oder nicht. Dem ist mit der Einschränkung zuzustimmen, dass sachgerechte Empfehlungen, die der Empfehlende im Rahmen seiner Berufsausübung abgibt, auch mit Blick auf Art. 5 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG nicht allein deshalb unzulässig werden können, weil der Empfehlende das betreffende Finanzinstrument in seinem Portefeuille hat3. Abzuwarten bleibt, ob medienpräsente Analysten, (Fach-)Journalisten und „Börsengurus“ vor diesem Hintergrund dazu übergehen, ihre Empfehlungen ggf. mit Hinweisen auf zuvor eingegangene eigene Positionen zu versehen4. Im Übrigen kann scalping ggf. einen Verstoß gegen das KWG beinhalten, wenn sich 238 der Scalper gemeinsam mit anderen eines Aktienfonds bedient und dabei auch mit Geldern dritter Anleger spekuliert. In derartigen Fällen handelt es sich zwar nicht um verbotenen Eigenhandel (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 KWG), wenn und soweit keine konkreten Kundenaufträge der dritten Anleger vorliegen; jedoch kann eine erlaubnispflichtige Finanzportfolioverwaltung (§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 3 KWG) namentlich in Gestalt eines sog. „Investmentclubs“ vorliegen5.
X. Handlungen, die auf keinen Fall dem Verbot der Marktmanipulation unterfallen (sog. „safe harbours“, § 20a Abs. 3, 5 Satz 1 Nr. 4 WpHG) 1. Überblick Die Weite des Normtexts des § 20a Abs. 1 Satz 1 WpHG – vor allem Nr. 2 und 3 – führt dazu, dass die Anwendbarkeit des Marktmanipulationsverbots auch für Handlungen in Betracht kommt, die „rechtlich nicht zu beanstanden“6 oder geradezu „börsenrechtlich positiv zu bewerten“7 sind. Insbesondere war im Kapitalmarktrecht 1 S. nur Lenenbach, ZIP 2003, 243 (246); Martin Weber, NZG 2000, 113 (125 f.); Martin Weber, NJW 2000, 562 (563 f.). 2 Krit. Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 68. 3 Vgl. hierzu Martin Weber, NZG 2000, 113 (115 in Fn. 28), auch 126; krit. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 4 MaKonV Rz. 37: Der Schutzbereich des Art. 5 GG sei nicht eröffnet; mit Blick auf Art. 12 GG handele es sich um eine gerechtfertigte Berufsausübungsregelung. 4 Hieraus muss das Anlegerpublikum keineswegs zwingend schließen, dass die Empfehlung unseriös sei. Vielmehr ist durchaus denkbar, dass der Hinweis auf bereits eingegangene eigene Positionen als Bekräftigung der Empfehlung verstanden wird; s. auch Schönhöft, S. 141. 5 S. BGHSt 48, 373 (384 ff.). 6 Ledermann, in: Schäfer, 1. Aufl., § 88 BörsG Rz. 12 zu § 88 BörsG a.F. 7 Schwark, § 88 BörsG Rz. 8.
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stets anerkannt, dass Geschäfte, die auf den Preis eines Wertpapiers einwirken sollen, um Preisfehlentwicklungen zu vermeiden, die ihren Grund weder in der Lage des Emittenten noch der Marktlage haben, vom Vorwurf der Marktmanipulation auszuschließen seien1. Im Ergebnis besteht Einigkeit darüber, dass derartige Handlungen nicht von § 20a Abs. 1 Satz 1 WpHG erfasst werden dürfen. An einer anerkannten dogmatischen Begründung fehlt es bislang. Sie dürfte am ehesten in der möglichen Professionsadäquanz derartiger Handlungen gefunden werden2. Allerdings darf Professionsadäquanz als Unterfall der Sozialadäquanz nicht auf das faktisch an Kapitalmärkten Übliche und Akzeptierte reduziert werden, da auch übliche und akzeptierte Missstände keine rechtliche Billigung verdienen. Vielmehr geht es um ein normatives Urteil: dass die Handlung gemessen am gesamten Kapitalmarktrecht in keiner Weise zu beanstanden und in jeder Hinsicht billigenswert ist. Freilich ist ein solches Urteil hoch normativ und, soweit es nicht positiviert ist, durchaus offen. Aus Sicht der Marktteilnehmer wäre es schwerlich erträglich, es allein einer Fallgruppenbildung durch Rechtsprechung und Lehre zu überlassen; jedenfalls vor deren Konsolidierung würde große Rechtsunsicherheit herrschen. 240 Deshalb greift der europäische und deutsche Gesetzgeber zu der aus dem angloamerikanischen Recht herrrührenden Regelungstechnik, dass im Verordnungswege sog. „safe harbours“ von Verhaltensweisen (Handlungen oder Unterlassungen) bestimmt werden, die „auf keinen Fall“ einen Verstoß gegen das Verbot der Marktmanipulation darstellen. Auf europäischer Ebene enthält Art. 8 Marktmissbrauchsrichtlinie die Ermächtigung, dass die Kommission im (Komitologie-) Verfahren nach Art. 17 Abs. 2 Marktmissbrauchsrichtlinie Durchführungsmaßnahmen erlässt, in denen Anforderungen an den Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen und an Kursstabilisierungsmaßnahmen für Finanzinstrumente bestimmt werden; werden diese Anforderungen erfüllt, so fällt das Verhalten nicht unter die Verbote der Marktmissbrauchsrichtlinie. Von der Ermächtigung hat die Kommission mit ihrer Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 Gebrauch gemacht, die ihrerseits auf diesbezüglichen Empfehlungen von CESR3 beruht. Der deutsche Gesetzgeber hat in § 20a Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 WpHG den Verordnungsgeber ermächtigt, nähere Bestimmungen über Handlungen und Unterlassungen zu erlassen, die auf keinen Fall einen Verstoß gegen § 20a Abs. 1 Satz 1 WpHG darstellen. Von der entsprechenden Ermächtigung im früheren § 20a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WpHG i.d.F. des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes hatte der Verordnungsgeber zunächst mit Teil 3, §§ 4–13 KuMaKV Gebrauch gemacht, wobei er sich weitgehend, aber nicht durchweg an den europäischen Vorgaben orientiert hatte4. Demgegenüber enthält § 20a Abs. 3 Satz 1 WpHG eine statische Verweisung auf die Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003, die in § 5 MaKonV wiederholt wird. § 20a Abs. 3 Satz 2 WpHG ordnet die entsprechende Anwendung der Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 für in den Freiverkehr oder in den geregelten Markt einbezogene Finanzinstrumente an, und § 6 MaKonV regelt die Anerkennung ausländischer Stabilisierungsregeln. Das geltende deutsche Recht stellt einen grundsätzlichen Gleichlauf der europäischen und deutschen „safe harbours“ sicher, der auch dem Umstand geschuldet ist, dass die Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 als EG-Verordnung grundsätzlich unmittelbar in jedem Mitglied-
1 Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 77. 2 Zust. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 272; s. noch unten Rz. 243. 3 Dok. CESR/02–020b, April 2002 „Stabilisation and Allotment – A European Supervisory Approach“; Dok. CESR/02.089d, Dezember 2002 „Advice on Level 2 Implementing Measures for the proposed Market Abuse Directive“; beide abrufbar unter www.esma.europa.eu. 4 S. 3. Aufl. des Kommentars Rz. 125 ff. sowie BR-Drucks. 639/03, S. 13.
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staat gilt (Art. 288 Abs. 2 Satz 2 AEUV, zuvor Art. 249 Abs. 2 Satz 2 EG-Vertrag)1 und in ihrem Regelungsbereich Vorrang vor abweichendem nationalen Recht genießt, so dass dem nationalen Gesetz- und Verordnungsgeber insoweit kein Gestaltungsspielraum mehr verbleibt2. Allerdings dürfte es dem deutschen Gesetz- und Verordnungsgeber unbenommen sein, außerhalb des Regelungsbereichs der Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 liegende „safe harbours“ festzulegen, sofern hierdurch nicht die Geltung des Marktmanipulationsverbots in nicht mehr europarechtskonformer Weise beeinträchtigt wird; hiervon ist aber bislang noch kein Gebraucht gemacht worden. Über die Rechtsnatur der „safe harbours“ nach § 20a Abs. 3 WpHG, §§ 5, 6 MaKonV herrscht keine volle Klarheit3.
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Zum einen fragt sich, wie sie sich systematisch zu den zulässigen Marktpraktiken 242 nach § 20a Abs. 2 WpHG, §§ 7–10 MaKonV verhalten (s. hierzu bereits oben Rz. 170). Teilweise wird vertreten, die „safe harbours“ seien speziell geregelte Fälle zulässiger Marktpraxis4. Daran trifft zu, dass sich die Anwendungsbereiche beider Figuren überschneiden und es nicht ausgeschlossen erscheint, Handlungen, die in der Nähe eines „safe harbours“ liegen, als zulässige Marktpraxis anzuerkennen (vgl. Rz. 170). Im Übrigen ist jedoch festzuhalten, dass „safe harbours“ im Unterschied zu zulässigen Marktpraktiken nicht zwingend eine tatsächlich bestehende Gepflogenheit voraussetzen, durch Normsetzung (Verordnung) festgelegt werden, aber keiner – weiteren – Anerkennung durch die zuständige Behörde bedürfen und europaweit gelten (können). Zum anderen ist – ähnlich wie bei den zulässigen Marktpraktiken – umstritten, ob 243 „safe harbours“ dogmatisch als Tatbestandsausschlussgründe5 oder erst als Rechtfertigungsgründe6 oder gar erst als persönliche Straf- bzw. Ahndbarkeitsausnahmen oder negative objektive Straf- bzw. Ahndbarkeitsbedingungen7 zu verstehen sind. Zwar spricht Erwägungsgrund (33) der Marktmissbrauchsrichtlinie davon, dass Kursstabilisierungsmaßnahmen „gerechtfertigt“ sein können, und Art. 3 und 7 DurchführungsVO (EG) Nr. 2273/2003 sprechen von einer „Freistellung“ vom Marktmanipulationsverbot. Jedoch kann eine Handlung, die „in keinem Fall“ eine Marktmanipulation darstellt, kaum als an sich tatbestandsmäßig und nur ausnahmsweise gerechtfertigt verstanden werden; da und soweit ein „safe harbour“ professionsadäquates Verhalten umschreibt (oben Rz. 239), handelt es sich um die Klarstellung der Nichtanwendbarkeit des Tatbestandes. Diese Einordnung ist insoweit unproblematisch, als „safe harbours“ an Vorausset- 244 zungen anknüpfen, die vor oder spätestens bei der Handlung oder Unterlassung, die Gegenstand des „safe harbour“ ist, erfüllt sein müssen. Allerdings sieht die Durch1 Ob dies bereits vor Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie bzw. Ablauf der Umsetzungsfrist anzunehmen war, war umstritten, bejahend Streinz/Ohler, WM 2004, 1309. 2 Zutr. BR-Drucks. 18/05, S. 18. 3 Ebenso Sorgenfrei, in: Park, §§ 20a, 38 II, 39 I Nr. 1–2, II Nr. 11, IV WpHG Rz. 166: „dogmatisch ungeklärt“. 4 So namentlich Schönhöft, S. 102. 5 H.A., s. nur Bingel, S. 161; Bisson/Kunz, BKR 2005, 186 (189); Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 92; Holzborn/Israel, WM 2004, 1948 (1954); Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 271; Schröder, Handbuch Kapitalmarktstrafrecht, Rz. 448; Waschkeit, S. 297. 6 So Grüger, S. 98, 250; s. auch Dier/Fürhoff, AG 2002, 604 (605). 7 Vgl. hierzu Waschkeit, S. 296.
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führungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 auch nachwirkende Pflichten, namentlich Publizitäts- und Dokumentationspflichten, vor (vgl. Art. 4 Abs. 4, 9 Abs. 2–4). In derartigen Fällen fragt sich, ob, werden nur diese Pflichten verletzt, der „safe harbour“ gleichsam nachträglich entfallen kann. Straf- und bußgeldrechtlich kommt eine nachträgliche Straf- oder Ahndbarkeitsbegründung im Grundsatz nicht in Betracht1. Unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs diskutabel ist allenfalls, eine Ausnahme in den Fällen zu machen, in denen von Anfang an die Absicht besteht, die nachwirkenden Pflichten nicht zu erfüllen; auch dann dürfte es aber schwierig sein, ein im Übrigen in jeder Hinsicht ordnungsgemäßes Verhalten als tatbestandsmäßige Marktmanipulation i.S. von § 20a Abs. 1 Satz 1 zu erfassen. Demgegenüber kann es kapitalmarktrechtlich durchaus relevant sein und Anlass für ein Überwachungsverfahren und aufsichtsrechtliche Maßnahmen geben, wenn nachwirkende Pflichten eines „safe harbour“ nicht erfüllt werden2, wobei freilich – erneut – die nachträgliche Pflichtverletzung im Mittelpunkt stehen und der Vorwurf einer Marktmanipulation schwerlich zu begründen sein dürfte. 245 „Safe harbours“ sind verbindlich, d.h. zwingend und sperren den Rückgriff auf § 20a Abs. 1 Satz 1, selbst wenn ein Rechtsanwender meinen sollte, es liege ein nach allgemeiner Gesetzesauslegung tatbestandsmäßiges Verhalten vor (zu den insoweit bestehenden äußersten Grenzen für die Verordnungsgebung s. oben Rz. 13 ff.). Auf der anderen Seite sind sie nicht in dem Sinne abschließend, als ihren Anforderungen nicht genügende Marktverhaltensweisen per se verbotene Marktmanipulationen darstellen. Erwägungsgrund (2) der Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 hält – für den Rechtsanwender verbindlich – fest, dass Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen, die nicht den Anforderungen der Verordnung genügen, nicht per se als Marktmissbrauch gewertet werden müssen, und nach Erwägungsgrund (3) Satz 2 ziehen Verhaltensweisen, die nicht unmittelbaren Bezug zum Zweck von Rückkaufoder Kursstabilisierungsmaßnahmen haben, nur dann Verwaltungsmaßnahmen oder Sanktionen nach sich, wenn die zuständige Behörde einen Marktmissbrauch feststellt3. In derartigen Fällen kommt freilich den Marktteilnehmern, die sich außerhalb eines verordnungsrechtlich anerkannten „safe harbour“ bewegen, dessen tatbestandsausschließende Wirkung nicht zugute, und die Marktteilnehmer laufen das Risiko, dass die Bundesanstalt oder Gerichte eine verbotene und ggf. straf- oder ahndbare Marktmanipulation feststellen. 2. Anwendungsbereich der „safe harbours“ 246 § 20a Abs. 3 Satz 1 und – inhaltsgleich – § 5 MaKonV verweisen für den Anwendungsbereich der „safe harbours“ auf die Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003. Deren Art. 2 Nr. 6 erfasst Transaktionen mit „relevanten Wertpapieren“, nämlich Wertpapieren4, die auf einem geregelten Markt i.S. des Art. 1 Nr. 4 Marktmissbrauchsrichtlinie im EU- und EWiR-Raum zum Handel zugelassen sind bzw. für die 1 Ebenso Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 340. 2 Ebenso Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 339. 3 Ähnlich BR-Drucks. 639/03 (zu §§ 4 ff. KuMaKV): „Außerhalb des Safe Harbour liegende Handlungen können, müssen aber nicht die Voraussetzungen des Verbotstatbestandes von § 20a Abs. 1 WpHG erfüllen“. 4 Der im deutschen Verordnungstext enthaltene Verweis auf den Wertpapierbegriff der Marktmissbrauchsrichtlinie („2003/6/EG“) ist ein schlichtes Redaktionsversehen oder ein Übersetzungsfehler. In allen anderen Amtssprachen wird auf die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie („93/22/EWG“) verwiesen, an deren Stelle aber die MiFID getreten ist, die freilich in Art. 4 Abs. 1 Nr. 17 nur mehr vom „Finanzinstrument“ spricht.
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ein Zulassungsantrag gestellt wurde, wenn für sie ein signifikantes Zeichnungsangebot besteht. Letzteres ist freilich nur für Stabilisierungsmaßnahmen von Bedeutung, so dass der allgemeine Anwendungsbereich der Verordnung entsprechend Art. 9 Marktmissbrauchsrichtlinie alle Finanzinstrumente umfasst, die im EU- bzw. EWiRRaum zugelassen sind bzw. für die dort eine Zulassung beantragt worden ist1. Im Übrigen bleiben die Grundsätze über den gegenständlichen und räumlichen Anwendungsbereich des Marktmanipulationsverbots unberührt (s. oben Rz. 33 ff., 45 ff.). Mit § 20a Abs. 3 Satz 2 WpHG erweitert das deutsche Recht – insoweit autonom2 – 247 den Anwendungsbereich der „safe harbours“ über die Vorgaben der DurchführungsVO (EG) Nr. 2273/2003 hinaus auf Finanzinstrumente, die zwar nicht nicht im EUoder EWiR-Raum zugelassen, aber dort in den Freiverkehr oder in den regulierten Markt einbezogen sind. Im Unterschied zu § 20a Abs. 1 Satz 2, 3 WpHG genügen der Antrag auf Einbeziehung oder dessen öffentliche Ankündigung (s. oben Rz. 39) nicht. Abgesehen davon stellt der Gesetzgeber mit § 20a Abs. 3 Satz 2 WpHG aber einen sinnvollen Gleichlauf zu § 20a Abs. 1 Satz 2, 3 WpHG her (vgl. hierzu Waschkeit, S. 296) und dürfte sich damit noch im Rahmen der ihm von Europarechts wegen verbleibenden Gestaltungsspielräume bewegen3. Die in § 20a Abs. 3 Satz 2 WpHG angeordnete „entsprechende“ Anwendung durch Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 konkretisiert § 6 MaKonV für Stabilisierungsmaßnahmen in der Weise, dass entweder deren Anforderungen erfüllt oder aber die in dem jeweiligen ausländischen Markt bestehenden Stabilisierungsregeln eingehalten werden, sofern sie den Regeln der Verordnung gleichwertig sind (s. noch unten Rz. 281). 3. Rückkaufprogramme § 13 KuMaKV hatte die Frage, ob der Erwerb eigener Aktien verbotene Marktmanipu- 248 lation sein kann, noch mit einem – in sich fragwürdigen4 – Verweis auf § 71 Abs. 1 AktG beantwortet, der anlassbezogene Rückkäufe eigener Aktien (im Unterschied zu kontinuierlicher Kurspflege) für zulässig erklärt. Nach dem Willen des Verordnungsgebers sollte zudem der Eigenerwerb zur Abwehr einer Übernahme erfasst sein, sofern die Vorgaben des § 33 WpÜG eingehalten waren5. Diese Regelung war unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung sinnvoll (s. noch unten Rz. 299), aber schwerlich mit den Vorgaben der Art. 3–6 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 vereinbar. Mit § 20a Abs. 3 Satz 1 WpHG und § 5 MaKonV sind diese Vorgaben nunmehr im Wesentlichen „eins zu eins“ umgesetzt worden, und der „safe harbour“ ist nunmehr auf Rückkaufprogramme beschränkt und in der Sache deutlich restriktiver als § 71 AktG, § 33 WpÜG ausgestaltet worden6. Rückkaufprogramme haben für Aktiengesellschaften große wirtschaftliche Bedeutung7, und seit der Lockerung des Erwerbsverbots durch das KonTraG 1998 lassen 1 2 3 4
Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. II – Art. 1 VO 2273/2003 Rz. 1. Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 275. Vgl. BR-Drucks. 18/05, S. 18. Indem nur auf § 71 Abs. 1 Satz 1 AktG verwiesen wurde, stellte sich die Frage, ob auch Umgehungs- oder gleichgestellte Handlungen gemäß §§ 71a, 71d und 71e AktG erfasst sein sollten; krit. Vogel, WM 2003, 2437 (2441 f.). 5 BR-Drucks. 639/03, S. 18. 6 Eingehend Geber/zur Megede, BB 2005, 1861; Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302; Singhof/ Weber, AG 2005, 549. 7 S. Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 93 f.; Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 282 ff.
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sich viele Aktiengesellschaften routinemäßig von der Hauptversammlung ermächtigen, eigene Aktien zu erwerben (§ 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG). Diese können u.a. dazu dienen, Verpflichtungen aus Mitarbeiteroptionsprogrammen zu bedienen, mit eigenen Aktien bezahlte Akquisitionen vorzubereiten, die Eigenkapitalrendite zu erhöhen, die Beteiligungsstruktur zu verändern oder Dividendenausschüttungen zu ersetzen. Vor allem aber sind Rückkaufprogramme ein klassisches Mittel der sog. Kurspflege (s. noch unten Rz. 303), insbesondere um dem Markt zu signalisieren, dass die eigenen Aktien als unterbewertet anzusehen sind. Von dem nunmehrigen „safe harbour“ sind nicht alle diese Zwecke erfasst – was aber nicht bedeutet, dass außerhalb des „safe harbour“ liegende Rückkaufprogramme per se als Marktmanipulation anzusehen wären. 250 In den „safe harbour“ fallende, also marktmanipulationsrechtlich unbedenkliche Rückkaufprogramme müssen sich zudem an dem anderweitigen Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht messen lassen1. Aktienrechtlich ist § 71 AktG zu beachten (s. noch unten Rz. 296 ff.). Zwar schützt der „safe harbour“ auch vor dem Vorwurf verbotener Insidergeschäfte (§ 14 Abs. 2 WpHG, s. dort); jedoch entbindet ein nach Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 durchgeführtes Rückkaufprogramm nicht von der Pflicht zur Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG; insbesondere muss der Beschluss des Vorstandes, von der Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien Gebrauch zu machen, ad hoc publiziert werden, wenn er – wie regelmäßig – kurserheblich ist (eingehend § 15 Rz. 39, 87). Führt der Rückerwerb eigener Aktien dazu, dass Schwellenwerte i.S. von §§ 21 Abs. 1, 25 Abs. 1 WpHG überschritten werden, so müssen die entsprechenden Mitteilungen erfolgen (§ 21 Rz. 59)2. 251 Gemäß Art. 2 Nr. 3 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 erfasst der „safe harbour“ jeglichen Handel mit eigenen Aktien i.S. von Art. 19–24 der sog. Zweite Gesellschaftsrechtsrichtlinie3. Den Anforderungen der Verordnung müssen also nicht nur der Erwerb eigener Aktien durch den in eigenem Namen handelnden Emittenten genügen, sondern auch der Erwerb durch andere Personen, die für Rechnung des Emittenten handeln (Art. 19 Abs. 1 Satz 1 Zweite Gesellschaftsrechtsrichtlinie; vgl. § 71d AktG und die dortigen Kommentierungen), darüber hinaus Umgehungshandlungen4, insbesondere die Gewährung von Vorschüssen oder Darlehen oder die Leistung von Sicherheiten durch den Emittenten an einen Dritten zum Zweck des Aktienerwerbes durch diesen (Art. 23 Abs. 1 Zweite Gesellschaftsrechtsrichtlinie; vgl. § 71a AktG und die dortigen Kommentierungen), und die Inpfandnahme eigener Aktien (Art. 24 Abs. 1 Zweite Gesellschaftsrechtsrichtlinie; vgl. § 71e AktG und die dortigen Kommentierungen). Erfasst ist auch der Handel mit eigenen Aktien in Form derivativer Finanzinstrumente („Derivative-Based Share Repurchase“, vgl. Erwägungsgrund [8]), z.B. durch Erwerb von Kaufoptionen. Darauf, ob der Erwerb börslich („Open Market 1 Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 293 gegen Geber/zur Megede, BB 2005, 1861. 2 Ebenso Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 301. 3 Zweite Richtlinie des Rates vom 13.12.1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (77/91/EWG), ABl. EG Nr. L 26 v. 31.1.1977, S. 1. – Krit. zur Verwendung des Begriffs „Handel“ in diesem Zusammenhang Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 93 (mit Verweis auf das aktienrechtliche Verbot des Handels in eigenen Aktien, § 71 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 AktG). 4 Ebenso Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. II – Art. 2 VO 2273/2003 Rz. 8.
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Repurchase Programm“), als Rückkaufangebot an Aktionäre („Self-Tender Offer“) oder außerbörslich („Off-market Repurchase“) durchgeführt wird, kommt es nicht an. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Verordnung fällt der Rückerwerb eigener Schuldverschreibungen aber nicht in den „safe harbour“1. Erwägungsgrund (4) der Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 stellt klar, dass die gesellschaftsrechtlichen Anforderungen an den Handel mit eigenen Aktien unberührt bleiben; deren Beachtung führt andererseits nicht ohne weiteres dazu, dass der Handel marktmanipulationsrechtlich unbedenklich ist. Das Rückkaufprogramm muss nicht zwingend „programmiert“ in dem Sinne sein, dass Termine und Menge der Wertpapiere, die während der Laufzeit gehandelt werden sollen, vorab festgelegt werden (vgl. Art. 2 Nr. 4 Durchführungs-VO [EG] Nr. 2273/2003). In den Schutzbereich des „safe harbour“ fallen gemäß Art. 3 Durchführungs-VO (EG) 252 Nr. 2273/2003 nur solche Rückkaufprogramme, die einzig und allein bestimmten Zwecken dienen: – der Kapitalherabsetzung, sei es durch Herabsetzung der Zahl oder des Werts der Aktien. Auch kapitalmarktrechtlich ist erforderlich, dass die Hauptversammlung einen entsprechenden Beschluss gefasst hat2; – der Erfüllung der Verpflichtungen aus Schuldtiteln, die in Beteiligungskapital umgewandelt werden können. Gemeint sind u.a. (Wandel-) Schuldverschreibungen (s. Erwägungsgrund [5] und § 221 AktG) und mit Wandel- und Bezugsrechten ausgestattete Genussrechte. Bezugsrechte, die nicht in Beteiligungskapital umgewandelt werden können, genügen aber nicht; – der Erfüllung der Verpflichtungen aus Belegschaftsaktienprogrammen und anderen Formen der Zuteilung von Aktien an Mitarbeiter3 des Emittenten oder einer Tochtergesellschaft. Belegschaftsaktienprogramme dienen der Mitarbeiterbeteiligung, die die Möglichkeit erhalten, eine i.d.R. limitierte Zahl von Unternehmensaktien zu i.d.R. begünstigten Bedingungen i.d.R. verbunden mit einer Sperrfrist für die Wiederveräußerung zu erwerben. Andere Aktienzuteilungsformen sind insbesondere als erfolgsabhängige Gehaltsbestandteile eingeräumte Optionsrechte (vgl. aber auch § 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG, wonach aktienrechtlich der Erwerb eigener Aktien nur zugunsten von Arbeitnehmern – nicht auch Organmitgliedern – zulässig ist). Nicht in den Schutzbereich des „safe harbour“ einbezogen sind Rückkaufprogramme, die nur oder auch anderen Zwecken dienen, z.B. dem Zweck, – Schaden von der Gesellschaft abzuwenden (vgl. § 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AktG); – einem Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsunternehmen Wertpapierhandel zu ermöglichen (vgl. § 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 AktG); – anlassbezogene Kurspflege zu betreiben (vgl. § 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 AktG); oder – eine Übernahme abzuwenden (vgl. § 33 WpÜG). In derartigen Fällen ist freilich zu bedenken, dass das Verlassen des „safe harbour“ nicht per se bedeutet, dass eine Marktmanipulation vorliegt. Insbesondere dürfte das für jede Marktmanipulation erforderliche Täuschungselement jedenfalls dann entfallen, wenn die Publizitätsvorgaben entsprechend Art. 4 Abs. 2, 4 Durchführungs-VO 1 Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. II – Art. 2 VO 2273/2003 Rz. 9. 2 Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. II – Art. 3 VO 2273/2003 Rz. 4. 3 Einschließlich Organmitglieder, Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. II – Art. 3 VO 2273/2003 Rz. 9.
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(EG) Nr. 2273/2003 erfüllt werden1, wobei sich zudem empfehlen dürfte, die Handelsbedingungen aus Art. 5 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 – mutatis mutandis – zu beachten. 253 Art. 4 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 stellt Bedingungen für dem „safe harbour“ unterfallende Rückkaufprogramme, die im Wesentlichen auf hinreichende Publizität bzw. Transparenz (s. auch deren Erwägungsgrund [6]) abzielen. 254 Zunächst (Art. 4 Abs. 1) müssen die Bedingungen des Art. 19 Abs. 1 Zweite Gesellschaftsrechtsrichtlinie (oben Rz. 251) erfüllt sein. Hiernach erforderlich ist eine Genehmigung durch die Hauptversammlung, welche die Einzelheiten des vorgesehenen Erwerbs und insbesondere die Höchstzahl der zu erwerbenden Aktien, die Geltungsdauer der Genehmigung, die achtzehn Monate nicht überschreiten darf, und bei entgeltlichem Erwerb den niedrigsten und höchsten Gegenwert festlegt. Das Volumen des Erwerbs darf 10 % des gezeichneten Kapitals nicht überschreiten, nur voll eingezahlte Aktien betreffen und das Garantiekapital nicht beeinträchtigen. 255 Sodann (Art. 4 Abs. 2) muss der Emittent in allen EU-Staaten, in denen er einen Antrag auf Zulassung seiner Aktien zum Handel auf einem geregelten Markt gestellt hat, das Rückkaufprogramm vor dessen Ausführung in allen Einzelheiten angemessen bekannt geben und insbesondere seinen Zweck, den maximalen Kaufpreis, die maximal zu erwerbende Aktienstückzahl und den Zeitraum nennen, für den das Programm genehmigt worden ist, aber auch nachträgliche Änderungen wie insbesondere den Abbruch oder die Aussetzung eines Rückkaufprogrammes; das planmäßige Auslaufen ist aber keine Änderung und muss nicht bekannt gegeben werden. Die Aufzählung ist nicht abschließend; zu den bekannt zu gebenden „Einzelheiten“ zählen u.a. auch der Hauptversammlungsbeschluss und ggf. der Beschluss des Vorstandes und Aufsichtsrats über die Ausnutzung der Ermächtigung2. Gemäß Art. 2 Nr. 5 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 muss eine angemessene Bekanntgabe den Anforderungen der Art. 102 Abs. 1, 103 der sog. Kapitalmarktpublizitätsrichtlinie3 genügen, an deren Stelle nunmehr die sog. Transparenzrichtlinie4 getreten ist. Erforderlich ist einerseits die Veröffentlichung in Medien, bei denen vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass sie die Informationen tatsächlich an die Öffentlichkeit in der gesamten Gemeinschaft weiterleiten („Anlegerpublizität“5) und andererseits die Unterrichtung der zuständigen staatlichen Stellen („Behördenpublizität“). Zur Sprachenfrage s. Art. 20 Transparenzrichtlinie. 256 Weiterhin (Art. 4 Abs. 3) muss der Emittent über Mechanismen verfügen, die gewährleisten, dass er seinen Meldepflichten gegenüber Aufsichtsbehörden nachkommt, insbesondere den Pflichten aus Art. 20 Abs. 1 Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, nunmehr Art. 25 Abs. 1, 3 Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente
1 A.A., aber ohne nähere Begründung, Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 89. 2 Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. II – Art. 4 VO 2273/2003 Rz. 8. 3 Richtlinie 2001/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen, ABl. EG Nr. L 184 v. 6.7.2001, S. 1. 4 Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten (…), ABl. EG Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 38. 5 Entgegen des dortigen Erwägungsgrund (7) ist die Öffentlichkeit also nicht bloß „erforderlichenfalls“ zu unterrichten, sondern stets.
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(MiFID)1. Diese Vorschriften betreffen freilich unmittelbar Wertpapierfirmen, nicht aber Emittenten als solche, die eine derart weitgehende Meldepflicht auch in anderen Zusammenhängen nicht trifft. Mit Recht geht deshalb die h.A. davon aus, dass den Emittenten nur eine Aufzeichnungspflicht trifft, während die eigentliche Meldepflicht nur einer ggf. mit der Durchführung des Rückkaufprogrammes betrauten Wertpapierfirma obliegt2. Schließlich (Art. 4 Abs. 4) muss der Emittent für alle Transaktionen spätestens am 257 Ende des siebten Handelstages nach deren Ausführung die in Art. 4 Abs. 3 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 genannten Informationen bekannt geben. Die Vorschrift bezieht sich auf „alle“ in Ausführung des Rückkaufprogrammes getätigten Transaktionen, woraus in der 5. Aufl. des Kommentars Rz. 257 abgeleitet worden ist, die Siebentagesfrist beginne erst mit Ausführung der letzten Transaktion zu laufen und bekannt zu geben sei eine zusammenfassende Darstellung eben aller Transaktionen. Nach Sinn und Zweck des Transparenzerfordernisses erscheint aber die Gegenauffassung vorzugswürdig, dass die jeweils an einem Handelstag getätigten Transaktionen spätestens am Ende des siebten Handelstages danach jeweils bekannt gegeben werden müssen3. Der europäische Verordnungsgeber verlangt keine „angemessene“ Bekanntmachung, was ein Redaktionsversehen sein dürfte4. Im Hinblick darauf, dass die Vorschrift die Reichweite eines „safe harbour“, also mittelbar des Marktmanipulationsverbots betrifft, ist eine Berichtigung des Normtexts zu Lasten des Emittenten ausgeschlossen5. Deshalb genügt jede Bekanntgabe z.B. auf der Internetpräsenz des Emittenten. Art. 5 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 enthält Handelsbedingungen, nämlich Bedingungen für die Ausführung des Rückkaufprogrammes betreffend den Preis (Abs. 1) und das Volumen (Abs. 2, 3). Die Vorschrift soll verhindern, dass durch Erwerb eigener Aktien deren Preis künstlich nach oben getrieben wird, sei es durch über dem Marktpreis liegende Rückkauforders, sei es durch erhebliche Rückkaufvolumina, die das Angebot verknappen und so den Preis treiben.
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Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 darf der Erwerb nicht zu einem Preis erfolgen, der über 259 dem des letzten unabhängig von dem Erwerb getätigten Abschlusses oder (sollte dieser höher sein) des derzeit höchsten unabhängigen Angebots – gemeint ist Kaufangebot6 – liegt; das gilt sinngemäß auf nicht geregelten Märkten (Art. 5 Abs. 1 Satz 2) und bei Abwicklung des Erwerbs über derivative Finanzinstrumente (Art. 5 Abs. 1 Satz 3). Der deutsche Wortlaut lässt die Auslegungsfrage entstehen, ob sich das Wort „dieser“ in der Klammer auf den Abschluss oder das Angebot bezieht. Gegen Singhof/Weber7 und mit Mock/Stoll/Eufinger8 ist die Frage im zuerst genannten Sinne zu entscheiden: Liegt z.B. der letzte Abschluss bei 100, das derzeit höchste Kaufangebot aber bei 90, weil mittlerweile negativ kursbeeinflussende Informationen bekannt geworden sind, so würde es dem Sinn und Zweck des Art. 5 (soeben Rz. 258) widerspre1 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente (…), ABl. EG Nr. L 145 v. 30.4.2004, S. 1. 2 Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302 (307); Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. II – Art. 4 VO 2273/2003 Rz. 15; Singhof/Weber, AG 2005, 549 (557). 3 Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 90. 4 Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302 (306 f.); Singhof/Weber, AG 2005, 549 (558). 5 Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. II – Art. 4 VO 2273/2003 Rz. 17; a.A. Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302 (306 f.). 6 Singhof/Weber, AG 2005, 549 (558). 7 Singhof/Weber, AG 2005, 549 (558). 8 Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. II – Art. 5 VO 2273/2003 Rz. 2.
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chen, einen Rückkauf zu 100 zuzulassen; vielmehr darf der Rückkäufer 90 nicht überschreiten. Abschlüsse und Angebote sind unabhängig, wenn an ihnen weder der Emittent noch für seine Rechnung handelnde Personen unmittelbar oder mittelbar beteiligt sind; wenn sich die Preise durch solche Abschlüsse und Angebote nach oben verändern, so darf der Emittent folgen. 260 An einem Börsentag darf der Emittent nicht mehr als 25 % des durchschnittlichen täglichen Handelsvolumens auf dem geregelten Markt, auf dem der Kauf erfolgt, zurückerwerben (Art. 5 Abs. 2 Satz 1). Die Verordnung bietet zwei Berechnungsmodi für dieses Volumen an: Der Emittent kann es bei Bekanntgabe („Veröffentlichung“) des Rückkaufprogrammes für dessen genehmigte Dauer unter Bezugnahme auf das durchschnittliche tägliche Handelsvolumen im Monat vor der Bekanntgabe („Veröffentlichung“) festlegen (Art. 5 Abs. 2 Satz 2); er kann hierauf aber auch verzichten, was dazu führt, dass für jeden Kauf das durchschnittliche tägliche Handelsvolumen der letzten 20 Börsentage vor Kauftermin maßgeblich ist (Art. 5 Abs. 2 Satz 3). Der erste Modus ist weniger aufwendig, weil das Volumen nur einmal berechnet werden muss, und kann sich empfehlen, wenn der Emittent damit rechnet, dass die Tagesvolumina während der Laufzeit des Rückkaufprogrammes sinken; der zweite Modus ist aufwendiger, weil das Volumen von Tag zu Tag neu berechnet werden muss, kann sich aber empfehlen, wenn der Emittent mit steigenden Tagesvolumina rechnet und/ oder sich mehr Flexibilität bewahren will. Der außerbörsliche Rückkauf eigener Aktien insbesondere von einzelnen Aktionären (sog. negotiated repurchase) ist von der Volumenbegrenzung nicht erfasst1. Bei Rückkauf über Derivative (z.B. Kaufoptionen) kommt es für die Volumenberechnung nach h.A. auf die Optionsausübung an2. Unproblematisch ist diese Auffassung nicht. Sie ermöglicht es nämlich dem Emittenten, durch den massenhaften Erwerb von Optionen auf den Kauf eigener Aktien künstlich deren Preis nach oben zu treiben, insbesondere weil die Gegenparteien das Optionsausübungsrisiko regelmäßig „hedgen“, nämlich selbst Aktien bzw. Kaufoptionen erwerben, um für den Fall der Optionsausübung erfüllungsfähig zu sein, und so den Nachfragedruck auf Aktien des Emittenten weiter erhöhen. Daher lässt sich bezweifeln, ob die h.A. dem Sinn und Zweck des Art. 5 (oben Rz. 258) hinreichend Rechnung trägt. 261 Bei außerordentlich niedriger Liquidität auf dem betreffenden Markt kann der Emittent die 25 %-Schwelle bis zu einem Volumen von 50 % des – entsprechend Art. 5 Abs. 2 Satz 2, 3 zu berechnenden – durchschnittlichen Tagesvolumens überschreiten, vorausgesetzt, er teilt die diesbezügliche Absicht der zuständigen Behörde (Bundesanstalt) vorab mit und gibt in angemessener Weise dem Publikum bekannt, dass er die 25 %-Schwelle unter Umständen überschreiten wird (Art. 5 Abs. 3). Für die Liquidität sind die Zahl der umlaufenden Aktien, die Transaktionszahl und der Handelsumsatz auf dem betreffenden Markt maßgeblich. Außerordentlich niedrig ist die Liquidität, wenn sie deutlich unter der Untergrenze gewöhnlicher Liquiditätsschwankungen auf vergleichbaren Märkten liegt. Art. 5 Abs. 3 ist auch anwendbar, wenn sich erst während der Laufzeit des Rückkaufprogrammes eine außerordentlich niedrige Liquidität ergibt (vgl. Erwägungsgrund [9] Satz 2: „gewisses Maß an Flexibilität, um auf die gegebenen Marktbedingungen, etwa einen geringen Umfang an Transaktionen, reagieren zu können“); eine vorherige Festlegung gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 2 bindet den Emittenten also nicht. 1 Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. II – Art. 5 VO 2273/2003 Rz. 15. 2 Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. II – Art. 5 VO 2273/2003 Rz. 11; Singhof/Weber, AG 2005, 549 (559).
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Art. 6 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 enthält weitere Einschränkungen, die 262 der Transparenz und Fairness der Durchführung eines Rückkaufprogrammes zu dienen bestimmt sind. Dem Emittenten und unmittelbar oder mittelbar für seine Rechnung handelnden Personen ist es untersagt, während der Laufzeit des Rückkaufprogrammes eigene Aktien zu verkaufen (Art. 6 Abs. 1a); die Ausgabe von Aktien an Mitarbeiter im Rahmen von Belegschaftsaktienprogrammen oder an Inhaber von Wandelschuldverschreibungen ist kein Verkauf im Sinne dieser Vorschrift1. „Geschlossene Zeiträume“, in denen der Handel generell untersagt ist (s. Erwägungsgrund [10]), gibt es in der Bundesrepublik Deutschland nicht, so dass Art. 6 Abs. 1b hierzulande bedeutungslos ist2. Solange der Emittent die Ad-hoc-Veröffentlichung von Insiderinformationen gemäß Art. 6 Abs. 2 Marktmissbrauchsrichtlinie (s. im deutschen Recht § 15 Abs. 3 WpHG und dort Rz. 42, 131 ff.) aufgeschoben hat, darf er sich gleichfalls nicht am Handel, d.h. am Rückkauf, beteiligen (Art. 6 Abs. 1c). Von diesen – v.a. mit Blick auf Art. 6 Abs. 1a und Abs. 1c durchaus einschneidenden 263 – Einschränkungen kann sich der Emittent befreien, indem er ein programmiertes Rückkaufprogramm i.S. von Art. 1 Nr. 4 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 vorsieht, also bereits bei dessen Bekanntgabe (Art. 4 Abs. 2) Termine und Menge der Wertpapiere, die während der Laufzeit gehandelt werden sollen, festlegt (Art. 6 Abs. 3a). Das hat freilich den Nachteil, dass der Emittent nicht mehr flexibel auf Marktveränderungen reagieren kann. Eher in Betracht kommt der Weg, dass das Rückkaufprogramm unter Führung eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens („Wertpapierhaus oder Kreditinstitut“) durchgeführt wird, welches seine Entscheidungen über den Zeitpunkt des Erwerbs unabhängig und unbeeinflusst vom Emittenten trifft (Art. 6 Abs. 3b), was im Vertragsverhältnis zwischen Emittent und Wertpapierdienstleistungsunternehmen ausdrücklich festgehalten werden sollte. Für Emittenten, die selbst Wertpapierdienstleistungsunternehmen („Wertpapierhaus 264 oder Kreditinstitut“) sind, sieht Art. 6 Abs. 2 weitere Befreiungen vor: Das Verkaufsverbot gilt nicht, wenn aufsichtsbehördlich überwachte „chinese walls“ zwischen über Insiderinformationen verfügenden Personen einerseits und den mit eigenen Aktien (sei es auch im Namen von Kunden) handelnden Personen andererseits eingerichtet sind (Art. 6 Abs. 2 erster Unterabsatz). Das Verbot des Erwerbes während „geschlossener Zeiträume“ und das Verbot, die Ad-hoc-Publizität von Insiderinformationen aufzuschieben, gelten nicht, wenn gleichfalls aufsichtsbehördlich überwachte „chinese walls“ zwischen den über Insiderinformationen (einschließlich Handelsentscheidungen im Rahmen des Rückkaufprogrammes) verfügenden Personen einerseits und den für den Handel mit eigenen Aktien im Namen von Kunden andererseits zuständigen Personen bestehen (Art. 6 Abs. 2 zweiter Unterabsatz). 4. Stabilisierungsmaßnahmen a) Überblick Der „safe harbour“ der Maßnahmen zur Stabilisierung des Preises von Finanzinstru- 265 menten nach § 20a Abs. 3 WpHG, § 5 MaKonV und Art. 7–11 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 ist wesentlich technischer und enger als das, was in Kapitalmarktkreisen bzw. im Kapitalmarktrecht allgemein unter „Kursstabilisierung“, „Kursstützung“, aber auch „Kursdämpfung“ oder „Kurspflege“ verstanden wird: Es geht nicht allgemein darum, (angebliche oder wirkliche) „Marktverzerrungen“ zu 1 Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. II – Art. 6 VO 2273/2003 Rz. 3. 2 Singhof/Weber, AG 2005, 549 (561).
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vermeiden bzw. abzufedern, „Preiskontinuität“ herzustellen oder Transaktionen „kursschonend“ durchzuführen, erst recht nicht darum, bestimmte „Kursziele“ zu erreichen, die z.B. im Zusammenhang mit einer Übernahme, mit Bewertungsstichtagen, aber auch einer möglichen Gewährung von kursabhängigen Boni bedeutsam sind. Vielmehr handelt es sich bei dem „safe harbour“ um eine eng begrenzte Ausnahme vom Marktmanipulationsverbot, die preisstützende Stabilisierungsmaßnahmen in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit (Primär- oder auch Sekundär-) Emissionen von Finanzinstrumenten zum Gegenstand hat, wie es v.a. im angloamerikanischen Ausland seit längerem rechtlich anerkannt und zugleich konkretisiert worden ist1. 266 Im europäischen Rechtsetzungsverfahren ist an diese Entwicklung angeknüpft worden, und gestützt auf Art. 8 Marktmissbrauchsrichtlinie sehen Kap. II, Art. 7–11 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 eingehende Regeln über die Stabilisierung eines Finanzinstruments vor. Diese Regeln sind als europäisches Verordnungsrecht unionsweit verbindlich und gelten unmittelbar und sind über die statische Verweisung in § 20a Abs. 3, § 5 MaKonV zugleich als deutsches Recht anwendbar. Von einer eigenständigen Umsetzung, wie sie früher in §§ 4–12 KuMaKV enthalten war (s. 3. Aufl. des Kommentars Rz. 126 f.), hat der deutsche Gesetz- und Verordnungsgeber mit Recht abgesehen; angesichts der weitgehenden inhaltlichen Übereinstimmung des früheren mit dem heutigen Recht ist die seinerzeitige Begründung des Verordnungsgebers2 freilich auch heute noch von Interesse. 267 Wirtschaftlicher Hintergrund des „safe harbour“ ist der Umstand, dass es bei (Primär- oder auch Sekundär-) Emissionen von Finanzinstrumenten nicht selten zu Kurseinbrüchen in der unmittelbaren Nachemissionsphase kommt, vor allem, weil Anleger zugeteilte Finanzinstrumente kurzfristig veräußern, um Zeichnungsgewinne zu realisieren (sog. flipping)3. Diese Kurseinbrüche werden vom Kapitalmarkt(recht) als unerwünscht bewertet, und es wird als professionsadäquat angesehen, ihnen durch Stabilisierungsmaßnahmen entgegenzuwirken4. Insoweit fasst Erwägungsgrund (11) der Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 zusammen: „Kursstabilisierungsmaßnahmen bewirken … die vorübergehende Stützung des Emissionskurses unter Verkaufsdruck geratener … Wertpapiere, mindern so den durch kurzfristige Anleger verursachten Verkaufsdruck und halten … geordnete Marktverhältnisse aufrecht. Dies liegt sowohl im Interesse der Anleger, die die relevanten Wertpapiere im Rahmen eines signifikanten Zeichnungsangebots gezeichnet oder gekauft haben, als auch im Interesse der Emittenten. Auf diese Weise können Kursstabilisierungsmaßnahmen das Vertrauen der Anleger und der Emittenten in die Finanzmärkte stärken“. Auf der anderen Seite ist anerkannt, dass Stabilisierungsmaßnahmen nicht unbeschränkt zugelassen werden dürfen, sondern transparent gemacht werden müssen, sich nur für einen eng begrenzten Zeitraum rechtfertigen lassen und in ihren Modalitäten reguliert werden müssen. 1 „Price Stabilising Rules“ der Londoner Financial Services Authority (FSA); „Regulation M“ der amerikanischen Securities and Exchange Commission (SEC); näher Pfüller/Anders, WM 2003, 2445 (2446 m.N.). 2 BR-Drucks. 639/03, S. 13 ff. 3 Bei Zweitemissionen kommt flipping vor allem vor, wenn es sich um eine bezugsrechtsfreie Emission handelt. Bei Bezugsemissionen haben die bezugsberechtigten (Alt-) Aktionäre häufig ein Interesse daran, die neuen Aktien zu beziehen und zu halten, damit ihr Anteil an der Gesellschaft nicht verwässert wird; jedoch kann es auch dort zu einem Bezugsrechtshandel kommen (Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 313). 4 Zu weiteren Begründungen Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 112 ff.
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In der Kapitalmarktpraxis1 beschränken sich Stabilisierungsmaßnahmen nicht auf die unmittelbare Nachemissionsphase, sondern werden auch im Vorfeld von Emissionen, namentlich im Handel per Erscheinen, und auch außerhalb von Emissionen z.B. bei der Platzierung von Wertpapierblöcken (hierzu noch unten Rz. 302) vorgenommen. Ausgeführt werden sie i.d.R. durch ein Emissionskonsortium, gelegentlich auch vom Emittenten selbst. Das Emissionskonsortium wird üblicherweise durch einen Stabilisierungsmanager geführt. In der Konsortialvereinbarung kann – aber muss nicht – eine gegenüber dem Emittenten bestehende Pflicht vereinbart sein, Stabilisierungsmaßnahmen vorzunehmen (s. hierzu noch unten Rz. 282). Je nach Lage der Dinge tragen der Emittent, die führende Bank oder das Emissionskonsortium die Kosten. Stabilisierungsmaßnahmen sind der unmittelbare oder mittelbare Erwerb des emittierten Finanzinstruments, sog. Marktschutzvereinbarungen, insbesondere Haltevereinbarungen (lock-up-agreements) oder sog. Marktschonungsvereinbarungen.
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Theoretisch kann sich der „safe harbour“ der Stabilisierungsmaßnahmen mit dem 269 der Rückkaufprogramme überschneiden, wenn der Emittent selbst Stabilisierungsmaßnahmen in Gestalt des Rückkaufs eigener Aktien tätigt. Nach Mock/Stoll/Eufinger2 soll in derartigen Fällen der „safe harbour“ der Rückkaufprogramme lex specialis und vorrangig anwendbar sein. Das erscheint zweifelhaft, weil beide „safe harbours“ alia sind und nicht in einem logischen Spezialitätsverhältnis zueinander stehen. Jedenfalls folgt aus Art. 2 Nr. 7 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003, dass Stabilisierungsmaßnahmen durch Wertpapierhäuser oder Kreditinstitute durchgeführt werden müssen, was die Qualifikation des Rückkaufs eigener Aktien durch den Emittenten als in den „safe harbour“ fallende Stabilisierungsmaßnahme praktisch ausschließt. Die Einhaltung der Art. 7–11 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 schließt zwar die Anwendung des Marktmanipulationsverbots und wegen § 14 Abs. 2 WpHG auch des Verbots von Insidergeschäften aus, lässt aber im Übrigen konkurrierende kapitalmarktrechtliche Pflichten bestehen3. Insbesondere betrifft dies die Ad-hoc-Publizität (§ 15 WpHG), prospektrechtliche Pflichten (§ 7 WpPG) und innerhalb des Emissionskonsortiums die allgemeinen Verhaltensregeln, namentlich die Vermeidung und Beherrschung von Interessenkonflikten (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG), wenn bestimmte Kunden am Unterbleiben von Stabilisierungsmaßnahmen interessiert sind, weil sie auf Kurseinbrüche spekulieren.
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b) Regelungsbereich Der Regelungsbereich des „safe harbour“, der früher in § 4 Abs. 2, 3 KuMaKV präg- 271 nant zusammengefasst war, erschließt sich heute erst aus einer Zusammenschau der Erwägungsgründe (12) bis (15) und der Legaldefinitionen in Art. 2 Nr. 7 bis 14 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003. Ausgangspunkt ist Art. 2 Nr. 7, wonach Kursstabilisierung „jeder Kauf bzw. jedes Angebot zum Kauf relevanter Wertpapiere und jede Transaktion mit vergleichbaren verbundenen Instrumenten, die Wertpapierhäuser oder Kreditinstitute im Rahmen eines signifikanten Zeichnungsangebots für diese Wertpapiere mit dem alleinigen Ziel tätigen, den Marktkurs dieser relevanten Wertpapiere für einen im Voraus bestimmten Zeitraum zu stützen, wenn auf diese Wertpapiere Verkaufsdruck besteht“. Relevante Wertpapiere sind nach Art. 2 Nr. 6 nur 1 Überblick bei Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 312 ff. 2 Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 303, 336. 3 Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 329 ff.
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solche, „für die ein signifikantes Zeichnungsangebot besteht“. Dieses wird wiederum in Art. 2 Nr. 9 als „öffentlich angekündigte Erst- oder Zweitplatzierung“ von Wertpapieren definiert, „die sich sowohl hinsichtlich des Werts der angebotenen Wertpapiere als auch hinsichtlich der Verkaufsmethoden vom üblichen Handel unterscheidet“. Aus alledem folgt: 272 In persönlicher Hinsicht kommt der „safe harbour“ nur „Wertpapierhäusern“ (Art. 2 Nr. 1 Durchführungs-VO [EG] Nr. 2273/2003 i.V.m. Art. 1 Nr. 2 der früheren Wertpapierdienstleistungsrichtlinie), „Wertpapierfirmen“ (Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 MiFiD), und „Kreditinstituten“ (Art. 2 Nr. 2 Durchführungs-VO [EG] Nr. 2273/2003 i.V.m. Art. 1 Nr. 1 Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, ABl. EG Nr. L 126 v. 26.5.2000, S. 1) zugute: Nur diese sind – unmittelbar – zu einer „Kursstabilisierung“ durch Kauf usw. berechtigt. § 5 KuMaKV hatte dies in der Weise präzisiert, dass zur Stabilisierung nur Wertpapierdienstleistungsunternehmen i.S. von § 2 Abs. 4 WpHG und Unternehmen mit Sitz im EU- oder EWiR-Raum, die Wertpapierdienstleistungen erbringen, befugt waren, wenn sie an der Übernahme oder der Platzierung der Wertpapiere beteiligt und gegenüber dem Publikum als „Stabilisierungsmanager“ benannt worden waren1. Diese Präzisierung dürfte auch dem nunmehrigen Recht entsprechen2: Zwar spricht Art. 9 Abs. 1 Satz 1 vor a Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 von „Emittenten, Bieter oder Unternehmen, die die Stabilisierungsmaßnahmen durchführen (gleich ob sie im Namen Ersterer handeln oder nicht)“; aber das heißt nicht, dass Emittenten oder Bieter Stabilisierungsmaßnahmen durch Kauf usw. tätigen können. Soweit Art. 9 Abs. 1 Satz 1d Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 die Bekanntgabe verlangt, „welche Person für die Durchführung der Maßnahme zuständig ist“, entspricht das dem Erfordernis einer Benennung einer Wertpapierfirma bzw. eines Kreditinstituts gegenüber dem Publikum als „Stabilisierungsmanager“ (vgl. auch den dortigen Erwägungsgrund [17] Satz 1 und unten Rz. 282). 273 In sachlicher Hinsicht erfasst der „safe harbour“ zum einen nur Stabilisierungsmaßnahmen im Rahmen von öffentlich angekündigten Erst- oder Zweitplatzierungen relevanter Wertpapiere (s. Art. 2 Nr. 6 Durchführungs-VO [EG] Nr. 2273/20033), die sich sowohl hinsichtlich des Werts der angebotenen Wertpapiere als auch hinsichtlich der Verkaufsmethoden vom üblichen Handel unterscheiden (s. Art. 2 Nr. 7 i.V.m. Nr. 9 Durchführungs-VO [EG] Nr. 2273/2003). Erfasst sind jedenfalls Erst- oder Zweitemissionen im Sinne von formalisierten börslichen „initial“ oder „secondary public offerings“ (IPOs, SPOs) und jedenfalls nicht in den üblichen Handel fallende Platzierungen, die sich als „Privattransaktionen“ (Erwägungsgrund [14]) oder „Privatplatzierungen“ darstellen. Allerdings gibt es einen Zwischenbereich öffentlich angekündigter Privatplatzierungen. Insoweit hatte der frühere § 4 Abs. 3 Satz 2 KuMaKV bestimmt, dass „öffentliche Angebote im Wege eines freihändigen Verkaufs, der sich am Marktgeschehen orientiert, sowie sonstige öffentliche Kauf- oder Umtauschangebote“, nicht erfasst seien; in gewissem Widerspruch hierzu hieß es allerdings in der Begründung, dass die „erneute Unterbringung z.B. aus Großaktionärs- oder Gruppenbesitz“ als erfasste Sekundäremission gelten sollte4. Nunmehr heißt es in Erwä1 S. hierzu BR-Drucks. 639/03, S. 5. 2 Ebenso Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. II – Art. 2 VO 2273/2003 Rz. 37. 3 S. hierzu oben Rz. 246 sowie Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. II – Art. 2 VO 2273/2003 Rz. 16 ff. 4 BR-Drucks. 639/03, S. 13 f.
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gungsgrund (14) Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003, dass der „Handel mit Wertpapierblöcken“ nicht als signifikantes Zeichnungsangebot angesehen werden sollte, da es sich hierbei ausschließlich um Privattransaktionen handele. Richtigerweise ist zwischen „Pakethandel“, der typischerweise „face to face“, also nichtöffentlich stattfindet, einerseits und „block trades“ anderseits zu unterscheiden, die im Einzelfall jedenfalls bei einer größeren Anzahl möglicher Investoren hinreichend öffentlich angekündigte und durchgeführte Zweitplatzierungen sein können1. Unstreitig zu den Sekundärplatzierungen zählt die Platzierung neuer Aktien bei Kapitalerhöhung gegen Einlagen (§§ 182 ff. AktG), desgleichen sog. Bezugsemissionen2. Zum anderen darf es ausschließlich um die zeitlich beschränkte Stützung des Preises 274 bei emissionsbedingtem Verkaufsdruck gehen, also um den Ausgleich kurzfristig sinkender Preisbewegungen, wie sie typischerweise im Zusammenhang mit öffentlich angekündigten Platzierungen auftreten3. Demgegenüber sind Preissenkungen, die ihren Grund in der aktuellen Geschäftslage des Emittenten oder im allgemeinen Markttrend haben, nicht stabilisierungsfähig („keine Stabilisierung gegen den Markttrend“). Erst recht nicht in den „safe harbour“ fallen Maßnahmen, die über die Preisstützung, d.h. die Beibehaltung des Preises, hinaus auf eine Preiserhöhung abzielen (s. auch Art. 10 Durchführungs-VO [EG] Nr. 2273/2003 und hierzu unten Rz. 288). Weiterhin fallen Maßnahmen der Preisdämpfung nicht in den „safe harbour“. In zeitlicher Hinsicht unterfallen dem „safe harbour“ nur Stabilisierungsmaßnah- 275 men, deren alleiniges Ziel die im Voraus zeitlich befristete Preisstützung ist, sofern im Rahmen einer Erst- oder Zweitplatzierung Verkaufsdruck besteht. Deshalb fällt die unbefristete Preisstützung, insbesondere die kontinuierliche Kurspflege, von vorn herein aus dem „safe harbour“ heraus (näher unten Rz. 277), desgleichen die zwar befristete, aber nicht im Zusammenhang mit einer Platzierung stehende Stabilisierung. Der Kreis der zulässigen Stabilisierungsmaßnahmen ist vom europäischen Verord- 276 nungsgeber bewusst weit gezogen worden. Wenn BR-Drucks. 639/03, S. 14 hiergegen einwendete, es bestehe die Gefahr, das die Möglichkeiten des „safe harbour“ missbräuchlich genutzt würden, würden die zulässigen Stabilisierungsmaßnahmen zu weit gefasst, ist dem zu entgegen, dass sämtliche Stabilisierungsmaßnahmen den Anforderungen an den „safe harbour“ genügen müssen. Erfasst sind zunächst der Kauf der zu stabilisierenden Wertpapiere, aber auch die Erteilung von Kaufangeboten in Bezug auf sie (ebenso früher § 6 Abs. 1 Nr. 1 KuMaKV). Weiterhin sind Transaktionen mit verbundenen Instrumenten erfasst. Transaktionen müssen nicht Käufe, sondern können auch Verkäufe verbundener Instrumente sein4, soweit sie zur Preisstützung geeignet sind wie z.B. beim Verkauf von Kaufoptionen. Verbundene Instrumente werden in Art. 2 Nr. 8 Durchführungs-VO (EG) Nr. 1137/03 legaldefiniert. Erfasst sind auch nicht zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassene Instrumente und auch solche, für die kein Zulassungsantrag gestellt worden ist; vielmehr 1 Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. II – Art. 2 VO 2273/2003 Rz. 49 f.; s. auch Pfüller/Anders, WM 2003, 2445 (2450). 2 S. nur Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. II – Art. 2 VO 2273/2003 Rz. 28. 3 Ebenso früher § 4 Abs. 2 KuMaKV: „Maßnahmen zur Stützung des Börsen- oder Marktpreises im Rahmen einer Wertpapieremission, um kurzfristig sinkende Kursbewegungen auszugleichen, welche typischerweise im Zusammenhang mit einer solchen Wertpapieremission auftreten“. 4 S. hierzu auch BR-Drucks. 639/03, S. 14.
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genügt, dass die jeweils zuständigen Behörden Transparenzstandards vereinbart haben (wie es bei der Einbeziehung in den Freiverkehr oder in den regulierten Markt der Fall ist, s. § 20a Abs. 3 Satz 2 WpHG und hierzu oben Rz. 247). Im Einzelnen erfasst sind – Verträge über bzw. Rechte auf Zeichnung, Kauf oder Verkauf des Wertpapiers, dessen Preis gestützt werden soll (a); – Finanzderivate auf diese Wertpapiere ([b]; ebenso bereits § 6 Abs. 1 Nr. 3 KuMaKV, freilich beschränkt auf deren Kauf oder Verkauf1); – bei wandel- oder austauschbaren Schuldtiteln die Wertpapiere, in die jene umgewandelt bzw. gegen die sie eingetauscht werden können (c); – Instrumente, die vom Emittenten oder Garantiegeber der zu stützenden Wertpapiere ausgegeben werden bzw. abgesichert sind und deren Preise sich wechselseitig beeinflussen können (d); und – Aktien, wenn die zu stützenden Wertpapiere Aktien entsprechen und von ihnen vertreten werden (e). Bei alledem kommt es nicht darauf an, ob die Stabilisierungsmaßnahme auf einem geregelten Markt erfolgt oder nicht (Erwägungsgrund [12]). Wenn ein Mitgliedstaat bei einer Erstplatzierung den Handel bereits vor Beginn des offiziellen Handels auf einem geregelten Markt zulässt („Handel per Erscheinen“, „when issued trading“)2, sind Stabilisierungsmaßnahmen auch davor möglich (Erwägungsgrund [15]; s. noch unten Rz. 278). Der Zulässigkeit der Stabilisierungsmaßnahme steht es nicht entgegen, dass sich der die Maßnahme Durchführende in einem Interessenkonflikt befindet, weil er selbst ein Interesse an dem zu stabilisierenden Wertpapier hat. Demgegenüber hatte § 6 Abs. 2 KuMaKV Stabilisierungsmaßnahmen für unzulässig erklärt, wenn der Stabilisierungsmanager oder ein mit ihm verbundenes Unternehmen im Zusammenhang mit der Emission gegenüber dem Emittenten ein Recht zum Kauf oder Verkauf der Wertpapiere hatte, welches er während des Stabilisierungszeitraums oder danach ausüben konnte, sofern dieses Recht nicht zuvor in handelsüblicher Weise öffentlich bekannt gemacht wurde – was an sich internationalen Standards entspricht3. c) Stabilisierungszeitraum 277 Art. 8 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 regelt den zulässigen Stabilisierungszeitraum. Eine entsprechende Regelung fand sich früher im § 7 KuMaKV. Grundsätzlich sind Stabilisierungsmaßnahmen nur befristet möglich (Art. 8 Abs. 1 Durchführungs-VO [EG] Nr. 2273/2003); eine kontinuierliche Kurspflege fällt nicht in den „safe harbour“ (s. bereits oben Rz. 275). 278 Bei öffentlich angekündigten Erstplatzierungen von Aktien und ihnen entsprechenden Wertpapieren (v.a. American Depositary Receipts, ADR) beginnt die Frist mit dem Tage der Aufnahme des Handels auf dem regulierten Markt, d.h. mit dem Tag der Notierungsaufnahme, und endet spätestens nach 30 Kalendertagen (Art. 8 Abs. 2 Satz 1; s. zuvor § 7 Nr. 1 KuMaKV). Erstplatzierung meint, dass das Unternehmen erstmals Aktien oder ihnen entsprechende Wertpapiere platziert („going public“). In Mitgliedstaaten, in denen das Wertpapier bereits davor gehandelt werden darf, be1 S. hierzu BR-Drucks. 639/03, S. 14. 2 S. hierzu Vogel, WM 2003, 2437 m.N. 3 Vgl. BR-Drucks. 639/03, S. 14 f.
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ginnt die Frist bereits an dem Tag, an dem der Schlusskurs, d.h. endgültige Platzierungspreis, angemessen bekannt gegeben wird (s. Art. 2 Nr. 5 Durchführungs-VO [EG] Nr. 2273/2003), sofern ein solcher Handel allen Vorschriften einschließlich Bekanntgabe- und Meldevorschriften entspricht (Art. 8 Abs. 2 Satz 2; s. zuvor § 7 Nr. 1 KuMaKV). In der Bundesrepublik Deutschland gibt es einen so geregelten Handel per Erscheinen aber nicht1. Erst recht nicht in den „safe harbour“ fallen Stabilisierungsmaßnahmen, die noch vor und während der Bookbuilding-Phase vorgenommen werden. Während dieser Phase kann nach deutschem Recht eine Aktie nur im sog. grauen Markt gehandelt werden, und die gezielte Beeinflussung von Graumarktpreisen kann gerade bei Privatanlegern Erwartungen wecken, die mit den eigentlichen Daten der Emission und dem Emissionskurs nicht übereinstimmen. Ein so weit vorverlagerter Handel per Erscheinen ist in hohem Maße manipulationsanfällig und auch nicht hinreichend transparent2. Anders kann es liegen, wenn der Schluss-, d.h. Emissionskurs feststeht und veröffentlicht wird und Meldepflichten z.B. nach § 9 Abs. 1 Satz 2 WpHG oder Veröffentlichungspflichten z.B. nach §§ 3, 14 WpPG bestehen3. Bei der Zweitplatzierung von Aktien und ihnen entsprechenden Wertpapieren be- 279 ginnt der Stabilisierungszeitraum gemäß Art. 8 Abs. 3 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 bereits am Tag der Veröffentlichung des Schluss-, also Sekundäremissionspreises4 und endet spätestens 30 Kalendertage nach dem Datum der Zuteilung, d.h. an dem Tag, an dem festgelegt wird, wie viele Aktien jeder Anleger, der sie zuvor gezeichnet oder beantragt hat, erhält (Art. 2 Nr. 11 Durchführungs-VO [EG] Nr. 2273/2003). Bei Schuldverschreibungen und anderen verbrieften Schuldtiteln, die nicht in Aktien 280 oder entsprechende Wertpapiere umgewandelt werden können, bestimmt Art. 8 Abs. 4 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003, dass der Stabilisierungszeitraum an dem Tag beginnt, an dem die (endgültigen) Konditionen des Angebots angemessen bekannt gegeben werden, und spätestens 30 Kalendertage nach dem Tag endet, an dem der Emittent den Emissionserlös erhalten hat, oder – sollte dies früher eintreten – spätestens 60 Kalendertage nach der Zuteilung der Wertpapiere. Das trägt dem Umstand Rechnung, dass bei Schuldverschreibungen die Notierung meist nicht unmittelbar nach der Platzierung aufgenommen wird. Art. 8 Abs. 5 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 bestimmt Entsprechendes für verbriefte Schuldtitel, die in Aktien oder Aktien entsprechende Wertpapiere umgewandelt oder umgetauscht werden können, also für Wandel- oder Umtauschanleihen oder auch Optionsanleihen5. Werden zugleich Aktien und solche Anleihen ausgegeben (sog. kombinierte Angebote), so ist der Stabilisierungszeitraum je gesondert zu bestimmen6.
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Leppert/Stürwald, ZBB 2004, 302 (310). BR-Drucks. 639/03, S. 15. Vgl. BR-Drucks. 639/03, S. 15. Bei Bezugsemissionen kann der Bezugspreis (Ausgabebetrag) vor Beginn der Bezugsfrist bekannt gemacht werden, § 186 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 AktG; bereits ab dann können Stabilisierungsmaßnahmen getätigt werden. Werden gemäß § 186 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AktG zunächst nur die Grundlagen des Bezugspreises (Ausgabebetrags) bekannt gemacht, so genügt das aber nicht. Näher zu dieser Spezialfrage Groß, in: GS Bosch, S. 49 (60 f.). 5 Groß, in: GS Bosch, S. 49 (54). 6 Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. II – Art. 8 VO 2273/2003 Rz. 16 f.; s. auch Fleischer, in: Fuchs, § 20a WpHG Rz. 116.
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d) Publizitäts-, Dokumentations- und Organisationspflichten 281 Art. 9 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 enthält Publizitäts-, Dokumentationsund Organisationspflichten, wie sie früher v.a. in §§ 9, 10 KuMaKV enthalten waren1. Adressaten sind jeweils Emittenten, Bieter (d.h. Vorbesitzer oder Emittenten, s. Art. 2 Nr. 10 Durchführungs-VO [EG] Nr. 2273/2003) oder Unternehmen, die Stabilisierungsmaßnahmen durchführen. Treffen im Einzelfall mehrere Adressaten zusammen (z.B. ein Emittent und mehrere von ihm mit der Durchführung von Stabilisierungsmaßnahmen beauftragte Unternehmen), so fragt sich, ob jeder einzelne von ihnen oder alle zusammen oder einer für alle die Pflichten erfüllen soll; es liegt nahe anzunehmen, dass der Stabilisierungsmanager i.S. des früheren § 5 KuMaKV vorrangig verantwortlich ist (s. auch Art. 9 Abs. 5 Durchführungs-VO [EG] Nr. 2273/2003). 282 Nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 sind die Adressaten verpflichtet, vor Beginn der Zeichnungsfrist in angemessener Weise (s. Art. 2 Nr. 5) Folgendes bekannt zu geben: – dass möglicherweise eine Stabilisierungsmaßnahme durchgeführt wird, diese aber nicht garantiert wird und jederzeit beendet werden kann (a). Diese Bekanntgabe erübrigt sich, wenn – ausnahmsweise – keine Stabilisierungsmaßnahmen beabsichtigt sind; sie ist problematisch, wenn – wie heute allerdings die Ausnahme – sich der Konsortialführer gegenüber dem Emittenten verpflichtet hat, Stabilisierungsmaßnahmen durchzuführen2; – dass Stabilisierungsmaßnahmen auf die Stützung des Marktpreises abzielen (b); – den Stabilisierungszeitraum (c); – die Person, die für die Durchführung der Maßnahme zuständig ist; steht dies bei Bekanntgabe noch nicht fest, muss diese Information vor Beginn jeder Stabilisierungsmaßnahme veröffentlicht werden (d). In der Sache geht es um den „Stabilisierungsmanager“ i.S. des früheren § 5 KuMaKV, der vor allem bei internationalen Platzierungen bestimmt werden muss („lead bank“) und in der Praxis vom Emittenten bestimmt wird3; – ob die Möglichkeit einer Überzeichnung oder Greenshoe-Option besteht, wobei ggf. Einzelheiten anzugeben sind (e). 283 Gemäß Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 sind Durchführungsbestimmungen zur sog. Prospektrichtlinie4 in deren Anwendungsbereich vorrangig. Solche Bestimmungen sind in den Anhängen zur Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29. April 2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Informationen sowie das Format, die Aufnahme von Informationen mittels Verweis und die Veröffentlichung solcher Prospekte und die Verbreitung von Werbung (ABl. EU Nr. L 149 v. 30.4.2004, S. 1, berichtigte Fassung Nr. L 215 v. 1 S. hierzu BR-Drucks. 639/03, S. 16 f. 2 Zum Problem Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 318; Vogel, WM 2003, 2437 (2440 f.). Nach h.A. kann die Bekanntgabe erfolgen, weil die schuldrechtliche Verpflichtung, Stabilisierungsmaßnahmen zu tätigen, noch keine Garantie bietet, dass diese Maßnahmen auch tatsächlich getätigt werden. 3 Pfüller/Anders, WM 2003, 2445 (2451). 4 Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EG Nr. L 345 v. 31.12.2003, S. 64.
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16.6.2004, S. 3) enthalten und führen teilweise über Art. 9 Abs. 1 Satz 1 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 hinaus, indem z.B. auf die Möglichkeit eines über dem Normalen liegenden Marktpreises infolge von Stabilisierungsmaßnahmen hingewiesen werden muss (vergleichbar dem früheren § 9 Abs. 1 Nr. 4, 5 KuMaKV, der gesonderte Hinweis auf Wirkungen und Risiken der Stabilisierungsmaßnahmen vorschrieb). Spätestens am Ende des siebten Handelstags nach dem Tag der Ausführung der (letzten) Stabilisierungsmaßnahmen müssen die Adressaten der zuständigen Behörde (Bundesanstalt) die Einzelheiten sämtlicher Stabilisierungsmaßnahmen mitteilen (Art. 9 Abs. 2 Durchführungs-VO [EG] Nr. 2273/2003).
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Binnen einer Woche nach Ablauf des Stabilisierungszeitraums müssen die Adressaten 285 in angemessener Weise (s. Art. 2 Nr. 5 Durchführungs-VO [EG] Nr. 2273/2003) bekannt geben: – ob eine Stabilisierungsmaßnahme durchgeführt wurde oder nicht (a); – zu welchem Termin mit der Stabilisierung begonnen wurde und wann die letzte Stabilisierungsmaßnahme erfolge (b], c]); – innerhalb welcher Preisspanne die Stabilisierung erfolgte (einzeln für jeden Termin, zu dem eine Maßnahme durchgeführt wurde, [d]). Rechtspolitisch lässt sich gegen diese nachträgliche Publizität, die auch in § 9 Abs. 2 KuMaKV vorgeschrieben war, einwenden, dass sie einen Stabilisierungserfolg zunichte machen kann, wenn eine starke Stützung bekannt wird1. Auf der anderen Seite ist zu bedenken, dass vorherige Bekanntgaben nicht bindend sind und der Markt von erheblichen Abweichungen informiert werden muss2. Art. 9 Abs. 4 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 verpflichtet die Adressaten zu einer umfassenden Dokumentation aller Stabilisierungsmaßnahmen, um eine aufsichtsbehördliche Nachprüfung zu ermöglichen. Nach Außerkrafttreten der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie geht der Verweis nunmehr auf Art. 25 MiFID. Wie lange die Dokumentation aufzubewahren ist, sagt die Verordnung nicht; § 10 Abs. 1 Satz 2 KuMaKV hatte eine Mindestaufbewahrungsfrist von 5 Jahren vorgesehen, was auch Art. 25 MiFID entspricht.
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Führen mehrere Wertpapierdienstleistungsunternehmen Stabilisierungsmaßnahmen 287 durch, so muss eines von ihnen die Funktion einer zentralen Auskunftstelle übernehmen, an die die zuständige Behörde (Bundesanstalt) alle Anfragen richten kann (Art. 9 Abs. 5 Durchführungs-VO [EG] Nr. 2273/2003). I.d.R. wird der Konsortialführer („lead bank“, „leading manager“) diese Funktion übernehmen. Die Verordnung lässt offen, ob die zentrale Auskunftstelle besondere Pflichten hat, z.B. die Bekanntgabe nach Art. 9 Abs. 1, die Mitteilungen nach Art. 9 Abs. 2 und Art. 9 Abs. 3 zu bewirken und für eine zusammenfassende Dokumentation nach Art. 9 Abs. 4 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 zu sorgen (wofür die zentrale Auskunftstelle auf die nicht ohne Weiteres durchsetzbare Kooperation der anderen Beteiligten angewiesen wäre).
1 Zutr. Pfüller/Anders, WM 2003, 2445 (2452 f.). 2 Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. II – Art. 9 VO 2273/2003 Rz. 10.
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e) Stabilisierungspreis 288 Den Grundsatz, dass Stabilisierungsmaßnahmen nie zu einer Preiserhöhung führen dürfen (s. oben Rz. 274), präzisiert Art. 10 Abs. 1 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 dahin, dass bei Aktienemissionen die Stabilisierung unter keinen Umständen zu einem höheren als dem Emissionspreis erfolgen darf, der als Angebotspreis, nicht als Zeichnungspreis im aktienrechtlichen Sinne zu verstehen ist1. Ähnlich bestimmt Art. 10 Abs. 2 für Emissionen von Wandelschuldverschreibungen, dass der Marktpreis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des endgültigen Angebots unter keinen Umständen überschritten werden darf. Anders als der frühere § 8 Nr. 4 KuMaKV lässt die Verordnung die Bereinigung der Preisobergrenze um Auswirkungen von Zins- und Dividendenberechtigungen, Ausgaben von Berichtigungsaktien (bei Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln) und Durchführungen von Aktiensplitts (Neustückelung von Aktien durch den Emittenten) nicht zu2. Mit Blick auf den Wortlaut („unter keinen Umständen“) erscheint es fragwürdig, ob eine solche Bereinigung auch bei Art. 10 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 möglich ist; die Frage wäre ggf. im Vorabentscheidungsverfahren (Art. 267 AEUV) vom EuGH zu klären. f) Ergänzende Stabilisierungsmaßnahmen (Überzeichnung, Greenshoe-Option) 289 Gemäß Art. 2 Nr. 12 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 sind ergänzende Stabilisierungsnahmen eine Überzeichnung und eine Ausübung einer Greenshoe-Option, die ausschließlich der Vereinfachung der eigentlichen Kursstabilisierung dient. Hierbei handelt es sich um eine gängige Praxis3, die der Abfederung eines bei einer Emission erwarteten Nachfrageüberhanges dient, indem mehr Wertpapiere zum Emissionspreis zugeteilt als eigentlich emittiert werden („Mehrzuteilungsoption“). Diese zusätzlichen Wertpapiere werden i.d.R. als Wertpapierdarlehen des Emittenten (oder, bei Sekundäremissionen, anderer Wertpapierinhaber) zur Verfügung gestellt. Müssen bei fallendem Preis Wertpapiere zur Stabilisierung zurückgekauft werden, so kann das Wertpapierdarlehen hieraus bedient werden; ist eine Stabilisierung nicht notwendig oder steigt der Preis, wird die Darlehensverpflichtung durch eine Greenshoe-Option abgesichert, wonach der Stabilisierungsmanager im Stabilisierungszeitraum die geliehenen Wertpapiere zum Emissionspreis erwerben (und dann wieder ggf. mit Gewinn veräußern) kann. Hieran anknüpfend definiert Art. 2 Nr. 13 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 die Überzeichnung als eine Klausel in Emissions- oder Garantieverträgen, die es erlaubt, Zeichnungs- oder Kaufangebote über die ursprünglich geplante Menge hinaus anzunehmen. Nach Nr. 14 ist eine Greenshoe-Option eine Überzeichnungsreserve, die der Bieter (Emittent oder Vorbesitzer, s. Nr. 10) einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen in der Weise zugesteht, als es innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach der Emission eine bestimmte Menge der Wertpapiere zum Emissionspreis („Ausgabekurs“) erwerben könne. Kapitalmarktrechtlich problematisch sind vor allem erhebliche und ganz oder teilweise ungedeckte Überzeichnungen („naked short“), aber auch zu weitgehende Greenshoe-Optionen, die Interessenkonflikte (Eigeninteresse des Stabilisierungsmanagers!) begründen können. 290 Deshalb stellt Art. 11 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003, der an die Stelle des früheren § 12 KuMaKV4 getreten ist, folgende besondere Bedingungen:
1 2 3 4
Pfüller/Anders, WM 2003, 2445 (2452). S. hierzu BR-Drucks. 639/03, S. 16. S. zum Folgenden Vogel, WM 2003, 2437 (f.) m.N. S. hierzu BR-Drucks. 639/03, S. 17 f.
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– Die Überzeichnung ist nur innerhalb der Zeichnungsfrist und zum Emissionskurs zulässig (a); – die Überzeichung darf nur zu 5 % des ursprünglichen Angebots nicht durch eine Greenshoe-Option abgedeckt sein (b), was zusammen mit (d) dazu führt, dass eine Überzeichnung nie mehr als 20 % des ursprünglichen Angebots umfassen darf; – die Greenshoe-Option darf nur im Rahmen einer Überzeichnung, also zu deren Abdeckung, und nur während des Stabilisierungszeitraums ausgeübt werden ([c] und [e]); – die Greenshoe-Option darf 15 % des ursprünglichen Angebots nicht überschreiten (d); und – die Öffentlichkeit ist unverzüglich und in allen angemessenen Einzelheiten über die Ausübung der Greenshoe-Option zu unterrichten, insbesondere über den Zeitpunkt der Ausübung und Zahl und Art der Wertpapiere (f). Ob diese nachträgliche Publizität bei Ausübung der Greenshoe-Option sinnvoll ist, erscheint fragwürdig1. Es ist jedoch zu bedenken, dass Art. 11 ausdrücklich die Regeln des Art. 9 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 für anwendbar erklärt („gemäß Artikel 9“), so dass – abgesehen von den dortigen Mitteilungs- und Dokumentationspflichten – in jedem Fall auch anfängliche Publizität nach Art. 9 Abs. 1 gewährleistet werden muss. Ein Wertpapierhaus oder Kreditinstitut darf eine Greenshoe-Option auch dann aus- 291 üben, wenn dies nicht erforderlich ist, um Überzeichnungen zu bedienen, den so entstehenden Aktienüberschuss dann durch weitere Zuteilungen oder nach und nach abbauen und sich so Mittel verschaffen, ggf. wieder Aktien zu kaufen (sog. refreshing the shoe). Ob dieses Verhalten noch unter den „safe harbour“ fällt, ist zweifelhaft2. Zu sog. naked shorts im Zusammenhang mit einer Greenshoe-Option s. auch Mock/ Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 355. g) Anerkennung ausländischer Stabilisierungsregeln Mit Blick darauf, dass sich die Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 nur auf Wert- 292 papiere bezieht, die auf den geregelten (regulierten) Märkten des EU- und EWiR-Raumes zugelassen sind oder für die dort eine Zulassung beantragt ist, stellt sich die Frage, wie mit anderweitigen Finanzinstrumenten und andernorts getätigten Stabilisierungsmaßnahmen umgegangen werden soll. Im Hinblick auf die zunehmende internationale Platzierung von Finanzinstrumenten ist die Frage von praktischer Bedeutung3 und europarechtlich nicht determiniert4. Die Antwort gibt § 6 MaKonV, der den früheren § 11 KuMaKV abgelöst hat. Die 293 Vorschrift setzt zunächst eine im Ausland getätigte Stabilisierungsmaßnahme voraus. Nach BR-Drucks. 18/05, S. 18 ist mit Ausland nur das Nicht-EU- bzw. EWiR-Ausland gemeint, weil für das EU- und EWiR-Ausland die Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 vorrangige Geltung beanspruche. Das ist aber für diejenigen Finanzinstrumente, die nur in den regulierten Markt bzw. Freiverkehr einbezogen sind, nicht 1 Krit. Pfüller/Anders, WM 2003, 2445 (2453). 2 Krit. Bingel, S. 190 ff.; Hopt/Waschkeit, in: FS Lorenz, 2001, S. 147 (161); auch Mock/Stoll/ Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. II – Art. 11 VO 2273/2003 Rz. 7, weisen darauf hin, dass das Ausnutzen einer long position durch das Wertpapierhaus oder Kreditinstitut marktmanipulativ sein kann. 3 Zutr. BR-Drucks. 639/03, S. 17. 4 Zutr. BR-Drucks. 18/05, S. 18.
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zutreffend; insoweit ist auch das EU- bzw. EWiR-Ausland erfasst. Unrichtig ist es jedenfalls, § 6 MaKonV auf im EU- bzw. EWiR-Ausland vorgenommene Stabilisierungsmaßnahmen zu beschränken1. Die Stabilisierungsmaßnahme muss sich auf ein Finanzinstrument beziehen, das im EU- bzw. EWiR-Raum nicht zugelassen ist und für das auch keine Zulassung beantragt ist. Allerdings folgt aus § 1 Abs. 2 WpHG, dass das Finanzinstrument an einer inländischen Börse gehandelt werden muss; damit verbleiben insbesondere in den deutschen regulierten Markt oder Freiverkehr bloß einbezogene Finanzinstrumente2. In diesen Fällen ist der „safe harbour“ der Stabilisierungsmaßnahme eröffnet, wenn die im Ausland getätigte Stabilisierungsmaßnahme entweder in der Sache den Anforderungen der Art. 7–11 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 entspricht oder wenn die an den betreffenden ausländischen Märkten bestehenden Regeln über zulässige Stabilisierungsmaßnahmen eingehalten werden und diese Regeln denen der Durchführungs-VO gleichwertig sind. Ob die bloße Forderung nach „Gleichwertigkeit“ § 20a Abs. 3 Satz 2 WpHG gerecht wird, wo von einer „entsprechenden“ Anwendung der Durchführungs-VO die Rede ist, erscheint fragwürdig3. Die entscheidende Frage, wann ausländische Stabilisierungsregeln denen der Verordnung gleichwertig sind, muss nach dem Maßstab beantwortet werden, ob gleichwertiger Anlegerschutz gewährleistet wird. Im Vordergrund stehen die materiellen Schranken für Stabilisierungsmaßnahmen, daneben die Erfordernisse der Transparenz und Publizität. Die amerikanischen Stabilisierungsregeln (Regulation M) dürften hiernach den europäischen gleichwertig sein4. Demgegenüber sind international nicht übliche, dem Anlegerschutz nur mittelbar dienende Erfordernisse wie nachträgliche Publizitäts- und Dokumentationspflichten (Art. 9 Abs. 3, 4 Durchführungs-VO [EG] Nr. 2273/2003) nicht geeignet, die Gleichwertigkeit auszuschließen5. 5. Jenseits der „safe harbours“ liegende Fallgruppen 294 Enge und Formalisierung der „safe harbours“, die in § 20a Abs. 3 WpHG i.V.m. der Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 geregelt sind, lassen die Frage dringlich erscheinen, ob es jenseits der „safe harbours“ liegende Fallgruppen gibt, die marktmanipulationsrechtlich unbedenklich sind. De lege lata ist zu erinnern, dass Marktverhalten, das nicht unter die „safe harbours“ fällt, nicht per se verbotene Marktmanipulation ist. Allerdings können, solange der europäische oder auch deutsche Verordnungsgeber nicht tätig wird, andere als die genannten „safe harbours“ im technischen Sinne von Handlungen, die „auf keinen Fall“ Marktmanipulation darstellen, nicht anerkannt werden; vielmehr kann es nur darum gehen, durch restriktive Auslegung des § 20a Abs. 1 Satz 1 WpHG bestimmte Fallgruppen als regelmäßig unverboten zu identifizieren. De lege ferenda ist daran zu denken, im Verordnungswege weitere „safe harbours“ anzuerkennen. Dabei ist der europäische Verordnungsgeber nicht auf die in Art. 8 Marktmissbrauchsrichtlinie erwähnten „Rückkaufprogramme und Kurrsstabilisierungsmaßnahmen“ beschränkt, wie sie bereits in der DurchführungsVO (EG) Nr. 2273/2003 geregelt sind; vielmehr ist es gemäß Art. 1 Nr. 7 Satz 2 Marktmissbrauchsrichtlinie möglich, dass die Kommission im sog. Komitologie-Verfahren auch anderweitige „safe harbours“ festlegt. Der deutsche Verordnungsgeber ist insoweit nicht (mehr) zuständig, wie der europäische Richtlinien- und Verordnungsgeber 1 So aber – ohne Begründung – Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Anh. I – § 6 MaKonV Rz. 6. 2 S. hierzu auch BR-Drucks. 18/05, S. 18. 3 Wohl bejahend aber BR-Drucks. 18/05, S. 19. 4 Vgl. Bingel, S. 194. 5 Zum Problem Pfüller/Anders, WM 2003, 2445 (2453).
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selbst und abschließend tätig geworden ist (Vorrang des Gemeinschaftsrechts). Jenseits dessen bleibt Raum für eigenständige nationale, im Grundsatz auf nationales Territorium beschränkte „safe harbours“, die auf der Grundlage der Ermächtigung des § 20a Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 WpHG erlassen werden können. Alternativ steht aber auch die Möglichkeit der Anerkennung einer zulässigen Marktpraxis zur Verfügung. In der Sache geht es vor allem darum, § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 WpHG ein- 295 zuschränken; demgegenüber besteht kein überzeugender Anlass, vorsätzliche unrichtige oder irreführende Angaben über bewertungserhebliche Umstände i.S. von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG aus der Verbotsmaterie herauszunehmen. Auch im Bereich des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 WpHG müssen sich Fallgruppen „auf jeden Fall“ unverbotener Verhaltensweisen auf kapitalmarktrechtlich positiv bewertetes oder zu bewertendes Verhalten beschränken, das in der Regel den Gepflogenheiten und der Rechtsüberzeugung der Märkte entsprechen muss. Hiernach sind insbesondere folgende Fallgruppen diskutabel1: a) Rückkaufprogramme jenseits der Art. 3 ff. Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 Rückkaufprogramme sind grundsätzlich geeignet, irreführende Signale für die Nach- 296 frage nach einem Finanzinstrument (§ 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG) zu geben, wenn nicht im Wesentlichen entsprechend Art. 4 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 Markttransparenz hergestellt wird2. Auch wird die Eignung eines Rückkaufprogrammes, ein künstliches Preisniveau herbeizuführen, grundsätzlich gegeben sein, wenn nicht die Volumenbegrenzungen des Art. 5 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 im Wesentlichen eingehalten werden und/oder das Rückkaufprogramm entsprechend programmiert und das Wertpapierhaus bzw. Kreditinstitut angewiesen ist, Preisbeeinflussungen zu vermeiden3. Insoweit bleibt für manipulationsrechtlich unverbotene Rückkaufprogramme im We- 297 sentlichen nur Raum, soweit es um Programme geht, die von Art. 3 DurchführungsVO (EG) Nr. 2273/2003 abweichende Zwecke haben4, sofern Transparenz und auch gewisse Volumenbeschränkungen gewährleistet sind. Insoweit ist bemerkenswert, dass § 13 KuMaKV vorsah, den gesellschaftsrechtlich erlaubten Erwerb eigener Aktien insbesondere nach §§ 71 ff. AktG, § 33 Abs. 2 WpÜG vom Verbot des § 20a Abs. 1 Satz 1 WpHG auszunehmen, der z.B. zur Abwendung eines Schadens oder einer Übernahme oder der Ermöglichung des Wertpapierhandels für ein Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsunternehmen dient. In der Tat geht von einem solchen Erwerb, der auf einem Hauptversammlungsbeschluss beruhen muss, nicht ohne weiteres ein irreführendes Signal aus, und auch eine sonstige Täuschungshandlung ließe sich nur annehmen, wenn er sich in manipulativer, irreführender Weise vollzieht5. Auf der anderen Seite hat der Gesetzgeber bei Einführung des § 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 AktG durch Art. 1 Nr. 4a cc KonTraG – wonach die Hauptversammlung den Vorstand für die Dauer von höchstens 18 (künftig: 60) Monaten ermächtigen kann, bis zu 10 % des Grundkapitals an eigenen Aktien zurück zu erwerben – deutlich gemacht, dass der Erwerb weder der kontinuierlichen Kurspflege noch dem Handel mit eigenen Aktien dienen darf; vielmehr besteht der wesentliche legitime Zweck darin, dauerhaft oder mittelfristig zu ho1 2 3 4 5
S. zum Folgenden auch Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 93 ff. Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 345, 349. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 346 f. Zutr. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 349. Lenzen, S. 213.
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hes Eigenkapital eines Unternehmens zurückzuführen1. Umgekehrt stellt ein nicht von § 71 AktG gedeckter und dann wegen § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG verbotener2 Erwerb eigener Aktien nicht notwendigerweise eine verbotene Marktmanipulation dar, wenn angemessene Transparenz hergestellt wird. 298 Insbesondere kann ein Rückkaufprogramm unverboten sein, wenn es unter der Voraussetzung der Transparenz und marktschonenden Ausführung dazu dient, eigene Aktien als „Akquisitionswährung“ für eine Übernahme zu erwerben. Die französische Autorité des Marchés Financiers hat solche Rückkaufprogramme ausdrücklich als zulässige Marktpraxis anerkannt (s. oben Rz. 204). Weiterhin kann die Abwehr gezielter Baisseangriffe oder sonst gezielter Schädigungen des Unternehmens den Rückkauf eigener Aktien rechtfertigen3, sofern die Transparenz- und Volumenanforderungen gewahrt sind. b) Stabilisierungsmaßnahmen jenseits der Art. 7 ff. Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 299 Stabilisierungsmaßnahmen dienen zwar – wenn sie nicht in Wahrheit „Kurskosmetik“ bezwecken, was unproblematisch als Marktmanipulation erfasst werden kann – typischerweise der Abwendung von Marktverzerrungen und der Glättung von Zufallsschwankungen. Gleichwohl ist ihnen die Eignung, ein künstliches Preisniveau i.S. von § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG herbeizuführen, inhärent4. Allerdings kann durch eine Art. 9 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 entsprechende Transparenz der Täuschungswert der Maßnahme entfallen. 300 Jenseits der Art. 7 ff. Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 liegende Fallgruppen für nicht marktmanipulative Stabilisierungsmaßnahmen im Zusammenhang mit einer Emission sind vor allem für den Zeitraum vor Aufnahme des Handels und während der sog. bookbuilding-Phase diskutabel. Teilweise wird vertreten, solche Maßnahmen seien zulässig, wenn die Liquidität des jeweiligen Finanzinstruments gering sei, nachweislich Eingriffe Dritter nicht zu befürchten sind und eine ausreichende Transparenz gewährleistet werde5. Die wohl h.A. ist zurückhaltender und verlangt namentlich für den Handel per Erscheinen, dass die Vorgaben der Art. 7 ff. Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 im Wesentlichen entsprechend beachtet werden6. 301 Marktschutzvereinbarungen sind von Art. 2 Nr. 7 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 nicht erfasste Maßnahmen zur Stabilisierung bei Emissionen. Sie kommen insbesondere als sog. lock-up-agreements vor, mit denen sich Inhaber von Finanzinstrumenten (z.B. Altaktionäre oder institutionelle Anleger) verpflichten, sie nicht zu veräußern, was durchaus Preisbeeinflussung bezweckt. Es handelt sich um eine übliche, weithin für zulässig gehaltene Marktpraxis7. Die These, sie schieden bereits deshalb aus dem Anwendungsbereich des Marktmanipulationsverbots aus, weil bloßes Unterlassen nicht geeignet sei, Börsenkurse und Marktpreise zu beeinflussen, geht 1 2 3 4
BT-Drucks. 13/9712, S. 13 (= RegE des KonTraG). Oechsler, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 71 Rz. 66 ff. m.N. Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 97. Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 353; a.A. Groß, in: GS Bosch, 2005, S. 49 (65). 5 Vgl. Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346 (357) und BKR 2005, 251 (263); weiterhin Fleischer, ZIP 2003, 2045 (2048). 6 Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 356 f. m.w.N. 7 Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 363; Pfüller/Anders, WM 2003, 2445 (2449 m.N.).
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aber zu weit. Vielmehr müssen die wesentlichen Stabilisierungsbedingungen (insbesondere die 30-Tagesfrist des Art. 8 Abs. 2 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/20031) auch für Marktschutzvereinbarungen eingehalten werden. Wer eine Marktschutzvereinbarung bricht, führt den Markt grundsätzlich nicht in die Irre; hat er den Bruch von Anfang an geplant und soll – wie er weiß – die Marktschutzvereinbarung publik gemacht werden, kann dies eine irreführende Angabe sein2. S. bereits oben Rz. 146. Der Handel mit Wertpapierblöcken3 kann, wenn er öffentlich angekündigt ist, im 302 Einzelfall eine Sekundäremission i.S. der Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 sein (oben Rz. 273). Jenseits dessen fragt sich, ob die Stabilisierungsmaßnahmen, die einen solchen Handel üblicherweise begleiten, marktmanipulativ sind. In Betracht kommt eine Marktmanipulation vor allem, wenn im Vorfeld der Platzierung des Blocks Kurse beeinflusst werden. Begleitende Stabilisierungsmaßnahmen (einschließlich des Rückkaufs von Teilen des Blockes) sind jedenfalls bei hinreichender Transparenz hingegen unbedenklich. Das gilt erst recht für den sog. Pakethandel, d.h. den über einen längeren Zeitraum verteilten Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten. Er ist auch dann nicht marktmanipulativ, wenn es wirtschaftlich gesehen um eine einheitliche Transaktion (s. hierzu § 14 Rz. 47) geht4. Zwar wird so eine geringere Preisbewegung erreicht, als sie eintreten würde, wenn das Geschäft in einem Zug abgewickelt würde, und zwar ist eben dies der Zweck des zeitlich gestreckten Vorgehens. Aber den jeweiligen Einzeltransaktionen fehlt der erforderliche Täuschungswert, da sich einer Einzeltransaktion nicht entnehmen lässt, dass weitere gleich gerichtete Einzeltransaktionen nicht beabsichtigt seien5. Ob es noch weitere Bereiche zulässiger Kurspflege6 im Sinne von Maßnahmen gibt, 303 die darauf abzielen, Zufallsschwankungen eines Preises zu vermeiden und eine Glättung unregelmäßiger Preisentwicklungen zu erreichen, ist eine heikle Frage. Die früher h.A. hielt Kurspflege für grundsätzlich zulässig. Sie sei vom Gesetzgeber vielfach bestätigt worden7 und werde auch von der Rechtsprechung akzeptiert8, möge sie auch nicht schrankenlos erlaubt sein. Dabei wurde auf Grenzen aus dem Prospektrecht9, in gewissem Umfange auch dem Insiderhandelsverbot (hierzu § 14 Rz. 50 ff.)10 und ggf. die Ad-hoc-Publizität11 sowie auf Aktien- und Gesellschaftsrecht hingewiesen. Demgegenüber wird zunehmend vertreten12, nach neuem Marktmanipulationsrecht sei jede Kurspflege grundsätzlich unzulässig geworden, es sei denn, es liege der technische „safe harbour“ bei Stabilisierungsmaßnahmen vor. Die Wahrheit liegt in der Mitte: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Zutr. Ekkenga/Maas, Rz. 379b. Zum Problem s. auch Mock/Stoll/Eufinger, in: KölnKomm. WpHG, § 20a Rz. 364 ff. Hierzu Schlitt/Schäfer, AG 2004, 346 (356 f.). S. Groß, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., § 88 BörsG Rz. 6; Schwark, 2. Aufl., § 88 BörsG Rz. 8; s. hierzu auch (freilich in erster Linie in insiderhandelsrechtlicher Sicht) Hammen, Pakethandel und Insiderhandelsverbot, WM 2004, 1753. S. erneut Schwark, § 88 BörsG Rz. 8. Vielfach wird auch jenseits von Art. 7–11 Durchführungs-VO (EG) Nr. 2273/2003 von „Kursstabilisierung“ gesprochen, die teilweise von der „Kursstützung“ um (fast) jeden Preis unterschieden wird, s. nur Schäfer, WM 1999, 1345 m.N. Nachw. bei Groß, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., § 88 BörsG Rz. 9. S. nur BGH v. 5.7.1993 – II ZR 194/92, WM 1993, 1787 (1789). Hierzu Groß, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., § 88 BörsG Rz. 7; Schäfer, WM 1999, 1345 (1348 f.). Weiterhin Schäfer, WM 1999, 1345 (1350 f.). Hierzu Schäfer, WM 1999, 1345 (1349 f.). S. nur Ekkenga, WM 2002, 317 (318).
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304 Da Kurspflegemaßnahmen und erst recht der Entschluss zur Kurspflege keine der Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG unterliegenden Insiderinformationen sind1, kommt eine nach § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG verbotene und ggf. strafoder ahndbare Marktmanipulation nicht in Betracht. Auch die Voraussetzungen des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 3 WpHG sind nicht ohne Weiteres erfüllt. Einerseits sind Kurspflegemaßnahmen im Regelfall keine fiktiven Transaktionen, sondern rechtsverbindliche und effektive Geschäfte, da andernfalls der Kurs nicht – oder nicht nachhaltig – stabilisiert werden kann2. Andererseits kann bei ihnen der objektive Täuschungswert fehlen3, wenn nicht zusätzliche irreführende Machenschaften (z.B. Strohmanngeschäfte) hinzutreten. Ähnlich wie im Insiderrecht (§ 14 Rz. 52) ist allerdings nicht alles, was als Kurspflege deklariert wird, marktmanipulationsrechtlich unbedenklich. Selbstverständlich darf sich zulässige Kurspflege nicht etwa „anhaltender Scheingeschäfte“4 bedienen. Auch im Prospekt nicht offen gelegte Kurspflegemaßnahmen „im Graumarktbereich“5 können verbotene und straf- bzw. ahndbare Marktmanipulation sein. Weiterhin kann an sich zulässige Kurspflege mit Blick auf Derivate problematisch werden6. c) Weitere Fallgruppen 305 Mit Recht wird darauf hingewiesen, dass die Tätigkeit von „designated sponsors“ und „market makers“ durchaus in die Nähe des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, ggf. Nr. 3 WpHG geraten kann7. Der „designated sponsor“ stellt zwar verbindliche oder indikative Quotes, um Liquidität zu schaffen; dem liegt jedoch weder ein reales Angebot noch reale Nachfrage zugrunde, und es erfolgen keine wirtschaftlich begründeten Umsätze. Gleichwohl ist seine Tätigkeit in Börsenordnungen (z.B. §§ 23 ff. Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse) als sinnvoll und notwendig anerkannt und zugleich börsenordnungsrechtlich begrenzt. Nur auf vertraglicher Grundlage tätig ist der „market maker“. Vor allem bei Schuldverschreibungen und Anleihen, die überwiegend außerbörslich gehandelt werden und für die börslich nur geringfügige Liquidität besteht, kann es notwendig sein, über „market maker“ den Börsenpreis dem außerbörslichen anzupassen. Beide Konstellationen sollten de lege lata im Auslegungsweg, de lege ferenda durch Schaffung eines „safe harbour“, von der Anwendung des Marktmanipulationsverbots ausgenommen werden. In der Tat haben einige ausländische zuständige Behörden sog. liquidity enhancement contracts und auch die Anpassung des Börsenpreises von Schuldverschreibungen durch wash sales als zulässige Marktpraxis anerkannt (oben Rz. 204). 306 Der Skontroführer hat gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 BörsG auf einen geordneten Marktverlauf hinzuwirken und darf hierzu auch Eigen- und Aufgabegeschäfte durchführen, solange sie nicht tendenzverstärkend wirken. Derartige Geschäfte bringen kein reales Angebot bzw. keine reale Nachfrage zum Ausdruck und stellen keine wirtschaftlich begründeten Umsätze dar, müssen aber gleichwohl auch marktmanipulationsrechtlich als unverboten anerkannt werden8. 1 2 3 4 5 6 7
S. nur Schäfer, WM 1999, 1345 (1349). Zutr. Groß, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., § 88 BörsG Rz. 8. Zutr. Schäfer, WM 1999, 1345 (1352). Schwark, § 88 BörsG Rz. 8. Schäfer, WM 1999, 1345 (1349). Benner, in: Wabnitz/Janovsky, 1. Aufl., 4. Kap. Rz. 41. Pfüller/Anders, WM 2003, 2445 (2448); s. auch Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 20a WpHG Rz. 94. 8 Pfüller/Anders, WM 2003, 2445 (2448).
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Anhang zu § 20a
Text MaKonV
Anhang zu § 20a Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Marktmanipulation (Marktmanipulations-Konkretisierungsverordnung – MaKonV) vom 1.3.2005 (BGBl. I 2005, 515)
307
Auf Grund des § 20a Abs. 5 Satz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes, der durch Artikel 1 Nr. 7 des Gesetzes vom 28. Oktober 2004 (BGBl. I S. 2630) neu gefasst worden ist, verordnet das Bundesministerium der Finanzen: Teil 1 Anwendungsbereich § 1 Anwendungsbereich Die Vorschriften dieser Verordnung sind anzuwenden auf 1. die Bestimmung von Umständen, die für die Bewertung von Finanzinstrumenten im Sinne des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Wertpapierhandelsgesetzes erheblich sind, 2. die Bestimmung falscher oder irreführender Signale für das Angebot, die Nachfrage oder den Börsen- oder Marktpreis von Finanzinstrumenten sowie des Vorliegens eines künstlichen Preisniveaus im Sinne des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Wertpapierhandelsgesetzes, 3. die Feststellung des Vorliegens sonstiger Täuschungshandlungen im Sinne des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Wertpapierhandelsgesetzes, 4. die Bestimmung von Handlungen, die in keinem Fall einen Verstoß gegen das Verbot der Marktmanipulation nach § 20a Abs. 1 Satz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes darstellen, und 5. die Bestimmung von Handlungen, die als zulässige Marktpraxis gelten, und das Verfahren zur Anerkennung einer zulässigen Marktpraxis im Sinne des § 20a Abs. 2 des Wertpapierhandelsgesetzes. Teil 2 Bewertungserhebliche Umstände, falsche oder irreführende Signale oder künstliches Preisniveau und sonstige Täuschungshandlungen § 2 Bewertungserhebliche Umstände (1) Bewertungserhebliche Umstände im Sinne des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Wertpapierhandelsgesetzes sind Tatsachen und Werturteile, die ein verständiger Anleger bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde. Als bewertungserhebliche Umstände gelten auch solche, bei denen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass sie in Zukunft eintreten werden. (2) Insiderinformationen, die nach § 15 Abs. 1 Satz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes, sowie Entscheidungen und Kontrollerwerbe, die nach § 10 oder § 35 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes zu veröffentlichen sind, sind regelmäßig bewertungserhebliche Umstände im Sinne des Absatzes 1. (3) Bewertungserhebliche Umstände im Sinne des Absatzes 1 sind insbesondere: 1. bedeutende Kooperationen, der Erwerb oder die Veräußerung von wesentlichen Beteiligungen sowie der Abschluss, die Änderung oder die Kündigung von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen und sonstigen bedeutenden Vertragsverhältnissen;
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Anhang zu § 20a
Text MaKonV
2. Liquiditätsprobleme, Überschuldung oder Verlustanzeige nach § 92 des Aktiengesetzes; 3. bedeutende Erfindungen, die Erteilung oder der Verlust bedeutender Patente und Gewährung wichtiger Lizenzen; 4. Rechtsstreitigkeiten und Kartellverfahren von besonderer Bedeutung; 5. Veränderungen in personellen Schlüsselpositionen des Unternehmens; 6. strategische Unternehmensentscheidungen, insbesondere der Rückzug aus oder die Aufnahme von neuen Kerngeschäftsfeldern oder die Neuausrichtung des Geschäfts. (4) Bewertungserhebliche Umstände im Sinne des Absatzes 1 können insbesondere auch sein: 1. Änderungen in den Jahresabschlüssen und Zwischenberichten und den hieraus üblicherweise abgeleiteten Unternehmenskennzahlen; 2. Änderungen der Ausschüttungen, insbesondere Sonderausschüttungen, eine Dividendenänderung oder die Aussetzung der Dividende; 3. Übernahme-, Erwerbs- und Abfindungsangebote, soweit nicht von Absatz 2 erfasst; 4. Kapital- und Finanzierungsmaßnahmen. § 3 Falsche oder irreführende Signale oder künstliches Preisniveau (1) Anzeichen für falsche oder irreführende Signale oder die Herbeiführung eines künstlichen Preisniveaus im Sinne des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Wertpapierhandelsgesetzes können insbesondere auf Finanzinstrumente bezogene 1. Geschäfte oder Kauf- oder Verkaufsaufträge sein, a) die an einem Markt einen bedeutenden Anteil am Tagesgeschäftsvolumen dieser Finanzinstrumente ausmachen, insbesondere wenn sie eine erhebliche Preisänderung bewirken; b) durch die Personen erhebliche Preisänderungen bei Finanzinstrumenten, von denen sie bedeutende Kauf- oder Verkaufspositionen innehaben, oder bei sich darauf beziehenden Derivaten oder Basiswerten bewirken; c) mit denen innerhalb kurzer Zeit Positionen umgekehrt werden und die an einem Markt einen bedeutenden Anteil am Tagesgeschäftsvolumen dieser Finanzinstrumente ausmachen und die mit einer erheblichen Preisänderung im Zusammenhang stehen könnten; d) die durch ihre Häufung innerhalb eines kurzen Abschnitts des Börsentages eine erhebliche Preisänderung bewirken, auf die eine gegenläufige Preisänderung folgt; e) die nahe zu dem Zeitpunkt der Feststellung eines bestimmten Preises, der als Referenzpreis für ein Finanzinstrument oder andere Vermögenswerte dient, erfolgen und mittels Einwirkung auf diesen Referenzpreis den Preis oder die Bewertung des Finanzinstruments oder des Vermögenswertes beeinflussen; 2. Kauf- oder Verkaufsaufträge sein, die auf die den Marktteilnehmern ersichtliche Orderlage, insbesondere auf die zur Kenntnis gegebenen Preise der am höchsten li-
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mitierten Kaufaufträge oder der am niedrigsten limitierten Verkaufsaufträge, einwirken und vor der Ausführung zurückgenommen werden; 3. Geschäfte sein, die zu keinem Wechsel des wirtschaftlichen Eigentümers eines Finanzinstruments führen. (2) Irreführende Signale im Sinne des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Wertpapierhandelsgesetzes werden insbesondere auch durch Geschäfte oder einzelne Kauf- oder Verkaufsaufträge über Finanzinstrumente gegeben, 1. die geeignet sind, über Angebot oder Nachfrage bei einem Finanzinstrument im Zeitpunkt der Feststellung eines bestimmten Börsen- oder Marktpreises, der als Referenzpreis für ein Finanzinstrument oder andere Produkte dient, zu täuschen, insbesondere wenn durch den Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten bei Börsenschluss Anleger, die aufgrund des festgestellten Schlusspreises Aufträge erteilen, über die wahren wirtschaftlichen Verhältnisse getäuscht werden, 2. die zu im Wesentlichen gleichen Stückzahlen und Preisen von verschiedenen Parteien, die sich abgesprochen haben, erteilt werden, es sei denn, diese Geschäfte wurden im Einklang mit den jeweiligen Marktbestimmungen rechtzeitig angekündigt, oder 3. die den unzutreffenden Eindruck wirtschaftlich begründeter Umsätze erwecken. § 4 Sonstige Täuschungshandlungen (1) Sonstige Täuschungshandlungen im Sinne des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Wertpapierhandelsgesetzes sind Handlungen oder Unterlassungen, die geeignet sind, einen verständigen Anleger über die wahren wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere Angebot und Nachfrage in Bezug auf ein Finanzinstrument, an einer Börse oder einem Markt in die Irre zu führen und den inländischen Börsen- oder Marktpreis eines Finanzinstruments oder den Preis eines Finanzinstruments an einem organisierten Markt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hochoder herunterzutreiben oder beizubehalten. (2) Anzeichen für sonstige Täuschungshandlungen sind auch Geschäfte oder einzelne Kauf- oder Verkaufsaufträge, bei denen die Vertragspartner oder Auftraggeber oder mit diesen in enger Beziehung stehende Personen vorab oder im Nachhinein 1. unrichtige oder irreführende Informationen weitergeben oder 2. unrichtige, fehlerhafte, verzerrende oder von wirtschaftlichen Interessen beeinflusste Finanzanalysen oder Anlageempfehlungen erstellen oder weitergeben (3) Sonstige Täuschungshandlungen sind insbesondere auch 1. die Sicherung einer marktbeherrschenden Stellung über das Angebot von oder die Nachfrage nach Finanzinstrumenten durch eine Person oder mehrere in Absprache handelnde Personen mit der Folge, dass unmittelbar oder mittelbar Ankaufsoder Verkaufspreise dieser Finanzinstrumente bestimmt oder nicht marktgerechte Handelsbedingungen geschaffen werden; 2. die Nutzung eines gelegentlichen oder regelmäßigen Zugangs zu traditionellen oder elektronischen Medien durch Kundgabe einer Stellungnahme oder eines Gerüchtes zu einem Finanzinstrument oder dessen Emittenten, nachdem Positionen über dieses Finanzinstrument eingegangen worden sind, ohne dass dieser Interes-
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senkonflikt zugleich mit der Kundgabe in angemessener und wirksamer Weise offenbart wird. Teil 3 Handlungen, die in keinem Fall einen Verstoß gegen das Verbot der Marktmanipulation darstellen § 5 Handlungen im Einklang mit europäischem Recht Der Handel mit eigenen Aktien im Rahmen von Rückkaufprogrammen sowie Maßnahmen zur Stabilisierung des Preises von Finanzinstrumenten nach § 20a Abs. 3 des Wertpapierhandelsgesetzes in Verbindung mit der Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates – Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen (ABl. EU Nr. L 336 S. 33) – stellen in keinem Fall einen Verstoß gegen das Verbot der Marktmanipulation dar. § 6 Anerkennung ausländischer Stabilisierungsregeln Zulässig sind auch im Ausland getätigte Maßnahmen zur Stabilisierung des Preises von Finanzinstrumenten, die nicht zum Handel an einem organisierten Markt in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zugelassen sind und für die eine solche Zulassung nicht beantragt ist, wenn sie den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 genügen oder im Rahmen der an den betreffenden ausländischen Märkten bestehenden Regeln über zulässige Stabilisierungsmaßnahmen getätigt werden, sofern diese Regeln den Regeln dieser Verordnung gleichwertig sind. Teil 4 Zulässige Marktpraxis § 7 Verfahren zur Anerkennung einer zulässigen Marktpraxis (1) Erhält die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bundesanstalt) im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit Kenntnis von einer Gepflogenheit, die geeignet sein könnte, falsche oder irreführende Signale für das Angebot, die Nachfrage oder den Börsen- oder Marktpreis von Finanzinstrumenten zu geben oder ein künstliches Preisniveau herbeizuführen, so entscheidet sie über die Anerkennung dieser Gepflogenheit als eine zulässige Marktpraxis im Sinne des § 20a Abs. 2 des Wertpapierhandelsgesetzes nach Maßgabe des Absatzes 2 und der §§ 8 und 9. Sie überprüft die zulässige Marktpraxis regelmäßig und berücksichtigt dabei insbesondere wesentliche Änderungen des Marktes, wie geänderte Handelsregeln oder eine Änderung der Infrastruktur des Marktes. Sie kann die Anerkennung mit Wirkung für die Zukunft ändern oder widerrufen. Für die Änderung oder den Widerruf gelten die §§ 8 und 9 entsprechend. (2) Wurde bereits ein Verfahren wegen des Verdachts auf Marktmanipulation eingeleitet, so kann die Bundesanstalt für den Einzelfall bei besonderer Eilbedürftigkeit ohne die in § 9 vorgesehene Beteiligung von Marktteilnehmern, anderen Behörden und zuständigen ausländischen Stellen nur nach Maßgabe des § 8 Abs. 1 entscheiden. Die Beteiligung von Marktteilnehmern, anderen Behörden und zuständigen ausländischen Stellen nach § 9 sowie gegebenenfalls die Bekanntgabe der Anerkennung nach § 10 sind nachzuholen. Die Befugnisse der Staatsanwaltschaft bleiben unberührt.
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§ 8 Kriterien (1) Bei der Anerkennung von Gepflogenheiten als zulässige Marktpraxis im Sinne des § 20a Abs. 2 Satz 2 des Wertpapierhandelsgesetzes berücksichtigt die Bundesanstalt insbesondere, ob die Gepflogenheit 1. für den gesamten Markt hinreichend transparent ist, 2. die Liquidität und Leistungsfähigkeit des Marktes beeinträchtigt, 3. das Funktionieren der Marktkräfte und das freie Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage unter Berücksichtigung wesentlicher Parameter, insbesondere der Marktbedingungen vor Einführung der Marktpraxis, des gewichteten Durchschnittskurses eines Handelstages und der täglichen Schlussnotierung, beeinträchtigt 4. mit dem Handelsmechanismus auf dem Markt vereinbar ist und den anderen Marktteilnehmern eine angemessene und rechtzeitige Reaktion erlaubt, 5. den Strukturmerkmalen des Marktes, insbesondere dessen Regulierung und Überwachung, den gehandelten Finanzinstrumenten und der Art der Marktteilnehmer gerecht wird und 6. die Integrität anderer Märkte, auf denen dasselbe Finanzinstrument gehandelt wird, gefährdet. (2) Die Bundesanstalt berücksichtigt die Erkenntnisse anderer inländischer Behörden sowie zuständiger Stellen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union und anderer Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum aus Ermittlungstätigkeiten im Zusammenhang mit der betreffenden Marktpraxis, insbesondere zur Vereinbarkeit der Gepflogenheit mit Marktmissbrauchsrecht und den Verhaltensregeln des betreffenden Marktes oder mit diesem in Beziehung stehenden Märkten innerhalb der Europäischen Union und dem Europäischen Wirtschaftsraum. § 9 Beteiligung von Marktteilnehmern, Behörden und ausländischen Stellen (1) Soweit für eine sachgerechte Entscheidung erforderlich, sind vor der Anerkennung einer zulässigen Marktpraxis Spitzenverbände der betroffenen Wirtschaftskreise, insbesondere der Emittenten und der Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Betreiber von Märkten, auf denen Finanzinstrumente gehandelt werden, Verbraucherverbände oder Behörden, deren Aufgabenbereiche von der Anerkennung der Marktpraxis berührt werden, anzuhören. Zuständige Stellen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union und anderer Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, die den Handel mit Finanzinstrumenten überwachen, sollen angehört werden, insbesondere wenn sie für die Überwachung von mit dem jeweiligen Markt vergleichbaren Märkten zuständig sind. (2) Die Bundesanstalt setzt eine angemessene Frist für die Abgabe von Stellungnahmen nach Absatz 1. Fristgemäß abgegebene Stellungnahmen werden bei der Entscheidung über die Anerkennung berücksichtigt.
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§ 10 Bekanntgabe (1) Die Bundesanstalt gibt die Anerkennung einer zulässigen Marktpraxis durch Veröffentlichung im elektronischen1 Bundesanzeiger und auf ihrer Website bekannt. In der Bekanntgabe beschreibt sie das Verhalten, welches die zulässige Marktpraxis kennzeichnet, und nennt die der Anerkennung zugrunde liegenden Erwägungen. Abweichungen von der zulässigen Marktpraxis auf anderen, mit dem jeweiligen Markt vergleichbaren Märkten, sind gesondert zu begründen. (2) Die Bundesanstalt übermittelt die Bekanntgabe nach Absatz 1 unverzüglich dem Ausschuss der Europäischen Wertpapierregulierungsbehörden zum Zweck der Veröffentlichung auf dessen Website. Teil 5 Schlussvorschriften § 11 Inkrafttreten, Außerkrafttreten Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt die Verordnung zur Konkretisierung des Verbotes der Kurs- und Marktpreismanipulation vom 18. November 2003 (BGBl. I S. 2300) außer Kraft.
§ 20b Überwachung (aufgehoben) Die durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz vom 21.6.2002 (BGBl. I 2002, 2010) eingeführte Vorschrift (s. hierzu den Abdruck und die Kommentierung in der 3. Aufl. des Kommentars) ist durch Art. 1 Nr. 8 AnSVG vom 28.10.2004 (BGBl. I 2004, 2530) mit Wirkung vom 30.10.2004 aufgehoben worden und in den allgemeinen Verfahrensvorschriften, insbesondere in § 4 Abs. 2–10 WpHG (Auskunftspflicht, Pflicht, Unterlagen vorzulegen, Betretensbefugnis), § 7 WpHG (Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen im Ausland) und § 10 WpHG (Anzeige von Verdachtsfällen), aufgegangen (s. hierzu die dortigen Kommentierungen). Damit ist die vorherige Parallelnormierung der Überwachung des Verbots von Insidergeschäften einerseits und des Verbots der Marktmanipulation andererseits entfallen und ein einheitliches Überwachungsverfahrensrecht geschaffen worden (s. aber zur Überwachung von Ratingagenturen § 17 WpHG und die Verordnung [EG] Nr. 1060/2009 i.d.F. der Verordnung [EU] Nr. 513/2011). Da Verfahrensrecht nur dem allgemeinen rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbot unterliegt, richten sich Überwachungsverfahren, die am 30.10.2004 noch anhängig waren, ab diesem Zeitpunkt nach dem neuen Verfahrensrecht.
1 Mit dem vom Bundestag am 10.11.2011 angenommenen Gesetz zur Änderung von Vorschriften über Verkündung und Bekanntmachungen … (BR-Drucks. 747/11 v. 25.11.2011) wird der (gedruckte) Bundesanzeiger eingestellt und eine dauerhaft elektronische Veröffentlichung unter der Bezeichnung „Bundesanzeiger“ eingeführt.
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Abschnitt 5 Mitteilung, Veröffentlichung und Übermittlung von Veränderungen des Stimmrechtsanteils an das Unternehmensregister Vorbemerkung Europäische Rechtsakte: Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 12.12.1988 (88/627/EWG) über die bei Erwerb und Veräußerung einer bedeutenden Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft zu veröffentlichenden Informationen, ABl. EG Nr. L 348 v. 17.12.1988, S. 62; Richtlinie 2001/34/EG vom 28.5.2001 über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapaiere zu veröffentlichenden Informationen, ABl. EG Nr. L 184 v. 6.7.2001, S. 1; sowie Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EG Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 38; Richtlinie 2007/14/EG der Kommission vom 8.3.2007 mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, ABl. EG Nr. L 69 v. 9.3.2007, S. 27. Schrifttum: I. Zu Vor §§ 21 ff. WpHG: Arends, Die Offenlegung von Aktienbesitz nach deutschem Recht, 2000; Assmann, Die Konzernfinanzierung und das Kapitalmarktrecht, in: Lutter/Scheffler/U. H. Schneider (Hrsg.), Handbuch der Konzernfinanzierung, 1998, S. 332; Austmann, Pflichten zur Offenlegung von Aktienbesitz, WiB 1994, 143; Baums/König, Investmentfonds im Universalbankenkonzern: Rechtstatsachen und aktuelle Reformfragen, in: FS Kropff, 1997, S. 3; Bosse, Melde- und Informationspflichten nach dem Aktiengesetz und dem Wertpapierhandelsgesetz im Zusammenhang mit dem Rückkauf eigener Aktien, ZIP 1999, 2047; Bosse, Wesentliche Neuregelungen ab 2007 aufgrund des TransparenzrichtlinieUmsetzungsgesetzes börsennotierter Unternehmen, DB 2007, 39; Bott/Schleef, Transparenz von Beteiligungsverhältnissen nach dem Wertpapierhandelsgesetz – Nutzen für den Anleger?, ZBB 1998, 330; Buck-Heeb, Informationsorganisation im Kapitalmarktrecht – Compliance zwischen Informationsmanagement und Wissensorganisationspflichten, CCZ 2009, 18; Burgard, Kapitalmarktrechtliche Lehren aus der Übernahme Vodafone-Mannesmann, WM 2000, 611; Burgard, Die Offenlegung von Beteiligungen, Abhängigkeits- und Konzernlagen bei der Aktiengesellschaft, 1990; Burgard, Die Offenlegung von Beteiligungen bei der Aktiengesellschaft, AG 1992, 41; Burgard, Die Berechnung des Stimmrechtsanteils nach §§ 21–23 Wertpapierhandelsgesetz, BB 1995, 2069; Busch, Eigene Aktien in der Kapitalerhöhung, AG 2005, 429; von Buttlar, Kapitalmarktrechtliche Pflichten in der Insolvenz, BB 2010, 1355; Cahn, Probleme der Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten nach dem WpHG bei Veränderungen des Stimmrechtsanteils an börsennotierten Gesellschaften, AG 1997, 502; Cahn, Grenzen des Markt- und Anlegerschutzes durch das WpHG, ZHR 162 (1998), 1; von der Crone, Neuerungen im Offenlegungsrecht, SZW/RSDA 2008, 1; Diekmann, Mitteilungspflichten nach §§ 20 ff. AktG und dem Diskussionsentwurf des Wertpapierhandelsgesetzes, DZWIR 1994, 13; Diekmann/Merkner, Erhöhte Transparenzanforderungen im Aktien- und Kapitalmarktrecht, NZG 2007, 921; Falkenhagen, Aktuelle Fragen zu den neuen Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten nach Abschnitt 4 und 7 des Wertpapierhandelsgesetzes, WM 1995, 1005; Fleischer/Schmolke, Die Reform der Transparenzrichtlinie: Mindest- oder Vollharmonisierung der kapitalmarktrechtlichen Beteiligungspublizität?, NZG 2010, 1241; Franck, Die Stimmrechtszurechnung nach § 22 WpHG und § 30 WpÜG, BKR 2002, 709; Gelhausen/Bandey, Bilanzielle Folgen der Nichterfüllung von Mitteilungspflichten gemäß §§ 20 f. AktG und §§ 21 ff. WpHG nach Inkrafttreten des Dritten Finanzmarktförderungsgesetzes, WPg 2000, 497; Göres, Kapitalmarktrechtliche Pflichten nach dem Transparenzrichtlinie-Umsetzungs-
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Vorbemerkung
gesetz, Der Konzern 2007, 15; Götze, Das jährliche Dokument nach § 10 WpPG – eine Bestandsaufnahme, NZG 2007, 570; Happ, Zur Nachholung aktienrechtlicher Meldepflichten und damit verbundenen prozessualen Fragen, in: FS Karsten Schmidt, 2009, S. 545; Heinrich, Kapitalmarktrechtliche Transparenzbestimmungen und die Offenlegung von Beteiligungsverhältnissen, 2006; Heppe, Zu den Mitteilungspflichten nach § 21 WpHG im Rahmen der Umwandlung von Gesellschaften, WM 2002, 60; Hildner, Kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz verbundener Unternehmen, 2002; Hirte, Handels-, gesellschafts- und kapitalmarktrechtliche Publizitätspflichten in der Insolvenz, in: FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 533; Hirte, Nachweis mitgeteilter Beteiligungen im Wertpapierhandelsgesetz, in: FS Lutter, 2000, S. 1347; Hirte, Der „Handelsbestand“ – Bindeglied zwischen Kapitalmarkt- und Konzernrecht, in: FS Wiedemann, 2002, S. 955; Hopt, Familien- und Aktienpools unter dem Wertpapierhandelsgesetz, ZGR 1997, 1; Hutter/Kaulamo, Das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz: Änderung der anlassabhängigen Publizität, NJW 2007, 471; Janert, Veröffentlichungspflicht börsennotierter Gesellschaften bei unterlassener Mitteilung nach § 21 WpHG?, BB 2004, 169; Jäger, Rechtsprobleme bei der Meldung des Anteilsbesitzes gem. § 21 bzw. § 41 WpHG, insbesondere bei Familienaktiengesellschaften, WM 1996, 1356; Junge, Anzeigepflichten und Publizität bei Beteiligungserwerb, in: FS Semler, 1993, S. 473; Kalss, Die Offenlegung von Beteiligungen, ÖBA 1993, 615; Kalss, Anlegerinteressen, 2001; Kaum/Zimmermann, Das „jährliche Dokument“ nach § 10 WpPG, BB 2005, 1466; Kirschner, Unterlassene Meldung einer Umfirmung als Verstoß gegen § 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG, DB 2008, 623; Klein/Theusinger, Beteiligungstransparenz ohne Beteiligungsrelevanz? Mitteilungspflichten bei Umfirmierungen und Umwandlungsmaßnahmen, NZG 2009, 250; Loddenkemper, Transparenz im öffentlichen und privaten Wirtschaftsrecht, 1998; Merkt, Unternehmenspublizität, 2001; Meyer/Bundschuh, Sicherungsübereignung börsennotierter Aktien, Pflichtangebot und Meldepflichten, WM 2003, 960; Möllers, Anlegerschutz durch Aktien- und Kapitalmarktrecht, ZGR 1997, 334; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 1995; Mülbert, Empfehlen sich gesetzliche Regelungen zur Einschränkung des Einflusses der Kreditinstitute auf Aktiengesellschaften?, Gutachten zum 61. DJT, 1996; Nodonshani, Die Transparenz von Beteiligungsverhältnissen, WM 2008, 1671; Nießen, Die Harmonisierung der kapitalmarktrechtlichen Transparenzregeln durch das TUG, NZG 2007, 41; Noack, Aktionärsrechte im EU-Kapitalbinnnenmarkt – Bemerkungen zur Konsultation der EUKommission, ZIP 2005, 325; Nobel, Koordiniertes Aktionärsverhalten im Börsenrecht, in: Druey/Böckli/Nobel, Rechtsfragen um die Aktionärbindungsverträge, Zürich 1998, S. 76; Nottmeier/Schäfer, Zu den Mitteilungspflichten von Konzernunternehmen gemäß § 24 Wertpapierhandelsgesetz, WM 1996, 513; Nottmeier/Schäfer, Praktische Fragen im Zusammenhang mit §§ 21, 22 WpHG, AG 1997, 87; Pötzsch, Das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz, WM 1998, 949; Rodewald/Unger, Zusätzliche Transparenz für die europäischen Kapitalmärkte – Die Umsetzung der EU-Transparenzrichtlinie in Deutschland, BB 2006, 1917; Röthlisberger, Offenlegung der Beteiligungsverhältnisse bei Publikumsgesellschaften, Bern 1998; Schlitt/Schäfer, Auswirkungen der Umsetzung der Transparenzrichtlinie und der Finanzmarktrichtlinie auf Aktien- und Equity – Linked – Emissionen, AG 2007, 227; Schnabel/ Korff, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten gemäß §§ 21 ff. WpHG und ihre Änderung durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz, ZBB 2007, 179; Sven H. Schneider, Interne Informationsbeschaffung, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Handbuch der Kapitalmarktinformation, 2008, S. 49; Sven H. Schneider/Uwe H. Schneider, Der Rechtsverlust gem. § 28 WpHG und seine Folgen, ZIP 2006, 493; Uwe H. Schneider, Anwendungsprobleme bei den kapitalmarktrechtlichen Vorschriften zur Offenlegung von wesentlichen Beteiligungen an börsennotierten Aktiengesellschaften (§§ 21 ff. WpHG), AG 1997, 81; Uwe H. Schneider, Die Kollision der Motive, EuZW 1995, 653; Uwe H. Schneider, Die kapitalmarktrechtlichen Offenlegungspflichten von Konzernunternehmen nach §§ 21 ff. WpHG, in: FS Brandner, 1996, S. 565; Uwe H. Schneider/Anzinger, Institutionelle Stimmrechtsberatung und Stimmrechtsvertretung, NZG 2007, 88; Uwe H. Schneider/Anzinger, Umgehung und missbräuchliche Gestaltungen im Kapitalmarktrecht, ZIP 2009, 1; Uwe H. Schneider/Burgard, Transparenz als Instrument der Steuerung des Einflusses der Kreditinstitute auf Aktiengesellschaften, DB 1996, 1765; Schroeder, Die Kontrolle des Aktionärskreises in der Reit-Aktiengesellschaft, AG 2007, 531; Schuster, Die internationale Anwendung des Börsenrechts, 1996; Segna, Irrungen und Wirrungen mit den §§ 21 ff. WpHG und § 244 AktG, AG 2008, 311; Sethe, Kapitalmarktrechtliche Konsequenzen einer Kapitalherabsetzung, ZIP 2010, 1825; Starke, Beteiligungs-
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Vorbemerkung
transparenz im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht – Rechtsprobleme der §§ 21 ff. WpHG und des § 20 AktG, 2002; Steuer/Baur, Erwerbsgeschäfte im Grenzbereich bedeutender Beteiligungen nach dem Wertpapierhandelsgesetz, WM 1996, 1477; Streit, Veröffentlichungspflichten gem. §§ 21, 25 WpHG bei der insolventen AG, Inanspruchnahme des Insolvenzverwalters und Kostenhaftung der Masse?, NZI 2005, 486; Sudmeyer, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten nach §§ 21, 22 WpHG, BB 2002, 685; Vedder, Zum Begriff „für Rechnung“ im AktG und im WpHG – eine Untersuchung der anteilsbezogenen Regelungen, 1999; Veil, Der Schutz des verständigen Anlegers durch Publizität und Haftung im europäischen und nationalen Kapitalmarktrecht, ZBB 2006, 162; Widder, Kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz und Gesamtrechtsnachfolge, BB 2005, 1979; Widder, Mitteilungspflichten gemäß §§ 21 ff. WpHG und Anteilserwerb nach UmwG, NZG 2010, 455; Widder, Rechtsnachfolge in Mitteilungspflichten nach §§ 21 ff. WpHG, § 20 AktG?, NZG 2004, 275; Widder/Kocher, Die Behandlung eigener Aktien im Rahmen der Mitteilungspflichten nach §§ 21 ff. WpHG, AG 2007, 13; Wilsing, Wiederaufleben des Stimmrechts aus Vorzugsaktien und Mitteilungspflicht nach § 21 Abs. 1 WpHG, BB 1995, 2277; Witt, Die Änderungen der Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten nach §§ 21 ff. WpHG und §§ 20 f. AktG durch das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz und das KonTraG, WM 1998, 1153; Witt, Regelmäßige „Wasserstandsmeldungen“ – unverzichtbarer Bestandteil eines künftigen Übernahmegesetzes, NZG 2000, 809; Witt, Übernahmen von Aktiengesellschaften und Transparenz der Beteiligungsverhältnisse, 1998; Witt, Vorschlag für eine Zusammenfügung der §§ 21 ff. WpHG und des § 20 AktG zu einem einzigen Regelungskomplex, AG 1998, 171. II. Allgemein zur Beteiligungspublizität, insbesondere zu §§ 20 ff. AktG: S. zunächst die Literaturhinweise unter I. sowie Bernhardt, Mitteilungs-, Bekanntmachungs- und Berichtspflichten über Beteiligungen nach neuem Aktienrecht, BB 1966, 678; Heinsius, Rechtsfolgen einer Verletzung der Mitteilungspflicht nach § 20 AktG, in: FS Fischer, 1979, S. 215; Hüffer, Verlust oder Ruhen von Aktionärsrechten bei Verletzung aktienrechtlicher Mitteilungspflichten?, in: FS Boujong, 1996, S. 277; Koppensteiner, Einige Fragen zu § 20 AktG, in: FS Rowedder, 1994, S. 213; Kütting, Einzelfragen des Beteiligungserwerbs, BB 1979, 1120; Lutter/Uwe H. Schneider, Die Beteiligung an inländischen Aktiengesellschaften – Möglichkeiten der Beschränkung nach geltendem Recht und Vorschläge de lege ferenda, ZGR 1975, 207; Maul, Mitteilungspflichten über qualifizierte Beteiligungsverhältnisse, BB 1985, 897; Neye, Harmonisierung der Mitteilungspflichten zum Beteiligungsbesitz von börsennotierten Aktiengesellschaften, ZIP 1996, 1853; Pentz, Mitteilungspflichten gemäß §§ 20, 21 AktG gegenüber einer mehrstufig verbundenen Aktiengesellschaft, AG 1992, 55; Priester, Die Beteiligungspublizität gemäß §§ 20, 160 Abs. 3 Nr. 11 AktG bei der Gründung der Gesellschaft, AG 1974, 212; Quack, Die Mitteilungspflichten des § 20 AktG und ihr Einfluss auf das Verhalten der Organe des Mitteilungsadressaten, in: FS Semler, 1993, S. 581; Schäfer, Die Rechtsfolgen bei Unterlassung der Mitteilung nach §§ 20, 21 des Aktiengesetzes, BB 1966, 1004; Uwe H. Schneider, Die Fortentwicklung des Handelsregisters zum Konzernregister, WM 1986, 181; Uwe H. Schneider, Erweiterte Anzeigepflichten und aufsichtsrechtliche Beteiligungsverbote an Kreditinstituten?, BB 1989, 84.
Inhaltsübersicht I. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . .
1
VII. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . 18
II. Nachfolgende Gesetzesänderungen.
6
III. Transparenzrichtlinie II und das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
1. Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts und Anlegerschutz . . . . . . . . 18 2. Ordnungspolitische und gesellschaftsrechtliche Zielsetzung . . . . . 25 3. Stimmrechte im System kontenverbuchter Aktienrechte . . . . . . . . . 32
IV. Mindest- oder Vollharmonisierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10a
VIII. Regelungssystematik und Aufbau des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32a
V. Risikobegrenzungsgesetz und Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz . . . . . . . . . . . . .
11
VI. Regelungsinhalt und Rechtsnatur . .
12
IX. Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
Uwe H. Schneider
981
Vor § 21
Vorbemerkung
1. Größtmögliche Transparenz des Marktgeschehens als Maßstab der Auslegung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einheitliche Auslegung . . . . . . . . . . 3. Emittentenleitfaden 2009 . . . . . . . . .
33 41 43
X. Analogie, Umgehung der Meldepflichten, missbräuchliche Gestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
XI. Exterritoriale Anwendung . . . . . . . .
50
XII. Verhältnis zur Ad-hoc-Publizität . .
56
XIII. Offenlegungs- und Anzeigepflichten außerhalb des WpHG . . . . . . . . .
60
1. Unterschiedliche Ansätze . . . . . . . . 2. Aktienrechtliche Offenlegungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) §§ 20 ff., 328 AktG . . . . . . . . . . . .
60 61 61
b) c) d) e) f) g)
Treupflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 42 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 67 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 129 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 131 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . §§ 294 Abs. 1 Satz 1, 295 Abs. 1 Satz 2, 298, 319 Abs. 4, 320 Abs. 1 Satz 3, 327 Abs. 3 AktG . . 3. Sonstige Vorschriften . . . . . . . . . . . . 4. Übernahmerechtliche Veröffentlichungspflichten des Bieters nach Abgabe des Angebots . . . . . . . . . . . a) § 23 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verhältnis zwischen §§ 21 ff. WpHG und § 23 WpÜG . . . . . . . .
69 70 71 72 73 80 81
82 82 85
XIV. Verweisungen auf die §§ 21 ff. WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
I. Entstehungsgeschichte 1
Die §§ 21–30 WpHG setzen die auf Art. 54 EG-Vertrag (jetzt Art. 61 AEUV) beruhende Richtlinie des Rates vom 12.12.1988 über die bei Erwerb und Veräußerung einer bedeutenden Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft zu veröffentlichenden Informationen (88/627/EWG)1 in das deutsche Recht um. Dieser sog. Transparenzrichtlinie I lagen Vorschläge der Kommission2 sowie Stellungnahmen des Europäischen Parlaments3 und des Wirtschafts- und Sozialausschusses4 zugrunde.
2
Die Umsetzung der Richtlinie sollte gemäß Art. 17 Abs. 1 bis zum 1.1.1991 erfolgen. Die §§ 21–30 WpHG traten jedoch erst am 1.1.1995 in Kraft, Art. 20 2. FFG. Diese Verzögerung hatte mehrere Ursachen. In der rechtspolitischen Diskussion waren gesetzliche Offenlegungspflichten teilweise als „Anschlag auf die freiheitliche Wirtschaftsordnung“5 angesehen worden. So gehörte in der Aktienrechtsreform 1965 die Einführung der aktienrechtlichen Offenlegungspflichten zu den am meisten umstrittenen Fragen6. Im Ergebnis wurden die §§ 20 ff. AktG als „unbefriedigender Kompromiss zwischen Reaktionären und Romantikern“7 bezeichnet. Erst langsam hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Offenlegung wesentlicher Beteiligungen durch eine Aktiengesellschaft zu einer die Rechte der Aktionäre berücksichtigenden „Aktienkultur“8 und dass kapitalmarktrechtliche Offenlegungspflichten zu einer auf
1 2 3 4 5
ABl. EG Nr. L 348 v. 17.12.1988, S. 62. ABl. EG Nr. C 351 v. 31.12.1985, S. 35 und ABl. EG Nr. C 255 v. 25.9.1987, S. 6. ABl. EG Nr. C 125 v. 11.5.1987, S. 141. ABl. EG Nr. C 263 v. 20.10.1986, S. 1. So Vallenthin, in: Marburger Aussprache zur Aktienrechtsreform, 1959, S. 36, 42; Schäfer, BB 1966, 230. 6 Würdinger, in: Großkomm. AktG, 3. Aufl., Vorbem. zu den §§ 20–22. 7 Zit. nach Geßler, AG 1965, 348. 8 S. auch Grundsatz IV. Offenlegung und Transparenz der OECD-Grundsätze der Corporate Governance 2004: „Der Corporate Governance-Rahmen sollte gewährleisten, dass alle wesentlichen Angelegenheiten, die das Unternehmen betreffen, namentlich Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage, Eigentumsverhältnisse und Strukturen der Unternehmensführung, zeitnah und präzise offen gelegt werden.“
982 Uwe H. Schneider
Vorbemerkung
Vor § 21
Fairness und Gleichbehandlung aufbauenden „Finanzmarktkultur“1 gehören. Bezeichnend für die geänderte Sichtweise war die Aufforderung durch führende Vertreter aus der Kreditwirtschaft an den Gesetzgeber, „möglichst zeitnah einen Rechtsstandard herbeizuführen, der eine größtmögliche Transparenz des Marktgeschehens sowie die Durchführung ordnungsgemäßer und fairer Übernahmeverfahren gewährleistet“2. Nach der Umsetzung der Richtlinie wurden die in den §§ 21 ff. WpHG enthaltenen Offenlegungsvorschriften durch die Praxis als „ein frisches, ein neues, ein schwieriges Feld“3 bezeichnet. Indessen sollte auch nicht verdrängt werden, dass noch bis in die Endphase der rechtspolitischen Diskussion gefordert wurde, es bei der 10 %-Schwelle, die die Transparenzrichtlinie I nennt, zu belassen4. Hinzu kam ein Weiteres. Streitig war auch, ob die Umsetzung im Rahmen der aktienrechtlichen Offenlegungspflichten (§ 20 AktG), wie teilweise in der Literatur gefordert, oder als eigenständige kapitalmarktrechtliche Regelungen erfolgen sollte. Vorzugswürdig erschien der erste Weg5. Der Gesetzgeber entschied sich jedoch für den zweiten Weg und passte im Dritten Finanzmarktförderungsgesetz § 20 AktG entsprechend an6.
3
Erst im Juni 1993 lag ein erster Diskussionsentwurf (Dokument BMF/VII B 5 vom 29.6.1993) vor. Es folgten ein Referentenentwurf, ein Regierungsentwurf (BT-Drucks. 12/6679) sowie eine Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (BT-Drucks. 12/7918), bis das Gesetz sodann am 26.7.1994 verabschiedet wurde. Nach einigen redaktionellen Änderungen erfolgte eine erste Novellierung mit dem Dritten Finanzmarktförderungsgesetz.
4
Bei der Umsetzung der Transparenzrichtlinie I wurde von der Möglichkeit des Art. 3 5 der Richtlinie, strengere Vorschriften zu erlassen, nur vereinzelt, allerdings auch hinsichtlich der wichtigen Frage der Schwellenwerte, Gebrauch gemacht. Auch hier zeigte sich der bereits erwähnte Stimmungswandel, ausgelöst u.a. durch die Fälle Feldmühle Nobel, Continental und Krupp/Hoesch7, einerseits, sowie durch die Diskussion über die satzungsmäßigen Stimmrechtsbeschränkungen8 andererseits. Zuvor wurde der Grundsatz der „Anonymität der Aktie“ hochgehalten9. Das mag als Forderung begründet gewesen sein. Aus dem Aktiengesetz lässt sich aber, wie ins1 Otto, AG 1994, 170. 2 Kopper, zum damaligen Zeitpunkt Sprecher des Vorstands der Deutsche Bank AG, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 10.4.1990. 3 Breuer, in: Das deutsche Börsensystem im Aufbruch: Standortbestimmung und Ausblick, 1994, S. 12; s. auch Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, Vor §§ 21–30 WpHG Rz. 13: „Qualitätssprung im Kapitalmarkt“. 4 So etwa Zentraler Kreditausschuss, zit. nach ZIP Aktuell 17/93, A 110; s. ferner Falkenhagen, WM 1995, 1005: „Überregulierung“; und für restriktive Auslegung: Steuer/Baur, WM 1996, 1477. 5 Burgard, Die Offenlegung von Beteiligungen, Abhängigkeits- und Konzernlagen bei der Aktiengesellschaft, 1990, S. 185; Burgard, AG 1991, 41 (51); a.A. Austmann, WiB 1994, 143 (147), der überdies entgegen der überwiegenden Meinung (Finanzausschuss [7. Ausschuss], BT-Drucks. 12/7918, S. 968; Hopt, in: WM-Festgabe Hellner, 1994, S. 29, 34; Junge, in: FS Semler, 1993, S. 473, 484; Diekmann, DZWIR 1994, 13 (19 f.); ausführlich Happ, JZ 1994, 240 (245 f.), der jeglichen Anpassungsbedarf leugnet. 6 S. hierzu Neye, ZIP 1996, 1853 sowie bei Rz. 66. 7 S. dazu Burgard, AG 1992, 41 ff. 8 Anstelle anderer: Baums, AG 1990, 221; Uwe H. Schneider, AG 1990, 56; Zöllner/Noack, AG 1991, 117; s. aber Art. 1 Nr. 20 und Art. 11 Nr. 1 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27.4.1998 (BGBl. I 1998, 768). 9 Siebel, in: FS Heinsius, 1991, S. 771, 784 f.
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Vor § 21
Vorbemerkung
besondere § 129 AktG zeigt, ein solcher Grundsatz nicht ableiten. Man erkannte nun die Bedeutung erweiterter Offenlegungspflichten für einen ausgewogenen Anlegerschutz im Allgemeinen1 und für eine verbesserte faktische Konzerneingangskontrolle, vor allem als Schutz vor sog. „feindlichen“ Übernahmen und im Verlauf eines Übernahmeverfahrens2, im Besonderen. Übersehen wird dabei freilich, dass auch erweiterte Offenlegungspflichten „räuberische Übernahmen“3 nicht verhindern können4. Ausschlaggebend für die anfängliche Festsetzung der 5 %-Marke war die Handhabung in anderen Industriestaaten5.
II. Nachfolgende Gesetzesänderungen 6
Die Transparenzrichtlinie I wurde im Jahr 2001 aufgehoben. Die einschlägigen Bestimmungen wurden in Art. 85 ff. Koordinierungsrichtlinie6 übernommen. Anpassungen im nationalen Recht wurden hierdurch nicht erforderlich.
7
Unabhängig hiervon wurden die §§ 21 ff. WpHG mehrfach geändert. Durch das „Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen“ vom 20.12.2001 wurde § 22 WpHG neu gefasst, bestehende Zurechnungstatbestände modifiziert. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollte dies der Klarstellung bestimmter Sachverhalte dienen und bestehende Lücken der Zurechnung schließen7. Weiterhin wurden durch dieses Gesetz in den §§ 21 Abs. 1a und 2, 25 Abs. 2 Satz 1, 26 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und 30 Abs. 1 Nr. 4 WpHG – jeweils in der damals gültigen Fassung – jeweils die Worte „zum amtlichen Handel an einer Börse“ durch die Worte „zum Handel an einem organisierten Markt“ ersetzt. Damit wurde der Anwendungsbereich des WpHG dem weiteren Anwendungsbereich des WpÜG angepasst. Mit dieser Änderung ging der deutsche Gesetzgeber insoweit über die Vorgaben der Transparenzrichtlinie I8 hinaus, die nur für Gesellschaften, deren Aktien zum amtlichen Handel an einer Börse zugelassen sind, Regelungen vorsieht9. Durch das „Gesetz über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht“ vom 22.4.2002 wurden an den §§ 21 ff. WpHG lediglich redaktionelle Anpassungen auf Grund der Tatsache vorgenommen, dass seit diesem Zeitpunkt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zuständig ist. Das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz vom 21.6.2002 veränderte die §§ 21 ff. WpHG nur geringfügig. Die Änderungen dienten nur der inhaltlichen Klarstellung (§ 21 Abs. 1 Satz 1, § 25 Abs. 1 Satz 1 WpHG) und der Beseitigung von Redaktionsversehen. 1 Kropff, in: Lutter (Hrsg.), 25 Jahre Aktiengesetz, 1991, S. 19, 37. 2 S. § 23 WpÜG sowie dazu Bartelt, § 23 WpÜG – Veröffentlichungspflichten des Bieters nach Abgabe des Angebots, Diss. Augsburg 2003; Burgard, WM 2000, 611; Witt, NZG 2000, 809; Witt, AG 2001, 233. 3 Zum Problem der räuberischen Übernahmen durch raider anstelle vieler: Uwe H. Schneider/Burgard, DB 2001, 963. 4 Kopper, Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 10.4.1990: „Wichtig ist aber, dass ein Paketkäufer künftig frühzeitig und für alle Marktteilnehmer erkennbar veranlasst wird, seine Absichten offen zu legen.“ Die Offenlegung der Absichten ist nach deutschem Recht – anders als etwa in den USA und Frankreich – allerdings gerade nicht gefordert. 5 Vgl. Begr. RegE zu § 21 Abs. 1, BT-Drucks. 12/6679, S. 52; s. dazu auch unten § 21 Rz. 27. 6 Richtlinie 2001/34/EG über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen vom 28.5.2001, ABl. EG Nr. L 184 v. 6.7.2001, S. 1 ff. 7 Vgl. BT-Drucks. 14/7034. 8 Richtlinie 88/627/EWG des Rates v. 12.12.1988. 9 Vgl. BT-Drucks. 14/7034.
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Vorbemerkung
III. Transparenzrichtlinie II und das TransparenzrichtlinieUmsetzungsgesetz Die „Richtlinie 2004/109/EG vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenz- 8 anforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG“1 (Transparenzrichtlinie II) regelte in Art. 9 ff. die „Informationen über bedeutende Beteiligungen“ neu. U.a. wurden die Meldeschwellen neu geordnet, die Eingangsmeldeschwelle wurde auf 5 % herabgesetzt, die Zurechnungstatbestände wurden neu formuliert, das Meldeverfahren wurde reformiert, und die Meldung beim Erwerb eigener Aktien wurde ausdrücklich geregelt. Für Market Maker und Verwahrstellen sollte – so der damalige Wortlaut – künftig keine Meldepflicht bestehen. Die Richtlinie 2007/14/EG (Durchführungsrichtlinie)2 konkretisiert die genannte Transparenzrichtlinie II. Das im Folgenden darzustellende TransparenzrichtlinieUmsetzungsgesetz (s. Rz. 9) hat zwar die zum damaligen Zeitpunkt im Entwurf vorliegende Durchführungsrichtlinie weitgehend berücksichtigt. Die weitergehenden Änderungen erfolgten durch das InvestmentänderungsG (BGBl. I 2007, 3089). Schließlich wurden durch die Transparenzrichtlinie-DurchführungsVO (BGBl. I 2008, 408) die verbleibenden Teile der Durchführungsrichtlinie ins nationale Recht umgesetzt.
8a
Die Transparenzrichtlinie II wurde durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungs- 9 gesetz vom 5.1.2007 (BGBl. I 2007, 10) ins deutsche Recht übertragen3. Die Änderungen sollen „die für die Markteffizienz und den Anlegerschutz erforderliche Transparenz am Kapitalmarkt herstellen, ohne aber die Unternehmen mit bürokratischen Pflichten zu belasten“. Das Gesetz trat am 20.1.2007 in Kraft. Geändert wurden nicht nur die Überschrift des 5. Kapitels und der Anwendungsbereich der §§ 21 ff. WpHG. Eingefügt wurden vor allem auch neue Meldeschwellen und neue Meldefristen, um das Anschleichen zu erschweren. Geändert wurden die Zurechnungsvorschriften und Vorschriften über die Nichtberücksichtigung von Stimmrechten. Hinzu kamen in § 25 WpHG Mitteilungspflichten beim Halten von sonstigen Finanzinstrumenten. Ferner wurden die Veröffentlichungspflichten des Emittenten ergänzt und Bestandsmitteilungspflichten wurden neu begründet (§ 26a WpHG). Schon am 13.12.2004 war die Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnis-Verordnung4 erlassen worden, die im Zusammenhang mit dem Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz, dem Risikobegrenzungsgesetz und dem Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz (s. Rz. 11) geändert wurde. Die Verordnung enthält in den §§ 17 ff. WpAIV erläuternde Vorschriften zur Veröffentlichung und Mitteilung bei Veränderungen des Stimmrechtsanteils. Die BaFin hat ihrerseits Hinweise zu den Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten gemäß §§ 21 ff. WpHG i.d.F. vom 22.1.2007 und als Handreichung für 1 ABl. EG Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 38. 2 ABl. EU Nr. L 69 v. 9.3.2007, S. 27. 3 Überblick: Hutter/Kaulamo, NJW 2007, 471, 550; Bosse, DB 2007, 39; Nießen, NZG 2007, 41; Piener/Lebherz, AG 2007, 19; Beiersdorf/Rahe, BB 2007, 99; Heldt/Ziemann, NZG 2006, 652; Rodewald/Unger, BB 2006, 1917; Göres, Der Konzern 2007, 15; Weber, Die Entwicklung des Kapitalmarktrechts im Jahr 2007, NJW 2007, 3688. 4 Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige-, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten sowie der Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen nach dem Wertpapierhandelsgesetz – WpAIV (BGBl. I 2004, 3376) (Text im Anhang S. 2212).
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Vorbemerkung
die Praxis einen im Jahr 2009 überarbeiteten Emittentenleitfaden (s. Rz. 43) vorgelegt1.
IV. Mindest- oder Vollharmonisierung? 10a Die bisherige Harmonisierung des Offenlegungsrechts in der EU war nur eine Mindestharmonisierung. Gefordert wird nun eine Vollharmonisierung2 oder „wenigstens“ ein Verbot strengerer mitgliedschaftlicher Vorschriften3. Dagegen spricht vor allem der verdeckte Einfluss interessierter Kreise auf die europäische Gesetzgebung, die sich gegen eine Offenlegung wenden, und die Schwerfälligkeit des Verfahrens zur Änderung von europäischen Rechtsakten.
V. Risikobegrenzungsgesetz und Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz 11
Weitere Änderungen der §§ 21 ff. WpHG erfolgten durch das Risikobegrenzungsgesetz vom 12.8.20084. Ziel war „die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass gesamtwirtschaftlich unerwünschte Aktivitäten von Finanzinvestoren erschwert oder möglicherweise sogar verhindert werden, ohne zugleich Finanz- und Unternehmenstransaktionen, die effizienzfördernd wirken, zu beeinträchtigen.“ Zu diesem Zweck wurde u.a. das abgestimmte Verhalten von Investoren („acting in concert“) neu definiert, die Meldungen wurden aussagekräftiger, insbesondere wurde vorgesehen, dass die Stimmrechte aus Aktien und aus vergleichbaren Position in anderen Finanzinstrumenten zusammengerechnet gemeldet werden. Eingeführt wurde ein kapitalmarktrechtlicher Strategie- und Mittelherkunftsbericht5. Und die Rechtsfolgen bei Verletzung von gesetzlichen Mitteilungspflichten (§ 28 WpHG) wurden verschärft. Die vorläufig letzte Änderung brachte das Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz vom 5.4.20116. Ergänzt wurde § 25 WpHG und eingefügt wurde § 25a WpHG. Die neue Regelung will die Mitteilungspflichten auf alle Finanzinstrumente und sonstigen Instrumente erweitern, die nicht bereits nach § 25 WpHG erfasst sind. Verhindert werden soll, dass weiterhin in intranspareter Weise größere Stimmrechtspositionen aufgebaut werden können7.
VI. Regelungsinhalt und Rechtsnatur 12
a) Den Kern der Regelung der §§ 21–29a WpHG bilden die Mitteilungspflichten nach § 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG, § 25 und § 25a WpHG sowie die Veröffentlichungspflicht 1 www.bafin.de/schreiben/87_2007. 2 Dafür: Art. 3 Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2004/109/EG vom 25.10.2011; Fleischer/Schmolke, NZG 2009, 401 (408); Fleischer/Schmolke, NZG 2010, 1241 m.w.N. 3 Vgl. Commission, Consultation document on the modernisation of the Directive 2004/ 109/EC on the harmonisation of transparency requirements in relation to information about issuers whose securities are admitted to trading on a regulated market, 27 May 2010, Questions 19 and 20. 4 BGBl. I 2008, 1666. 5 Krit. Möllers/Holzner, NZG 2008, 166; Fleischer, AG 2008, 873; Uwe H. Schneider, in: FS Nobbe, 2009, S. 369. 6 BGBl. I 2011, 538. 7 Krause, AG 2011, 469; Uwe H. Schneider, AG 2011, 645 (646).
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nach § 26 WpHG. Danach ist das Erreichen, Über- oder Unterschreiten von 3, 5, 10, 15, 20, 25, 30, 50 und 75 % der Stimmrechte an einem Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, diesem und der Bundesanstalt (BaFin) zu melden. Sodann hat die Gesellschaft die Meldung zur Unterrichtung des Publikums zu veröffentlichen. Im Übrigen regeln die §§ 21–29a WpHG im Einzelnen die Voraussetzungen dieser Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten, deren Modalitäten sowie ihre Durchsetzbarkeit. Auch enthalten sie eine Reihe von Befreiungstatbeständen sowohl von der Mitteilungs- als auch von der Veröffentlichungspflicht. b) Die §§ 21 ff. WpHG enthalten kapitalmarktrechtliche Vorschriften, die überwie- 13 gend zum öffentlichen Wirtschaftsrecht gehören1. Dies wird bei der Auslegung zu beachten sein. c) Dem öffentlichen Recht sind insbesondere alle Pflichten zuzuordnen, die gegenüber der Bundesanstalt (BaFin) zu erfüllen sind.
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d) Sowohl dem öffentlichen Recht als auch dem Privatrecht gehören alle bußgeldbewerten Pflichten an, die das Rechtsverhältnis zwischen dem Meldepflichtigen und der Gesellschaft regeln. Die öffentlich-rechtliche Natur folgt aus § 39 WpHG, der privatrechtliche Charakter aus der Verweisungs- und Substitutionsnorm des § 20 Abs. 8 AktG; denn die Mitteilungs- und Nachweispflichten gemäß §§ 20 ff. AktG sind unbestritten privatrechtlicher Natur. Sie werden für die börsennotierten Gesellschaften durch die §§ 21 ff. WpHG geregelt.
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e) Ausschließlich privatrechtlicher Natur sind dagegen die Nachweispflicht gegenüber der Gesellschaft nach § 27 WpHG sowie die Rechtsfolgen des § 28 WpHG.
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f) Im Blick auf diese Rechtsfolge haben die §§ 21 ff. WpHG auch tiefgreifende Aus- 17 wirkungen auf die Mitgliedschaft des Aktionärs, die Willensbildung und Entscheidungsfindung in der Hauptversammlung und die Organpflichten; denn § 28 WpHG ordnet den Verlust der Rechte aus Aktien an, und zwar für die Zeit, für welche die Mitteilungspflichten nicht erfüllt werden (Einzelheiten bei § 28 WpHG). Diese Rechtsfolgen sind einerseits zu begrüßen, weil sie der Durchsetzung der Mitteilungspflichten dienen. Sie gehen andererseits – wie schon § 20 Abs. 7 AktG – sehr weit, weil sie die Fehlerhaftigkeit von Beschlüssen der Hauptversammlung begründen können. Im Ergebnis werden damit die Gesellschaft und Dritte mit unerfreulichen Rechtsfolgen bedroht, wenn ein Aktionär seinen Mitteilungspflichten nicht nachkommt, aber gleichwohl seine Stimmrechte ausübt; und dabei ist zusätzlich zu bedenken, dass insbesondere § 22 Abs. 1 und 2 WpHG, in denen die Zurechnungstatbestände geregelt sind, zahlreiche Anwendungsprobleme aufwerfen.
VII. Regelungszweck 1. Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts und Anlegerschutz a) Der Schutz der gegenwärtigen und künftigen Aktionäre erfolgte in Deutschland anders als etwa in den USA in erster Linie durch das Aktienrecht2. Daraus erklärt 1 Zur Einteilung des Kapitalmarktrechts in Kapitalmarkt-Aufsichtsrecht, Kapitalmarkt-Privatrecht und Kapitalmarkt-Strafrecht: Uwe H. Schneider, AG 2001, 269 (271); zur Relativierung der Zweiteilungslehre: Bullinger, in: FS Rittner, 1991, S. 69. 2 Assmann, in: Deutsches und europäisches Bank- und Börsenrecht/Bankrechtstag 1993, 1994, S. 61; Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 1995.
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sich auch die im Rahmen der Aktienrechtsreform 1965 erfolgte Aufnahme von Offenlegungspflichten in die §§ 20 ff. AktG anstelle einer Herausbildung eigenständiger kapitalmarktrechtlicher Offenlegungspflichten. 19
Diese traditionelle Sicht auf die Stellung des Aktionärs im Verhältnis zu seinen Mitaktionären bedarf indessen der Ergänzung durch die Sicht auf den gegenwärtigen und künftigen Aktionär als Anleger und Investor in dem für die Unternehmensfinanzierung und für die Vermögensbildung überaus bedeutsamen Kapitalmarkt. Die Offenlegung wesentlicher Tatsachen, und dazu gehören die Zusammensetzung des Aktionärskreises, die Aktionärsstruktur, der Stimmrechtseinfluss, die Zugriffsmöglichkeit auf mit Stimmrechten verbundenen Aktien sowie die Veränderungen maßgeblicher Beteiligungen und deren Abschmelzen, bilden hierbei aus der Sicht des Anlegers ein wichtiges Kriterium für Anlageentscheidungen und damit für die Funktionsfähigkeit der Wertpapiermärkte; denn der Auf- und Abbau von maßgeblichen Beteiligungen einerseits und die Menge der Aktien, die sich nicht in festen Händen befinden („float“)1, andererseits können wesentlichen Einfluss auf die Kursentwicklung haben2. Dies gilt in besonderer Weise für den Aufbau wesentlicher Beteiligungen mit dem Ziel der Übernahme, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Paketbildung mit oder ohne Einverständnis von Vorstand und Aufsichtsrat der Zielgesellschaft erfolgt. Dies gilt aber auch für das Aufschnüren eines Pakets und die Streuung der darin enthaltenen Aktien im Markt3.
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b) Vor diesem Hintergrund ist zwischen dem Zweck der Transparenzrichtlinie I und dem Zweck der §§ 21 ff. WpHG zu unterscheiden. Zweck der Transparenzrichtlinie I (s. Rz. 6 f.) ist es, wie sich aus den dem Richtlinien-Text vorangestellten Erwägungsgründen ergibt, durch angemessene Unterrichtung über die Beteiligungsverhältnisse an börsennotierten Gesellschaften zum einen die Anleger und ihre Anlageinteressen zu schützen und zum anderen die Transparenz und damit das Vertrauen in die Wertpapiermärkte zu stärken und dadurch zum Dritten die Funktionstüchtigkeit der Wertpapiermärkte zu fördern4. Gefördert werden sollte auf diese Weise das „Entstehen eines echten europäischen Kapitalmarktes“.
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Die Begründung des Regierungsentwurfs5 zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie I nimmt als Zweck der §§ 21 ff. WpHG die Ziele der Transparenzrichtlinie I auf. Die §§ 21 ff. WpHG sollen darüber hinaus dem Missbrauch von Insiderinformationen entgegenwirken6 und die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland erhöhen.
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Das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz will ausdrücklich auch einen Beitrag zum volkswirtschaftlichen Wachstum und zur Schaffung von Arbeitsplätzen leisten. Offen bleibt dabei, wo diese Arbeitsplätze geschaffen werden sollen, im Inland oder im Ausland.
1 von Rosen, Die Bank 1995, 9 (12); zuletzt Hitzer/Düchting, ZIP 2011, 1084 (1086). 2 Begr. RegE zu § 21 Abs. 1 WpHG, BT-Drucks. 12/6679, S. 52; LG Köln v. 5.10.2007 – 82 O 114/06, AG 2008, 336 (339); Fiedler, Mitteilung über Beteiligungen von Mutter- und Tochterunternehmen, 2005, S. 22. 3 Zum Ganzen: Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 275 ff.; s. ferner zuletzt von Bülow, in: FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 141, 154 und Seibt, ZGR 2010, 795; Seibt, CFL 2010, 502. 4 BVerwG v. 13.4.2005 – 6 C 4/04, NZI 2005, 510 (512–514). 5 Begr. RegE zu § 21 Abs. 1 WpHG, BT-Drucks. 12/6679, S. 52. 6 LG Köln v. 5.10.2007 – 82 O 114/06, AG 2008, 336 (339); Caspari, ZGR 1994, 530 (542).
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Vorbemerkung
Das Risikobegrenzungsgesetz erweitert die gesetzlichen Ziele1. So dient der Strategie- und Mittelherkunftsbericht nach § 27 Abs. 2 WpHG auch „der Konkretisierung der Informationsrechte der Belegschaften“2. Damit wird zum Ziel des Gesetzes auch der Schutz der Interessen der Arbeitnehmer3. Im Widerspruch dazu steht, dass nur der Emittent nicht aber die Arbeitnehmer die Vorlage des genannten Berichts verlangen können.
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c) Streitig ist, ob die §§ 21 ff. WpHG auch dem individuellen Anlegerschutz dienen. Eine § 15 Abs. 6 WpHG entsprechende Regelung fehlt. Aus dem Gesamtzusammenhang des Normgefüges ist aber abzuleiten, dass auch der einzelne Anleger durch die §§ 21 ff. WpHG geschützt werden soll4. Der Mitteilungspflichtige, der seine Offenlegungspflichten schuldhaft verletzt, ist daher auch Schadensersatzansprüchen der anderen Anleger ausgesetzt (s. auch bei § 28 Rz. 79). Dies ist zu § 20 AktG unstrittig.
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2. Ordnungspolitische und gesellschaftsrechtliche Zielsetzung In der Begründung zur Transparenzrichtlinie I und in der Begründung des Regierungs- 25 entwurfs zur Umsetzung dieser Richtlinie werden die kapitalmarktrechtlichen Zwecke der §§ 21 ff. WpHG deutlich hervorgehoben. Zu kurz kommt, dass die §§ 21 ff. WpHG auch eine bedeutsame ordnungspolitische und eine gesellschaftsrechtliche Funktion haben. a) Der Aktionär hat nicht nur die Aufgabe, zur Finanzierung beizutragen; er hat auch 26 die Letztverantwortung für das Unternehmen („watchdog of last resort“)5. Diese Verantwortung wächst mit dem Umfang der Beteiligung. Berücksichtigt man sodann, dass die börsennotierten Aktiengesellschaften typischerweise eine Schlüsselfunktion für Wirtschaft und Gesellschaft haben, so kann es der Gemeinschaft nicht gleichgültig sein, wer Träger dieser Letztverantwortung ist. Das Ziel der §§ 21 ff. WpHG ist es im Blick hierauf auch, den Träger dieser Verantwortung aus ordnungspolitischen Gründen offen zu legen. Erreicht wird auf diese Weise zudem nicht nur eine Offenlegung des Beteiligungsbesitzes der Kreditinstitute (s. aber auch bei § 22 Rz. 128) und der Versicherungsunternehmen, sondern auch die Offenlegung der Konzentration der Stimmrechte durch die zunehmende Beteiligung anderer institutioneller Anleger („Institutionalisierung“) und damit verbunden die Verdrängung der Privataktionäre („institutional capitalism“).
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b) Hinzu treten gesellschaftsrechtliche und konzernrechtliche Zwecke. Die §§ 21 ff. 28 WpHG sollen, wie schon § 20 AktG, der Gesellschaft, den Aktionären, und zwar nicht als Kapitalanleger, sondern in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter, den Gläubi-
1 Überblick: Diekmann/Merkner, NZG 2007, 921; Möllers/Holzner, NZG 2008, 166; Timmann/Birkholz, BB 2007, 2749; Wilsing/Goslar, DB 2007, 2467. 2 Begr. RegE Risikobegrenzungsgesetz, BT-Drucks. 16/7438, S. 9. 3 Uwe H. Schneider, in: FS Nobbe, 2009, S. 369. 4 Ebenso Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, Anh. § 22, § 21 WpHG Rz. 2; von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 21 Rz. 4; Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 285; Starke, Beteiligungstransparenz im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2002, S. 261; Holzborn/Foelsch, NJW 2003, 937; a.A. Hüffer, § 20 AktG Rz. 23; Veil, in: K. Schmidt/Lutter, Anh. § 22 AktG, § 28 WpHG Rz. 28; Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 21 WpHG Rz. 41; Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 21 WpHG Rz. 16. 5 S. Uwe H. Schneider, AG 1990, 322.
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gern und der Öffentlichkeit einen besseren Überblick über die Aktionärsstruktur und die Beherrschungsverhältnisse ermöglichen1. 29
c) Zwar ist weder in den Erwägungsgründen der Transparenzrichtlinie I noch in der Begründung des Regierungsentwurfs zu den §§ 21 ff. WpHG der Zusammenhang zwischen der Beteiligungspublizität, der Gefahr einer „kalten Übernahme“2 und dem Recht öffentlicher Übernahmeangebote formuliert. Die Verhinderung des unlauteren „Anschleichens an eine Zielgesellschaft“ war zunächst kein ausdrücklich erklärtes Ziel3 des Gesetzes. Es gehört aber zu den legitimen und durch die §§ 21 ff. WpHG intendierten Zielen, den Aktionären Gewissheit über solche Mitaktionäre zu verschaffen, die eine maßgebliche Beteiligung aufbauen, halten oder abbauen4 (s. bei § 25a Rz. 1 ff.).
30
Hergestellt wurde durch das Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen vom 22.12.2001 (BGBl. I 2001, 3822) der enge Zusammenhang zwischen dem Übernahmerecht und dem Recht der Offenlegung von Beteiligungen gesetzlich aufgenommen worden. Daher wurde mit der Begründung, dass Veränderungen wesentlicher Stimmrechtsbeteiligungen wichtige Hinweise auf bevorstehende Unternehmensübernahmen geben5, der Anwendungsbereich der §§ 21 ff. WpHG erweitert, um die kapitalmarktrechtliche Transparenz zu erhöhen. Zugleich wurden die Zurechnungstatbestände in § 22 und § 30 WpÜG angepasst, um „Irritationen am Kapitalmarkt“ zu vermeiden, „die bei unterschiedlichen Zurechnungsmethoden auftreten würden“6. Inzwischen sind die Zurechnungstatbestände aber wieder auseinandergedriftet.
31
Der in § 27 Abs. 2 WpHG durch das Risikobegrenzungsgesetz eingeführte kapitalmarktrechtliche Strategie- und Mittelherkunftsbericht ergänzt diese Sicht. Er verpflichtet den Meldepflichtigen bei Erreichen oder Überschreiten der Berichtsschwelle von 10 % u.a. offen zu legen, ob er weitere Aktien zukaufen will und beabsichtigt, die Kontrolle über das Unternehmen zu erlangen. Im Ergebnis führt dies zu einer Vorverlagerung der Offenlegung, noch bevor die nächste Meldeschwelle erreicht ist. 3. Stimmrechte im System kontenverbuchter Aktienrechte
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Die §§ 21 ff. WpHG knüpfen die Meldepflicht an die Stimmrechte. Stimmrechte stehen dem Aktionär als Gesellschafter der AG zu. Im System kontenverbuchter und registermäßig erfasster Aktienrechte und im System der Kettenverwahrung („Kettenverbuchung“) ist vielfach nicht klar, wer „Aktionär“7 und damit auch wer melde1 Begr. RegE zu § 21 Abs. 1 WpHG, BT-Drucks. 12/6679, S. 52; BGH v. 22.4.1991 – II ZR 231/90, BGHZ 114, 203 (215) (für § 20 AktG); zur Stellung des Aktionärs als Kapitalanleger einerseits und als Verbandsmitglied andererseits: Mülbert, Aktiengesellschaft, Unternehmensgruppe und Kapitalmarkt, 1995, vor allem S. 154 ff.; s. auch Mülbert, in: FS Röhricht, 2005, S. 421. 2 Dazu Krause, in: FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 669. 3 Happ, JZ 1994, 240 (245). 4 Uwe H Schneider, WM 2006, 1321 (1325); Seibt, CFL 2010, 502; a.A. von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 22 Rz. 3. 5 S. Begr. RegE zu Art. 2 (Änderung des WpHG) des Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen, BT-Drucks. 14/7034, S. 70. 6 Begr. RegE zu § 22 WpHG, BT-Drucks. 14/7034, S. 70. 7 S. dazu auch die Konsultation der EU-Kommission zu den Aktionärsrechten im EU-Kapitalbinnenmarkt, abrufbar unter europa.eu.int/comm/internal_market/company/shareholders/
990 Uwe H. Schneider
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pflichtig ist. Sind meldepflichtig auch die Verwahrer, die selbst Aktionär sind1? Ist „Aktionär“ auch, wem auf Grund einer Kettenverwahrung nur schuldrechtliche Übertragungsansprüche gegen seine Bank zustehen? Für den Kapitalmarkt ist letztlich nicht entscheidend, wer im Aktienregister verzeichnet ist, wo die Aktien verwahrt sind und ob lediglich schuldrechtliche Übertragungsansprüche bestehen. Vielmehr ist für die Investoren entscheidend, wer der wahre Berechtigte („ultimate investor“) ist, der die Ausübung der Stimmrechte bestimmen kann. Die §§ 21 ff. WpHG knüpfen jedoch an die formale Berechtigung bzw. an den Tatbestand, der zu einer unwiderleglichen Vermutung der Aktionärsstellung führt (s. bei § 21 Rz. 49 ff.). Gelöst werden die Probleme im Übrigen über die Zurechnung nach § 22 WpHG und durch die Meldepflicht nach § 25 WpHG.
VIII. Regelungssystematik und Aufbau des Gesetzes Das kapitalmarktrechtliche Offenlegungsrecht stützt sich auf drei Säulen. Dabei 32a kommt zum Ausdruck, dass zur „optimalen Kapitalmarkttransparenz“2 nicht nur die Offenlegung der bestehenden Stimmrechtsverhältnisse gehört, sondern dass schon im Vorfeld Zugriffsrechte und Zugriffsmöglichkeiten auf mit Stimmrechten verbundene Aktien offenzulegen sind3. Die §§ 21 ff. WpHG verpflichten zur Offenlegung der vom Meldepflichten selbst gehaltenen sowie ihm zugerechneten Stimmrechten aus Aktien (1. Säule).
32b
§ 25 WpHG verpflichtet zur Offenlegung beim Halten von Finanzinstrumenten im 32c Sinne des § 2 Abs. 2b WpHG und sonstigen Instrumenten, die dem Inhaber aufgrund rechtlich verbindlicher Vereinbarung ein unbedingtes Recht zum einseitigen Erwerb bereits ausgegebener Aktien eines Emittenten geben. § 25 WpHG handelt somit vom Zugriffsrecht des Meldepflichtigen (2. Säule). § 25a WpHG verpflichtet denjenigen, der unmittelbar oder mittelbar Finanzinstru- 32d mente oder sonstige Instrumente hält, die erstens nicht bereits von § 25 WpHG erfasst sind, und die zweitens es ihrem Inhaber oder einem Dritten faktisch oder auch nur wirtschaftlich ermöglichen, mit Stimmrechten verbundene und bereits ausgegebene Aktien eines börsennotierten Unternehmens zu erwerben (3. Säule). Die Schwellenwerte sind bei den einzelnen Aufgreiftatbeständen mit einer wichtigen Ausnahme identisch. Die Eingangsschwelle liegt bei der Offenlegung von selbst gehaltenen oder zugerechneten Stimmrechten bei 3 Prozent, für die Offenlegungspflichten nach der 2. und der 3. Säule aber bei 5 Prozent. Unterschiede ergeben sich auch bei den Zurechnungstatbeständen, bei den Meldefristen, bei den Bereichsausnahmen und bei den Rechtsfolgen, wenn Mitteilungspflichten verletzt werden. Ein Rechtsverlust erfolgt nur, wenn die Mitteilungspflichten nach § 21 Abs. 1 und 1a WpHG verletzt werden (s. bei § 28 Rz. 10).
index_de.htm; Noack, ZIP 2005, 325 m.w.N.; Noack, Anlegerrechte bei mittelbar gehaltenen Wertpapieren, Schriftenreihe des ILF. 1 S. dazu Art. 9 Abs. 4 Transparenzrichtlinie II. 2 Anzinger, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2010, 2011, S. 187. 3 Kritisch: Eichner, ZRP 2010, 5 (7); Zetzsche, EBOR 11 (2010), 231 (237); wie hier aber etwa Teichmann/Epe, WM 2010, 1477; Seibt, ZGR 2010, 795 (830); Seibt, CFL 2010, 502 sowie eingehend: Uwe H. Schneider, AG 2011, 645 (646).
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IX. Auslegung 1. Größtmögliche Transparenz des Marktgeschehens als Maßstab der Auslegung 33
Die Auslegung der §§ 21 ff. WpHG hat im Blick auf die vorgenannten Regelungszwecke zu erfolgen.
34
– Dabei hat man sich erstens zu vergegenwärtigen, dass man bei der Auslegung der einzelnen Normen auf die vielfältigen Gestaltungen in der Praxis Rücksicht zu nehmen hat („Grundsatz der realitätsbezogenen Auslegung“). Eine restriktive Auslegung, die auf die Besonderheiten von kleinen Aktiengesellschaften oder Familienaktiengesellschaften Rücksicht nimmt, kann bei anderen Gesellschaften gerade dazu führen, dass sie die Möglichkeit zum Schnüren von Paketen, verborgen vor den Augen der Öffentlichkeit, eröffnet.
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– Zweitens: Bei der Vielzahl der Fälle wird sich der Meldepflichtige nicht gegen die ihm auferlegten Pflichten sträuben. Im Blickfeld zu behalten ist aber auch der Aktionär, der eine maßgebliche Beteiligung aufbauen will und hält, der dies aber geheim halten möchte. Er wird alles unternehmen, um Lücken im Gesetz aufzutun.
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– In diesem zuletzt genannten Wettlauf zwischen der normativen Erfassung der Offenlegungstatbestände einerseits und den Konflikt- und Vermeidungsstrategien andererseits1 ist im Zweifel für eine Offenlegung zu entscheiden. Geboten ist eine weite Auslegung der §§ 21 ff. WpHG2 mit dem Ziel einer größtmöglichen Transparenz des Marktgeschehens („Grundsatz der größtmöglichen Transparenz“).
37
– Drittens: Verlangt ist eine Offenlegung bei Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten einer Meldeschwelle. Ziel ist dabei nicht eine statische Betrachtung der Beteiligungsverhältnisse, sondern geboten ist die Berücksichtigung möglicher Veränderungen. Verlangt ist eine dynamische Betrachtung („Grundsatz der dynamischen Auslegung“); denn die Offenlegung soll es dem Anleger ermöglichen, frühzeitig eine Paketbildung oder das Aufschnüren eines Pakets zu erfahren, um hiernach seine Anlageentscheidungen auszurichten3.
38
– Viertens: Die Offenlegung soll klar und wahr über die Beteiligungsverhältnisse informieren und nicht ihrerseits irreführen („Grundsatz der Klarheit und Wahrheit“). Das Letztere kann ausnahmsweise der Fall sein. Deshalb bedarf es gegebenenfalls einer zusätzlichen Information: In einem Konzern hält die Muttergesellschaft 12 % der Stimmrechte und die Tochtergesellschaft 10 %. Erwirbt die Muttergesellschaft 1 % der Stimmrechte von der Tochtergesellschaft und 1 % der Stimmrechte von einem Dritten, so ist sie selbst nicht meldepflichtig; denn sie hat keine Meldeschwelle überquert. Nur die Tochtergesellschaft hat mitzuteilen, dass sie Stimmrechte veräußert und eine Meldeschwelle unterschritten hat. Damit könnte der falsche Eindruck hervorgerufen werden, der Konzern habe seine Beteiligung abgebaut, obwohl er in Wirklichkeit seine Beteiligung erhöht hat. In 1 So rät etwa Falkenhagen, WM 1995, 1008, „bestehende Verträge sorgfältig zu überprüfen und gegebenenfalls zu überarbeiten“. S. auch Uwe H. Schneider/Anzinger, ZIP 2009, 1. 2 Wie hier: OLG München v. 9.9.2009 – 7 U 1997/09, ZIP 2009, 2095 (2097); LG Köln v. 5.10.2007 – 82 O 114/06, AG 2008, 336 (338); krit. Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, Vor § 21 WpHG Rz. 23; Fleischer/Bedkowski, DStR 2010, 933 (935); Veil, ZHR 175 (2011), 83 (97); s. auch für § 20 AktG: LG Hannover v. 29.5.1992 – 23 O 64 und 77/91, AG 1993, 187. 3 A.A. Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, Vor § 21 WpHG Rz. 23 und § 21 WpHG Rz. 36.
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einem solchen Fall ist der Aktionär, d.h. hier die Muttergesellschaft, gegenüber der Öffentlichkeit zu einer ergänzenden Information verpflichtet. Die Verletzung dieser Pflicht ist allerdings nicht mit Bußgeld sanktioniert1; u.U. greift jedoch § 15 WpHG ein. – Fünftens: Die §§ 21 ff. WpHG beruhen auf der Umsetzung der Transparenzricht- 39 linie I und II. Dies verlangt eine richtlinienkonforme Auslegung2 unter Berücksichtigung der Globalisierung der Wertpapiermärkte. Verlangt ist damit nicht nur eine Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Richtlinie, sondern auch deren unterschiedlichen sprachlichen Fassungen und die eigene besondere Terminologie des Gemeinschaftsrechts; denn es ist „jede Vorschrift des Gemeinschaftsrechts in ihrem Zusammenhang zu sehen und im Lichte des gesamten Gemeinschaftsrechts, seiner Ziele und seines Entwicklungsstands“3 auszulegen. Zu berücksichtigen ist dabei zugleich, dass die Rechtsangleichung innerhalb der Europäischen Gemeinschaft regional beschränkt ist, die Wertpapiermärkte aber globalisiert sind. – Sechstens: § 22 WpHG entspricht zwar weitgehend § 30 WpÜG. Daraus folgt aber 40 nicht, dass beide Vorschriften einheitlich auszulegen sind. Für die Auslegung von § 22 WpHG entscheidend ist vielmehr der Normzweck unter Beachtung der jeweiligen Rechtsfolgen. Das kann dazu führen, dass § 22 WpHG einerseits und § 30 WpÜG andererseits unterschiedlich auszulegen sein können4. 2. Einheitliche Auslegung Bei der Auslegung, insbesondere der Tatbestandsvoraussetzungen für die Mitteilungspflicht, ist zu beachten, dass diese trotz ihres teils öffentlich-rechtlichen, teils privatrechtlichen Charakters nach dem Gesetz einheitlich zu erfüllen und dass daher die Bestimmungen auch einheitlich auszulegen sind. Zudem ist die Nicht- bzw. Schlechterfüllung der Mitteilungspflicht sowohl gegenüber der Bundesanstalt (BaFin) als auch gegenüber der Gesellschaft gleichermaßen gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2 lit. e WpHG als Ordnungswidrigkeit mit Geldbuße bedroht (vgl. dazu § 39 WpHG).
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Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Norm dürfen freilich nicht überspannt werden, da der Gesetzgeber notwendig interpretations- und ausfüllungsbedürftige Merkmale verwenden muss, „um der Vielgestaltigkeit des Lebens Herr zu werden“5. Zulässig ist daher eine erweiternde teleologische Auslegung, die dem Sinn und Zweck der Norm in Anbetracht der tatsächlichen, insbesondere der wirtschaftlichen Verhältnisse gerecht wird6.
42
1 Cahn, AG 1997, 503. 2 Anstelle aller: Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, 1994; Lutter, JZ 1992, 593 (604); Everling, ZGR 1992, 376; Kindler, in: FS Hopt, 2010, S. 2081, 2083. 3 EuGH v. 6.10.1982 – Rs 283/81, NJW 1983, 1257. 4 Koppensteiner, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2004, Anh. § 22, §§ 21 ff. WpHG Rz. 19; Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, Anh. § 22, § 21 WpHG Rz. 36; von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 8; Drinkuth, ZIP 2008, 676 (678); Fleischer, ZGR 2008, 185 (198); von Bülow, in: FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 141, 154; a.A. Begr. RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 53; Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (410); Schuster, AG 2004, 628; s. auch bei § 22 Rz. 12. 5 BVerfG v. 22.6.1960 – 2 BvR 125/60, BVerfGE 11, 234 (237); BGHSt 18, 362. 6 Vgl. Karsten Schmidt, in: FS Rebmann, 1989, S. 419, 430 ff.
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3. Emittentenleitfaden 2009 43
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleitungsaufsicht hat einen im Jahr 2009 überarbeiteten „Leitfaden“ erstellt, der sich an in- und ausländische Emittenten richtet, deren Wertpapiere zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind. Dieser Leitfaden1 enthält auch einen Abschnitt über bedeutende Stimmrechtsanteile. Er enthält „praktische Hilfestellungen“ für die Auslegung der Vorschriften des WpHG. Er erläutert die Verwaltungspraxis2 ohne eine juristische Kommentierung darzustellen. Eine Bindung der Verwaltungspraxis entsteht hierdurch nicht. Insbesondere sind die Zivilgerichte nicht an die Auslegung der einschlägigen Vorschriften durch die BaFin gebunden3. Wer sich an die Auslegung, die sich im Emittentenleitfaden findet, hält, verletzt aber nicht schuldhaft seine kapitalmarktrechtlichen Pflichten.
X. Analogie, Umgehung der Meldepflichten, missbräuchliche Gestaltungen 44
In der Praxis wurde auf vielfältige Weise, z.B. durch Cash Equity Swaps, durch Wertpapierleihe, durch den Erwerb von Wandelschuldverschreibungen, usw. versucht, sich den Meldepflichten zu entziehen4. Das Problem hat sich nicht erledigt. Vielmehr stellt sich auch weiterhin, und zwar auch nach Einführung des § 25a WpHG, die Frage, wie mit solchen Vermeidungs- und Umgehungsversuchen melderechtlich umzugehen ist.
45
Unproblematisch sind die Fälle, in denen ein meldepflichtiger Sachverhalt weder nach dem Wortlaut noch nach dem Zweck der Vorschrift verwirklicht wird. Zu denken ist im Blick auf § 22 Abs. 2 WpHG exemplarisch daran, dass zwischen mehreren Personen, denen Stimmrechte zustehen oder denen sie zugerechnet werden, weder eine Vereinbarung noch ein Abstimmen in sonstiger Weise vorliegt, sondern lediglich ein gleichförmiges Verhalten. Problematisch sind vor allem solche Gestaltungen, die der „Umgehung“ der Meldepflichten dienen.
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Das Problem der Umgehung und die Abgrenzung zur Rechtsfolgenvermeidung (Beispiel: Der Berufstätige fährt mit dem Fahrrad, statt mit dem Kfz und vermeidet damit die Kfz-Steuer) ist nicht auf das Kapitalmarktrecht beschränkt, sondern wird in vielen Rechtsgebieten diskutiert, im allgemeinen Zivilrecht5, im Steuerrecht6, im Kartellrecht7, im Aktienrecht, aber auch im Familienrecht und im Erbrecht8. Im Steuerrecht wurde im Jahr 2008 der einschlägige § 42 AO geändert. Hiernach kann durch einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden …. „Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil 1 S. dazu Merkner/Sustmann, NZG 2009, 813. 2 BGH v. 25.2.2008 – II ZB 9/07, ZIP 2008, 639 (641): „norminterpretierende Verwaltungsvorschrift“; Fleischer, ZGR 2007, 401 (404). 3 von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 255. 4 S. dazu Uwe H. Schneider/Brouwer, AG 2008, 557. 5 Teichmann, JZ 2003, 761. 6 S. zuletzt etwa Drüen, StuW 2008, 3; Hey, StuW 2008, 167; Wagner, Der Konzern 2008, 409; Crezelius, StuW 1995, 313. 7 Dannecker/Biermann, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2007, Vorbem. vor § 81 GWB Rz. 44 f.; Delahaye, WuW 1987, 875. 8 Draschka, DNotZ 1993, 100; Vorwold, ErbStB 2006, 22; Langenfeld, BWNotZ 1992, 152.
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führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.“ Dazu gibt es reichhaltig höchstrichterliche Rechtsprechung1. Der Europäische Gerichtshof geht davon aus, dass die Mitgliedstaaten berechtigt sind, der Gefahr von Steuerumgehungen vorzubeugen, wenn die einschlägigen Vorschriften gegen „rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Konstruktionen gerichtet sind, die darauf ausgerichtet sind, der Anwendung der Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats zu entgehen“2. In Frage steht damit, unter welchen Voraussetzungen eine unangemessene rechtliche 47 Gestaltung anzunehmen und wie sie einzufangen ist. Teilweise wird die Ansicht vertreten, das Problem der Umgehung lasse sich durch Auslegung der einschlägigen Vorschriften bewältigen. Das würde bedeuten, dass man die Auslegung einer Vorschrift „großzügig“ handhabt. Nach anderer Ansicht sind Umgehungssachverhalte nur im Wege der Analogie zu bewältigen3. Das wiederum verlangt freilich, dass die analoge Anwendung einer Vorschrift zulässig ist4. Die Versuche, Umgehungssachverhalte einer besonderen Kategorie, nämlich der missbräuchlichen Gestaltung zuzuordnen und die missbräuchliche Gestaltung als besonderen Tatbestand zu verorten, haben bisher mehr zu Rechtsunsicherheit als zu wirksamer Missbrauchsbekämpfung geführt. Aufgrund dieses Dilemmas hat der Finanzausschuss des Bundesrats in seiner Empfehlung zum Jahressteuergesetz 20085 vorgeschlagen, dass der Steuerpflichtige neue Sachverhalte, die der Umgehung dienen (anzeigepflichtige Steuergestaltungen, § 138a AO-E), anzuzeigen hat, damit der Gesetzgeber die Lücke im Gesetz zügig schließen kann. Gesetz wurde dieser Vorschlag nicht. Bei den §§ 21 ff. WpHG handelt es sich um aufsichtsrechtliche Vorschriften, deren 48 Verletzung unter anderem mit Bußgeld belegt wird. Das verbietet eine Analogie, soweit ein Bußgeld verhängt werden soll. Mit der Verletzung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften sind aber auch andere, z.B. gesellschaftsrechtliche, Rechtsfolgen nach § 28 WpHG verknüpft. Und insoweit ist eine Analogie und damit eine gespaltene Normanwendung zulässig6. Folgt man der Ansicht, dass Umgehungssachverhalte im Blick auf Sinn und Zweck der Vorschrift durch Auslegung der einschlägigen Vorschriften zu bewältigen sind, so können auch die Bußgeldvorschriften eingreifen. Und im Blick auf den Zweck der melderechtlichen Vorschriften ist in der Regel eine weite Auslegung geboten. Wenn man dem nicht folgt, sondern gegebenenfalls eine Lücke im Gesetz sieht, so kommt für die aufsichtsrechtliche Vorschrift eine analoge Anwendung in 1 Anstelle anderer: BFH v. 19.1.2000 – I R 94/97, BStBl. II 2001, 222; BFH v. 30.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50; BFH v. 25.2.2004 – I R 42/02, BStBl. II 2005, 14; BFH v. 31.5.2005 – I R 74/04 I R 88/04, BStBl. II 2006, 118. 2 EuGH v. 12.9.2006 – Rs C-196/04 („Cadbury Schweppes“), EuGHE 2006, I-7995, Rz. 51; s. auch Hey, StuW 2008, 167 (197 ff.); Fischer, in: FS Reiß, 2008, S. 621, 623. 3 So etwa Sieker, Umgehungsgeschäfte, 2001, S. 59. 4 Crezelius, FR 2008, 889 (895); Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl. 2010, § 5 Rz. 56 ff.: „Es ist evident, dass es auch im Steuerrecht analogiefähige Prinzipien gibt.“; Tipke, Steuerrechtsordnung, Band 1, 2. Aufl. 2000, S. 197 ff. 5 BR-Drucks. 544/1/07. 6 Grundlegend Cahn, ZHR 162 (1998), 1 (7); Cahn, ZHR 168 (2004), 483; Wackerbarth, ZIP 2005, 1217 (1221); Engert, JZ 2007, 314 (315); Hammen, Der Konzern 2009, 1820; a.A. Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, Vor § 21 WpHG Rz. 25; Baums/Sauter, ZHR 173 (2009), 454 (470); Widder/Kocher, ZIP 2010, 457 (459); Fleischer/Bedkowski, DStR 2010, 933; Möllers/Wenninger, NJW 2011, 1697 (1701), für § 30 WpÜG: von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 35; offen gelassen in: OLG München v. 9.9.2009 – 7 U 1997/09, ZIP 2009, 2095 (2097).
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Betracht, soweit die gesellschaftsrechtlichen Folgen greifen. Auch im Verwaltungsrecht im Allgemeinen und im Wirtschaftsaufsichtsrecht im Besonderen können Regelungslücken durch Analogie geschlossen werden1. Nur für die Belastung mit Bußgeld ist eine Analogie unzulässig2. Geht man hiervon aus, so käme in erster Linie jedenfalls § 28 WpHG bei Umgehungssachverhalten zur Anwendung. Auch damit wäre freilich im Anwendungsbereich von § 25 und § 25a WpHG wenig gewonnen, weil der pflichtvergessene Meldepflichtige insoweit nicht mit den Rechtsfolgen des § 28 WpHG belastet ist. 49
Das Problem der Umgehung und missbräuchlicher Gestaltung ist in erster Linie rechtspolitisch zu bewältigen, und zwar durch eine prinzipienorientierte Gesetzgebung, die sich auf eine Generalklausel stützt, die durch einen nicht abschließenden Katalog von typischen Einzelbeispielen konkretisiert wird. Will man diesen Weg nicht gehen, so sollte das Bundesministerium der Finanzen ermächtigt werden, durch Verordnung die gesetzlichen meldepflichtigen Tatbestände zu konkretisieren, um damit Umgehungsgestaltungen zügig einzufangen3.
XI. Exterritoriale Anwendung 50
Bei den §§ 21 ff. WpHG handelt es sich um Vorschriften des Kapitalmarktaufsichtsrechts4. Ihre wirtschaftsverwaltungsrechtliche Rechtsnatur führt bei grenzüberschreitenden Sachverhalten zu Fragestellungen, die nur teilweise gesetzlich geregelt sind5. § 21 WpHG enthält zwar eine Regelung über den Kreis der Emittenten, an den die Mitteilungspflichten anknüpfen. Im 5. Abschnitt des WpHG fehlt aber eine Regelung für den räumlichen Geltungsbereich der Melde- und Veröffentlichungspflichten, wenn Meldepflichtige oder die Emittentin (s. Rz. 55a) ihren Sitz im Ausland haben (vgl. dagegen die entsprechende Regelungsintention bei § 38 Abs. 2 WpHG)6. Es gibt auch keine Kollisionsnorm7. Zudem fehlt es an einer allgemein-international-verwaltungsrechtlichen Rechtsnorm oder entsprechenden Rechtsgrundsätzen, denen sich kollisionsrechtliche Vorgaben in positiv rechtlicher Form entnehmen ließen. Dies bedingt nicht nur das Fehlen eines allseitigen, also Verweisungen auf andere Rechtsordnungen enthaltenden Kapitalmarktkollisionsrechts. Ungeregelt ist auch die einseitige Erstreckung des nationalen Rechts auf Auslandssachverhalte8.
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An der grundsätzlichen Zulässigkeit einer Erstreckung der in den §§ 21 ff. WpHG vorgesehenen Pflichten auf Auslandssachverhalte, also insbesondere die Erstreckung der Pflichten auf Aktionäre oder Personen, denen Stimmrechte zugerechnet werden, mit Sitz im Ausland, ist – entgegen gelegentlicher Missverständnisse9 – indessen 1 BVerfG v. 3.4.1990 – 1 BvR 1186/89, BVerfGE 82, 6 (11); BVerwG v. 22.9.2004 – 6 C 29/03, BVerwGE 122, 29 (47); Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, 7. Aufl. 2008, § 44 VwVfG Rz. 54; Hammen, Der Konzern 2009, 18 (21). 2 Rogall, in: KK OWiG, 3. Aufl. 2006, § 3 OWiG Rz. 60. 3 S. eingehend: Uwe H. Schneider/Anzinger, ZIP 2009, 1. 4 A.A. von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 21 Rz. 51: eindeutig gesellschaftsrechtliche Komponente. Zur Unterscheidung zwischen Kapitalmarktaufsichts-, Kapitalmarktstrafund Kapitalmarktprivatrecht und den sich daraus ergebenden Folgen für grenzüberschreitende Sachverhalte s. Uwe H. Schneider, AG 2001, 269 (270 ff.). 5 Allgemein Kronke, in: FS Buxbaum, 2000, S. 363. 6 Begr. RegE, BT-Drucks. 12/6679, S. 57. 7 Junker, RIW 2010, 257 (260). 8 Dazu Kronke, in: FS Buxbaum, 2000, S. 363 ff.; Uwe H. Schneider, AG 2001, 269 ff. 9 Vgl. Begr. RegE zu § 38 Abs. 2 WpHG, BT-Drucks. 12/6679, S. 57.
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nicht zu zweifeln1. Ihr stehen weder völker- noch gemeinschafts- oder verfassungsrechtliche Gebote entgegen. In methodischer Hinsicht muss sich der Blick zur Bestimmung des räumlichen An- 52 wendungsbereichs zunächst auf ausdrücklich normierte oder aber vom Gesetz vorausgesetzte Grenznormen richten. In deren Ermangelung ist im Wege der Auslegung zu prüfen, ob die kapitalmarktrechtliche Vorschrift ihrem Regelungszweck nach grundsätzlich auch Auslandssachverhalte erfassen soll. Das ist regelmäßig dann indiziert, wenn durch eine Beschränkung auf das Inland eine Vereitelung des Normzwecks droht. Weitere Voraussetzung ist, dass die Beanspruchung der extraterritorialen Regelungsgewalt des eingriffswilligen Staates auf einen sinnvollen Anknüpfungspunkt im Sinne eines reasonable link verweisen kann2. Insoweit wird für das Kapitalmarktrecht insbesondere auf das Auswirkungsprinzip3 und die Anknüpfung an den Marktort4 abgestellt5. Das Kriterium des reasonable links darf nicht überschätzt werden. Es stellt keine Kollisionsregel auf, sondern dient nur dazu, solche Staaten, die ein legitimes Regelungsinteresse haben – und das können regelmäßig mehrere sein –, von denen zu trennen, bei denen es hieran fehlt. In einem dritten Schritt schließlich stellt sich die Frage, ob die an sich zulässige extraterritoriale Rechtsanwendung im Einzelfall aus Gründen der staatlichen Selbstbeschränkung und Rücksichtnahme zu unterbleiben hat6. Aus diesen Grundsätzen folgt, dass die pflichtenauslösenden Tatbestände der 53 §§ 21 ff. WpHG auch im Ausland verwirklicht werden können7. Vorrangiges Ziel des Transparenzgebots ist die Verbesserung der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte durch einen stärkeren Schutz der gegenwärtigen und zukünftigen Anleger und deren Vertrauen in Fairness und Chancengleichheit. Denn die Zusammensetzung des Aktionärskreises und die Veränderungen bedeutender Beteiligungen an den Emittenten sind wichtige Aspekte für die Anlagedispositionen der Investoren. Und das gilt gleichermaßen für Anleger des In- und Auslands und unabhängig von der Frage, wo und unter welcher von den Parteien gewählten Rechtsordnung die tatbestandsmäßige Veränderung der Beteiligungsstruktur begründet wird. Die Regelungsziele der §§ 21 ff. WpHG lassen es daher nicht zu, zwischen in- und ausländischen Änderungen des Aktionärskreises zu differenzieren. Dass das Gesetz für die Staaten der EU und des EWR selbst von einer extraterritorialen Wirkung der Meldepflicht ausgeht, folgt aus § 7 WpHG. Indessen ist dem keine Beschränkung auf diese Staaten zu entnehmen. Die extraterritoriale Anwendbarkeit besteht daher grundsätzlich auch gegenüber Drittstaaten.
1 Allgemein zur einseitigen extraterritorialen Anwendung des Wirtschaftsrechts Fikentscher, Wirtschaftsrecht, Bd. 1, § 4 Abs. 4; Kaffanke, Nationales Wirtschaftsrecht und internationale Wirtschaftsordnung, 1990, S. 39 ff.; Vollmöller, Die Globalisierung des öffentlichen Wirtschaftsrechts, 2002, S. 21 ff.; zur Einordnung des Kapitalmarktrechts: Uwe H. Schneider, AG 2001, 269 ff.; Schuster, Die internationale Anwendung des Börsenrechts, 1996, S. 236 ff. 2 Dazu z.B. Meesen, Extraterritorial Jurisdiction in Theory and Practice, 1996, S. 200 ff.; Schuster, Die internationale Anwendung des Börsenrechts, 1996, S. 38 ff. 3 Uwe H. Schneider, AG 2001, 269 (276). 4 Kiel, Internationales Kapitalanlegerschutzrecht, 1994, S. 208; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1996, S. 50 ff. 5 Zum Ganzen auch Kindler, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2010, IntGesR, Rz. 22 ff. 6 Schnyder, in: FS Buxbaum, 2000, S. 515, 525 ff. 7 So auch Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 21 WpHG Rz. 10.
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Die Notwendigkeit des Schutzes der Funktionsfähigkeit des inländischen und der europäischen Kapitalmärkte bildet zugleich einen sinnvollen Anknüpfungspunkt und legitimiert die Erfassung von Auslandssachverhalten. Vieles spricht für eine Anwendung des Auswirkungsprinzips (vgl. dazu auch § 130 Abs. 2 GWB)1. Dabei bedarf es aber nicht des Nachweises einer konkreten Marktbeeinflussung. Denn ein solcher liefe dem Charakter des Transparenzgebots als einem überindividuellen Ordnungsprinzip zuwider. Eine Auswirkung „im Inland“ ist darüber hinaus bei tatbestandsmäßiger Veränderung der Beteiligungsstruktur auch immer gegeben, wenn sie einen Emittenten betrifft, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist (§ 2 Abs. 6 WpHG). Dabei kommt es zwar nicht darauf an, dass der Emittent seinen Sitz in Deutschland hat, wohl aber, dass er den inländischen Kapitalmarkt in Anspruch nimmt.
55
Von einer Reduzierung des räumlichen Anwendungsbereichs der Melde- und Veröffentlichungspflichten trotz gegebenen Anknüpfungspunkts im Sinne einer staatlichen Selbstbeschränkung2 wird in der Regel nicht auszugehen sein. Denn die dabei entstehenden Schutzlücken lassen es nicht zu, die Herstellung der angestrebten Transparenz alleine ausländischen Rechtsordnungen zu überlassen. Dies gilt zumindest, solange eine Veröffentlichung im Inland nicht sichergestellt ist. Hat die Emittentin ihren Sitz in einem Drittstaat, sind aber ihre Aktien an einem organisierten Markt einer inländischen Börse zugelassen, so begeht der pflichtvergessene Meldepflichtige zwar eine Ordnungswidrigkeit. § 28 WpHG, nämlich der Rechtsverlust, ist aber nicht anwendbar3. Die aktienrechtliche Folge der Verletzung der kapitalmarktrechtlichen Meldepflicht richtet sich vielmehr nach dem Statut der Gesellschaft.
XII. Verhältnis zur Ad-hoc-Publizität 56
Ist der Stimmrechtsinhaber oder derjenige, dem Stimmrechte zugerechnet werden, selbst ein Inlandsemittent, so stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen § 15 WpHG und §§ 21 ff. WpHG. Dabei sind zwei Fragen zu unterscheiden, nämlich erstens, ob die §§ 21 ff. WpHG lex specialis gegenüber § 15 WpHG sind, und zweitens, ob eine Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 WpHG die Pflichten nach §§ 21 ff. WpHG entfallen lässt.
57
Beide Fragen sind zu verneinen4; denn die Vorschriften unterscheiden sich nicht nur in ihren Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen, sondern vor allem in ihrem normativen Zweck. Zwar können die Tatbestandsvoraussetzungen beider Normen zugleich erfüllt sein. Insbesondere kann das Erreichen, Über- oder Unterschreiten einer Meldeschwelle geeignet sein, den Preis sowohl der von dem Emittenten5 als auch der von dem meldepflichtigen Aktionär ggf. emittierten Wertpapiere6 erheblich zu 1 2 3 4
Uwe H. Schneider, AG 2001, 269 (276). Vgl. hierzu auch Schnyder, in: FS Buxbaum, 2000, S. 516, 525 ff. Zickler/von Falkenhausen, BB 2009, 1994. Ebenso Veil, in: K. Schmidt/Lutter, Anh. § 22 AktG, Vor §§ 21 ff. WpHG Rz. 11; Burgard, ZHR 162 (1998), 51 (74, Fn. 130a); Starke, Beteiligungstransparenz im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2002, S. 101; Fiedler, Mitteilungen über Beteiligungen von Mutterund Tochterunternehmen, 2005, S. 59; Janert, BB 2004, 169 (171); Weber-Rey, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, 2008, S. 452; Hitzer/Düchting, ZIP 2011, 1084 (1089); vgl. auch oben § 15 Rz. 27. 5 Unstr., statt aller Schander/Lucas, DB 1997, 2109 (2110 f.). 6 A.A. Schander/Lucas, DB 1997, 2109 (2110), deren Ansicht indes schon deswegen nicht zu überzeugen vermag, weil die empirischen Befunde, auf die sie sich stützen, widersprüch-
998 Uwe H. Schneider
Vorbemerkung
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beeinflussen1. Sind aber die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 15, 21 ff. WpHG gleichermaßen erfüllt, so wäre es wenig überzeugend, wenn die kursrelevante Information durch den Inlandsemittenten, der zugleich Stimmrechtsinhaber ist, nicht, wie in § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG gefordert, „unverzüglich“ unter Einhaltung des hierfür in § 15 Abs. 4 WpHG vorgesehenen Verfahrens und auf dem in § 15 Abs. 7 Satz 1 WpHG i.V.m. § 5 WpAIV vorgeschriebenen Weg veröffentlicht werden müsste, sondern die langen Melde- und Veröffentlichungsfristen der §§ 21 Abs. 1 Satz 1, 26 Abs. 1 Satz 1 WpHG mit der Folge in Anspruch genommen werden könnten, dass der Markt u.U. erst nach 4 Handelstagen informiert und in dieser Zeit eine angemessene Preisbildung verhindert sowie Insidergeschäfte ermöglicht würden. Das bedeutet freilich nicht, dass in den Fällen des Erreichens, des Überschreitens 58 oder des Unterschreitens einer Meldeschwelle stets zugleich eine Ad-hoc-Mitteilung veranlasst wäre. Vielmehr kommt es auf den Einzelfall an, ob zugleich die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG gegeben sind. Ist dies der Fall, so ist ferner zu beachten, dass die Erfüllung der nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG bestehenden Meldepflichten weder den Aktionär noch die Gesellschaft von den ihnen nach §§ 21 ff. WpHG auferlegten Verpflichtungen befreit. Das ergibt sich bereits daraus, dass der Inhalt der nach §§ 21 ff. WpHG erforderlichen Mitteilungen sehr viel umfassender ist, vgl. §§ 22 Abs. 2, 26 Abs. 3 WpHG i.V.m. §§ 17 ff. WpAIV. §§ 15 und 21 ff. WpHG sind also in jeder Hinsicht nebeneinander anwendbar. Im 59 Blick hierauf ist schließlich darauf hinzuweisen, dass auch das Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten anderer als der in § 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG genannten Prozentschwellen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG kursrelevant und daher ad-hocmitteilungspflichtig sein können. Die von § 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG offen gelassenen Lücken (s. bei § 22 Rz. 5) werden hierdurch in besonders bedeutsamen Fällen geschlossen.
lich sind und nach § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG die „Eignung“ zu einer erheblichen Kursbeeinflussung ausreicht. 1 Aus dem „Tätigkeitsbereich“ (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG) der börsennotierten (Ziel-)Gesellschaft soll eine Veränderung der Zusammensetzung ihres Aktionärskreises allerdings nach herrschender Meinung nur entstammen, wenn deren (Verwaltungs-)Organe wie im Falle einer sog. „freundlichen Übernahme“ hieran mitgewirkt haben, Hopt, ZHR 159 (1995), 135 (153, Fn. 75); Caspari, in: Baetge (Hrsg.), Insider-Recht und Ad-hoc-Publizität, 1995, S. 65, 67; Pananis, WM 1997, 460 (461); zweifelnd Fürhoff/Wölk, WM 1997, 449 (452); anders wohl Schander/Lucas, DB 1997, 2109 (2112) und Starke, Beteiligungstransparenz im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2002, S. 124. Das überzeugt nicht. Übersehen wird, dass auch den Gesellschaftern eine Organstellung zukommt. Aus dieser Sicht wird man indes schwerlich bezweifeln können, dass ein Gesellschafterwechsel nicht nur der Sphäre der Gesellschafter, sondern auch der Sphäre der Gesellschaft zuzurechnen ist. Hierfür spricht überdies die Wertung des § 26 Abs. 1 WpHG. Dem steht schließlich nicht entgegen, dass die Gesellschaft möglicherweise keine Kenntnis von dem Gesellschafterwechsel hat. Vielmehr sind vielerlei kursrelevante Informationen denkbar (wie etwa die Kontamination eines wichtigen Betriebsgrundstücks), die unbestritten aus dem Tätigkeitsbereich des Emittenten stammen und von denen er gleichwohl keine Kenntnis besitzt. Die fehlende Kenntnis von einer kursrelevanten Information ist somit nur im Blick auf die Vorwerfbarkeit einer unterlassenen Ad-hoc-Mitteilung und somit für die Sanktionen des § 39 WpHG von Bedeutung.
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XIII. Offenlegungs- und Anzeigepflichten außerhalb des WpHG 1. Unterschiedliche Ansätze 60
Neben den §§ 21 ff. WpHG besteht eine Vielzahl von weiteren gesellschaftsrechtlichen, handelsrechtlichen, börsenrechtlichen und wirtschaftsaufsichtsrechtlichen Offenlegungs- und Anzeigepflichten bei Beteiligungserwerb und Konzerngründung. Unterschiede bestehen in den Tatbestandsvoraussetzungen, zumal in den Schwellenwerten und den Zurechnungstatbeständen, in den zur Meldung vorgesehenen Stellen, in den Rechtsfolgen bei Verletzung der Pflichten und vor allem im Sinn und Zweck der Offenlegung. Für die praktische Anwendung ist daraus ein unerträglicher Zustand entstanden, geprägt durch Auslegungsprobleme und die Pflicht zu Doppelmitteilungen einerseits und Offenlegungslücken andererseits. Dringend geboten ist eine gegenseitige Abstimmung der unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen1. 2. Aktienrechtliche Offenlegungspflichten a) §§ 20 ff., 328 AktG
61
aa) An erster Stelle sind hier die aktienrechtlichen Mitteilungspflichten zu nennen2. Sie dienen der Verdeutlichung der Herrschaftsverhältnisse in einer Aktiengesellschaft für die Anleger3. Nach § 20 AktG, einer Vorschrift, aus der sich eine Fülle von Streitfragen ergibt4, hat ein Unternehmen einer Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland mitzuteilen, wenn sein Anteil am Kapital der Gesellschaft 25 % (Be- und Zurechnung gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 16 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4, § 20 Abs. 2 AktG) bzw. am Kapital oder den Stimmrechten 50 % (Be- und Zurechnung gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 16 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4, § 20 Abs. 2 AktG) bzw. am Kapital oder den Stimmrechten 50 % (Be- und Zurechnung gemäß § 20 Abs. 4 i.V.m. § 16 AktG) über- oder unterschreitet. Die Gesellschaft hat diese Mitteilung sodann unverzüglich in ihren Gesellschaftsblättern zu veröffentlichen (§ 20 Abs. 6 AktG). Solange das Unternehmen seiner Mitteilungspflicht nicht nachkommt, kann es gemäß § 20 Abs. 7 AktG Rechte aus seinen Aktien nicht ausüben5. Der Rechtsverlust erstreckt sich auch auf die Aktien, die dem meldepflichtigen Unternehmen zugerechnet werden6. Die §§ 20 ff. AktG sind zudem Schutzgesetze i.S. von § 823 Abs. 2 BGB; denn die Mitteilungspflichten dienen auch dem Individualschutz7.
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Nach § 21 AktG ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz im Inland mitteilungspflichtig, wenn sie mehr als 25 % der Anteile (Berechnung nach § 16 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 AktG) an einer anderen Kapitalgesellschaft mit Sitz im Inland (§ 21 Abs. 1 AktG) oder 1 Burgard, Die Offenlegung von Beteiligungen, Abhängigkeits- und Konzernlagen bei der Aktiengesellschaft, 1990, S. 203 und passim. 2 Zum Regelungszweck: Koppensteiner, in: FS Rowedder, 1994, S. 213, 214; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, § 6 Rz. 8 ff.; zum Folgenden: Hüffer, in: FS Boujong, 1996, S. 277. 3 Kropff, in: Lutter (Hrsg.), 25 Jahre Aktiengesetz, 1991, S. 36: „Offenbar wird die Mitteilung in kritischen Fällen nicht immer gemacht …“. 4 S. etwa BGH v. 22.4.1991 – II ZR 231/90, WM 1991, 1166; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, § 6 Rz. 16 ff. 5 BGH v. 24.4.2006 – II ZR 30/05, BGHZ 167, 204 (209) = AG 2006, 501. 6 LG Hannover v. 29.5.1992 – 23 O 64, 77/91, AG 1993 187 (189); Veil, in: K. Schmidt/Lutter, § 20 AktG Rz. 37. 7 H.M. Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 20 AktG Rz. 85; Koppensteiner, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2004, § 20 AktG Rz. 90; Veil, in: K. Schmidt/Lutter, § 20 AktG Rz. 45; a.A. Windbichler, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 20 AktG Rz. 88.
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Uwe H. Schneider
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eine Mehrheitsbeteiligung i.S. des § 16 Abs. 1 AktG an einem anderen Unternehmen beliebiger Rechtsform und Sitzes1 hält (§ 21 Abs. 2 AktG) bzw. nicht mehr hält (§ 21 Abs. 3 AktG). § 21 Abs. 4 AktG entspricht § 20 Abs. 7 AktG. Eine Bekanntmachung entsprechend § 20 Abs. 6 AktG sieht § 21 AktG dagegen nicht vor. § 22 AktG statuiert eine Nachweispflicht, die § 27 WpHG nachgebildet ist, näher s. 63 dort. Schließlich ist hier auf § 328 AktG betreffend wechselseitige Beteiligungen hinzuweisen. Nach § 328 Abs. 4 AktG haben sich wechselseitig beteiligte Aktiengesellschaften (bzw. KGaA) mit Sitz im Inland über §§ 20 f. AktG hinaus die genaue Höhe ihrer jeweiligen Beteiligung und jede Änderung mitzuteilen. Besondere Bekanntmachungs- (s. aber § 160 Nr. 7 AktG) und Sanktionsvorschriften sind hierfür allerdings nicht vorgesehen, so dass sich dies allein nach § 20 Abs. 6 und 7 AktG richtet.
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bb) Von den Vorschriften der §§ 21 ff. WpHG unterscheiden sich die §§ 20 ff. AktG nicht nur durch den Sinn und Zweck der Offenlegung, sondern auch durch den Normadressaten2 – nach § 20 AktG sind Privataktionäre nicht mitteilungspflichtig –, durch die Meldeschwellen, durch den Auslösetatbestand, durch die Zurechnungstatbestände, durch das Fehlen einer Nichtberücksichtigung des Handelsbestandes, durch die Frist für die Mitteilung usw.3.
65
cc) Durch das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz wurden die aktienrechtlichen 66 und die kapitalmarktrechtlichen Offenlegungspflichten teilweise aufeinander abgestimmt4. Abgelehnt wurde eine Streichung der §§ 20 ff. AktG5. Entfallen ist aber die Doppelbelastung der Aktionäre mit aktienrechtlichen und kapitalmarktrechtlichen Offenlegungspflichten. Getrennt wurden die Anwendungsbereiche. Das war im Blick auf Sinn und Zweck der 67 Offenlegung notwendig. Die §§ 20, 21 AktG gelten nach § 20 Abs. 8 AktG nicht für Aktien eines Emittenten i.S. von § 21 Abs. 2 WpHG. Insoweit kommen nur die §§ 21 ff. WpHG zur Anwendung. Anders formuliert: Die §§ 20 ff. AktG gelten nicht für Emittenten, für die die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist (s. bei § 21 Rz. 78 ff.). Abgestimmt wurden auch die Rechtsfolgen (s. bei § 28 Rz. 2 f.). Das Ergebnis ist gleichwohl nicht befriedigend6. Die kapitalmarktrechtlichen Offenlegungspflichten bleiben teilweise hinter den aktienrechtlichen Meldepflichten zurück. Das führt zu wertungswidersprüchlichen Transparenzlücken. So stellt § 20 AktG auf den Kapitalanteil und den Stimmrechtsanteil ab. § 21 WpHG bezieht sich nur auf den Stimmrechtsanteil (§ 21 Rz. 28). Hinzu kommen gravierende Unterschiede in den Zurechnungstatbeständen, Unterschiede in der Behandlung des Handelsbestands u.a.m.
1 Letzteres ist streitig, dafür etwa: Koppensteiner, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2004, § 21 AktG Rz. 4; dagegen die h.M., zuletzt Hüffer, § 21 AktG Rz. 3, jew. m.w.N. 2 In einem Mehrstufigkeitsverhältnis treffen die Mitteilungspflichten nach § 20 AktG sowohl das Mutter- als auch das Tochterunternehmen; BGH v. 24.7.2000 – II ZR 168/99, AG 2001, 47. Eine § 24 WpHG entsprechende Vorschrift fehlt für § 20 AktG. 3 Krit. Merkt, Unternehmenspublizität, 2001, S. 358. 4 Überblick bei Neye, ZIP 1996, 1853; Witt, AG 1998, 171; Starke, Beteiligungstransparenz im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2002, S. 239 ff.; Janert, BB 2004, 172. 5 So aber Happ, JZ 1994, 240 (245). 6 Näher hierzu: Uwe H. Schneider, AG 1997, 81 (82); Hüffer, § 20 AktG Rz. 19: „Transparenzlücken sind marginal …“.
Uwe H. Schneider 1001
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b) Treupflicht 69
Mitteilungspflichten können sich weiterhin aus der Treupflicht der Aktionäre ergeben1. Mangels höchstrichterlicher Entscheidungen soll diese Frage hier freilich nicht vertieft werden.
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Mit dem „Gesetz für die kleine Aktiengesellschaft und zur Deregulierung des Aktienrechts“ vom 2.8.1994 (BGBl. I 1994, 1961) hat der Gesetzgeber § 42 AktG nach Vorgabe von Art. 3 der Zwölften Richtlinie über die Publizität der Einpersonen-Eigenschaft von Kapitalgesellschaften2 neu gefasst. Danach ist bei dem Registergericht, wenn alle Aktien allein oder neben der Gesellschaft einem Aktionär gehören, dies sowie der Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort des Aktionärs anzumelden. Bisher nicht hinreichend geklärt ist freilich, ob „gehören“ i.S. des § 16 Abs. 4 AktG zu verstehen ist3, wen die Anmeldepflicht trifft – den Aktionär4 oder den Vorstand5 – und wie sie durchsetzbar sein soll6.
c) § 42 AktG
d) § 67 AktG 71
Für die in Deutschland üblich gewordenen Namensaktien7 sieht § 67 Abs. 3 AktG vor, dass nach Übergang der vorherigen Inhaber auf Mitteilung hin im Aktienregister gelöscht und der neue Inhaber eingetragen wird. Der Inhaber der Namensaktie ist nach § 67 Abs. 1 Satz 2 AktG verpflichtet, die zur Eintragung ins Aktienregister notwendigen Angaben mitzuteilen. Nach § 67 Abs. 4 Satz 2 AktG8 war bis zu den Änderungen durch das Risikobegrenzungsgesetz nur das depotführende Institut auf Verlangen der Gesellschaft verpflichtet, sich in das Aktienregister eintragen zu lassen, wenn der Inhaber von Namensaktien nicht in das Aktienregister eingetragen wird9. e) § 129 AktG
72
Im Teilnehmerverzeichnis muss der Anteilsbesitz nur insoweit offen gelegt werden, wie ein Aktionär mit seinen Anteilen selbst erscheint oder sich offen vertreten lässt. Weder bei einer Vollmacht für den, den es angeht (§ 129 Abs. 2 AktG; darunter fällt insbesondere das Vollmachtstimmrecht der Kreditinstitute nach § 135 AktG), noch 1 Dafür etwa Burgard, Die Offenlegung von Beteiligungen, Abhängigkeits- und Konzernlagen bei der Aktiengesellschaft, 1990, S. 64 ff.; Burgard, AG 1992, 41 (47 ff.); Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, § 6 Rz. 12 ff.; vgl. auch Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 593, 799; Timm, WM 1991, 481 (493 f.); dagegen Joussen, BB 1992, 1075. 2 Zwölfte gesellschaftsrechtliche Richtlinie vom 21.12.1989 (89/667/EWG), ABl. EG Nr. L 395 v. 30.12.1989, S. 40 ff. 3 So zu Recht Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1 (3 f.); im Ergebnis auch Kindler, NJW 1994, 3041 (3043); a.A. Hüffer, § 42 AktG Rz. 4; Blanke, BB 1994, 1505 (1506); vermittelnd Lutter, AG 1994, 429 (434). 4 Lutter, AG 1994, 429 (435). 5 Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1 (3 f.). 6 Vgl. Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1 (4); Lutter, AG 1994, 429 (435). 7 Noack, in: FS Bezzenberger, 2000, S. 291; Uwe H. Schneider/Müller-v. Pilchau, AG 2007, 181. 8 Die Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22.9.2005 (BGBl. I 2005, 2802) eingefügt. 9 Näher dazu: Uwe H. Schneider/Müller-v. Pilchau, AG 2007, 181.
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Uwe H. Schneider
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bei sog. Legitimationsaktionären (§ 129 Abs. 3 AktG) muss der Vertretene dagegen genannt werden. f) § 131 AktG Nach § 131 AktG können Aktionäre auf der Hauptversammlung sowohl über das Bestehen von Beteiligungen der Gesellschaft an anderen Unternehmen als auch über das Bestehen von Beteiligungen an der Gesellschaft Auskunft verlangen. Der Umfang des Auskunftsanspruchs ist streitig1.
73
aa) Hinsichtlich von Beteiligungen der Gesellschaft an anderen Unternehmen hat 74 das Kammergericht entschieden, dass der Vorstand verpflichtet ist, Auskunft über das Bestehen von Beteiligungen der Gesellschaft und der mit ihr verbundenen Unternehmen zu geben, soweit die Beteiligungen zum Bilanzstichtag 10 % des Kapitals oder der Stimmrechte der Beteiligungsgesellschaft oder einen Börsenwert von 100 Mio. DM erreichen2 Nach Ansicht des BayObLG hat der Vorstand über die von verbundenen Unternehmen gehaltenen Anteile an börsennotierten Gesellschaften Auskunft zu erteilen, wenn diese mindestens 5 % des Grundkapitals oder der Stimmrechte bei der betreffenden Gesellschaft ausmachen oder einen Börsenwert von mindestens 100 Mio. DM haben3. Dem ist, auch wenn die Entscheidungen vor der Euro-Umstellung ergingen, in Anbetracht der Wertungen der §§ 21 ff. WpHG zu folgen4. Fraglich ist freilich, ob die Beschränkung auf börsennotierte Gesellschaften – das Ge- 75 setz spricht jetzt von Emittenten – in Anbetracht der unterschiedlichen Zielsetzung der §§ 21 ff. WpHG gegenüber § 131 AktG, auf die auch das Kammergericht hinweist5, sachgerecht ist. Nach § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG kommt es darauf an, ob die Beantwortung der Frage „zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist“6. Auskünfte über die Anlage- und Beteiligungspolitik der Gesellschaft können im Rahmen der Tagesordnungspunkte „Vorlage des Jahresab1 Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, § 131 AktG Rz. 57; zum Ganzen: Grage, Das Auskunftsrecht des Aktionärs unter besonderer Berücksichtigung von Minderheitsbeteiligungen als Gegenstand aktienrechtlicher Auskunftsbegehren, 1999. 2 KG v. 26.8.1993 – 2 W 6111/92 („Siemens“), AG 1994, 83 = ZIP 1993, 1618 mit Anm. Wenger sowie Hemeling, WuB II A. § 131 AktG 1.94; bestätigt von KG v. 30.6.1994 – 2 W 4531 und 4642/93 („Allianz“), ZIP 1994, 1267 (1269) mit Anm. Großfeld/Möhlenkamp, ZIP 1994, 1425, sowie Dilger, WuB II A. § 131 AktG 7.94; KG v. 24.8.1995 – 2 W 4557/94, AG 1996, 135 = WM 1995, 1920 mit Anm. Ebenroth/Bohne, WuB II A. § 131 AktG 1.96; KG v. 15.2.2001 – 2 W 3288/00, AG 2001, 421; a.A. LG Frankfurt/M. v. 16.9.1994 – 3/3 O 82 und 83/92, WM 1994, 1929 (1931); Hüffer, ZIP 1996, 401; Saenger, DB 1997, 145. In die Berechnung der Schwellenwerte einzubeziehen, sind die Anteile, die für Rechnung der AG oder eines mit ihr verbundenen Unternehmens gehalten werden, s. auch bei § 22 Rz. 30 ff. 3 BayObLG v. 23.8.1996 – 3 Z BR 130/95, WM 1997, 117 mit Anm. H. F. Müller, WuB II A. § 131 AktG 2.97; a.A. Hüffer, § 131 AktG Rz. 19a; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, § 131 AktG Rz. 57. 4 Ebenso Großfeld/Möhlenkamp, ZIP 1994, 1425 (1427); a.A. etwa Spitze/Diekmann, ZHR 158 (1994), 448 (461 m.w.N.). 5 Mit dieser unterschiedlichen Zielsetzung begründet das Gericht zu Recht, dass für das Erreichen des Schwellenwerts nicht nur auf den Stimmrechts-, sondern auch den Kapitalanteil abzustellen ist, KG v. 30.6.1994 – 2 W 4531 und 4642/93, ZIP 1994, 1267 (1270). 6 Das Tatbestandsmerkmal „Angelegenheiten der Gesellschaft“ spielt demgegenüber, was nicht immer erkannt wird, keine Rolle; denn was zur sachgemäßen Beurteilung eines Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich ist, das ist notwendigerweise auch eine Angelegenheit der Gesellschaft, Zöllner, in: KölnKomm. AktG, 1970, § 131 AktG Rz. 18; Burgard,
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Vorbemerkung
schlusses“, „Verwendung des Bilanzgewinns“, „Entlastung des Vorstandes und des Aufsichtsrates“ erforderlich sein1. Will ein Aktionär die Anlage- und Beteiligungspolitik der Gesellschaft sachgerecht beurteilen2, muss er die sie prägenden Entscheidungen kennen3. Insofern ist nicht die Börsennotierung oder die Rechtsform der Gesellschaft, in die „sein“ Kapital investiert wurde, sondern – und so sind auch die Schwellenwerte zu verstehen – die „Bilanzdimension“ ausschlaggebend. Eine überzeugende rechnerische Formel wird sich allerdings schwerlich finden lassen, zumal eine Auskunft über die großen Einzelposten noch kein oder nur ein schiefes Bild der Anlage- und Beteiligungspolitik der Gesellschaft gibt. Entscheidend ist vielmehr allein der Einzelfall. 76
So spielen, was nicht hinreichend berücksichtigt wird4, gerade die sich großer Beliebtheit erfreuenden Vermögensverwaltungsgesellschaften für die Anlage- und Beteiligungspolitik der Publikumsgesellschaften eine bedeutende Rolle. Zwar mögen Detailauskünfte über solche Vermögensverwaltungsgesellschaften nicht erforderlich sein. Auch besteht kein Auskunftsanspruch über die anderen Gesellschafter. Auskunft kann jedoch darüber verlangt werden, an welchen Vermögensverwaltungsgesellschaften wesentliche Beteiligungen und in welcher Höhe bestehen und was deren bedeutendste Engagements sind.
77
Solche Auskünfte darf der Vorstand auch nicht etwa nach § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 AktG mit der Begründung verweigern, dass hierdurch die künftige Kapitalanlage behindert oder erschwert würde. Denn schließlich müssen etwa Kapitalanlagegesellschaften gemäß § 44 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 InvG, sowohl in ihrem Jahresbericht als auch im Halbjahresbericht ihr gesamtes Portefeuille offen legen, ohne dadurch bezüglich ihrer Anlagepolitik Schaden zu nehmen5.
1
2 3
4
5
Die Offenlegung von Beteiligungen, Abhängigkeits- und Konzernlagen bei der Aktiengesellschaft, 1990, S. 76, jew. m.w.N. KG v. 26.8.1993 – 2 W 6111/92, AG 1994, 83 = ZIP 1993, 1618 (1619) in Anschluss an Burgard, Die Offenlegung von Beteiligungen, Abhängigkeits- und Konzernlagen bei der Aktiengesellschaft, 1990, S. 78 f.; Burgard, AG 1992, 41 (46). Dabei ist entgegen LG Frankfurt/M. v. 16.9.1994 – 3/3 O 83/92, WM 1994, 1929 (1930, 1932), kein strenger, sondern ein großzügiger Maßstab anzulegen, da das Auskunftsrecht dem Aktionär die einzige „auch grundgesetzlich geschützte“ Möglichkeit gibt, „Rechenschaft über die Verwaltung seines im Unternehmen investierten Kapitals zu verlangen“ (BGH v. 29.11.1982 – II ZR 88/81, AG 1983, 75 [80]), und das Merkmal der „Erforderlichkeit“ dementsprechend nach der Begründung des Regierungsentwurfs in erster Linie Missbrauch verhindern soll, Kropff, AktG, 1965, S. 185. Vgl. auch LG Berlin v. 17.1.1990 – 98 AktE 10/89 („Springer/Kirch“), AG 1991, 34 = WM 1990, 978. Nachdem nicht nur der Kauf bzw. Verkauf, sondern auch das Halten von Beteiligungen eine Anlageentscheidung ist, bezieht sich das Auskunftsverlangen über den aktuellen Bestand der Beteiligungsanlagen entgegen der irrigen Annahme des LG Frankfurt/M. v. 16.9.1994 – 3/3 0 83/92, WM 1994, 1929 (1930, 1932), sehr wohl auf das abgelaufene Geschäftsjahr. Nach KG v. 30.6.1994 – 2 W 4531 und 4642/93, ZIP 1994, 1267 (1271) (s. auch KG v. 26.8.1993 – 2 W 6111/92, AG 1994, 83 = ZIP 1993, 1618 [1621]) ist der Beteiligungsbesitz der Vermögensverwaltungsgesellschaften nur insoweit in die Berechnung des Anteilsbesitzes der zur Auskunft verpflichteten Gesellschaft einzubeziehen, als es sich um abhängige Unternehmen handelt oder sie die Beteiligungen treuhänderisch halten, s. dazu unten § 22 Rz. 50 ff., 62. Das übersehen Ebenroth/Wilken, BB 1993, 1818 (1822 f.), wenn sie gar eine Vermutung erwägen, „dass durch die Bekanntgabe … des Wertpapier-Portefeuilles der weitere Vollzug der Beteiligungskäufe zum Nachteil der Gesellschaft beeinträchtigt wird“; zutr. dagegen die Überlegung des KG v. 30.6.1994 – 2 W 4531 und 4642/93, ZIP 1994, 1267 (1272).
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Vor § 21
Vorbemerkung
bb) Ein Auskunftsanspruch besteht zudem hinsichtlich von Beteiligungen an der Gesellschaft. Die hiergegen vorgebrachten Argumente1 überzeugen nicht. Insbesondere sind weder das Aktienregister noch das Teilnehmerverzeichnis aus den oben genannten Gründen insofern aussagekräftig. Vielmehr ist es zur Beurteilung der Tagesordnungspunkte Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats geradezu von ausschlaggebender Bedeutung, die „wahren Machtverhältnisse“ in der Gesellschaft zu kennen2. Zudem besitzt auch hier die Überlegung Gültigkeit, dass der Auskunftsanspruch des Aktionärs zumindest soweit reicht wie das gesetzlich anerkannte Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit. Über die ihm bekannten Beteiligungen an der Gesellschaft ab 3 % des Kapitals oder der Stimmrechte hat der Vorstand daher Auskunft zu geben3.
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cc) Mitteilungspflichten gegenüber der Gesellschaft und Offenlegungspflichten ge- 79 genüber den Mitaktionären und dem Markt können den Aktionären auch durch die Satzung auferlegt werden4. Solche gesellschaftsrechtlichen Transparenzgebote werden durch § 23 Abs. 5 AktG nicht ausgeschlossen; denn sie ermöglichen erst die Einforderung der von den Mitaktionären geschuldeten Treupflichten. g) §§ 294 Abs. 1 Satz 1, 295 Abs. 1 Satz 2, 298, 319 Abs. 4, 320 Abs. 1 Satz 3, 327 Abs. 3 AktG Nach diesen Vorschriften ist der Abschluss, die Änderung und die Beendigung eines Unternehmensvertrages bzw. eine Eingliederung und deren Ende von dem Vorstand der Gesellschaft, die eingegliedert wird, zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden. Nach § 10 HGB wird die Eintragung im Bundesanzeiger und den Blättern des Registergerichts bekannt gemacht.
80
3. Sonstige Vorschriften Weitere Pflichten zur Offenlegung ergeben sich aus dem HGB für die OHG (§ 106 81 Abs. 2 Nr. 1, § 107 HGB) und nach §§ 162, 176 Abs. 2 HGB für die KG, aus § 40 GmbHG und aus § 15 Abs. 2, § 69 GenG. Zu erwähnen sind ferner die bilanzrechtlichen Vorschriften, §§ 325 ff. HGB, § 285 Nr. 11 HGB, § 313 Abs. 2–4 HGB sowie § 160 Abs. 1 Nr. 8 AktG und die börsenrechtlichen Offenlegungsvorschriften, nämlich § 32 Abs. 3 BörsG sowie eine Vielzahl von aufsichtsrechtlichen Vorschriften etwa § 2c Abs. 1 und 4 iVm. § 1 Abs. 9 KWG. 4. Übernahmerechtliche Veröffentlichungspflichten des Bieters nach Abgabe des Angebots a) § 23 WpÜG Nach Abgabe eines Erwerbs-, Übernahme- und Pflichtangebots unterliegt der Bieter besonderen Veröffentlichungspflichten.
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Nach § 23 Abs. 1 WpÜG hat der Bieter erstens nach Veröffentlichung der Angebotsunterlage wöchentlich sowie in der letzten Woche vor Ablauf der Annahmefrist täg-
83
1 KG v. 30.6.1994 – 2 W 4531 und 4642/93, AG 1994, 469 = ZIP 1994, 1267 (1274); Ebenroth/ Wilken, BB 1993, 1818 (1820, 1822). 2 Burgard, Die Offenlegung von Beteiligungen, Abhängigkeits- und Konzernlagen bei der Aktiengesellschaft, 1990, S. 78. 3 A.A. Witt, Übernahmen von Aktiengesellschaften und Transparenz der Beteiligungsverhältnisse, 1998, S. 200. 4 Ebenso von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 21 Rz. 54.
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Vor § 21
Vorbemerkung
lich, zweitens unverzüglich nach Ablauf der Annahmefrist, drittens nach Ablauf der weiteren Annahmefrist und viertens nach Erreichen der für einen Ausschluss nach § 39a Abs. 1 und 2 WpHG erforderlichen Beteiligungshöhe sämtliche ihm zuzurechnenden Stimmrechtsanteile zu veröffentlichen und der Bundesanstalt (BaFin) mitzuteilen. Sinn und Zweck dieser Veröffentlichungspflicht ist es, den Angebotsempfängern die erforderlichen Informationen zukommen zu lassen, damit sie eine ihren Interessen angemessene Entscheidung treffen können („Wasserstandsmeldungen“)1. 84
Ergänzt wurden diese Veröffentlichungspflichten durch § 23 Abs. 2 WpÜG. Vereinfacht formuliert hat hiernach der Bieter, der die Kontrolle über die Zielgesellschaft erlangt hat, die Höhe der vor Ablauf eines Jahres nach Veröffentlichung der Angebotsunterlagen erworbenen Aktien- und Stimmrechtsanteile unverzüglich zu veröffentlichen und der Bundesanstalt (BaFin) mitzuteilen. Damit soll der Angebotsempfänger darüber informiert werden, ob er nach § 31 WpÜG einen Anspruch auf erhöhte Gegenleistung hat. b) Verhältnis zwischen §§ 21 ff. WpHG und § 23 WpÜG
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Die §§ 21 ff. WpHG werden durch § 23 WpÜG nicht verdrängt, sondern nur ergänzt2. Beide Normen unterscheiden sich im Regelungszweck in den Tatbestandsvoraussetzungen und in den Rechtsfolgen. § 23 WpÜG wendet sich an die Angebotsempfänger. § 21 WpHG dient auch den Interessen der Gesellschaft, der künftigen Anleger, der Gläubiger und der Öffentlichkeit. Nach § 21 WpHG ist daher auch die Gesellschaft zu informieren. Wird die Mitteilungspflicht nach § 21 WpHG verletzt, droht Rechtsverlust nach § 28 WpHG. Eine entsprechende Sanktion fehlt bei Verletzung der Veröffentlichungspflicht nach § 23 WpÜG. § 59 WpÜG nennt § 23 WpÜG nicht als Möglichkeit für einen Rechtsverlust.
86
Anders ist die Lage für die Mitteilungspflichten nach § 25 WpHG und nach § 25a WpHG. Nach § 25 Abs. 2a WpHG und nach § 25a WpHG besteht eine Meldeplicht nach § 25 Abs. 1 WpHG nicht, soweit die Zahl der Stimmrechte aus Aktien, für die ein Angebot zum Erwerb auf Grund eines Angebots nach dem WpÜG angenommen wurde, gemäß § 23 Abs. 1 WpÜG offen zu legen sind. Und das Entsprechende gilt nach § 25a Abs. 1 Satz 5 WpHG für die Meldepflicht nach § 25a Abs. 1 Satz 1 WpHG.
XIV. Verweisungen auf die §§ 21 ff. WpHG 87
Auf die Transparenzrichtlinie I und auf die §§ 21 ff. WpHG wird teilweise in vollem Umfang, teilweise beschränkt auf einzelne Vorschriften in anderen Gesetzen, in Verhaltensrichtlinien usw. verwiesen. Exemplarisch zu nennen sind § 1 Abs. 9 Satz 2 KWG, § 128 Abs. 2 Satz 7 AktG, § 7 Abs. 1 Gesetz über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften, und § 11 Gesetz zur Schaffung deutscher Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen (REITG)3.
1 Möllers, in: KölnKomm. WpÜG, § 23 Rz. 2 ff.; Witt, AG 2001, 233; rechtspolitisch bereits Burgard, WM 2000, 611. 2 Ebenso Assmann, in: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 23 WpÜG Rz. 51; von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 21 Rz. 58; Schröder, in: Haarmann/Schüppen, § 23 WpÜG Rz. 9; Möllers, in: KölnKomm. WpÜG, § 23 Rz. 34; Thun, in: Geibel/Süßmann, § 23 WpÜG Rz. 6; Witt, NZG 2000, 809 (810). 3 S. dazu: Klühs/Schmidtbleicher, ZIP 2006, 1809.
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§ 21
Mitteilungspflichten des Meldepflichtigen
§ 21 Mitteilungspflichten des Meldepflichtigen (1) Wer durch Erwerb, Veräußerung oder auf sonstige Weise 3 Prozent, 5 Prozent, 10 Prozent, 15 Prozent, 20 Prozent, 25 Prozent, 30 Prozent, 50 Prozent oder 75 Prozent der Stimmrechte an einem Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, erreicht, überschreitet oder unterschreitet (Meldepflichtiger), hat dies unverzüglich dem Emittenten und gleichzeitig der Bundesanstalt, spätestens innerhalb von vier Handelstagen unter Beachtung von § 22 Abs. 1 und 2 mitzuteilen. Bei Zertifikaten, die Aktien vertreten, trifft die Mitteilungspflicht ausschließlich den Inhaber der Zertifikate. Die Frist des Satzes 1 beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem der Meldepflichtige Kenntnis davon hat oder nach den Umständen haben musste, dass sein Stimmrechtsanteil die genannten Schwellen erreicht, überschreitet oder unterschreitet. Es wird vermutet, dass der Meldepflichtige zwei Handelstage nach dem Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten der genannten Schwellen Kenntnis hat. (1a) Wem im Zeitpunkt der erstmaligen Zulassung der Aktien zum Handel an einem organisierten Markt 3 Prozent oder mehr der Stimmrechte an einem Emittenten zustehen, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, hat diesem Emittenten sowie der Bundesanstalt eine Mitteilung entsprechend Absatz 1 Satz 1 zu machen. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. (2) Inlandsemittenten und Emittenten, für die die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, sind im Sinne dieses Abschnitts nur solche, deren Aktien zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. (3) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen erlassen über den Inhalt, die Art, die Sprache, den Umfang und die Form der Mitteilung nach Absatz 1 Satz 1 und Absatz 1a. In der Fassung des Investmentänderungsgesetzes vom 21.12.2007 (BGBl. I 2007, 3089). Schrifttum: s. Vor § 21.
Inhaltsübersicht I. Regelungsgegenstand und Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1. EG-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ergänzende Verordnungen . . . . . . . . 3. Ziel der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . .
1 2 3
II. Das Verhältnis zwischen §§ 21 f., § 25 und § 25a WpHG („Grundsatz der drei Säulen“) . . . . . . . . . . . . . . . .
5
III. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . .
9
1. Normadressat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Privataktionäre und juristische Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bruchteilsgemeinschaft . . . . . . . .
9 9 11
c) OHG und KG. . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gesellschaft bürgerlichen Rechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Gütergemeinschaft/Erbengemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Vormund, Testamentsvollstrecker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . i) Ausländische Aktionäre, Sitz im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dauer der Beteiligung . . . . . . . . . . . . 3. Schwellenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Stimmrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „aus ihm gehörenden Anteilen“ .
12 13 15 16 18 19 21 24 27 28 31
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§ 21
4. 5.
6. 7. 8.
Mitteilungspflichten des Meldepflichtigen c) Berechnung der Stimmrechtsquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 aa) Stammaktien. . . . . . . . . . . . . . 36 bb) Kapitalerhöhung/Kapitalherabsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 cc) Mehrstimmrechtsaktien . . . . 42 dd) Stimmrechtslose Vorzugsaktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 ee) Namensaktien . . . . . . . . . . . . 49 ff) Eigene Aktien . . . . . . . . . . . . . 56 gg) Ruhen der Stimmrechte (§ 28 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 hh) Satzungsmäßige Stimmrechtsbeschränkungen (Höchststimmrechte) . . . . . . . 62 ii) Stimmverbote . . . . . . . . . . . . . 64 d) Satzungsmäßige Schwellenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64a Erreichen, Über- oder Unterschreiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Erwerb, Veräußerung, sonstige Weise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 a) Kleine oder große Lösung? . . . . . . 70 b) Rechtslage bis zum 5.1.2007 . . . . 72 c) Heutige Rechtslage . . . . . . . . . . . . 73 Umschichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Änderung des Namens oder der Firma des Mitteilungspflichtigen . . . . . 77 Emittent (§ 21 Abs. 2 WpHG) . . . . . 78 a) Gesellschaften mit Sitz in Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 b) Gesellschaften mit Sitz in einem Drittstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 c) Mehrfache Börsennotierung. . . . . 90 d) Meldepflichten bei REIT . . . . . . . 91
9. Kein Abzug bei Zurechnung . . . . . . a) Das Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundsatz der doppelten Meldepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Zertifikate, die Aktien vertreten (§ 21 Abs. 1 Satz 2 WpHG) . . . . . . . .
92 92 93 98
IV. Erwerb vor Zulassung (§ 21 Abs. 1a WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 V. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 1. Mitteilungspflichten . . . . . . . . . . . . . a) Adressat der Mitteilung . . . . . . . . b) Inhalt der Mitteilung . . . . . . . . . . c) Muster einer Mitteilung . . . . . . . d) Form und Sprache der Mitteilung, Unterschrift . . . . . . . . . . . . . e) Frist der Mitteilung . . . . . . . . . . . aa) Beginn der Mitteilungsfrist . . bb) Kenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . f) „Alternative“ und vorsorgliche Mitteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Nachholung aller Zwischenmeldungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Organisations- und Informationseinholungspflichten . . . . . . . . . . . . . 3. Geschäftsverteilung und Delegation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anspruch der Gesellschaft auf Offenlegung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
111 111 112 126 127 128 128 133 138 142 143 144 145
VI. Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 VII. Jährliches Dokument . . . . . . . . . . . . 147 VIII. Ermächtigung für Rechtsverordnung (§ 21 Abs. 3 WpHG) . . . . . . . . . 148
I. Regelungsgegenstand und Regelungszweck 1. EG-Recht 1
§ 21 WpHG setzt die EU-Transparenzrichtlinie I vom 12.12.19881, die EU-Transparenzrichtlinie II vom 15.12.20042 sowie die Durchführungsrichtlinie vom 8.3.20073 in das deutsche Recht um. Die Vorschrift bestimmt die Voraussetzungen der Mitteilungspflicht, den Zeitpunkt und den Adressaten der Meldung. Sie beinhaltet somit den Grundtatbestand der Mitteilungspflichten. Zugleich ist sie Definitionsnorm für die grundlegenden Begriffe „Meldepflichtiger“, „Inlandsemittent“ und „Emittent“ im Sinne des Abschnitts.
1 ABl. EG Nr. L 348 v. 17.12.1988, S. 62. 2 ABl. EG Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 38. 3 ABl. EG Nr. L 69 v. 9.3.2007, S. 27.
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Mitteilungspflichten des Meldepflichtigen
§ 21
2. Ergänzende Verordnungen § 21 WpHG wird durch die Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige-, Mittei- 2 lungs- und Veröffentlichungspflichten sowie der Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen nach dem Wertpapierhandelsgesetz (Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung – WpAIV) vom 13.12.20041 konkretisiert. In den §§ 17 ff. WpAIV werden der Inhalt der Mitteilung, die Art, Form und Sprache der Mitteilung, die Art und Sprache der Veröffentlichung sowie die Mitteilung der Veröffentlichung näher geregelt. In der folgenden Kommentierung wird an der jeweiligen Stelle Bezug genommen. 3. Ziel der Vorschrift Der Regelungszweck der Vorschriften des 5. Abschnitts des WpHG ist in Rz. 18 ff. 3 der Vorbemerkungen zu den §§ 21 ff. WpHG dargestellt. Ziel des § 21 WpHG ist es, die betroffene Gesellschaft und die Bundesanstalt (BaFin) über die Veränderung von maßgeblichen Beteiligungsverhältnissen in Kenntnis zu setzen. Nach § 26 WpHG hat sodann die Gesellschaft die Meldung zu veröffentlichen, um auf diesem Wege das weitere wichtige Anliegen des Gesetzes, nämlich die Unterrichtung der Mitaktionäre und des Marktes (s. oben Vor § 21 Rz. 19), zu erreichen. Diese Zweistufigkeit des Verfahrens ist durch die Tranzparenzrichtlinie I vorgegeben 4 und entspricht auch § 20 AktG. Es hat zur Folge, dass sich der Zeitraum zwischen dem Erreichen der Meldeschwelle und der Veröffentlichung der Information notwendig vergrößert. Nach §§ 21 Abs. 1 Satz 1, 26 Abs. 1 WpHG beträgt dieser Zeitraum („window“) mehrere Kalendertage, die zu weiteren verdeckten Aktien(ver)käufen genutzt werden können (s. aber auch Vor § 21 Rz. 56 ff.: Ad-hoc- Publizität, sowie bei § 28 Rz. 75: Insiderinformation). Zu denken ist daher rechtspolitisch erstens an eine unverzügliche Veröffentlichung durch den Meldepflichtigen, und zweitens an die Einführung eines ausdrücklichen Erwerbs- bzw. Veräußerungsverbots für die Zeit ab Erreichen der Meldeschwellen bis zur Erfüllung der Mitteilungspflichten und der Veröffentlichung der Meldung und an ein Veräußerungsgebot für im „window“ erworbene Aktien bei Verletzung der Meldepflicht.
II. Das Verhältnis zwischen §§ 21 f., § 25 und § 25a WpHG („Grundsatz der drei Säulen“) Die §§ 21 ff., 25 und 25a WpHG begründen selbständige Meldepflichten mit unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen insb. unterschiedlichen Eingangsschwellen, unterschiedlichen Zeitpunkten der Meldepflicht usw. und unterschiedlichen Rechtsfolgen bei Verletzung der Meldepflichten2.
5
Zu unterscheiden sind dabei drei Säulen:
6
– Erste Säule: Die §§ 21 ff. WpHG begründen Meldepflichten beim dinglichen Erwerb und bei der dinglichen Veräußerung oder bei dinglichen Rechtsänderungen auf sonstige Weise von Stimmrechten (s. Rz. 70). Dabei kann der Schwellenwert auch durch Zurechnung von Stimmrechten erreicht werden.
1 BGBl. I 2004, 3376 (Text im Anhang S. 2212); zuletzt geändert durch das Anlegerschutzund Funktionsverbesserungsgesetz vom 5.4.2011 (BGBl. I 2011, 538). 2 S. Begr. RegE, BT-Drucks. 16/2498, S. 36.
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Mitteilungspflichten des Meldepflichtigen
– Zweite Säule: § 25 WpHG begründet Meldepflichten beim Halten von Finanzinstrumenten, die ihrem Inhaber das Recht verleihen, einseitig im Rahmen einer rechtlich verbindlichen Vereinbarung mit Stimmrechten verbundene und bereits ausgegebene Aktien zu erwerben. Gemeint ist damit das Halten von schuldrechtlichen und anderen Erwerbsrechten; und Halter solcher Finanzinstrumente ist der Gläubiger, der einen Anspruch auf Übertragung von Finanzinstrumenten hat. – Dritte Säule: § 25a WpHG handelt von den Mitteilungspflichten beim Halten von weiteren Finanzinstrumenten und sonstigen Instrumenten, die es ihrem Inhaber faktisch oder wirtschaftlich ermöglichen, mit Stimmrechten verbundene und bereits ausgegebene Aktien eine Emittenten zu erwerben (s. bei § 25a Rz. 12). 7
Die genannten Meldepflichten stehen nicht völlig getrennt nebeneinander. Aber es gibt auch wesentliche Unterschiede. So findet zwar eine Zusammenrechnung der Stimmrechte nach §§ 21, 22, 25 und 25a WpHG statt, um zu ermitteln, ob eine Meldeschwelle erreicht oder unterschritten wurde. Auch ist das Verfahren der Meldungen gemeinsam. Unterschiede gibt es aber in der Zurechnung, in der Frist, innerhalb derer die Mitteilung zu erfolgen hat, und in den Rechtsfolgen bei Verletzung der Meldepflichten.
8
Frei.
III. Voraussetzungen 1. Normadressat a) Privataktionäre und juristische Personen 9
Normadressat des § 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG ist jedermann, also jede natürliche Person ohne Rücksicht darauf, ob sie ihren Wohnsitz im Inland oder Ausland hat1, und ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit sowie jede juristische Person des privaten und des öffentlichen Rechts (so ausdrücklich Art. 1 Transparenzrichtlinie I), unabhängig von ihrer Rechtsform2 und dem Sitz der Gesellschaft. Die Unternehmenseigenschaft ist nicht Voraussetzung. Anders als nach herrschender Auslegung des § 20 AktG (s. oben Vor § 21 Rz. 65) können meldepflichtig auch sog. Privataktionäre3 sein. Mitteilungspflichtig können demnach bspw. inländische und ausländische Unternehmen, Kreditinstitute, Depotbanken4, Kapitalanlagegesellschaften (s. aber § 32 Abs. 2 InvG sowie dazu unten Anh. zu § 22) und andere institutionelle Anleger, die Kirchen, Gewerkschaften ebenso wie die Bundesrepublik Deutschland und andere Gebietskörperschaften5, Anstalten des öffentlichen Rechts, z.B. Landesbanken, Staatsfonds, usw. sein.
1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.3.7; Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, § 21 WpHG Rz. 4 sowie Vor § 21 Rz. 50. 2 Vgl. BGH v. 22.4.1991 – II ZR 231/90, WM 1991, 1166. 3 Kritisch zum Vorentwurf der Transparenzrichtlinie I: Maul, BB 1985, 897 (898). Für eine Erweiterung der Mitteilungspflicht auf Nicht-Unternehmen aber schon der Bericht über die Verhandlungen der Unternehmensrechtskommission des Bundesjustizministeriums, Köln 1979, Rz. 2038. 4 S. aber auch Art. 9 Abs. 4 Transparenzrichtlinie II. 5 Ebenso Nottmeier/Schäfer, AG 1997, 90; Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 21 WpHG Rz. 2.
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Mitteilungspflichten des Meldepflichtigen
§ 21
Erworben oder veräußert werden nicht Stimmrechte, sondern Mitgliedschaftsrechte (Aktien). Voraussetzung ist daher, dass der Meldepflichtige Aktien erwirbt oder veräußert, mit denen Stimmrechte verknüpft sind, dass er auf sonstige Weise Stimmrechte erlangt oder dass ihm Stimmrechte zugerechnet werden (§ 22 WpHG).
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Sind mehrere natürliche oder juristische Personen wegen desselben Sachverhalts meldepflichtig, so kann die Mitteilung durch eine gemeinsame Meldung erfolgen1. b) Bruchteilsgemeinschaft Werden Aktien in Sammelverwahrung genommen, so entsteht Miteigentum nach 11 Bruchteilen an den zum Sammelbestand des Verwahrers gehörenden Aktien (§ 6 DepotG). Die Stimmrechte des Miteigentümers richten sich nach dem Bruchteil des Miteigentums2. Will der Bruchteilseigentümer das Stimmrecht ausüben, so bedarf es nicht der Auslieferung der Aktien. Meldepflichtig ist der Bruchteilseigentümer daher auch nur in Höhe seines Bruchteilseigentums3. c) OHG und KG Erwirbt oder veräußert eine OHG oder KG, werden die Aktien der Gesellschaft über- 12 tragen und gelangen sie in das Gesamthandsvermögen der OHG oder KG, ist die Gesellschaft Aktionär und steht ihr das Stimmrecht zu, so ist die Gesellschaft meldepflichtig. Zugleich können die Gesellschafter auf Grund einer Zurechnung nach § 22 WpHG zur Meldung verpflichtet sein. d) Gesellschaft bürgerlichen Rechts Dies gilt auch für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts4. Die Außengesellschaft bür- 13 gerlichen Rechts ist selbst als Rechtsträger anzusehen5. Sie kann demgemäß selbst Aktionärin sein6. Die Gesellschaft treffen damit auch die mit der Mitgliedschaft verbundenen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Pflichten7. Zu erfüllen sind die Pflichten durch die vertretungsberechtigten Gesellschafter. Zum Inhalt der Meldung s. bei Rz. 112 ff. Dem einzelnen Gesellschafter werden u.U. aber die Stimmrechte aus den Aktien, die der Gesellschaft gehören, zugerechnet, so dass er aus diesem Grund selbst mitteilungspflichtig sein kann (s. bei § 22 Rz. 30).
1 S. auch Art. 8 Abs. 3 Durchführungsrichtlinie vom 8.3.2007, ABl. EG Nr. L 69 v. 9.3.2007, S. 31. 2 OLG Stuttgart v. 10.11.2004 – 20 U 16/03, AG 2005, 127; von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 21 Rz. 135. 3 Ebenso Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, § 21 WpHG Rz. 34. 4 Ebenso Hüffer, § 20 AktG Rz. 20; vgl. auch BGH v. 22.4.1991 – II ZR 231/90, AG 1991, 270 = WM 1991, 1166 (missverständlich BaFin, Erläuterungen zum Formular Stimmrechtsmitteilungen: „Hinweis auf Gesamthandsvermögen (der gesamte Stimmrechtsanteil ist von jeder Partei in vollen Umfang zu melden)“). 5 BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 = AG 2001, 307; BGH v. 16.7.2001 – II ZB 23/00, BGHZ 148, 291; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, S. 1712, 1720; s. auch § 1059a BGB; § 191 Abs. 2, § 202 UmwG. 6 BGH v. 4.11.1991 – II ZB 10/91, WM 1992, 12 = WuB II D. § 15 GenG 1.92 mit Anm. Hadding. 7 Ebenso Nottmeier/Schäfer, AG 1997, 91.
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Mitteilungspflichten des Meldepflichtigen
Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts darf zwar keine Firma führen (§ 17 i.V.m. § 2 Satz 1 HGB). Sie kann sich aber einen Namen zulegen, soweit dieser nicht den Eindruck einer „Firma“ hervorruft (z.B. Familie Schulz, Gesellschaft bürgerlichen Rechts). Unter Verwendung dieses Namens kann gemeldet werden. Zugleich sind die einzelnen Gesellschafter aufzulisten1 (s. auch unten Rz. 117). e) Familie
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Gehören die Aktien mehreren Familienangehörigen, so ist nicht die „Familie“ meldepflichtig. Sie ist nicht rechts- und pflichtenfähig2. Meldepflichtig ist das einzelne Familienmitglied, dem aber unter bestimmten Voraussetzungen die Stimmrechte der anderen Familienangehörigen zugerechnet werden (s. bei § 22 Rz. 204). f) Gütergemeinschaft/Erbengemeinschaft
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Gehören die Aktien zum Gesamthandsvermögen einer Gütergemeinschaft oder einer Erbengemeinschaft3, so ist zwar nicht die Gütergemeinschaft oder die Erbengemeinschaft meldepflichtig4; denn diese sind nicht rechts- und pflichtenfähig5. Mitteilungspflichtig sind vielmehr die jeweiligen Ehegatten bzw. die Erben6. Die Mitteilung muss lauten, dass die Gütergemeinschaft bzw. die Erbengemeinschaft X, bestehend aus den Ehegatten A und B bzw. aus den Miterben C, D und E, ihren Stimmrechtsanteil melden.
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Der Anteil ist jedem einzelnen Gesamthänder in vollem Umfang7 zuzurechnen, mit der Folge, dass in Verbindung mit weiteren Aktien im Alleineigentum des Gesamthänders sowie diesem zugerechneten Stimmrechten die Meldeschwelle erreicht, über- oder unterschritten sein kann. Daher bedarf es in solchen Fällen eines zusätzlichen Hinweises, weil sonst die Öffentlichkeit irregeführt würde. g) Vormund, Testamentsvollstrecker
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Ist ein Vormund, Nachlasspfleger, Nachlassverwalter oder ein Testamentsvollstrecker8 bestellt, so haben diese für die Erfüllung der Meldepflichten zu sorgen9.
1 AA. Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 22 Anh. § 21 WpHG Rz. 4. 2 Hüffer, § 20 AktG Rz. 20; Nottmeier/Schäfer, AG 1997, 90; Uwe H. Schneider, AG 1997, 85. 3 In Belgien sieht Art. 4 Loi relative à la publicité des participations importants … vom 2.3.1989 (Mon. Belge 1989, 8913) eine Verlängerung der Mitteilungspflicht auf 30 Tage nach Annahme der Erbschaft vor. 4 A.A. Hüffer, § 20 AktG Rz. 20; Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 21 WpHG Rz. 4. 5 A.A. Grunewald, AcP 197 (1997), 305: Erbengemeinschaft ist rechtsfähig; Wolf, in: FS Canaris, Bd. 1, 2007, S. 1313. 6 Nottmeier/Schäfer, AG 1997, 90: Meldepflichtig sind die Miterben als Gemeinschaft zur gesamten Hand. 7 Ebenso Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, § 21 WpHG Rz. 34; Becker, in: Bürgers/Körber, Anh. § 22 AktG/§ 21 WpHG Rz. 2; a.A. quotale Zurechnung: Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 21 WpHG Rz. 11; für § 30 WpÜG von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 29 Rz. 98. 8 A.A. Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, § 21 WpHG Rz. 15. 9 Ebenso von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 21 Rz. 136.
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Mitteilungspflichten des Meldepflichtigen
§ 21
h) Insolvenzverwalter Bisher war streitig, ob in der Insolvenz des Meldepflichtigen die Meldepflichten durch den Gemeinschuldner1 oder durch den Insolvenzverwalter2 zu erfüllen waren.
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Nun folgt aus § 11 WpHG, dass der Insolvenzverwalter den Meldepflichtigen bei der 20 Erfüllung der kapitalmarktrechtlichen Pflichten zwar zu unterstützen, also insbesondere ihm die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen hat. Die Pflichten zur Offenlegung sind aber weiterhin durch den Meldepflichtigen und sein geschäftsführendes Organ zu erfüllen3; denn die Pflichten haben keinen Massebezug. Sie ergeben sich vielmehr aus der Teilnahme des Emittenten am Kapitalmarkt. Aufgabe des Insolvenzverwalters ist es nur, den Meldepflichtigen mit den erforderlichen Informationen zu versorgen, damit er beurteilen kann, ob eine Meldepflicht entstanden ist und damit er sie erfüllen kann4. Zur Insolvenz des Emittenten s. bei § 26 Rz. 6. i) Ausländische Aktionäre, Sitz im Ausland Die Meldepflicht des § 21 WpHG ist an den Emittenten, für den die Bundesrepublik 21 Deutschland der Herkunftsstaat ist, geknüpft. Dagegen ist die Meldepflicht unabhängig von der Nationalität oder dem Wohnsitz des Aktionärs bzw. dem Sitz des Aktionärs5. Meldepflichtig sind daher nach §§ 21 ff. WpHG auch ausländische Aktionäre mit Wohnsitz im Ausland6, Gesellschaften mit Sitz im Ausland und ausländische Staaten als Aktionäre oder mittelbar Beteiligte. Die Tatsache, dass diese Vorschriften ihrer Rechtsnatur nach (auch) dem Wirtschaftsverwaltungsrecht angehören (vgl. Vor § 21 Rz. 13), steht dem nicht entgegen (vgl. Vor § 21 Rz. 41 ff.). Im Einzelfall kann zweifelhaft sein, wer Aktionär ist und wem die Stimmrechte zustehen. So ist für ausländische Trusts zu bestimmen, ob er rechtsfähig ist oder ob es sich nur um rechtlich nicht verselbständigtes Sondervermögen handelt. Meldepflichtig sind gegebenenfalls nur die Trustees7. Ist der Trust rechtsfähig, so ist er selbst meldepflichtig. Nichts anderes gilt, wenn die Zurechnungstatbestände des § 22 WpHG im Ausland erfüllt werden, namentlich für die Begründung eines Treuhandverhältnisses zugunsten des wirtschaftlichen Anteilseigners (vgl. § 22 Abs. 1 Nr. 2 WpHG)8 oder ein Zusammenwirken von Anlegern (acting in concert, vgl. § 22 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 WpHG). Zweck dieser Regeln ist die Aufdeckung von potentiellem rechtlichen oder
1 So BVerwG v. 13.4.2005 – 6 C 4/04, ZIP 2005, 1145 mit Anm. Ott; Streit, NZI 2005, 486. 2 So VG Frankfurt/M. v. 29.1.2005 – 9 E 4228/03, ZIP 2004, 469; BaFin, Jahresbericht 2004, S. 199. 3 von Buttlar, BB 2010, 1355; Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, § 21 WpHG Rz. 15; a.A. zum alten Recht: Hirte, in: FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 533. 4 Begr. RegE, BT-Drucks. 16/2498, S. 32; Schlette/Bouchon, in: Fuchs, § 11 WpHG Rz. 10. 5 So auch Falkenhagen, WM 1995, 1005; Starke, Beteiligungstransparenz im Gesellschaftsund Kapitalmarktrecht, 2002, S. 180. 6 Nottmeier/Schäfer, AG 1997, 87 (90); Starke, Beteiligungstransparenz im Gesellschaftsund Kapitalmarktrecht, 2002, S. 180; Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, § 21 WpHG Rz. 13; zu einer Erstreckung der Meldepflichten durch das US-amerikanische Recht (Section 12 SEA 1934) Schuster, Die internationale Anwendung des Börsenrechts, 1996, S. 457 ff. 7 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.5.1.4; Habauer, DStR 2002, 425. 8 Vgl. dazu Begr. RegE, BT-Drucks. 12/6679, S. 53. Dazu auch Starke, Beteiligungstransparenz im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2002, S. 180, 213 ff.
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faktischen Einfluss1. Sie dienen sämtlich dazu, die Vereitelung der Meldepflicht durch Umgehung zu verhindern. Dies kann sowohl im In- wie auch im Ausland gleichermaßen geschehen. Daher sind auch die in § 22 WpHG genannten Fälle in gleicher Weise zu erfassen wie eine unmittelbare Beteiligung. 23
Zu beachten und von der Frage der extraterritorialen Anwendbarkeit der §§ 21 ff. WpHG zu unterscheiden ist, dass sich die Verwirklichung der einzelnen privatrechtlichen Tatbestandsmerkmale des § 22 WpHG nicht nach deutschem Recht, sondern auch nach einer ausländischen – nämlich der durch das Vertrags- oder Gesellschaftsstatut berufenen – Rechtsordnung richten kann. Exemplarisch ist die Rechtsfähigkeit eines Trust2. 2. Dauer der Beteiligung
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§ 21 WpHG verlangt nicht, dass die Aktien dem Meldepflichtigen für eine Mindestdauer gehören3. Auch kurzfristige Über- oder Unterschreitungen begründen eine Meldepflicht. Eine Bestimmung, etwa entsprechend § 71 Abs. 1 Nr. 7 AktG, dass nur maßgebend ist, der Bestand „am Ende jeden Tages“, fehlt.
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Die Verwaltungspraxis geht allerdings davon aus, dass bei untertägigen Transaktionen „eine Aggregierung der veräußerten oder erworbenen Stimmrechte am Ende des Tages zulässig“ sei4. Nicht zulässig soll eine Saldierung von Long-und-Short-Positionen sein.
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Dem ist nur eingeschränkt zuzustimmen. Durch Auslegung im Wege teleologischer Reduktion ergibt sich, dass bei mehrfachem Über- oder Unterschreiten einer Meldeschwelle während eines Tages keine fortlaufende Meldepflichten entstehen; denn fortlaufende Meldungen bei wechselnden Tagesumsätzen verwirren den Markt. Eine Aggregierung soll auch für eine Aufrechnung von veräußerten und erworbenen Stimmrechten, soweit die Erwerbsrechte an diesem Tag nicht ausgeübt worden sind, gelten. Zu melden ist aber nicht, wie die Verwaltungspraxis meint, der Tagesendstand, sondern der Höchst- und der Tiefststand im Laufe eines Tages. Hat der Meldepflichtige am Morgen null Stimmrechte, um 12 Uhr 7 % Stimmrechte und am Abend null Stimmrechte, so entfällt nicht die Pflicht zur Meldung, sondern es ist sowohl das Überschreiten als auch das Unterschreiten der Meldeschwelle zu melden. Der Meldepflichtige ist nicht deshalb entbunden, weil er am Abend wieder unter der Meldeschwelle liegt. Für entsprechende schuldrechtliche Geschäfte genügt die Meldung nach § 25 WpHG. Eine Übertragung der Aktien muss nicht erfolgt sein. Bei Verträgen zwischen mehreren Vertragspartnern, die kurzfristig in einer Kette Aktien erwerben und weiter veräußern oder die Aktien kurzfristig im Wege der Wertpapierleihe herein nehmen, kann daher jeder der Beteiligten meldepflichtig sein. 3. Schwellenwerte
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§ 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG bestimmt als Schwellenwerte 3, 5, 10, 15, 20, 25, 50 und 75 % der Stimmrechte. Die Publizitätsdichte wurde jüngst verstärkt. Die zusätzlich eingefügten Schwellenwerte in Höhe von 15, 20 und 30 % beruhen auf der Umset1 Burgard, BB 1995, 2069 (2071 f.); Starke, Beteiligungstransparenz im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2002, S. 200. 2 Dazu Mutter, AG 2006, 637. 3 Ebenso BaFin, Häufig gestellte Fragen zu den §§ 21 ff. WpHG, Stand: Februar 2008. 4 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.3.5.
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zung von Art. 9 Abs. 1 der EU-Transparenzrichtlinie II. Der Schwellenwert in Höhe von 3 %, gleichfalls eingeführt durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz, war europarechtlich zwar nicht geboten. Der Wert ist aber international nicht unüblich. Die Schwellenwerte sind im ausländischen Recht teilweise sogar deutlich enger. So ist in Großbritannien der Schwellenwert nach Rule DTR 5.1.2 FSA-Handbook zwar gleichfalls 3 %. Sodann ist aber bei Erreichen jedes weiteren Prozents eine Meldepflicht vorgesehen. Und in Italien ist der niedrigste Schwellenwert, der zur Meldung verpflichtet, sogar bei 2 %. Unbefriedigend ist die Transparenzlücke zwischen 30% und 50%. Wünschenswert wäre hier die Einführung weiterer Meldeschwellen mindestens im Abstand von 5%1. a) Stimmrechte Die Schwellenwerte des § 21 WpHG beziehen sich nur auf den Stimmrechtsanteil2. 28 Um die Errechnung zu ermöglichen, hat ein Inlandsemittent die Gesamtzahl der Stimmrechte am Ende eines jeden Kalendermonats, in dem es zu einer Zu- oder Abnahme etwa auf Grund einer Kapitalmaßnahme gekommen ist, zu veröffentlichen (dazu bei § 26a WpHG). Im Gegensatz hierzu stellt § 20 AktG auf den Kapitalanteil und nur in Abs. 4 zusätzlich auf den Stimmrechtsanteil ab. In der Regel entsprechen zwar die Stimmrechtsanteile den Kapitalanteilen. Meldepflichtig können jedoch auch Stimmrechte an Gesellschaften ausländischen Rechts sein, bei denen das nationale Aktienrecht den Grundsatz „eine Aktie, eine Stimme“ nicht kennt.
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Es ist zu bedauern, dass von dem Wahlrecht des Art. 4 Abs. 1 Satz 4 Transparenzrichtlinie I, wonach die Mitgliedstaaten vorsehen können, dass auch der Kapitalanteil bei Überschreiten des Schwellenwerts mitteilungspflichtig ist, kein Gebrauch gemacht wurde3. Schon aus Sicht einer konzernrechtlichen Regelung ist dies zu kurz gegriffen. Denn auch bloße Kapitalmacht gewährt Einfluss.
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b) „aus ihm gehörenden Anteilen“ Im Gegensatz zu § 16 Abs. 3 AktG fehlt in § 21 WpHG ein Hinweis darauf, ob nur 31 mitteilungspflichtig ist, wem Stimmrechte „aus ihm gehörenden Anteilen“ zustehen, oder ob auch meldepflichtig ist, wer aufgrund sonstiger Befugnis zur Ausübung von Stimmrechten im eigenen Namen (Legitimationsübertragung, § 129 Abs. 3 AktG) oder in fremdem Namen (Stellvertretung; zum Vollmachtstimmrecht s. bei § 22 Rz. 128) berechtigt ist. Der Wortlaut von § 21 WpHG ist irreführend. Erworben und veräußert werden nicht Stimmrechte, sondern die in Aktien verbrieften Mitgliedschaftsrechte. Das Stimmrecht kann nicht von der Mitgliedschaft abgetrennt werden (Abspaltungsverbot, § 8 1 S. dazu zuletzt, auch rechtsvergleichend: Baums, ZIP 2010, 2374; Merkt, NZG 2011, 561; Hitzer/Düchting, ZIP 2011, 2084 (2090). 2 Anders noch: Art. 3 (vgl. auch Art. 8 Abs. 2) des geänderten Vorschlags der Transparenzrichtlinie I, ABl. EG Nr. C 255 v. 25.9.1987, S. 6, 7, 9. Berichtet wird, dass ein EG-Mitgliedstaat bis zuletzt, aber ohne Erfolg, durchzusetzen versuchte, dass zumindest auch der Kapitalanteil mitteilungspflichtig sein sollte. Eine diesem Vorschlag entsprechende Regelung ist allerdings nach Art. 3 Transparenzrichtlinie I zulässig (s. ebenda) und rechtspolitisch wünschenswert. 3 Zustimmend: Möllers, ZGR 1997, 343.
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Abs. 3 AktG). Auch die Legitimationsübertragung führt nicht zur Übertragung des Stimmrechts, sondern nur dazu, dass der Dritte ermächtigt wird, fremde Stimmrechte im eigenen Namen auszuüben. Hieraus folgt, dass meldepflichtig nach § 21 WpHG nur sein kann, wem Stimmrechte „aus ihm gehörenden Anteilen zustehen“ oder aber dem nach § 22 WpHG Stimmrechte zugerechnet werden. Weder der Stellvertreter noch der Legitimationsaktionär ist daher nach § 21 WpHG meldepflichtig1. c) Berechnung der Stimmrechtsquote 33
Zur Berechnung der Stimmrechtsquote ist zunächst die Zahl der für die Mitteilungspflicht maßgeblichen Stimmrechte des Meldepflichtigen (Teilmenge = Zähler) zu ermitteln. Hierbei sind dem Meldepflichtigen bestimmte Stimmrechte zuzurechnen oder abzuziehen (s. bei §§ 22 f. WpHG). Sodann ist diese Teilmenge zu der Zahl aller von der Gesellschaft nach § 12 AktG begebenen Stimmrechte (Gesamtzahl = Nenner) ins Verhältnis zu setzen, vgl. § 16 Abs. 3 Satz 1 AktG. Das Ergebnis zeigt, ob eine Meldeschwelle (kritische Menge) erreicht, überschritten oder unterschritten ist.
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Um dem Meldepflichtigen die Erfüllung seiner Pflichten zu erleichtern, sieht § 26a WpHG vor, dass Inlandsemittenten die Gesamtzahl der Stimmrechte am Ende eines jeden Kalendermonats, in dem es zu einer Zu- oder Abnahme von Stimmrechten gekommen ist, veröffentlichen müssen. Einzelheiten bei § 26a WpHG.
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Problematisch ist, welche Stimmrechte zur Gesamtzahl zu zählen sind und welche Stimmrechte zur Teilmenge gehören. Dabei kommt es nicht auf die Stimmrechte an, wie es etwa in § 16 Abs. 3 AktG heißt, die der Betreffende aus den ihm gehörenden Anteilen „ausüben kann“ („konkrete Betrachtungsweise“). Abzustellen ist vielmehr darauf, ob ein Paket aus Stimmen gebildet ist oder werden kann. Ausreichend ist daher, dass dem Aktionär das Stimmrecht zusteht, mag er auch selbst im Einzelfall etwa aufgrund von § 23 Abs. 1 WpHG oder § 28 WpHG nicht in der Lage sein, die Stimmrechte auszuüben („abstrakte Betrachtungsweise“)2; denn zur Gesamtzahl zählen nach § 17 Abs. 1 Nr. 5 WpAIV auch die Stimmrechte, deren Ausübung ausgesetzt ist3. Damit wird Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 der EU-Transparenzrichtlinie II umgesetzt. aa) Stammaktien
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In die Berechnung der Gesamtzahl der Stimmrechte sind nicht nur die Stimmen aus den Stammaktien einzubeziehen, sondern in bestimmtem Umfang auch die Stimmrechte aus anderen Aktiengattungen. Für die Stammaktien macht es keinen Unterschied, ob es sich um Inhaber- oder Namensaktien handelt. bb) Kapitalerhöhung/Kapitalherabsetzung
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Erfolgt eine Kapitalerhöhung, so wird diese mit der Eintragung der Durchführung in das Handelsregister wirksam (§ 189 AktG)4. Damit entstehen auch die Stimmrechte5. Es ändert sich die Gesamtmenge, und es ändert sich bei einem Aktionär die Teil1 OLG Stuttgart v. 10.11.2004 – 20 U 16/03, AG 2005, 127. 2 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.3.2; Burgard, BB 1995, 2069 (2071); Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 21 WpHG Rz. 8. 3 Begr. RegE zu § 17 WpAIV, BT-Drucks. 16/2498. 4 Zu den Folgen einer Verletzung der Meldepflicht auf die Eintragung einer Kapitalerhöhung s. bei § 28. 5 Krieger, in: MünchHdb. AG, § 56 Rz. 135.
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menge der Stimmrechte1. Ein Aktionär kann demgemäß allein deshalb meldepflichtig werden, weil er im Rahmen einer Kapitalerhöhung sein Bezugsrecht nicht ausübt. Auf Grund der durch die Kapitalerhöhung bedingten Vermehrung der Gesamtmenge der Stimmrechte kann eine Meldeschwelle unterschritten werden2. Bei der ordentlichen Kapitalherabsetzung, §§ 222 ff. AktG, und bei der vereinfachten 38 Kapitalherabsetzung, §§ 229 ff. AktG, werden die Grundkapitalziffer und der Nennbetrag angepasst. Die Beteiligungsverhältnisse ändern sich nicht. Es entsteht keine Meldepflicht3. Anders kann dies bei der Kapitalherabsetzung durch Einziehung von Aktien sein. Mit der Eintragung des Kapitalherabsetzungsbeschlusses in das Handelsregister wird diese wirksam (§ 238 Abs. 1 AktG). Wenn die Einziehung nachfolgt, so ist das Grundkapital mit der Einziehung herabgesetzt, und zwar in Höhe des auf die eingezogenen Aktien entfallenden Betrags. Die mit den betroffenen Aktien verbundenen mitgliedschaftlichen Rechte gehen unter. Damit ändert sich die Gesamtmenge der mit den Aktien verbundenen Stimmrechte. Bei dem einzelnen Meldepflichtigen erhöht sich hierdurch die auf ihn entfallende Teilmenge. Dies kann die Meldepflicht auslösen. Um die Erfüllung der Meldepflicht sicherzustellen, haben die Inhaber von Stimmrechtsanteilen zu prüfen, ob durch die Kapitalherabsetzung Meldeschwellen berührt wurden4. Bedingte Kapitalerhöhungen werden erst mit der Ausgabe der Bezugsaktien wirksam (§ 200 AktG). Die Gesellschaft hat die Aktienausgabe in ihren Büchern aufzuführen5.
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Die Folge hiervon ist, dass sich das Grundkapital, die Gesamtmenge der Stimmrech- 40 te und damit auch der Stimmrechtsanteil aller Aktionäre täglich auf Grund einer an diesem Tag erfolgten Ausgabe ändern können. Aktionäre, die Aktien in einer Größenordnung in der Nähe einer Meldeschwelle halten, sind demgemäß verpflichtet, sich mit der Gesellschaft in Verbindung zu setzen, um sicherzustellen, dass ihnen der Zeitpunkt bekannt wird, in dem sie eine Meldeschwelle erreichen, über- oder unterschreiten6. Spätestens beginnt die Meldefrist mit der Eintragung nach § 201 AktG. Erfolgt die Kapitalerhöhung, was in der Praxis üblich ist, unter Einschaltung eines 41 Emissionsunternehmens, so zeichnet dieses Unternehmen zunächst die Aktien und verpflichtet sich, sie den Aktionären anzubieten (§ 186 Abs. 5 AktG)7. Für den Aktionär hat dies zur Folge, dass mit der Kapitalerhöhung die Gesamtzahl der Aktien steigt. Folglich kann er – unter Berücksichtigung des § 26a – unter die Meldeschwelle fallen. Deshalb wird er meldepflichtig. Dem steht nicht entgegen, dass ihm zugleich ein Anspruch auf Lieferung zuwächst; denn es liegt eine qualifizierte Umschichtung vor und diese befreit nicht von der Meldung. Um eine einfache Umschichtung handelt es sich nur, wenn der Aktionär aufgrund der Kapitalerhöhung keine Melde-
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Zur Kapitalerhöhung im Rahmen einer Wertpapierleihe: BaFin, Jahresbericht 2004, S. 206. Ebenso Nottmeier/Schäfer, AG 1997, 89; Nodoushani, WM 2008, 1671 (1675). Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, § 21 WpHG Rz. 52; Sethe, ZIP 2010, 1825 (1827). Schreiben des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel an die Vorstände der börsennotierten Aktiengesellschaften vom 28.6.1999, S. 2; Einzelheiten bei Sethe, ZIP 2010, 1825 (1827). 5 Fuchs, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2011, § 200 Rz. 4 ff.; Krieger, in: MünchHdb. AG, § 57 Rz. 53. 6 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.3.4.1.2. Burgard, BB 1995, 2069 (2071). 7 Hüffer, § 186 AktG Rz. 44; Haag, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 23 S. 645, 654.
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schwelle unterschreitet. Und meldepflichtig kann auch das Emissionsunternehmen sein1. cc) Mehrstimmrechtsaktien 42
Die Neubegründung von Mehrstimmrechten ist nach § 12 Abs. 2 AktG für Aktiengesellschaften deutschen Rechts unzulässig. Überkommene Mehrstimmrechte sind aber nicht erloschen, wenn vor Ablauf des 1.6.2003 die Hauptversammlung mit einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals ihre Fortgeltung beschlossen hat (§ 5 Abs. 1 EGAktG).
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Meldepflichtig nach § 21 WpHG können auch Aktionäre einer Aktiengesellschaft sein, die nach ausländischem Recht gegründet ist und bei der Mehrstimmrechte zulässig sind. In diesen Fällen sind alle Stimmrechte, also auch die Mehrstimmrechte sowohl bei der Berechnung der Gesamtmenge also auch bei der Berechnung des Stimmrechtsanteils zu berücksichtigen2.
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Ist das Mehrstimmrecht auf einzelne Beschlussgegenstände beschränkt, so bedarf es einer doppelten Berechnung, mit der Folge, dass zwei unterschiedliche Teilmengen entstehen sowie zwei Mitteilungen erforderlich werden können. dd) Stimmrechtslose Vorzugsaktien
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Zweifelhaft ist die Lage bei den stimmrechtslosen Vorzugsaktien. Stimmrechtslose Vorzugsaktien gewähren nämlich ausnahmsweise ein Stimmrecht, und zwar zum einen bei Beschlüssen nach § 141 AktG, insbesondere über die Aufhebung oder Beschränkung des Vorzugs. Zum anderen steht den Vorzugsaktionären nach § 140 Abs. 2 AktG das Stimmrecht zu, wenn der Vorzug zwei Jahre rückstellig und nicht vollständig nachgezahlt ist. Im Blick hierauf ist auch für die Berechnung der Gesamtmenge und der Teilmenge der Stimmrechte nach § 21 WpHG zu unterscheiden.
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– Bei der Gesamtmenge sind Stimmrechte auch dann anzusetzen, wenn ihre Ausübung ausgesetzt ist (§ 17 Abs. 1 Satz 5 WpAIV).
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– Im Regelfall sind stimmrechtslose Vorzugsaktien bei der Teilmenge der Stimmrechte nicht zu berücksichtigen3.
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– Tritt jedoch der Fall des § 140 Abs. 2 AktG ein, so sind stimmrechtslose Vorzugsaktien auch bei der Berechnung der Teilmenge zu berücksichtigen4. Es ist nahe liegend, dass dies zu gewichtigen Veränderungen führen kann. Der Eintritt des Falles nach § 140 Abs. 2 AktG macht daher eine Neuberechnung der Stimmrechtsanteile und gegebenenfalls entsprechende Mitteilungen erforderlich5.
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Nodoushani, WM 2008, 1671 (1677). Ebenso Hirte, in: KölnKomm. WpHG, § 21 Rz. 87. Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 21 WpHG Rz. 8. Begr. RegE Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz § 17 WpAIV, BT-Drucks. 16/2498, S. 52; „anlassbezogen relevant“; Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 21 WpHG Rz. 16; Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, Anh. § 22, § 21 WpHG Rz. 23; Falkenhagen, WM 1995, 1008; Claussen, AG 1996, 288; Nottmeier/Schäfer, AG 1997, 89; Wilsing, BB 1995, 2277. 5 Wie hier: Burgard, BB 1995, 2069 (2070); a.A. Dieckmann, DZWIR 1994, 13 (18); Happ, JZ 1994, 244: „stets unberücksichtigt“.
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Mitteilungspflichten des Meldepflichtigen
ee) Namensaktien Bei Namensaktien ist zu unterscheiden, ob sie vinkuliert sind oder nicht.
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Nicht vinkulierte Namensaktien können in unterschiedlicher Weise übertragen werden. Die Eintragung ins Aktienregister ist in keinem Fall Erwerbsvoraussetzung1. Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt aber aufgrund unwiderleglicher Vermutung2 nur der Eingetragene als Aktionär (§ 67 Abs. 2 AktG). Und das bedeutet, dass im Verhältnis zur Gesellschaft nur der Eingetragene als Registeraktionär berechtigt ist, das Stimmrecht auszuüben3. Der wahre Aktionär (= Vollrechtsaktionär) braucht nicht eingetragen zu sein. Auch die Eintragung eines Registeraktionärs war bislang nicht verpflichtend („freier Meldebestand“)4. Nach § 67 Abs. 4 Satz 5 AktG ist das depotführende Institut aber auf Verlangen der Gesellschaft verpflichtet, sich an die Stelle des wahren Aktionärs in das Aktienregister eintragen zu lassen. Eine Verpflichtung zur Eintragung besteht nach wie vor nicht. Nach § 67 Abs. 4 Satz 2 AktG hat der Eingetragene allerdings der Gesellschaft auf ihr Verlangen mitzuteilen, inwieweit ihm die Aktien, als deren Inhaber er im Aktienregister eingetragen ist, auch gehören. Voraussetzung ist freilich, dass der Registeraktionär den wahren Aktionär kennt5. Durch das Aktienregister wird weiterhin kein vollständiges Bild über die wahren Aktionäre vermittelt. Namensaktien bieten daher, entgegen landläufiger Meinung6, auch keinen Übernahmeschutz. Vor allem bei ausländischen Aktionären sind Verwahrstellen, Depotbanken, Custodians usw. eingetragen7. Daher ist auch für die Meldepflicht zu unterscheiden:
50
1. Fallgruppe: Ist der Registeraktionär zugleich der wahre Aktionär (= Vollrechtsaktionär), so ist er auch zur Meldung verpflichtet. Das ist auch der Fall, wenn die Depotbank Vollrechtstreuhänder ist und die Aktie treuhänderisch für den Investor hält8. Der Treugeber ist nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG meldepflichtig. 2. Fallgruppe: Ist der Registeraktionär nicht zugleich der wahre Aktionär, so ist der 51 wahre Aktionär meldepflichtig und zwar nach § 21 WpHG9. Ihm „gehören“ die Stimmrechte. Nur im Verhältnis zur Gesellschaft spricht eine unwiderlegliche Vermutung dafür, dass der Registeraktionär zur Ausübung berechtigt ist. Im Innenverhältnis zwischen dem wahren Aktionär und dem Registeraktionär ist der wahre Aktionär aber rechtlich, zumindest tatsächlich in der Lage zu bestimmen, wie das 1 H.M.; Hüffer, § 67 AktG Rz. 11; Drygala, NZG 2004, 893; unklar OLG Frankfurt/M. v. 17.2.1998 – 5 W 32/97, WM 1999, 386. 2 Hüffer, § 67 AktG Rz. 13, 14; Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 AktG Rz. 39; für Fiktion: Baumbach/Hueck, § 67 AktG Anm. 10. 3 Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter, § 67 AktG Rz. 13; Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 67 Rz. 40. 4 Seibert, in: FS Peltzer, 2001, S. 479; Drygala, NZG 2004, 893. 5 Zu den Änderungen durch das Risikobegrenzungsgesetz: Noack, NZG 2008, 721. 6 Näher dazu Uwe H. Schneider, in: FS Hopt, 2010, S. 1327; Garcia Mateos, Das neue Recht der Namensaktie, 2005, S. 139, 150. 7 Börsen-Zeitung vom 9.9.2005, S. 4: Aus diesem Grund sind bei der Deutsche Bank AG knapp ein Drittel der Aktien nicht zuzuordnen; s. auch BT-Drucks. 15/5693, S. 16 (Bericht der Abgeordneten Scholz u.a.): „Bei Namensaktiengesellschaften sind teilweise bis zu zwanzig bis fünfundzwanzig Prozent der Aktionäre nicht im Aktienregister eingetragen und damit auch nicht für die Gesellschaft erreichbar“. 8 Zur Stellung ausländischer Aktionäre bei der Wahrnehmung ihrer Rechte in der Hauptversammlung einer deutschen Aktiengesellschaft Preissler, WM 2001, 113 (117). 9 So auch Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel, Jahresbericht 1999, S. 33; a.A. Diekmann, BB 1999, 1987: nur Registeraktionär.
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§ 21
Mitteilungspflichten des Meldepflichtigen
Stimmrecht ausgeübt wird. Problematisch ist freilich, wie bei ausländischen Aktionären mit einem ausländischen Registeraktionär die Meldung sichergestellt werden kann. Nur auf diese Weise ist gewährleistet, dass für Transparenz der Aktionärsstruktur gesorgt ist und Meldepflichten erfüllt werden1. 52
Zweifelhaft ist, ob auch der Registeraktionär meldepflichtig ist2.
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1. Fallgruppe: Ist eine Depotbank im Aktienregister eingetragen und ist sie vom wahren Aktionär zur Stimmrechtsausübung ermächtigt, so hat sie die Stellung eines Legitimationsaktionärs3. Die Depotbank treffen damit auch die Meldepflichten.
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2. Fallgruppe: Ist eine Depotbank nach § 67 Abs. 4 Satz 5 AktG auf Verlangen der Gesellschaft als Registeraktionär ins Aktienregister eingetragen, so ist sie zur Ausübung des Stimmrechts nicht befugt, wenn es an einer internen Ermächtigung des wahren Aktionärs zur Ausübung des Stimmrechts fehlt (§ 135 Abs. 7 Satz 1 AktG). Die Depotbank ist dann lediglich Platzhalter. In diesem Fall werden auch keine Meldepflichten ausgelöst4.
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Bei vinkulierten Namensaktien ist die Übertragung bis zur Zustimmung durch die Gesellschaft schwebend unwirksam5. Die Übertragung wird erst wirksam, der Erwerber wird erst Aktionär, wenn die Zustimmung vorliegt (§ 68 Abs. 2 AktG). Daher tritt ein Erwerb i.S. des § 21 WpHG auch erst mit der Erteilung der Zustimmung ein. Allerdings hat der Erwerber eine Meldepflicht nach § 25 WpHG, wenn zu erwarten ist, dass die Gesellschaft der Übertragung zustimmen wird. ff) Eigene Aktien
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Einer Aktiengesellschaft ist der Erwerb eigener Aktien nur unter den in § 71 Abs. 1 AktG genannten Voraussetzungen erlaubt.
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In jedem Fall stehen der Gesellschaft aus eigenen Aktien keine Rechte zu, § 71b AktG. Das gilt auch bei einem Erwerb auf der Grundlage von § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG, einer Vorschrift, die erst durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 27.4.1998 (BGBl. I 1998, 786) ins Aktiengesetz genommen wurde.
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Daraus ergeben sich zwei Folgen. Erstens: Der Emittent, der eigene Aktien erwirbt, ist nicht nach § 21 Abs. 1 meldepflichtig6; denn es reicht nicht aus, dass der Meldepflichtige Aktien hält, die bei abstrakter Betrachtung Stimmrechte gewähren. Die Stimmrechte müssen vielmehr auch ausübbar sein. § 26 Abs. 1 Satz 2 WpHG verlangt jedoch eine entsprechende Veröffentlichung (Einzelheiten bei § 26 Rz. 17).
1 S. dazu auch Begr. RegE, BT-Drucks. 11/4051, S. 11 ff.; DAV – Handelsrechtsausschuss, NZG 2000, 443. 2 Dafür: Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 22 Anh. § 21 WpHG Rz. 25; Diekmann, BB 1999, 1985 (1987); Noack, DB 1999, 1306; a.A. Than/Hannöver, in: von Rosen/ Seifert, Die Namensaktie, 2000, S. 308. 3 Uwe H. Schneider/Müller-v. Pilchau, AG 2006, 184. 4 Begr. RegE zu § 67 AktG, BT-Drucks. 15/5693, S. 29. 5 BGHZ 13, 179 (187); Lutter, in: KölnKomm. AktG, 2. Aufl. 1988, § 68 Rz. 38; Hüffer, § 68 AktG Rz. 16; s. auch mit teilweise abweichendem Ergebnis: E. Ulmer, in: FS SchmidtRimpler, 1957, S. 261, 270. 6 A.A. Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 21 WpHG Rz. 18; Hirte, in: KölnKomm. WpHG, § 21 Rz. 75.
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§ 21
Mitteilungspflichten des Meldepflichtigen
Zweitens: Eigene Aktien sind bei der Berechnung der Zahl der eigenen Stimmrechte 59 des Meldepflichtigen (Zähler) nicht zu berücksichtigen1. Dagegen sind die Stimmen aus eigenen Aktien der Gesamtzahl der Stimmen (Nenner) hinzuzuzählen2. Ausdrücklich geregelt ist dies heute in § 17 Abs. 1 Nr. 5 WpAIV (Text im Anhang S. 2212); denn zur Gesamtmenge der Stimmrechte gehören auch solche Stimmrechte, selbst „wenn die Ausübung der Stimmrechte ausgesetzt ist“. Verhindert wird auf diese Weise, dass ein Aktionär regelmäßig bei der Gesellschaft nachfragen muss, ob sie eigene Aktien hat; denn davon könnte es sonst abhängen, ob er meldepflichtig ist oder nicht. Bei einer mit dem Erwerb eigener Aktien verbundenen Kapitalherabsetzung haben die Inhaber von Stimmrechtsanteilen aber die Pflicht zu prüfen, ob eine Meldeschwelle berührt wurde (s. Rz. 38). Erreicht, überschreitet oder unterschreitet ein Inlandsemittent in Bezug auf eigene 60 Aktien entweder selbst oder über eine in eigenem Namen aber für Rechnung dieses Emittenten handelnde Person die Schwellen von 5 % oder 10 %, so gilt § 26 Abs. 1 Satz 1 WpHG mit den weiteren in § 26 Abs. 1 Satz 2 WpHG genannten Besonderheiten (s. dort). Besondere Probleme ergeben sich bei der Meldepflicht des Mutterunternehmens im Blick auf § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG, wenn die Gesellschaft, die eigene Aktien hält, Tochterunternehmen ist (s. dazu bei § 22 Rz. 30 ff.)3. gg) Ruhen der Stimmrechte (§ 28 WpHG) Sind die Stimmrechte aus Aktien einem vorübergehenden Stimmverlust unterworfen, etwa aufgrund von § 28 WpHG oder bei eigenen Aktien aufgrund von § 71 AktG, so sind die Stimmrechte gleichwohl vorhanden. Sie können nur nicht ausgeübt werden. Bei konkreter Betrachtungsweise besteht keine Meldepflicht; denn derzeit können die Stimmrechte nicht ausgeübt werden. Davon geht wohl § 26 Abs. 1 Satz 2 WpHG aus; denn eine besondere Veröffentlichungspflicht wäre nicht anzuordnen, wenn eigene Aktien ohnehin bei den gehaltenen Stimmrechtsaktien zu berücksichtigen wären. Die abstrakte Betrachtungsweise stellt demgegenüber darauf ab, dass Stimmrechte auch dann gehalten und meldepflichtig sind, wenn sie derzeit nicht ausübbar sind. Das bedeutet: Die Stimmrechte, für die derzeit ein Stimmverlust besteht, sind gleichwohl der Gesamtzahl der Stimmrechte hinzuzufügen. Sie sind auch bei der Zahl der gehaltenen meldepflichtigen Stimmrechte zu berücksichtigen4.
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hh) Satzungsmäßige Stimmrechtsbeschränkungen (Höchststimmrechte) Satzungsmäßige Stimmrechtsbeschränkungen (Höchststimmrechte)5 sind nach § 134 Abs. 1 Satz 2 AktG, eingefügt durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 27.4.1998 (BGBl. I 1998, 786 ff.), für börsennotierte
1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.3.2.; Busch, AG 2009, 425 (426). 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.3.2.; Begr. zu Art. 5 des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (BT-Drucks. 872/97); Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 21 WpHG Rz. 18; Krieger, in: MünchHdb. AG, § 68 Rz. 150; Widder/Kocher, AG 2007, 14; Schnabel/Korff, ZBB 2007, 180; a.A. Schwark, in: Schwark/ Zimmer, § 21 WpHG Rz. 9; Koppensteiner, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2004, Anh. § 22 Rz. 11. 3 Zum Stand der Diskussion: Busch, AG 2009, 425 m.w.N. 4 S. dazu auch für § 30 WpÜG: von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 29 Rz. 112 und § 30 Rz. 43. 5 S. näher Baums, AG 1990, 221; Uwe H. Schneider, AG 1990, 56; Zöllner/Noack, AG 1991, 177.
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§ 21
Mitteilungspflichten des Meldepflichtigen
Gesellschaften nicht (mehr) zulässig. Die Begründung1 für die Unzulässigkeit überzeugt ganz und gar nicht. Die Gestaltungsfreiheit der Aktionäre wird mit dem abwegigen Hinweis eingeschränkt, dies beeinträchtige den Kapitalmarkt, „weil Übernahmen behindert und damit Übernahmephantasie fehlt“! Ein heimliches Aufkaufen größerer Anteile wird entgegen der Begründung des Regierungsentwurfs wegen der Lückenhaftigkeit der §§ 21 ff. WpHG nicht verhindert. 63
Frei. ii) Stimmverbote
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Auch Stimmverbote, die sich auf einzelne Beschlussgegenstände beschränken (§ 136 AktG), bleiben bei der Berechnung der Gesamtmenge und des einzelnen Stimmrechtsanteils unberücksichtigt; denn sie lassen im Übrigen das Stimmrecht unberührt. d) Satzungsmäßige Schwellenwerte
64a Manche ausländischen Rechtsordnungen kennen neben den gesetzlichen auch satzungsmäßige Schwellenwerte2. 64b Bei den §§ 21 ff. WpHG handelt es sich um aufsichtsrechtliche Regelungen. Sie können durch die Satzung nicht ergänzt werden. Eine andere Frage ist es, ob aktienrechtlich für börsennotierte Gesellschaften zusätzliche Meldepflichten und Schwellenwerte eingeführt werden könnten. Die Frage ist nicht diskutiert. Entsprechende Satzungsregelungen dürften unzulässig sein. 4. Erreichen, Über- oder Unterschreiten 65
a) Das Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten der Schwellenwerte begründet erstens eine Meldepflicht desjenigen, der den Stimmrechtsanteil erwirbt oder veräußert (§ 21 WpHG). Der betroffene Emittent ist sodann zweitens verpflichtet, die entsprechende Mitteilung zu veröffentlichen (§ 26 Abs. 1 WpHG). Mitteilungspflichtig ist das Erreichen oder Überschreiten der Schwellenwerte. Die Voraussetzungen sind gegeben, wenn der Meldepflichtige entweder Aktien in entsprechendem Umfang erworben hat (s. Rz. 70 ff.) oder wenn dem Meldepflichtigen Stimmrechte in entsprechendem Umfang zugerechnet werden.
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Mitteilungspflichtig ist ferner das Unterschreiten der Schwellenwerte. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn der Meldepflichtige Aktien auf einen Dritten übertragen hat; denn damit verliert er auch seine Stimmrechte. Die Voraussetzungen können auch dadurch gegeben sein, dass dem Meldepflichtigen Stimmrechte nicht mehr in entsprechendem Umfang zugerechnet werden (§ 22 WpHG, s. dort).
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Wenn das Erreichen der Schwellenwerte mit ihrem Über- oder Unterschreiten zusammenfallen, bedarf es nicht zweier Mitteilungen, sondern nur der Mitteilung des
1 Abgedr. auch in ZIP 1997, 2064. 2 S. etwa für Frankreich Art. L 233 – 7 Abs. III Code de Commerce: „Les statuts de la société peuvent prévoir une obligation supplémentaire d’information portant sur la détention de fractions du capital ou des droits de vote inférieures à celle du vingtième mentionnée au I.L’obligation porte sur la détention de chacune de ces fractions, qui ne peuvent être inférieures à 0, 5% du capital ou des droits de vote.“
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Mitteilungspflichten des Meldepflichtigen
§ 21
Über- oder Unterschreitens der Schwellenwerte1. In diesem Falle ist mithin der Tatbestand des Erreichens der Schwellenwerte ausnahmsweise subsidiär. b) Nach Art. 9 Abs. 4 Eidgenössische Börsenverordnung – FINMA i.d.F. vom 25.10.2008 ist ein vorübergehendes Erreichen, Über- oder Unterschreiten eines Grenzwertes innerhalb eines Börsentages (Intraday) nicht meldepflichtig. Eine solche Regelung fehlt im deutschen Recht. Zu melden ist daher auch ein kurzfristiges Überoder Unterschreiten von Meldeschwellen, unabhängig davon, ob die Änderungen während eines Handelstages erfolgten.
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Die BaFin lässt eine tagweise Saldierung eines Über- oder Unterschreitens zu2. Unzu- 69 lässig sei es aber, Long- mit Short-Positionen gegenseitig aufzurechnen3. Richtig ist, dass bei mehrfachen Schwellenüberschreitungen das erstmalige und das letztmalige Über- oder Unterschreiten während eines Tages zu melden sind. 5. Erwerb, Veräußerung, sonstige Weise a) Kleine oder große Lösung? Streitig war bis zur Neufassung von § 25, ob eine Meldepflicht schon dann ausgelöst 70 wurde, wenn der Meldepflichtige einen schuldrechtlichen Anspruch auf Lieferung von Aktien, also etwa einen Kaufvertrag abgeschlossen hatte, dieser aber noch nicht erfüllt war („große Lösung“). Die entsprechende Frage stellte sich für den Erwerb von Wandelschuldverschreibungen, für Optionen, für den Anfall eines Vermächtnisses, aber auch für die Veräußerung, usw. Die Gegenansicht ging davon aus, dass die Meldepflicht erst entstand, wenn der Meldepflichtige Aktionär geworden war („kleine Lösung“)4. Sinn und Zweck der §§ 21 ff. WpHG sprechen für eine umfassende Transparenz. Sie 71 wird nur erreicht, wenn man auch den schuldrechtlichen Erwerb und die schuldrechtliche Veräußerung erfasst und offenlegt. Davon geht auch § 20 Abs. 2 AktG aus. Nach § 20 Abs. 2 AktG rechnen zu den Aktien, die dem Unternehmen gehören, auch Aktien, deren Übereignung das Unternehmen verlangen kann oder zu deren Abnahme das Unternehmen verpflichtet ist. § 20 AktG stellt damit Aktien, die einem Unternehmen gehören, solchen Aktien gleich, die bislang lediglich Gegenstand eines schuldrechtlichen Anspruchs auf Übereignung sind5. Es wäre wenig überzeugend, wenn für börsennotierte Unternehmen etwas anderes gelten sollte, und zwar weniger Transparenz bestünde, als für nicht börsennotierte Unternehmen.
1 So wohl auch Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, § 21 WpHG Rz. 37. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.3.5. 3 BaFin, Häufig gestellte Fragen zu den §§ 21 ff. WpHG, Stand: Februar 2008; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.8.3.5. 4 Anstelle anderer: Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 21 WpHG Rz. 12; Hirte, in: KölnKomm. WpHG, § 21 Rz. 106; Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, Anh. § 22, § 21 WpHG Rz. 25; Steuer/Baur, WM 1996, 1477; Becker, in: Bürgers/Körber, Anh. § 22/§ 21 WpHG Rz. 4; zum Stand der Diskussion s. auch 4. Aufl. des Kommentars § 21 Rz. 41 ff. 5 S. auch Art. 10 Verordnung der Eidgenössischen Bankenkommission über die Börsen und den Effektenhandel: „Die Meldepflicht entsteht mit der Begründung des Anspruchs auf Erwerb oder Veräußerung …“.
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Mitteilungspflichten des Meldepflichtigen
b) Rechtslage bis zum 5.1.2007 72
Für einen „Erwerb“ im Sinne der Erlangung der Mitgliedschaftsrechte sollte sprechen, dass das WpHG und das WpÜG den Begriff des „Erwerbs“ grundsätzlich im engeren Sinne, d.h. im Sinne der Erlangung des Eigentums an der Aktie, verwendeten1. Eine solche einheitliche Begriffsbildung gibt es aber jedenfalls im WpHG nicht. So ist beim Insiderhandelsverbot nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 WpHG nicht nur das Verbot des Erwerbs der dinglichen Rechtsstellung, sondern auch der Erwerb eines Anspruchs auf Übertragung der Aktie erfasst2. Allein aus dem Begriff „Erwerb“ lässt sich daher nicht entnehmen, ob bereits der Abschluss des Kaufvertrags oder der Erwerb von Wandelschuldverschreibungen meldepflichtig sind. c) Heutige Rechtslage
73
Die Lösung für das geltende Recht ergibt sich nach Einführung des § 25 WpHG durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz – in Kraft seit 5.1.2007 – und die Erweiterung der Meldepflicht nach § 25 WpHG für „sonstige Instrumente“ sowie die Einführung des § 25a WpHG durch das Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz aus dem systematischen Zusammenhang. Die Meldepflichten nach §§ 21ff., § 25 und § 25a WpHG stehen nebeneinander. Sie haben unterschiedliche Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen (s. oben Rz. 7). Die durch die enge Fassung des § 25 WpHG aufgrund des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes gelassene Lücke, nämlich die Beschränkung der Meldepflicht auf den schuldrechtlichen Erwerb von Finanzinstrumenten im Sinne des § 2 Abs. 2b WpHG ist geschlossen. Aus der Einführung und Ergänzung des § 25 WpHG und § 25a WpHG folgt, dass nunmehr die Meldepflichtigen beim Erwerb schuldrechtlicher Ansprüche in § 25 WpHG geregelt werden sollen. Würde schon § 21 WpHG entsprechende schuldrechtliche Ansprüche erfassen, so hätte § 25 WpHG keine Bedeutung mehr. Daraus folgt, dass nach geltendem Recht ein „Erwerb“ im Sinne von § 21 WpHG nur vorliegt, wenn der Meldepflichtige Eigentümer der Aktie und damit Inhaber des Mitgliedschaftsrechts geworden ist.
74
Das Entsprechende gilt für die Veräußerung. Nicht ausreichend ist lediglich die Begründung schuldrechtlicher Ansprüche. Entscheidend ist vielmehr für die Meldepflicht nach §§ 21 ff. WpHG, dass der Meldepflichtige sein Eigentum an den Aktien auf einen Dritten übertragen hat.
75
Der Schwellenwert kann auch „auf sonstige Weise“ erreicht, überschritten oder unterschritten werden. Gemeint ist damit das Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten nicht aufgrund eines Rechtsgeschäfts, sondern etwa aufgrund einer Erbschaft oder als Folge einer Erhöhung oder Herabsetzung oder Umstrukturierung des Grundkapitals3. Meldepflichtig kann ferner der Beteiligungserwerb im Rahmen einer Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung nach dem UmwG sein, wenn der Rechtsnachfolger einen Schwellenwert erreicht, über- oder unterschreitet4. Mit-
1 Begr. RegE, BT-Drucks 14/7034, S. 53 f. 2 A.A. Schäfer, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 14 WpHG Rz. 12; Casper, WM 1999, 363 (364); wie hier aber Assmann, oben bei § 14 Rz. 13. 3 S. auch Art. 14 Eidgenössische Börsenverordnung – FINMA i.d.F. vom 25.10.2008; Nodoushani, WM 2008, 1671 (1675). 4 Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 22 WpHG Rz. 35; Hirte, in: KölnKomm. WpHG, § 21 Rz. 110 f.; Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, § 21 WpHG Rz. 46; Heppe, WM 2002, 60; Widder, NZG 2010, 455.
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Mitteilungspflichten des Meldepflichtigen
teilungspflichten des Vorgängers erlöschen, wenn dieser untergeht. Sie gehen nicht auf den Rechtsnachfolger über. 6. Umschichtung Schichtet der Meldepflichtige um, etwa in der Weise, dass er seine Aktien auf eine 76 Tochtergesellschaft überträgt, so ist er zunächst aufgrund der Stimmrechte aus direkt gehaltenen Aktien und sodann aufgrund zugerechneter Stimmrechte meldepflichtig. Einfache Umschichtungen, wie etwa der Wechsel vom unmittelbaren Halten zur Zurechnung eines Stimmrechtsanteils, begründen jedoch keine Meldepflicht. Das gilt auch beim Formwechsel des Mitteilungspflichtigen. Sie sind meldeneutral1. Anders ist dies bei Umschichtungen, die im Zusammenhang mit einem Zuerwerb erfolgen, wenn hierdurch eine Meldeschwelle berührt wird. Ist dies nicht der Fall, so könnte gleichwohl für eine Meldepflicht sprechen, dass nach § 17 Abs. 2 WpAIV auch die zuzurechnenden Stimmrechte in den Mitteilungen nach § 21 Abs. 1 und Abs. 1a WpHG anzugeben sind, und zwar für jede der Nummern in § 22 Abs. 1 WpHG und für § 22 Abs. 2 Satz 1 WpHG getrennt. Durch die Umschichtung ändert sich der Sachverhalt, der nach § 17 Abs. 2 WpAIV zu einer gegliederten Information führt. Auf entsprechende Angaben können sich Marktteilnehmer aber ebenso wenig verlassen wie auf Angaben über die Höhe des Stimmrechtsanteils; denn auch dieser kann sich nach der Meldung verändert haben, ohne dass es einer Richtigstellung bedarf. Entscheidend dafür, dass Umschichtungen keine neuerliche Meldepflicht auslösen, ist indessen, dass durch die Umschichtung keine Meldeschwelle berührt wird. Eine Meldepflicht entsteht aber bei einer qualifizierten Umschichtung, nämlich beim Zusammentreffen einer Meldepflicht nach § 21 WpHG und einer Meldepflicht nach § 25 oder § 25a WpHG; denn es handelt sich dabei um unterschiedliche Meldetatbestände, die getrennt nebeneinander stehen und die unterschiedliche Rechtsfolgen bei einer Pflichtverletzung haben. Beispiel: Wer einen Kaufvertrag über Aktien abschließt, ist beim Überschreiten einer Meldeschwelle als Käufer nach § 25 WpHG meldepflichtig. Wird nach drei Wochen erfüllt, so muss der Käufer nach § 21 WpHG melden, weil er Stimmrechte aus Aktien direkt hält. Er muss ferner mitteilen, dass er im Blick auf das Finanzinstrumt eine Meldeschwelle unterschreitet. Im konkreten Fall sind daher drei Meldungen erforderlich. Eine Besonderheit gilt bei engem zeitlichen Zusammenhang zwischen dem schuldrechtlichen und dem Verfügungsgeschäft. Beispiel: Kauft der Meldepflichtige und erfolgt die Einbuchung ins Depot zwei Tage später, so ist nur eine Meldung nach § 21 WpHG erforderlich. Eine Meldepflicht nach § 25 WpHG entfällt. Das folgt aus einer systematischen Gesamtschau von § 21 WpHG und § 25 WpHG. 7. Änderung des Namens oder der Firma des Mitteilungspflichtigen Die Änderung des Namens des Aktionärs, etwa durch Eheschließung, oder die Änderung der Firma des Meldepflichtigen stellen keine Veränderung des Stimmrechtsanteils dar und zwar auch nicht „auf sonstige Weise“2; denn die Identität des Aktio1 Str. wie hier BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.3.1 sowie VIII.2.5; Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, § 21 WpHG Rz. 41; Cahn, AG 1997, 502 (503); Krieger, in: MünchHdb. AG, § 68 Rz. 149; Schnabel/Korff, ZBB 2007, 181; a.A. Koppensteiner, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2004, Anh. § 22, §§ 21 ff. WpHG Rz. 22; unklar: Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 99. 2 OLG Düsseldorf v. 10.9.2008 – 6 W 30/08, NZG 2009, 260 (261) = AG 2009, 40; LG Krefeld v. 20.8.2008 – 11 O 14/08, NZG 2009, 264 = AG 2008, 754; Segna, AG 2008, 311 (312); Bed-
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Mitteilungspflichten des Meldepflichtigen
närs bleibt gewahrt. Es liegt auch kein Berühren „in sonstiger Weise“ vor. Letzteres meint die Begründung oder den Wegfall von Zurechnungen. Auch eine analoge Anwendung von § 21 WpHG – die Zulässigkeit unterstellt – ist nicht zu begründen, mag auch eine Richtigstellung der Veröffentlichung wünschenswert sein. Auch der Formwechsel sollte nicht zu neuen Meldepflichten führen1. Die umwandlungsrechtliche Identität des Meldepflichtigen bleibt erhalten. 8. Emittent (§ 21 Abs. 2 WpHG) 78
Eine Mitteilungspflicht nach § 21 WpHG bestand früher nur bei Erreichen, Überoder Unterschreiten der Schwellenwerte an einer „börsennotierten Gesellschaft“. Von der Meldepflicht ausgenommen waren Gesellschaften, die zwar im Inland börsennotiert waren und die damit den inländischen Kapitalmarkt in Anspruch nahmen, die aber im Inland nicht ihren Sitz hatten. Durch das TransparenzrichtlinieUmsetzungsgesetz wurde der Anwendungsbereich auf die Emittenten, für die die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, erweitert. Definiert ist der Emittent, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, in § 2 Abs. 6 WpHG i.V.m. § 21 Abs. 2 WpHG. Eingefangen werden zwei Fallgruppen2. Aufgegriffen wird der Gedanke, dass mitteilungspflichtig sein soll, wer den inländischen oder europäischen Kapitalmarkt in Anspruch nimmt. a) Gesellschaften mit Sitz in Deutschland
79
Emittenten, für die die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, sind erstens Emittenten von Aktien, wenn diese ihren Sitz in Deutschland haben und ihre Aktien an einem organisierten Markt in Deutschland, in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder einem EWR-Vertragsstaat zugelassen sind (§ 2 Abs. 6 Nr. 2 und 3 WpHG).
80
Der Emittent kann die Rechtsform der deutschen AG, einer ausländischen AG oder einer SE, also einer Europäischen Gesellschaft, haben. Auf die Frage, ob die Sitz- oder Gründungstheorie anwendbar ist, kommt es nicht an. Entscheidend ist der Sitz der Gesellschaft. In der Bundesrepublik Deutschland können auch Aktiengesellschaften ausländischen Rechts durch Gründung oder Sitzverlegung ihren Sitz haben.
81
Definiert wird der organisierte Markt in § 2 Abs. 5 WpHG. Das ist ein Markt, der von staatlich anerkannten Stellen geregelt und überwacht wird, regelmäßig stattfindet und für das Publikum unmittelbar oder mittelbar zugänglich ist (s. dazu bei § 2 WpHG).
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Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR-Staaten) im Sinne dieser Vorschrift sind die Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum.
kowski/Widder, BB 2008, 245; Kirschner, DB 2008, 623; Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 21 WpHG Rz. 23; Klein/Theusinger, NZG 2009, 250; a.A. LG Köln v. 5.10.2007 – 82 O 114/06, AG 2008, 338; Heppe, WM 2002, 60 (70). 1 Wie hier Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 21 WpHG Rz. 22; a.A. Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 22 WpHG Rz. 35. 2 S. auch BaFin, Hinweise zu den Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten gem. §§ 21 ff. WpHG i.d.F. vom 6.2.2007.
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Mitteilungspflichten des Meldepflichtigen
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Die Börsenzulassung kann alternativ oder kumulativ sein. Mitteilungspflichtig ist 83 daher auch ein entsprechender Stimmrechtsanteil an einer Gesellschaft mit Sitz in Deutschland, wenn ihre Aktien nur an einem organisierten Markt in Deutschland oder einem anderen Mitgliedsstaat der EU oder wenn ihre Aktien sowohl an einem organisierten Markt in der Bundesrepublik Deutschland und in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union zugelassen sind. Nicht anwendbar sind die Normen dieses Abschnitts, wenn die Gesellschaft ihren 84 Sitz im Inland hat und ihre Aktien an einem organisierten Markt in einem Drittstaat zum Handel zugelassen sind. Das zeigt, dass die Vorschriften nicht von einem globalisierten Kapitalmarkt ausgehen und Drittmärkte nicht im Schutzbereich der Norm liegen. b) Gesellschaften mit Sitz in einem Drittstaat Emittenten, für die die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, sind 85 zweitens Emittenten, die ihren Sitz in einem Drittstaat haben und deren Aktien an einem organisierten Markt in Deutschland, einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder einem EWR-Vertragsstaat zugelassen sind und das jährliche Dokument nach § 10 WpPG bei der BaFin zu hinterlegen haben (§ 2 Abs. 6 Nr. 2 und 3 WpHG)1. Auch in diesem Zusammenhang kann es sich um eine Aktiengesellschaft deutschen, 86 ausländischen oder europäischen Rechts handeln. Ob sich die Zulassung nur auf eine bestimmte Aktiengattung beschränkt, ist unerheblich. Mitteilungspflichten bestehen daher auch, wenn nur die Vorzugsaktien einer Gesellschaft zum Handel an einem organisierten Markt i.S. von § 21 Abs. 2 WpHG zugelassen sind2. Im Ergebnis bedeutet dies freilich, dass die Überquerung der Meldeschwellen mit Stimmrechten aus Stammaktien, obwohl diese nicht zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, zur Meldepflicht führen.
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Vor der Einfügung des § 21 Abs. 1a WpHG durch das Dritte Finanzmarktförderungs- 88 gesetz war fraglich, ob und zu welchem Zeitpunkt eine Mitteilung zu erfolgen hat, wenn eine Gesellschaft, an der eine mitteilungspflichtige Beteiligung besteht3, erstmals börsennotiert wird. Das Gesetz regelte diesen Fall nicht ausdrücklich. Vielmehr fehlte es bei diesem Sachverhalt an dem Tatbestandsmerkmal des Erwerbs bzw. der Veräußerung, da kein Eigentumswechsel stattfindet. Und auch auf sonstige Weise wurden keine Schwellenwerte erreicht, über- oder unterschritten; denn es findet keine „Veränderung des Stimmrechtsanteils“ (so die Überschrift des Abschnitts 4), sondern nur des Kurszettels statt. Gleichwohl konnte es zwar nach Sinn und Zweck des Gesetzes keinem Zweifel unterliegen, dass das Halten einer Beteiligung in entsprechender Höhe Mitteilungspflichten auslöst, wenn die Gesellschaft erstmals zum amtlichen Handel zugelassen wird4. Die Bußgeldvorschriften, nämlich § 41 WpHG a.F., verlangten aber eine ausdrückliche Regelung5. Die Vorschrift stelle eine Parallele zu § 41 Abs. 2 WpHG a.F. dar, die im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des 1 Göres, Der Konzern 2007, 17; Zickler/von Falkenhausen, BB 2010, 1994. 2 Ebenso Nottmeier/Schäfer, AG 1997, 91; Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, § 21 WpHG Rz. 25. 3 Vgl. § 9 BörsZulVO. 4 Ebenso im Ergebnis zum früheren Recht: Nottmeier/Schäfer, AG 1997, 88. 5 Cahn, AG 1997, 504.
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§ 21
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WpHG eine erstmalige Bestandsaufnahme über die bestehenden Stimmrechtsverhältnisse ermöglichte. 89
§ 21 Abs. 1a WpHG begründet diese Verpflichtung und bestimmt den Zeitpunkt der erstmaligen Zulassung der Aktien (§ 32 BörsG) für das Entstehen der Meldepflicht. Maßgebend ist die Entscheidung der Zulassungsstelle, also der Zulassungsbeschluss und nicht die Notierung1. Meldepflichtig ist, wem zu diesem Zeitpunkt 3 % oder mehr der Stimmrechte an der Gesellschaft zustehen oder zugerechnet werden. c) Mehrfache Börsennotierung
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Ist eine Gesellschaft, deren Herkunftsstaat die Bundesrepublik Deutschland ist, an mehreren deutschen Börsen notiert, so besteht nur einmal die Mitteilungspflicht. Sind die Aktien einer Gesellschaft zugleich an einem organisierten Markt im Inland und an einem organisierten Markt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem EWR-Vertragstaat zum Handel zugelassen, so besteht die Meldepflicht in Deutschland, wenn die Gesellschaft hier ihren Sitz hat. d) Meldepflichten bei REIT
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Auch REIT-Gesellschaften fallen in den Anwendungsbereich der §§ 21 ff. WpHG2. Allerdings sind weitere Schwellenwerte bei 80 % und 85 % vorgesehen (§ 11 Abs. 5 REITG). Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass kein Aktionär 10 % oder mehr an REIT-Aktien halten und eine Mindeststreubesitzquote von 15 % nicht unterschritten werden darf. Das Unterschreiten dieser Quote hat nur steuerliche Folgen. Aktionäre sollen rechtzeitig vor dem Verlust der Steuerbefreiung informiert werden, damit sie in Anwendung von § 18 Abs. 3 REITG die Gesellschaft verlassen können. Die Streubesitzquote ist jährlich zum 31. Dezember der BaFin mitzuteilen. 9. Kein Abzug bei Zurechnung a) Das Problem
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Werden die Stimmrechte nach § 22 WpHG einem Dritten zugerechnet, so stellt sich die Frage, ob in diesem Fall die Stimmrechte bei dem Aktionär hinweggerechnet werden, also unberücksichtigt bleiben. Exemplarisch formuliert: Ist eine Tochtergesellschaft meldepflichtig, obgleich ihre Stimmrechte insgesamt nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG dem Mutterunternehmen zugerechnet werden? b) Grundsatz der doppelten Meldepflicht
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aa) In der Lehre ist die Frage streitig3. Teilweise wird die Ansicht vertreten, doppelte Mitteilungen würden nur verwirren. So frage man sich etwa, wem es nütze, wenn bekannt sei, wer als Treuhänder auftrete4.
1 BaFin, Hinweise zu den Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten gem. §§ 21 ff. WpHG i.d.F. vom 6.2.2007, S. 1. 2 Voigt, in: Seibt/Conradi (Hrsg.), Handbuch REIT-Aktiengesellschaft, 2008, S. 154; Jahresbericht der BaFin 2007, S. 188. 3 Im Blick auf § 20 AktG dagegen: Vonnemann, AG 1991, 352; dafür die h.M. statt vieler: Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, § 6 Rz. 16 ff. m.w.N. 4 Siebel, in: FS Heinsius, 1991, S. 802 („absurd“).
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bb) Der Wortlaut von § 22 Abs. 1 WpHG spricht dafür, dass nicht hinweggerechnet wird. Das Gesetz handelt nur davon, dass Stimmrechte aus Aktien, die Dritten gehören, Stimmrechten aus Aktien, die dem Meldepflichtigen gehören, „gleichstehen“.
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In der Begr. des RegE heißt es allerdings nur zu § 22 Abs. 1 Nr. 3 WpHG a.F. ausdrücklich: „Die Stimmrechte werden wechselseitig zugerechnet.“
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Diese Rechtsfolge ist nicht ganz unproblematisch1, weil die gemeldeten Stimmrechte, also die Summe aller Teilmengen, weit größer sein kann als die Gesamtmenge der Stimmrechte. Jedoch geht von der Möglichkeit mehrfacher Meldungen hinsichtlich derselben Stimmrechtsanteile offenkundig § 24 WpHG für den Fall der Zurechnung im Konzern aus. Meldepflichtig kann ein kontrolliertes Unternehmen auch dann sein, wenn die Stimmrechte dem Mutterunternehmen insgesamt zugerechnet werden. Nicht anders ist die Interessenlage bei § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpHG; denn es ist ganz offen, ob der Meldepflichtige erwirbt oder nicht. Es wäre daher wenig überzeugend, wenn bei § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpHG die Meldepflicht bei dem bisherigen Aktionär entfiele.
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Dies spricht dafür, dass § 22 WpHG von dem Grundsatz der doppelten Meldepflicht 97 ausgeht. Das führt freilich dazu, dass mehrere Personen hinsichtlich derselben Stimmrechtsanteile meldepflichtig sein können, nämlich die eine Person, weil sie Aktionär ist, und die andere, weil ihr Stimmrechte zugerechnet werden2. Dem Meldepflichtigen brauchen keine Aktien selbst zu gehören. In der Meldung ist dies getrennt aufzuführen, Splitteranteile oder, allgemein formuliert, Anteile unter 3 % sind anzugeben3. 10. Zertifikate, die Aktien vertreten (§ 21 Abs. 1 Satz 2 WpHG) Zertifikate, die Aktien vertreten, sind vor allem in der Form der American Depositary Receipts von praktischer Bedeutung4. Eröffnet wird damit deutschen Gesellschaften der Zugang zum amerikanischen Kapitalmarkt. Nicht der amerikanische Investor, sondern eine Depositary Bank wird Aktionär. Der Depositary Bank stehen daher alle Rechte aus der Aktie zu. Das gilt auch für das Stimmrecht. Der Investor wird nur ADR-Holder. Er wird Inhaber eines Zertifikats, das Aktien vertritt. Die genannten Zertifikate sind Schuldverschreibungen5, die die Rechte aus dem Deposit Agree-
1 S. dazu auch die Überlegungen in Großbritannien, in: Department of Trade and Industry, Proposels for Reform of Part VI of the Companies Act 1985, April 1995, S. 19: „This ‚double counting‘ can exaggerate the interests being disclosed and cause confusion.“ 2 Ebenso Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, Anh. § 22, § 22 WpHG Rz. 4; Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 21 WpHG Rz. 36; Koppensteiner, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2004, Anh. § 22, §§ 21 ff. WpHG Rz. 24; Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, § 21 WpHG Rz. 6; Hildner, Kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz verbundener Unternehmen, 2002, S. 100; Burgard, BB 1995, 2069 (2072); Uwe H. Schneider, in: FS Brandner, 1996, S. 565, 575; sowie für § 92 österr. BörseG: Kalss, ÖBA 1993, 615 (618). 3 A.A. Jäger, WM 1996, 1358; wie hier aber: Nottmeier/Schäfer, AG 1997, 91; s. Rz. 125. 4 S. dazu Röhler, American Depositary Shares, 1997; Weber, Sponsored American Depositary Shares: Umfang und Grenzen der Gleichstellung mit Aktien, 2011; von Dryander, in: von Rosen/Seifert, Zugang zum US-Kapitalmarkt für deutsche Aktiengesellschaften, 1998, S. 81; Preissler, WM 2001, 113; Wieneke, AG 2001, 507. 5 Birnbaum/Philipp, in: Bankrechtstag 2007, 2008, S. 77 (Schriftenreihe der Bankrechtlichen Vereinigung, Bd. 28).
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ment verbriefen. Das ermöglicht dem ADR-Holder als Bevollmächtigter die Mitverwaltungsrechte, die der Depositary Bank als Aktionär zustehen, wahrzunehmen1. 99
Vor der Änderung des § 21 Abs. 1 WpHG durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz war streitig, ob meldepflichtig die Depotbank oder der Inhaber des Zertifikats war2. Die Verwaltungspraxis vertrat entgegen dem klaren Wortlaut der Vorschrift die Ansicht, dass nur der Inhaber der Zertifikate nach § 21 WpHG meldepflichtig sei3. Verwiesen wurde auf Art. 85 Abs. 2 der Richtlinie 2001/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.5.2001 über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen4.
100 Nun ist die Frage ausdrücklich im Sinne der bisherigen Verwaltungspraxis entschieden5. Meldepflichtig ist nur der Inhaber der Zertifikate, nicht aber die Depotbank. Der Inhaber des Zertifikats wird im Wege der Fiktion als Träger der Stimmrechte angesehen. Hat der Inhaber der Zertifikate zusätzlich Aktien, so werden die Stimmen zusammengezählt. Werden die Zertifikate einem Treuhänder übertragen, zur Sicherheit übereignet oder stimmen die Inhaber der Zertifikate ihr Verhalten ab, so findet § 22 WpHG Anwendung. Das gilt auch für ein acting in concert der Inhaber von Zertifikaten. Die Depotbank ist nicht meldepflichtig, wenn sie die Zertifikate ausgegeben hat. Liegen die Zertifikate aber noch bei ihr im Depot oder beim Vertriebsvermittler, so ist sie meldepflichtig. 101 Nicht meldepflichtig ist der Umtausch von ADRs in Aktien; denn es findet kein Wechsel in der wirtschaftlichen Berechtigung statt.
IV. Erwerb vor Zulassung (§ 21 Abs. 1a WpHG) 102 § 21 Abs. 1a WpHG wurde durch das 3. Finanzmarktförderungsgesetz eingefügt und in der Folge durch Gesetz vom 20.12.20016 geändert. Die Vorschrift dient lediglich der Klarstellung; denn § 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG knüpft die Meldepflicht an Stimmrechte an, die an einer Gesellschaft bestehen, die bei Überschreitung der Meldeschwelle bereits börsennotiert war. § 21 Abs. 1a WpHG stellt klar, „dass eine Meldepflicht auch dann entsteht, wenn einer der Gesellschafter zu dem Zeitpunkt, zu dem Aktien der Gesellschaft erstmals zum amtlichen Handel zugelassen werden, bereits über 5% oder mehr der Stimmrechte an der Gesellschaft verfügt“7. Inzwischen wurde die Meldeschwelle auf 3% gesenkt. Die Frist zur Abgabe einer Meldung beginnt nicht mit der Kenntniserlangung vom Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten der Schwellen, sondern zum Zeitpunkt der erstmaligen Zulassung der Aktien zum Handel an einem organisierten Markt. 103–109 Frei.
1 2 3 4 5
Wieneke, AG 2001, 506 (508, 511). S. dazu 4. Aufl. des Kommentars § 22 Rz. 54. BaFin, Jahresbericht 2004, S. 200. ABl. EG Nr. L 184 v. 6.7.2001, S. 1. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.3.8. Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, § 21 WpHG Rz. 31. 6 BGBl. I 2001, 3822. 7 Begr. RegE, 3. Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drucks. 13/8933; s. auch Burgard, in: FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 177, 181.
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V. Rechtsfolgen Aus § 21 WpHG ergeben sich zweierlei Rechtsfolgen. Zum einen begründet § 21 WpHG Mitteilungspflichten. Kenntnis des Emittenten und der Bundesanstalt (BaFin) entbinden nicht1. Zum anderen ergeben sich zur Sicherstellung der Mitteilungspflichten besondere Organisationspflichten. Dabei unterscheiden die §§ 21 ff. WpHG nicht, wie etwa das amerikanische Kapitalmarktrecht, zwischen „Regelmitteilungen“ und „vereinfachten Mitteilungen“, wenn der Meldepflichtige nicht das Ziel verfolgt, die Kontrolle über die Gesellschaft zu erwerben oder zu ändern2.
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1. Mitteilungspflichten a) Adressat der Mitteilung Adressat der Mitteilung ist erstens der Emittent, an dem die Stimmrechte bestehen, und zweitens die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Bereich Wertpapieraufsicht/Asset Management, Marie-Curie-Straße 24–28, 60439 Frankfurt/Main oder Postfach 50 01 54, 60391 Frankfurt/Main oder per Fax 0228–4108–3119 (Stand 1.9.2011). An beide ist eine gesonderte Mitteilung mit dem nachstehenden Inhalt und in der nachstehenden Form und Frist zu richten. Bei der Meldung an die Bundesanstalt (BaFin) kann der Emittent als Vertreterin oder als Botin mitwirken3.
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Die Mitteilung an den Emittenten kann auch in der Hauptversammlung erfolgen4 bzw. nachgeholt werden. Der Aufsichtsratsvorsitzende kann – muss aber nicht – die Hauptversammlung unterbrechen, um auch die Mitteilung an die BaFin zu ermöglichen (s. § 28 Rz. 13). Hat der Aufsichtsratsvorsitzende Zweifel, ob die Voraussetzungen einer Meldepflicht bestehen, hat er den Sachverhalt aufzuklären; und der betreffende Aktionär hat den Aufsichtsratsvorsitzenden bei der Klärung zu unterstützen. b) Inhalt der Mitteilung aa) Die genaue Beachtung der gesetzlichen Vorschriften über den Inhalt der Mittei- 112 lung ist geboten, weil auch eine falsche Mitteilung die höchst unerfreulichen Rechtsfolgen, insbesondere den Verlust der Rechte aus den Aktien, auslösen kann (s. bei § 28). Für die Praxis sollte daraus der Schluss gezogen werden: „Besser zu viel als zu wenig.“ bb) Der Inhalt der Mitteilung muss wahr sein. Falschmitteilungen, etwa das sich Berühmen, man habe eine Beteiligung und hierdurch den Schwellenwert erreicht, überoder unterschritten, sind unzulässig5. Falschmitteilungen können sogar betrügerischen Charakter haben, wenn sie der Kursmanipulation dienen.
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Die Mitteilung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 1a WpHG muss nach § 17 Abs. 1 und 2 WpAIV (Text im Anhang S. 2212) enthalten:
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1 S. auch BGH v. 22.4.1991 – II ZR 231/90, BGHZ 114, 203 = AG 1991, 270 für § 20 AktG; zustimmend von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 21 Rz. 138. 2 Sec. 13d Securities Exchange Act 1934, Schedule 13; Coffee, Cardozo Law Rev. 15 (1994), 837 (876). 3 Nottmeier/Schäfer, AG 1997, 92; von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 21 Rz. 137; a.A. Bayer, in: MünchKomm. 3. Aufl. 2008, Anh. § 22, § 21 WpHG Rz. 29. 4 Happ, in: FS Karsten Schmidt, 2009, S. 545; Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider, ZIP 2006, 493 (496). 5 A.A. Claussen, AG 1996, 288.
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1. die deutlich hervorgehobene Überschrift „Stimmrechtsmitteilung“, 2. den Namen und die Anschrift des Mitteilungspflichtigen, 3. den Namen und die Anschrift des Emittenten, 4. die Schwelle, die berührt wurde, sowie die Angabe, ob die Schwelle überschritten, unterschritten oder erreicht wurde, 5. die Höhe des nunmehr gehaltenen Stimmrechtsanteils in Bezug auf die Gesamtmenge der Stimmrechte des Emittenten, auch wenn die Ausübung dieser Stimmrechte ausgesetzt ist, und in Bezug auf alle mit Stimmrechten versehenen Aktien ein und derselben Gattung, 6. das Datum des Überschreitens, Unterschreitens oder Erreichens der Schwelle und 7. die Angabe, ob und wie viele Stimmrechte durch Ausübung des durch Finanzinstrumente nach § 25 Abs. 1 Satz 1 WpHG verbliebenen Rechts, Aktien eines Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, zu erwerben, erlangt wurden. 115 Zusätzlich hat im Fall der Zurechnung von Stimmrechten nach § 22 Abs. 1 und 2 WpHG die Mitteilung nach § 21 Abs. 1 WpHG zu enthalten: 1. den Namen des Dritten, aus dessen Aktien dem Mitteilungspflichtigen Stimmrechte zugerechnet werden, wenn dessen zugerechneter Stimmrechtsanteil jeweils 3 % oder mehr beträgt, 2. gegebenenfalls die Namen der kontrollierten Unternehmen, über die die Stimmrechte tatsächlich gehalten werden, wenn deren zugerechneter Stimmrechtsanteil jeweils 3 % oder mehr beträgt. 116 Das bedeutet, dass eine Kette von natürlichen oder juristischen Personen, die an der börsennotierten Gesellschaft beteiligt ist, offengelegt werden muss. Die zuzurechnenden Stimmrechte sind in den Mitteilungen nach § 21 Abs. 1 und Abs. 1a WpHG für jede der Nummern in § 22 Abs. 1 WpHG und für § 22 Abs. 2 Satz 1 WpHG getrennt anzugeben. § 17 Abs. 1 und 2 WpAIV folgt damit Art. 12 der EU-Transparenzrichtlinie II. Die Verwaltungspraxis vertritt die Ansicht, die Namen der kontrollierten Unternehmen seien nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 WpAIV nur in den Fällen anzugeben, in denen der Zurechnungstatbestand des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG erfüllt sei. Beim Vorliegen anderer Zurechnungstatbestände sei lediglich nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 WpAIV der Name des Aktionärs anzugeben, wenn dieser 3 % oder mehr hält1. 117 cc) Anzugeben ist bei Privataktionären der Name, bei Kaufleuten und Handelsgesellschaften die Firma, § 17 HGB. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts hat keine Firma, deren Angabe bei der OHG oder KG ausreicht. Sie kann aber einen Namen führen, soweit dieser nicht eine Firma vortäuscht. Eine Meldung unter Verwendung dieses Namens reicht jedoch mangels Publizität nicht aus. Anzugeben sind vielmehr die Namen der Gesellschafter. Anzugeben sind ferner der Wohnort bzw. bei Kaufleuten der Ort der Hauptniederlassung sowie Straße und Hausnummer. Bei Gesellschaften bürgerlichen Rechts ist entweder die Anschrift aller Gesellschafter oder die Adresse des Geschäftslokals anzugeben, von dem aus die Gesellschaft tätig wird.
1 BaFin, Häufig gestellt Fragen zu den §§ 21 ff. WpHG, Stand: Februar 2008.
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dd) Anzugeben ist, welcher Schwellenwert erreicht, über- oder unterschritten wur- 118 de1. Ist der Schwellenwert erreicht und mit zeitlichem Abstand überschritten, so bedarf es zwei Meldungen. ee) Nach § 21 WpHG i.V.m. § 17 Abs. 1 Nr. 6 WpAIV ist auch der Tag des Erreichens, 119 Überschreitens oder Unterschreitens der Schwelle anzugeben. Sowohl für den Erwerb und die Veräußerung als auch für die Zurechnungstatbestände ist dabei darauf abzustellen, zu welchem Zeitpunkt die maßgeblichen Umstände – z.B. Erwerb der Aktien, die die Stimmrechte gewähren, oder die Schwellenunterschreitung – eingetreten sind. Nicht maßgebend ist der Tag der Meldung2. Nicht nur für die Tätigkeit der Bundesanstalt (BaFin) ist die Kenntnis dieses Zeit- 120 punkts unerlässlich; denn ihr obliegt u.a. die Aufgabe zu überprüfen, ob der Meldepflichtige seiner Meldepflicht unverzüglich, spätestens innerhalb von vier Handelstagen, nachgekommen ist. Vermieden werden sollen unvollständige Meldungen und daraus resultierender überflüssiger Verwaltungsaufwand. Auch für den Kapitalmarkt und vor allem für die Gesellschaft sind entsprechende Angaben von Wert. Die Gesellschaft kann auf diese Weise feststellen, ob der Aktionär zuvor zeitweise nach § 28 WpHG seine Rechte verloren hatte. ff) Anders als nach § 20 AktG genügt die Mitteilung, der Meldepflichtige habe nun 121 mehr als x % der Stimmrechte, nicht. Zweifelhaft ist jedoch, was unter Angabe des Stimmrechtsanteils zu verstehen ist, nämlich der prozentuale Anteil an Stimmrechten3 oder die Zahl der Stimmrechte. Teilweise wird die Ansicht4 vertreten, die Angabe des prozentualen Anteils, und zwar einschließlich zwei Stellen hinter dem Komma, kaufmännisch gerundet, genüge. Gegen die zuerst genannte Ansicht spricht, dass eine genaue Angabe des Stimmrechtsanteils u.U. in Prozentzahlen nicht möglich ist, weil der Bruch nicht aufgelöst werden kann; oder jedenfalls müssten viele Zahlen hinter dem Komma angegeben werden. Die Angabe nur bis zur ersten5 oder zweiten Stelle hinter dem Komma ohne Angabe der Zahl der Stimmrechte genügt nicht. Eine solche Beschränkung widerspräche der gesetzlichen Regelung. Für die letztere Ansicht könnte demgegenüber § 22 Abs. 2 WpHG sprechen. Danach sind die zuzurechnenden Stimmrechte anzugeben. Gegen die bloße Angabe der Stimmrechte spricht jedoch, dass damit nicht transparent wird, wie hoch der prozentuale Stimmrechtsanteil ist. Eine genaue und zugleich transparente Angabe verlangt daher sowohl die Angabe des prozentualen Stimmrechtsanteils als auch die Angabe der Zahl der Stimmrechte6. Dies kann auch in einer Mischform geschehen, etwa durch die Angabe, dass dem Meldepflichtigen 25 % der Stimmrechte sowie weitere 10 Stimmrechte zustehen. 1 Missverständlich Nottmeier/Schäfer, AG 1997, 92: Anzugeben ist der Schwellenwert, „der dem bisherigen Stimmrechtsanteil am nächsten liegt“. 2 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.3.6. 3 So wohl die gängige Praxis der BaFin; Nottmeier/Schäfer, AG 1997, 92: in der Regel ausreichend, es sei denn, prozentuale Angabe ist irreführend. 4 LG München v. 14.8.2003 – 5 HK O 13413/03, ZIP 2004, 167 (168). 5 So aber Falkenhagen, WM 1995, 1005 Fn. 4. 6 Ebenso BaFin, Häufig gestellte Fragen zu den §§ 21 ff. WpHG, Stand: Februar 2008; Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 21 WpHG Rz. 34; Starke, Beteiligungstransparenz im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2002, S. 186: auch Angabe der Zahl der Stimmrechte, „wenn erst dadurch die Verwirklichung des meldepflichtigen Tatbestands erkennbar wird“. S. auch Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel, Jahresbericht 2001, S. 36: Angabe des konkreten Stimmrechtsanteils; abweichend: Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 22 Anh., § 21 WpHG Rz. 35.
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Sind die Stimmrechte angegeben, so genügt im Übrigen die Angabe des prozentualen Stimmrechtsanteils bis zur zweiten Stelle hinter dem Komma1. 123 gg) Die Angabe der genauen Höhe des nunmehr gehaltenen Stimmrechtsanteils ist entgegen der Verwaltungspraxis nicht erforderlich, wenn der Schwellenwert von 3 % der Stimmrechte unterschritten wurde. Insoweit genügt die Angabe, dass die 3 %-Schwelle unterschritten wurde. Die BaFin verlangt demgegenüber die genaue aktuelle Prozentangabe mit zwei Nachkommastellen. Die Angabe der Nachkommastellen muss entfallen, wenn sie irreführend ist. Beispiel: Der Meldepflichtige hält 10,001 %. Die Angabe 10,001 % wäre irreführend. 124 hh) Zudem sollte die Mitteilung einen Hinweis darauf enthalten, dass es sich um eine Mitteilung nach § 21 WpHG handelt (s. Rz. 127). Schließlich sollte zur Dokumentation der Einhaltung der Mitteilungsfrist das Datum der Mitteilung genannt werden. Zum Beweis der Fristwahrung s. Rz. 129. 125 ii) Werden dem Meldepflichtigen Stimmrechte nach § 22 Abs. 1 WpHG zugerechnet, muss die Mitteilung ferner die genaue Höhe der zugerechneten Stimmrechte, und zwar für jede Nummer dieser Vorschrift getrennt, angeben, § 17 Abs 2 WpAIV. Diese Aufschlüsselung dient nach der Begründung des Regierungsentwurfs der Kontrolle. Sie räume der Bundesanstalt (BaFin) die Möglichkeit ein, die verschiedenen bei ihr eingehenden Daten abzugleichen und die Mitteilung auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen2. c) Muster einer Mitteilung 126 Ein Standardformular einer Stimmrechtsmitteilung (Formmitteilungsblatt) gemäß § 21 Abs. 1 WpHG, nach § 21 Abs. 1a WpHG und nach § 25 WpHG findet sich im Internet unter BaFin downloads3. Die Verwendung des Formulars ist nicht zwingend. Es kann auch eine andere Form gewählt werden. Voraussetzung ist nur, dass die notwendigen Angaben übermittelt werden. Dabei ist eine Vertretung des Meldepflichtigen zulässig. d) Form und Sprache der Mitteilung, Unterschrift 127 Die Mitteilung hat schriftlich in deutscher oder englischer Sprache zu erfolgen. Sie kann gegenüber der Gesellschaft und gegenüber der BaFin (§ 18 WpAIV, Text im Anhang S. 2212), auch per Telefax übermittelt werden4. Eine Meldung per E-Mail genügt nicht. Die Mitteilung muss unterschrieben sein. Eine elektronische Signatur soll nicht ausreichen5.
1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.3.9.2; Falkenhagen, WM 1995, 1005: eine Stelle hinter dem Komma. 2 Begr. RegE zu § 22 Abs. 2 WpHG, BT-Drucks. 12/6679, S. 54; Fiedler, Mitteilungen über Beteiligungen von Mutter- und Tochterunternehmen, 2005, S. 18. 3 Muster einer Mitteilung und Veröffentlichung gemäß §§ 21 ff. WpHG, Stand: 2.3.2009 (www.bafin.de). 4 KG v. 25.10.2004 – 23 U 234/03, AG 2005, 205; Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 21 WpHG Rz. 27; Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 20 Rz. 35; a.A. Opitz, in: Schäfer/ Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 21 WpHG Rz. 32. 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.3.9.3.
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e) Frist der Mitteilung aa) Beginn der Mitteilungsfrist Die Mitteilung muss unverzüglich, spätestens innerhalb von vier Handelstagen unter Beachtung von § 22 Abs. 1 und 2 WpHG erfolgen. Die Verkürzung von sieben Kalendertagen – was bislang vorgesehen war – auf vier Handelstage beruht auf Art. 12 Abs. 2 der Transparenzrichtlinie II. Definiert wird der Begriff „Handelstag“ in § 30 WpHG1. Eine Maximalgrenze besteht nicht2. Unverzüglich bedeutet: „ohne schuldhaftes Zögern“ (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB). Daraus folgt, dass der Mitteilungspflichtige die Frist nicht ohne Grund ausschöpfen darf, dass aber andererseits die Mitteilung nicht immer sofort ergehen muss. Vielmehr ist ein Zuwarten nur dann eine schuldhafte Pflichtverletzung, wenn es nicht „durch die Umstände des Falles geboten ist“3. In Zweifelsfällen kann zunächst der Rat eines Anwalts oder Wirtschaftsprüfers eingeholt werden4. Verbleiben Zweifel, ob eine Meldepflicht besteht, ist dem Meldepflichtigen zuzumuten, vorbeugend seine Beteiligung der Gesellschaft und der Bundesanstalt (BaFin) mitzuteilen5. Dabei trifft die Beweislast für die Entschuldbarkeit der Verzögerung den Meldepflichtigen6. Eine Fristverlängerung durch die Verwaltung ist rechtlich nicht möglich7.
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Nach Ablauf der Frist von vier Handelstagen ist dem Meldepflichtigen der Nachweis abgeschnitten, er habe die Verzögerung nicht zu vertreten. Die Rechtsfolgen der verzögerten oder unterlassenen Mitteilung ergeben sich sodann aus § 39 Abs. 2 Nr. 2 lit. e, Nr. 5 lit. c WpHG. Ob diese Sanktionen verschuldensabhängig sind, richtet sich ausschließlich nach den jeweiligen Sanktionsnormen. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage des Beginns der Mitteilungsfrist (s. Rz. 133 ff.).
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Da das deutsche Recht zwischen schuldrechtlichem und dinglichem Rechtsgeschäft 130 unterscheidet, stellt sich die Frage, welches Rechtsgeschäft für den Beginn der Meldefrist maßgebend ist. Die Verwaltungspraxis8 geht davon aus, dass beim Kauf von Aktien über die Börse und zeitversetzter Einbuchung in das Depot des Erwerbers keine Meldepflicht nach § 25 WpHG auf Seiten des Erwerbers entsteht. Maßgebend ist damit für den Fristbeginn die Einbuchung in das Wertpapierdepot, also die Übertragung der Aktien. Dem ist zu folgen. Zwar entsteht die Meldepflicht und es beginnt die Meldefrist bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des schuldrechtlichen Vertrags. Und das gilt auch und erst recht, wenn nur der schuldrechtliche Vertrag abgeschlossen wurde, aber keine Verfügung erfolgte. Auch nach der Verwaltungspraxis entsteht eine eigene Meldepflicht – rückwirkend? – wenn sich die Einbuchung verzögert oder wenn die Aktien außerbörslich erworben werden und für die Lieferung ein gesonderter Zeitraum vereinbart wurde (länger als T+2), vorausgesetzt, dass Meldeschwellen berührt wurden. Bei engem zeitlichen Zusammenhang zwischen Verpflichtungsgeschäft und Verfügungsgeschäft (2 Tage) folgt aber aus einer sinngemä1 S. dazu Art. 7 der Durchführungsrichtlinie vom 8.3.2007, ABl. EG Nr. L 64 v. 9.3.2007, S. 30 f. 2 Krit. Fleischer, ZIP 2002, 1217 (1227) für § 15a WpHG. 3 RGZ 124, 115 (118). 4 Vgl. Kramer, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2006, § 121 Rz. 7. 5 Burgard, BB 1995, 2069 (2070); für Mitteilungspflicht nach § 20 AktG: BGH v. 22.4.1991 – II ZR 231/90, AG 1991, 270 = WM 1991, 1166 (1170 f.); KG v. 14.6.1990 – 2 W 1088/90 („Springer/Kirch“), WM 1990, 1546 (1549). 6 OLG München v. 16.11.1987 – 3 W 3109/87, WM 1988, 1408 (1409). 7 Nottmeier/Schäfer, AG 1997, 92. 8 BaFin, Häufig gestellte Fragen zu den §§ 21 ff. WpHG, Stand: Februar 2008.
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Mitteilungspflichten des Meldepflichtigen
ßen Auslegung, dass die Meldung nach § 21 WpHG genügt. Demzufolge beginnt auch die Meldefrist erst mit der Einbuchung. 131 Die Mitteilungsfrist ist gewahrt, wenn die Mitteilung innerhalb der Frist zugegangen (§ 130 BGB) ist1. Eine § 121 Abs. 1 Satz 2 BGB entsprechende Regelung fehlt. Verzögerungen auf dem Laufweg der Mitteilung hat der Meldepflichtige zu vertreten. Das ist auch sachgerecht, da andernfalls das „window“ (s. bei Rz. 4) noch weiter vergrößert würde. Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass der Meldepflichtige selbst ein Interesse an dem alsbaldigen Zugang hat und für den Zugang sorgt2. 132 Die Mitteilung hat gleichzeitig an den Emittenten und an die BaFin zu erfolgen. Ausreichend ist hierfür ein gleichzeitiges Absenden oder zumindest ein Absenden in geringfügigem zeitlichen Abstand3. bb) Kenntnis 133 Nach § 21 Abs. 1 Satz 3 WpHG beginnt die Mitteilungsfrist mit dem Zeitpunkt, zu dem der Meldepflichtige die Meldeschwelle erreicht, über- oder unterschritten hat und von dem Erreichen, Über- oder Unterschreiten der Meldeschwellen Kenntnis hat oder nach den Umständen haben musste. Unterstellt wird nach Art. 9 Durchführungsrichtlinie vom 8.3.2007 (2007/14/EG)4, dass der Aktionär oder der Meldepflichtige, dem Stimmrechte zugerechnet werden, von dem Erwerb, der Veräußerung oder der Möglichkeit der Ausübung der Stimmrechte, spätestens zwei Handelstage nach der Ausführung des Geschäfts Kenntnis „erhalten haben dürfte“. Umgesetzt wurde Art. 9 durch das InvestmentänderungsG vom 21.12.20075. § 21 Abs. 1 WpHG wurde der letzte Satz angefügt. Die widerlegliche Vermutung greift, wenn der Meldepflichtige zwei Handelstage nach dem Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten der genannten Schwellen Kenntnis hat6. 134 Ist Aktionär eine juristische Person, so obliegt dieser die Mitteilungspflicht. Die Mitglieder des geschäftsführenden Organs (Vorstand, Geschäftsführer) haben dafür zu sorgen, dass die Gesellschaft die ihr auferlegten Pflichten erfüllt. Hat das geschäftsführende Organ mehrere Mitglieder, so genügt schon die Kenntnis eines einzelnen Organmitglieds, damit die Mitteilungsfrist beginnt7. Nicht erforderlich ist, dass das Organmitglied intern zuständig ist. 135 Die Kenntnis eines Aufsichtsratsmitglieds8 oder von nachgeordneten Mitarbeitern9 reicht nicht aus. Doch dürfte etwas anderes gelten, wenn der nachgeordnete Mitarbeiter mit der Wahrnehmung der entsprechenden Aufgaben betraut ist10.
1 von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 21 Rz. 142. 2 Zu den Voraussetzungen des Zugangs und seines Beweises s. BGH v. 7.12.1994 – VIII ZR 153/93, BB 1995, 221 m. Anm. Burgard sowie umfassend Burgard, AcP 195 (1995), 75 ff. 3 Begr. RegE, TUG zu § 21 WpHG, BT-Drucks. 16/2498, S. 36. 4 ABl. EG Nr. L 69 v. 9.3.2007, S. 31. 5 BGBl. I 2007, 3089. 6 Buck-Heeb, CCZ 2009, 18 (23). 7 BGH v. 6.4.1964 – II ZR 75/62, BGHZ 41, 282 (287); BGH v. 23.10.1958 – II ZR 127/57, WM 1959, 81; Grunewald, in: FS Beusch, 1993, S. 301, 303. 8 S. dazu Koziol, in: FS Frotz, Wien 1993, S. 351, 359. 9 BGH v. 24.1.1992 – V ZR 262/90, NJW 1992, 1099 (argl. Verschweigen). 10 Zustimmend: Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, § 21 WpHG Rz. 82; für Beginn der Verjährungsfrist: BGH v. 18.1.1994 – VI ZR 190/93, AG 1994, 224 = WM 1994, 750; s. auch Grunewald, in: FS Beusch, 1993, S. 301, 317.
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Hat das geschäftsführende Organ seine Organisationspflichten (s. Rz. 143) verletzt, wurden etwa die Mitarbeiter, denen die Wahrnehmung der kapitalmarktrechtlichen Pflichten delegiert wurden, nicht ordnungsgemäß eingewiesen, oder hat das geschäftsführende Organ seine Informationsverschaffungspflicht (s. Rz. 143) nicht beachtet, so beginnt die Mitteilungsfrist zu dem Zeitpunkt, zu dem bei ordnungsgemäßer Organisation die Kenntnis erlangt worden wäre.
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Dabei bleibt für den Fristbeginn zu berücksichtigen, dass die entsprechenden Informationen über Sachverhalte, die bei Dritten begründet sind, erst nach gewisser Zeit zu erlangen sein können. Soweit möglich, ist aber etwa durch ein konzernweites Berichtswesen („compliance im Konzern“)1 ein zügiger Informationsfluss sicherzustellen.
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f) „Alternative“ und vorsorgliche Mitteilung Ob eine Mitteilungspflicht entstanden ist, kann für den Mitteilungspflichtigen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen zweifelhaft sein. Insbesondere hat man sich vor Augen zu führen, dass die Auslegung von § 22 WpHG bislang nicht abschließend geklärt ist. Angesichts der Folgen einer unterlassenen oder unrichtigen Mitteilung (Bußgeld, Rechtsverlust) muss der Mitteilungspflichtige aber eine Möglichkeit haben, seinen Pflichten gerichtsfest nachzukommen.
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Zwar kann sich der Meldepflichtige in Zweifelsfragen an die Bundesanstalt (BaFin) wenden. Deren Auskünfte sind aber nicht verbindlich (s. § 28 Rz. 69a). Vor allem: Sie schützen den Meldepflichtigen, vorbehaltlich § 28 Satz 2 WpHG, nicht vor einem Rechtsverlust, da die Zivilgerichte an die Auffassung der Bundesanstalt nicht gebunden sind2.
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Vor diesem Hintergrund könnte man an eine alternative Mitteilung denken. Eine al- 140 ternative Mitteilung ist aber mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren. Sie ist „nicht richtig“ i.S. von § 39 Abs. 2 WpHG. Sie wäre für den Anleger und die Gesellschaft ganz und gar unbefriedigend, wenn sie lediglich lauten würde, die Meldeschwelle sei überschritten oder sie sei nicht überschritten. Vielmehr bedarf es einer eindeutigen Mitteilung, wobei in Zweifelsfällen eine vorsorgliche Mitteilung erfolgen3 und eine zusätzliche tatsächliche Information beigefügt werden kann4. Sinn und Zweck der §§ 21 ff. WpHG ist Transparenz; und sie wird erreicht, wenn der Mitteilungspflichtige in Zweifelsfällen mit wenigen Worten angibt, welcher tatsächliche Sachverhalt der Mitteilung zugrunde liegt. Die Praxis der BaFin, die vorsorgliche Mitteilungen nicht gestattet5, ist nicht zu begründen.
1 Sven H. Schneider, Informationspflichten und Informationssystemeinrichtungspflichten im Aktienkonzern, 2006, S. 137; Uwe H. Schneider, ZGR 1996, 225. 2 S. dazu Sven H. Schneider, NZG 2009, 121 (124); Busch, AG 2009, 425 (430); a.A. von Bülow/Petersen, NZG 2009, 481 (483 f.). 3 BGH v. 22.4.1991 – II ZR 231/90, BGHZ 114, 203 (217) = AG 1991, 270 (für § 20 AktG); Hirte, in: KölnKomm. WpHG, § 21 Rz. 154; Busch, AG 2009, 425 (431); a.A. Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, § 21 WpHG Rz. 65, ohne aber zu sagen, wie der Meldepflichtige sich verhalten soll; von Bülow/Petersen, NZG 2009, 481 (483); eingehend, aber ebenfalls a.A.: Mülbert, in: FS Karsten Schmidt, 2009, S. 1225. 4 Zustimmend: Starke, Beteiligungstransparenz im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2002, S. 249; Uwe H. Schneider, in: FS Schütze, 1999, S. 757, 764; Kremer/Oesterhaus, in: KölnKomm. WpÜG, § 59 Rz. 29. 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.3.9.2.
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141 Damit ist den Interessen aller Beteiligten gedient. Der Mitteilungspflichtige hat seine Pflicht zur Mitteilung erfüllt, und er entgeht dem Vorwurf, sein Rechtsirrtum sei vermeidbar gewesen. Er vermeidet damit den Rechtsverlust nach § 28 WpHG. Die Gesellschaft und die interessierte Öffentlichkeit erfährt von den Umständen, die für Anlageentscheidungen von Bedeutung sind. Entsprechende alternative oder besser ergänzende Mitteilungen sind demnach als zulässig anzusehen. Beispiel: Ein Meldepflichtiger hält selbst unmittelbar 2 %. Zugleich ist er mit 25 % an einer sog. Vorschaltgesellschaft beteiligt, der ihrerseits über 25 % der Stimmrechte an der börsennotierten Gesellschaft zustehen. Weil die Zurechnung der von solchen durch Vorschaltgesellschaften gehaltenen Anteile umstritten ist (s. unten § 22 Rz. 73), könnte daher der meldepflichtige Gesellschafter eben diesen Sachverhalt, wie zuvor geschildert, offen legen. g) Nachholung aller Zwischenmeldungen? 142 Hat der Meldepflichtige mehrere Mitteilungen unterlassen oder sind einzelne Zwischenmitteilungen fehlerhaft, ist streitig, ob sämtliche Zwischenmeldungen nachgeholt werden müssen1 oder ob es ausreicht, dass nur die letzte Mitteilung getätigt wird. Die Rechtsfolge könnte gegebenenfalls sein, dass eine einzige unterlassene oder eine fehlerhafte Zwischenmeldung dauerhaft zum Rechtsverlust führt, so lange die Zwischenmeldung nicht nachgeholt ist. Für den Zwang zur Nachholung aller Zwischenmeldungen soll sprechen, dass der Kapitalmarkt wegen der Sanktion des § 28 WpHG ein Interesse daran habe, dass alle unterlassenen Meldungen nachgeholt und fehlerhafte Meldungen richtiggestellt werden. Nur so könne nachvollzogen werden, in welchem Umfang Mitverwaltungs- und Vermögensrechte verloren gegangen sein könnten. Abgesehen davon, dass sich die Veränderungen in der Vergangenheit vielfach nicht nachvollziehen lassen, können eine Vielzahl von Zwischenmeldungen zu Verwirrungen im Kapitalmarkt führen. Vor allem aber ist es nicht Aufgabe der §§ 21 ff. WpHG, die Durchsetzung der Rechtsfolgen verletzter Mitteilungspflichten zu ermöglichen oder zu erleichtern. Entscheidend ist, dass durch die letzte Mitteilung die erforderliche Transparenz wieder hergestellt ist. Die Nachholung und Richtigstellung von Zwischenmeldungen ist somit nicht erforderlich, aber gleichwohl zulässig. Sie ist auch gute Corporate Governance, wenn nur auf diese Weise vermieden wird, dass der Kapitalmarkt verwirrt wird. 2. Organisations- und Informationseinholungspflichten 143 Um den Mitteilungspflichten nachkommen zu können, obliegen dem Aktionär Organisations- und Informationseinholungspflichten (Informationsverschaffungspflichten)2. Solche Organisationspflichten bestehen in unterschiedlicher Breite und Dich-
1 Dafür wohl die Verwaltungspraxis sowie Riegger, in: FS H.P. Westermann, 2008, S. 1339; a.A. Sven H. Schneider/Uwe H. Schneider, ZIP 2006, 469; Schnabel/Korff, ZBB 2007, 179 (184); von Bülow/Stephanblome, ZIP 2008, 1797 (1804); Süßmann/Meder, WM 2009, 976 (979). 2 Burgard, BB 1995, 2069 (2070); Fiedler, Mitteilungen über Beteiligungen von Mutter- und Tochterunternehmen, 2005, S. 106; zurückhaltend aber Windbichler, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 20 Rz. 51; zweifelnd: Buck-Heeb, CCZ 2009, 18 (23); a.A. Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 21 WpHG Rz. 27; von Bülow/Petersen, NZG 2009, 481 (483); Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 35 WpÜG Rz. 173.
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te, um die Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Pflichten sicherzustellen1. Zu unterscheiden ist – zwischen der Pflicht zur ordnungsgemäßen Organisation im eigenen Unternehmen und im Konzern, – anlassbezogenen Informations- und Prüfungspflichten etwa bei Kapitalmaßnahmen des Emittenten2, – der Pflicht zur Informationseinholung von Dritten, deren Stimmen zugerechnet werden, – das Recht des Meldepflichtigen gegenüber dem Dritten, dessen Stimmrechte zugerechnet werden, auf Auskunft und – die Pflicht des Dritten auf Information des Meldepflichtigen (zum Letzteren s. bei § 22 Rz. 23 ff.). Die Mitarbeiter sind im Rahmen der gebotenen kapitalmarktrechtlichen Compliance-Organisation3 zu schulen, sie sind in ihre Aufgaben einzuweisen, und sie sind zu überwachen. Im Konzern ist für ein konzernweites Informationssystem zu sorgen, das einen taggleichen Informationsfluss sicherstellt4. 3. Geschäftsverteilung und Delegation Ist Aktionär eine Gesellschaft, so obliegt die Wahrnehmung der Meldepflichten dem 144 geschäftsführenden Organ. Allerdings ist dies keine Aufgabe, die zwingend allen Geschäftsleitern persönlich übertragen ist. Vielmehr kann ein Mitglied der Geschäftsleitung im Wege der Geschäftsverteilung mit der Wahrnehmung der Meldepflichten betraut werden. Die Wahrnehmung der Meldepflichten kann ferner Mitarbeitern im Wege der Delegation oder auf Dritte outgesourct werden5. 4. Anspruch der Gesellschaft auf Offenlegung? Folgt man der Ansicht, dass die §§ 21 ff. WpHG nicht dem individuellen Anleger- 145 schutz dienen, folgt man der Ansicht, dass die §§ 21 ff. WpHG auch nicht dem Schutz der individuellen Gesellschaft dienen, so wäre ein Anspruch der Gesellschaft auf Offenlegung abzulehnen. Dies entspricht aber nicht der an dieser Stelle vertretenen Ansicht. Die §§ 21 ff. WpHG wollen vielmehr den gegenwärtigen und künftigen Aktionären sowie der Gesellschaft ermöglichen, sich einen Überblick über die Aktionärsstruktur und die Beherrschungsverhältnisse zu verschaffen6. Geht man hiervon aus, so ist es nahe liegend, dass auch die Gesellschaft einen Anspruch gegenüber einem Aktionär oder einem früheren Aktionär hat, offen zu legen, ob er eine Meldeschwelle er1 Allgemein: Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001; Reuter, DB 1993, 1605; Uwe H. Schneider, ZIP 2003, 645; für die Wahrnehmung der kartellrechtlichen Pflichten: Tessin, BB 1987, 984; Leube, wistra 1987, 41; Lampert, BB 2002, 2237; für die umweltschutzrechtlichen Pflichten: Feldhaus, NVwZ 1991, 927; Schottelius, NVwZ 1998, 805; Schottelius, BB 1998, 1858; s. ferner § 14 GeldwäscheG. 2 Ebenso von Bülow/Petersen, NZG 2009, 481 (483). 3 Allgemein dazu: Uwe H. Schneider, ZIP 2003, 645. 4 Uwe H. Schneider, in: FS Brandner, 1996, S. 572; s. auch § 15 GeldwäscheG; a.A. Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, Leitfaden zu den Insider-Vorschriften …, abgedr. in: Schwebler u.a. (Hrsg.), Kapitalanlagepolitik im Versicherungsbinnenmarkt, 1994, S. 170 f.; wie hier aber Burgard, BB 1995, 2069 (2070); s. auch bei § 22 Rz. 23. 5 Uwe H. Schneider/Brouwer, in: FS Priester, 2007, S. 713, 717; s. auch bei § 28 Rz. 21. 6 Begr. RegE zu § 21 Abs. 1 WpHG, BT-Drucks. 12/6679, S. 52.
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reicht oder überquert hat1. Ein Schadensersatzanspruch der Gesellschaft besteht allerdings nicht2. Es ist ohnehin schwer vorstellbar, dass bei der Gesellschaft durch mangelnde Offenlegung ein Schaden eintritt.
VI. Insolvenz 146 Die Mitteilungspflichten entfallen nicht, wenn über das Vermögen des Emittenten das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Es entstehen aber auch nicht eigenständige Mitteilungspflichten3. Zu den Veröffentlichungspflichten des Emittenten im Insolvenzverfahren s. bei § 26 Rz. 6.
VII. Jährliches Dokument 147 Nach § 10 WpPG hat ein Emittent, dessen Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, mindestens einmal jährlich ein Dokument zu veröffentlichen, das alle Informationen enthält oder auf sie verweist, die der Emittent in den vorausgegangenen zwölf Monaten aufgrund von § 26 WpHG veröffentlicht oder dem Publikum zur Verfügung gestellt hat. Das Dokument ist dem Publikum zur Verfügung zu stellen, indem es in der in § 14 Abs. 2 WpPG beschriebenen Weise veröffentlicht wird. § 14 Abs. 2 WpPG sieht in seiner entsprechenden Anwendung vor, dass das jährliche Dokument in einer oder mehreren Wirtschafts- oder Tageszeitungen veröffentlicht wird, dass das jährliche Dokument in gedruckter Form zur kostenlosen Ausgabe an das Publikum bereitgehalten wird und dass das jährliche Dokument auf der Internetseite an den näher bezeichneten Stellen veröffentlicht wird. Ausdrücklich erlaubt, ist aufgrund § 10 Abs. 1 Satz 1 WpPG das der Emittent auf die genannten Informationen verweist. Das bedeutet, dass das jährliche Dokument nur aus Verweisen bestehen kann4. Der Emittent hat das Dokument nach Offenlegung des Jahresabschlusses bei der BaFin zu hinterlegen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 WpPG).
VIII. Ermächtigung für Rechtsverordnung (§ 21 Abs. 3 WpHG) 148 § 21 Abs. 3 WpHG enthält eine Ermächtigungsgrundlage für eine Rechtsverordnung. Hiervon hat das Bundesministerium der Finanzen Gebrauch gemacht und die Verordnung zur Konkretisierung von Anzeige-, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten sowie der Pflicht zur Führung von Insiderverzeichnissen nach dem Wertpapierhandelsgesetz (Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung – WpAIV) vom 13.12.2004 (BGBl. I 2004, 3376), zuletzt geändert durch das Risikobegrenzungsgesetz vom 12.8.2008 (BGBl. I 2008, 1666) und das Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz vom 5.4.2011 (BGBl. I 2011, 538), erlassen. Text im Anhang S. 2212.
1 A.A. Koppensteiner, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2004, Anh. § 22, §§ 21 ff. WpHG Rz. 46; Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 21 WpHG Rz. 41; Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 21 WpHG Rz. 22. 2 Ebenso Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, S. 176; Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 21 WpHG Rz. 22. 3 Nottmeier/Schäfer, AG 1997, 89. 4 Kaum/Zimmermann, BB 2005, 1466 (1467); Götze, NZG 2007, 570 (572).
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Zurechnung von Stimmrechten
§ 22 Zurechnung von Stimmrechten (1) Für die Mitteilungspflichten nach § 21 Abs. 1 und 1a stehen den Stimmrechten des Meldepflichtigen Stimmrechte aus Aktien des Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, gleich, 1. die einem Tochterunternehmen des Meldepflichtigen gehören, 2. die einem Dritten gehören und von ihm für Rechnung des Meldepflichtigen gehalten werden, 3. die der Meldepflichtige einem Dritten als Sicherheit übertragen hat, es sei denn, der Dritte ist zur Ausübung der Stimmrechte aus diesen Aktien befugt und bekundet die Absicht, die Stimmrechte unabhängig von den Weisungen des Meldepflichtigen auszuüben, 4. an denen zugunsten des Meldepflichtigen ein Nießbrauch bestellt ist, 5. die der Meldepflichtige durch eine Willenserklärung erwerben kann, 6. die dem Meldepflichtigen anvertraut sind oder aus denen er die Stimmrechte als Bevollmächtigter ausüben kann, sofern er die Stimmrechte aus diesen Aktien nach eigenem Ermessen ausüben kann, wenn keine besonderen Weisungen des Aktionärs vorliegen. Für die Zurechnung nach Satz 1 Nr. 2 bis 6 stehen dem Meldepflichtigen Tochterunternehmen des Meldepflichtigen gleich. Stimmrechte des Tochterunternehmens werden dem Meldepflichtigen in voller Höhe zugerechnet. (2) Dem Meldepflichtigen werden auch Stimmrechte eines Dritten aus Aktien des Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, in voller Höhe zugerechnet, mit dem der Meldepflichtige oder sein Tochterunternehmen sein Verhalten in Bezug auf diesen Emittenten auf Grund einer Vereinbarung oder in sonstiger Weise abstimmt; ausgenommen sind Vereinbarungen in Einzelfällen. Ein abgestimmtes Verhalten setzt voraus, dass der Meldepflichtige oder sein Tochterunternehmen und der Dritte sich über die Ausübung von Stimmrechten verständigen oder mit dem Ziel einer dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung des Emittenten in sonstiger Weise zusammenwirken. Für die Berechnung des Stimmrechtsanteils des Dritten gilt Absatz 1 entsprechend. (3) Tochterunternehmen sind Unternehmen, die als Tochterunternehmen im Sinne des § 290 des Handelsgesetzbuchs gelten oder auf die ein beherrschender Einfluss ausgeübt werden kann, ohne dass es auf die Rechtsform oder den Sitz ankommt. (3a) Für die Zurechnung nach dieser Vorschrift gilt ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen hinsichtlich der Beteiligungen, die von ihm im Rahmen einer Wertpapierdienstleistung nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 verwaltet werden, unter den folgenden Voraussetzungen nicht als Tochterunternehmen im Sinne des Absatzes 3: 1. das Wertpapierdienstleistungsunternehmen darf die Stimmrechte, die mit den betreffenden Aktien verbunden sind, nur aufgrund von in schriftlicher Form oder über elektronische Hilfsmittel erteilten Weisungen ausüben oder stellt durch geeignete Vorkehrungen sicher, dass die Finanzportfolioverwaltung unabhängig von anderen Dienstleistungen und unter Bedingungen, die denen der Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Orga-
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Zurechnung von Stimmrechten
nismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) (ABl. L 302 vom 17.11.2009, S. 32) in der geltenden Fassung, gleichwertig sind, erfolgt, 2. das Wertpapierdienstleistungsunternehmen übt die Stimmrechte unabhängig vom Meldepflichtigen aus, 3. der Meldepflichtige teilt der Bundesanstalt den Namen dieses Wertpapierdienstleistungsunternehmens und die für dessen Überwachung zuständige Behörde oder das Fehlen einer solchen mit und 4. der Meldepflichtige erklärt gegenüber der Bundesanstalt, dass die Voraussetzungen der Nummer 2 erfüllt sind. Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen gilt jedoch dann für die Zurechnung nach dieser Vorschrift als Tochterunternehmen im Sinne des Absatzes 3, wenn der Meldepflichtige oder ein anderes Tochterunternehmen des Meldepflichtigen seinerseits Anteile an der von dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen verwalteten Beteiligung hält und das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Stimmrechte, die mit diesen Beteiligungen verbunden sind, nicht nach freiem Ermessen, sondern nur aufgrund unmittelbarer oder mittelbarer Weisungen ausüben kann, die ihm vom Meldepflichtigen oder von einem anderen Tochterunternehmen des Meldepflichtigen erteilt werden. (4) Wird eine Vollmacht im Falle des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 nur zur Ausübung der Stimmrechte für eine Hauptversammlung erteilt, ist es für die Erfüllung der Mitteilungspflicht nach § 21 Abs. 1 und 1a in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 Nr. 6 ausreichend, wenn die Mitteilung lediglich bei Erteilung der Vollmacht abgegeben wird. Die Mitteilung muss die Angabe enthalten, wann die Hauptversammlung stattfindet und wie hoch nach Erlöschen der Vollmacht oder des Ausübungsermessens der Stimmrechtsanteil sein wird, der dem Bevollmächtigten zugerechnet wird. (5) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen erlassen über die Umstände, unter welchen im Falle des Absatzes 3a eine Unabhängigkeit des Wertpapierdienstleistungsunternehmens vom Meldepflichtigen gegeben ist, und über elektronische Hilfsmittel, mit denen Weisungen im Sinne des Absatzes 3a erteilt werden können. In der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2009/65/EG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW-IV-Umsetzungsgesetz) vom 22.6.2011 (BGBl. I 2011, 1126). Schrifttum: Zu § 22 WpHG: Arnold, Die neue konzernweite Stimmrechtszurechnung gem. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpÜG, AG 2006, 567; von Bülow/Bücker, Abgestimmtes Verhalten im Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht, ZGR 2004, 669; von Bülow/Petersen, Stimmrechtszurechnung zum Treuhänder?, NZG 2009, 1373; von Bülow/Stephanblome, Acting in Concert und neue Offenlegungspflichten nach dem Risikobegrenzungsgesetz, ZIP 2008, 1797; Busch, Eigene Aktien bei der Stimmrechtsmitteilung – Zähler, Nenner, Missstand, AG 2009, 425; Casper, Acting in Concert – Grundlagen eines neuen kapitalmarktrechtlichen Zurechnungstatbestandes, ZIP 2003, 1469; Casper/Bracht, Abstimmung bei der Wahl des Aufsichtsrats: Ein Fall für ein Pflichtangebot?, NZG 2005, 839; Diekmann/Merkner, Erhöhte Transparenzanforderungen im Aktien- und Kapitalmarktrecht – ein Überblick über den Regierungsentwurf zum Risikobegrenzungsgesetz, NZG 2007, 921; Dreibus/Schäfer, Mitteilungspflichten über Stimmrechte gem. §§ 21, 22 WpHG bei inländischen Investmentfonds, NZG 2009, 1289; Fiedler, Mitteilungen über Beteiligungen von Mutter- und Tochtergesellschaften, 2005; Fleischer/Bedkowski, Stimmrechtszurechnung zum Treuhänder gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG: Ein zivilgerichtlicher Fehlgriff und seine kapitalmarktrechtlichen Folgen,
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Zurechnung von Stimmrechten
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DStR 2010, 933; Fleischer/Schmolke, Kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz nach §§ 21 ff. WpHG und „Hidden Ownership“, ZIP 2008, 1501; Franck, Die Stimmrechtszurechnung nach § 22 WpHG und § 30 WpÜG, BKR 2002, 709; Gaede, Koordiniertes Aktionärsverhalten im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2008; Gätsch/Schäfer, Abgestimmtes Verhalten nach § 22 II WpHG und § 30 WpÜG in der Fassung des Risikobegrenzungsgesetzes, NZG 2008, 846; Goette, Aktuelle Rechtsprechung des II. Zivilsenats zum Aktienrecht, DStR 2006, 2132; Habersack, Beteiligungstransparenz Adieu? – Lehren aus dem Fall Continental/ Schaeffler, AG 2008, 817; Hüffer, Konsortialverträge im Rahmen der Mitteilungspflichten nach § 20 AktG, in: FS Karsten Schmidt, 2009, S. 747; Kindler, EU-ausländische Beteiligungskonsortien im Visier der BaFin – keine multiple Meldepflicht nach § 21 WpHG für Gesellschafter eines ausländischen Anteilserwerbers! in: FS Hopt, 2010, S. 2081; Koppensteiner, Zurechnung von Beteiligungen im Wirtschaftsrecht, wirtschaftsrechtliche Blätter (Österreich) 2005, 293; Korff, Das Risikobegrenzungsgesetz und seine Auswirkungen auf das WpHG, AG 2008, 692; Kumpan, Private Equity und der Schutz deutscher Unternehmen, AG 2007, 461; Künzle, Die Ausübung des Aktienstimmrechts durch institutionelle Vertreter und institutionelle Anleger in der Schweiz und den USA, in: Neue Tendenzen im Gesellschaftsrecht, 2003, S. 415; Lange, Aktuelle Rechtsfragen der kapitalmarktrechtlichen Zurechnung, ZBB 2004, 22; Lebherz, Publizitätspflichten bei der Übernahme börsennotierter Unternehmen, WM 2010, 154; Liebscher, Die Zurechnungstatbestände des WpHG und WpÜG, ZIP 2002, 1005; Merkner/Sustmann, Die Neuauflage des Emittentenleitfadens der BaFin – Rechtssicherheit bei der Abgabe von Stimmrechtsmitteilungen?, NZG 2009, 813; Meyer/Bundschuh, Sicherungsübereignung börsennotierter Aktien, Pflichtangebot und Meldepflichten, WM 2003, 960; Mutter, Die Stimmrechtszurechnung nach § 22 WpHG bei Einschaltung eines Trusts, AG 2006, 637; Nelle, Stimmrechtszurechnung und Pflichtangebot nach Umsetzung der Übernahmerichtlinie, ZIP 2006, 2057; Pentz, Acting in Concert – Ausgewählte Einzelprobleme zur Zurechnung und zu den Rechtsfolgen, ZIP 2003, 1478; Renz/Rippel, Die Informationspflichten gem. §§ 21 ff. WpHG und deren Änderungen durch das Risikobegrenzungsgesetz, BKR 2008, 309; Röh, Reform der Beteiligungspublizität und kein Ende, CCZ 2008, 137; Rulf, Die Zurechnungstatbestände des WpHG und WpÜG, 2010; Schmid/Mühlhäuser, Wirtschaftliches Eigentum und Gewinnrealisierung bei der Wertpapierleihe, BB 2001, 2609; Uwe H. Schneider/Anzinger, Institutionelle Stimmrechtsberatung und Stimmrechtsvertretung, NZG 2007, 88; Uwe H. Schneider/Brouwer, Kapitalmarktrechtliche Meldepflichten bei Finanzinstrumenten, AG 2008, 557; Schockenhoff/Schuhmann, Acting in Concert – geklärte und ungeklärte Rechtsfragen, ZGR 2005, 568; Seibt, Stimmrechtszurechnung nach § 30 WpHG zum Alleingesellschafter – Geschäftsführer einer GmbH?, ZIP 2005, 729; Sieger/Hasselbach, Wertpapierdarlehen – Zurechnungsfragen im Aktien-, Wertpapierhandels- und Übernahmerecht, WM 2004, 1370; Sudmeyer, Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten nach §§ 21, 22 WpHG, BB 2002, 685; Veil, Stimmrechtszurechnungen aufgrund von Abstimmungsvereinbarungen gem. § 22 Abs. 2 WpHG und § 30 Abs. 2 WpÜG, in: FS Karsten Schmidt, 2009, S. 654; Weber/ Meckbach, Finanzielle Differenzgeschäfte – ein legaler Weg zum „Anschleichen“ an die Gesellschaft bei Übernahmen?, BB 2008, 2022; Widder/Kocher, Stimmrechtszurechnung vom Treugeber zum Treuhänder gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG analog?, ZIP 2010, 457; s. ferner das Schrifttum Vor § 21 WpHG und vor Rz. 161. Schrifttum: Zu § 30 WpÜG: Berger/Filguth, „Acting in Concert“ nach § 30 Abs. 2 WpÜG, AG 2004, 592; Holzborn/Friedhoff, Die gebundenen Ausnahmen der Zurechnung nach dem WpÜG, WM 2002, 948; Lange, Die Auswirkungen der Zurechnungsvorschriften des WpÜG auf Vorstandsmitglieder, Der Konzern 2003, 675; Lenz/Linke, Das WpÜG in der aufsichtsrechtlichen Praxis, AG 2002, 361; Seibt, Grenzen des übernahmerechtlichen Zurechnungstatbestandes in § 30 Abs. 2 WpÜG (Acting in Concert), ZIP 2004, 1829; Seibt, Stimmrechtszurechnung und § 30 WpÜG zum Alleingesellschafter – Geschäftsführer einer GmbH?, ZIP 2005, 730; Wackerbarth, Die Zurechnung nach § 30 WpÜG zum Alleingesellschafter – Geschäftsführer einer GmbH, ZIP 2005, 1217; Weiler/Meyer, „Abgestimmtes Verhalten“ gemäß § 30 WpÜG: Neue Ansätze der Bundesanstalt für Finanzdienstleitungsaufsicht?, NZG 2003, 909. Schrifttum zum „acting in concert“ s. Vor Rz. 161.
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§ 22
Zurechnung von Stimmrechten Inhaltsübersicht
I. Regelungsgegenstand und Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Verhältnis zu § 30 WpÜG. . . . . . . . .
10
III. Auslegung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12
IV. Der Grundsatz der mehrfachen Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
V. Der Grundsatz der Kettenzurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18
1. Regelungsproblem . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzlich geregelte Kettenzurechnung (§ 22 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 WpHG). . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gesetzlich nicht geregelte Kettenzurechnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
VI. Information und Auskunft . . . . . . . .
23
1. Informationseinholungspflicht des Meldepflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auskunftsrecht des Meldepflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Informationspflicht des Aktionärs gegenüber Meldepflichtigen . . . . . . . VII. Einem Tochterunternehmen gehören (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Tochterunternehmen (§ 22 Abs. 3 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mutterunternehmen . . . . . . . . . . . . . 3. Unternehmen, die als Tochterunternehmen im Sinne des § 290 HGB gelten (§ 22 Abs. 3 Fallgruppe 1 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unternehmen, auf die ein beherrschender Einfluss ausgeübt werden kann (§ 22 Abs. 3 Fallgruppe 2 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. KG und GmbH & Co. KG . . . . . . . . 6. Mehrstufiger Konzern . . . . . . . . . . . . 7. Mehrfache Abhängigkeit, gemeinsame Beherrschung (Gemeinschaftsunternehmen) . . . . . . . . . . . . 8. Ausnahme für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (§ 22 Abs. 3a WpHG) . . . . . . . . . . . . .
18
19
23 25
55 56 59 62 70 71 73 77 78 78 82 85 88 90 91
IX. Einem Dritten als Sicherheit übertragen (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
30
X. Zugunsten des Meldepflichtigen einen Nießbrauch bestellt (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 WpHG) . . . . . . . . 99
30 32
XI. Durch eine Willenserklärung erwerben kann (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
34
1. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2. Auf Übereignung gerichtetes Angebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 3. Schuldrechtliche Verträge . . . . . . . . 105
35 38 39
42
45
50
1. Meldepflicht des Halters. . . . . . . . . . 2. Auslegung nach Sinn und Zweck . . 3. Einem Dritten gehören . . . . . . . . . . .
50 52 53
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55
29
VIII. Für Rechnung des Meldepflichtigen gehalten (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1044
4. „Für Rechnung“ gehalten . . . . . . . . a) Wirtschaftliche Chancen und Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Treuhand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Aufteilung des wirtschaftlichen Risikos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verwaltungstreuhand . . . . . . . . . . . . 7. Holding und Vermögensverwaltungsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . a) Holdingstrukturen . . . . . . . . . . . . b) Vorschaltgesellschaften . . . . . . . . c) Investmentgesellschaften . . . . . . d) Wertpapierleihe/Aktiendarlehen aa) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . bb) Meldepflichten des Darlehensnehmers. . . . . . . . . . . . . . cc) Meldepflichten des Darlehensgebers . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Kettenleihe . . . . . . . . . . . . . . . ee) Repo-Agreement und SellBuyback-Arrangement . . . . . . e) Kommissionsgeschäft . . . . . . . . .
XII. Dem Meldepflichtigen anvertraut oder „aus denen er die Stimmrechte als Bevollmächtigter ausüben kann“ (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . 116 1. 2. 3. 4.
Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . Nach eigenem Ermessen . . . . . . . . . Vollmachtstreuhand . . . . . . . . . . . . . Vollmachtstimmrecht der Kreditinstitute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Mitteilung bei Erteilung der Vollmacht (§ 22 Abs. 4 WpHG). . . . . . . .
116 122 123 128 138
XIII. Sein Verhalten mit dem Meldepflichtigen abgestimmt (§ 22 Abs. 2 WpHG). . . . . . . . . . . . . . 161
§ 22
Zurechnung von Stimmrechten 1. Regelungsgegenstand und Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . 3. Beteiligte der Vereinbarung oder Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mehrere Beteiligte. . . . . . . . . . . . . b) Gemeinsamer Vertreter . . . . . . . . 4. Vereinbarung und Abstimmung in sonstiger Weise . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Der Inhalt der Vereinbarung oder Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verhalten in Bezug auf diesen Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verständigung über die Ausübung von Stimmrechten (1. Fallgruppe) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einfluss auf die Zielsetzung des Unternehmens (2. Fallgruppe) . . . aa) Die Ausgangslage . . . . . . . . . . bb) „in sonstiger Weise“ . . . . . . . cc) Änderung der unternehmerischen Ausrichtung . . . . . . . . . d) Abgestimmter Parallelerwerb . . . e) Vereinbarungen in Einzelfällen . . 6. Gegenseitige Zurechnung in voller Höhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
161 163 167 167 169 172 175 175 176
7. Beweislast und Beweisführung . . . . 194 8. Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 a) Gemeinsame Beratung und Aktionärsforum . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 b) Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 c) Poolvereinbarungen . . . . . . . . . . . 200 d) Pool-in-Pool-Vereinbarungen . . . 202 e) „Frühstücks-Pool“ . . . . . . . . . . . . 203 f) Nahe Verwandte und FamilienPools . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 g) Gesellschaft und ihre geschäftsführenden Organmitglieder . . . . . 209 h) Berater, Rechtsanwälte. . . . . . . . . 210 i) Konzerninterne Vereinbarung . . 211a 9. Ermächtigung für Rechtsverordnung (§ 22 Abs. 5 WpHG) . . . . . . . . . 212
179 179 182
XIV. Abschließender Katalog von Zurechnungstatbeständen? . . . . . . . . . . 213
183 185 191
Anhang zu § 22 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . 251 Kommentierung des § 32 Abs. 2–5 InvG
XV. Inhalt der Meldung . . . . . . . . . . . . . . 214
193
I. Regelungsgegenstand und Regelungszweck Nach § 22 WpHG werden dem Meldepflichtigen unter bestimmten Umständen 1 Stimmrechte aus Aktien des Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist (s. § 21 Abs. 2 WpHG) und die einem Dritten gehören, zugerechnet. Entsprechende Zurechnungsvorschriften finden sich etwa in § 20 Abs. 1 (i.V.m. § 16 Abs. 4), Abs. 2 und § 134 Abs. 1 Satz 3 und 4 AktG, § 30 WpÜG sowie in § 290 Abs. 3 Satz 1 und 2 HGB. Bei den einzelnen Zurechnungstatbeständen des § 22 WpHG unterscheiden sich die 2 Regelungszwecke: Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, erstens dem Meldepflichtigen all diejenigen Stimmrechte zuzurechnen, auf deren Ausübung er von Rechts wegen oder faktisch Einfluss hat oder haben kann1. Das Gesetz geht dabei von einer abstrakten Betrachtung aus. Voraussetzung für die Zurechnung ist daher nicht, dass der Dritte einen rechtlich abgesicherten Anspruch darauf hat, dass seine Weisungen befolgt werden; und die Zurechnung entfällt auch nicht deshalb, weil derjenige, dem zugerechnet wird, tatsächlich keinen Einfluss nimmt und/oder erklärt, er werde in der Zukunft keinen Einfluss nehmen2. So kann sich der Dritte nicht dadurch der Zurechnung 1 OLG Frankfurt/M. v. 25.6.2004 – WpÜG 5, 6 und 8/03, ZIP 2004, 1304 (1312); Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, Anh. § 22, § 22 WpHG Rz. 1; Hildner, Kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz verbundener Unternehmen, 2002, S. 63; Casper, ZIP 2003, 1469; Seibt, ZIP 2004, 1830. 2 Ebenso für § 30 WpÜG: von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 30, 34; von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 22 Rz. 27.
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§ 22
Zurechnung von Stimmrechten
entziehen, dass er einen Entherrschungsvertrag abschließt1. § 22 WpHG will damit sicherstellen, dass in der Markt-Öffentlichkeit ein zutreffendes Bild über die rechtlichen und tatsächlichen Stimm-, Einfluss- und Machtverhältnisse bei der Gesellschaft („hidden ownership“) entsteht. 4
Sinn und Zweck der Vorschrift ist es zweitens, die Markt-Öffentlichkeit frühzeitig über den Aufbau oder Abbau wesentlicher Beteiligungen zu informieren (s. dazu auch Vor § 21 Rz. 19)2. So hat derjenige, der durch Willenserklärung erwerben kann (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpHG), in der Regel noch keinen rechtlichen oder tatsächlichen Einfluss auf die Stimmrechte. Der Meldepflichtige hat jedoch eine gesicherte Rechtsposition, die ihm den Aufbau eines Pakets ermöglicht. Durch § 22 WpHG soll zugleich Umgehungsstrategien entgegengewirkt werden. Hieran hat sich die Auslegung zu orientieren3.
5
§ 22 WpHG bildet damit das regelungstechnische Herzstück der Offenlegungsvorschriften im Wettlauf gegen Konflikt- und Vermeidungsstrategien; denn wer Publizität scheut, wird nach Lücken in den Zurechnungstatbeständen suchen. Eine vertiefte Analyse zeigt hierbei, dass die Hasen röchelnd auf der Strecke bleiben, weil die publizitätsscheuen Igel bei der Suche nach Vermeidungsstrategien leicht fündig werden; denn die gesetzliche Regelung ist „mehr Loch als Käse“4.
6
Wenig überzeugend ist daher das Verbot von satzungsmäßigen Höchststimmrechten bei Emittenten, die nach deutschem Aktienrecht organisiert sind, mit der – unzutreffenden – Begründung, ein heimliches Aufkaufen größerer Anteile werde durch die Mitteilungspflichten nach dem WpHG erschwert5.
7
§ 22 WpHG setzt Art. 7 und 8 Transparenzrichtlinie I in deutsches Recht um. § 22 WpHG übernimmt hierbei teilweise wörtlich den Richtlinientext. Im Gegensatz zum ausländischen Recht wird auf weiter gehende Zurechnungstatbestände verzichtet. So fehlt etwa eine Zurechnung von Stimmrechten aus Aktien, die anderen Familienmitgliedern gehören.
8
Abgesehen wurde von der Umsetzung des Art. 7 Unterabsatz 1 Anstr. 4 Transparenzrichtlinie I, da nach deutschem Recht eine isolierte Übertragung des Stimmrechts nicht zulässig ist6. Kein Gebrauch gemacht wurde bei der Umsetzung von der Wahlmöglichkeit des Art. 7 Unterabsatz 2 Transparenzrichtlinie I.
9
Durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz wurde § 22 WpHG an die Transparenzrichtlinie II vom 15.12.20047, geändert durch die Änderungsrichtlinie vom 11.3.20088 angepasst. Das gilt insbesondere für § 22 Abs. 1 Nr. 6 WpHG. Ausdrück1 Vgl. Hildner, Kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz verbundener Unternehmen, 2002, S. 82. 2 A.A. von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 22 Rz. 3. 3 A.A. Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 57; Steuer/Baur, WM 1996, 1477 (1478); wie hier für § 30 WpÜG: Uwe H. Schneider, in: Assmann/Pötzsch/ Uwe H. Schneider, § 30 WpÜG Rz. 4, 8. 4 Zustimmend LG München v. 6.5.2004 – 4 HKO 929/04, AG 2005, 53; s. jetzt auch Uwe H. Schneider/Anzinger, ZIP 2009, 1. 5 Begr. zu § 134 AktG; RegE eines Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG), ZIP 1997, 2059. 6 Begr. RegE zu § 22 Abs. 1 WpHG, BT-Drucks. 12/6679, S. 54; s. auch zur Lage in Österreich: Kalss, ÖBA 1993, 615 (623). 7 ABl. EG Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 38. 8 ABl. EG Nr. L 76 v. 19.3.2008, S. 50.
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§ 22
lich geregelt wurde auch der Fall, dass der Meldepflichtige zur nicht weisungsgebundenen Stimmrechtsausübung bevollmächtigt wird (s. Rz. 116 ff.). § 22 Abs. 3a WpHG setzt Art. 12 Abs. 5 Satz 1 der Transparenzrichtlinie II um. § 22 Abs. 4 WpHG beruht auf Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 des Entwurfs der Durchführungsrichtlinie 206/X/EG der Europäischen Kommission. § 22 Abs. 5 WpHG begründet eine neue Ermächtigungsgrundlage für Rechtsverordnungen. § 25 und § 25a WpHG, nämlich die 2. und die 3. Säule des Offenlegungsrechts, enthalten keine Zurechnungsvorschriften, die § 22 WpHG vergleichbar wären. In den genannten Vorschriften heißt es nur, dass auch „mittelbar“ gehaltene Instrumente zur Meldepflicht führen können (s. bei § 25a Rz. 20).
II. Verhältnis zu § 30 WpÜG Die Zurechnungsvorschriften in § 16 Abs. 4 AktG, § 20 Abs. 2 AktG und § 22 WpHG 10 sind ganz und gar unterschiedlich. Dagegen war der Wortlaut von § 22 WpHG und § 30 WpÜG mit den nötigen Abänderungen identisch. Damit sollte die enge inhaltliche Verknüpfung des WpHG zu den Vorschriften des WpÜG hergestellt werden1. Durch wortgleiche Zurechnungsvorschriften wollte der Gesetzgeber Irritationen am Kapitalmarkt vermeiden. Nun entstehen Irritationen in der Rechtsanwendung. Inzwischen sind der Wortlaut und die Tatbestandsvoraussetzungen in den §§ 21 ff. 10a WpHG und §§ 29 f. WpÜG vor allem durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG) auseinandergelaufen. So wurde etwa in § 21 Abs. 1 Satz 2 WpHG eine Sondervorschrift für Depositary Receipts aufgenommen. Eine entsprechende Vorschrift fehlt in § 30 WpÜG. Die abgestimmte Anpassung des Wortlauts des § 22 WpHG erfolgte durch Art. 2 Ge- 11 setz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen. In der Begr. RegE zu § 30 WpÜG heißt es dazu, veranlasst seien die Modifikationen des früheren § 22 WpHG und des hieran anknüpfenden § 30 WpÜG durch die mit der Anwendung des § 22 WpHG gewonnenen Erfahrungen. Die Anpassungen dienten zum einen der Klarstellung bestimmter Sachverhalte, deren Einordnung in der Praxis zu Zweifelsfragen Anlass gegeben hat. Zum anderen sollten bestehende Lücken bei der Zurechnung geschlossen werden. Im Ergebnis ist dies aber nur zum Teil gelungen. Zweifelsfragen wurden nicht geklärt. Wesentliche Lücken wurden nicht geschlossen.
III. Auslegung Die Auslegung von § 22 WpHG und § 30 WpÜG sollte nach dem Willen des 12 Gesetzgebers identisch sein2. Dem „Grundsatz des Gleichlaufs“ folgt auch die Verwaltungspraxis. Zwingend und überzeugend ist dies nicht3; denn die Zurechnungs1 Begr. RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 53, 70. 2 Begr. RegE, BT-Drucks. 14/7034, S. 53, 70; ebenso: Möller, AG 2002, 170 (174); Liebscher, ZIP 2002, 1009. S. auch European Securities Markets Expert Group, Preliminary Views on the definition of „acting in concert“ vom 17.11.2008. 3 Ebenso OLG Stuttgart v. 10.11.2004 – 20 U 16/03, AG 2005, 125 (129); Koppensteiner, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2004, Anh. § 22, §§ 21 ff. WpHG Rz. 19; Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, Anh. § 22, § 22 WpHG Rz. 3; Seibt, ZIP 2005, 732 f.; Uwe H. Schneider, in: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 30 WpÜG Rz. 91; Franck, BKR 2002, 709; von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 19; Borges, ZIP 2007, 357 (361); Gätsch/
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Zurechnung von Stimmrechten
vorschriften stehen in einem ganz unterschiedlichen Regelungszusammenhang. Die §§ 21 ff. WpHG dienen der Offenlegung wesentlicher Beteiligungen und damit der Transparenz im Kapitalmarkt. § 30 WpÜG ist dagegen mit den Vorschriften, und zwar insbesondere mit den Folgen bei einem Kontrollerwerb zu lesen. Den freien Aktionären soll die Möglichkeit eröffnet werden, noch vor der möglichen Konzernierung der Zielgesellschaft ihre Aktien zu veräußern. Transparenz ist nicht Ziel dieser Vorschrift1. 12a Die Auslegung von § 22 hat zudem richtlinienkonform zu erfolgen, und zwar insbesondere im Blick – auf Art. 7 und 8 der Transparenzrichtlinie I vom 12.12.19882, – auf die Transparenzrichtlinie II vom 15.12.20043 sowie – auf die Durchführungsrichtlinie vom 8.3.20074. 13
Entsprechende europarechtliche Vorgaben fehlen für § 30 WpÜG. Die EU-Übernahmerichtlinie5 enthält keine umfassende Zurechnungsnorm, sondern nur in Art. 2 lit. d eine Definition der „gemeinsam handelnden Personen“ (s. bei Rz. 161 ff.). Die „überschießende Rechtsangleichung“6 durch die Wortgleichheit der Vorschriften verlangt keine identische Auslegung7. Vielmehr kann der unterschiedliche Sinn und Zweck der Vorschriften, nämlich die Herstellung von größtmöglicher Transparenz einerseits und insbesondere die Einführung eines Pflichtangebots bei Kontrolle der Zielgesellschaft andererseits, eine unterschiedliche Auslegung von § 22 WpHG und § 30 WpÜG verlangen8.
14
Verweisungen in § 7 Abs. 1 Gesetz über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften und in § 1 Abs. 9 Satz 2 KWG auf § 22 WpHG haben für die Auslegung der Vorschrift keine Bedeutung. Insbesondere bedarf es keiner wechselseitigen Abstimmung.
IV. Der Grundsatz der mehrfachen Zurechnung 15
Werden Stimmrechte einem Meldepflichtigen zugerechnet, so sind die Stimmrechte bei dem Aktionär, dessen Stimmrechte zugerechnet werden, nicht hinwegzurechnen. Eine „Absorption“ (Abzug) findet nicht statt. Bei den Mitteilungspflichten nach § 21 WpHG gilt vielmehr der Grundsatz der doppelten Meldepflicht9. Der Grundsatz der
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Schäfer, NZG 2008, 846 (848); von Bülow, in: FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 141, 154; a.A. Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (410); Möller, AG 2002, 170 (174); Schockenhoff/Schumann, ZGR 2005, 568 (608). von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 20; Seibt, ZIP 2005, 729 (733); a.A. Wackerbarth, ZIP 2005, 1217 (1218). ABl. EG Nr. L 348 v. 17.12.1988; Einzelheiten Vor § 21 Rz. 39. ABl. EG Nr. L 390 v. 31.12.2004, S. 38. ABl. EG Nr. L 68 v. 9.3.2007, S. 27. EU-Richtlinie betr. Übernahmeangebote vom 21.4.2004, ABl. EG Nr. L 142 v. 30.4.2004, S. 12. Zur überschießenden Umsetzung von Richtlinien: Habersack/Mayer, JZ 1999, 913; Hommelhoff, in: FS 50 Jahre BGH, 2000, Band 2, S. 889, 913. Franck, BKR 2002, 709; Holzborn, in: Zschocke/Schuster (Hrsg.), Bad Homburger Handbuch zum Übernahmerecht, 2003, Rz. C 26. Ebenso Hirte, in: KölnKomm. WpHG, § 22 Rz. 13; Mülbert, Bankrechtstag 2006, S. 141, 150; Fleischer, ZGR 2008, 185 (196); eingehend: Uwe H. Schneider, WM 2006, 1321 (1322). S. auch bei § 21 Rz. 93 sowie OLG München v. 9.9.2009 – 7 U 1997/09, ZIP 2009, 2095 (2096) = AG 2009, 793; Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, Anh. § 22, § 22
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§ 22
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mehrfachen Zurechnung gilt entsprechend für § 30 WpÜG1. Daher können etwa hinsichtlich derselben Stimmrechtsanteile mehrere Personen verpflichtet sein, eine Meldung abzugeben. Exemplarisch ist dies beim Abstimmen des Verhaltens durch eine Vielzahl von Personen (§ 22 Abs. 2 WpHG). Alle Beteiligten können zur Offenlegung verpflichtet sein. Sind in der Person des Meldepflichtigen mehrere Zurechnungstatbestände verwirk- 16 licht, so ist nur einfach zuzurechnen; denn der Betreffende kann, so wird vermutet, nur einmal auf die Ausübung des Stimmrechts Einfluss nehmen2. Hat ein Tochterunternehmen 5 % der Aktien einer börsennotierten Gesellschaft erworben und die Aktien zugleich treuhänderisch an das Mutterunternehmen übertragen, so werden die Stimmrechte dem Mutterunternehmen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 WpHG zugerechnet. Zu melden sind durch das Mutterunternehmen aber nur 5 %. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG gilt bei der Sicherungsübereignung ausnahmsweise der Grundsatz der alternativen Zurechnung (s. Rz. 93). Die Besonderheit dieser Vorschrift besteht darin, dass unter bestimmten Voraussetzungen der Aktionär, dem das Stimmrecht zusteht, nicht meldepflichtig ist.
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V. Der Grundsatz der Kettenzurechnung 1. Regelungsproblem Da § 22 WpHG einen Katalog von Zurechnungstatbeständen enthält, stellt sich die 18 Frage, ob jeder Zurechnungstatbestand für sich abschließend zur Anwendung gelangt (Einzelzurechnung) oder ob dem Meldepflichtigen auch die dem Dritten seinerseits zuzurechnenden Stimmrechte zuzurechnen sind (Kettenzurechnung)3. Beispiel: Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG sind den Stimmrechten des Meldepflichtigen auch die Stimmrechte aus Aktien zuzurechnen, die einem Tochterunternehmen des Meldepflichtigen gehören. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpHG gilt das Entsprechende für Stimmrechte aus Aktien, an den zugunsten des Meldepflichtigen ein Nießbrauch bestellt ist. Sind dem Meldepflichtigen auch Stimmrechte aus Aktien zuzurechnen, an denen zwar nicht zugunsten des Meldepflichtigen, wohl aber zugunsten eines Tochterunternehmens des Meldepflichtigen ein Nießbrauch bestellt ist? 2. Gesetzlich geregelte Kettenzurechnung (§ 22 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 WpHG) Die Kettenzurechnung ist in zwei Fällen ausdrücklich gesetzlich geregelt. Zum ei- 19 nen erfolgt eine Kettenzurechnung nach § 22 Abs. 1 Satz 2 WpHG, wenn einem „Tochterunternehmen“ seinerseits Stimmrechte nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2–6 WpHG zugerechnet werden. Unabhängig von der Höhe der Beteiligung ist die ZuWpHG Rz. 4; Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 21 WpHG Rz. 36; Hildner, Kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz verbundener Unternehmen, 2002, S. 100; Fiedler, Mitteilungen über Beteiligungen von Mutter- und Tochterunternehmen, 2005, S. 89; von Bülow/Petersen, NZG 2009, 1373 (1375) sprechen vom „Grundsatz der doppelten Stimmrechtserfassung“; Fleischer/Bedkowski, DStR 2010, 933. 1 Uwe H. Schneider, in: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 30 WpÜG Rz. 9, 10 ff.; von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 29. 2 Ebenso für § 30 WpÜG: von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 33; Löhdefink, Acting in Concert und Kontrolle im Übernahmerecht, 2007, S. 225. 3 Burgard, BB 1995, 2069 (2077) spricht von „kumulierender Zurechnung“.
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rechnung in voller Höhe vorzunehmen (§ 22 Abs. 1 Satz 3 WpHG)1. Dahinter steht der Gedanke, dass das Mutterunternehmen nicht nur die Stimmrechte aus Aktien, die dem Tochterunternehmen gehören, beeinflussen kann, sondern auch die Stimmrechte, die dem Tochterunternehmen seinerseits zugerechnet werden. 20
Das Entsprechende gilt nach § 22 Abs. 2 Satz 2 WpHG bei einer Zurechnung auf Grund abgestimmten Verhaltens. Dem Meldepflichtigen werden hiernach nicht nur die Stimmrechte des Dritten zugerechnet, mit dem er sein Verhalten abstimmt, sondern auch die Stimmrechte, die dem Dritten nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2–6 WpHG zugerechnet werden. Das folgt aus der Verweisung auf § 22 Abs. 1 Satz 2 WpHG. Zugerechnet werden ferner die Stimmrechte der Tochterunternehmen des Dritten. Das kann im Ergebnis zu einer mehrgliedrigen Kettenzurechnung führen: Dem Meldepflichtigen werden nach § 22 Abs. 2 Satz 2 WpHG nicht nur die Stimmrechte des Dritten und die Stimmrechte der Tochterunternehmen des Dritten, sondern auch die Stimmrechte zugerechnet, die dem Tochterunternehmen des Dritten zugerechnet werden. 3. Gesetzlich nicht geregelte Kettenzurechnung
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Im Übrigen sprechen Sinn und Zweck für eine weiter gehende Kettenzurechnung, soweit der Meldepflichtige Einfluss auf die Ausübung der Stimmrechte hat. Dies ist für jede Fallgruppe getrennt zu prüfen2. Für § 22 WpHG folgt dies mittelbar aus einer richtlinienkonformen Auslegung des Art. 7 Abs. 1 Anstr. 7 Transparenzrichtlinie I. Danach kommt es nämlich nicht nur auf eine Erwerbsmöglichkeit seitens des Meldepflichtigen oder eines von ihm kontrollierten Unternehmens, sondern auch auf eine Erwerbsmöglichkeit seitens „der anderen unter den vorstehenden Gedankenstrichen bezeichneten Personen“ an.
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Im Blick hierauf ist eine Kettenzurechnung geboten bei Stimmrechten, die einem Treuhänder in seiner Funktion als Treuhänder zugerechnet werden (Kettentreuhand)3. Dagegen verbietet sich eine Kettenzurechnung im Blick auf die in § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 4, 5 und 6 WpHG genannten Dritten; denn der Meldepflichtige hat insoweit keinen Einfluss auf die Stimmrechte, die diesen Dritten zugerechnet werden.
VI. Information und Auskunft 1. Informationseinholungspflicht des Meldepflichtigen 23
Angesichts der schwerwiegenden Folgen bei unterlassener Offenlegung lassen sich die in § 22 WpHG enthaltenen Zurechnungstatbestände nur rechtfertigen, wenn erstens dem Meldepflichtigen eine Informationseinholungspflicht (Informationsverschaffungspflicht) obliegt, wenn diese zweitens von einem abgestimmten System von Informationspflichten des Dritten und Auskunftsrechten des Meldepflichtigen
1 Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 24; Burgard, BB 1995, 2069 (2077); Witt, AG 2001, 233 (240); Hildner, Kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz verbundener Unternehmen, 2002, S. 100 ff.; von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 22 Rz. 59. 2 Koppensteiner, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2004, Anh. § 22, §§ 21 ff. WpHG Rz. 21; s. auch LG Köln v. 6.7.2005 – 82 O 150/04, AG 2005, 696 (699). 3 A.A. von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 22 Rz. 63, 67.
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begleitet werden und wenn drittens dem Meldepflichtigen über Bestand und Höhe ein entsprechender Auskunftsanspruch zusteht1. Der Meldepflichtige hat dafür zur sorgen, dass ihm die Sachverhalte bekannt werden, 24 die zu einer Zurechnung von Stimmrechten führen. Dabei besteht das Problem, welchen Umfang diese Informationsverschaffungspflicht hat, ob regelmäßig abzufragen ist oder ob nur nach Ablauf gewisser Zeiträume eine Nachfrage geboten ist. Abzustellen ist auf den Einzelfall. Ist in einem Einzelfall eine Änderung zu erwarten, die aufgrund der Zurechnung zu einer Überquerung einer Meldeschwelle führen wird, so ist durch den Meldepflichtigen nachzufragen. Muss der Meldepflichtige davon ausgehen, dass sich bei dem Dritten, dessen Stimmrechte ihm zugerechnet werden, in regelmäßigen Abständen Änderungen im Bestand ergeben, so muss er für ein entsprechendes Informationssystem sorgen. So können insbesondere kontrollierte Unternehmen durch das Mutterunternehmen zu verpflichten sein, taggleich Bericht zu erstatten. 2. Auskunftsrecht des Meldepflichtigen a) Damit der Mitteilungspflichtige seiner Meldepflicht nachkommen kann, bedarf es 25 bei einzelnen Zurechnungstatbeständen eines entsprechenden Anspruchs auf Auskunft gegenüber dem Aktionär. Dieser folgt teilweise schon aus den besonderen gesetzlichen oder vertraglichen Beziehungen zwischen dem Aktionär und dem Mitteilungspflichtigen. Im Verhältnis zu den kontrollierten Unternehmen folgt dies aus einer entsprechenden Anwendung von § 294 Abs. 3 HGB2. Der Aktionär seinerseits ist zur Auskunft verpflichtet, ohne Rücksicht darauf, ob er seinen Sitz im Inland oder im Ausland hat. Damit werden nicht exterritoriale Pflichten begründet. Sie knüpfen vielmehr an die Mitgliedschaft im Inland an.
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Problematisch ist die Lage allerdings bei einer Kettenzurechnung, wenn das zur Auskunft verpflichtete Unternehmen seinen Sitz im Ausland hat. Entgegenstehendes ausländisches Organisationsrecht oder Abwehrgesetze können hier dazu führen, dass das Auskunftsrecht nicht greift.
27
b) Zur Geltendmachung des Auskunftsanspruchs ist durch den Meldepflichtigen vorzutragen, dass konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er in Verbindung mit der Zurechnung nach § 22 WpHG eine Meldeschwelle erreicht, überschreitet oder unterschreitet.
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3. Informationspflicht des Aktionärs gegenüber Meldepflichtigen Offen gelassen ist im Gesetz, ob der Aktionär einen Dritten, etwa das herrschende Unternehmen, dem die von ihm gehaltenen Aktien zugerechnet werden, über den Aktienbestand und Veränderungen hiervon unaufgefordert informieren muss. Unterlässt dies das kontrollierte Unternehmen, so ruhen die Stimmrechte des herrschenden Unternehmens aus eigenen Aktien, solange es nicht gemeldet hat (§ 28 WpHG). Schwerer Schaden kann entstehen, wenn das herrschende Unternehmen gleichwohl die Stimmrechte ausübt. Vor diesem Hintergrund wird man im Interesse eines aus1 Uwe H. Schneider, in: FS Brandner, 1996, S. 565, 573; a.A. von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 22 Rz. 38, weil nicht ausdrücklich vorgesehen; s. aber auch von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 46. 2 Zurückhaltend: Windbichler, in: Großkomm. AktG, 4. Aufl. 1999, § 20 Rz. 51.
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gewogenen Auskunfts- und Informationssystems zur Sicherung der Offenlegungspflichten davon ausgehen können, dass der Aktionär zur Information Dritter verpflichtet ist, wenn er Anhaltspunkte dafür hat, dass die Zurechnung bei einem Dritten zu einer Meldepflicht führt. Dies gilt auch dann, wenn der Aktionär selbst sein Stimmrecht nicht ausüben will.
VII. Einem Tochterunternehmen gehören (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG) 1. Tochterunternehmen (§ 22 Abs. 3 WpHG) 30
Dem Meldepflichtigen zuzurechnen sind Stimmrechte aus Aktien, die einem Tochterunternehmen des Meldepflichtigen gehören oder dem Tochterunternehmen seinerseits zugerechnet werden1. Der Begriff „Tochterunternehmen“ wird in § 22 Abs. 3 WpHG definiert. Es ist richtlinienkonform auszulegen. Durch § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG wurde Art. 7f der Transparenzrichtlinie I (88/627 EWG) umgesetzt. Die Vorschrift wurde sodann durch die Transparenzrichtlinie II geändert (s. Vor § 21 Rz. 8). Aus diesem Grund ist der Begriff „Tochterunternehmen“ im Lichte des Begriffs „kontrolliertes Unternehmen“, definiert in Art. 2 Abs. 1 Buchst. f in der Transparenzrichtlinie II, auszulegen. Er ist nicht identisch mit dem Begriff „Tochterunternehmen“ i.S. von § 290 HGB. Auch die Begriffsbildung im aktienrechtlichen Konzernrecht, das vorrangig dem Schutz der Minderheitsaktionäre und der Gläubiger des abhängigen Unternehmens dient2, hilft nur begrenzt weiter. Maßstab der Auslegung ist vielmehr das Interesse des Marktes an der Transparenz wesentlicher Beteiligungen. Das verlangt eine weite Auslegung3.
31
So braucht es sich bei den Tochterunternehmen nicht um Kapitalgesellschaften zu handeln, wie dies § 290 Abs. 1 Satz 1 HGB verlangt. Das folgt schon aus dem Wortlaut des § 22 Abs. 3 WpHG. „Tochterunternehmen“ kann daher auch eine OHG oder eine KG sein. Nicht verlangt ist ein eigener Geschäftsbetrieb oder die Absicht der Gewinnerzielung4. Als „Tochterunternehmen“ kommt auch eine BGB-Gesellschaft in Betracht, die nur Aktien hält oder die als Zwischenholding Einfluss vermittelt. Hat ein Meldepflichtiger Aktien in eine BGB-Gesellschaft eingebracht, an der auch seine Ehefrau eine Minderheitsbeteiligung hält, so muss er sich die Stimmrechte aus den Aktien zurechnen lassen, auch wenn die Gesellschaft keine weiteren Geschäfte betreibt. Auch kann „Tochterunternehmen“ eine Stiftung5 sein. Die Stiftung hat zwar keine Mitglieder mit Stimmrechten. Sie kann aber faktisch beherrscht werden, wenn einer Person ein Bestellungs- oder Abberufungsrecht zusteht. Natürliche Per-
1 Zum Zurechnungsprinzip im Konzern: Wiedemann, Die Unternehmensgruppe im Privatrecht, 1988, S. 23; kritisch zum wortgleichen § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpÜG: Arnold, AG 2006, 567. 2 Begr. RegE AktG 1965, Vorbem. zum Dritten Buch, bei Kropff, AktG, S. 373 ff. 3 A.A. Kindler, in: FS Hopt, 2010, S. 2081, 2084. 4 Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, Anh. § 22, § 22 WpHG Rz. 13; Fiedler, Mitteilungen über Beteiligungen von Mutter- und Tochtergesellschaften, 2005, S. 31; Sudmeyer, BB 2005, 688; für § 30 WpÜG: Versteegen, in: KölnKomm. WpÜG, § 2 Rz. 193; a.A. Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 6; von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 22 Rz. 224, 228; wie hier aber von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 63 f. 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.5.1.3.
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sonen können dagegen kein „Tochterunternehmen“ sein1; denn sie können nicht gesellschaftsrechtlich beherrscht sein. Tochterunternehmen können auch ausländische Gesellschaften sein. Entscheidend 31a ist, dass die Stimmrechte durch das ausländische Tochterunternehmen nach den Vorgaben des Mutterunternehmens ausgeübt werden. Auch das Mutterunternehmen kann ein ausländisches Unternehmen sein. Ist ein Trust, wie ihn etwa das angloamerikanische Recht kennt, rechtsfähig, so kann er „Tochterunternehmen“ sein. Der Trust ist daher seinerseits zur Meldung verpflichtet. Die Stimmrechte aus Aktien, die dem Trust gehören, werden aber auch den Trustees zugerechnet, wenn sie die Meinungsbildung des Trust durch Weisungsrechte oder faktisch durch Bestellungsund Abberufungsbefugnisse der Geschäftsleiter beherrschen2. Zuzurechnen sind die Stimmrechte aus Aktien, die dem Tochterunternehmen „gehören“. Das sind die Aktien im Eigentum des Tochterunternehmens, und zwar auch dann, wenn sie verpfändet sind. Und das sind die Aktien, die dem Tochterunternehmen zugerechnet werden.
31b
Ob die Stimmrechte dem Mutterunternehmen auch zugerechnet werden, wenn sie ruhen, z.B. weil es sich um eigene Aktien des Tochterunternehmens handelt, ist streitig. Dafür spricht, dass zeitweilige Ausübungshindernisse einer Zurechnung nicht entgegenstehen (abstrakte Betrachtungsweise)3 (s. § 21 Rz. 61).
31c
2. Mutterunternehmen § 22 Abs. 3 WpHG bezeichnet den Meldepflichtigen, dem ein Tochterunternehmen zugeordnet ist, nicht als Mutterunternehmen. Der Begriff „Mutterunternehmen“ versteht sich nur im Zusammenhang mit § 290 HGB. Zu sprechen ist vielmehr vom „Meldepflichtigen, dem zugerechnet wird“.
32
Der Meldepflichtige, dem zugerechnet wird, kann eine natürliche Person4 aber auch 33 eine Gesellschaft jeder Rechtsform, eine Stiftung oder eine Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts sein. Dazu gehört eine Personengesellschaft, nämlich in der Form der OHG, der KG oder der BGB-Gesellschaft. Auch für das Mutterunternehmen ist kein Geschäftsbetrieb erforderlich; denn in Frage steht nur die durch Mitteilungspflichten gewollte Transparenz und nicht die Lösung von Interessenkonflikten. 3. Unternehmen, die als Tochterunternehmen im Sinne des § 290 HGB gelten (§ 22 Abs. 3 Fallgruppe 1 WpHG) § 22 Abs. 3 WpHG unterscheidet zwei Fallgruppen. Zur ersten Fallgruppe gehören 34 Unternehmen, die als Tochterunternehmen i.S. des § 290 HGB gelten, ohne dass es auf die Rechtsform oder den Sitz ankommt. „Tochterunternehmen“ sind hiernach 1 OLG Stuttgart v. 10.11.2004 – 20 U 16/03, NZG 2005, 432 = AG 2005, 125. 2 Ähnlich: BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.5.1.4; a.A. wohl Kindler, in: FS Hopt, 2010, S. 2081. 3 So wohl die Praxis der BaFin, zit. nach Busch, AG 2009, 425 (427); von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 22 Rz. 56; Oechsler in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 71 Rz. 366; Singhof, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb. Kapitalmarktinformation, 2008, § 20 Rz. 33; dagegen aber Busch, AG 2009, 425. 4 OLG Stuttgart v. 10.11.2004 – 20 U 16/03, NZG 2005, 432 (435) = AG 2005, 125; OLG Stuttgart v. 15.10.2008 – 20 U 19/07, AG 2009, 124 (129); LG Köln v. 5.10.2007 – 82 O 114/06, AG 2008, 336 (338).
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erstens Unternehmen, die in einem Konzern unter der einheitlichen Leitung eines Mutterunternehmens stehen und deren Mutterunternehmen eine Beteiligung nach § 271 Abs. 1 HGB gehört. „Tochterunternehmen“ sind zweitens Unternehmen, bei denen ein anderes Unternehmen die Stimmrechtsmehrheit hält oder maßgeblichen personellen Einfluss hat oder bei denen es in Folge eines Beherrschungsvertrages oder einer Satzungsbestimmung beherrschenden Einfluss ausüben kann (§ 290 Abs. 1 HGB; § 17 AktG). „Tochterunternehmen“ sind drittens Unternehmen, bei denen eine entsprechende indirekte Kontrollrechtsstellung besteht (§ 290 Abs. 3 HGB). Und „Tochterunternehmen“ sind viertens Unternehmen, auf die der Meldepflichtige einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Mit diesen vier Fallgruppen geht das Gesetz über die vormalige Regelung in § 22 Abs. 2 WpHG a.F. erheblich hinaus. 4. Unternehmen, auf die ein beherrschender Einfluss ausgeübt werden kann (§ 22 Abs. 3 Fallgruppe 2 WpHG) 35
Tochterunternehmen i.S. von § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 22 Abs. 3 WpHG sind ferner Unternehmen, auf die ein beherrschender Einfluss ausgeübt werden kann. Auch hierbei kommt es nicht auf die Rechtsform oder den Sitz des Tochterunternehmens an.
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Beherrschender Einfluss besteht, wenn der Meldepflichtige die Geschäftspolitik des Tochterunternehmens, insbesondere aber die Bestellung, Abberufung, Anstellung und Vergütung der geschäftsführenden Organmitglieder wesentlich bestimmen kann. Der Einfluss kann rechtlich oder tatsächlich abgesichert sein. Er ist rechtlich abgesichert, wenn der Meldepflichtige durch Wahrnehmung seiner Stimmrechte Weisungen, insbesondere zur Wahrnehmung der Stimmrechte erteilen kann. Er ist tatsächlich abgesichert, wenn der Meldepflichtige aufgrund seines Einflusses auf die Bestellung, Abberufung oder Anstellung faktisch seine Vorstellungen zur Geschäftspolitik und zur Wahrnehmung der Stimmrechte durchsetzen kann1. Die Möglichkeit der Einflussnahme etwa auf Grund der Identität der Organmitglieder genügt. Nicht verlangt ist, dass auch tatsächlich Einfluss genommen wird. Die Zurechnung erfolgt, um dem Markt die Machtverhältnisse beim Emittenten, insbesondere bei Wahrnehmung der Stimmrechte, zu vermitteln. Entherrschungsverträge lassen die Abhängigkeit nicht entfallen2; denn der Ausschluss der Stimmrechtsausübung durch Vertrag hindert nicht die Ausübung des Stimmrechts, mag diese auch vertraglich unzulässig sein.
37
Schuldrechtliche oder sonstige faktische Abhängigkeiten, etwa als Folge von Kreditoder Lieferverträgen, reichen nicht aus. Dies gilt auch dann, wenn sie neben einer Beteiligung zur tatsächlichen Abhängigkeit führen3. Daher muss sich der Meldepflichtige die Stimmrechte aus Aktien seines Zulieferers oder seiner kreditgewährenden Bank nicht zurechnen lassen.
1 LG Köln v. 5.10.2007 – 82 O 114/06, AG 2008, 336 (338); Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 18. 2 OLG Frankfurt/M. v. 22.5.2007 – 5 U 33/06, AG 2008, 87; a.A. Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 22 WpHG Rz. 40. 3 So zur Auslegung des § 17 AktG: BGH v. 26.3.1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381 (395) = AG 1984, 181; Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, § 3 Rz. 21 ff.; Hüffer, § 17 AktG Rz. 8; Koppensteiner, in: FS Stimpel, 1985, S. 811.
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5. KG und GmbH & Co. KG Steht der GmbH als Komplementärin die Geschäftsführung der KG zu und kann sie 38 daher entscheiden, wie die Stimmrechte, die der KG zustehen, ausgeübt werden, ist sie ein Mutterunternehmen i.S. von § 290 Abs. 1 HGB. Nicht erforderlich ist, dass die GmbH auch anderweitige unternehmerische Interessen vefolgt1; denn es geht um Transparenz des Einflusses und nicht um konzerntypische Interessenkonflikte, die in § 311 AktG aufgegriffen sind. Einer Zurechnung steht nicht entgegen, dass die GmbH ihren Einfluss als geschäftsführendes Organ der KG ausüben kann. Die KG ist Tochterunternehmen2. Der Komplementär-GmbH werden daher die 38a Stimmrechte aus Aktien, die der KG gehören, zugerechnet. Die KomplementärGmbH kann auch ihrerseits Tochterunternehmen sein, was zur Kettenzurechnung führt. Ist der GmbH die Geschäftsführungsbefugnis entzogen, entfällt die Zurechnung. 38b Sind weitere Komplementäre bestellt, hängt die Zurechnung davon ab, ob die GmbH bestimmen kann, wie die Stimmrechte aus den Aktien, die der KG gehören, ausgeübt werden. Das Entsprechende gilt, wenn der Komplementär eine natürliche Person ist. Auch er muss sich die Stimmrechte der KG zurechnen lassen. Die KG gilt dann als Tochterunternehmen des Komplementärs3. Ist (Allein-)Gesellschafterin der GmbH die KG (Einheitsgesellschaft), soll die GmbH nicht Mutterunternehmen sein4. In diesem Fall entscheiden letztlich die Kommanditisten über die Ausübung der Stimmrechte. Ihnen werden sie zugerechnet. 6. Mehrstufiger Konzern Bei verschachtelten Beteiligungs- und Konzernstrukturen kommt es zu erheblichen 39 Anwendungsproblemen. Hat der Meldepflichtige mehrere Tochterunternehmen, besteht ein mehrstufiges Mutter- und Tochterverhältnis, so werden dem Meldepflichtigen die Stimmrechte aller Tochterunternehmen zugerechnet. Die Aktien müssen dem „Tochterunternehmen“ gehören. Es muss folglich Inhaber der Mitgliedschaft sein. Dem Meldepflichtigen werden die Stimmrechte der Tochterunternehmen nicht quotal abhängig von der Höhe der Beteiligungsquote, sondern in voller Höhe zugerechnet (§ 22 Abs. 1 Satz 3 WpHG); denn der Meldepflichtige kann auf sämtliche Stimmrechte der Tochterunternehmen Einfluss nehmen. Sein Einfluss begrenzt sich nicht auf seine Beteiligungsquote5.
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Im mehrstufigen Konzern kann auch ein nachgeordnetes Unternehmen seinerseits Mutterunternehmen sein, dem die Stimmrechte der Enkel- und Urenkelgesellschaften zugerechnet werden. Hier entstehen Zurechnungspyramiden durch Kettenzurechnung.
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1 Ebenso für § 30 WpÜG: von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 76. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.5.1.2; a.A. Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 19; von Bülow, in: Köln.Komm. WpHG, § 22 Rz. 233. 3 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.5.1.2. 4 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.5.1.2. 5 BT-Drucks. 14/7034, S. 53; für § 30 WpÜG: Uwe H. Schneider, in: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 30 WpÜG Rz. 19; Diekmann, in: Baums/Thoma, § 30 WpÜG Rz. 25; Witt, AG 2001, 233 (237); Holzborn, in: Zschocke/Schuster (Hrsg.), Bad Homburger Handbuch zum Übernahmerecht, 2003, Rz. C 26.
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7. Mehrfache Abhängigkeit, gemeinsame Beherrschung (Gemeinschaftsunternehmen) 42
Wirken mehrere Unternehmen derart zusammen, dass sie gemeinsam einen beherrschenden Einfluss auf ein anderes Unternehmen ausüben können, so gilt nach § 36 Abs. 2 Satz 2 GWB jedes von ihnen als herrschendes Unternehmen. In § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG fehlt eine ausdrückliche Bestimmung für den Fall mehrfacher Abhängigkeit1 und gemeinsamer Beherrschung. Es fehlt damit auch eine ausdrückliche Bestimmung für Gemeinschaftsunternehmen. Es gilt jedoch das Entsprechende wie nach § 36 Abs. 2 Satz 2 GWB: Ein Tochterunternehmen kann von mehreren Mutterunternehmen abhängig sein und von diesen gemeinsam beherrscht werden. Sowohl bei bestehender Abhängigkeit2 als auch bei einer Konzernlage (Gemeinschaftsunternehmen) können mehrere Unternehmen Mutterunternehmen desselben Tochterunternehmens sein3. In der Praxis folgt daraus ein faktischer Einigungszwang auch darüber, wie Stimmrechte ausgeübt werden4. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG verlangt nicht, dass das Mutterunternehmen eine Mehrheitsbeteiligung an dem Tochterunternehmen hält.
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Geht man hiervon aus und sieht in den in der Praxis üblichen Vermögensverwaltungsgesellschaften eine Sonderform von einem Gemeinschaftsunternehmen, so sind deren Stimmrechte den Gesellschaftern des Gemeinschaftsunternehmens zuzurechnen.
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Problematisch ist es, ob die Zurechnung in vollem Umfang oder quotal vorzunehmen ist. Nach § 22 Abs. 1 Satz 3 WpHG sind Stimmrechte eines Tochterunternehmens dem Mutterunternehmen in voller Höhe zuzurechnen. Offen bleibt, ob dies auch gilt, wenn ein Tochterunternehmen mehrere Mutterunternehmen hat, oder ob es einer teleologischen Reduktion bedarf. Für eine volle Zurechnung spricht, dass jedes Mutterunternehmen herrschend ist und Einfluss ausüben kann oder an der Leitung beteiligt ist5. Dem steht nicht entgegen, dass die Zurechnung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG nur quotal erfolgt. 8. Ausnahme für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (§ 22 Abs. 3a WpHG)
45
Durch § 22 Abs. 3a WpHG wird Art. 12 Abs. 5 Satz 1 der Transparenzrichtlinie II vom 15.12.2004 umgesetzt. Die Vorschrift wird durch Art. 10 der Durchführungsrichtlinie vom 8.3.2007 (2007/14/EG)6 näher konkretisiert. Die EG-DurchführungsRichtlinie ist ihrerseits durch die Transparenzrichtlinie-Durchführungsverordnung – TranspRLDV vom 13.3.20087 ins deutsche Recht umgesetzt.
1 S. dazu LG Bielefeld v. 12.11.1999 – 13 O 37/99, DB 2000, 266. 2 BGH v. 4.3.1974 – II ZR 89/72 („Seitz-Gruppe“), BGHZ 62, 193 (199); OLG München v. 17.2.2005 – 23 W 2406/04, WM 2005, 1414 mit Anm. Sven H. Schneider, WuB I G G. § 22 WpHG 1.05; sowie dazu Geßler, ZGR 1974, 476. 3 Hüffer, § 18 AktG Rz. 16; Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 18 Rz. 43; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 17 AktG Rz. 28 ff. und § 18 AktG Rz. 18 m.w.N. 4 A.A. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.5.1.5. 5 OLG München v. 17.2.2005 – 23 W 2406/04, AG 2005, 407. 6 ABl. EG Nr. L 69 v. 9.3.2007, S. 27. 7 Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2007/14/EG der Kommission vom 8.3.2007 mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emit-
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Zurechnung von Stimmrechten
§ 22
§ 22 Abs. 3a WpHG enthält in Satz 1 eine Ausnahme von der Zurechnung von 46 Stimmrechten nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 WpHG i.V.m. § 22 Abs. 3 WpHG1. Die Ausnahme bezieht sich nur auf Wertpapierdienstleistungsunternehmen i.S. von § 2 Abs. 4 WpHG, die die Finanzportfolioverwaltung i.S. von § 2 Abs. 3 Nr. 6 WpHG betreiben. Ein solches Wertpapierdienstleistungsunternehmen gilt nicht als Tochterunternehmen, wenn die weiteren in der Vorschrift genannten Voraussetzungen, die in Art. 10 der Durchführungsrichtlinie vom 8.3.2007 (2007/14/EG)2 und in § 2 TranspRLDV definiert werden, vorliegen. a) Die Zurechnung erfolgt nur dann nicht, wenn das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Stimmrechte, die mit den betreffenden Aktien verbunden sind, aufgrund von in schriftlicher Form oder über elektronische Hilfsmittel erteilten Weisungen ausübt (Grundsatz der weisungsabhängigen Stimmrechtsausübung) oder durch geeignete Vorkehrungen sicherstellt, dass die Finanzportfolioverwaltung unabhängig von anderen Dienstleistungen und unter Bedingungen, die denen der OGAW-Richtlinie vom 20.12.19853, neu gefasst durch die Richtlinie 2009/65/EG vom 17.11.20094 und ergänzt durch die Richtlinie 2010/43/EU vom 10.7.20105, gleichwertig sind, erfolgt (Grundsatz der Unabhängigkeit des Wertpapierdienstleistungsunternehmens).
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b) Die Zurechnung erfolgt nur dann nicht, wenn der Grundsatz der Unabhängigkeit der Stimmrechtsausübung gewahrt ist. Die Anforderungen an die Unabhängigkeit der Stimmrechtsausübung ergeben sich aus §§ 2 f. TranspRLDV.
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§ 2 TranspRLDV Anforderungen an die Unabhängigkeit der Stimmrechtsausübung eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens vom Meldepflichtigen (1) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen übt die Stimmrechte im Sinne des § 22 Abs. 3a Satz 1 Nr. 2 des Wertpapierhandelsgesetzes unabhängig vom Meldepflichtigen aus, wenn 1. der Meldepflichtige oder ein anderes Tochterunternehmen des Meldepflichtigen nicht durch unmittelbare oder mittelbare Weisungen oder in anderer Weise auf die Ausübung der Stimmrechte aus den Aktien, die von dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen verwaltet werden, einwirken darf und 2. das Wertpapierdienstleistungsunternehmen die Stimmrechte aus den von ihm verwalteten Aktien frei und unabhängig von dem Meldepflichtigen und den anderen Tochterunternehmen des Meldepflichtigen ausübt. (2) Eine unmittelbare Weisung im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 ist jede auf einen bestimmten Fall bezogene Weisung zur Stimmrechtsausübung durch das Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Eine mittelbare Weisung im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 ist jede allgemeine oder besondere Weisung, durch die der Entscheidungsspielraum des Wertpapierdienstleistungsunternehmens in Bezug auf die Stimmrechtsausübung eingeschränkt wird, um bestimmten Geschäftsinteressen des Meldepflichtigen oder eines anderen Tochterunternehmens des Meldepflichtigen Rechnung zu tragen.
1 2 3 4 5
tenten, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind (BGBl. I 2008, 408). S. auch Röh, CCZ 2008, 137 mit Handlungsanweisungen. ABl. EG Nr. L 69 v. 9.3.2007, S. 27. ABl. EG Nr. L 375 v. 31.12.1985, S. 3. ABl. EG Nr. L 302 v. 17.11.2009, S. 32. ABl. EG Nr. L 176 v. 10.7.2010, S. 42.
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§ 22 49
Zurechnung von Stimmrechten
Zwei weitere Voraussetzungen müssen nach § 22 Abs. 3a WpHG erfüllt sein, damit keine Zurechnung erfolgt. Erstens muss der Meldepflichtige der BaFin den Namen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens und die, für dessen Überwachung zuständige Behörde oder das Fehlen einer solchen mitteilen. Zweitens hat der Meldepflichtige gegenüber der BaFin zu erklären, dass der Grundsatz der Unabhängigkeit der Stimmrechtsausübung erfüllt ist. Näher ausgeführt wird dies durch § 3 TranspRLDV: § 3 TranspRLDV Mitteilungspflichten des Meldepflichtigen gegenüber der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (1) Der Meldepflichtige hat die Angaben nach § 22 Abs. 3a Satz 1 Nr. 3 des Wertpapierhandelsgesetzes fortlaufend zu aktualisieren. (2) Eine Erklärung nach § 22 Abs. 3a Satz 1 Nr. 4 des Wertpapierhandelsgesetzes ist hinsichtlich der von dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen gehaltenen Finanzinstrumente im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes nicht erforderlich. (3) Der Meldepflichtige hat der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bundesanstalt) auf deren Verlangen nachzuweisen, dass 1. die Stimmrechte auf Grund seiner eigenen Organisationsstrukturen sowie derjenigen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens von ihm unabhängig ausgeübt werden und 2. die Personen, die über die Stimmrechtsausübung entscheiden, unabhängig handeln. Satz 1 Nr. 1 setzt voraus, dass der Meldepflichtige und das Wertpapierdienstleistungsunternehmen zumindest schriftliche Strategien und Verfahren festgelegt haben, die dazu bestimmt sind, den Informationsaustausch zwischen dem Meldepflichtigen und dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen in Bezug auf die Stimmrechtsausübung zu verhindern. Ist der Meldepflichtige seinerseits Kunde des Wertpapierdienstleistungsunternehmens oder hält er Anteile an einer von diesem verwalteten Beteiligung, hat er der Bundesanstalt auf deren Verlangen auch nachzuweisen, dass ein klares schriftliches Mandat besteht, das eine unabhängige Kundenbeziehung zwischen ihm und dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen vorsieht.
VIII. Für Rechnung des Meldepflichtigen gehalten (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG) 1. Meldepflicht des Halters 50
Werden Aktien für Rechnung eines Dritten gehalten, so steht das Stimmrecht dem zu, der die Aktien hält: – Meldepflichtig ist der „formal“ Berechtigte, weil ihm die Aktien gehören, obwohl er das Stimmrecht nach Weisung dessen ausüben muss, für den er die Aktien hält1. – Und meldepflichtig ist derjenige, für dessen Rechnung gehalten wird.
1 Zum Problem des empty voting und des decoupling: Hu/Black, Pensylvania Law Review 156 (2008), 625 (640).
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Zurechnung von Stimmrechten
§ 22
Eine Regelung entsprechend § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG, nämlich die Anwendung 51 des Grundsatzes der alternativen Zurechnung, fehlt bei § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG. Und damit gilt der allgemeine Grundsatz der doppelten Zurechnung1 (s. § 22 Rz. 15). 2. Auslegung nach Sinn und Zweck Das Tatbestandsmerkmal „für Rechnung des Meldepflichtigen gehalten“, findet sich 52 in unterschiedlicher Ausformulierung an vielen Stellen im Gesetz, nicht nur in § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG und § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG, sondern auch in §§ 290 Abs. 3, 313 Abs. 2 und 383 HGB und in §§ 56 Abs. 3, 71a Abs. 2, 71d, 134 Abs. 1 Satz 3, 291 Abs. 1 AktG2. Es geht jeweils um das Auseinanderfallen von rechtlicher und wirtschaftlicher Zuordnung. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG entspricht dem in § 22 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. enthaltenen Zurechnungstatbestand. Verlangt ist jeweils eine Auslegung nach Sinn und Zweck der Norm. 3. Einem Dritten gehören Die Aktien „gehören“ einem Dritten, wenn dieser Inhaber der Mitgliedschaft, also Aktionär, ist („Außenverhältnis“). Dabei ist unbeachtlich, ob zwischen dem Meldepflichtigen und dem Dritten ein gesetzliches oder ein rechtsgeschäftliches Rechtsverhältnis besteht3.
53
Es macht auch keinen Unterschied, wie der Dritte die Aktien erlangt hat, ob der 54 Treugeber die Aktien an den Treuhänder übereignet oder ob etwa ein Kreditinstitut treuhänderisch im Kundenauftrag die Aktien im Markt erworben hat4. 4. „Für Rechnung“ gehalten a) Wirtschaftliche Chancen und Risiken Für Rechnung des Meldepflichtigen ist gehalten, wenn der Meldepflichtige im Ver- 55 hältnis zum Dritten („Innenverhältnis“) die wirtschaftlichen Chancen und die wirtschaftlichen Risiken5 trägt. Es geht um die Fälle der Aufspaltung zwischen dem wirtschaftlichen Substrat einerseits und dem Stimmrecht andererseits (empty voting)6. Zu den Risiken der Aktie gehören das Bestandsrisiko sowie das Risiko, Abfindungsoder Ausgleichzahlungen zu erhalten, das Marktrisiko (Kursrisiko), das Dividendenrisiko und das Bezugsrisiko. Trägt der Meldepflichtige die wirtschaftlichen Risiken, 1 OLG München v. 9.9.2009 – 7 U 1997/09, ZIP 2009, 2095 (2096) = AG 2009, 793; krit. BGH v. 19.7.2011 – II ZR 246/09, ZIP 2011, 1862 (1864). 2 Einen guten Überblick gibt Vedder, Zum Begriff „für Rechnung“ im AktG und im WpHG, 1999. 3 Uwe H. Schneider, in: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 30 WpÜG Rz. 23. 4 Zu dieser zivilrechtlichen Vorfrage: BGH v. 25.11.1964 – V ZR 144/62, WM 1965, 173. 5 Ebenso OLG München v. 9.9.2009 – 7 U 1997/09, ZIP 2009, 2095 = AG 2009, 793; Habersack, AG 2008, 817; Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501 (1502); Fleischer/Bedkowski, DStR 2010, 933; von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 22 Rz. 65; Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 30; für § 30 Abs. 1 Nr. 2 WpÜG: Diekmann, in: Baums/Thoma, § 30 WpÜG Rz. 31; zu § 22 Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. s. 2. Aufl. des Kommentars § 22 Rz. 24; Nottmeier/Schäfer, AG 1997, 93; zu § 20 AktG: LG Hannover v. 29.3.1992 – 23 O 64 und 77/91, WM 1992, 1239; Marsch-Barner, WuB II A. § 20 AktG 1/92; Dreher, EWiR § 20 AktG 1/92, S. 113, 114; zurückhaltend: Meyer-Landrut, DZWIR 1992, 417 (423); a.A. Koppensteiner, in: FS Rowedder, 1994, S. 213, 218. 6 Seibt, ZGR 2010, 795 (797).
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§ 22
Zurechnung von Stimmrechten
so obliegen dem Dritten in der Regel eine Interessenwahrungspflicht, die Pflicht zur Rechnungslegung und die Pflicht, den Gewinn an den Meldepflichtigen abzuführen. Und dem Meldepflichtigen steht das Weisungsrecht zu, wie die Aktien zu verwalten sind, insbesondere wie das Stimmrecht auszuüben ist, ob Bezugsrechte wahrgenommen werden usw.1. b) Treuhand 56
Der Hauptanwendungsfall von § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG ist die Treuhand. Auf die Rechtsnatur der rechtlichen Beziehungen zwischen dem Meldepflichtigen und dem Dritten kommt es nicht an. In Betracht kommen unterschiedliche Formen der Vermögensverwaltung, u.a. auf Grund Auftrag, Geschäftsbesorgung oder Kommission.
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Fallen die formale Mitgliedschaft und die Zuordnung der wirtschaftlichen Chancen und der wirtschaftlichen Risiken auseinander – und das ist der Leitgedanke der Zurechnung –, so wirkt sich dies auch auf die Ausübung des Stimmrechts aus. Der Meldepflichtige hat auf Grund des von ihm zu tragenden wirtschaftlichen Risikos typischerweise auch die rechtliche, zumindest aber die tatsächliche Möglichkeit, den formalen Rechtsinhaber anzuweisen, wie er die Stimmrechte auszuüben hat (abstrakte Betrachtungsweise)2. Für die Zurechnung ist insoweit nicht erforderlich, dass der Meldepflichtige auch vertraglich berechtigt ist, die Stimmrechte auszuüben, oder auch tatsächlich Weisungen erteilt und der Aktionär damit zum bloßen Strohmann wird.
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Erfasst sind vielmehr alle Ausgestaltungsmöglichkeiten ganz unabhängig von dem Bestehen oder der Ausübung eines Weisungsrechts. Allerdings ist der bloße tatsächliche Einfluss nicht ausreichend3, wenn er nicht darauf beruht, dass der Meldepflichtige das wirtschaftliche Risiko trägt.
58a Keine Zurechnung soll bei der eigennützigen Sicherungstreuhand erfolgen4; denn in diesem Fall könne der Treugeber keinen Einfluss auf die Ausübung der Stimmrechte nehmen. Ob eine solche Einschränkung für das Übernahmerecht gilt, kann hier dahinstehen. Mit dem Sinn der Offenlegungspflichten ist eine solche einschränkende Auslegung nicht vereinbar. 5. Aufteilung des wirtschaftlichen Risikos 59
Eine Zurechnung erfolgt auch, wenn der Meldepflichtige nur einen Teil der wirtschaftlichen Chancen und Risiken trägt. Der Übergang ist fließend5. Entscheidend ist, dass das von dem Meldepflichtigen übernommene Risiko so wesentlich ist, dass der Meldepflichtige rechtlich aufgrund einer Vereinbarung oder tatsächlich die Mög1 Starke, Beteiligungstransparenz im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2002, S. 200. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.5.2; Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 31; Veil, in: FS Karsten Schmidt, 2009, S. 1645, 1649; ebenso für § 20 AktG: BGH v. 22.4.1991 – II ZR 231/90, WM 1991, 1166; Koppensteiner, in: FS Rowedder, 1994, S. 215. 3 Für § 20 AktG: LG Berlin v. 17.1.1990 – 98 AktE 10/89, WM 1990, 978. 4 Für § 30 WpÜG: von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 101; zur Sicherungsübereignung s. Rz. 92. 5 Zum Stand der Diskussion zu § 20 AktG: Koppensteiner, in: FS Rowedder, 1994, S. 213; sowie Meyer-Landrut, DZWIR 1992, 417; Marsch-Barner, WuB II A. § 20 AktG 1/92 und Dreher, EWiR § 20 AktG 1/92.
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lichkeit zu wesentlichem Einfluss auf die Ausübung der Stimmrechte hat1. Die Zurechnung erfolgt somit auch, wenn der Treuhänder kein vertragliches Recht zur Ausübung des Stimmrecht hat2. Sie erfolgt selbst dann, wenn ein Weisungsrecht des Treugebers vertraglich ausgeschlossen ist. Ein solches wesentliches Risiko trägt etwa, wer für bestimmte Aktien, die einem Kreditinstitut gehören, eine Kursgarantie oder eine Dividendengarantie übernimmt3; denn damit verbleiben die Gewinnchance, die Bezugschance und die Veräußerungschance beim Dritten. Demgemäß ist zuzurechnen. Das aber bedeutet, dass bei Cash-Settled Equity Swap die Stimmrechte, die dem Still- 59a halter zustehen, dem zugerechnet werden, der die konkrete Möglichkeit künftigen Erwerbs hat4. Die Höhe bestimmt sich nach dem Umfang der bestehenden Erwerbsmöglichkeit. Das Problem hat sich mit Einführung des § 25a WpHG keineswegs erledigt; denn die Eingangsschwelle liegt für die Mitteilungspflichten nach den §§ 21 ff. WpHG bei 3% und für die Mitteilungspflichten nach § 25a WpHG bei 5%. Die entsprechenden Überlegungen gelten für die personelle Aufteilung des wirtschaftlichen Risikos. Zuzurechnen ist auch, wenn der Dritte die Aktien zugleich auf eigene Rechnung oder auf Rechnung weiterer Personen hält, immer vorausgesetzt, dass der Meldepflichtige wenigstens ein „wesentliches Risiko“ trägt und deshalb auch wesentlichen Einfluss auf die Ausübung der Stimmrechte hat.
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Im Blick hierauf sind dem Meldepflichtigen keine Stimmrechte aus Anteilen zuzurechnen, wenn der Dritte oder ein Tochterunternehmen die Aktien treuhänderisch nur für sonstige Personen hält5.
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6. Verwaltungstreuhand a) Treuhandverhältnisse an Aktien werden in der Regel rechtsgeschäftlich begründet, 62 und zwar entweder durch Übertragung des Vollrechts an den Aktien (Treugut) auf den Treuhänder (fremdnützige Verwaltungstreuhand)6 oder durch Einräumung einer Vollmacht (Vollmachtstreuhand)7. Verbunden ist damit die Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen. Diese Pflicht zur Interessenwahrung wird durch das schuldrechtliche Innenverhältnis begründet. Exemplarisch für die Treu-
1 Ebenso Burgard, BB 1995, 2069 (2072). 2 VG Frankfurt/M. v. 18.5.2006 – 1 E 3049/05, BKR 2007, 40; Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 30; a.A. Petersen/Wille, NZG 2009, 856 (858); für § 30 WpÜG: von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 98; s. auch Habersack, AG 2008, 817 (818). 3 Offen gelassen für § 20 AktG: LG Hannover v. 29.3.1992 – 23 O 64 und 77/91, WM 1992, 1243. Marsch-Barner, WuB II A. § 20 AktG 1/92, vertritt die Ansicht, schon die Verpflichtung zur Freihaltung von allen Verlusten und Kosten genüge für eine Zurechnung. Zum Ganzen s. Koppensteiner, in: FS Rowedder, 1994, S. 217 f. 4 Habersack, AG 2008, 817; Schanz, DB 2008, 1899; Weber/Meckbach, BB 2008, 2022; a.A. Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501. 5 S. auch Schreiben des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen vom 27.5.1994, abgedr. bei Consbruch/Möller/Bähre/Schneider, KWG Nr. 4.252. 6 Coing, AcP 167 (1967), 99 ff.; Schwintowski, Bankrecht, 3. Aufl. 2011, S. 662 ff.; Mutter, AG 2006, 644; Pittroff, Die Zurechnung von Stimmrechten gem. § 30 WpÜG, 2004, S. 160. 7 Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Anh. § 22, § 22 WpHG Rz. 16; Leverenz, ZBB 1995, 159 (161).
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hand ist die Vermögensverwaltung, die sowohl nach dem Verwaltungstreuhand-Modell als auch nach dem Vollmachtstreuhand-Modell organisiert sein kann1. 63
b) Von § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG erfasst wird nur die Verwaltungstreuhand und damit auch die Vermögensverwaltung, für die das Treuhand-Modell gewählt wurde. Dem Treugeber, der die Aktien treuhänderisch auf den Treuhänder übertragen hat, sind die Stimmrechte in vollem Umfang zuzurechnen, wenn er allein das gesamte oder das wesentliche wirtschaftliche Risiko trägt, denn er kann typischerweise den Treuhänder anweisen, wie die Stimmrechte auszuüben sind. Hat folglich ein Kunde mehrere Kreditinstitute eingeschaltet, die auf seine Rechnung Aktien erwerben sollen, so werden ihm als Treugeber die Stimmen aller Aktien, die die einzelnen Kreditinstitute bereits erworben haben, zugerechnet. Meldepflichtig kann aber auch das Kreditinstitut als Treuhänder in seiner Eigenschaft als Aktionär sein; denn es gilt der Grundsatz der doppelten Zurechnung2.
63a Ist der Treugeber zugleich Beteiligter eines acting in concert, so muss sich der Treuhänder auch die Stimmrechte der Beteiligten aus dem acting in concert zurechnen lassen3. Bezweifelt wird zwar, dass der Treuhänder eine faktische Einwirkungsmöglichkeit auf die Ausübung der Stimmrechte durch die Acting-Beteiligten habe. Darauf kommt es bei der Kettenzurechnung aber gar nicht an. Entscheidend ist, dass der Stimmrechtseinfluss aller Beteiligten koordiniert wird. 64
c) Besondere Bedeutung gewinnt die Treuhand bei der Anschaffung und Verwahrung von Aktien im Ausland. Der Wertpapierkunde erwirbt vielfach kein Eigentum an den im Ausland angeschafften und verwahrten Papieren. Der kommissionsrechtliche Lieferanspruch wird durch § 22 DepotG ausgesetzt. Stattdessen erhält der Erwerber den Anspruch auf Herausgabe der Aktien aus einem Treuhandverhältnis4. Die Stimmrechte werden freilich dem Erwerber nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG zugerechnet. Zu den Meldepflichten bei Depositary Receipts s. bei § 21 Rz. 98.
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Hat eine Gesellschaft treuhänderisch Aktien auf einen „Pensionsfonds“, organisiert etwa in Form eines Vereins, übertragen („Contractual Trust Arrangement“)5, so ist der Verein meldepflichtig, weil er Aktionär ist. Der Gesellschaft, die ihre Pensionsverpflichtungen ausgelagert hat, sind die Stimmrechte zuzurechnen. Sie ist als Treugeberin meldepflichtig.
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d) Bestehen im Blick auf dasselbe Aktienpaket Treuhandverhältnisse zu mehreren Vertragspartnern (mehrgliedriges Treuhandverhältnis), verwaltet der Dritte ein Paket für mehrere Unternehmen auf deren Rechnung, hat der Dritte die Interessen dieser Unternehmen wahrzunehmen und entsprechend Rechnung zu legen, so ist zu unterscheiden: Eine Zurechnung erfolgt in diesem Fall nur – und zwar quotal –, soweit so1 Kienle, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2007, § 111 Rz. 9 f.; Schwintowski, Bankrecht, 3. Aufl. 2011, S. 663 ff. 2 Ebenso OLG München v. 9.9.2009 – 7 U 1997/09, ZIP 2009, 2095 = AG 2009, 793; a.A.Widder/Kocher, ZIP 2010, 457. 3 OLG München v. 9.9.2009 – 7 U 1997/09, ZIP 2009, 2095 = AG 2009, 793; a.A. BGH v. 19.7.2011 – II ZR 246/09, ZIP 2011, 1862; Brellochs, ZIP 2011, 2225; Widder/Kocher, ZIP 2010, 457; von Bülow/Petersen, NZG 2009, 1373; Fleischer/Bedkowski, DStR 2010, 933; wie hier auch Mayrhofer/Pirner, DB 2009, 2312. 4 BGH v. 1.2.1988 – II ZR 152/87, WM 1988, 403; Gößmann/Klanten, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2007, § 72 Rz. 136 ff. 5 Zur Ausgestaltung: Küppers/Louven, BB 2004, 337.
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wohl das wirtschaftliche Risiko, das der Betreffende anteilmäßig trägt, als auch sein Einfluss auf die Ausübung der Stimmrechte wesentlich sind1. Nicht erforderlich ist es, dass das Treuhandverhältnis wirksam zustande gekommen ist2.
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e) Hat der Dritte seinerseits als Treugeber ein weiteres Treuhandverhältnis begründet 68 (Kettentreuhand), so werden dem letzten Treugeber in der Kette die Stimmen aus Aktien nur zugerechnet, wenn ihm durch eine Kette von Treuhandverträgen letztlich die rechtliche oder faktische Stimmrechtsherrschaft zufällt3. Davon ist auszugehen, wenn ihm das wirtschaftliche Risiko aufgebürdet ist. Den zwischengeschalteten Treuhand-Vermittlern wird mangels Einfluss auf das Stimmrecht nicht zugerechnet4, es sei denn, dass ein zwischengeschalteter Treugeber über die Ausübung der Stimmrechte entscheidet5. Insolvenzverwaltung, Vormundschaft usw. führen nicht zu einer Verwaltungstreuhand6; denn sie erwerben nicht das Eigentum an den zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenständen.
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7. Holding und Vermögensverwaltungsgesellschaften Wird eine Beteiligung durch eine Gesellschaft gehalten, so können damit ganz unter- 70 schiedliche Zwecke verfolgt werden. Die Gesellschaft und ihre Satzung, der Gesellschaftszweck, der Gegenstand des Unternehmens, der Umfang der Mitverwaltungsrechte der Gesellschafter, ihr Einfluss auf die Ausübung der Stimmrechte, die mit den Aktien verbunden sind, die die Gesellschaft hält, usw. können in verschiedener Weise ausgestaltet sein. Angesichts dieser Unterschiede lässt sich auch nicht einheitlich beantworten, ob eine Zurechnung gegenüber dem Gesellschafter nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG erfolgt. Auf der einen Seite stehen Holdingstrukturen etwa im Industriekonzern. Auf der anderen Seite stehen die in der Praxis aus ganz unterschiedlichen Gründen, z.B. zur Ausnutzung des steuerlichen Schachtelprivilegs, zur Vermeidung kartellrechtlicher Folgen, zur Verhinderung von räuberischen Übernahmen, zur Risikostreuung oder zur Verschleierung der Beteiligungsverhältnisse usw., gebildeten Vermögensverwaltungsgesellschaften (Vorschaltgesellschaften). In all diesen Fällen kommt auch eine Zurechnung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG in Betracht. a) Holdingstrukturen Hält ein Unternehmen neben einer anderweiten unternehmerischen Tätigkeit Beteiligungen, so tragen zwar die Gesellschafter nicht nur das Risiko der ausgeübten unternehmerischen Tätigkeit. Ihnen kommen auch die Chancen und Risiken der Betei1 Ebenso für § 30 WpÜG: von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 105; Pittroff, Die Zurechnung von Stimmrechten gem. § 30 WpÜG, 2004, S. 162. 2 Koppensteiner, in: FS Rowedder, 1994, S. 224; a.A. LG Berlin v. 17.1.1990 – 98 AktE 10/89, WM 1990, 978 (987). 3 A.A. Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 31; wie hier für § 30 WpÜG: von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 99; von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 22 Rz. 72. 4 Ebenso Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 31. 5 Ebenso von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 105. 6 Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 34; für § 30 WpÜG: von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 107.
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ligung mittelbar zu. Damit sind die Beteiligungen aber nicht „für Rechnung des Meldepflichtigen“ gehalten; denn die Beteiligungsverwaltung erfolgt im Interesse der Gesellschaft und nur mittelbar im Interesse der Gesellschafter1. 72
Bei der typischen Industrieholding oder bei den Kreditinstituten mit Beteiligungsbesitz werden Stimmrechte aus Aktien, die der Holding gehören, dem Gesellschafter der Holding daher nur zugerechnet, wenn es sich um ein Mutter/Tochterverhältnis i.S. von § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG handelt. b) Vorschaltgesellschaften
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Bei den Vermögensverwaltungsgesellschaften ist nach den unterschiedlichen Gestaltungen zu unterscheiden: Wenn die Vermögensverwaltungsgesellschaft die Beteiligungen aufgrund eines Treuhandvertrags mit einem oder mehreren Gesellschaftern auf deren Rechnung hält (Vermögensverwaltungsgesellschaft als Treuhänder) und demgemäß nach Weisung die Stimmrechte ausübt oder ausüben müsste, so sind die Stimmrechte aus diesen Aktien den Treugebern unter den oben genannten (Rz. 56) Voraussetzungen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG zuzurechnen2.
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Zweifelhaft ist die Lage indessen bei den Gesellschaften, bei denen ein besonderer Treuhandvertrag der Gesellschaft mit den Gesellschaftern fehlt. – Verfolgt die Gesellschaft noch andere Zwecke, hält sie nicht nur die Beteiligung, sondern ist sie auch anderweit unternehmerisch tätig, so erfolgt keine Zurechnung; denn das Halten der Beteiligung erfolgt nicht für Rechnung des Meldepflichtigen. – Anders ist die Lage bei solchen Gesellschaften, deren ausschließlicher Gesellschaftszweck darin besteht, eine oder mehrere Beteiligungen im Interesse der Gesellschafter zu verwalten. Indiz hierfür ist, dass die Gesellschaft keine anderweitige unternehmerische Tätigkeit entfaltet3.
75
Im zuletzt genannten Fall ist nicht entscheidend, ob der treuhänderische Zweck ausdrücklich in die Satzung aufgenommen ist. Die Chancen und Risiken der Beteiligung werden den Gesellschaftern über die Mitgliedschaft an der Vermögensverwaltungsgesellschaft vermittelt. Die Gesellschafter bestimmen aufgrund einer solchen Gestaltung die Ausübung der Stimmrechte. Es kann demgemäß auch keinen Unterschied machen, ob das Halten „für fremde Rechnung“ auf schuldrechtlicher oder gesellschaftsrechtlicher Grundlage geschieht4.
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Im Ergebnis bedeutet dies, dass erstens Vermögensverwaltungsgesellschaften meldepflichtig sein können. Es bedeutet zweitens, dass auch die Stimmrechte der Aktien, die Vermögensverwaltungsgesellschaften gehören, den Gesellschaftern quotal5 zuge1 Ebenso für § 30 Abs. 1 Nr. 2 WpÜG: Diekmann, in: Baums/Thoma, § 30 WpÜG Rz. 43. 2 Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, Anh. § 22, § 22 WpHG Rz. 18 f.; zu § 20 AktG: BGH v. 22.4.1991 – II ZR 231/90, AG 1991, 270 = WM 1991, 1166 (1168) getrenntes Halten durch individuell zugewiesene Bestände. 3 Ebenso für § 30 Abs. 1 Nr. 2 WpÜG: Uwe H. Schneider, in: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 30 WpÜG Rz. 42 f. 4 OLG Schleswig v. 8.12.2005 – 5 U 57/04, ZIP 2006, 421 (423) = AG 2006, 120; für § 30 WpÜG: Steinmeyer, in: Steinmeyer/Häger, § 30 WpÜG Rz. 23; a.A. von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 110. 5 Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, Anh. § 22, § 22 WpHG Rz. 19; Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Anh. § 22, § 22 WpHG Rz. 17; Lenz/Linke, AG 2002, 369.
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§ 22
rechnet werden, wenn der alleinige rechtliche oder faktische Zweck der Vermögensverwaltungsgesellschaft die Verwaltung einer oder mehrerer Beteiligungen für ihre Gesellschafter ist1. Zu denken ist hierbei vor allem an die vielfach gebildeten inländischen und ausländischen Vorschaltgesellschaften, und zwar ohne Rücksicht auf die Zahl der Gesellschafter. Voraussetzung ist aber, dass der einzelne Gesellschafter wesentlichen Einfluss auf das Stimmrechtsverhalten hat. Typischerweise gilt dies nicht nur bei einer Mehrheitsbeteiligung – insoweit ist auch § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG anwendbar –, sondern auch bei einer 50:50-Beteiligung und auch bei einer Minderheitsbeteiligung, wenn Entscheidungen durch Veto blockiert werden können oder wenn das Konsensprinzip vorgesehen oder faktisch praktiziert wird. Anzunehmen ist dies ferner, wenn die Art und Weise der Ausübung des Stimmrechts in vollem Umfang durch die Gesellschafter bestimmt wird, wenn sich die Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung nicht einigen können, wie die Gesellschaft das Stimmrecht ausüben soll. c) Investmentgesellschaften S. Anh. zu § 22.
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d) Wertpapierleihe/Aktiendarlehen aa) Ausgangslage Bei der „Wertpapierleihe“ im weiteren Sinne handelt es sich nicht um eine Leihe i.S. von §§ 598 ff. BGB, sondern um ein Wertpapierdarlehen gemäß § 607 BGB, um ein Repo-Geschäft oder um ein Sell-Buyback-Arrangement.
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Beim Wertpapierdarlehen verpflichtet sich der Darlehensgeber dem Darlehensneh- 79 mer das Eigentum an den Aktien zu verschaffen2. Der Darlehensnehmer verpflichtet sich, die Aktien abzunehmen, das vereinbarte Entgelt zu zahlen und zum Ende der Laufzeit des Darlehens Aktien gleicher Art, Menge und Güte zurückzuliefern3. Wertpapierdarlehen dienen typischerweise dazu, dem Darlehensnehmer für einen gewissen Zeitraum Wertpapiere zur Verfügung zu stellen. Einer anderen Begriffsbildung folgt das Pensionsgeschäft i.S. von § 340b Abs. 1 HGB. Es dient dazu, dem Pensionsgeber Liquidität zu verschaffen. Die Aktien werden als Sicherheit für den Anspruch des Pensionsnehmers auf Rückübertragung der Aktien gestellt4. Bei den Repurchase Agreements, die in der Sprache des Marktes auch als Repo- 80 Geschäfte bezeichnet werden (s. Rz. 90), schließen die Parteien einen Kaufvertrag unter gleichzeitiger Vereinbarung, dass die selben oder gleichartige Aktien zum selben oder einem anderen Preis zu einem späteren Zeitpunkt von dem Erstverkäufer zu1 A.A. für § 22 WpHG a.F.: Falkenhagen, WM 1995, 1007; zweifelnd für § 30 WpÜG: von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 109; wie hier: Burgard, BB 1995, 2069 (2073); Starke, Beteiligungstransparenz im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2002, S. 202. 2 S. dazu den Rahmenvertrag für Wertpapierdarlehen, abgedr. in Clouth/Vollmuth, in: Hopt, Vertrags- und Formularbuch zum Handels-, Gesellschafts- und Bankrecht, 3. Aufl. 2007, Muster IV.T.1. 3 Kienle, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 105 Rz. 34; Schwintowski, Bankrecht, 3. Aufl., S. 617; Dörge, Rechtliche Aspekte der Wertpapierleihe, 1993, S. 37 ff.; Gesell, Wertpapierleihe und Repurchase Agreement im deutschen Recht, 1995, S. 17 ff.; Cahn/Ostler, AG 2008, 221 (222). 4 Einzelheiten bei Cahn/Ostler, AG 2008, 221; Clouth/Vollmuth, in: Hopt, Vertrags- und Formularbuch, 3. Aufl. 2007, Bankrecht IV. T. 4 Rz. 1.
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rückgekauft werden1. Solche Geschäfte haben unterschiedliche Zwecke. Sie dienen auch der Absicherung von Krediten, wobei der Käufer die Wertpapiere als Kreditsicherheit erhält. Bei dieser Vertragsgestaltung werden die Wertpapiere zum Marktpreis zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses verkauft, und zwar zuzüglich von „Zinsen“ im weiteren Sinne. Damit kommt zum Ausdruck, dass sich die Transaktion zum Zeitpunkt des Rückkaufs aus der Sicht der Vertragsparteien als eine Kreditgewährung darstellt. Dabei kommt ein Spekulationselement hinzu, wenn die Kursentwicklung berücksichtigt wird. 81
Bei den Sell-Buyback-Arrangements schließen die Vertragsparteien zwei getrennte Kaufverträge. Beide Verträge werden zum selben Zeitpunkt abgeschlossen, freilich mit der Besonderheit, dass aufgrund des ersten Kaufvertrags die Aktien sofort auf den Käufer übertragen werden. Dagegen ist die Lieferung der Aktien aufgrund des zweiten Kaufvertrags, also durch den Käufer des ersten Kaufvertrags, gestundet. Auch solche Rechtsgeschäfte stellen wirtschaftlich die Gewährung eines Kredites dar. Dabei dienen die Aktien als Kreditsicherheit – im wirtschaftlichen Sinne. Die Gegenleistung für die Überlassung des gezahlten Kaufpreises als Kredit erfolgt durch einen erhöhten Kaufpreis, in dem die Zinsen eingerechnet sind, vereinbart im zweiten Kaufvertrag. bb) Meldepflichten des Darlehensnehmers
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Beim Aktiendarlehen wird der Darlehensnehmer während der Darlehensdauer zum Aktionär2. Er kann daher auch nach h.A.3 das Stimmrecht ausüben, vorausgesetzt, dass das zugrunde liegende Rechtsgeschäft nicht missbräuchlich war und er die Aktie nicht weiter übertragen hat.
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An diese formale Rechtsstellung knüpft das Gesetz die Meldepflicht des Darlehensnehmers an, ohne weiter danach zu fragen, ob der Rechtsinhaber das Stimmrecht nur auf Weisung eines Dritten, nämlich des Darlehensgebers, ausüben kann. Der Darlehensnehmer ist daher zu Beginn der Laufzeit, und zwar zum Zeitpunkt der Übertragung der Aktien, gegebenenfalls schon zum Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrages, wenn ein gewisser Zeitraum zwischen dem Abschluss des Vertrages und der Übertragung der Aktien besteht, mitteilungspflichtig4. Es findet auch keine Absorption statt, wenn und weil die Stimmrechte zusätzlich dem Darlehensgeber zugerechnet werden. Endlich ist nicht entscheidend, wie lange der Darlehensnehmer die Aktien behält; denn § 21 WpHG kennt keine Mindestdauer, für die Aktien gehalten werden müssten5. Werden am Ende der Laufzeit des Darlehens die Aktien wieder 1 Technical Committee of the International Organization of Securities Commissions (IOSCO), Committee on Payment and Settlement Systems (CPSS), S. 7, Securities Lending Transactions: Market Development and Implications, Juli 1999, S. 6 ff. 2 OLG München v. 23.11.2006 – 23 U 2306/06, ZIP 2006, 2370 (2373) = AG 2007, 173; Kort, WM 2006, 2149. 3 Str., OLG München v. 23.11.2006 – 23 U 2306/06, ZIP 2006, 2370 (2373) = AG 2007, 173; Sieger/Hasselbach, WM 2004, 1373; krit.: OLG München v. 10.11.2005 – 23 W 2384/05, WM 2006, 291; zum Stand der Diskussion: Kienle, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 105 Rz. 50; Kümpel/Peters, AG 1994, 525. 4 Ebenso BaFin, Jahresbericht 2004, S. 205; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. I.2.5.2.2; Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 45 und 48; Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 22 WpHG Rz. 5; Kienle, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHandbuch, § 105 Rz. 64; Burgard, BB 1995, 2073; Gillor, Der Rahmenvertrag für Finanztermingeschäfte der Europäischen Bankenvereinigung, 2006, S. 196; Uwe H. Schneider, AG 1997, 84; zum Ganzen: Uwe H. Schneider/Brouwer, in: FS Karsten Schmidt, 2009, S. 1411. 5 Str.; wie hier: BaFin, Häufig gestellte Fragen zu den §§ 21 ff. WpHG, Stand: Februar 2008.
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auf den Darlehensgeber zurück übertragen, so hat der Darlehensnehmer das Unterschreiten der Meldeschwelle mitzuteilen. Ist der Darlehensnehmer ein Kreditinstitut, so können die durch das Aktiendarlehen übertragenen Aktien zum befreiten Handelsbestand gehören, so dass das Stimmrecht aus den entsprechenden Aktien bei der Berechnung des Stimmrechtsanteils unberücksichtigt bleibt1. Nach Art. 14 Abs. 4 Schweizerische Börsenverordnung-FINMA i.d.F. vom 25.10.2008 besteht eine weitere Ausnahme: „Leihgeschäfte und Geschäfte mit Rückkaufsverpflichtungen sind nicht zu melden, sofern sie standardisiert über Handelsplattformen zum Zwecke der Liquiditätsbewirtschaftung abgewickelt werden“. Eine solche Regelung fehlt im deutschen Recht. Das deutsche Recht kennt auch keine Ausnahme für konzerninterne Leihgeschäfte.
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cc) Meldepflichten des Darlehensgebers Unterschreitet der Darlehensgeber durch die Übertragung der Aktien keine Meldeschwelle, so ist er auch nicht mitteilungspflichtig. Wenn er aber durch die Übertragung der Aktien die Meldeschwelle nach § 21 WpHG unterschreitet, so kann dies zu einer Meldepflicht führen2. Zwei Fälle sind zu unterscheiden:
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1. Fall: Die Meldepflicht entfällt, wenn lediglich eine Umschichtung vorliegt. Hiervon ist auszugehen, wenn zwar die Übertragung der Aktien zur Unterschreitung der Meldeschwelle führt, zugleich aber eine Zurechnung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG erfolgt3. Das ist der Fall, wenn dem Darlehensgeber die Stimmrechte aus den verliehenen Aktien zuzurechnen sind, weil er die wirtschaftlichen Chancen und Risiken der betreffenden Aktien zu tragen hat und auf die Stimmrechtsausübung kraft vertraglicher Vereinbarung Einfluss nehmen kann (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2)4. Eine entsprechende Zurechnung erfolgt auch, wenn die Ausschüttungen dem Darlehensgeber erstattet werden, er die Bezugsrechte erhält und ihm die Möglichkeit eingeräumt wird, durch Weisung die Ausübung der Stimmrechte zu bestimmen. Zu bedenken ist allerdings, dass dem Darlehensgeber zugleich ein schuldrechtlicher 86 Rückübertragungsanspruch zusteht, was zu einer Meldepflicht nach § 25 WpHG führen kann5. Und die Meldepflicht nach § 25 WpHG steht unabhängig neben der Meldepflicht nach § 21 WpHG. Der Markt würde jedoch irregeführt, wenn nur eine Meldung nach § 25 WpHG erfolgt, ohne zu erläutern, dass die Aktien zunächst auf den Darlehensnehmer übertragen wurden. Dies verlangt entweder eine Gesamtschau mit der Folge, dass auch eine Meldung schon bei der Übertragung der Aktien auf den Darlehensnehmer nach § 21 WpHG erfolgt. In Betracht kommt auch ein Verzicht auf die 25er-Meldung6 oder eine zusätzliche Erläuterung zu der Meldung nach § 25 WpHG. Die zuletzt genannte Lösung ist praxisgerecht. 1 S. auch Kienle, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 105 Rz. 64. 2 Ebenso Cahn/Ostler, AG 2008, 221 (235); zum Ganzen: Uwe H. Schneider/Brouwer, in: FS Karsten Schmidt, 2009, S. 1411. 3 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.5.2.2; Merkner/Sustmann, NZG 2010, 1170 (1171); von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 22 Rz. 37. 4 BGH v. 16.3.2009 – II ZR 302/06, BGHZ 180, 154: nach der vertraglichen Regelung; Bachmann, ZHR 173 (2009), 596 (607); Uwe H. Schneider/Brouwer, in: FS Karsten Schmidt, 2009, S. 1422; Krause, AG 2011, 469 (476). 5 S. dazu Begr. RegE, BT-Drucks. 17/3628, S. 26 sowie bei § 25 Rz. 8. 6 BaFin, Häufig gestellte Fragen zu den §§ 21 ff. WpHG, Stand: Februar 2008; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.8.3.2; sowie Becker, in: Bürgers/Körber, Anh. § 22/§ 25 WpHG Rz. 4; Schlitt/Schäfer, AG 2007, 227 (235); Schlitt/Hemeling, in: Habersack/Mülbert/ Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, § 10 Rz. 82.
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2. Fall: Wenn der Darlehensnehmer die wirtschaftlichen Chancen und Risiken trägt und über die Ausübung des Stimmrechts entscheidet – das gilt insbesondere bei der Kettenleihe –, erfolgt beim Darlehensgeber keine Zurechnung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 21 WpHG. Dann hat der Darlehensgeber nach § 21 WpHG das Unterschreiten der Meldeschwelle offenzulegen. Eine Umschichtung liegt nicht vor2. 87
Auch in diesem Fall war zweifelhaft, ob allein der Rückübertragungsanspruch des Darlehensgebers bei diesem eine zusätzliche Mitteilungspflicht nach § 25 WpHG begründet. Die Aufsichtspraxis vertrat bisher die Ansicht, der Rückforderungsanspruch des Darlehensgebers löse bei diesem keine eigenständige Mitteilungspflicht nach § 25 WpHG aus3. Zweifelhaft konnte dies sein, weil der Rückforderungsanspruch kein Finanzinstrument i.S. von § 2 Abs. 2b WpHG ist. Mit der Änderung des § 25 Abs. 1 WpHG durch das Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz erstreckt sich die Meldepflicht aber auch auf sonstige Instrumente. Und in der Begründung zum Regierungsentwurf4 heißt es ausdrücklich, dass damit auch der Rückforderungsanspruch des Darlehensgebers aufgenommen werden und meldepflichtig sein soll; denn die Meldung nach § 25 WpHG hat eine andere Qualität wie die Meldung nach § 21 WpHG. Zu melden ist daher eine Schwellenunterschreitung nach § 21 WpHG und eine Schwellenüberschreitung nach § 25 WpHG5. Bei der Beendigung der Wertpapierleihe erhält der Darlehensgeber seine Aktien zurück. Das kann wiederum eine Meldepflicht nach § 21 WpHG wegen Überschreitens einer Meldeschwelle begründen. Zugleich entfällt der Rückforderungsanspruch wegen Erfüllung. Auch das muss im Wege der Verfallsanzeige nach § 25 WpHG gemeldet werden. Andernfalls würde der Markt davon ausgehen, dass der schuldrechtliche Anspruch des Darlehensgebers fortbesteht6. dd) Kettenleihe
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Der Darlehensnehmer ist auch dann mitteilungspflichtig, wenn er die Aktien nur kurzfristig hält und dann an den nächsten Darlehensnehmer weiter reicht (Kettenleihe) oder veräußert. Zu melden ist bei einer Folgeleihe, dass er als Aktionär zunächst eine Meldeschwelle überschritten hat und dass ein Rückforderungsanspruch für den Darlehensgeber gegenüber dem Entleiher besteht (§ 25 WpHG). Sodann hat er als Zweitdarlehensgeber eine Meldeschwelle unterschritten, weil er die Aktien weiter gereicht hat. Und er hat seinerseits einen Rückforderungsanspruch erhalten, der gleichfalls meldepflichtig ist. 1 BGH v. 16.3.2009 – II ZR 302/06, ZIP 2009, 908 (913) = AG 2009, 991; Bachmann, ZHR 173 (2009), 596 (607); Uwe H. Schneider/Brouwer, in: FS Karsten Schmidt, 2009, S. 1422; Sieger/Hasselbach, WM 2004, 1370 (1371); Merkner/Sustmann, NZG 2010, 1970 (1171); für § 30 WpÜG: von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 120. 2 S. auch Art. 14 Abs. 2 und 3 Eidgenössische Börsenverordnung – FINMA i.d.F. vom 25.10.2008: „Meldepflichtig ist nur die Vertragspartei, welche im Rahmen solcher Geschäfte die Effekten vorübergehend übernimmt; bei Leihgeschäften der Borger, bei Geschäften mit Rückkaufsverpflichtung der Erwerber sowie bei Sicherungsübereignungen der Sicherungsnehmer. Bei Ablauf des Geschäfts entsteht für die zurückgebende Vertragspartei bei Erreichen oder Unterschreiten eine neuerliche Meldepflicht.“; s. dazu auch von der Crone/ Bileck/Hirschle, SZW/RSDA 2008, (3). 3 BaFin, Häufig gestellte Fragen zu den §§ 21 ff. WpHG, Stand: Februar 2008; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.8.3.2 sowie VIII 2.5.2.2; dagegen aber 5. Aufl. des Kommentars § 22 Rz. 87. 4 Begr. RegE, BT-Drucks. 17/3628, S. 26. 5 Ebenso Krause, AG 2011, 469 (476). 6 Krause, AG 2011, 469 (476).
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Veräußert der Darlehensnehmer die Aktien weiter, entsteht eine Kettenleihe. Auch 89 für diesen Fall hat der Darlehensgeber gegebenenfalls eine Schwellenunterschreitung zum Zeitpunkt der Weiterübertragung mitzuteilen. Die Zurechnung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG endet. Um diese Meldepflicht erfüllen zu können, muss der Darlehensnehmer verpflichtet werden, den Darlehensgeber entsprechend zu informieren1. Dem könnte man entgegenhalten, der Darlehensgeber erhalte einen schuldrechtlichen Anspruch auf Rückübertragung. Deshalb liege nur eine Umschichtung vor (s. bei § 21 Rz. 76). Bei qualifizierter Umschichtung besteht jedoch eine selbständige Meldepflicht. ee) Repo-Agreement und Sell-Buyback-Arrangement Beim Repurchase-Agreement (Repo-Geschäft), das auch als echtes Wertpapierpensi- 90 onsgeschäft bezeichnet wird2, verpflichtet sich der Verkäufer als Pensionsgeber, zu einem bestimmten Zeitpunkt die Aktien zurückzukaufen, und zwar zu einem zuvor näher bestimmten Preis. Der Käufer als Pensionsnehmer wird Aktionär, was Meldepflichten begründen kann. Streitig ist, unter welchen Voraussetzungen dem Pensionsgeber die Stimmrechte nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG zugerechnet werden. Der Pensionsgeber trägt typischerweise das Kursrisiko. Er kann daher auch aufgrund dieser Interessenlage über die Ausübung der Stimmrechte entscheiden, auch wenn dies nicht ausdrücklich vereinbart ist3. Das rechtfertigt, auch wenn er von seinem Einfluss keinen Gebrauch macht, eine Zurechnung zum Pensionsgeber4. Lehnt man dies ab, kann eine Meldepflicht nach § 25 WpHG entstehen. Beim unechten Wertpapierpensionsgeschäft hat der Käufer zwar das Recht, die Aktien zu dem vereinbarten Preis zurückzugeben, der Verkäufer hat aber nicht das Recht, die Aktien zurückzuverlangen5. Auch in diesem Fall trägt der Pensionsgeber das Kursrisiko, weshalb ihm die Stimmrechte nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG zugerechnet werden6.
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Der Pensionsgeber hat einen schuldrechtlichen Anspruch auf Rückübertragung. Er ist daher nach § 25 WpHG meldepflichtig7.
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e) Kommissionsgeschäft Erwirbt der Kommissionär auf Rechnung des Kommittenden, so wird er Aktionär. Er 91 muss sich die Stimmrechte zurechnen lassen, und er kann meldepflichtig werden. Allerdings werden bei Kreditinstituten die Aktien zum Handelsbestand gehören, so dass die Stimmrechte nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 WpHG nicht berücksichtigt werden.
1 Abweichend: BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.5.2.2: Meldung schon im Zeitpunkt der Übertragung der Aktien auf den Darlehensnehmer. 2 Zum Global Master Repurchase Agreement (GMRA) 2011 s. icmagroup.org; Oulds, in: Kümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, S. 1818. 3 S. auch Kümpel/Peters, AG 1994, 525 (529). 4 A.A. für § 30 WpÜG: von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 114; wie hier: Bieg/ Waschbusch/Käufer, ZBB 2008, 63 (65). 5 Bieg/Waschbusch/Käufer, ZBB 2008, 63 (64). 6 A.A. für § 30 WpÜG: Steinmeyer, in: Steinmeyer/Häger, § 30 WpÜG Rz. 35; Süßmann, in: Geibel/Süßmann, § 30 WpÜG Rz. 12; von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 115. 7 A.A. für den Fall des Erwerbs eigener Aktien durch den Emittenten: Cahn, AG 2008, 230.
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Zurechnung von Stimmrechten
Mit dem Erwerb durch den Kommissionär kann auch der Kommittend nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG meldepflichtig sein1.
IX. Einem Dritten als Sicherheit übertragen (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG) 92
Hat ein Aktionär seine Aktien verpfändet, so behält er seine mitgliedschaftliche Stellung und damit auch sein Stimmrecht2. Er ist daher nach § 21 WpHG meldepflichtig3. Eine Zurechnung an den Pfandgläubiger erfolgt nicht. Er ist daher auch nicht meldepflichtig. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG ist nicht anwendbar4. Anders soll dies sein, wenn der Inhaber der Aktie dem Pfandgläubiger überlassen hat, das Stimmrecht unabhängig von den Weisungen des Verpfänders auszuüben5.
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Entsprechend ist die Lage bei der Sicherungsübereignung. Zwar werden die Aktien auf den Sicherungsnehmer übertragen. Ihm steht daher auch von Rechts wegen das Stimmrecht zu. Er müsste daher auch meldepflichtig sein. Die Bedeutung von § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG liegt aber in Halbsatz 2; denn obwohl das Stimmrecht dem Sicherungsnehmer zusteht, folgt aus dem Wortlaut des Art. 7 Unterabs. 1 Anstr. 5 Transparenzrichtlinie I sowie aus der Begründung des RegE zu § 22 WpHG, dass es sich anders als bei den übrigen Tatbeständen des § 22 Abs. 1 WpHG um eine ausschließliche Zurechnung handelt. Es gilt an dieser Stelle der Grundsatz der alternativen Zurechnung6. Das heißt, im Blick auf § 21 WpHG werden die Stimmrechte entweder dem Sicherungsgeber – so der Grundsatz des ersten Halbsatzes – oder dem Sicherungsnehmer – unter der Voraussetzung des zweiten Halbsatzes –, niemals aber beiden, nämlich sowohl dem Sicherungsgeber als auch dem Sicherungsnehmer, zugerechnet7.
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Demgegenüber verlangt § 30 WpÜG keine richtlinienkonforme Auslegung. Deshalb gilt für § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpÜG der Grundsatz der doppelten Zurechnung8.
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Folglich ist zu unterscheiden: – In der Regel wird das Stimmrecht nur dem Sicherungsgeber zugerechnet. – Ausnahmsweise wird das Stimmrecht dem Sicherungsnehmer zugerechnet, wenn er nicht nur zur Ausübung der Stimmrechte befugt ist, sondern auch die Absicht bekundet, die Stimmrechte nach seinen Vorstellungen auszuüben. 1 Ebenso für § 30 WpÜG: Diekmann, in: Baums/Thoma, § 30 WpÜG Rz. 45; von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 112. 2 H.A. anstelle anderer: Zöllner, in: KölnKomm. AktG, 1970, § 134 Rz. 14 m.w.N.; Kraft/ Hönn, in: Hadding/Uwe H. Schneider (Hrsg.), Gesellschaftsanteile als Kreditsicherheit, 1979, S. 163, 179. 3 Ebenso Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, Anh. § 22, § 22 WpHG Rz. 24. 4 A.A. für § 30 WpÜG: Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 30 WpÜG Rz. 14; wie hier: Süßmann, in: Geibel/Süßmann, § 30 WpÜG Rz. 18. 5 S. von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 154. 6 Die Formulierung wurde durch die BaFin, Emittentenleitfaden 2009, übernommen. S. dort Rz. VIII.2.5.3. 7 Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 50; Burgard, BB 1995, 2069 (2075); Meyer/Bundschuh, WM 2003, 961; von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 22 Rz. 103. 8 Str.: Uwe H. Schneider, in: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 30 WpÜG Rz. 38; von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 29 Rz. 156; Diekmann, in: Baums/Thoma, § 30 WpÜG Rz. 51.
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Zurechnung von Stimmrechten
Begründet wird die Zurechnung an den Sicherungsgeber damit, dass die Aktien und die damit verbundenen Stimmrechte nach Erfüllung der Verbindlichkeit dem ursprünglichen Aktionär wieder zufallen1. Hinzu kommt, dass der Sicherungsnehmer in der Regel das Stimmrecht nach den Weisungen des Sicherungsgebers ausüben muss, soweit dem nicht seine Sicherungsinteressen widersprechen2. Vor allem wird aber auf die Vertraulichkeit der Kreditbeziehungen Rücksicht genommen. Würde nämlich der Rechtsübergang auf den Sicherungsnehmer offen gelegt, so wäre die Öffentlichkeit über die Darlehensaufnahme des Sicherungsgebers informiert. Hiervon sieht aber das Gesetz ab.
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Die Stimmrechte werden daher dem Sicherungsnehmer nur ausnahmsweise, und zwar nur ihm zugerechnet, wenn er das Stimmrecht aus den ihm zur Sicherheit übereigneten Aktien selbst ausüben will und er hierbei befugt ist, nach eigenen Vorstellungen zu handeln.
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Darüber hinaus soll eine Zurechnung der Stimmrechte an den Sicherungsnehmer selbst dann erfolgen, wenn dieser wegen der zugrunde liegenden Sicherungsvereinbarung die Stimmrechte nicht im eigenen Interesse ausüben darf3. Dem steht entgegen, dass der Meldepflichtige keinen Einfluss auf die Ausübung der Stimmrechte hat.
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X. Zugunsten des Meldepflichtigen einen Nießbrauch bestellt (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 WpHG) Im Aktienrecht ist streitig, wem bei Bestellung eines Nießbrauchs an Aktien das Stimmrecht zusteht4. Für das WpHG ist durch § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 WpHG entschieden, dass das Stimmrecht dem Meldepflichtigen, zu dessen Gunsten ein Nießbrauch bestellt ist, zugerechnet wird.
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Das macht auch guten Sinn; denn hierdurch wird die zivilrechtliche Vorfrage, wem das Stimmrecht bei Bestellung eines Nießbrauchs bei Aktien generell oder im Einzelfall zusteht, für die Stellung als Meldepflichtiger bedeutungslos5.
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XI. Durch eine Willenserklärung erwerben kann (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpHG) 1. Regelungszweck § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpHG unterscheidet sich in seinem vorrangigen Regelungs- 101 zweck von § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1–4 und Nr. 6 WpHG sowie von § 22 Abs. 2 WpHG. Derjenige, der durch Willenserklärung erwerben kann, hat in der Regel keinen Einfluss auf die Ausübung des Stimmrechts, bis ihm die Aktien übertragen sind. Mit der Begründung, es bestehe bereits die Möglichkeit, das Stimmrecht und den Einfluss 1 2 3 4
Begr. RegE, BT-Drucks. 12/6679, S. 53; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.5.3.1. Zöllner, in: KölnKomm. AktG, 1970, § 134 AktG Rz. 10. Franck, BKR 2002, 715. Zum Streitstand: OLG Koblenz v. 16.1.1992 – 6 U 693/91, ZIP 1992, 844; Heider, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 12 Rz. 7; Ziemons, in: K. Schmidt/Lutter, § 12 AktG Rz. 6 einerseits und Hüffer, § 16 AktG Rz. 7; Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, § 16 Rz. 28 andererseits. 5 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.5.4.
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wahrzunehmen, lässt sich daher § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 nicht rechtfertigen. Der Meldepflichtige hat jedoch bereits eine gesicherte Rechtsposition. Damit kommt der Normzweck zum Tragen, dass die sich anbahnende Änderung der Beteiligungsstruktur und des Einflusses frühzeitig offen gelegt werden soll (s. Vor § 21 Rz. 19). 2. Auf Übereignung gerichtetes Angebot 102 Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpHG sind Stimmrechte aus Aktien, die der Meldepflichtige durch eine Willenserklärung erwerben kann, zuzurechnen. Streitig ist der Begriff des „Erwerbs“. Einigkeit besteht, dass hierzu jedenfalls auch die Erlangung des Eigentums an der Aktie durch entsprechende Willenserklärung gehört. Zuzurechnen ist daher, wenn der Meldepflichtige nur noch die Annahme der Übereignungserklärung erklären muss. 103 Das Recht auf Übereignung kann befristet sein, und zwar entweder durch ein festes Datum oder den Tod einer Person. Und die Übereignung kann aufschiebend bedingt sein. Entscheidend ist nicht, dass die Vollendung des Erwerbstatbestands nur noch vom Willen des Erwerbers, sondern dass sie nicht mehr vom Willen des Veräußerers abhängt1. Teilweise wird die Ansicht vertreten, die Verwirklichung des dinglichen Erwerbstatbestands dürfe nur noch vom Willen des Erwerbers abhängig sein. Daher seien nur Potestativbedingungen geeignet, zur Zurechnung zu führen2. Dann wäre zweifelhaft, ob § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpHG erfüllt ist, wenn der Erwerb von einem ungewissen künftigen Ereignis, wie etwa die Zahlung durch den Käufer, abhängig ist. Im Ergebnis würde dies, wenn man das verneint, zu einer schwerwiegenden Transparenzlücke führen. Das will § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpHG nicht. Folglich ist auch meldepflichtig, wenn die Übereignung aufschiebend bedingt erfolgt ist und der Eintritt der Bedingung durch den Veräußerer nicht verhindert werden kann. 104 Ist die Übereignung auflösend bedingt erfolgt, so ist der Erwerber Aktionär geworden. Es kann nach § 21 WpHG meldepflichtig sein. Tritt die Bedingung ein, verliert der Erwerber seine Rechtsstellung. Er kann wieder wegen Unterschreitung einer Meldeschwelle meldepflichtig werden. 3. Schuldrechtliche Verträge 105 a) Streitig war bisher, ob bereits zuzurechnen ist, – wenn der Meldepflichtige auf Grund eines Kaufvertrags oder eines entsprechenden schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts die Übereignung zwar verlangen kann, diese aber noch nicht erfolgt ist; und – wenn der Meldepflichtige ein Erwerbsrecht, ein Umtauschrecht oder ein bindendes Angebot zum Abschluss eines entsprechenden schuldrechtlichen Vertrages erlangt3. 1 A.A. Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 49; Steuer/Baur, WM 1996, 1477 (1480); für § 30 WpÜG: Walz, in: Haarmann/Schüppen, 3. Aufl., § 30 WpÜG Rz. 55; von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 168; wie hier: Burgard, BB 1995, 2069 (2076). 2 So für § 30 WpÜG: von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 168. 3 Dagegen Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 59, 61; Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Anh. § 22 § 22 WpHG Rz. 24; von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 22 Rz. 112 f.; Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, § 22 WpHG Rz. 9; Steuer/Baur, WM 1996, 1477 (1480); Witt, AG 2001, 233 (237); für eine Zurechnung nach § 22 WpHG; Bayer,
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Es ging dabei um das Verhältnis von § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpHG zu § 25 WpHG. Dazu wurde in der 5. Aufl. des Kommentars die Ansicht vertreten, § 25 WpHG handle nur von der Offenlegung des Haltens von Finanzinstrumenten i.S. von § 2 Abs. 2b WpHG. Die Legaldefinition des Finanzinstruments umfasse aber nicht alle schuldrechtlichen Ansprüche u.a. auch nicht den Lieferanspruch aus einem Kaufvertrag.
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§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpHG handele somit nicht nur von den auf Übereignung 107 gerichteten Angeboten, sondern sei zugleich der Auffangtatbestand für schuldrechtliche Erwerbsrechte, die von § 25 WpHG nicht eingefangen würden. Das hatte allerdings die merkwürdige Rechtsfolge, dass für schuldrechtliche Erwerbsrechte unterschiedliche Meldeschwellen galten; denn nach § 25 Abs. 1 Satz 1 WpHG beginnen die Meldeschwellen erst bei 5 %. Bei § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpHG i.V.m. § 21 WpHG beginnen die Meldeschwellen aber schon bei 3 %. Für eine solche weite Auslegung von § 22 WpHG sprach auch die Abstimmung der 108 kapitalmarktrechtlichen Meldepflichten mit § 20 Abs. 2 AktG. Nach § 20 Abs. 2 AktG rechnen zu den Aktien, die dem Unternehmen gehören, auch Aktien, deren Übereignung das Unternehmen verlangen kann oder zu deren Abnahme das Unternehmen verpflichtet ist1. § 20 AktG stellt damit Aktien, die einem Unternehmen gehören, solchen Aktien gleich, die bislang lediglich Gegenstand eines schuldrechtlichen Anspruchs auf Übereignung sind. Die unterschiedlichen Formulierungen rechtfertigen keine unterschiedliche Auslegung von § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 WpHG. b) Durch die Änderung des § 25 WpHG und dessen Erstreckung auch auf sonstige „In- 109 strumente“ (s. bei § 25 Rz. 16) und die Einfügung des § 25a WpHG hat sich die Lage geändert. Die bisherige Regelungslücke in § 25 WpHG ist weggefallen. Daher ist § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpHG nach den Änderungen durch das Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz eng auszulegen. Die Meldepflichten aufgrund des Haltens von Finanzinstrumenten sind nur noch durch § 25 WpHG und 25a WpHG geregelt. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpHG begründet Meldepflichten nur noch aufgrund einer Zurechnung beim Erwerb von dinglichen Erwerbsrechten. Nicht in den Anwendungsbereich des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WpHG fallen somit Ansprüche aus Kaufverträgen, befristeten Kaufverträgen, Wandelschuldverschreibungen2 usw. Frei.
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in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, Anh. § 22, § 22 WpHG Rz. 27; Burgard, BB 1995, 2069 (2076); Nottmeier/Schäfer, AG 1997, 88; Franck, BKR 2002, 712; Uwe H. Schneider, AG 1997, 81 (83). 1 Eingehend Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 6. Aufl. 2010, § 20 AktG Rz. 21. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.8.1; Hutter/Kaulamo, NJW 2007, 471 (475); Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, Anh. § 22, § 25 WpHG Rz. 3; Becker, in: Bürgers/Körber, Anh. § 22/§ 22 WpHG Rz. 5.
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XII. Dem Meldepflichtigen anvertraut oder „aus denen er die Stimmrechte als Bevollmächtigter ausüben kann“ (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpHG) 1. Anwendungsbereich 116 § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpHG ersetzt und erweitert die vormalige Zurechnungsvorschrift in § 22 Abs. 1 Nr. 7 WpHG a.F. Durch § 22 Abs. 1 Nr. 7 WpHG a.F. wurde Art. 7 Anstr. 8 Transparenzrichtlinie I ins deutsche Recht umgesetzt. Weggefallen ist die vormalige Formulierung, die Aktien müssten „zur Verwahrung“ anvertraut sein. Damit ist geklärt, dass das Bestehen eines Verwahrungsverhältnisses nicht Tatbestandsvoraussetzung ist1. Durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz wurde eine zusätzliche Fallgruppe aufgenommen. Den Stimmrechten des Meldepflichtigen stehen Stimmrechte aus Aktien des Emittenten gleich, „aus denen er die Stimmrechte als Bevollmächtigter ausüben kann, sofern er die Stimmrechte aus diesen Aktien nach eigenem Ermessen ausüben kann …“. 117 Demnach unterscheidet das Gesetz zwei Fallgruppen. 118 Fallgruppe 1: Die Aktien sind dem Meldepflichtigen „anvertraut“. „Anvertraut sein“ verlangt nicht, dass dem Meldepflichtigen eine Verfügungsbefugnis über die Aktien zusteht. Entscheidend ist vielmehr, dass derjenige, dem zugerechnet wird, erstens nicht in abhängiger Stellung, sondern als selbständiger Vertreter handelt und zweitens die Vermögensinteressen des Aktionärs wahrzunehmen hat, dass er aber in den sich dadurch gezogenen Grenzen die Stimmrechte nach eigenem Ermessen ausüben kann. 119 In Betracht kommen daher nicht nur vertragliche Rechtsverhältnisse, durch die anvertraut ist, sondern auch gesetzliche Pflichten zur Vermögensverwaltung, etwa aufgrund des elterlichen Sorgerechts2, einer Pflegschaft, einer Betreuung, einer Testamentsvollstreckung3. Die Stimmrechte minderjähriger Kinder sind daher beiden Elternteilen zuzurechnen4. 119a
Hat der Bevollmächtigte seinerseits Untervollmacht erteilt, steht dies einem „anvertraut sein“ nicht entgegen. Die Stimmrechte werden weiterhin dem Bevollmächtigten und ggf. auch dem Unterbevollmächtigten5 zugerechnet.
120 Fallgruppe 2: Durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz wurde die Formulierung „oder aus denen er die Stimmrechte als Bevollmächtigter ausüben kann“ eingefügt. Damit wurde Art. 10 lit. h der EU-Transparenzrichtlinie II umgesetzt. Aufgegriffen wird der Fall, dass der Meldepflichtige zur Stimmrechtsausübung bevoll-
1 von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 22 Rz. 133. 2 VG Frankfurt/M. v. 1.10.2009 – 1 K 390/09 F (3), Beck RS 2010, 52576. 3 Für § 22 WpHG a.F.: Burgard, BB 1995, 2069 (2076); Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 78; Lange, Der Konzern 2003, 678; Mutter, AG 2006, 644 (Testamentsvollstrecker); a.A. von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 22 Rz. 135 (für Nachlass- und Insolvenzverwalter); für § 30 WpÜG: von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 189. 4 VG Frankfurt/M. v. 1.10.2009 – 1 K 390/09 F (3), Beck RS 2010, 52576; BaFin, Jahresbericht 2009, S. 194; a.A. von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 189; Diekmann, in: Baums/ Thoma, § 30 WpÜG, Rz. 61. 5 Ebenso für § 30 WpÜG: von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 193.
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mächtigt ist, ohne weisungsgebunden zu sein. Damit ist nicht notwendig ein „Anvertrautsein“ verbunden. Der Meldepflichtige ist auch dann nicht weisungsgebunden, wenn er regelmäßig Ein- 120a zelweisungen erhält, aber die grundsätzliche Weisungsfreiheit fortbesteht. Anders wäre die Lage, wenn der Meldepflichtige nicht zur Ausübung des Stimmrechts berechtigt wäre, wenn keine Weisung erfolgte1. Nicht ganz zweifelsfrei ist, ob auch Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer, Komple- 121 mentäre, geschäftsführende Kommanditisten, Prokuristen und sonstige Bevollmächtigte zur Fallgruppe 2 zu zählen sind, wenn sie die Stimmrechte aus den Aktien, die ihrer Gesellschaft gehören, wahrzunehmen haben (s. auch Rz. 209). Die Folge einer Zurechnung wäre, dass bei einer meldepflichtigen Gesellschaft zumindest zugleich die geschäftsführenden Organmitglieder meldepflichtig wären. Das wäre keine marktrelevante Information. Bislang wurde daher die Ansicht vertreten, geschäftsführende Organmitglieder seien nicht meldepflichtig2. Begründet wurde dies damit, die Aktien seien den geschäftsführenden Organen nicht anvertraut3. Organmitglieder fallen aber nach Änderung des Gesetzes auch nicht in die Fallgruppe 2; denn sie handeln als Wirkungseinheit („Organ“) für den Aktionär, dem die Stimmrechte zustehen. Eine andere Frage ist es, ob § 22 Abs. 2 WpHG zur Anwendung kommt. Auch sonstigen Bevollmächtigten wird nicht zugerechnet, wenn sie in einem Arbeitsverhältnis zum Aktionär stehen. Bevollmächtigte i.S. von § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpHG müssen rechtlich selbständig sein, damit ihnen zugerechnet wird. 2. Nach eigenem Ermessen Dem Meldepflichtigen werden die Stimmrechte nur zugerechnet, wenn er die 122 Stimmrechte aus den Aktien nach eigenem Ermessen ausüben kann. Ob der Dritte im Wege der offenen Stellvertretung oder im Wege der Stellvertretung für den, den es angeht, handelt, ist nicht entscheidend. Maßgebend ist nicht das Außenverhältnis. Abgestellt ist vielmehr auf das Innenverhältnis, nämlich das Verhältnis zwischen dem Meldepflichtigen und dem Aktionär. Dem Meldepflichtigen muss hinsichtlich der Ausübung des Stimmrechts ein eigener Entscheidungsspielraum eingeräumt sein. Es darf also keine Weisung vorliegen4. Die Zurechnung wird aber nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Aktionär Weisungen erteilen könnte5. Ein eigener Ermessensspielraum fehlt, wenn der Betreffende verpflichtet ist, den Vorschlägen der Verwaltung der Gesellschaft zuzustimmen. Dagegen macht es keinen Unterschied, ob der Meldepflichtige berechtigt ist, eigennützig die Stimmrechte auszuüben oder verpflichtet ist, im Interesse des Aktionärs zu handeln. Auch ist nicht maßgebend, ob der Meldepflichtige die Stimmrechte tatsächlich ausübt6.
1 Ebenso: BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.5.6. 2 von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 22 Rz. 135 sowie von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 189; a.A. Lange, Der Konzern 2003, 677. 3 Ebenso für § 30 WpÜG: von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 189. 4 Begr. RegE, BT-Drucks. 16/2498, S. 34 f. 5 von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 22 Rz. 138; Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 78. 6 von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 22 Rz. 137.
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3. Vollmachtstreuhand 123 a) Treuhandverhältnisse an Aktien können auch in der Weise begründet werden, dass die Aktien nicht auf den Treuhänder übertragen werden (s. Rz. 62), sondern dass der Treugeber Aktionär bleibt1. Der Treuhänder ist aber im Rahmen der Vermögensverwaltung verpflichtet, das Vermögen im Interesse des Treugebers zu verwalten. Dazu gehören die Vornahme der Anlageentscheidungen und die Wahrnehmung der Rechte aus den Aktien als Vertreter des Aktionärs („Vertreter-Modell“). 124 Weil der Treugeber weiterhin Aktionär bleibt, kann er nach § 21 WpHG meldepflichtig sein. Der Treuhänder fällt in den Anwendungsbereich des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpHG nur, wenn er auch die Stimmrechte aus diesen Aktien nach eigenem Ermessen ausüben kann. Der Treugeber mag zwar Weisungen geben können. Entscheidend ist jedoch nicht, ob ein solches Recht besteht, sondern ob der Treugeber auch tatsächlich von der Weisungsbefugnis Gebrauch macht. Auch hängt die Mitteilungspflicht nicht davon ab, ob der Treuhänder die Stimmrechte auch tatsächlich ausübt. Meldepflichtig sind vielmehr auch solche „Vollmacht-Vermögensverwalter“, die das Stimmrecht nicht ausüben. 125 b) Aus den vorstehenden Überlegungen ergibt sich, dass in den Anwendungsbereich von § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpHG auch die ausländischen, vor allem US-amerikanischen Investment-Management-Gesellschaften fallen, die Aktien verwalten, die u.a. von rechtlich selbständigen Fondsgesellschaften gehalten werden2. Gesellschafter dieser Fondsgesellschaften sind institutionelle Anleger, u.a. Versicherungsunternehmen, Investmentgesellschaften, Pensionsfonds usw. Den Investment-ManagementGesellschaften obliegt aufgrund besonderen Verwaltungsvertrags vielfach neben der Verantwortung für entsprechende Anlageentscheidungen auch die Wahrnehmung der Rechte aus den Beteiligungen. Durch eine umfassende oder teilweise Identität der Organmitglieder wird die Umsetzung gewährleistet. Damit stellt sich nur die Frage, ob erstens die Stimmrechte der Fondsgesellschaften der Investment-Management-Gesellschaft zugerechnet werden, ob zweitens die Stimmrechte im Verhältnis der Fondsgesellschaften zueinander zugerechnet werden und ob drittens die Stimmrechte der Fondsgesellschaften den Gesellschaftern zuzurechnen sind. 126 Eine Zurechnung zu der Investment-Management-Gesellschaft nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG scheidet aus, weil es an einer Beteiligung fehlt. Die Fondsgesellschaften sind durch die Investment-Management-Gesellschaft nicht kontrolliert. Die Aktien sind aber der Investment-Management-Gesellschaft i.S. des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpHG anvertraut3. Zuzurechnen ist daher nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpHG, wenn die Investment-Management-Gesellschaft nach eigenem Ermessen die Stimmrechte ausüben kann. Hiervon ist nicht nur auszugehen, wenn dies der Verwaltungsvertrag vorsieht, sondern auch bei einer umfassenden oder teilweisen Organidentität, vorausgesetzt, dass die Gesellschafter regelmäßig keine Weisungen geben. § 32 Abs. 2 InvG ist nicht anwendbar. 127 Eine Zurechnung im Verhältnis der Fondsgesellschaften zueinander findet nicht statt. Eine Zurechnung zu den Gesellschaftern der Fondsgesellschaften erfolgt nur, wenn diese entweder ein Tochterunternehmen des Meldepflichtigen ist (§ 22 Abs. 1 1 BGH v. 13.4.1994 – II ZR 16/93, WM 1994, 896 (900); Kienle, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch, § 111 Rz. 9; Schwintowski, Bankrecht, 3. Aufl., S. 662. 2 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.5.6. 3 A.A. Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel, Jahresbericht 1997, S. 31 (zur alten Fassung des WpHG).
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Satz 1 Nr. 1 WpHG) oder wenn die Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG gegeben sind. 4. Vollmachtstimmrecht der Kreditinstitute § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpHG hätte größte praktische Bedeutung, wenn hierdurch auch das Vollmachtstimmrecht der Kreditinstitute1 erfasst würde.
128
a) Zweifelsfrei nicht nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpHG zuzurechnen ist, wenn der 129 Aktionär dem Kreditinstitut ausdrücklich Weisung erteilt, vgl. § 128 Abs. 3, § 135 Abs. 1 Satz 2 AktG. b) Von diesem Fall abgesehen, ist die Frage streitig2. Schon in der Diskussion über 130 die Transparenzrichtlinie I auf EG-Ebene bestand keine Einigkeit darüber, ob das Vollmachtstimmrecht erfasst werden sollte. Berichtet wird, dass die Mehrheit der Delegationen der Mitgliedstaaten dies nachhaltig befürwortete und nur bereit war, Art. 7, wie folgt, zu ergänzen: „Kann die betreffende Person Stimmrechte nach Unterabs. 1 letzter Gedankenstrich in einer Gesellschaft ausüben und erreichen oder überschreiten diese zusammen mit den anderen Stimmrechten, die diese Person in der Gesellschaft hält, eine der Schwellen nach Art. 4 Abs. 1, so können die Mitgliedstaaten abweichend von Art. 4 Abs. 1 vorschreiben, dass sie nur verpflichtet ist, die Gesellschaft mit einer Frist von einundzwanzig Kalendertagen vor deren Hauptversammlung zu unterrichten.“ Damit sollten die praktischen Schwierigkeiten beseitigt werden, die sich einerseits daraus ergeben, dass sich der Bestand der aufbewahrten Aktien ständig ändert. Andererseits sollte berücksichtigt werden, dass erst zeitnah zur nächsten Hauptversammlung feststeht, ob Weisungen erteilt werden. Im Übrigen wurde die Ansicht vertreten, dass das Vollmachtstimmrecht „considerably increased the depository’s influence over the company when the former was itself the owner of shares in that company“.
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Diese vorbereitenden Überlegungen im Rahmen der Diskussion zur Transparenz- 132 richtlinie I haben indessen keinen Niederschlag in den Erwägungsgründen oder in einer sonstigen der Allgemeinheit zugänglichen Begründung gefunden, so dass sie zur 1 S. dazu etwa Körber, Die Stimmrechtsvertretung durch Kreditinstitute, 1989; Michael Schmidt, Die Stimmrechtsvertretung durch Kreditinstitute, 1994; Kohler, in: FS Döser, 1999, S. 225 jeweils m.w.N. zu dem umfänglichen Schrifttum; Götze, NZG 2010, 93. Zur Frage, ob das Vollmachtstimmrecht der Kreditinstitute die „Abhängigkeit“ i.S. von § 17 AktG begründen kann: Koppensteiner, in: KölnKomm. AktG, 3. Aufl. 2004, § 17 Rz. 49 m.w.N. 2 Gegen Zurechnung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpÜG: von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 200; Diekmann, in: Baums/Thoma, § 30 WpÜG Rz. 66; Pittroff, Die Zurechnung von Stimmrechten gem. § 30 WpÜG, 2004, S. 246 ff.; Franck, BKR 2002, 715; für Zurechnung nach § 22 Abs. 1 Nr. 7 WpHG a.F.: Burgard, BB 1995, 2069 (2076); Burgard, Die Offenlegung von Beteiligungen, Abhängigkeits- und Konzernlagen bei der Aktiengesellschaft, 1990, S. 188; Junge, in: FS Semler, 1993, S. 473, 481; sowie für § 92 Nr. 8 österr. BörseG: Kalss, ÖBA 1993, 615 (624); dagegen aber: von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 22 Rz. 139; Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, Anh. § 22, § 22 WpHG Rz. 41; Opitz in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 69 ff.; Schwark, in: Schwark/ Zimmer, § 22 WpHG Rz. 15; Diekmann, DZWIR 1994, 13 (18); Hopt, ZHR 159 (1995), 135 (139); Falkenhagen, WM 1995, 1007; zweifelnd: Happ, JZ 1994, 240 (244); Weber, NJW 1994, 2489, 2586; für eine Zurechnung de lege ferenda: Uwe H. Schneider/Burgard, DB 1996, 1766.
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Auslegung der Transparenzrichtlinie I und zur Auslegung des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpHG nicht herangezogen werden könnten. Ein Problem der „Kollision der Motive“ auf EG-Ebene und auf nationaler Ebene stellt sich demgemäß nicht1. Die Überlegungen auf EG-Ebene beruhen zudem auf einem Missverständnis von der Ausgestaltung des Vollmachtstimmrechts in der deutschen Praxis. 133 Die Begr. des RegE und der Sinn und Zweck von § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpHG auch in der Fassung durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz und § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpÜG sprechen im Blick hierauf gegen die Ausdehnung dieser Vorschrift auch auf das Vollmachtstimmrecht, wie es durch § 135 AktG ausgestaltet ist2. Art. 7 der Transparenzrichtlinie I und damit eine richtlinienkonforme Auslegung stehen dem nicht entgegen. 134 Die Begr. RegE zu § 22 Abs. 1 Nr. 7 WpHG a.F. sah das Vollmachtstimmrecht nicht erfasst. Die Kreditinstitute dürften nach § 135 Abs. 5 AktG das Stimmrecht nicht „nach eigenem Ermessen“ ausüben, sondern seien in Abwesenheit von Weisungen grundsätzlich an ihre eigenen Vorschläge gebunden. Und bei diesen Vorschlägen dürfen eigene Interessen des Kreditinstituts nicht berücksichtigt werden. Unter ausschließlicher Wahrung der Interessen des Vollmachtgebers haben die Kreditinstitute vielmehr die Pflicht, Vorschläge zu unterbreiten. Diese sind sodann dem Aktionär mitzuteilen (§ 128 Abs. 2 AktG). Hat der Aktionär hierauf keine anderen Weisungen erteilt, so wird unterstellt, dass sich der Aktionär diese Vorschläge zu Eigen macht. Abweichen darf das Kreditinstitut hiervon nur, wenn es annehmen darf, dass der Aktionär bei Kenntnis der Sachlage die abweichende Ausübung des Stimmrechts billigen würde (§ 135 Abs. 5 AktG). Das Ermessen des Kreditinstituts erstreckt sich damit nur auf die Ausformulierung der Vorschläge, nicht aber auf die Ausübung der Stimmrechte3. Es liegt damit ein Fall der „Vollmacht mit gebundener Marschroute“4 vor. Die Möglichkeit eines Abweichens von der vorgegebenen „Marschroute“ (§ 135 Abs. 5 AktG) hält sich dabei an den üblichen Rahmen eines bindenden Auftrags, von dem der Beauftragte nach den Grundregeln des Auftragsrechts (§ 665 BGB) abweichen darf. Auch für den zuletzt genannten Fall erfolgt aber keine Zurechnung5. 135 c) Gleichwohl sollte nicht verkannt werden, dass das Vollmachtstimmrecht eine Quelle des Einflusses der Kreditinstitute ist. Unter dem Gesichtspunkt der Kontrolle und Transparenz des Einflusses von Kreditinstituten auf Aktiengesellschaften ist es daher rechtspolitisch fragwürdig, dass § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpHG das Vollmachtstimmrecht nicht erfasst6. 136 d) Was für das Vollmachtstimmrecht der Kreditinstitute gilt, lässt sich auf das Vollmachtstimmrecht der sonstigen institutionellen Stimmrechtsvertreter, etwa der Aktionärsvereinigungen oder sonstiger geschäftsmäßig handelnder Personen (§ 135 Abs. 9 AktG) sinngemäß übertragen. Hat der institutionelle Stimmrechtsvertreter den Aktionären keine Vorschläge unterbreitet, an die er mangels besonderer Weisung 1 Uwe H. Schneider, EuZW 1995, 653. 2 Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.5.6.1. 3 So auch Begr. RegE, BT-Drucks. 16/2498, S. 35 sowie Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, Anh. § 22, § 22 WpHG Rz. 26. 4 BGH v. 24.2.1954 – II ZR 63/53, BGHZ 12, 327 (334); Schramm, in: MünchKomm. BGB, 5. Aufl. 2006, Vor § 164 Rz. 63. 5 So: Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel, Jahresbericht 1999, S. 33; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.5.6.1. 6 S. Uwe H. Schneider/Burgard, BB 1996, 1761 (1765 f.), mit Vorschlägen für eine Novellierung der Vorschrift.
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gebunden ist, kann der Stimmrechtsvertreter „nach eigenem Ermessen“ abstimmen, so sind ihm die Stimmrechte zuzurechnen und er ist meldepflichtig1 (s. auch Rz. 198). e) Sind die Aktien einem ausländischen Kreditinstitut mit Sitz im Ausland zur Ver- 137 wahrung anvertraut, so bedarf es der genauen Analyse im Einzelfall, in welcher Weise das ausländische Recht die Stimmrechtsvollmacht ausgestaltet hat, insbesondere ob das Institut „nach eigenem Ermessen“ die Stimmrechte ausüben kann. 5. Mitteilung bei Erteilung der Vollmacht (§ 22 Abs. 4 WpHG) Durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz wurde § 22 Abs. 4 WpHG eingefügt. Damit wurde Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Durchführungsrichtlinie vom 8.3.2007 der Europäischen Kommission2 umgesetzt.
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Das Ziel der Vorschrift ist es, die Mitteilungspflichten zu begrenzen und damit „Er- 139 leichterung für den Bevollmächtigten“3 zu schaffen. Beschränkt sich die Vollmacht zur Ausübung von Stimmrechten auf eine Hauptversammlung, müsste der Bevollmächtigte zweimal melden. Gemeldet werden müsste zum einen bei Erteilung der Vollmacht, vorausgesetzt, dass hierdurch Meldeschwellen berührt werden. Zum anderen müsste gemeldet werden, wenn die Vollmacht nach der Hauptversammlung erlischt oder das Ausübungsermessen genommen wird und als Folge hiervon wiederum Schwellen berührt werden. Für diesen Fall sieht die Vorschrift vor, dass keine zweite Meldung zu erfolgen hat. Es genügt die Erstmeldung. In dieser muss aber klargestellt sein, „wie die entsprechende Situation in Bezug auf die Stimmrechte aussehen wird, wenn der Bevollmächtigte die ihm übertragenen Stimmrechte nicht mehr ausüben kann“, Art. 8 Abs. 2 Durchführungsrichtlinie vom 8.3.20074. Eine zweite Meldung ist jedoch erforderlich, wenn sich der Stimmrechtsanteil nach der Erstmitteilung verändert und damit nach Beendigung der Hauptversammlung oder nach Wegfall des Ausübungsermessens nicht mehr der selbe Stimmrechtsanteil wie bei Abgabe der Erstmitteilung vorliegt5. Für diesen Fall ist die Veränderung in der Zweitmitteilung zu erläutern. § 22 Abs. 4 WpHG kommt nicht zur Anwendung. Frei.
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XIII. Sein Verhalten mit dem Meldepflichtigen abgestimmt (§ 22 Abs. 2 WpHG) Schrifttum: Anders/Filgut, Abgestimmte Stimmrechtsausübung – ist die Einzelfallausnahme systemwidrig?, ZIP 2010, 1115; Borges, Acting in Concert – vom Schreckgespenst zur praxistauglichen Zurechnungsnorm, ZIP 2007, 357; von Bülow, Acting in Concert: Anwendungsprobleme des neuen Zurechnungstatbestands, in: Veil (Hrsg.), Übernahmerecht in Praxis und Wissenschaft, 2009, S. 137; von Bülow, Angebotspflicht auf Grund Acting in Concert bei Aufsichtsratswahl?, in: FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 141; von Bülow/Bücker, Abgestimmtes 1 Uwe H. Schneider/Anzinger, NZG 2007, 93; zur unterschiedlichen Praxis der Stimmrechtsvertreter Andresen, Der Aufsichtsrat 2008, 74. 2 ABl. EG Nr. L 68 v. 9.3.2007, S. 27. 3 Begr. RegE, BT-Drucks. 16/2498, S. 35. 4 ABl. EG Nr. L 68 v. 9.3.2007, S. 31. 5 Begr. RegE, BT-Drucks. 16/2498, S. 35.
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§ 22
Zurechnung von Stimmrechten
Verhalten im Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht, ZGR 2004, 669; von Bülow/Stephanblome, Acting in Concert und neue Offenlegungspflichten nach dem Risikobegrenzungsgesetz, ZIP 2008, 1797; Casper, Acting in Concert – Grundlagen eines neuen kapitalmarktrechtlichen Zurechnungstatbestandes, ZIP 2003, 1469; Diekmann, Acting in Concert: Absprachen zur Besetzung des Aufsichtsrats, DStR 2007, 445; Diekmann/Merkner, Erhöhte Transparenzanforderungen im Aktien- und Kapitalmarktrecht – ein Überblick über den Regierungsentwurf zum Risikobegrenzungsgesetz, NZG 2007, 921; Düchting, Acting in Concert, 2010; Drinkuth, Gegen den Gleichlauf des Acting in Concert nach § 22 WpHG und § 30 WpÜG, ZIP 2008, 676; Fiedler, Mitteilungen über Beteiligungen von Mutter- und Tochtergesellschaften, 2005; Fleischer, Finanzinvestoren im ordnungspolitischen Gesamtgefüge von Aktien-, Bankenaufsichts- und Kapitalmarktrecht, ZGR 2008, 185; Gaede, Koordiniertes Aktionärsverhalten im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2008; Gätsch/Schäfer, Abgestimmtes Verhalten nach § 22 II WpHG und § 30 WpÜG in der Fassung des Risikobegrenzungsgesetzes, NZG 2008, 846; Gesell, Abstimmung bei der Besetzung des Aufsichtsrats – zulässige Einflussnahme oder Acting in Concert?, in: FS Maier-Reimer, 2010, S. 123; Goette, Aktuelle Rechtsprechung des II. Zivilsenats zum Aktienrecht, DStR 2006, 2132; Goette, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2006, 2007, S. 1; Habersack, Beteiligungstransparenz Adieu? – Lehren aus dem Fall Continental/Schaeffler, AG 2008, 817; Halasz/Kloster, Acting in Concert im Lichte der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung, Der Konzern 2007, 344; Hamann, In concert or not in concert?, ZIP 2007, 1088; Hammen, Analogieverbot beim Acting in Concert?, Der Konzern 2009, 18; Hoppe/Michel, Acting in concert in der Fassung des Risikobegrenzungsgesetzes, BaFinJournal 04/10, S. 3; Kocher/Heydel, Kein abgestimmtes Verhalten und kein Stimmrechtsausschluss durch Stimmrechtsempfehlungen institutioneller Stimmrechtsberater, AG 2011, 543; Korff, Das Risikobegrenzungsgesetz und seine Auswirkungen auf das WpHG, AG 2008, 692; Krause, Die „kalte“ Übernahme, in: FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 669; Löhdefink, Acting in Concert und Kontrolle im Übernahmerecht, 2007; Pentz, Acting in Concert – Ausgewählte Einzelprobleme zur Zurechnung und zu den Rechtsfolgen, ZIP 2003, 1478; Psaroudakis, Acting in Concert in börsennotierten Gesellschaften, 2009; Renz/Rippel, Die Informationspflichten gem. §§ 21 ff. WpHG und deren Änderungen durch das Risikobegrenzungsgesetz, BKR 2008, 309; Saenger/Kessler, Abgestimmtes Verhalten i.S.d. § 30 Abs. 2 WpÜG bei der Aufsichtsratswahl, ZIP 2006, 837; K. Schmidt, Acting in Concert, JbFfSt 2007/2008, 310; Schmidtbleicher, Das „neue“ Acting in Concert – ein Fall für den EuGH?, AG 2008, 73; Uwe H. Schneider, Acting in Concert – ein kapitalmarktrechtlicher Zurechnungstatbestand, WM 2006, 1321; Uwe H. Schneider, Acting in Concert: Vereinbarung oder Abstimmung über Ausübung von Stimmrechten?, ZGR 2007, 440; Schockenhoff/Schumann, Acting in Concert – geklärte und ungeklärte Rechtsfragen, ZGR 2005, 568; Schockenhoff/Wagner, Zum Begriff „Acting in Concert“, NZG 2008, 361; Spindler, Acting in Concert – Begrenzung von Risiken durch Finanzinvestoren, WM 2007, 2357; Vaupel, Ansprüche von Aktiengesellschaften gegen Stimmrechtsempfehlungen institutioneller Stimmrechtsberater, AG 2011, 63; Veil, Stimmrechtszurechnungen aufgrund von Abstimmungsvereinbarungen gem. § 22 Abs. 2 WpHG und § 30 Abs. 2 WpÜG, in: FS Karsten Schmidt, 2009, S. 645. Schrifttum zu § 30 WpÜG: Berger/Filgut, „Acting in Concert“ nach § 30 Abs. 2 WpÜG, AG 2004, 592; Löhdefink, Acting in Concert und Kontrolle im Übernahmerecht, 2007; Mülbert, Übernahmerecht im Gefolge der EU-Übernahmerichtlinie, in: Bankrechtstag 2006, 2007, S. 141; Seibt, Grenzen des übernahmerechtlichen Zurechnungstatbestandes in § 30 Abs. 2 WpÜG (Acting in Concert), ZIP 2004, 1829; Vogel, Der Handelsbestand im Übernahmerecht – Offene Fragen des § 20 WpÜG, NZG 2005, 537; Weiler/Meyer, „Abgestimmtes Verhalten“ gemäß § 30 WpÜG: Neue Ansätze der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht?, NZG 2003, 909; Weiss, Der wertpapierhandelsrechtliche und übernahmerechtliche Zurechnungstatbestand des Acting in Concert, 2007; Winner/Schulz, Aktuelle Entwicklungen im Übernahmerecht – M&A und die Krise, Österreichisches Bankarchiv 2010, 82.
1. Regelungsgegenstand und Regelungszweck 161 § 22 Abs. 2 WpHG entspricht § 30 Abs. 2 WpÜG. Beide Vorschriften sind durch das Risikobegrenzungsgesetz geändert worden. Im Gegensatz zu § 30 Abs. 2 WpÜG ist § 22 Abs. 2 WpHG aber entgegen der Verwaltungspraxis, die für eine einheitliche
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Auslegung plädiert1, im Interesse einer normativ bezweckten Transparenz weit auszulegen (s. Vor § 21 Rz. 33 ff.). Die Vorschrift will durch die Einbeziehung des „acting in concert“ Zurechnungslücken schließen. Sie will das im US-amerikanischen und britischen Offenlegungs- und Übernahmerecht entwickelte „voting group-concept“ bzw. das „acting in concert“ einfangen2. Allerdings werden im Ausland teilweise unter dem Begriff „acting in concert“ alle Zurechnungsvorschriften zusammengefasst. International gibt es keinen einheitlich verstandenen Begriff des „acting in concert“3. So zählen etwa nach dem britischen Takeover Code 2010 Konzernsachverhalte (parent, subsidiaries and fellow subsidiaries) zum „acting in concert“. Diese sind jedoch für die Meldepflichten bereits in § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 angesprochen. Im City Takeover Code 2010 wird „acting in concert“ wie folgt definiert: „Persons acting in concert comprise persons who, pursuant to an agreement or understanding (whether formal or informal), co-operate to obtain or consolidate control (as defined below) of a company or to frustrate the succesful outcome of an offer for a company. A person and each of its affilated persons will bei deemed to be acting in concert all with each other. Without prejudice to the general application of this definition, the following persons will be presumed to be persons acting in concert with other persons in the same category unless the contrary is established:– (1) a company, its parent, subsidiaries and fellow subsidiaries, and their associated companies, and companies of which such companies are associated companies, all with each other (for this purpose ownership or control of 20 % or more of the equity share capital of a company is regarded as the test of associated company status); (2) a company with any of its directors (together with their close relatives and related trusts); (3) a company with any of its pension funds; and the pension funds of any company covered in (1); (4) a fund manager (including an exempt fund manager) with any investment company, unit trust or other person whose investments such fund manager manages on a discretionary basis, in respect of the relevant investment accounts; (5) a connected adviser with its client and, if its client is acting in concert with an offeror or with the directors of the offeree company, with that offeror or with those directors respectively, in each case in respect of the shareholdings of that adviser and persons controlling, controlled by or under the same control as that adviser (except in the capacity of an exempt fund manager or an exempt principal trader); and (6) directors of a company which is subject to an offer or where the directors have reason to believe a bona fide offer for their company may be imminent.“
Diese Definition bezieht sich auf Übernahmeangebote und nicht auf die Meldepflicht bei wesentlichen Beteiligungen. Sie ist insoweit durch die Praxis geprägt. Die Definition ist wiederholt, zuletzt im Jahr 2006, angepasst worden. So wird u.a. klar gestellt, dass auch Gesellschaften und ihre geschäftsführenden Organmitglieder (s. Nr. 2 sowie Rz. 209), Gesellschaften mit allen ihren Pensionsfonds und ein „connected advisor“4 mit seinen Klienten als Beteiligte eines „acting in concert“ angesehen werden. 1 Hoppe/Michel, BaFinJournal 2010, Heft 04, S. 3. 2 Näher hierzu Sec. 13d–5(b)(1) Securities Exchange Act; Nobel, in: Druey/Böckli/Nobel, Rechtsfragen um die Aktionärbindungsverträge, Zürich 1998, S. 75; Choi/Pritchard, Securities Regulation, New York 2005, S. 734; Coffee, Cardozo Law Rev. 15 (1994), 837 (878); Coffee, Michigan Law Rev. 95 (1997), 1970 (1977); Gaede, Koordiniertes Aktionärsverhalten im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2008, S. 115. 3 S. auch OLG Frankfurt/M. v. 25.6.2004 – WpÜG 5, 6 und 8/03, ZIP 2004, 1312 = AG 2004, 617; von Bülow/Bücker, ZGR 2004, 670; Casper, ZIP 2003, 1470; Gesell, in: FS Maier-Reimer, 2010, S. 123, 126. 4 S. dazu die Definition in den Notes zu „acting in concert“.
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2. Entstehungsgeschichte 163 Die Zurechnung von Stimmrechten aufgrund eines „acting in concert“ war in der Vergangenheit sowohl im Inland als auch im Ausland heftig umstritten. Die Diskussion beruhte teilweise auf einem Missverständnis; denn es geht nicht um die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Abreden unter den Aktionären, sondern nur um die Zurechnung von Stimmrechten und die damit verbundenen melderechtlichen und übernahmerechtlichen Rechtsfolgen. 164 § 22 Abs. 2 WpHG geht auf Art. 10 lit. a EU-Transparenzrichtlinie II zurück. Art. 10 lit. a enthält eine besondere, etwas unglücklich formulierte Zurechnungsvorschrift. Hiernach sind auch Stimmrechte zu berücksichtigen, „die von einem Dritten gehalten werden, mit dem diese natürliche oder juristische Person eine Vereinbarung getroffen hat, die beide verpflichtet, langfristig eine gemeinsame Politik bezüglich der Geschäftsführung des betreffenden Emittenten zu verfolgen, indem sie die von ihnen gehaltenen Stimmrechte einvernehmlich ausüben“. 165 Im deutschen Recht war schon i.d.F. des § 22 Abs. 2 WpHG durch das Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen vom 20.12.2001, das zuvor in § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG, dem Vorgänger von § 22 Abs. 2 WpHG, aufgenommene Merkmal der Verfolgung langfristig gemeinschaftlicher Ziele bezüglich der Geschäftsführung der börsennotierten Gesellschaft weggefallen. 166 Erhebliche Unsicherheit löste sodann die Entscheidung des II. Senats des BGH vom 18.9.20061 aus. Der Senat vertrat zu § 30 Abs. 1 Satz 1 WpÜG die Ansicht, die Vorschrift erfasse nur solche Vereinbarungen, die sich auf die Ausübung von Stimmrechten aus Aktien der Zielgesellschaft beziehen, also nur auf die Stimmrechtsausübung in der Hauptversammlung. Da zumindest vor Inkrafttreten des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes zugleich die Ansicht vertreten wurde, § 30 WpÜG und § 22 WpHG seien in derselben Weise auszulegen, hätte dies zu einer erheblichen Einschränkung des melderechtlichen acting in concert geführt. Dies nahm der Gesetzgeber nach intensiver Diskussion zum Anlass, durch das Risikobegrenzungsgesetz den Tatbestand neu zu fassen2. 3. Beteiligte der Vereinbarung oder Abstimmung a) Mehrere Beteiligte 167 § 22 Abs. 2 WpHG verlangt eine Vereinbarung oder eine Abstimmung in sonstiger Weise, also einen kommunikativen Vorgang3 zwischen dem Meldepflichtigen und einem oder mehreren Dritten. Auf Seiten des Meldepflichtigen kann die Vereinbarung oder Abstimmung auch durch ein Tochterunternehmen erfolgen, nicht aber durch sonstige Dritte, deren Stimmrechte dem Meldepflichtigen zugerechnet werden. Auf Seiten des Dritten kann eine Person handeln, die entweder selbst Stimmrechte hält oder der Stimmrechte zugerechnet werden. So kann der Dritte ein Treugeber sein, dem seinerseits Stimmrechte nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG zugerechnet wer1 BGH v. 18.9.2006 – II ZR 137/05, BGHZ 169, 98 = AG 2006, 883 mit abl. Anm. Uwe H. Schneider, ZGR 2007, 440; zustimmend: Halasz/Kloster, Der Konzern 2007, 344 (347); Borges, ZIP 2007, 357 (361); s. auch Goette, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2006, 2007, S. 1, 20. 2 Zur Bilanz nach nahezu 2 Jahren: Hoppe/Michel, BaFinJournal 2010, Heft 04, S. 3. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.5.8.
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den. Auch können in die Vereinbarung oder Abstimmung weitere Personen einbezogen sein, denen keine Stimmrechte zustehen1. Keiner der an der Vereinbarung oder Abstimmung Beteiligten muss ein „Unternehmen“ sein. Gleichfalls nicht erforderlich ist ein Wohnsitz oder eine Niederlassung der Beteiligten im Inland. Es gibt weder eine Mindestzahl noch eine Höchstzahl von Personen, die sich abstimmen. Zwei Personen genügen. Ein organisiertes Abstimmen ist aber auch zwischen einer Vielzahl von Aktionären möglich.
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b) Gemeinsamer Vertreter Nicht erforderlich ist, dass die Beteiligten in Person handeln und sich in jedem Ein- 169 zelfall abstimmen. § 22 Abs. 2 WpHG ist erst recht verwirklicht, wenn die Personen, denen die Stimmrechte zustehen oder zugerechnet werden, einen gemeinsamen Vertreter bestellen, sich diesem unterordnen und dieser die Vereinbarung trifft oder die Abstimmung vornimmt2. Handelt jemand in Bezug auf die Gesellschaft zugleich im eigenen Namen sowie im 170 Auftrag und im Namen eines Dritten, so ist dies ein exemplarischer Fall der „Abstimmung“. Voraussetzung ist, dass der Betreffende einen gewissen Ermessensspielraum hat oder gar „eigenverantwortlich“ handelt. Hierher zählt das Handeln der geschäftsführenden Organmitglieder im Namen der Gesellschaft und im eigenen Namen (s. Rz. 209), die Testamentsvollstreckung, die Vormundschaft, die Wahrnehmung von Stimmrechten durch Kreditinstitute und Aktionärsvereinigungen usw. Zum Problem des Beraters als Beteiligter s. Rz. 210.
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4. Vereinbarung und Abstimmung in sonstiger Weise Der Begriff „Vereinbarung“ umfasst alle Verträge der Zivilrechtsdogmatik, also 172 Stimmbindungsverträge, Interessenwahrungsverträge, Gesellschaftsverträge usw.3. Eine Vereinbarung liegt daher auch vor, wenn die Beteiligten die Koordinierung der Ausübung ihrer Stimmrechte in einem Verein oder in einer Gesellschaft, gleich welcher Rechtsform, zusammenfassen. Ist eine solche Vereinbarung getroffen, führt dies zur Zurechnung. Streitig war zu § 22 Abs. 1 Nr. 3 WpHG a.F., ob darüber hinaus auch ein abgestimm- 173 tes Verhalten zur Zurechnung führte4. Eine rechtliche Verpflichtung der Beteiligten ist nicht erforderlich. Eine wechselseitige Information und Beratung genügt nicht, um eine Zurechnung zu begründen5. Ausreichend ist aber ein gentlemen’s agreement, also ein bewusst praktiziertes Zusammenwirken6. Weder brauchen klagbare Ansprüche noch müssen sonstige Rechte und Pflichten durch die Beteiligten begrün1 2 3 4
A.A. wohl Casper, ZIP 2003, 1469 (1475). OLG Stuttgart v. 10.11.2004 – 20 U 16/03, AG 2005, 125. Diekmann, in: Baums/Thoma, § 30 WpÜG Rz. 79. BGH v. 18.9.2006 – II ZR 137/05, WM 2006, 2080 (2082) zu § 30 WpÜG; Uwe H. Schneider, WM 2006, 1321 (1323). 5 OLG Frankfurt/M. v. 25.8.2003 – WpÜG 5/03 und WpÜG 8/03, ZIP 2003, 1977 (1980); Casper, ZIP 2003, 1469 (1475); Liebscher, ZIP 2002, 1005 (1008); Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 83; Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 22 WpHG Rz. 20; von Bülow, in: Veil, Übernahmerecht in der Praxis, 2009, S. 137, 143; s. auch Rz. 197. 6 OLG Frankfurt/M. v. 25.6.2004 – WpÜG 5, 6 und 8/03, ZIP 2004, 1309 (1312) = AG 2004, 617; Hopt, ZHR 166 (2002), 383 (411); ebenso für § 22 Abs. 2 WpHG: Witt, AG 2001, 238.
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det sein. Es genügt eine ausreichend sichere Grundlage für koordiniertes Vorgehen1. Verlangt ist eine ausreichende Intensität und eine ausreichende Finalität2. Ein abgestimmtes Verhalten liegt im Anwendungsbereich des § 22 Abs. 2 WpHG, wenn die Partner unter Berufung auf den kaufmännischen Anstand, die gemeinsamen Interessen als institutionelle Anleger, der Familie, die Interessen der Anbieter oder Nachfrager im Markt usw. Übereinstimmung erzielen, ihr Verhalten in Bezug auf die Gesellschaft abzustimmen3. Ausreichend sind damit abgestimmte Abreden in einem förmlichen Familienrat, im informellen Familienkreis oder in einer Arbeitsgemeinschaft kommunaler Aktionäre. Und ausreichend sind Abstimmungen institutioneller Anleger, unabhängig davon, ob diese sich ihrerseits organisiert haben, etwa in einem Council of Institutional Investors („Calpers-AG“) oder einem Verband, z.B. der Association of British Insurers oder der National Association of Pension Funds4. Ziel der Abstimmung muss es sein, dass die Beteiligten koordiniert ihre Interessen wahrnehmen. Die Stimmrechte sind im Verhältnis der institutionellen Anleger wechselseitig zuzurechnen. 174 Bei einem unbewussten gleichförmigen Abstimmungsverhalten in der Hauptversammlung fehlt es an einem Zusammenwirken5. Das Entsprechende gilt, wenn sich die Beteiligten nur beraten6, ohne auf ein bewusst praktiziertes Zusammenwirken abzuzielen7. Die Grenzen sind an dieser Stelle fließend. Entscheidend ist das gemeinsame Vorgehen. Gleichförmiges Abstimmungsverhalten begründet auch nicht die Vermutung eines abgestimmten Verhaltens (s. Rz. 194 ff.). 5. Der Inhalt der Vereinbarung oder Abstimmung a) Verhalten in Bezug auf diesen Emittenten 175 Nicht jedes vereinbarte oder abgestimmte Verhalten ist ein acting in concert. Hinzu kommen müssen qualifizierende Merkmale. Der Meldepflichtige und der Dritte müssen ihr Verhalten „in Bezug auf diesen Emittenten“ abstimmen, an der sie Stimmrechte halten oder deren Stimmrechte ihnen zugerechnet werden. Weiter konkretisiert ist dies im Gesetz nicht. Aus dem normativen Zusammenhang ergibt sich aber, dass es Ziel der Beteiligten sein muss, entweder Einfluss auf die Willensbildung und Entscheidungsfindung des Emittenten (s. Rz. 177 ff.) oder Einfluss auf den Markt zum Erwerb oder zur Veräußerung der Aktien des Emittenten zu nehmen (s. Rz. 185 ff.). Geklärt ist heute, dass der Einfluss auf die Willensbildung und Entschei1 Ebenso Vaupel, AG 2011, 63 (76). Zur vergleichbaren Lage bei § 17 AktG, BGH v. 4.3.1974 – II ZR 89/72, BGHZ 62, 193 (199); Geßler, ZGR 1974, 476; Lutter, NJW 1973, 113; Hüffer, § 17 AktG Rz. 16; s. auch zum US-amerikanischen „voting-group-concept“: Coffee, Cardozo Law Rev. 15 (1994), 837 (879); Coffee, Michigan Law Review 95 (1997), 1970 (1977). 2 So die Formulierung durch das schweizerische Bundesgericht BGE 130 II 530 Übernahmerecht. 3 Zustimmend: Krause, in: FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 669, 689. 4 S. dazu Financial Times vom 25.5.2005, S. 13: „In the UK, the Association of British Insurers and the National Association of Pension Funds regularly act as forums to put accross such collective points of view“. 5 Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, § 22 WpHG, Rz. 92; zuletzt Kocher/Heydel, AG 2011, 543. Ebenso für § 30 WpÜG: OLG Frankfurt/M. v. 25.8.2003 – WpÜG 5/03, WpÜG 8/03, ZIP 2003, 1977. 6 OECD Principles of Corporate Governance 2004, Regel II. G.: „Shareholders, including institutional shareholders, should be allowed to consult with each other on issues concerning their basic shareholder rights …“; ebenso Principle 5 UK Stewardship Code. 7 Angerer, in: Geibel/Süßmann, § 2 WpÜG Rz. 39; Schüppen/Walz, in: Haarmann/Schüppen, § 30 WpÜG Rz. 67; Liebscher, ZIP 2002, 1007.
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dungsfindung des Emittenten nicht auf die Ausübung von Stimmrechten gerichtet sein muss (s. Rz. 181). Kein Bezug zur Gesellschaft besteht, wenn die Beteiligten sich über ihr Verhalten als Dritte, etwa als Vertragspartner der Gesellschaft z.B. als Darlehensgeber, als Lieferant oder Arbeitnehmer abstimmen.
175a
b) Verständigung über die Ausübung von Stimmrechten (1. Fallgruppe) § 22 Abs. 2 Satz 1 WpHG bildet zwei Fallgruppen zur Konkretisierung des Inhalts der 176 Vereinbarung oder Abstimmung des Verhaltens i.S. von § 22 Abs. 2 Satz 1 WpHG, nämlich die Verständigung über die Ausübung von Stimmrechten (1. Fallgruppe) und die Verständigung mit dem Ziel einer dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung des Emittenten (2. Fallgruppe). Die erste Fallgruppe sieht vor, dass sich die Vereinbarung oder Abstimmung auf die 177 Ausübung von Stimmrechten beziehen muss. Die Absicht genügt. Die Meldepflicht entsteht schon mit Abschluss der Vereinbarung oder zum Zeitpunkt der Abstimmung. Es kommt nicht darauf an, dass die Stimmrechte auch tatsächlich koordiniert ausgeübt werden1. Eine gegenseitige Information ist nicht ausreichend. Verlangt ist vielmehr, dass das Stimmverhalten koordiniert wird. Zu denken ist daher an Vereinbarungen oder Abstimmungen über das Stimmverhalten in Bezug auf alle oder einzelne Tagesordnungspunkte. Ausreichend ist daher die Abstimmung des Stimmverhaltens über alle künftigen Kapitalerhöhungen oder die Entlastung eines Organmitglieds. Der Abstimmungsgegenstand muss keine Dauerhaftigkeit oder Nachhaltigkeit aufweisen2. Die Verständigung über die Ausübung von Stimmrechten ist kein Sonderfall im Ver- 178 hältnis zur 2. Fallgruppe3; denn im Gegensatz zur 2. Fallgruppe kommt es weder darauf an, welche Absichten die Beteiligten damit verfolgen, noch ob sie einen spürbaren und/oder nachhaltigen Einfluss auf die Unternehmensleitung gewinnen oder ob die Beteiligten einzelne Maßnahmen, die die Zielsetzung des Unternehmens betreffen, durchsetzen wollen oder breitflächig und/oder nachhaltigen Einfluss auf die Unternehmenspolitik nehmen können4. Früher war das anders. § 22 Abs. 1 Nr. 3 WpHG a.F. verlangte, dass die Beteiligten sich verpflichteten, künftig die Stimmrechte einvernehmlich auszuüben, und zwar um „langfristig gemeinschaftliche Ziele bezüglich der Geschäftsführung der börsennotierten Gesellschaft zu verfolgen“. Dabei war jedoch zu bedenken, dass die Hauptversammlung nach deutschem Aktienrecht anders als etwa in einer Reihe von ausländischen Rechtsordnungen nicht über die Geschäftspolitik entscheidet. Die Anwendbarkeit der Norm wäre damit auf solche Fälle beschränkt, in denen ausnahmsweise durch HV-Beschluss unmittelbar auf die Geschäftspolitik Einfluss genommen werden soll.
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Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.5.8. LG Hamburg v. 16.10.2006 – 412 O 102/04, ZIP 2007, 427. A.A. für § 30 WpÜG: Anders/Filgut, ZIP 2010, 1115 (1117). Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, § 22 WpHG Rz. 85; Wilsing/Goslar, DB 2007, 2467 (2468).
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c) Einfluss auf die Zielsetzung des Unternehmens (2. Fallgruppe) aa) Die Ausgangslage 179 Spätestens mit Inkrafttreten des Risikobegrenzungsgesetzes ist jetzt klargestellt, dass sich die Vereinbarung oder Abstimmung nicht auf die Ausübung von Stimmrechten in der Hauptversammlung beziehen muss, sondern auch die faktische Einflussnahme auf Aufsichtsrat und Vorstand, z.B. durch Druck und Versprechungen, zum Gegenstand haben kann. Dabei muss Ziel eine dauerhafte und erhebliche Änderung der unternehmerischen Ausrichtung sein. 179a
Unsicherheit war durch die Entscheidung des II. Senats des BGH vom 18.9.20061 entstanden. Der Senat vertrat die Ansicht, § 30 Abs. 2 Satz 1 WpÜG erfasse nur solche Vereinbarungen, die sich auf die Ausübung von Stimmrechten aus Aktien der Zielgesellschaft, also auf die Stimmrechtsausübung in der Hauptversammlung beziehen2. Würde die Vereinbarung oder Abstimmung sich nur auf die Vorgänge im Aufsichtsrat beziehen, reiche dies nicht aus3. Da teilweise die Ansicht vertreten wird, die melderechtlichen und die übernahmerechtlichen Zurechnungsvorschriften seien identisch auszulegen4, hätte dies auch für § 22 Abs. 2 WpHG bedeutet, dass sich die Vereinbarung oder Abstimmung auf die Ausübung von Stimmrechten in der Hauptversammlung beziehen müsste.
180 Mit dem Risikobegrenzungsgesetz ist indessen klargestellt: „Auch die Abstimmung im Vorfeld der Hauptversammlung kann somit künftig ein relevantes Zusammenwirken darstellen …“5. 181 Die Vereinbarung oder Abstimmung kann auch dazu dienen, an der Hauptversammlung vorbei faktischen Einfluss auf die Unternehmensleitung der Zielgesellschaft zu gewinnen6. Auch hier genügt nicht die Absicht, den Vorstand zu einer einzelnen Maßnahme anzuhalten, z.B. ein spin-off vorzunehmen oder eine Maßnahme nicht vorzunehmen, z.B. ein Übernahmeangebot gegenüber den Aktionären einer Zielgesellschaft nicht abzugeben oder nicht weiter zu verfolgen. Die Abstimmung muss vielmehr, wie auch bei der vereinbarten oder abgestimmten Ausübung von Stimmrechten, auf eine dauerhafte und nicht lediglich auf eine Interessenkoordination im Einzelfall gerichtet sein7. bb) „in sonstiger Weise“ 182 Die 2. Fallgruppe ist die Reaktion auf die „restriktive Haltung des Bundesgerichtshofs“8, der eine Abstimmung über die Ausübung von Stimmrechten verlangte. Das 1 BGH v. 18.9.2006 – II ZR 137/05, BGHZ 169, 98 = AG 2006, 883 mit abl. Anm. Uwe H. Schneider, ZGR 2007, 440; s. dazu auch Goette, in: VGR, Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2006, 2007, S. 1, 20; Noack, LMK 2006, 204721; Borges, ZIP 2007, 357 (362). 2 Zustimmend: Fleischer, ZGR 2008, 185 (199); Diekmann, DStR 2007, 445; Mülbert, in: Bankrechtstag 2006, S. 141, 157; Thaeter/Guski, AG 2007, 301 (303); Borges, ZIP 2007, 357 (363); Halasz/Kloster, Der Konzern 2007, 344 (346); Spindler, WM 2007, 2357 (2358). 3 BGH v. 18.9.2006 – II ZR 137/05, BGHZ 169, 98 ff. = AG 2006, 883, Rz. 17. 4 So noch Begr. RegE Risikobegrenzungsgesetz, BT-Drucks. 16/7438, S. 8; dagegen: Drinkuth, ZIP 2008, 676; sowie oben § 22 Rz. 12 f. 5 Begr. RegE Risikobegrenzungsgesetz, BT-Drucks. 16/7438, S. 11. 6 A.A. zum alten Recht für § 30 WpÜG: OLG Frankfurt/M. v. 25.6.2004 – WpÜG 5, 6 und 8/03, AG 2004, 617 = ZIP 2004, 1309 (1312); wohl auch BaFin vom 19.10.2005 (Deutsche Börse) (www.bafin.de/presse). 7 Zum früheren Recht: Liebscher, ZIP 2002, 1008. 8 Begr. RegE, BT-Drucks. 16/7438, S. 6 f., 11; Düchting, Acting in Concert, 2009, S. 110.
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Uwe H. Schneider
Zurechnung von Stimmrechten
§ 22
ist für diese Fallgruppe nicht erforderlich. Ausreichend ist nach der Änderung des § 22 Abs. 2 WpHG eine Vereinbarung oder Abstimmung, wonach faktisch außerhalb der Hauptversammlung auf den Vorstand Einfluss genommen werden soll, etwa durch Drohung, auf seine Abberufung hinzuwirken, die Vorstandsmitglieder mit Schadensersatzansprüchen zu überziehen, den Vorstand in der Öffentlichkeit zu diffamieren oder in der Hauptversammlung einen Misstrauensantrag zu stellen1. Der Einfluss muss auf der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung beruhen. Ein expliziter oder mittelbarer Hinweis auf den Stimmrechtseinfluss ist nicht erforderlich2. Die Abhängigkeiten sind den Beteiligten bewusst. Auf der anderen Seite genügt eine tatsächliche Abhängigkeit etwa von einem Kreditinstitut als Kreditgeber oder einem Hersteller als Lieferant nicht3. cc) Änderung der unternehmerischen Ausrichtung Die 2. Fallgruppe verlangt darüber hinaus, dass sich die Beteiligten mit dem Ziel verständigen, eine dauerhafte und erhebliche Änderung der unternehmerischen Ausrichtung des Emittenten zu erreichen.
183
Ziel muss es sein, diese Änderung durch den gegenwärtigen oder den künftigen Vor- 184 stand und Aufsichtsrat herbeizuführen. Die Regierungsbegründung nennt als Beispiele die Zerschlagung des Unternehmens und die die Gesellschaft lähmende Sonderdividende4. Als Beispiel werden ferner genannt die grundlegende Änderung des Geschäftsmodells und die Trennung von wesentlichen Geschäftsbereichen5. Zu eng ist die Ansicht, verlangt sei eine Abweichung vom bisher verfolgten Gesellschaftszweck oder vom satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand6; denn das würde eine Satzungsänderung verlangen. Geprägt wird die unternehmerische Ausrichtung vielmehr von der Unternehmenspolitik, also durch die langfristige Ausrichtung von Einkauf, Verkauf, Produktion, Vertrieb, Finanzierung etc.7. Keine Änderung der unternehmerischen Ausrichtung wird beabsichtigt, wenn nur der gegenwärtige Zustand aufrechterhalten werden soll. Nicht ausreichend ist daher die Unterstützung des derzeitigen Vorstands, der die bisherige Unternehmenspolitik beibehalten will8. Das Drängen, einzelne oder alle Aufsichtsratsmitglieder oder Vorstandsmitglieder zu 184a ersetzen, reicht daher nicht aus. Personen können jedoch für eine Änderung der Geschäftspolitik stehen oder sind persönlich abhängig von einem Aktionär, der seinerseits auf eine Änderung der Unternehmenspolitik drängt. Kommt dies hinzu, liegt eine beabsichtigte Änderung der unternehmerischen Ausrichtung vor9. Maßgebend ist die gemeinsame Absicht der Beteiligten und nicht, ob ihnen ihr Vor- 184b haben auch gelingt10. Die Verabredung genügt. Der beabsichtigte Einfluss muss aber 1 2 3 4 5 6 7 8
Zu den Methoden: Seifert/Voth, Invasion der Heuschrecken, 2006, S. 135 ff. So aber Krause, in: FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 669, 692. Ebenso Krause, in FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 694. Begr. RegE, BT-Drucks. 16/7438, S. 11. Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 16/9821, S. 12. So wohl von Bülow/Stephanblome, ZIP 2008, 1797 (1798). So wohl auch die Verwaltungspraxis: Hoppe/Michel, BaFinJournal 2010, Heft 04, S. 3. Zweifelnd: Krause, in: FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 669; wie hier: Bericht des Finanzausschusses: BT-Drucks. 16/9821, S. 15; Hoppe/Michel, BaFinJournal 2010, Heft 04, S. 3, 5. 9 Begr. RegE, BT-Drucks. 16/7438, S. 11; zur kalten Übernahme: Krause, in: FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 669. 10 Spindler, WM 2007, 2357 (2360); Wilsing/Goslar, DB 2007, 2467 (2468); von Bülow/Stephanblome, ZIP 2008, 1797 (1798); Korff, AG 2008, 692 (694); Krause, in: FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 669, 695.
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§ 22
Zurechnung von Stimmrechten
beides sein, nämlich dauerhaft und erheblich. Nicht genügt ein dauerhafter Einfluss, der nicht erheblich ist und ein erheblicher Einfluss, der nicht dauerhaft ist1. Der beabsichtigte Einfluss ist erheblich, wenn eine Gesamtschau der Änderungen ergibt, dass nicht eine einzelne Maßnahme verwirklicht werden soll, z.B. kein Export von Waffen in ein bestimmtes Kriegsgebiet. d) Abgestimmter Parallelerwerb 185 Die Vereinbarung oder die Abstimmung der Beteiligten muss sich nicht unmittelbar auf die Ausübung von Stimmrechten oder den Einfluss auf die Geschäftspolitik beziehen; denn die §§ 21 ff. WpHG zielen nicht auf eine Offenlegung der Kontrolle der Herrschaftsstrukturen sondern die Veränderung von Stimmrechtsanteilen, und zwar gerade auch auf deren Aufbau als auch deren Abbau. Die Vereinbarung oder die Abstimmung können daher auch entgegen der Verwaltungspraxis das koordinierte Erwerben (abgestimmter Parallelerwerb)2, das koordinierte Festhalten der jeweiligen Beteiligung oder das abgestimmte Veräußern der Aktien durch die Beteiligten zum Inhalt haben3. Das folgt aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, nämlich ein heimliches Anschleichen zu verhindern. Streitig ist, ob die Beteiligten zusätzlich vereinbaren oder sich abstimmen müssen, auf die Ausübung der Stimmrechte oder die Zielsetzung des Unternehmens Einfluss zu nehmen4. Hierfür genügt die mittelbare Absicht. 186 Im Blick auf das gemeinschaftliche Erwerben sind drei Fälle zu unterscheiden: 187 Zum einen liegt ein gemeinschaftliches Verabreden vor, wenn die Beteiligten im Außenverhältnis gemeinschaftlich auftreten, ihr Interesse am Erwerb öffentlich bekunden und jeweils auf eigene Rechnung erwerben.
1 A.A. Vaupel, AG 2011, 63 (75). 2 Wie hier: Begr. RegE Risikobegrenzungsgesetz, BT-Drucks. 15/7438, S. 11; Gaede, Koordiniertes Aktionärsverhalten im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2008, S. 256; Uwe H. Schneider, WM 2006, 1321 (1325); Berger/Filgut, AG 2004, 592 (603); Korff, AG 2008, 692 (694); Renz/Rippel, BKR 2008, 309 (311); Mülbert, NZG 2004, 633 (637); a.A. Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 16/9821, S. 15; Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, § 22 WpHG Rz. 96; Berger, ZIP 2007, 357 (364); von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 22 Rz. 162; Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 22 WpHG Rz. 90; Gätsch/ Schäfer, NZG 2008, 846 (848); von Bülow/Stephanblome, ZIP 2008, 1797 (1799); a.A. für § 30 WpÜG: Diekmann, in: Baums/Thoma, § 30 WpÜG Rz. 82; Noack/Zetzsche, in: Schwark/Zimmer, § 30 WpÜG Rz. 33; Schockenhoff/Schumann, ZGR 2005, 568 (578); Seibt, ZIP 2004, 1828 (1833); Mülbert, in: Bankrechtstag 2006, 2007, S. 109, 159; Hamann, ZIP 2007, 1088 (1090); Schockenhoff/Wagner, NZG 2008, 361 (364); s. auch Oechsler, ZIP 2011, 449. 3 S. auch Art. 10 Abs. 2 Eidgenössische Börsenverordnung – FINMA i.d.F. vom 25.10.2008: „Eine Abstimmung der Verhaltensweisen liegt namentlich vor bei Rechtsverhältnissen zum Erwerb oder der Veräußerung von Beteiligungspapieren“; ferner Jahresbericht der schweizerisch. Offenlegungsstelle 2009, S. 64. 4 Dagegen: Berger/Filgut, AG 2004, 592 (593); Borges, ZIP 2007, 357 (364); dafür: OLG Frankfurt/M. v. 25.6.2004 – WpÜG 5, 6 und 8/03, ZIP 2004, 1309 (1313); von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 219; Nelle, ZIP 2006, 2057 (2061); wohl auch: Spindler, WM 2007, 2357 (2360); s. auch die Pressemitteilung der BaFin zur Beiersdorf AG: „Ein acting in concert liegt beim gemeinsamen Erwerb von Aktien nur dann vor, wenn ein über den Erwerb hinausgehendes, gemeinsames Interesse verfolgt wird.“; s. dazu Uwe H. Schneider, WM 2006, 1321 (1324).
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Zurechnung von Stimmrechten
§ 22
Zum anderen liegt ein gemeinschaftliches Verabreden zum Zwecke des Erwerbs vor, wenn die Beteiligten im Innenverhältnis verabreden, durch abgestimmten Parallelerwerb gemeinschaftlich ein Paket aufzubauen, unabhängig davon, ob dies dazu dient, bestimmte unternehmerische Entscheidungen durchzusetzen oder gar die Kontrolle künftig gemeinsam auszuüben1. Dasselbe gilt für den abgestimmten Parallelverkauf2.
188
Und zum Dritten liegt ein gemeinschaftliches Verabreden zum Zwecke des Erwerbs 189 vor, wenn einer der Beteiligten einen anderen, etwa ein Kreditinstitut beauftragt, in seinem Interesse Aktien zu erwerben. Wenn daher ein Investor zahlreiche Kreditinstitute beauftragt, für ihn Aktien aufzukaufen, so muss er sich die von den Instituten bereits erworbenen Stimmrechte zurechnen lassen3. In allen drei Fällen soll die Offenlegung die Marktöffentlichkeit frühzeitig darüber 190 informieren, dass ein Aktionär das Ziel verfolgt, ein Paket zu schnüren. Daher sind die Stimmrechte der Beteiligten in einem frühen Zeitpunkt zusammenzurechnen, und zwar auch dann, wenn zunächst noch keine Stimmrechtskoordinierung erfolgt. Das gilt auch für die dritte Fallgruppe, wenn der Beauftragte über Aktien verfügt, die zunächst dem Auftraggeber nicht zugedacht sind; denn für die Offenlegung ist nicht entscheidend, wer in einem zweiten Schritt Inhaber des Pakets werden soll. e) Vereinbarungen in Einzelfällen Die in § 22 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 WpHG vorgesehene Ausnahme erfasst dem 191 Wortlaut nach nur „Vereinbarungen“. Mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift ist dies nicht zu vereinbaren. Die Lücke ist durch entsprechende Anwendung zu schließen (zur Zulässigkeit einer Analogie im Rahmen der §§ 21 ff. WpHG s. Vor § 21 Rz. 47). § 22 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 WpHG gilt daher auch für sonstige Abstimmungen4. Streitig ist, unter welchen Voraussetzungen sich die Vereinbarung oder Abstimmung auf einen Einzelfall bezieht. Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass Abstimmungen zu einem einzelnen Tagesordnungspunkt oder eine einzelne unternehmerische Entscheidung ausnahmslos nicht zur Zurechnung führen (formale Betrachtung)5. Offen bleibt nach dieser Ansicht, ob § 22 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 WpHG eine Auslegungsregel oder eine unwiderlegliche Vermutung enthält. Jedenfalls gelte das auch dann, wenn sich die Beteiligten jeweils vor einer Hauptversammlung, also von Fall zu Fall über einen Tagesordnungspunkt absprechen z.B. auf einen Kandidaten verständigen6. Eine solche starre formale Lösung brächte Rechtssicherheit. Nach ande1 So ausdrücklich Begr. RegE Risikobegrenzungsgesetz zu § 22 Abs. 2 WpHG, BT-Drucks. 16/7438, S. 11; s. auch schon Hopt/Mülbert/Kumpan, AG 2005, 109; a.A. von Bülow/Bücker, Börsen-Zeitung vom 14.9.2005, S. 2. 2 A.A. wohl Liebscher, ZIP 2002, 1008 zum alten Recht. 3 A.A. für § 30 WpÜG: Mülbert, Bankrechtstag 2006, 2007, S. 141, 159. 4 von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 22 Rz. 169; Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, § 22 WpHG Rz. 98; Casper, ZIP 2003, 1469 (1476); Pentz, ZIP 2003, 1478; Schockenhoff/Schumann, ZGR 2005, 568 (587); Krause, in: FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 669, 696. 5 So wohl h.M.: Lange, ZBB 2004, 22 (27); Schockenhoff/Schumann, ZGR 2005, 568 (588); Kocher, BB 2006, 2436; Sänger/Kessler, ZIP 2006, 837 (840); für § 30 WpÜG: OLG Frankfurt/M. v. 25.6.2004 – WpÜG 5/03, ZIP 2004, 1309 (1314); von Bülow, in: FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 141, 145, 149. 6 von Bülow, in: FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 141, 149; wohl auch allgemein Schockenhoff/ Wagner, NZG 2008, 361 (364): spontane Verhaltensabstimmung.
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191a
§ 22
Zurechnung von Stimmrechten
rer Ansicht, nämlich bei materieller Betrachtung, handelt es sich um eine widerlegliche Vermutung. Bei einer Vereinbarung im Einzelfall sei zwar zu vermuten, das kein acting in concert vorliege. Es könne aber eine Verhaltensabstimmung auch schon im Einzelfall zur Zurechnung führen, wenn dies zur einer entsprechenden Änderung der unternehmerischen Ausrichtung führen soll1. Das Risikobegrenzungsgesetz hat keine klare Lösung gebracht2. 191b
Die zuletzt genannte materielle Betrachtung wird dem Sinn der Vorschrift gerecht. § 22 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 WpHG enthält eine widerlegliche Vermutung, und zwar für beide Fallgruppen. Eine Vereinbarung über einen Einzelfall schließt somit ein acting in concert nicht aus3. Es wird lediglich nicht vermutet, dass ein acting in concert vorliegt.
191c
Die Verständigung über die Ausübung von Stimmrechten verlangt daher im Blick auf die 1. Fallgruppe in der Regel eine Verständigung über mindestens zwei Hauptversammlungsperioden. Dies kann auch durch wiederholte Verabredungen geschehen. Liegt eine solche Verständigung über die Ausübung von Stimmrechten vor, so führt dies widerleglich zur Zurechnung, also auch dann, wenn keine Absicht besteht, spürbaren Einfluss auf die Geschäftspolitik zu nehmen. Eine solche Verständigung ist offenzulegen. Bezieht sich die Verständigung auf einen Tagesordnungspunkt anlässlich einer Hauptversammlung, liegt kein acting in concert vor4.
191d
Eine Verständigung über die Ausübung von Stimmrechten kann ausnahmsweise auch schon dann, wenn sie sich nur auf einen Tagesordnungspunkt im Rahmen einer Hauptversammlung bezieht, für ein acting in concert genügen, wenn hierbei die Beteiligten die Absicht verfolgen, dauerhaft und erheblich Einfluss auf die Zielsetzung des Unternehmens zu nehmen. Die Vermutung ist widerlegt, wenn eine solche Absicht besteht.
191e
Für die 2. Fallgruppe ist § 22 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 WpHG von geringerer Bedeutung. Die 2. Fallgruppe zeichnet sich nicht nur dadurch aus, dass der Einfluss zwar durch die Beteiligung vermittelt wird, aber „auf andere Weise“ genommen werden soll. Ziel des Einflusses muss es vielmehr sein, eine dauerhafte und erhebliche Änderung der unternehmerischen Ausrichtung des Emittenten herbeizuführen. Entscheidend ist die dauerhafte und erhebliche Änderung der längerfristig angelegten Strategie5. Exemplarisch ist der Verkauf einer wesentlichen Beteiligung. Auch kann dies eine Kapitalerhöhung sein, wenn damit ein neuer Produktionsstandort finanziert werden soll. Daran fehlt es etwa, wenn nur eine einmalige Maßnahme, z.B. die Bestellung eines bestimmten Abschlussprüfers, veranlasst werden soll. Daran fehlt es auch, wenn eine Maßnahme veranlasst werden soll, die zwar längerfristige Bedeutung hat, wie etwa die Einstellung eines Mitarbeiters, dies aber nicht zur Änderung der Geschäftspolitik führt. Wenn folglich nur auf die Entscheidung über einzelne Maßnahme Einfluss genommen werden soll und dies auf die unternehmerische Ausrichtung des Emittenten ohne Auswirkung ist, liegt kein acting in concert vor6.
1 Casper/Bracht, NZG 2005, 839; Borges, ZIP 2007, 357 (363); Wackerbarth, ZIP 2007, 2340 (2344); a.A. von Bülow/Stephanblome, ZIP 2008, 1797 (1800); Krause, in: FS Uwe H. Schneider, 2011, S. 669, 699. 2 Korff, AG 2008, 692; Hoppe/Michel, BaFinJournal 2010, Heft 04, S. 3, 4. 3 Anders/Filgut, ZIP 2010, 1115 (1117). 4 LG Düsseldorf v. 16.5.2007 – 36 O 99/06, ZIP 2007, 1859 (1861) = AG 2007, 797. 5 Hoppe/Michel, BaFinJournal 2010, Heft 04, S. 3, 4. 6 Bericht Finanzausschuss, BT-Drucks. 16/9821, S. 11; Anders/Filgut, ZIP 2010, 1115 (1117).
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Uwe H. Schneider
Zurechnung von Stimmrechten
§ 22
Zum gemeinschaftlichen Festhalten zählen die „Versteinerungs-Vereinbarungen“ („stand still-Vereinbarungen“), durch die die Beteiligten versuchen, sicher zu stellen, dass sich die Höhe ihrer Beteiligung an der Gesellschaft nicht verändert1. Das Ziel wird nur erreicht, wenn die Beteiligten auch ihr Abstimmungsverhalten bei Kapitalerhöhungen und Kapitalherabsetzungen koordinieren.
191f
Das abgestimmte Veräußern soll verhindern, dass unvermittelt größere Posten von Aktien auf den Markt gelangen und in Folge hiervon die Kurse einbrechen.
192
6. Gegenseitige Zurechnung in voller Höhe § 22 Abs. 2 WpHG ergänzt nur die Zurechnungsvorschriften, enthält aber anders als etwa Art. 15 der Eidgenössischen Börsenverordnung – FINMA keine Sondervorschriften über die Mitteilungspflichten2.
193
Die Stimmrechte des Partners eines acting in concert werden wechselseitig in voller Höhe zugerechnet3. Das bedeutet freilich, dass auch Absprachepartner mit sehr kleinen Beteiligungen meldepflichtig sein können. Diese wechselseitige Zurechnung, und zwar in voller Höhe, kann dazu führen, dass eine Vielzahl von Personen zur Mitteilung verpflichtet sind4. Die Zurechnung entfällt nicht deshalb, weil die zugerechneten Stimmrechte von einem Stimmverlust betroffen sind.
193a
Eine einschränkende Auslegung mit der Folge, dass nur zugerechnet wird, wenn der 193b jeweilige Absprachepartner des acting in concert selbst Aktien hält oder die Möglichkeit hat, auf die Ausübung der Stimmrechte Einfluss zu nehmen, ist nicht begründet5. Sie ist auch europarechtlich nicht zu vertreten6. Der Partner eines acting in concert muss selbst keine Stimmrechte halten7. Er kann vielmehr meldepflichtig sein, wenn ihm Stimmrechte zugerechnet werden.
1 Eidmüller, DStR 2007, 2116 (2120); Mülbert, Bankrechtstag 2006, 2007, S. 141, 152; Uwe H. Schneider, WM 2006, 1321 (1325); ebenso für § 30 WpÜG: Holzborn, in: Zschocke/ Schuster, Bad Homburger Handbuch zum Übernahmerecht, 2003, Rz. C 26; a.A. für § 30 WpÜG: LG Hamburg v. 16.10.2006 – 412 O 102/04, ZIP 2007, 427 = AG 2007, 177; Schockenhoff/Schumann, ZGR 2005, 568 (579); von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 219; Diekmann, in: Baums/Thoma, § 30 WpÜG Rz. 82; Gaede, Koordiniertes Aktionärsverhalten im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2008, S. 258. 2 Art. 10 Abs. 3 und 4 der Eidgenössischen Börsenverordnung – FINMA i.d.F. vom 25.10.2008 lauten: Abs. 3: Wer in gemeinsamer Absprache oder als organisierte Gruppe handelt, hat die gesamte Beteiligung, die Identität der Mitglieder, die Art der Absprache und die Vertretung zu melden. Abs. 4: Erwerb und Veräußerung unter verbundenen Personen, die ihre Gesamtbeteiligung gemeldet haben, sind von der Meldepflicht ausgenommen. 3 Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, § 22 WpHG Rz. 101; Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 22 WpHG Rz. 18; Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, S. 164; Casper, ZIP 2003, 1469 (1476); Braun, NZG 2008, 928 (930); a.A. Lange, ZBB 2004, 26 f. 4 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.5.8. Für § 30 WpÜG: Liebscher, ZIP 2002, 1005 (1007); Braun, NZG 2008, 928 (930); Maul, NZG 2005, 156. 5 So aber für § 30 WpÜG: von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 246; s. auch Hemispherx Biopharma v. Johannesburg Consol. Investments, 0514380. 6 Ebenso für § 30 WpÜG: Mülbert, NZG 2004, 633 (637); Seibt/Heiser, ZIP 2005, 214; a.A. Veil, in: FS Karsten Schmidt, 2009, S. 1645, 1659. 7 Wie hier: Becker, in: Bürgers/Körber, AktG, Anh. § 22/§ 22 WpHG Rz. 9; a.A. von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 22 Rz. 175 f.
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7. Beweislast und Beweisführung 194 Sollen die Beteiligten mit einem Bußgeld belegt werden, weil sie ihren Meldepflichten nicht nachgekommen sind, so muss ihnen ein abgestimmtes Verhalten nachgewiesen werden1. Beweiserleichterungen, Vermutungsregeln etc. sind nicht anwendbar. Sollen die Beteiligten an der Abstimmung in der Hauptversammlung nicht zugelassen, soll ihnen die Dividende nicht ausbezahlt werden oder wird die Dividende zurückgefordert, so muss ihnen auch in diesem Fall das abgestimmte Verhalten nachgewiesen werden2. Eine Beweislastumkehr ist in den §§ 21 ff. WpHG nicht vorgesehen. 195 Der Nachweis eines abgestimmten Verhaltens wird der Gesellschaft oder den Mitaktionären aber schwer fallen, weil sich die Beteiligten ohne Zeugen hinter verschlossenen Türen u.U. im Ausland treffen und keiner bereit ist, die Vereinbarung oder Abstimmung zu offenbaren. Eine Dokumentation und Zeugen fehlen. In der Regel gibt es keine Briefe, aus denen hervor geht, dass das Verhalten „Wort für Wort“3 abgestimmt ist. Von ausdrücklichen gesetzlichen Vermutungen hat der Gesetzgeber abgesehen4. Daher hilft nur eine Gesamtwürdigung des Einzelfalles (Indizienbeweis)5, z.B. gemeinsame Treffen, gemeinsames Büro, Austausch und anschließendes Löschen von e-mails, die Zahl der ausgewechselten Aufsichtsratsmitglieder6. In besonderen (typischen) Fällen kann auch auf die Regeln des Anscheinsbeweises zurückgegriffen werden7. Wer jede Form von Beweiserleichterungen ablehnt, beraubt die Vorschrift seiner Funktion8. Gleiche Fallgestaltungen sind aus dem Kartellrecht und dem Steuerrecht bekannt. Im Blick hierauf ist zu unterscheiden: 196 Unbewusstes gleichförmiges Abstimmungsverhalten rechtfertigt nicht die Vermutung eines abgestimmten Verhaltens9. Dagegen gibt es eine Reihe von Sachverhalten, die typischerweise auf ein abgestimmtes Verhalten hindeuten und die daher eine wi1 Für § 30 WpÜG: OLG Frankfurt/M. v. 25.6.2004 – WpÜG 5/03a, 6/03, 8/03a, NZG 2004, 865. 2 BaFin vom 19.10.2005 zu § 30 WpÜG (Deutsche Börse) (www.bafin.de/presse); Schockenhoff/Schumann, ZGR 2005, 597. 3 So freilich der Sachverhalt zu OLG München v. 27.4.2005 – 7 U 2792/04, AG 2005, 482 = ZIP 2005, 856 (858). 4 S. dazu Fleischer, ZGR 2008, 184 (202); Gaede, Koordiniertes Aktionärsverhalten im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2008, S. 287 ff. 5 LG Köln v. 5.10.2007 – 82 O 114/06, AG 2008, 336 (338); s. auch OLG München v. 17.2.2005 – 23 W 2406/04, WM 2005, 1414; Gaede, Koordiniertes Aktionärsverhalten im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2008, S. 296. Zur entsprechenden Lage im europäischen Kartellrecht: EuG v. 6.4.1995 – Rs T-149/89, Slg. 1995, II – 1127, Rz. 70; s. auch EuG v. 24.10.1991 – Rs T-1/89, Slg. 1991, II – 867, Rz. 66: Teilnahme an gemeinsamen Sitzungen. 6 Spindler, WM 2007, 2357 (2362). 7 A.A. Liebscher, ZIP 2002, 1005 (1009); Hamann, ZIP 2007, 1088 (1095) (für § 30 WpÜG); zweifelnd: Schockenhoff/Schumann, ZGR 2005, 600. 8 So aber in der Tendenz: Schockenhoff/Schumann, ZGR 2005, 568 (596 ff.); auch Seibt, ZIP 2004, 1829 (1834). 9 Begr. RegE Risikobegrenzungsgesetz zu § 22 Abs. 2 WpHG, BT-Drucks. 16/7438, S. 11; sowie schon OLG Frankfurt/M. v. 25.6.2004 – WpÜG 5, 6 und 8/03, ZIP 2004, 1309 = AG 2004, 617; OLG Stuttgart v. 10.11.2004 – 20 U 16/03, AG 2005, 129; OLG München v. 27.4.2005 – 7 U 2792/04, AG 2005, 482 = BB 2005, 1411 mit Anm. Louven; von Bülow/Stephanblome, ZIP 2008, 1797 (1800); Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, § 22 WpHG Rz. 92.
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derlegliche Vermutung begründen1. Dazu gehört ein bewusstes gleichgerichtetes Abstimmungsverhalten in mehreren Tagesordnungspunkten, die nur im Hinblick einer bestimmten Gesamtstrategie Sinn machen. Auch bei institutionalisierten Treffen, z.B. in einer Vereinigung von Kommunen, die einzeln an einer Gesellschaft beteiligt sind, spricht eine Lebenserfahrung für ein abgestimmtes Verhalten. Auch wird bei Ehegatten, minderjährigen Kindern und Lebenspartnern, mit dem der Meldepflichtige im selben Haushalt wohnt, weder unwiderleglich noch widerleglich vermutet, dass ein abgestimmtes Verhalten vorliegt2. Es fehlt eine zwingende Zurechnung, etwa entsprechend den Definitionsregeln des Abs. 2 Nr. 2 City Code on Takeovers and Mergers. Ein abgestimmtes Verhalten ist auch bei diesen zuletzt genannten Personen aber widerleglich zu vermuten3. 8. Einzelfälle a) Gemeinsame Beratung und Aktionärsforum Die Beratung unter den Aktionären wird als Teil guter Corporate Governance angesehen. In Rule II G der OECD-Principles of Corporate Governance 2004 heißt es ausdrücklich: „Shareholders, including institutional shareholders, should be allowed to consult with each other on issues concerning their basic shareholder rights as defined in the Principles, subject to exceptions to prevent abuse.“ In einer solchen wechselseitigen Information und gemeinsamen Beratung liegt kein acting in concert; denn es fehlt schon an einer Vereinbarung oder Abstimmung über ein gemeinsames Stimmverhalten. Unbedenklich ist daher auch die Teilnahme an einem Aktionärsforum (§ 127a AktG.) „Es bleibt dem einzelnen Aktionär unbenommen, das öffentlich bekannte Stimmverhalten anderer Aktionäre in die Überlegungen über sein Stimmverhalten mit einzubeziehen, ohne damit das Risiko der Rechtsfolgen eines acting in concert einzugehen“4.
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Anders ist die Lage, wenn sich die Aktionäre nicht auf eine gemeinsame Beratung be- 198 schränken, sondern auch ein gemeinsames Stimmverhalten verabreden oder faktisch herbeiführen. So erfüllt die Voraussetzungen eines acting in concert auch eine Koordinierung des Stimmverhaltens durch eine wechselseitige Information über das beabsichtigte Stimmverhalten oder durch eine gemeinsame „Beratung“ durch einen institutionellen Stimmrechtsberater bzw. Stimmrechtsvertreter, dem die Beteiligten blind oder in der Absicht folgen, auf diese Weise Einfluss auf das Management zu gewinnen5. Exemplarisch für eine solche gemeinsame „Beratung“ sind breitflächige Abstimmungsrichtlinien für institutionelle Anleger, z.B. über Kapitalmaßnahmen, die Entlastung von Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats, zu Corporate Governance Fragen, zur Vergütungspolitik etc.6. Ein solches Verhalten ist nicht unzulässig, muss aber offengelegt werden; denn hier wird versucht, durch abgestimmtes Verhalten erheblich und dauerhaft auf das Management Einfluss zu gewinnen.
1 A.A. Seibt, ZIP 2004, 1834. 2 OLG Frankfurt/M. v. 22.5.2007 – 5 U 33/06, AG 2008, 87. 3 A.A. OLG Stuttgart v. 10.11.2004 – 20 U 16/03, AG 2005, 129: offen gelassen für minderjährige Kinder; Liebscher, ZIP 2002, 1008; Casper, ZIP 2003, 1475; Schockenhoff/Schumann, ZGR 2005, 591; s. auch Pentz, ZIP 2003, 1481. 4 Begr. RegE Risikobegrenzungsgesetz zu § 22 Abs. 2 WpHG, BT-Drucks. 16/7438, S. 11; Gesell, in: FS Maier-Reimer, 2010, S. 123, 135. 5 Ebenso Vaupel, AG 2011, 63 (75); a.A. Kocher/Heydel, AG 2011, 543. 6 S. etwa die Proxy Voting Policies der RiskMetrics Group 2009; Uwe H. Schneider/Anzinger, NZG 2007, 88.
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b) Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern 199 Vereinbaren zwei oder mehr Personen die Wahl eines oder mehrerer Aufsichtsratsmitglieder für eine Bestellperiode, so reicht dies für eine Zurechnung nicht aus; denn es handelt sich um eine Vereinbarung in einem Einzelfall, § 22 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 WpHG1. Es besteht auch keine widerlegliche Vermutung für eine solche Abstimmung (anders § 1 Ziff. 6 Österr. ÜbernahmeG). Wenn sich daher Aktionäre im Rahmen eines Aktionärsforums abstimmen, verlangt dies in der Folge keine Zurechnung. Exemplarisch ist auch die Zusage eines Aufsichtsratsmandats an einen Minderheitsaktionär im Rahmen eines Beteiligungserwerbs. Der Einfluss des Aufsichtsratsmitglieds bleibt begrenzt; und das rechtfertigt, von einer Zurechnung abzusehen. 199a
Ein abgestimmtes Verhalten mit dem Ziel, sich über das Stimmverhalten zu verständigen (1. Fallgruppe), liegt erst vor, wenn sich die Vereinbarung über mindestens zwei Hauptversammlungsperioden erstreckt (Abstimmung im Fortsetzungszusammenhang). Dies gilt auch dann, wenn keine Änderung der unternehmerischen Ausrichtung des Emittenten beabsichtigt ist. Abgestimmtes Verhalten liegt auch vor (2. Fallgruppe), wenn mit der Wahl in Bezug auf die börsennotierte Gesellschaft weitergehende Ziele verfolgt werden (Gesamtplan)2. Dafür genügt auch schon die Abstimmung für einen Wahlgang. Entscheidend ist die Qualität und Quantität der Aufsichtsratsmandate und die Zusammensetzung des Aufsichtsrats3. Die weitergehenden Ziele können in der Neuausrichtung der Geschäftspolitik, der Zahlung einer Sonderdividende, aber auch in der Zerschlagung des Unternehmens bzw. des Konzerns liegen. Ausreichend kann hierfür bereits der Austausch eines einzelnen Aufsichtsratsmitglieds sein. Sollen mehrere Aufsichtsratsmitglieder ausgetauscht werden, so spricht dies für eine Änderung der langfristigen Strategie4. Allerdings gilt dies nicht, wenn lediglich der Frauenanteil im Aufsichtsrat erhöht werden soll. Entscheidend ist, dass eine bestimmte unternehmerische Ausrichtung verfolgt wird – und dafür stehen Personen. An einer Abstimmung mit Fortsetzungszusammenhang fehlt es, wenn die Beteiligten sich vor jeder Neubestellung auf denselben Kandidaten einigen5. Ein abgestimmtes Verhalten von Aufsichtsratsmitgliedern führt nicht zur Stimmrechtszurechnung6. c) Poolvereinbarungen
200 Typisch für ein abgestimmtes Verhalten in Bezug auf die Gesellschaft sind Stimmbindungs-/Poolvereinbarungen7. Dabei schließen sich zwei oder mehrere Aktionäre mit dem Ziel zusammen, die Stimmrechte koordiniert auszuüben oder die Änderung
1 Spindler, WM 2007, 2357 (2360): spontanes gemeinsames Stimmverhalten. 2 Wie hier BaFin, Jahresbericht 2003, S. 209; Noack/Zetzsche, in: Schwark/Zimmer, § 30 WpÜG Rz. 36; zu eng von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 253 ff.; Steinmeyer, in: Steinmeyer/Häger, § 30 WpÜG Rz. 60; Korff, AG 2008, 692 (695). 3 BaFin, Jahresbericht 2005, S. 178. 4 BT-Drucks. 16/7438, S. 11; Spindler, WM 2007, 2357 (2360); Hammen, Der Konzern 2009, 18 (19), s. auch § 1 Ziff. 6 Österr. ÜbernahmeG. 5 Ebenso Krause, NJW 2004, 3681 (3685). 6 von Bülow, in: Veil, Übernahmerecht in der Praxis, 2009, S. 158; a.A. noch Begr. RegE Risikobegrenzungsgesetz, BT-Drucks. 16/7438, S. 11. 7 OLG Frankfurt/M. v. 25.6.2003 – WpÜG 5, 6 und 8/03, ZIP 2004, 1309 = AG 2004, 617; Lenz/Linke, AG 2002, 368; von Bülow, in: Veil, Übernahmerecht in der Praxis, 2009, S. 161; s. auch Bericht Finanzausschuss RisikobegrenzungsG, BT-Drucks. 16/9821, S. 16.
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der unternehmerischen Ausrichtung des Emittenten herbeizuführen. Das gilt für den Druckpool, dessen Ziel es ist, die Änderung der unternehmerischen Ausrichtung herbeizuführen, nicht aber für den Abwehrpool, nämlich eine Änderung zu verhindern1. Verknüpft sind diese Vereinbarungen mit Verabredungen über die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder, Vorkaufsrechte usw. Derartige Poolvereinbarungen fallen ohne weiteres unter § 22 Abs. 2 WpHG, und zwar nicht nur, wenn das Einstimmigkeitsprinzip gilt, sondern auch, wenn in der Poolvereinbarung das Mehrheitsprinzip vorgesehen ist. Die Stimmrechte der Beteiligten werden wechselseitig zugerechnet. Hält ein Poolmitglied die Mehrheit der Stimmen, so sollen die Stimmrechte der Minderheits-Poolmitglieder nur dem Mehrheits-Poolmitglied zugerechnet werden2. Eine solche einschränkende Auslegung ist mit dem Normzweck nicht zu vereinbaren. Hält ein Poolmitglied ein Aktienpaket, wird aber nur ein Teil der Aktien der Poolvereinbarung unterworfen, so werden nur die in die Poolvereinbarung einbezogenen Stimmrechte zugerechnet3. Eine Zurechnung erfolgt ferner unabhängig davon, ob abweichendes Stimmverhalten 200a trotz gemeinsamer Poolentscheidung rechtlich sanktioniert wird, ob sich die Poolmitglieder die Möglichkeit abweichenden Stimmverhaltens offen gehalten haben („Poolvertrag mit Öffnungsklausel“)4 und ob es einen Stimmführer gibt oder nicht. Selbst der ausdrückliche Ausschluss der gemeinsamen Verfolgung von Zielen bezüglich der Geschäftsführung in der Poolvereinbarung kann durch das tatsächliche Verhalten widerlegt sein5. Ist der Poolpartner eine Tochtergesellschaft, so werden die Stimmrechte aller Poolpartner auch dem herrschenden Unternehmen zugerechnet. Das folgt aus § 22 Abs. 2 WpHG. Die Stimmrechte der Tochter werden der Mutter nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG zugerechnet. Wird eine Poolvereinbarung aufgelöst, so entfällt die Zurechnung. Das kann eine 201 Meldepflicht auslösen, wenn bei einem Poolmitglied eine Meldeschwelle unterschritten wird. Dasselbe gilt beim Austritt eines Poolmitglieds. Ob Anwendungen einer Poolvereinbarung zu Meldepflichten führen, hängt vom Inhalt der Änderung ab. d) Pool-in-Pool-Vereinbarungen Eine wechselseitige Zurechnung erfolgt auch bei „Pool-in-Pool-Vereinbarungen“, nämlich wenn ein Gemeinschaftspool aus mehreren Einzelpools besteht. Die Stimmrechte der Aktionäre eines Einzelpools werden den Aktionären der anderen Einzelpools zugerechnet. Schon gar nicht ist erforderlich, dass der Beteiligte den Pool kontrolliert. Eine Zurechnung erfolgt ferner unabhängig davon, ob abweichendes Stimmverhalten trotz gemeinsamer Poolentscheidung rechtlich sanktioniert wird oder ob sich die Poolmitglieder die Möglichkeit abweichenden Stimmverhaltens of-
1 von Bülow, in: Veil, Übernahmerecht in der Praxis, 2009, S. 161. 2 Noack, in: Schwark/Zimmer, § 30 WpÜG Rz. 12; von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 256; Pentz, ZIP 2003, 1478; Casper, ZIP 2003, 1474; von Bülow/Bücker, ZGR 2004, 707; Lange, ZBB 2004, 26; a.A. wie hier BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.5.8; Lenz/ Linke, AG 2002, 368. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.5.8; a.A. für § 30 WpÜG: von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 255. 4 Nottmeier/Schäfer, AG 1997, 95; von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 257; a.A. Jäger, WM 1996, 1357. 5 Jäger, WM 1996, 1357.
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fen gehalten haben („Poolvertrag mit Öffnungsklausel“)1. Selbst der ausdrückliche Ausschluss der gemeinsamen Verfolgung von Zielen bezüglich der Geschäftsführung in der Poolvereinbarung kann durch das tatsächliche Verhalten widerlegt sein2. e) „Frühstücks-Pool“ 203 Unter § 22 Abs. 2 WpHG fallen ferner alle „Frühstücks-Pools“. Das sind solche Verabredungen, bei denen die Partner unter Berufung auf den kaufmännischen Anstand, die gemeinsamen Interessen als institutionelle Anleger, als Familie, als Zulieferer oder Abnehmer usw. eine Übereinstimmung erzielen, entweder gemeinschaftlich die Kontrolle zu erwerben oder ihre Beteiligungen gemeinschaftlich zu halten oder ihre Stimmrechte und den tatsächlichen Einfluss im Zusammenwirken einzusetzen. Wechselseitig zuzurechnen sein können daher auch die Stimmrechte der Mitglieder von Aktionärsvereinigungen oder die Teilnehmer eines Council of Institutional Investors, mag es auch bei der Abstimmung über ihr Stimmrechtsverhalten usw. an einer rechtsgeschäftlichen Grundlage fehlen. Weder brauchen klagbare Ansprüche noch müssen sonstige Rechte und Pflichten durch die „Vereinbarung“ begründet sein. Voraussetzung für eine Zurechnung ist eine gewisse Dauer des Zusammenwirkens3. Einmalige Treffen mit dem Ziel, in einer Einzelfrage zusammenzuwirken, reichen nicht. f) Nahe Verwandte und Familien-Pools 204 Zwischen Mitglieder derselben Familie, Lebenspartnern usw. wird nicht zwingend zugerechnet. Das gilt auch für Ehegatten und minderjährige Kinder4. Die Stimmrechte minderjähriger Kinder werden aber nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpHG beiden Elternteilen zugerechnet5. Eine Regelung etwa entsprechend der Definitionen von Abs. 2 Nr. 2 City Code on Takeovers and Mergers fehlt. Verlangt ist vielmehr ein formales Verabreden, etwa in einem Familienbeirat, oder ein informelles Abstimmen. Ausreichend sind daher informelle Familientreffen, in denen eine entsprechende Abstimmung erfolgt. 205 Haben die Mitglieder einer Familie die Stimmrechte aus Aktien an derselben Gesellschaft gepoolt, so kann dies eine Zurechnung begründen. Dabei ist aber jeder Fall gesondert zu betrachten; denn die Praxis kennt vielfältige Gestaltungen für solche Familien-Pools, angefangen bei der Poolung der Stimmrechte mit oder ohne gemeinsame Vertretung oder der Poolung der Aktien durch Vollrechtsübertragung, über einstufige und mehrstufige Familien-Pools, bis hin zu ganz unterschiedlichen Formen von Vereinbarungen über die Entscheidungsfindung zum Abstimmungsverhalten und zur Sanktionierung bei abweichendem Stimmverhalten6. 206 Haben die Familienmitglieder ihre Aktien in eine GmbH oder in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts eingebracht und auf diese Weise ihre Stimmrechte gepoolt, so kann dies die Zurechnung begründen. 1 Nottmeier/Schäfer, AG 1997, 95; a.A. Jäger, WM 1996, 1357; eingehend: Pentz, ZIP 2003, 1478 (1481). 2 Jäger, WM 1996, 1357. 3 Ebenso Vaupel, AG 2011, 63 (76). 4 LG Köln v. 5.10.2007 – 82 O 114/06, AG 2008, 336 (338); Pentz, ZIP 2003, 1485; Schockenkoff/Schumann, ZGR 2005, 591. 5 VG Frankfurt/M. v. 1.10.2009 – 1 K 390/09, Beck RS 2010, 525 (76). 6 S. zur Verwaltungspraxis Nottmeier/Schäfer, AG 1997, 95; Jäger, WM 1996, 1357.
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Dem einzelnen Familienmitglied, das an der GmbH oder Gesellschaft bürgerlichen 207 Rechts beteiligt ist, wird nach § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WpHG der von der Vorschaltgesellschaft (Vermögensverwaltungsgesellschaft) gehaltene Anteil zugerechnet, wenn der ausschließliche Gesellschaftszweck der vorgenannten Gesellschaft darin besteht, die Beteiligung im Interesse der Gesellschafter zu verwalten, und das einzelne Familienmitglied als Gesellschafter wesentlichen Einfluss auf die Stimmrechtsausübung der Gesellschaft hat (s. oben Rz. 76). Stimmrechte aus Aktien, die die anderen Familienmitglieder halten, werden ihnen nicht zugerechnet, es sei denn, es besteht auch über die Stimmrechte dieser Aktien eine gesonderte Stimmrechtsvereinbarung. Die Folge der Zurechnung bei abgestimmten Verhalten kann dazu führen, dass ein Familienmitglied nicht nur zur Offenlegung der Beteiligung sondern auch nach § 33 WpÜG zu einem Pflichtangebot verpflichtet ist, obwohl es selbst keine oder nur wenige Aktien hält.
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g) Gesellschaft und ihre geschäftsführenden Organmitglieder Ein abgestimmtes Verhalten besteht zwischen einer Gesellschaft und ihren ge- 209 schäftsführenden Organmitgliedern (s. Rz. 170, 209), denn die geschäftsführenden Organmitglieder entscheiden zugleich über das Verhalten der Gesellschaft, insbesondere die Ausübung der Stimmrechte in Bezug auf die Gesellschaft1. Nicht entscheidend ist es, ob der Geschäftsführer Alleingesellschafter oder Alleingeschäftsführer ist; es genügt, dass er auf Grund seiner Stimmrechte rechtlich oder faktisch Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft hat. Kein abgestimmtes Verhalten liegt bei der GmbH nur dann vor, wenn der Geschäftsführer im konkreten Fall auf Weisung der Gesellschafter handelt. Gegen eine Zurechnung spricht nicht, dass die geschäftsführenden Organmitglieder bei der Wahrnehmung der Stimmrechte der Gesellschaft die Interessen der Gesellschaft wahrzunehmen haben und nur bei der Wahrnehmung der eigenen Stimmrechte ihre eigenen Interessen verfolgen dürfen (s. aber auch Rz. 121). Keine Zurechnung erfolgt demgegenüber bei Aufsichtsratsmitgliedern; denn diese haben keinen oder nur begrenzten Einfluss auf die Wahrnehmung der Stimmrechte der Gesellschaft. h) Berater, Rechtsanwälte Keine Abstimmung erfolgt zwischen dem Berater (Vermögensberater, Anwalt, Steu- 210 erberater etc.) und dem Beratenen, wenn der Beratene eigenverantwortlich entscheidet, wie er sich im Verhältnis zur Gesellschaft verhält. Daher fehlt es in der Regel an einem abgestimmten Verhalten i.S. von § 22 Abs. 2 WpHG, wenn der Anwalt sich darauf beschränkt, den Beteiligten bei seinem Verhalten in Bezug auf die Gesellschaft anwaltlich zu beraten2. Etwas anderes gilt, wenn der Anwalt für seinen Klienten handelt. Mit derselben Begründung erfolgt keine Zurechnung beim Anlageberater, wenn er sich auf die Beratung beschränkt und nicht etwa die Vermögensverwaltung übernommen hat.
1 OLG Frankfurt/M. v. 22.5.2007 – 5 U 33/06, AG 2008, 87; ebenso Definitionsregeln: acting in concert, Abs. 2 Nr. 2 Takeover Code 2009 sowie Lange, Der Konzern 2003, 675 (680); a.A. von Bülow/Bücker, ZGR 2004, 717; Seibt, ZIP 2005, 729. 2 Diekmann, in: Baums/Thoma, § 30 WpÜG Rz. 81.
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i) Konzerninterne Vereinbarung 211a
Verständigen sich eine Muttergesellschaft und ihre beherrschten Konzernunternehmen, so werden nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG die Stimmrechte der Tochtergesellschaften der Muttergesellschaft zugerechnet, aber umgekehrt die Stimmrechte der Muttergesellschaft und der Schwestergesellschaft nicht den Tochtergesellschaften. § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG verdrängt indessen nicht § 22 Abs. 2 WpHG. Wenn daher zwischen Konzernunternehmen eine entsprechende Verständigung erfolgt, führt dies zu einer wechselseitigen Zurechnung1. 9. Ermächtigung für Rechtsverordnung (§ 22 Abs. 5 WpHG)
212 Durch § 22 Abs. 5 WpHG werden zwei Ermächtigungsgrundlagen in das Gesetz aufgenommen. Zum einen kann die Ausnahmeregelung in § 22 Abs. 3a WpHG konkretisiert werden. Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung regeln, unter welchen Umständen die in § 22 Abs. 3a WpHG geforderte Unabhängigkeit eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens vom Meldepflichtigen gegeben ist. Das ist Voraussetzung, damit die Ausnahmeregelung des § 22 Abs. 2 Satz 1 WpHG greift. Dies ist durch die Transparenzrichtlinie-Durchführungsverordnung – TranspRLDV vom 13.3.20082 geschehen. Die Verordnung dient zugleich der Umsetzung der EU-Richtlinie 2007/14/EG vom 8.3.2007. Zum anderen können die elektronischen Hilfsmittel näher bestimmt werden, mit denen Weisungen i.S. des § 22 Abs. 3 WpHG erteilt werden können. Bedeutung gewinnt dies bei Durchführungsmaßnahmen der EU-Kommission nach Art. 2 Abs. 3 lit. c der Transparenzrichtlinie II zur Erstellung einer Liste der Hilfsmittel, die nicht als elektronische Hilfsmittel anzusehen sind.
XIV. Abschließender Katalog von Zurechnungstatbeständen? 213 Ob § 22 Abs. 1 WpHG einen abschließenden Katalog von Zurechnungstatbeständen enthält, ist streitig. Die Verwaltungspraxis sieht die Aufzählung als abschließend an. Richtig ist: Eine Analogie ist ausgeschlossen, so weit die Verletzung der aufsichtsrechtlichen Meldepflichten mit Bußgeld belegt ist; denn im Recht der Ordnungswidrigkeiten wäre eine Analogie verfassungswidrig3. So weit aber die Verletzung der aufsichtsrechtlichen Meldepflichten gesellschaftsrechtliche oder deliktsrechtliche Folgen (s. bei § 28) hat, ist eine Analogie und damit eine gespaltene Normanwendung zulässig4.
XV. Inhalt der Meldung 214 Werden Stimmrechte nach § 22 Abs. 1 oder Abs. 2 WpHG zugerechnet, so hat die Mitteilung nicht nur die Angaben nach § 17 Abs. 1 WpAIV, sondern auch zusätzliche Angaben zu enthalten. Diese zusätzlichen Angaben ergeben sich aus § 17 Abs. 2 1 Zurückhaltend: von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 266 f. 2 BGBl. I 2008, 408. 3 BGH v. 18.9.2006 – II ZR 137/05, BGHZ 169, 98 (106) = AG 2006, 883; Widder/Kocher, ZIP 2010, 457 (459); für § 30 WpÜG: von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 35, 226. 4 Wie hier: Cahn, ZHR 162 (1998), 1 (7); Cahn, ZHR 168 (2004), 483; Wackerbarth, ZIP 2005, 1217 (1221); Hammen, Der Konzern 2009, 1820; a.A. Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, Vor § 21 WpHG Rz. 25; Fleischer/Bedkowski, DStR 2010, 933; s. auch oben Vor § 21 Rz. 47.
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Anhang zu § 22
§ 32 InvG Stimmrechtsausübung
WpAIV. Dazu gehört die Angabe des Namens des Dritten, aus dessen Aktien Stimmrechte zugerechnet werden, wenn dessen zugerechneter Stimmrechtsanteil jeweils 3 % oder mehr beträgt, § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WpAIV. So weit die Voraussetzungen vorliegen, sind auch die Namen der kontrollierten Unternehmen, über die die Stimmrechte tatsächlich gehalten werden, wenn deren zugerechneter Stimmrechtsanteil jeweils 3 % oder mehr beträgt, § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WpAIV, anzugeben. Und endlich sind getrennt die zuzurechnenden Stimmrechte (in Prozent und Anzahl der Stimmrechte) für jede der Nummern in § 22 Abs. 1 WpHG und für § 22 Abs. 2 Satz 1 WpHG aufzuführen, § 17 Abs. 2 Satz 2 WpAIV. Der Aktionär muss nur dann aufgeführt werden, wenn von diesen 3 % oder mehr Stimmrechte zuzurechnen sind1. Hält der Meldepflichtige Aktien mit Stimmrechten oder werden ihm Stimmrechte zugerechnet und hat der Meldepflichtige Zugriff auf Aktien, so sind diese Stimmrechte zusammenzurechnen, § 25a Abs. 1 Satz 7 WpHG. Die Gesamtposition ist getrennt nach Einzelpositionen zu melden (s. bei § 25a Rz. 62). Frei.
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Anhang zu § 22 WpHG Kommentierung des § 32 Abs. 2–5 InvG (Sven H. Schneider)
§ 32 InvG Stimmrechtsausübung (1) … (2) Die Kapitalanlagegesellschaft ist unter den folgenden Voraussetzungen hinsichtlich der von ihr verwalteten Sondervermögen kein Tochterunternehmen im Sinne des § 22 Abs. 3 des Wertpapierhandelsgesetzes und des § 2 Abs. 6 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes und keine Mehrheitsbeteiligung im Sinne des § 135 Abs. 3 Satz 4 des Aktiengesetzes: 1. die Kapitalanlagegesellschaft übt ihre Stimmrechte unabhängig vom Mutterunternehmen aus, 2. das Sondervermögen wird nach Maßgabe der Richtlinie 2009/65/EG verwaltet, 3. das Mutterunternehmen teilt der Bundesanstalt den Namen dieser Kapitalanlagegesellschaft und die für deren Überwachung zuständige Behörde oder das Fehlen einer solchen mit und 4. das Mutterunternehmen erklärt gegenüber der Bundesanstalt, dass die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllt sind. Die Kapitalanlagegesellschaft gilt jedoch dann als Tochterunternehmen, wenn das Mutterunternehmen oder ein anderes vom Mutterunternehmen kontrolliertes Unternehmen im Sinne des § 22 Abs. 3 des Wertpapierhandelsgesetzes seinerseits Anteile an dem von dieser Kapitalanlagegesellschaft verwalteten Sondervermögen hält und die Kapitalanlagegesellschaft die Stimmrechte, die mit diesen Beteiligungen verbunden sind, nicht nach freiem Ermessen, sondern nur aufgrund unmittelbarer oder mittelbarer Weisungen ausüben kann, die ihr vom Mutterunternehmen oder von einem anderen im Sinne des § 22 Abs. 3 des Wertpapierhandelsgesetzes kontrollierten 1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.5.11.
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Anhang zu § 22
§ 32 InvG Stimmrechtsausübung
Unternehmen des Mutterunternehmens erteilt werden. Stimmrechte aus Aktien, die zu einem von einer Kapitalanlagegesellschaft verwalteten Sondervermögen gehören, das kein Spezial-Sondervermögen ist und dessen Vermögensgegenstände im Miteigentum der Anleger stehen, gelten für die Anwendung des § 21 Abs. 1 des Wertpapierhandelsgesetzes und des § 29 Abs. 2 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes als Stimmrechte der Kapitalanlagegesellschaft; stehen die Vermögensgegenstände dieses Sondervermögens im Eigentum der Kapitalanlagegesellschaft, sind auf die Stimmrechte § 22 Abs. 1 des Wertpapierhandelsgesetzes und § 30 Abs. 1 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes nicht anzuwenden. Für die Mitteilungspflichten nach § 25 des Wertpapierhandelsgesetzes gilt Satz 3 entsprechend. (3) Für EU-Verwaltungsgesellschaften gilt Absatz 2 Satz 1, 2 und 4 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach Absatz 5 Satz 1 Nr. 1 entsprechend. Absatz 2 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden, wenn der Anleger regelmäßig keine Weisungen für die Ausübung der Stimmrechte erteilen kann. (4) Ein Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat, das einer Erlaubnis nach § 7 oder § 97 bedürfte, wenn es seinen Sitz im Inland hätte, ist unter den folgenden Voraussetzungen hinsichtlich des von ihm verwalteten Investmentvermögens kein Tochterunternehmen im Sinne des § 22 Abs. 3 des Wertpapierhandelsgesetzes und des § 2 Abs. 6 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes und keine Mehrheitsbeteiligung im Sinne des § 135 Abs. 3 Satz 4 des Aktiengesetzes: 1. das Unternehmen genügt bezüglich seiner Unabhängigkeit Anforderungen, die denen für Kapitalanlagegesellschaften nach Absatz 2 Satz 1 in Verbindung mit einer Rechtsverordnung nach Absatz 5 Nr. 1 gleichwertig sind, 2. das Mutterunternehmen des Unternehmens gibt eine Mitteilung entsprechend Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 ab und 3. das Mutterunternehmen erklärt gegenüber der Bundesanstalt, dass die Voraussetzungen der Nummer 1 erfüllt sind. Absatz 2 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend. (5) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen erlassen über 1. Umstände, unter denen im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 und 2 eine Unabhängigkeit der Kapitalanlagegesellschaft vom Mutterunternehmen gegeben ist und 2. die Gleichwertigkeit von Regeln eines Drittstaates zur Unabhängigkeit von Kapitalanlagegesellschaften vom Mutterunternehmen. In der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2009/65/EG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW-IV-Umsetzungsgesetz) vom 22.6.2011 (BGBl. I 2011, 1126).
Inhaltsübersicht I. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . 251 II. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . 254 III. § 32 Abs. 2 InvG . . . . . . . . . . . . . . . . 258 1. § 32 Abs. 2 Satz 1 und 2 InvG . . . . . 258
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a) Normzweck und Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Tatbestandsvoraussetzungen. . . . aa) § 32 Abs. 2 Satz 1 InvG . . . . . bb) § 32 Abs. 2 Satz 2 InvG . . . . .
258 261 262 279
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§ 32 InvG Stimmrechtsausübung 2. § 32 Abs. 2 Satz 3 InvG . . . . . . . . . . . a) Normzweck und Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 32 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 InvG (Miteigentumslösung) . . . . . c) § 32 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 InvG (Treuhandlösung). . . . . . . . . d) Publikums-Investmentaktiengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . .
281 281 286
e) Spezial-Sondervermögen, Spezial-Investmentaktiengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . 301 IV. § 32 Abs. 3 InvG . . . . . . . . . . . . . . . . 308 V. § 32 Abs. 4 InvG . . . . . . . . . . . . . . . . 311
292
VI. Depotbank, Prime Broker. . . . . . . . . 319
294
I. Entstehungsgeschichte § 32 Abs. 2–5 InvG sind in der Anwendung überaus schwierige Vorschriften. Sie sind 251 aus dem gemeinsam mit dem Wertpapierhandelsgesetz durch das 2. Finanzmarktförderungsgesetz eingeführten § 10 Abs. 1a KAGG, dem durch das 3. Finanzmarktförderungsgesetz eingeführten § 15b AuslInvG und dem aufgehobenen § 134 InvG hervorgegangen. Die Vorschriften wurden zuletzt durch das TransparenzrichtlinieUmsetzungsgesetz vom 5.1.2007 (BGBl. I 2007, 10), das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 1.11.2007 (BGBl. I 2007, 1330), das Investmentänderungsgesetz vom 21.12.2007 (BGBl. I 2007, 3089), das Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie vom 30.7.2009 (BGBl. I 2009, 2479) und das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2009/65/EG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW-IV-UmsG) vom 22.6.2011 (BGBl. I 2011, 1126) geändert. § 32 Abs. 2 und 3 InvG dienen der Umsetzung des Art. 12 Abs. 4 Satz 1 der EU-Trans- 252 parenzrichtlinie II (Richtlinie 2004/109/EG vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. EU Nr. L 390 v. 31.12.2007, S. 38). § 32 Abs. 2 Satz 1 InvG dient zugleich der Umsetzung des Art. 10 Abs. 2 Satz 1 lit. a und b der Richtlinie 2007/14/EG vom 8.3.2007 mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der EU-Transparenzrichtlinie II (ABl. EU Nr. L 69 v. 9.3.2007, S. 27)1. § 32 Abs. 4 InvG dient der Umsetzung des Art. 23 Abs. 6 der EU-Transparenzrichtlinie II. § 32 Abs. 2–4 InvG werden auf der Grundlage der Verordnungsermächtigung in § 32 Abs. 5 InvG konkretisiert durch §§ 20–22 der Transparenzrichtlinie-Durchführungsverordnung (TranspRLDV – Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2007/14/EG der Kommission vom 8.3.2007 mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, BGBl. I 2007, 408). Noch nicht abschließend geklärt sind direkte und indirekte Auswirkungen der AIFM-Richtlinie (Richtlinie 2011/61/EU vom 8.6.2011 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2003/41/EG und 2009/65/EG, ABl. EU Nr. L 174 v. 1.7.2011, S. 1) auf die hier kommentierten investmentrechtlichen Sondervorschriften. Die AIFM-Richtlinie enthält u.a. weitreichende Transparenzvorschriften bei Beteiligung alternativer
1 Zum Ganzen schon von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 22 Rz. 18.
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Investmentfonds an gelisteten oder ungelisteten Zielgesellschaften. Die Koordinierung dieser Vorschriften mit § 32 Abs. 2–5 InvG steht noch aus.
II. Anwendungsbereich 254 § 32 Abs. 2–5 InvG enthalten Sonderregeln zu Einzelfragen der Meldepflichten im Zusammenhang mit Sondervermögen i.S. von § 2 Abs. 2 und 3 InvG, Investmentaktiengesellschaften nach Kapitel 3 des Investmentgesetzes sowie bestimmten ausländischen Investmentvermögen gemäß §§ 1 Satz 2, 2 Abs. 8 Satz 1 InvG, insbesondere – zu den originären Meldepflichten nach §§ 21 ff. WpHG bei „Publikums-Investmentvermögen“ (also Publikums-Sondervermögen nach § 2 Abs. 3 Satz 2 InvG, Publikums-Investmentaktiengesellschaften und bestimmten ausländischen Investmentvermögen) und – zu den Zurechnungsvorschriften nach § 22 WpHG bei Investmentvermögen und deren Verwaltungsgesellschaften. 255 Hintergrund der Sonderregeln ist das dem Investmentrecht zugrundeliegende Konzept der Trennung von (dinglichem oder zumindest wirtschaftlichem) Eigentum an den zu einem Fonds gehörenden Vermögensgegenständen einerseits und der Zuständigkeit für die Verwaltung des Fonds und Verfügung über die zu ihm gehörenden Vermögensgegenstände andererseits. Zumindest bei bestimmten Fonds obliegt sowohl die Investitionsentscheidung als auch die Stimmrechtsausübung nicht den Anlegern als wirtschaftlichen Eigentümern, sondern der für den Fonds zuständigen Verwaltungsgesellschaft, bei deutschen Fondskonstruktionen also regelmäßig der Kapitalanlagegesellschaft. In diesen Fällen haben die Fondsanleger in der Regel keinen Einfluss auf die Stimmrechtsausübung. Darüber hinaus handelt die Verwaltungsgesellschaft aufgrund besonderer investmentrechtlicher Vorgaben zum Schutz der Anleger in der Regel auch unabhängig von etwaigen Mutterunternehmen der Verwaltungsgesellschaft. Durch § 32 Abs. 2–5 InvG soll diesen besonderen investmentrechtlichen Umständen Rechnung getragen werden. 256 Für deutsche Fonds, die nicht dem Investmentgesetz unterfallen, gelten die allgemeinen Regeln der §§ 21 ff. WpHG. Nicht anzuwenden sind § 32 Abs. 2–5 InvG daher insbesondere auf geschlossene Fonds, etwa in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG (zu der daraus folgenden Benachteiligung gegenüber bestimmten ausländischen Fonds s. Rz. 314). 257 Besonders geregelt werden in § 32 Abs. 3 InvG die europäischen und in § 32 Abs. 4 InvG die außereuropäischen Sachverhalte. Der in § 1 Satz 1 InvG geregelte Anwendungsbereich des InvG lässt sich mit § 32 Abs. 3 und 4 InvG nicht recht vereinbaren. § 32 Abs. 2–5 InvG sollten insbesondere – aber nicht nur – aus diesem Grund künftig im WpHG angesiedelt werden. Eine Einschränkung der Anwendbarkeit der § 32 Abs. 2–5 InvG, folgt aus § 1 Satz 1 InvG aber nicht1.
1 Beckmann, in: Beckmann/Scholtz, Investment, Stand: 4/2010, 410 § 32 InvG Rz. 48.
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III. § 32 Abs. 2 InvG 1. § 32 Abs. 2 Satz 1 und 2 InvG a) Normzweck und Anwendungsbereich Die Vorschrift geht davon aus, dass viele Kapitalanlagegesellschaften Tochterunter- 258 nehmen von Kreditinstituten, Versicherungsunternehmen usw. sind. Bei Anwendung der allgemeinen Regeln, nämlich von § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG bzw. § 22 Abs. 1 Satz 2 WpHG werden Stimmrechte, die einem Tochterunternehmen des Meldepflichtigen gehören bzw. von diesem Tochterunternehmen verwaltet werden, dem Meldepflichtigen zugerechnet. Demnach wären Stimmrechte aus Aktien, die von einer Kapitalanlagegesellschaft in einem Investmentvermögen verwaltet werden, dem Mutterunternehmen dieser Kapitalanlagegesellschaft zuzurechnen. Das Gleiche gilt für Instrumente nach § 25 WpHG und dem am 1.2.2012 in Kraft tretenden § 25a WpHG. § 32 Abs. 2 Satz 1 InvG bezweckt unter bestimmten Voraussetzungen die melde- 259 rechtliche Neutralisierung von Stimmrechten für Zwecke der §§ 21, 22 WpHG bzw. von Finanzinstrumenten oder sonstigen Instrumenten für Zwecke der §§ 25, 25a WpHG auf der Ebene des Mutterunternehmens der Kapitalanlagegesellschaft. Das Entsprechende gilt für das Übernahmerecht (§ 30 WpÜG) und eine Spezialvorschrift im Aktienrecht (§ 135 Abs. 3 Satz 4 AktG). Das Ziel der Vorschrift ist es, den „tatsächlichen Machtverhältnissen“ im Verhältnis der Kapitalanlagegesellschaft zu ihrem Mutterunternehmen Rechnung zu tragen1. § 32 Abs. 2 Satz 1 und 2 InvG sind direkt anzuwenden auf Sondervermögen i.S. von 260 § 2 Abs. 2 InvG. Das sind die regulierten deutschen, rechtlich nicht verselbständigten Investmentvermögen in Vertragsform. Für die Investmentaktiengesellschaften, also die regulierten deutschen, rechtlich selbständigen Investmentvermögen, verweist § 99 Abs. 3 InvG auf § 32 Abs. 2 InvG, so dass die folgenden Ausführungen entsprechend gelten (also für den Inhaber der Unternehmensaktien, vgl. Rz. 298). Zur entsprechenden Anwendung auf ausländische Fonds s. Rz. 308 (europäische Fonds) bzw. Rz. 311 (außereuropäische Fonds). b) Tatbestandsvoraussetzungen § 32 Abs. 2 Satz 1 und 2 InvG modifizieren die in § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG und 261 § 22 Abs. 1 Satz 2 WpHG geregelten Zurechnungsvorschriften, lassen aber die originäre Meldepflicht nach § 21 Abs. 1 WpHG sowie die übrigen Zurechnungen nach § 22 Abs. 1 WpHG unberührt. Für Zwecke der §§ 25, 25a WpHG führt die Anwendbarkeit von § 32 Abs. 2 Satz 1 und 2 InvG dazu, dass von der Kapitalanlagegesellschaft in einem Sondervermögen gehaltene Finanzinstrumente oder sonstige Instrumente nicht auch mittelbar von der Obergesellschaft der Kapitalanlagegesellschaft gehalten werden. aa) § 32 Abs. 2 Satz 1 InvG § 32 Abs. 2 Satz 1 InvG handelt von der unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung an der Kapitalanlagegesellschaft, die dazu führt, dass das beteiligte Unternehmen Mutterunternehmen und die Kapitalanlagegesellschaft direktes bzw. indirektes Tochterunternehmen ist. Die Begriffe Mutterunternehmen und Tochterunterneh1 Begr. RegE Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 16/2498, S. 56.
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men sind nicht i.S. von § 2 Abs. 21 und 22 InvG auszulegen, sondern nach § 22 Abs. 3 WpHG. 263 Die Kapitalanlagegesellschaft „ist“ (gesetzliche Fiktion) nach § 32 Abs. 2 Satz 1 InvG unter bestimmten Voraussetzungen – die allerdings durch den zu weit geratenen Wortlaut von § 32 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 InvG für Publikums-Sondervermögen in Form der Treuhandlösung entwertet werden, vgl. Rz. 293 und Rz. 298 – kein Tochterunternehmen i.S. des § 22 Abs. 3 WpHG. Auf Grundlage dieser Fiktion werden die von der Kapitalanlagegesellschaft in einem Sondervermögen verwalteten Stimmrechte der Obergesellschaft nicht nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG bzw. §§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, 22 Abs. 1 Satz 2 WpHG zugerechnet1. Die Obergesellschaft hält auch nicht mittelbar von der Kapitalanlagegsellschaft gehaltene Instrumente i.S. von §§ 25, 25a WpHG. 264 Hintergrund der Regelung ist die gesetzlich angelegte Unabhängigkeit der Kapitalanlagegesellschaft von ihrer Obergesellschaft hinsichtlich der verwalteten Sondervermögen (vgl. § 9 InvG). Dies rechtfertigt es, die Kapitalanlagesellschaft insoweit unter bestimmten weiteren Voraussetzungen (dazu sogleich Rz. 267 ff.) nicht als Tochterunternehmen zu behandeln2. 265 Trotz des missverständlichen Gesetzeswortlauts in § 32 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WpHG („ihre Stimmrechte“) gilt § 32 Abs. 2 Satz 1 InvG nicht nur für Sondervermögen, deren Vermögensgegenstände im Eigentum der Kapitalanlagegesellschaft stehen (sog. Treuhandlösung, § 30 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 InvG), sondern auch bei Sondervermögen, deren Vermögensgegenstände – wie in der Praxis üblich – im Miteigentum der Anleger stehen (sog. Miteigentumslösung, § 30 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 InvG) (zu den unterschiedlichen Auswirkungen der Treuhandlösung bzw. Miteigentumslösung auf die Stimmrechtsmeldepflichten s. Rz. 286 bzw. Rz. 292). 266 Die Fiktion gilt nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut nur für Stimmrechte bzw. Instrumente in einem Sondervermögen, also nicht für außerhalb von Sondervermögen gehaltenes Vermögen der Kapitalanlagegesellschaft im Eigenbestand3. 267 Voraussetzung für die Vermeidung einer Zurechnung beim Mutterunternehmen ist erstens gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvG, dass die Kapitalanlagegesellschaft ihre Stimmrechte unabhängig von dem Mutterunternehmen ausübt. 268 Dies ist nach der Konkretisierung in § 20 Abs. 1 TranspRLDV der Fall, wenn (i) das Mutterunternehmen oder ein anderes von diesem kontrolliertes Unternehmen nicht durch unmittelbare oder mittelbare Weisungen oder in anderer Weise auf die Ausübung der Stimmrechte aus den Aktien, die zu dem Sondervermögen gehören, einwirken darf und (ii) die Kapitalanlagegesellschaft die Stimmrechte aus den zu dem von ihr verwalteten Sondervermögen gehörenden Aktien frei und unabhängig vom Mutterunternehmen und den anderen von diesem kontrollierten Unternehmen ausübt. 269 Eine unmittelbare Weisung ist jede auf einen bestimmten Fall bezogene Weisung zur Stimmrechtsausübung durch die Kapitalanlagegesellschaft (§ 20 Abs. 2 Satz 1 TranspRLDV). Eine mittelbare Weisung ist jede allgemeine oder besondere Weisung, 1 I.E. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 152 ff. 2 Beckmann, in: Beckmann/Scholtz, Investment, Stand: 4/2010, 410 § 32 InvG Rz. 34. 3 Beckmann, in: Beckmann/Scholtz, Investment, Stand: 4/2010, 410 § 32 InvG Rz. 29.
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durch die der Entscheidungsspielraum der Kapitalanlagegesellschaft in Bezug auf die Stimmrechtsausübung eingeschränkt wird, um bestimmten Geschäftsinteressen des Mutterunternehmens oder eines anderen von diesem kontrollierten Unternehmens Rechnung zu tragen (§ 20 Abs. 2 Satz 2 TranspRLDV). Zu schaffen sind die für die Sicherstellung der Unabhängigkeit erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen (§ 21 Abs. 3 TranspRLDV)1. Dies setzt u.a. voraus, dass das Mutterunternehmen und die Kapitalanlagegesellschaft zumindest schriftliche Strategien und Verfahren festgelegt haben, die dazu bestimmt sind, den Informationsaustausch zwischen dem Mutterunternehmen und der Kapitalanlagegesellschaft in Bezug auf die Stimmrechtsausübung zu verhindern (§ 21 Abs. 3 Satz 2 TranspRLDV). Darüber hinaus hat das Mutterunternehmen der BaFin auf Verlangen nachzuweisen, dass die Stimmrechte nach seinen eigenen Organisationsstrukturen sowie denjenigen der Kapitalanlagegesellschaft von ihm unabhängig ausgeübt werden und dass die Personen, die über die Stimmrechtsausübung entscheiden, unabhängig handeln (§ 21 Abs. 3 Satz 1 TranspRLDV).
270
Bei deutschen Kapitalanlagegesellschaften sind die Anforderungen von § 20 Abs. 1 271 TranspRLDV regelmäßig erfüllt, weil diese ohnehin gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 1 InvG verpflichtet sind, im ausschließlichen Interesse der Anleger zu handeln. Sie dürfen daher Weisungen der Obergesellschaft nicht befolgen. Die Unabhängigkeit wird nicht automatisch durch die faktische oder – soweit auf- 272 sichtsrechtlich zulässig – vertragliche Konzernierung ausgeschlossen. Ist die Kapitalanlagegesellschaft eine deutsche Aktiengesellschaft, so bestehen ohnehin im faktischen Konzern keine Weisungsrechte. Aber auch ein Beherrschungsvertrag ist für sich genommen noch nicht schädlich. Verlangt ist nur, dass das Mutterunternehmen tatsächlich keinen Einfluss auf die Ausübung der Stimmrechte nimmt. Die Möglichkeit der Einflussnahme genügt nicht. Eine Zurechnung erfolgt aber nur dann nicht, wenn die Obergesellschaft auch nicht faktisch Einfluss nimmt. Ein solcher faktischer Einfluss besteht aber nicht schon dann (und wird auch nicht vermutet), wenn ein Vorstandsmitglied des Mutterunternehmens zugleich Vorstandsmitglied der Kapitalanlagegesellschaft ist, und zwar selbst dann nicht, wenn keine weiteren Vorstandsmitglieder bestellt sind, für die keine Organidentität besteht. Erst recht kann ein faktischer Einfluss nicht schon deshalb vermutet werden, weil ein Vorstandsmitglied des Mutterunternehmens Aufsichtsratsmitglied der Kapitalanlagegesellschaft ist. Voraussetzung für die Vermeidung einer Zurechnung beim Mutterunternehmen ist zweitens nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvG, dass die Kapitalanlagegesellschaft das Sondervermögen nach Maßgabe der Richtlinie 2009/65/EG, also der neugefassten OGAW-Richtlinie2, verwaltet.
273
Nach richtiger BaFin-Praxis bedeutet der Verweis auf die OGAW-Richtlinie nicht, 274 dass § 32 Abs. 1 Satz 1 InvG nur bei richtlinienkonformen Sondervermögen nach Kapitel 2, Abschnitt 2 des Investmentgesetzes anwendbar ist. Auch bei Spezialfonds, Sonstigen Sondervermögen nach § 90g InvG und Sondervermögen mit zusätzlichen Risiken nach § 112 InvG (Hedgefonds) findet bei Einhaltung der weiteren Vorausset1 Ausführlich Beckmann, in: Beckmann/Scholtz, Investment, Stand: 4/2010, 410 § 32 InvG Rz. 37. 2 Die Richtlinie 85/611/EWG wurde durch die Neufassung der OGAW-Richtlinie 2009/65/EG ersetzt und zum 1.7.2011 endgültig aufgehoben.
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zungen keine Zurechnung statt1. Eine Verwaltung nach Maßgabe der OGAW-Richtlinie erfolgt nämlich schon bei Einhaltung von Art. 25 Abs. 2 OGAW-Richtlinie (entsprechend Art. 10 Abs. 2 der alten OGAW-Richtlinie 85/611/EWG), also wenn die Kapitalanlagegesellschaft als Verwaltungsgesellschaft bei Wahrnehmung ihrer Aufgaben unabhängig und ausschließlich im Interesse der Anteilinhaber (= Anleger) handelt2. Dies ist bei deutschen Kapitalanlagegesellschaften regelmäßig der Fall, weil der deutsche Gesetzgeber insoweit die OGAW-Richtlinie in § 9 Abs. 2 Nr. 1 InvG umgesetzt hat und Kapitalanlagegesellschaften stets zum Handeln im ausschließlichen Interesse der Anleger verpflichtet sind (s. noch Rz. 291)3. Wichtig kann dies aber bei ausländischen Fonds werden (zu ausländischen Fonds Rz. 308 ff. bzw. Rz. 311 ff.). 275 Voraussetzung ist drittens gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InvG, dass das Mutterunternehmen der BaFin den Namen der Kapitalanlagegesellschaft und die für deren Überwachung zuständige Behörde oder das Fehlen einer solchen mitteilt. Die Angaben sind fortlaufend zu aktualisieren (§ 21 Abs. 1 TranspRLDV). Die BaFin soll auf diese Weise über die Konzernbeziehungen, insbesondere aber über das Mutterunternehmen und den Namen der Kapitalanlagegesellschaft informiert werden, damit es die Einhaltung der Meldepflichten überwachen kann. Bei deutschen Kapitalanlagegesellschaften sind diese Informationen der BaFin freilich ohnehin bekannt (vgl. insbesondere § 2a InvG zur Stellung des Mutterunternehmens). 276 Voraussetzung ist gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 InvG schließlich viertens, dass das Mutterunternehmen gegenüber der BaFin eine Erklärung darüber abgibt, dass die Voraussetzungen von § 32 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvG erfüllt sind. Es genügt also nicht, dass die Kapitalanlagegesellschaft ihre Stimmrechte unabhängig vom Mutterunternehmen ausübt. Für die Formulierung dieser Erklärung hat sich bei der BaFin ein Standard herausgebildet4. 277 Nicht erforderlich soll sein, dass sich die Erklärung auch auf Finanzinstrumente erstreckt (§ 21 Abs. 2 TranspRLDV). Dies betrifft die Meldepflichten nach § 25 WpHG. § 21 Abs. 2 TranspRLDV sollte allerdings klarstellend angepasst werden, weil mit Inkrafttreten des Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetzes § 25 Abs. 1 Satz 1 WpHG nicht mehr nur für Finanzinstrumente gilt. Außerdem sollte klargestellt werden, dass auch im Hinblick auf von § 25a WpHG erfasste Instrumente keine Erklärung erforderlich ist. 278 Durch die Abgabe der Erklärung kann es zu einem Unterschreiten von Meldeschwellen und zu einer Mitteilungspflicht bei dem Mutterunternehmen kommen, wenn vorher eine Zurechnung erfolgte5. bb) § 32 Abs. 2 Satz 2 InvG 279 Durch § 32 Abs. 2 Satz 2 InvG erfolgt eine Rückausnahme, also eine Zurechnung der Stimmrechte bzw. (Finanz-)Instrumente bei der Muttergesellschaft trotz Vorliegen der Voraussetzungen nach § 32 Abs. 2 Satz 1 InvG. Eine Zurechnung nach den allge1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 152; a.A. für Hedgefonds Beckmann, in: Beckmann/ Scholtz, Investment, Stand: 4/2010, 410 § 32 InvG Rz. 40. 2 Wie hier BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 152; a.A. Beckmann, in: Beckmann/Scholtz, Investment, Stand: 4/2010, 410 § 32 InvG Rz. 40: Anlagekriterien entscheidend. 3 Wie hier und schon in der 4. Aufl. auch Dreibus/Schäfer, NZG 2009, 1292. 4 Zu der erforderlichen Erklärung vgl. auch BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 152 f. 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 153.
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meinen Regeln der §§ 21 ff. WpHG erfolgt, wenn erstens das Mutterunternehmen oder ein anderes seiner Tochterunternehmen Anteile an dem Sondervermögen (bzw. bei Investmentaktiengesellschaften: Anlageaktien, vgl. Rz. 297) hält und zweitens die Kapitalanlagegesellschaft für einen Fonds die Stimmrechte nicht nach freiem Ermessen, sondern nur aufgrund unmittelbarer oder mittelbarer Weisungen ausüben kann, die ihr von dem Mutterunternehmen oder dessen anderem Tochterunternehmen erteilt werden1. Ausreichend ist in diesem Fall abweichend von § 32 Abs. 2 Satz 1 InvG, dass die Möglichkeit besteht, Weisungen zu erteilen und nicht, ob auch tatsächlich Weisungen erteilt wurden. Die Weisung kann, muss aber nicht rechtlich bindend sein. Sie ist „mittelbar“, wenn sie faktisch oder über zwischengeschaltete Gesellschaften erfolgt2. Bei Anwendbarkeit der Rückausnahme wird die Kapitalanlagegesellschaft (nur) hinsichtlich des bzw. der betreffenden Fonds als Tochterunternehmen behandelt, nicht aber (auch) hinsichtlich etwaiger anderer Fonds, die von der Obergesellschaft nicht beherrscht werden3.
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2. § 32 Abs. 2 Satz 3 InvG a) Normzweck und Anwendungsbereich § 32 Abs. 2 Satz 3 InvG handelt von den Meldepflichten der Anleger von Publikums- 281 Sondervermögen i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 2 InvG. Dies sind alle Sondervermögen, die keine Spezial-Sondervermögen sind. Die Vorschrift ist mit anderen Worten nicht auf Spezial-Sondervermögen i.S. des § 2 Abs. 3 Satz 1 InvG anzuwenden (zu Spezial-Sondervermögen s. Rz. 301). Dies soll dem Umgehungsschutz dienen4. Die Norm gilt entsprechend für die Mitteilungspflichten nach § 25 WpHG (§ 32 282 Abs. 2 Satz 4 InvG). Auf die Bestandsmitteilungspflichten nach § 41 Abs. 2 und 4 WpHG ist sie nach Sinn und Zweck analog anzuwenden. Außerdem muss die Norm nach Sinn und Zweck auch für § 25a WpHG gelten, dies sollte im Gesetzeswortlaut klargestellt werden (etwa durch entsprechende Ergänzung von § 32 Abs. 2 Satz 4 InvG). § 32 Abs. 2 Satz 3 InvG ist auch nicht anzuwenden auf geschlossene deutsche Fonds etwa in Form einer GmbH & Co. KG, selbst wenn es sich um eine Publikums-Gesellschaft handelt (s. auch Rz. 256).
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§ 32 Abs. 2 Satz 3 InvG ist direkt anzuwenden auf Sondervermögen i.S. von § 2 284 Abs. 2 InvG. Zur entsprechenden Anwendbarkeit auf (Publikums-)Investmentaktiengesellschaften s. Rz. 294). Die zu einem Sondervermögen gehörenden Vermögensgegenstände stehen entweder im Miteigentum der Anleger (sog. Miteigentumslösung, § 30 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 InvG) oder im treuhänderischen Eigentum der Kapitalanlagegesellschaft (sog. Treu1 Wie hier etwa Dreibus/Schäfer, NZG 2009, 1289; a.A. unter Hinweis auf die Transparenzrichtlinie Beckmann, in: Beckmann/Scholtz, Investment, Stand: 4/2010, 410 § 32 InvG Rz. 42. 2 Vgl. auch das Beispiel in BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 153 f. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 153 f. 4 Begr. RegE Art. 4 des Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und Unternehmensübernahmen, BT-Drucks. 14/7034, S. 71; von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 22 Rz. 44.
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handlösung, § 30 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 InvG)1. § 32 Abs. 2 Satz 3 InvG besteht aus zwei Halbsätzen, in denen diese beiden Fälle unterschieden werden. In der Praxis üblich ist bei deutschen Sondervermögen die Miteigentumslösung2. Ausländische Fondskonstruktionen sind meist eher mit der Treuhandlösung vergleichbar. b) § 32 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 InvG (Miteigentumslösung) 286 Stehen die im Sondervermögen verwalteten Vermögensgegenstände im Miteigentum der Anleger (und handelt es sich nicht um ein Spezial-Sondervermögen, Rz. 281), „gelten“ die Stimmrechte für die Anwendung des § 21 Abs. 1 WpHG als Stimmrechte der Kapitalanlagegesellschaft. Aufgrund dieser den wahren Eigentumsverhältnissen widersprechenden gesetzlichen Fiktion werden die Stimmrechte primär der Kapitalanlagegesellschaft zugeordnet, und diese ist gegebenenfalls nach § 21 Abs. 1 WpHG, und nicht „nur“ nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpHG meldepflichtig3. Dies kann unter anderem wegen § 28 WpHG wichtig sein, der bei § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpHG keine Anwendung findet. Außerdem sind die Anleger trotz ihrer sachenrechtlich gegebenen Stellung als Inhaber der Aktien4 nicht nach § 21 Abs. 1 WpHG meldepflichtig5. 287 Bildet die Kapitalanlagegesellschaft mehrere Publikums-Sondervermögen (§ 30 Abs. 3 InvG) oder besteht ein Publikums-Sondervermögen im Rahmen einer Umbrellakonstruktion aus mehreren Teilfonds (§ 34 Abs. 2 InvG), so sind die Stimmrechte zusammenzurechnen und gelten insgesamt als Stimmrechte der Kapitalanlagegesellschaft. Der Handlungsspielraum der Kapitalanlagegesellschaften bei Anlageentscheidungen ist deshalb faktisch begrenzt, will sie Meldepflichten, vor allem aber ein Pflichtangebot vermeiden6. 288 Damit bleibt zu klären, welche Auswirkungen § 32 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 InvG auf die Zurechnungsbestimmungen nach § 22 WpHG hat. Nimmt man § 32 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 InvG wörtlich, so gilt die dort aufgestellte Fiktion nur „…für die Anwendung von § 21 Abs. 1…“. Man könnte dies so verstehen, dass die Fiktion nicht für § 22 WpHG gilt. Bei der Zurechnung würden die allgemeinen Regeln gelten mit der Folge, dass die Kapitalanlagegesellschaft auch nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpHG melden müsste und die Anleger nicht melden müssten, weil ihnen die Stimmrechte als Miteigentümer gehören und deshalb keine Fallgruppe des § 22 Abs. 1 WpHG einschlägig ist. 289 Gegen eine solche wörtliche Auslegung spricht neben der Komplexität in der täglichen Anwendung der Zweck von § 32 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 InvG, für den gesamten Bereich der Stimmrechtsmitteilungen die Stimmrechte als der Kapitalanlagegesellschaft gehörend anzusehen. § 32 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 InvG gilt deshalb auch für die Fälle des § 22 WpHG7.
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Vgl. auch BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 148. Dreibus/Schäfer, NZG 2009, 1289; von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 77. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 148 f. Bei Namensaktien wird im Aktienregister dennoch in der Praxis zu Recht die Kapitalanlagegesellschaft, ggf. mit dem Fondsnamen als informatorischem Zusatz, eingetragen. 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 148: Anleger „generell“ nicht meldepflichtig. 6 Wie hier Beckmann, in: Beckmann/Scholtz, Investment, Stand: 4/2010, 410 § 32 InvG Rz. 30. 7 So zu verstehen auch BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 148.
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Wichtig kann diese berichtigende Auslegung im Hinblick auf § 28 WpHG sein. Wenn 290 die Voraussetzungen von § 32 Abs. 2 Satz 1 InvG nicht vorliegen, muss das Mutterunternehmen der Kapitalanlagegesellschaft auch bei einem Publikums-Sondervermögen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG melden, und nicht bloß nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Satz 2 WpHG, so dass § 28 WpHG anwendbar ist, wenn das Mutterunternehmen schuldhaft keine ordnungsgemäße Meldung macht. Beim Anleger des Publikums-Sondervermögens erfolgt auch bei Anwendung des § 32 291 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 InvG im Rahmen des § 22 WpHG normalerweise keine Zurechnung, insbesondere nicht nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG1. Zwar sieht § 9 Abs. 1 Satz 1 InvG vor, dass die Kapitalanlagegesellschaft das Sondervermögen für gemeinschaftliche Rechnung der Anleger zu verwalten hat. Nach richtiger herrschender Literaturmeinung setzt eine Zurechnung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG aber unter anderem die Möglichkeit einer Einflussnahme auf die Ausübung der Stimmrechte voraus (s. § 22 WpHG Rz. 57 m.w.N.). Daran fehlt es regelmäßig bei den Anlegern eines Publikums-Sondervermögens, weil die Kapitalanlagegesellschaft die Stimmrechte unabhängig von dem einzelnen Anleger im objektiven Interesse der Anlegergemeinschaft ausübt2. Die BaFin nimmt zwar in anderem Zusammenhang offenbar an, dass bei § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG statt einer Einflussnahmemöglichkeit auf die Stimmrechte auch die Verpflichtung zur Stimmrechtsausübung im (objektiven?) Interesse eines Dritten ausreicht3. Im Ergebnis rechnet aber auch die BaFin die Stimmrechte den Anlegern nicht zu und begründet dies mit einem Verweis auf § 32 Abs. 2 Satz 3 InvG4. Gemeint ist wohl genauer § 32 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 InvG, der aber nur für Publikums-Sondervermögen in Form der Treuhandlösung gilt (dazu sogleich Rz. 292 f.). Wichtig ist die abweichende Auslegung der BaFin bei Fonds, die nicht von § 32 Abs. 2 Satz 3 InvG erfasst werden, etwa geschlossenen Fonds in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG. Auf Grundlage der BaFin-Ansicht sind die Stimmrechte aus von solchen geschlossenen Fonds gehaltenen Aktien den Anlegern quotal zuzurechnen. c) § 32 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 InvG (Treuhandlösung) Stehen die Aktien eines Publikums-Sondervermögens im Eigentum der Kapitalanlagegesellschaft, so stehen auch die Stimmrechte unmittelbar der Kapitalanlagegesellschaft zu. Diese muss gegebenenfalls nach § 21 Abs. 1 WpHG melden5. Dies ergibt sich schon aus § 21 WpHG. Zur Zusammenrechnung von Stimmrechten aus Aktien in verschiedenen Publikums-Sondervermögen bzw. in mehreren Teilfonds s. Rz. 287.
292
Im Hinblick auf die normalerweise stattfindende Zurechnung nach § 22 Abs. 1 293 WpHG sieht § 32 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 InvG als Sonderregel vor, dass auf die Stimmrechte § 22 Abs. 1 WpHG nicht anzuwenden ist. Dadurch soll eine Zurechnung beim Anleger nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG vermieden werden6. Dieses 1 I.E. Begr. Finanzausschuss (7. Ausschuss) zu § 10 Abs. 1a KAGG, BT-Drucks. 12/7918, S. 116, s. auch Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, Leitfaden zu den Insider-Vorschriften …, abgedr. in: Schoebler u.a. (Hrsg.), Kapitalanlagepolitik im Versicherungsbinnenmarkt, 1994, S. 174 ff.; Mutter, AG 2006, 643. 2 So auch Schmitz, in: Berger/Steck/Lübbehüsen, Investmentgesetz, Investmentsteuergesetz, § 32 InvG Rz. 24; Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 22 WpHG Rz. 60. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 140. 4 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 26. 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 148. 6 Begr. Finanzausschuss (7. Ausschuss) zu § 10 Abs. 1a KAGG, BT-Drucks. 12/7918, S. 116, s. auch Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, Leitfaden zu den InsiderVorschriften …, abgedr. in: Schoebler u.a. (Hrsg.), Kapitalanlagepolitik im Versicherungs-
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Ergebnis ergibt sich nach herrschender Literaturmeinung schon aus den allgemeinen Grundsätzen, weil der Anleger keinen Einfluss auf die Stimmrechte hat (s. Rz. 265 zur Miteigentumslösung). Insoweit ist § 32 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 InvG einerseits überflüssig zur Erreichung seines Regelungsziels. Andererseits geht die Norm zu weit, weil sie jegliche Zurechnung nach § 22 Abs. 1 WpHG ausschließt. Dies führt zum einen zu nicht gewollten Ergebnissen, wenn ausnahmsweise ein Anleger eines Publikums-Sondervermögens Einfluss auf die Stimmrechte ausüben kann (etwa weil er der einzige Anleger ist). Zum anderen ist nach dem zu weit geratenen Wortlaut auch die Zurechnung bei der Muttergesellschaft der Kapitalanlagegesellschaft nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG ausgeschlossen, und zwar ohne dass es auf eine Unabhängigkeit der Kapitalanlagegesellschaft von der Muttergesellschaft ankommt; selbst ein unabhängiger Asset Manager, der einen Fonds verwaltet, müsste nicht mehr melden1. § 32 Abs. 2 Satz 1 InvG und die durch diese Vorschrift aufgestellten Voraussetzungen für eine Nichtzurechnung (Rz. 263) werden dadurch für Publikums-Sondervermögen entwertet und es erfolgt eine unter Transparenzgesichtspunkten wenig hilfreiche Ungleichbehandlung von „Treuhand-Fonds“ einerseits und „Miteigentums-Fonds“ andererseits. Trotz dieses vermutlich ungewollten Ergebnisses, das auch im Widerspruch zum Europäischen Recht steht, wird man einer teleologischen Reduktion von § 32 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 InvG zögerlich gegenüber stehen2. Jedenfalls wäre insoweit eine Bußgeldbewehrung der Stimmrechtsmeldepflichten wegen des Analogieverbots gemäß Art. 103 Abs. 2 GG, § 3 OWiG ausgeschlossen. d) Publikums-Investmentaktiengesellschaften 294 § 32 Abs. 2 Satz 3 InvG ist direkt anzuwenden auf Sondervermögen i.S. von § 2 Abs. 2 InvG. Für (Publikums-) Investmentaktiengesellschaften ordnet § 99 Abs. 3 InvG eine entsprechende Anwendung an. 295 Investmentaktiengesellschaften haben als Aktiengesellschaften (§ 96 Abs. 1 Satz 1 InvG) eigene Rechtspersönlichkeit. Die für die Anleger verwalteten Vermögensgegenstände stehen stets im Eigentum der Investmentaktiengesellschaft3. Es gibt anders als bei Sondervermögen nur die „Treuhandlösung“, nicht aber auch die „Miteigentumslösung“. Der Verweis in § 99 Abs. 3 InvG auf § 32 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 InvG läuft daher leer. 296 In Betracht kommt also nur die entsprechende Anwendung von § 32 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 InvG (s. dazu Rz. 292). 297 Abweichend von rechtlich unselbständigen Fonds in Gestalt von Sondervermögen werden die Anleger einer Investmentaktiengesellschaft Aktionäre. Unterschieden werden Anlageaktien der Anleger und Unternehmensaktien, die grundsätzlich von den Gründern der Investmentaktiengesellschaft übernommen werden (§ 96 Abs. 1b InvG). 298 Die Unternehmensaktien gewähren Stimmrechte in der Hauptversammlung der Investmentaktiengesellschaft. In Betracht käme deshalb eine Zurechnung von Stimmbinnenmarkt, 1994, S. 174 ff.; Mutter, AG 2006, 643; i.E. auch BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 148. 1 Vgl. auch das weitere Beispiel bei von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 22 Rz. 45. 2 Wie hier von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 22 Rz. 45; von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 52. 3 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 149.
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rechten aus den von der Investmentaktiengesellschaft gehaltenen Aktien beim herrschenden Unternehmensaktionär nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG1. Dies verhindert für Publikums-Investmentaktiengesellschaften zumindest nach dem Wortlaut des Gesetzes der zu weit geratene § 32 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 InvG i.V.m. § 99 Abs. 3 InvG, und zwar selbst dann, wenn der herrschende Unternehmensaktionär Einfluss auf die Stimmrechte ausübt (vgl. Rz. 293). Bei Anlegeraktionären käme eine Zurechnung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG in Betracht, wenn die Anlageaktien ausnahmsweise mit Stimmrechten ausgestattet sind (§ 96 Abs. 1c Satz 2 InvG). Auch dies wird durch § 32 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 InvG i.V.m. § 99 Abs. 3 InvG zumindest nach dem Gesetzeswortlaut für PublikumsInvestmentaktiengesellschaften ausgeschlossen.
299
Anders als bei Sondervermögen kann eine Investmentaktiengesellschaft eigenverwaltet oder durch eine Kapitalanlagegesellschaft fremdverwaltet sein (§ 96 Abs. 4 InvG). Bei einer fremdverwalteten Investmentaktiengesellschaft soll nach Ansicht der BaFin eine Zurechnung bei der fremdverwaltenden Kapitalanlagegesellschaft nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpHG erfolgen2. Dies widerspricht dem Gesetzeswortlaut des zu weit geratenen Zurechnungsausschlusses in § 32 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 InvG. Davon abgesehen stellen sich für die Zurechnung bei der Muttergesellschaft der fremdverwaltenden Kapitalanlagegesellschaft bislang ungeklärte zusätzliche Zurechnungsfragen. Die Ratio gebietet es, hier die gleichen Maßstäbe anzulegen wie bei EU-Verwaltungsgesellschaften gemäß § 32 Abs. 3 InvG (vgl. Rz. 308).
300
e) Spezial-Sondervermögen, Spezial-Investmentaktiengesellschaften Für Spezial-Sondervermögen und Spezial-Investmentaktiengesellschaften gilt § 32 301 Abs. 2 Satz 3 InvG nicht3. Spezial-Sondervermögen sind Sondervermögen, deren Anteile aufgrund schriftlicher 302 Vereinbarungen mit der Kapitalanlagegesellschaft ausschließlich von Anlegern, die nicht natürliche Personen sind, gehalten werden (§ 2 Abs. 3 Satz 1 InvG). Die früher zusätzlich erforderliche Beschränkung auf nicht mehr als 30 Anleger wurde durch das Investmentänderungsgesetz aufgehoben, vermutlich ohne dass dabei an die Auswirkungen auf § 32 Abs. 2 Satz 3 InvG und die §§ 21 ff. WpHG gedacht wurde. Für Spezial-Sondervermögen gelten die allgemeinen Regelungen:
303
Bei der Miteigentumslösung stehen deshalb den Anlegern die Stimmrechte zu, und die 304 Anleger sind somit gegebenenfalls nach § 21 Abs. 1 WpHG meldepflichtig4, obwohl ihnen nach allgemeinen investmentrechtlichen Grundsätzen die Verfügungsbefugnis über die in dem Spezial-Sondervermögen gehaltenen Vermögensgegenstände entzogen ist (vgl. §§ 31 Abs. 1, 33 Abs. 2 Satz 3 InvG)5. Bedeutung hat dies vor allem, wenn ein Anleger über weitere Stimmrechte verfügt oder ihm aus anderen Rechtsgründen
1 Insoweit auch BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 149 f. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 150. 3 OLG Stuttgart v. 10.11.2004 – 20 U 16/03, NZG 2005, 432 (434); Beckmann, in: Beckmann/ Scholtz, Investment, Stand: 4/2010, 410 § 32 InvG Rz. 27. 4 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 149; a.A. Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 22 WpHG Rz. 61: Zurechnung beim Anleger gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG. 5 Dreibus/Schäfer, NZG 2009, 1291; Beckmann, in: Beckmann/Scholtz, Investment, Stand: 4/2010, 410 § 32 InvG Rz. 27.
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Stimmrechte zugerechnet werden1. Obwohl dies aus dem Gesetzeswortlaut nicht hervorgeht, sind bei mehreren Anlegern die Stimmrechte nur anteilig entsprechend ihrer Beteiligung an dem Spezial-Sondervermögen (und nicht vollständig) zuzurechnen2. Bei der Miteigentumslösung steht das Fondsvermögen den Anlegern als Bruchteilseigentümer zu3, wie dies etwa auch bei der Girosammelverwahrung von Aktien der Fall ist (dazu § 21 Rz. 11). Bei einem Spezialfonds mit mehreren Anlegern kann die quotale Zurechnung dazu führen, dass sich die Anzahl der einem Anleger zugerechneten Stimmen ohne Investitionsmaßnahme des Fonds verändert, nämlich wenn an einen anderen Anleger neue Anteile ausgegeben bzw. von diesem zurückgenommen werden. Kauft zum Beispiel ein neuer Spezialfondsanleger neu ausgegebene Anteile eines Spezialfonds und legt den in bar gezahlten Kaufpeis für die neuen Anteile in den Fonds ein, so steigt der Nettoinventarwert des Fonds. Im gleichen Verhältnis sinkt auch die den Anlegern zugerechnete Anzahl der von dem Fonds gehaltenen Stimmrechte (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Fall 3 WpHG: „in sonstiger Weise“). Ein weiteres in der Praxis oftmals kaum zu lösendes Problem besteht darin, dass den Anlegern eines Spezial-Sondervermögens oft ebenso wenig wie den Anlegern eines Publikums-Sondervermögens bekannt ist, welche Stimmrechte in dem Spezial-Sondervermögen verwaltet werden. Dies gilt insbesondere bei Spezial-Sondervermögen mit mehreren Anlegern. 305 Bei der Kapitalanlagegesellschaft erfolgt eine Zurechnung „nur“ nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WpHG4. Diese Meldepflicht besteht auch bei Einschaltung eines unabhängigen Stimmrechtsvertreters nach § 32 Abs. 1 Satz 4 InvG5. Verstößt die Kapitalanlagegesellschaft (oder deren Muttergesellschaft) gegen ihre Meldepflicht, scheidet ein Rechtsverlust nach § 28 WpHG aus. 306 Stehen die Aktien im Eigentum der Kapitalanlagegesellschaft (Treuhandlösung), erfolgt gegebenenfalls eine Zurechnung beim Anleger nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG, wenn er Einfluss auf die Stimmrechte hat6. Die BaFin geht offenbar davon aus, dass die Stimmrechte stets für Rechnung der Anleger gehalten werden und deshalb zuzurechnen sind (vgl. schon Rz. 291)7. Richtigerweise ist dies jedoch eine Frage des Einzelfalles. In vielen Fällen wird eine Einflussmöglichkeit des Anlegers bestehen, etwa über den Anlageausschuss8, zwingend ist dies aber nicht. Wie bei der Miteigentumslösung soll auch hier eine quotale Zurechnung erfolgen9. Die Kapitalanlagegesellschaft muss nach § 21 Abs. 1 WpHG melden10. 307 Spezial-Investmentaktiengesellschaften sind (wie Kapitalanlagegesellschaften im Fall der Treuhandlösung) gegebenenfalls nach § 21 Abs. 1 WpHG meldepflichtig. Bei Anlageaktionären kommt eine Zurechnung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG in 1 A.A. Pittroff, Die Zurechnung von Stimmrechten gem. § 30 WpÜG, 2004, S. 170. 2 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 149; zweifelnd hinsichtlich der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des Zurechnungstatbestands Dreibus/Schäfer, NZG 2009, 1290; a.A. Schmitz, in: Berger/Steck/Lübbehüsen, Investmentgesetz, Investmentsteuergesetz, § 32 InvG Rz. 25. 3 OLG Stuttgart v. 10.11.2004 – 20 U 16/03, NZG 2005, 432 (434) = AG 2005, 125. 4 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 149; OLG Stuttgart v. 10.11.2004 – 20 U 16/03, NZG 2005, 432 (434) = AG 2005, 125. 5 Dreibus/Schäfer, NZG 2009, 1290; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 144. 6 A.A. Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 22 WpHG Rz. 60. 7 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 149; im Ergebnis auch Dreibus/Schäfer, NZG 2009, 1291. 8 In diesem Sinne – aber zu pauschal – Dreibus/Schäfer, NZG 2009, 1291. 9 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 149. 10 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 27.
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Betracht, wenn der Anlageaktionär Einfluss auf die Stimmrechte hat (was in der Regel, aber nicht automatisch der Fall ist, vgl. Rz. 306)1. Im Hinblick auf Unternehmensaktionäre ist eine Zurechnung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG und § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG zu prüfen.
IV. § 32 Abs. 3 InvG § 32 Abs. 3 Satz 1 InvG erklärt § 32 Abs. 2 Satz 1, 2, und 4 InvG i.V.m. § 20 308 TranspRLDV für EU-Verwaltungsgesellschaften für entsprechend anwendbar. EUVerwaltungsgesellschaften sind Unternehmen mit Sitz in einem anderen EU- oder EWR-Staat, die den Anforderungen an eine Verwaltungsgesellschaft im Sinne der OGAW-Richtlinie entsprechen (Legaldefinition des § 2 Abs. 6a InvG). „Verwaltungsgesellschaft“ nach der OGAW-Richtlinie ist eine Gesellschaft, deren reguläre Geschäftstätigkeit in der Verwaltung von in der Form eines Investmentfonds oder einer Investmentgesellschaft konstituierten OGAW2 besteht (gemeinsame Portfolioverwaltung von OGAW). Der Verweis auf Abs. 2 Satz 4 sollte besser in Abs. 3 Satz 2 erfolgen. § 32 Abs. 3 Satz 1 InvG gilt nach seinem Wortlaut nicht auch für selbstverwaltende Investmentgesellschaften gemäß der OGAW-Richtlinie. „Investmentgesellschaft“ ist nach Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 OGAW-Richtlinie ein mit eigener Rechtspersönlichkeit, also in Satzungsform ausgestalteter Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW). Insofern gilt § 32 Abs. 3 Satz 2 InvG (dazu Rz. 310). Man wird § 32 Abs. 3 Satz 1 InvG in Anlehnung an die Auslegung zu deutschen Kapitalanlagegesellschaften (Rz. 273) dahingehend verstehen müssen, dass der Verweis auch im Hinblick auf nicht-richtlinienkonforme Fonds gilt, solange diese nach Maßgabe der OGAW-Richtlinie verwaltet werden3.
309
§ 32 Abs. 2 Satz 3 InvG ist gemäß § 32 Abs. 3 Satz 2 InvG entsprechend anzuwenden, 310 wenn der Anleger regelmäßig keine Weisungen für die Ausübung der Stimmrechte erteilen kann. Dies gilt sowohl für von einer Verwaltungsgesellschaft verwaltete Investmentvermögen im Sinne der OGAW-Richtlinie in Vertragsform ohne eigene Rechtspersönlichkeit (entsprechend dem deutschen Sondervermögen), als auch für (eigenverwaltete oder fremdverwaltete) Investmentgesellschaften mit eigener Rechtsform (entsprechend der deutschen Investmentaktiengesellschaft). Es gelten die gleichen Unabhängigkeitsanforderungen wie bei deutschen Investmentvermögen4. Die Unabhängigkeit kann sich aus lokalem Recht ergeben, ausreichend sind aber auch entsprechende Regelungen in den Gründungsdokumenten des Fonds (Satzung, Vertragsbedingungen)5. Welche Anforderungen im Übrigen an eine entsprechende Anwendung zu stellen sind, geht aus dem Wortlaut nicht hervor. Insbesondere kann man streiten, ob der verwaltete Fonds ein OGAW-Fonds (dies wohl nicht, Rz. 309), ein einem Fondstyp des InvG vergleichbarer Fonds oder wenigstens ein Investmentvermögen i.S. des § 1 Satz 2 InvG sein muss (s. auch Rz. 314 für Fonds aus Drittstaaten). 1 Insoweit wie hier BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 150. 2 Die Einschränkungen des Begriffs „Organismen“ in Art. 3 OGAW-Richtlinie sind mittelbar auch für die Begriffe „Investmentgesellschaft“ und „Verwaltungsgesellschaft“ von Bedeutung und auch im Rahmen des § 32 InvG zu berücksichtigen. 3 A.A. zum alten Recht von Bülow, in: KölnKomm. WpHG, § 22 Rz. 45: Nur EG-Investmentanteile gemäß § 2 Abs. 10 InvG; unklar BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 149, 154. 4 Wie hier BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 154. 5 Beckmann, in: Beckmann/Scholtz, Investment, Stand: 4/2010, 410 § 32 InvG Rz. 52; so auch Schmitz, in: Berger/Steck/Lübbehüsen, Investmentgesetz, Investmentsteuergesetz, § 32 InvG Rz. 33.
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V. § 32 Abs. 4 InvG 311 § 32 Abs. 4 InvG betrifft Verwaltungsgesellschaften und Fonds aus Drittstaaten außerhalb der EU. 312 Die im Hinblick auf den formellen Fondsbegriff des Investmentrechts unglückliche Formulierung am Anfang von § 32 Abs. 4 Satz 1 InvG („Ein Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat, das einer Erlaubnis nach § 7 InvG oder § 97 InvG bedürfte…“) wurde von der BaFin früher zu Recht dahingehend verstanden, dass die den Fonds verwaltende Gesellschaft, also die Verwaltungsgesellschaft angesprochen ist. § 32 Abs. 4 Satz 1 InvG ist danach die Parallelvorschrift zu § 32 Abs. 2 Satz 1 und 2 InvG bzw. § 32 Abs. 3 Satz 1 InvG. Nunmehr geht die BaFin aber davon aus, dass neben der Verwaltungsgesellschaft auch die Investmentgesellschaft von § 32 Abs. 4 Satz 1 InvG erfasst sei1. Dies passt nicht zur Regelungssystematik: § 32 Abs. 4 Satz 1 InvG und der Verweis in § 32 Abs. 4 Satz 2 InvG auf § 32 Abs. 2 Satz 2 InvG betreffen Verwaltungsgesellschaften, der Verweis in § 32 Abs. 4 Satz 2 InvG auf § 32 Abs. 2 Satz 3 und 4 InvG dagegen Investmentgesellschaften2. 313 Die Voraussetzungen für die Nichtzurechnung der Stimmrechte bei der Muttergesellschaft sind mit den für Kapitalanlagegesellschaften geltenden Regelungen im Grundsatz vergleichbar. Eine Konkretisierung erfolgt durch § 22 TranspRLDV. Danach gelten die Regeln eines Drittstaates als gleichwertig i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 InvG zu den Anforderungen des § 32 Abs. 2 Satz 1 InvG, wenn seine Rechtsvorschriften vorschreiben, dass ein Unternehmen i.S. des § 32 Abs. 4 InvG erstens die Stimmrechte aus von ihm verwalteten Vermögenswerten in jedem Fall frei und unabhängig vom Mutterunternehmen oder einem anderen von diesem kontrollierten Unternehmen ausübt und zweitens die Interessen des Mutterunternehmens oder eines anderen von diesem kontrollierten Unternehmens bei Interessenkonflikten nicht beachten muss (§ 22 Abs. 1 TranspRLDV). 314 Das verwaltete Drittstaaten-Vermögen muss nach dem Wortlaut von § 32 Abs. 4 Satz 1 InvG ein Investmentvermögen i.S. von § 1 Satz 2 InvG sein. Nicht erforderlich ist danach, dass eine Vergleichbarkeit zu einem der Fondstypen des Investmentgesetzes oder gar zu einem OGAW-Fonds besteht. Dies führt zu einer Privilegierung gegenüber deutschen Fonds, die zwar begrifflich Investmentvermögen, aber keine Sondervermögen im Sinne des Investmentgesetzes sind. Denn für solche deutschen Fonds, also etwa geschlossene Fonds in Form einer GmbH & Co. KG mit einer von § 1 Satz 2 InvG i.V.m. § 2 Abs. 4 InvG erfassten Anlagestrategie, gelten die Privilegien des § 32 Abs. 2 InvG nicht (vgl. Rz. 256). 315 § 32 Abs. 4 Satz 2 InvG erklärt die entsprechende Anwendbarkeit von § 32 Abs. 2 Satz 2 bis 4 InvG. Unklar sind die Anforderungen an die Investmentgesellschaft, damit eine entsprechende Anwendbarkeit von § 32 Abs. 2 Satz 3 InvG in Betracht kommt. Die systematische Stellung legt nahe, dass es sich wie bei § 32 Abs. 4 Satz 1 InvG „nur“ um ein Investmentvermögen handeln muss. Dies verstärkt freilich die dargestellte (Rz. 314) Privilegierung gegenüber deutschen Fonds, die keine Publikums-Sondervermögen oder Publikums-Investmentaktiengesellschaften im Sinne des Investmentgesetzes sind. Darüber hinaus ergeben sich aus § 32 Abs. 4 Satz 2 1 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 155 oben. 2 Wie hier offenbar Beckmann, in: Beckmann/Scholtz, Investment, Stand: 4/2010, 410 § 32 InvG Rz. 54; unklar Schmitz, in: Berger/Steck/Lübbehüsen, Investmentgesetz, Investmentsteuergesetz, § 32 InvG Rz. 35.
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§ 23
Nichtberücksichtigung von Stimmrechten
InvG – anders als etwa bei § 32 Abs. 3 Satz 2 InvG – keine Anforderungen an die Unabhängigkeit des Fonds, insbesondere von seinen Anlegern. Nach dem Gesetzeswortlaut erfolgt deshalb bei einem – regulierten oder unregulierten – Investmentvermögen aus einem Drittstaat selbst dann keine Zurechnung bei einem (Allein-)Anleger, wenn dieser – z.B. als beherrschender Gesellschafter – Einfluss auf das Stimmverhalten des Fonds nimmt. Anders als bei Investmentvermögen aus der EU (vgl. § 32 Abs. 3 Satz 2 InvG) ist für 316 Investmentgesellschaften aus Drittstaaten nicht ausdrücklich geregelt, dass die entsprechende Anwendung der Privilegierung in § 32 Abs. 2 Satz 3 und 4 InvG nur in Betracht kommt, wenn die Anleger regelmäßig keine Weisungen für die Ausübung der Stimmrechte erteilen können. Daraus wird zum Teil geschlossen, dass diese Voraussetzung für Investmentgesellschaften aus Drittstaaten nicht gelte1. Das Gesetz ist aber so zu lesen, dass diese Anforderung auch bei Investmentgesellschaften aus Drittstaaten zu beachten ist. Dies sollte freilich durch eine Anpassung des Gesetzes klargestellt werden. Ist die entsprechende Anwendbarkeit von § 32 Abs. 2 Satz 3 InvG im Grundsatz eröffnet, so ist weiterhin Voraussetzung, dass der Drittstaat-Fonds einem Publikums-Fonds „entspricht“. Dies kann – anders als bei deutschen Fonds – im Einzelfall schwer zu beurteilen sein.
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Zusätzliche Schwierigkeiten können sich aus der im angelsächsischen Raum übli- 318 chen Form des „beneficial ownership“ an den Aktien bzw. Anteilen des ausländischen Fonds ergeben.
VI. Depotbank, Prime Broker Keine Sonderregelungen enthält § 32 Abs. 2–5 InvG für Depotbanken und Primebroker. Depotbanken deutscher Sondervermögen und Investmentaktiengesellschaften haben reine Verwahrfunktion (§ 20 Abs. 1 Satz 1 InvG). Bei ihnen erfolgt deshalb keine Zurechnung von Stimmrechten. Dies gilt auch für Prime Broker von Sondervermögen mit zusätzlichen Risiken (§§ 112 Abs. 3, 113 Abs. 3 InvG).
319
Im Ausland mag dies anders sein, wenn die Depotbank oder der Prime Broker Treuhandeigentümerin der Vermögensgegenstände des Fonds wird. In diesen Fällen kann eine Meldepflicht nach § 21 Abs. 1 InvG bestehen.
320
Im Übrigen sind bei ausländischen Depotbanken und Prime Brokern stets die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.
321
§ 23 Nichtberücksichtigung von Stimmrechten (1) Stimmrechte aus Aktien eines Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, bleiben bei der Berechnung des Stimmrechtsanteils unberücksichtigt, wenn ihr Inhaber 1 von Bülow, in: KölnKomm. WpÜG, § 30 Rz. 56, der dies zugleich als sachwidrige und nicht zu rechtfertigende Schlechterstellung von Investmentvermögen aus der EU gegenüber Investmentgesellschaften aus Drittstaaten kritisiert.
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§ 23
Nichtberücksichtigung von Stimmrechten
1. ein Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, das Wertpapierdienstleistungen erbringt, 2. die betreffenden Aktien im Handelsbestand hält oder zu halten beabsichtigt und dieser Anteil nicht mehr als 5 Prozent der Stimmrechte beträgt und 3. sicherstellt, dass die Stimmrechte aus den betreffenden Aktien nicht ausgeübt und nicht anderweitig genutzt werden, um auf die Geschäftsführung des Emittenten Einfluss zu nehmen. (2) Stimmrechte aus Aktien eines Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, bleiben bei der Berechnung des Stimmrechtsanteils unberücksichtigt, sofern 1. die betreffenden Aktien ausschließlich für den Zweck der Abrechnung und Abwicklung von Geschäften für höchstens drei Handelstage gehalten werden, selbst wenn die Aktien auch außerhalb eines organisierten Marktes gehandelt werden, oder 2. eine mit der Verwahrung von Aktien betraute Stelle die Stimmrechte aus den verwahrten Aktien nur aufgrund von Weisungen, die schriftlich oder über elektronische Hilfsmittel erteilt wurden, ausüben darf. (3) Stimmrechte aus Aktien, die die Mitglieder des Europäischen Systems der Zentralbanken bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Währungsbehörden zur Verfügung gestellt bekommen oder die sie bereitstellen, bleiben bei der Berechnung des Stimmrechtsanteils am Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, unberücksichtigt, soweit es sich bei den Transaktionen um kurzfristige Geschäfte handelt und die Stimmrechte aus den betreffenden Aktien nicht ausgeübt werden. Satz 1 gilt insbesondere für Stimmrechte aus Aktien, die einem oder von einem Mitglied im Sinne des Satzes 1 zur Sicherheit übertragen werden, und für Stimmrechte aus Aktien, die dem Mitglied als Pfand oder im Rahmen eines Pensionsgeschäfts oder einer ähnlichen Vereinbarung gegen Liquidität für geldpolitische Zwecke oder innerhalb eines Zahlungssystems zur Verfügung gestellt oder von diesem bereitgestellt werden. (4) Für die Meldeschwelle von 3 Prozent und 5 Prozent bleiben Stimmrechte aus solchen Aktien eines Emittenten, für den die Bundesrepublik Deutschland der Herkunftsstaat ist, unberücksichtigt, die von einer Person erworben oder veräußert werden, die an einem Markt dauerhaft anbietet, Finanzinstrumente im Wege des Eigenhandels zu selbst gestellten Preisen zu kaufen oder zu verkaufen (Market Maker), wenn 1. diese Person dabei in ihrer Eigenschaft als Market Maker handelt, 2. sie eine Zulassung nach § 32 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 des Kreditwesengesetzes hat, 3. sie nicht in die Geschäftsführung des Emittenten eingreift und keinen Einfluss auf ihn dahingehend ausübt, die betreffenden Aktien zu kaufen oder den Preis der Aktien zu stützen und 4. sie der Bundesanstalt unverzüglich, spätestens innerhalb von vier Handelstagen mitteilt, dass sie hinsichtlich der betreffenden Aktien als Market Maker tätig ist; für den Beginn der Frist gilt § 21 Abs. 1 Satz 3 und 4 entsprechend. Die Person kann die Mitteilung auch schon zu dem Zeitpunkt abgeben, an dem sie beabsichtigt, hinsichtlich der betreffenden Aktien als Market Maker tätig zu werden. 1116
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§ 23
Nichtberücksichtigung von Stimmrechten
(5) Stimmrechte aus Aktien, die nach den Absätzen 1 bis 4 bei der Berechnung des Stimmrechtsanteils unberücksichtigt bleiben, können mit Ausnahme von Absatz 2 Nr. 2 nicht ausgeübt werden. (6) Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, 1. eine geringere Höchstdauer für das Halten der Aktien nach Absatz 2 Nr. 1 festlegen, 2. nähere Bestimmungen erlassen über die Nichtberücksichtigung der Stimmrechte eines Market Maker nach Absatz 4 und 3. nähere Bestimmungen erlassen über elektronische Hilfsmittel, mit denen Weisungen nach Absatz 2 Nr. 2 erteilt werden können. In der Fassung des Investmentänderungsgesetzes vom 21.12.2007 (BGBl. I 2007, 3089). Schrifttum: Hildner, Kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz verbundener Unternehmen, 2002; Hirte, der „Handelsbestand“ – Bindeglied zwischen Kapitalmarkt- und Konzernrecht, in: FS Wiedemann, 2002, S. 955; Holzborn/Blank, Die Nichtzurechnung nach §§ 20, 36 WpÜG und die Befreiung vom Pflichtangebot und § 37 WpÜG, §§ 8 ff. WpÜG-AngVO, NZG 2002, 948; Holzborn/Friedhoff, Die gebundenen Ausnahmen der Zurechnung nach dem WpÜG – Die Tücken des Handelsbestandes nach § 20 WpÜG, WM 2002, 948; Starke, Beteiligungstransparenz im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2002; Vogel, Der Handelsbestand im Übernahmerecht – Offene Fragen des § 20 WpÜG, NZG 2005, 537.
Inhaltsübersicht I. Inhalt der Regelung . . . . . . . . . . . . . .
1
1. Regelungsgegenstand und Regelungszweck von § 23 Abs. 1 WpHG 2. Der Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . .
III. Nichtberücksichtigung nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 WpHG . . . . . . . . . . 35
1 2
II. Der Befreiungstatbestand nach § 23 Abs. 1 WpHG . . . . . . . . . . . . . . .
4
1. Regelungsgegenstand und Regelungszweck von § 23 Abs. 2 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2. Nichtberücksichtigung nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 WpHG . . . . . . . . . . 38 3. Nichtberücksichtigung nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 WpHG . . . . . . . . . . 44
1. Stimmrechte aus Aktien . . . . . . . . . 4 2. Wertpapierdienstleistungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 3. Handelsbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 a) Begriff und Abgrenzung . . . . . . . . 8 b) Zweckbestimmung und Sicherstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 c) Obergrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 d) Keine Konsolidierung im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 e) Keine Sondervorschrift für Wertpapierleihe und Sicherungsübereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 4. Im Handelsbestand „halten“ . . . . . . 23 5. Fehlende Einflussnahme. . . . . . . . . . 25 6. Änderung der Absicht (Umwidmung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 7. Keine Irreführung des Publikums . . 34 8. Rechtsfolgen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34a
IV. Mitglieder des Europäischen Systems der Zentralbanken (§ 23 Abs. 3 WpHG). . . . . . . . . . . . . . 48 1. Regelungsgegenstand und Regelungszweck von § 23 Abs. 3 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Währungsbehörden . . . . . . . . . . . . . . 3. Kurzfristige Geschäfte . . . . . . . . . . . 4. Keine Wahrnehmung der Stimmrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48 51 52 53
V. Nichtberücksichtigung bei Market Maker (§ 23 Abs. 4 WpHG) . . . . . . . 54 1. Regelungsgegenstand und Regelungszweck von § 23 Abs. 4 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
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§ 23
Nichtberücksichtigung von Stimmrechten
2. Market Maker . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Market Maker – Bestand. . . . . . . . . . a) Handeln in Eigenschaft als Market Maker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zulassung nach KWG . . . . . . . . . . c) Kein Einfluss auf Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Mitteilung an BaFin . . . . . . . . . . . 4. Befreite Meldeschwelle . . . . . . . . . . . 5. Verhältnis von § 23 Abs. 1 WpHG zu § 23 Abs. 5 WpHG . . . . . . . . . . . .
55 56 57 58 59 60 62
2. Inhalt des Ausübungsverbots. . . . . . 3. Voraussetzung für das Ausübungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Umfang des Rechtsverlusts . . . . . . . 5. Dauer des Ausübungsverbots . . . . . 6. Ausübung des Stimmrechts trotz Ausübungsverbots. . . . . . . . . . . . . . .
66 70 73 78 79
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VII. Regelungsgegenstand und Regelungszweck von § 23 Abs. 6 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
VI. Ausübungsverbot (§ 23 Abs. 5 WpHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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VIII. Befreiungen von anderen Offenlegungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
1. Regelungsgegenstand und Regelungszweck von § 23 Abs. 5 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Inhalt der Regelung 1. Regelungsgegenstand und Regelungszweck von § 23 Abs. 1 WpHG 1
§ 23 Abs. 1 WpHG ist durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz nicht nur redaktionell angepasst, sondern im Vergleich zur vormaligen Regelung auch in mehrfacher Weise konzeptionell geändert worden. Der Regelungszweck blieb aber identisch. Zum einen waren bisher Stimmrechte aus Aktien, die zu den Handelsaktivitäten von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen gehörten, der Höhe nach unbegrenzt von der Meldepflicht freigestellt. Nunmehr ist die Freistellung auf 5 % der Stimmrechte begrenzt. Zum anderen wurde es den Unternehmen, die Wertpapierdienstleistungen erbringen, nur auf Antrag bei der BaFin ermöglicht, die Stimmrechte der Aktien des Handelsbestandes bei der Berechnung ihres Stimmrechtsanteils unberücksichtigt zu lassen. Dies konnte, musste aber nicht, eine Befreiung von der Meldepflicht zur Folge haben. Als immanente Schranke des § 23 Abs. 1 WpHG war entsprechend der Begründung des Finanzausschusses1 analog § 25 Abs. 4 letzter Halbsatz WpHG a.F. die Irreführung des Publikums anzusehen. Danach durfte eine Erlaubnis dann nicht erteilt werden, wenn die Nichtberücksichtigung von Stimmrechten bei der Berechnung des Stimmrechtsanteils des Antragstellers „zu einem Irrtum des Publikums über die für die Beurteilung der betreffenden Wertpapiere wesentlichen Tatsachen und Umstände führen kann“. Nach geltendem Recht erfolgt die Freistellung bei Vorliegen der Voraussetzungen im Wege der Selbstbefreiung. Ein Antrag und eine Erlaubnis durch die BaFin sind nicht mehr erforderlich. Damit wurde von der Option in Art. 9 Abs. 6 der EU-Transparenzrichtlinie II Gebrauch gemacht. 2. Der Normzweck
2
Normativ anerkannt ist mit § 23 Abs. 1 WpHG, dass Wertpapierdienstleistungsunternehmen neben dem Anlagebestand auch einen Handelsbestand haben können2. Von dessen Offenlegung wird abgesehen: „Der Grund hierfür ist der regelmäßig fol1 Begr. Finanzausschuss (7. Ausschuss) zu § 23 Abs. 2 bis 4 WpHG, BT-Drucks. 12/7918, S. 103. 2 Hirte, in: KölnKomm. WpHG, § 23 Rz. 17.
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§ 23
Nichtberücksichtigung von Stimmrechten
gende ständige Wechsel im Bestand und der Umstand, dass keine Daueranlage mit diesen Aktien verfolgt wird“1. Die Vorschrift soll somit das Erbringen von Wertpapierdienstleistungen erleichtern, indem sie verhindert, dass Bewegungen im Handelsbestand laufend Mitteilungspflichten auslösen. Verhindert werden soll eine fehlsame Vorstellung der anderen Anleger, es handle sich um eine mittel- oder langfristige Anlage. Allerdings erfahren die anderen Anleger auch nichts darüber, dass ein Handelsbestand vorhanden und in eine einflussgewährende Anlage umgewidmet werden kann2. Aus der Sicht des Meldepflichtigen soll der Verzicht auf das Erfordernis eines Antrags für eine Freistellung bei der BaFin der „Entbürokratisierung des Kapitalmarktrechts“ dienen3. Die Vorschrift entspricht teilweise § 20 WpÜG. Allerdings besteht eine unschöne „Begriffsverwirrung“, weil sich die Tatbestandsvoraussetzungen ganz erheblich unterscheiden4.
3
II. Der Befreiungstatbestand nach § 23 Abs. 1 WpHG 1. Stimmrechte aus Aktien Die Freistellung erfolgt nicht nur für Stimmrechte aus Aktien, die ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen hält, sondern auch für Finanzinstrumente, die ihrem Inhaber das Recht verleihen, einseitig im Rahmen einer rechtlich bindenden Vereinbarung mit Stimmrechten verbundene und bereits ausgegebene Aktien eines Emittenten zu erwerben (§ 25 Abs. 1 Satz 2 WpHG).
4
2. Wertpapierdienstleistungsunternehmen Die Nichtberücksichtigung von Stimmrechten erfolgt nur bei Unternehmen, die Wertpapierdienstleistungen erbringen. Die bisherige Möglichkeit, für andere Unternehmen, z.B. Versicherungsunternehmen, unter bestimmten Voraussetzungen durch Erlaubnis der Bundesanstalt für die Meldeschwelle von 5 % freigestellt zu werden, ist nach der Änderung durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz weggefallen.
5
Unberücksichtigt bleiben nur Stimmrechte von Wertpapierdienstleistungsunterneh- 6 men, wenn sie ihren Sitz in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über dem Europäischen Wirtschaftsraum haben. Sitz der Gesellschaft ist, wenn tatsächlicher Sitz, also Sitz der Geschäftsleitung, und Satzungssitz auseinander fallen, der Ort, den die Satzung bestimmt (§ 5 Abs. 1 AktG). 3. Handelsbestand § 23 Abs. 1 WpHG handelt von Aktien, die der Antragsteller im Handelsbestand hält oder zu halten beabsichtigt. Voraussetzung ist daher ein Eigenbestand. Das sind Ak1 Begr. RegE zu § 23 Abs. 1 WpHG, BT-Drucks. 12/6679, S. 54. Begr. RegE zum Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 16/2498, S. 35. 2 Kritisch auch Hirte, in: FS Wiedemann, 2002, S. 957. 3 Begr. RegE zum Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 16/2498, S. 28. 4 S. im Einzelnen bei Hirte, in: FS Wiedemann, 2002, S. 958; ferner: Holzborn/Friedhoff, WM 2002, 948; Seiler, in: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 20 WpÜG Rz. 14; Hirte, in: KölnKomm. WpÜG, § 20 Rz. 60; Vogel, NZG 2005, 538.
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§ 23
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tien, über die der Antragsteller frei verfügen kann. Nicht in Betracht kommen Aktien, die für Dritte gehalten werden1. Abzugrenzen sind sodann die Aktien im Handelsbestand von den Aktien im Anlagebestand und in sonstigen Beständen, etwa in einer Liquiditätsreserve (Vorsorgewertpapierbestand2). Eine entsprechende Unterscheidung findet sich in § 340e Abs. 1 Satz 2 HGB, in § 71 Abs. 1 Nr. 7 AktG, in § 12 Abs. 2 Satz 3 KWG und in Art. 2 Nr. 6a Kapitaladäquanzrichtlinie3. Im Blick hierauf stellt sich die Frage, ob es einen für die gesamte Rechtsordnung einheitlichen Begriff des „Handelsbestands“ gibt, insbesondere ob der Begriff „Handelsbestand“ in § 23 Abs. 1 WpHG in derselben Weise wie in § 340e HGB und in § 71 Abs. 1 Nr. 7 AktG auszulegen ist. a) Begriff und Abgrenzung 8
aa) Die Abgrenzung zwischen dem „Anlagebestand“ einerseits und dem „Handelsbestand“ andererseits ist entsprechend dem Sinn und Zweck und dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift vorzunehmen. Dabei kann zwar auf § 340e HGB, § 71 Abs. 1 Nr. 7 AktG und § 12 Abs. 2 Satz 3 KWG4 zurückgegriffen werden. In der Regel werden sich die Begriffe auch decken. Dies ist aber nicht zwingend. So dient etwa § 340e HGB der Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Kreditinstituts. § 23 WpHG will demgegenüber die Tätigkeit der Wertpapierdienstleistungsunternehmen erleichtern und fehlsame Vorstellungen der anderen Anleger und der Gesellschaft verhindern.
9
bb) Die Abgrenzung erfolgt nach objektiven und subjektiven Kriterien, die gemeinsam erfüllt sein müssen.
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Dem Anlagebestand werden nur solche Aktien zugeordnet, die dazu bestimmt sind, auf Dauer dem Geschäftsbetrieb zu dienen („dauerhaftes Halten“), also insbesondere der aktiven Beteiligungspolitik, der Verwirklichung besonderer strategischer Ziele und der langfristigen Vermögensbildung.
11
Durch die Anerkennung eines Handelsbestands soll demgegenüber der Umstand Berücksichtigung finden, dass Wertpapierdienstleistungsunternehmen auch Aktien kurzfristig erwerben, um sie sodann wieder im Markt zu veräußern (Durchgangserwerb)5. Das ist ein Zeitraum von längstens einem Jahr6. Der Befreiungstatbestand soll demgemäß die Geschäftstätigkeit der Wertpapierdienstleistungsunternehmen 1 Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 23 WpHG Rz. 6; Schwark, in: Schwark/ Zimmer, § 23 WpHG Rz. 6; a.A. für § 20 WpÜG: Seiler, in: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 20 WpÜG Rz. 16; Diekmann, in: Baums/Thoma, § 20 WpÜG Rz. 32; Hirte, in: KölnKomm. WpHG, § 23 Rz. 21. 2 S. hierzu Krumnow/Sprißler/Bellavite-Hövermann/Kemmer/Steinbrücker, § 340e HGB Rz. 31 ff. 3 Richtlinie 93/6/EWG des Rates vom 15.4.1993 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten, ABl. EG Nr. L 141 v. 11.6.1993, S. 1. 4 S. dazu Butzke, WM 1995, 1389; Rixen, Die Bank 1990, 638 (640). 5 Zustimmend: Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, § 23 WpHG Rz. 10; Schnorbus, AG 2004, 121; a.A. Hirte, in: KölnKomm. WpHG, § 23 Rz. 22; a.A. für § 20 WpÜG: Hirte, in: KölnKomm. WpÜG, § 20 Rz. 68; einschränkend: Seiler, in: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 20 WpÜG Rz. 20, s. aber auch Rz. 25. 6 So für § 20 WpÜG: Noack/Holzborn, in: Schwark/Zimmer, § 20 WpÜG Rz. 9; Diekmann, in: Baums/Thoma, § 20 WpÜG Rz. 27; Seiler, in: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 20 WpÜG Rz. 26; a.A. Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 20 WpÜG Rz. 26: 3 Monate.
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i.S. von § 2 Abs. 4 WpHG erleichtern. Unter den Handelsbestand fallen daher zum einen solche Aktien, die zur Erbringung von Wertpapierdienstleistungen zu dienen bestimmt sind, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob mit der Wertpapierdienstleistung lediglich ein Entgelt erzielt werden soll. Nicht zum Handelsbestand gehören daher Aktien, die durch Sicherungsübereignung erworben wurden (s. auch Rz. 21). Unter den Handelsbestand fallen zum anderen solche Aktien, die das Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Eigenhandel erwirbt, wobei allein oder zugleich bestehende oder erwartete Unterschiede zwischen dem Erwerbspreis und dem Veräußerungspreis „kurzfristig“ genutzt werden. Nicht erforderlich ist insoweit, dass die Aktien zur Erbringung von Wertpapierdienstleistungen zu dienen bestimmt sind1. Auszulegen ist der Begriff „Wertpapierdienstleistungen“ im weiteren Sinn2. So zählen zu den Wertpapierdienstleistungen auch Rechtsgeschäfte im Rahmen des Eigenhandels sowie solche, die nicht nur der Erfüllung von Kaufverträgen, sondern auch der Erfüllung von Darlehensverträgen3 dienen. Zum Handelsbestand können ferner auch Aktien zählen, die ein Kreditinstitut im Wege der Wertpapierleihe kurzfristig hereinnimmt und weiter verleiht4. In der Regel wird der Umfang des „typischen Handelsbestands“ schon im eigenen In- 12 teresse des Instituts gering sein. Teil hiervon ist aber auch der „untypische Handelsbestand“, der etwa durch eine einmalige Hereinnahme eines Pakets zum Zwecke der Streuung über die Börse einen größeren Umfang annehmen kann. Nicht zum Handelsbestand gehören dagegen die Aktien, die ein Institut mit dem Ziel erwirbt, auf eigene oder fremde Rechnung ein Paket aufzubauen, und zwar selbst dann, wenn eine Weiterveräußerung beabsichtigt ist (s. Rz. 34). b) Zweckbestimmung und Sicherstellung Der Handelsbestand lässt sich indessen objektiv nicht eindeutig vom Anlagebestand 13 abgrenzen5. Das Halten der Wertpapiere auf Dauer oder auch nur das Halten der Wertpapiere mit Dauerbesitzabsicht sind für die Qualifizierung als Anlagebestand weder erforderlich noch genügend. Für die Abgrenzung entscheidend und hinzukommen müssen vielmehr zwei Entscheidungen des Meldepflichtigen, nämlich – eine Entscheidung darüber, ob und welche Aktien dem Handelsbestand zuzuordnen sind („Zweckbestimmung“), und – eine Entscheidung darüber, dass nicht beabsichtigt ist, „auf die Geschäftsführung der Gesellschaft Einfluss zu nehmen“ („Zölibatsabsicht“), und wie sichergestellt wird, dass die Stimmrechte nicht ausgeübt oder anderweitig genutzt werden (s. Rz. 25 ff.). 1 Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 23 WpHG Rz. 7; Hildner, Kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz verbundener Unternehmen, 2002, S. 118; Starke, Beteiligungstransparenz im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2002, S. 234; für § 20 WpÜG: Hirte, in: KölnKomm. WpÜG, § 20 Rz. 67. 2 S. auch bei § 2 Rz. 63 ff.; enger demgegenüber etwa § 91 Abs. 2 österr. BörseG: Sofern der Erwerb oder die Veräußerung „im Rahmen der Ausübung des Effektengeschäftes erfolgt“, bedarf es keiner Offenlegung. 3 So Begr. RegE zu § 71 Abs. 2 Nr. 7 AktG, BT-Drucks. 12/6679, S. 83 f.; s. ferner Art. 1 Nr. 1 i.V.m. Abschnitt A EG-Richtlinie über Wertpapierdienstleistungen. 4 Zustimmend: Vogel, NZG 2005, 538. 5 Krumnow/Sprißler/Bellavite-Hövermann/Kemmer/Steinbrücker, § 340e HGB Rz. 36; Prahl/Neumann, WPg 1991, 729 (732).
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Die Entscheidung, welche Aktien dem Handelsbestand zuzuordnen sind, fällt in die Zuständigkeit der Geschäftsführung des Meldepflichtigen1. Dabei hat die Geschäftsführung einen unternehmerischen Ermessensspielraum2. Die Ermessensentscheidung muss aber den Geboten der Willkürfreiheit und Nachprüfbarkeit standhalten. Insofern kommt es insbesondere auf den Zuschnitt der Geschäftstätigkeit des konkreten Unternehmens an. So bedarf es zumindest einer besonderen Rechtfertigung (z.B. Platzierung einer Emission), wenn der Handelsbestand eines Papiers im Verhältnis zu dem darin getätigten oder erfahrungsgemäß zu erwartenden Umsatz außergewöhnlich hoch ist.
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Der Beschluss der Geschäftsführung ist aktenkundig zu machen3. Ein Testat des Wirtschaftsprüfers, dass die Zuordnung in rechtlich zulässiger Weise erfolgt ist, ist nicht erforderlich4. c) Obergrenze
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Eine bestimmte Obergrenze für den Handelsbestand nannte § 23 Abs. 1 WpHG a.F. nicht. Anders als nach § 20 WpÜG gilt der Handelsbestand bis einschließlich 5 % als befreit. Auslegungsprobleme ergeben sich, wenn der Handelsbestand mehr als 5 % der Stimmrechte beträgt. Für diesen Fall entfällt in vollem Umfang die Befreiung. Der Bestand ist in vollem Umfang zu melden5. Der Meldepflichtige kann jedoch den Teil der Aktien mit den Stimmrechten über 5 % dem Anlagebestand zuordnen und auf diese Weise der Meldepflicht entgehen. d) Keine Konsolidierung im Konzern
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Sind mehrere Wertpapierdienstleistungsunternehmen unter einheitlicher Leitung zu einem Konzern zusammengefasst, so ist gleichwohl der Umfang des Handelsbestands für die einzelnen Konzernunternehmen getrennt zu ermitteln6. Eine Konsolidierung ist nicht vorgesehen. Im Handelsbestand eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens gehaltene Stimmrechte werden bei der Berechnung des Handelsbestands beim Mutterunternehmen nicht berücksichtigt7. Das ist im Ergebnis ganz und gar unbefriedigend, erklärt sich aber aus dem Sinn und Zweck des Handelsbestands und dem hieran anknüpfenden Befreiungstatbestand.
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Zu unterscheiden sind demnach mehrere Fälle: – Jedes Konzernunternehmen i.S. von § 23 Abs. 1 Nr. 1 WpHG kann einen eigenen Handelsbestand bilden. – Die Stimmrechte aus Aktien im Anlagebestand eines abhängigen Konzernunternehmens werden dem herrschenden Unternehmen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 1 Begr. RegE Bankbilanzrichtlinie-Gesetz, BT-Drucks. 11/6275, zu § 340e HGB: „Die Zweckbestimmung von Wertpapierbeständen, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen, setzt eine aktenkundig zu machende Entscheidung der zuständigen Stelle voraus“. 2 Ebenso für § 20 WpÜG: Hirte, in: KölnKomm. WpÜG, § 20 Rz. 71. 3 S. auch Krumnow/Sprißler/Bellavite-Hövermann/Kemmer/Steinbrücker, § 340e HGB Rz. 34; für § 20 WpÜG: Seiler, in: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 20 WpÜG Rz. 21. 4 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.6.2. 5 BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.6.2. 6 S. jetzt aber auch Art. 6 Abs. 9 des Vorschlags für eine Richtlinie zur Änderung der Transparenzrichtlinie 2004/109/EG vom 25.10.2011, wonach die ESMA einen entsprechenden Regelungsauftrag erhalten soll. 7 BaFin, Häufig gestellte Fragen zu den §§ 21 ff. WpHG, Stand: Februar 2008; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.6.1.
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WpHG zwar zugerechnet. Die Befreiung des Handelsbestands des Tochterunternehmens befreit aber auch das herrschende Unternehmen, das Unternehmen i.S. von § 23 Abs. 1 Nr. 1 WpHG ist. – Wenn ein Tochterunternehmen nach § 23 Abs. 1 WpHG befreit ist, so ist das herrschende Unternehmen auch dann befreit, wenn es kein Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist1. – Hat ein herrschendes Unternehmen mehrere Tochtergesellschaften, die alle Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind und hat jede Tochtergesellschaft einen Handelsbestand in Höhe von 5 %, so werden die einzelnen Handelsbestände nicht zugerechnet. Das herrschende Unternehmen ist freilich gehalten, keinen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft zu nehmen. Andernfalls wäre der Regelungszweck verfehlt, weil zwar nicht das Tochterunternehmen, wohl aber das herrschende Unternehmen, wenn es nicht befreit wäre, laufend den Markt irreführende Mitteilungen absetzen müsste.
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e) Keine Sondervorschrift für Wertpapierleihe und Sicherungsübereignung Nach Art. 16a Abs. 1 lit. b Schweizerische Börsenverordnung-EBK hatten bis zur Än- 21 derung zum 1.1.2009 (s. bei § 22 Rz. 78 ff.) Banken und Effektenhändler bei der Berechnung des Stimmrechtsanteils Beteiligungspapiere nicht zu berücksichtigen, welche im Rahmen von Wertpapierleihen, Sicherungsübereignungen oder vergleichbaren Geschäften gehalten werden, sofern dieser Anteil 5 % der Stimmrechte nicht erreicht. Voraussetzung ist zudem, dass für diese Anteile keine Absicht besteht, die Stimmrechte auszuüben und der Stimmrechtsanteil insgesamt 10 % der Stimmrechte nicht übersteigt. Eine vergleichbare Regelung fehlt im deutschen Recht. Das ist, was die Wertpapierleihe anbelangt, für die Kreditinstitute nicht unproblematisch, weil die entsprechenden Aktien in der Regel nicht zum Handelsbestand gehören.
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4. Im Handelsbestand „halten“ Im Handelsbestand „halten“ bzw. „zu halten beabsichtigt“ bedeutet, dass für diese Aktien eigene, von dem Dauerbestand getrennte Konten2 geführt bzw. eingerichtet werden und ein entsprechender Beschluss der Geschäftsführung über deren Verwendung vorliegt.
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Auf den für den Handel bestimmten Konten muss sodann Umsatz in einer Höhe erfolgen, die die Zuordnung der betreffenden Anzahl von Aktien zum Handelsbestand rechtfertigt. Dies unterliegt der Kontrolle durch den Abschlussprüfer3. Sollte ein entsprechender Umsatz ausbleiben, so ist die Zuordnung der überschüssigen Anzahl von Aktien zum Handelsbestand entweder zu begründen oder zu revidieren. Festzuhalten ist entweder, dass weiterhin bezweckt ist, den Bestand zur Erbringung von Wertpapierdienstleistungen zu verwenden oder zur kurzfristigen Spekulation ein-
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1 Zu § 23 Abs. 1 WpHG a.F.: Uwe H. Schneider, in: FS Brandner, 1996, S. 571, Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 23 WpHG Rz.24; Burgard, BB 1995, 2078; a.A. Hildner, Kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz verbundener Unternehmen, 2002, S. 128; Cahn, AG 1997, 502 (511); für § 20 WpÜG: Hirte, in: KölnKomm. WpÜG, § 20 Rz. 39. 2 Hirte, in: KölnKomm. WpHG, § 23 Rz. 24. 3 A.A. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.6.2.
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§ 23
Nichtberücksichtigung von Stimmrechten
zusetzen. Die Begründung ist gegebenenfalls ebenso wie die Umsatzzahlen in den Vermerk des Abschlussprüfers aufzunehmen. 5. Fehlende Einflussnahme 25
Nach § 23 Abs. 1 WpHG a.F. musste der Inhaber von Aktien darlegen, dass mit dem Erwerb der Aktien nicht beabsichtigt war, auf die Geschäftsführung der Gesellschaft Einfluss zu nehmen. Die Neufassung von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG erfolgte durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz.
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Die Stimmrechte bleiben heute nur dann unberücksichtigt, wenn ihr Inhaber erstens sicherstellt, dass diese Stimmrechte aus den betreffenden Aktien nicht ausgeübt und zweitens nicht anderweitig genutzt werden, um auf die Geschäftsführung des Emittenten Einfluss zu nehmen („Sicherstellung des Zölibats“).
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Die bloße Absicht genügt nicht mehr. Vielmehr hat der Inhaber auch sowohl zum Zeitpunkt des Erwerbs der Aktien als auch in der Folgezeit für eine entsprechende Sicherstellung zu sorgen. Nicht ausreichend ist daher nicht, dass nur im Zeitpunkt des Erwerbs entsprechende Maßnahmen ergriffen werden, sondern diese Maßnahmen müssen auch in der Folgezeit fortbestehen.
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Gegenstand der Sicherstellung muss zum einen sein, dass die Stimmrechte aus den betreffenden Aktien nicht ausgeübt werden. Nach § 23 Abs. 5 WpHG können sie ohnehin nicht ausgeübt werden (s. Rz. 65 ff.).
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Gegenstand der Sicherstellung muss zum anderen sein, dass die Stimmrechte nicht anderweitig genutzt werden, um auf die Geschäftsführung des Emittenten Einfluss zu nehmen. Daher darf der Inhaber auch nicht mittelbar Einfluss nehmen, etwa indem er die Aktien verleiht und ein Dritter das Stimmrecht wahrnimmt. Die Befreiung entfällt auch dann, wenn die Stimmrechte entgegen § 23 Abs. 5 WpHG ausgeübt werden und etwa durch Bestellung von Repräsentanten des Inhabers zum Aufsichtsratsmitglied Einfluss auf die Geschäftsführung genommen wird. Nur so lange der Inhaber sich jeglicher tatsächlicher oder rechtlicher Einflussnahme auf die Willensbildung und Entscheidungsfindung enthält1, bleiben Stimmrechte unberücksichtigt. 6. Änderung der Absicht (Umwidmung)
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Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen muss entweder zum Zeitpunkt des Erwerbs oder nachträglich entscheiden, ob die Aktien dem Anlagebestand oder dem Handelsbestand zugeordnet werden sollen. Maßgebend für die erstmalige Zuordnung ist die Zweckbestimmung im Zeitpunkt des Erwerbs. Eine faktische Umwidmung durch Zeitablauf erfolgt nicht. Auch gibt es keinen Zwang zur Veräußerung nach Ablauf der Jahresfrist. Das würde gegebenenfalls zu einem Zwang zur Verlustrealisierung führen2.
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Die erstmalige Zuordnung schließt indessen eine spätere Änderung der Zuordnung nicht aus3. Ändert der Antragsteller nachträglich seine Absicht, so fehlt im Gesetz 1 Zustimmend: Dehlinger/Zimmermann, in: Fuchs, § 23 WpHG Rz. 12. 2 Zutr. für § 20 WpÜG: Noack/Holzborn, in: Schwark/Zimmer, § 20 WpÜG Rz. 10; Seiler, in: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 20 WpÜG Rz. 27. 3 Ebenso für § 340e HGB: Grewe, in: Hofbauer/Kupsch (Hrsg.), Bonner Handbuch Rechnungslegung, § 340e HGB Rz. 20 m.w.N.; a.A. wohl für § 20 WpÜG: Seiler, in: Assmann/Pötzsch/
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§ 23
eine Regelung, wie zu verfahren ist. Die vereinzelt1 vorgenommene Bagatellisierung des Rechtsproblems verkennt Recht und Wirklichkeit2. Zu denken wäre etwa de lege ferenda daran, dass der Antragsteller nur die Möglichkeit hat, Aktien aus dem Handelsbestand wiederum über die Börse zu streuen, um sie in der Folge erneut einzusammeln. Die Umwidmung stellt kein Handeln im Außenverhältnis dar, sondern ist eine Maßnahme der Geschäftsführung. Im Blick hierauf bedarf es nach geltendem Recht einer neuerlichen Entscheidung der Geschäftsführung über die Änderung der Zweckbestimmung und der Zölibatsabsicht3. Diese Entscheidung ist sodann zu dokumentieren4.
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– Auf diese Weise können Aktien aus dem Anlagebestand in den Handelsbestand überführt werden. („Was ich nicht behalten kann, trag ich einem Käufer an.“) Gegebenenfalls bedarf es einer Meldung wegen Unterschreitens einer Meldeschwelle. – Aber auch Aktien aus dem Handelsbestand können dem Anlagebestand zugeordnet werden, etwa weil das Kreditinstitut Aktien erworben hat, die es nur mit Verlusten weiterveräußern kann. („Was ich nicht veräußern kann, seh ich als Investment an.“) Allerdings endet die Befreiung nach h.A.5 nicht automatisch mit der Änderung der Absicht. Vielmehr sind die Aktien aus dem Handelsbestand auszubuchen und in den Anlagebestand einzubuchen. Gegebenenfalls bedarf es einer Meldung wegen Erreichens oder Überschreitens einer Meldeschwelle. Der zuletzt genannte Vorgang ist indessen hoch problematisch, weil damit dem Kre- 33 ditinstitut die Möglichkeit der Umqualifizierung eröffnet ist und es die Möglichkeit der zeitweisen Vermeidung der Offenlegungspflichten hat6. So können Aktien, die mit dem Ziel erworben wurden, sie dem Handelsbestand zuzuschlagen, nachträglich dem Anlagebestand zugeordnet, mit dem strategische Ziele verfolgt werden. Für solche Fälle bleibt nur die Möglichkeit zu prüfen, ob der ursprüngliche Handelsbestand, für den Befreiung beantragt war, der Höhe nach willkürlich festgelegt und ob nicht schon beim Erwerb strategische Anlageziele verfolgt wurden. Das ist zu vermuten, wenn eine Veräußerung ohne Verlust oder sonstige erhebliche Nachteile zwischenzeitlich möglich gewesen wäre. Im Übrigen gilt nur das Willkürverbot7. Zweck-
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Uwe H. Schneider, § 20 WpÜG Rz. 27: keine Umwidmung in den Dauerbestand; Hirte, in: KölnKomm. WpHG, § 23 Rz. 34: Vermutung gegen Handelsbestand. S. etwa Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 23 WpHG Rz. 8. So wird entgegen Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 23 WpHG Rz. 8, die fehlende aufsichtsrechtliche „Zuverlässigkeit“, die im Inland zu entsprechenden Maßnahmen führen könnte, §§ 32, 35, 36 KWG, durch ausländische Aufsichtsbehörden bei Auslandsbanken wohl kaum in Frage gestellt werden. A.A. Hirte, in: KölnKomm. WpÜG, § 20 Rz. 82: Erklärung der vertretungsberechtigten Organe des Antragstellers. Ebenso für § 20 WpÜG: Hirte, in: KölnKomm. WpÜG, § 20 Rz. 82. Anders jedoch Mager, Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit von Verwaltungsakten, 1994, S. 142: Verlust der inneren Wirksamkeit. Hirte, in: KölnKomm. WpHG, § 23 Rz. 34; a.A. Weisgerber/Jütten, Das Zweite Finanzmarktförderungsgesetz, 1995, S. 15: „Eine Umgehung der Meldepflicht durch eine unzulässige Umqualifizierung von Anlagebestand in Handelsbestand ist nicht möglich.“ Ähnlich für das Bilanzrecht: Krumnow/Sprißler/Bellavite-Hövermann/Kemmer/Steinbrücker, § 340e HGB Rz. 37; sowie Krumnow, Börsen-Zeitung vom 16.2.1991, S. 5: „Willkürliche Umwidmungen beispielsweise kurz nach dem Bilanzstichtag oder etwa ein permanentes Umbuchen derselben Bestände durch Hereinnahme in den bzw. Herausnahme aus
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Nichtberücksichtigung von Stimmrechten
setzungsänderungen bei der Zuordnung der Aktien durch das Kreditinstitut dürfen nicht willkürlich sein. 7. Keine Irreführung des Publikums 34
Insbesondere im Pakethandel auf eigene Rechnung1 steht zu befürchten, dass die Nichtberücksichtigung von Stimmrechten bei der Berechnung des Stimmrechtsanteils eine Irreführung des Publikums bewirken könnte. Deswegen ist über den Wortlaut des § 23 Abs. 1 WpHG hinaus als immanente Schranke des § 23 WpHG anzusehen, dass die Erlaubnis „nicht zu einem Irrtum des Publikums“ führen darf2. Andernfalls könnte der Antragsteller hinter dem Deckmantel des § 23 WpHG ein Paket, verteilt auf mehrere Tochtergesellschaften, offenlegungsfrei schnüren. Dies aber ist auch dann eine „für die Beurteilung der betreffenden Wertpapiere wesentliche Tatsache“, wenn der Antragsteller zwar selbst keinen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben, dies aber alsbald einem Dritten ermöglichen will. Zudem nimmt durch den Aufbau eines Pakets auch der sog. float ab. 8. Rechtsfolgen
34a Bei Vorliegen der Voraussetzungen bleiben die Stimmrechte aus Aktien beim Meldepflichtigen unberücksichtigt. Sie werden im Konzern auch dem Mutterunternehmen nicht zugerechnet. Hält der Meldepflichtige mehr als 5 % der Aktien im Handelsbestand, so werden die Stimmrechte des gesamten Handelsbestands in die meldepflichtigen Stimmrechte einbezogen (Grundsatz der vollumfänglichen Zurechnung)3. Das bedeutet, dass nicht etwa 5 % der Aktien unberücksichtigt bleiben und nur der darüberliegende Anteil einbezogen wird. Hält der Meldepflichtige mehr als 5 % der Aktien im Handelsbestand, so sind die Stimmen zugleich in vollem Umfang dem Mutterunternehmen zuzurechnen.
III. Nichtberücksichtigung nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 WpHG 1. Regelungsgegenstand und Regelungszweck von § 23 Abs. 2 WpHG 35
§ 23 Abs. 2 WpHG der früheren Fassung ist weggefallen. Die Vorschrift enthielt vor ihrer Änderung durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz einen in der Transparenzrichtlinie I nicht vorgesehenen Erlaubnistatbestand. Dem lag der Gedanke zugrunde, dass auch andere Unternehmen als Wertpapierdienstleistungsunternehmen (z.B. Versicherungsunternehmen) über Bestände verfügen, die nicht als Anlagebestand zu kennzeichnen sind. Es handelte sich um der Höhe nach schwankende, der kurzfristigen Spekulation dienende Bestände. Schon bisher war aber zweifelhaft, ob die Ausnahmeregelung, die mit der EU-Richtlinie über die bei Erwerb und Veräußerung einer bedeutenden Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft vom 12.12.19884 vereinbar war.
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dem Handelsbestand sind somit handelsrechtlich verboten. Eine Umwidmung bedarf demnach einer begründeten Änderung der subjektiven Zwecksetzung.“ Der Paketerwerb für Rechnung Dritter ist insofern unproblematisch. Denn er fällt unter § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG (s. § 22 Rz. 50) und wird daher dem Auftraggeber zugerechnet. Für eine klarstellende Ergänzung: Uwe H. Schneider/Burgard, DB 1996, 1764; zustimmend: Starke, Beteiligungstransparenz im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2002, S. 235. Ebenso BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.6.2. ABl. EG Nr. L 348 v. 17.12.1988, S. 62.
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Die jetzige Fassung des § 23 Abs. 2 WpHG dient der Umsetzung von Art. 9 Abs. 4 der 36 EU-Transparenzrichtlinie II. Auch hierbei handelt es sich um eine Ausnahme von der Mitteilungspflicht nach § 21 WpHG. Die Ausnahmeregelung bezieht sich auf Aktien, die ausschließlich zum Zwecke der Abrechnung und Abwicklung oder zur Verwahrung für einen kurzen Zeitraum gehalten werden. Begründet wird dies damit, dass die Institute, die diese Aufgaben wahrnehmen, typischerweise keinen Einfluss auf die Emittenten ausüben1. § 23 Abs. 2 WpHG dient zugleich der Umsetzung von Art. 5 der Durchführungsricht- 37 linie vom 8.3.2007 zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handeln an einem geregelten Markt zugelassen sind2. 2. Nichtberücksichtigung nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 WpHG § 23 Abs. 2 WpHG enthält zwei weiter gehende Ausnahmen von der Berücksichtigung von Stimmrechten und damit gegebenenfalls von der Meldepflicht.
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Die Freistellung nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 WpHG gilt nicht nur für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, also insbesondere Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute i.S. von § 2 Abs. 4 WpHG. Die Freistellung gilt auch für alle anderen Unternehmen.
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Stimmrechte aus Aktien bleiben nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 WpHG unberücksichtigt, sofern die betreffenden Aktien ausschließlich für den Zweck der Abrechnung und Abwicklung von Geschäften für höchstens drei Handelstage gehalten werden, selbst wenn die Aktien auch außerhalb eines organisierten Marktes gehandelt werden.
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Die Vorschrift ist eng auszulegen3. Die Nichtberücksichtigung gilt nur für das Clea- 41 ring und Settlement. Die Aktien müssen daher ausschließlich zum Zweck der Abrechnung und Abwicklung erworben sein. Daher soll in Deutschland ausschließlich Clearstream erfasst sein4. Nicht befreit sind Systematische Internalisierer (§ 2 Abs. 10 WpHG)5; denn Systemathische Internalisierer erwerben nicht ausschließlich zum Zwecke der Abrechnung und Abwicklung. Die Vorschrift kommt bei normaler Abrechnung von Kundengeschäften nicht zur Anwendung6.
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Berücksichtigungspflichtig sind auch Stimmrechte aus Aktien, die von Unterneh- 43 men für den eigenen Anlagebestand getätigt werden, selbst wenn das Institut nur die Absicht hat, die Aktien für weniger als drei Tage zu halten.
1 Begr. RegE zum Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drucks. 16/2498, S. 35; BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.6.3. 2 ABl. EG Nr. L 69 v. 9.3.2007, S. 27. 3 Ebenso: BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.6.3. 4 Göres, Der Konzern 2007, 15 (19); anders und weitergehend: Art. 18 Abs. 1 Buchst. c Eidgenössische Börsenverordnung – FINMA i.d.F. vom 25.10.2008. 5 Zur Begriffsbildung: Bröcker, in: Claussen, Bank- und Börsenrecht, Rz. 19; Ekkenga, in: Claussen, Bank- und Börsenrecht, Rz. 251 ff. 6 BaFin, Häufig gestellte Fragen zu den §§ 21 ff. WpHG, Stand: Februar 2008.
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Nichtberücksichtigung von Stimmrechten
3. Nichtberücksichtigung nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 WpHG 44
Stimmrechte aus Aktien bleiben nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 WpHG unberücksichtigt, sofern eine mit der Verwahrung von Aktien betraute Stelle die Stimmrechte nur aufgrund von Weisungen, die schriftlich oder über elektronische Hilfsmittel erteilt wurden, ausüben darf. Gemeint sind damit Depotbanken i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 5 KWG und andere Verwahrstellen („Custodians“), die nicht der deutschen Aufsicht unterstehen. Anwendbar ist die Vorschrift unabhängig davon, ob die Depotbank oder die Verwahrstelle ihren Sitz im Inland oder Ausland hat.
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In der deutschen Verwahrpraxis wird das verwahrende Institut in der Regel nicht Eigentümer der Aktien. Die Depotbank verwahrt nur Aktien, die dem Auftraggeber gehören. Der Depotbank stehen daher auch keine Stimmrechte zu, weil sie nicht Aktionär ist. Die Folge ist, dass die Vorschrift insoweit keine Bedeutung hat1. Anders ist die Lage für Verwahrstellen von Fondsgesellschaften im Ausland, insbesondere in den USA, wo der Verwahrer Eigentum an den Aktien erwirbt, folglich Aktionär ist und ihm damit auch die Stimmrechte zustehen.
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Im Gegensatz zu § 23 Abs. 2 Nr. 1 WpHG gibt es keine zeitliche Befristung für die Verwahrung.
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Die Stimmrechte bleiben aber nur unberücksichtigt, wenn der Verwahrer nur aufgrund von Weisungen die Stimmrechte ausüben darf. Dies bestimmt sich nach dem Innenverhältnis, also dem Verhältnis zwischen dem Verwahrer und dem Treugeber. Zuzurechnen sind die Stimmrechte aber den wirtschaftlich Berechtigten, § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpHG.
IV. Mitglieder des Europäischen Systems der Zentralbanken (§ 23 Abs. 3 WpHG) 1. Regelungsgegenstand und Regelungszweck von § 23 Abs. 3 WpHG 48
§ 23 Abs. 3 WpHG bestimmt, dass Stimmrechte aus in der Vorschrift näher bezeichneten Aktien des Emittenten, die den Mitgliedern des Europäischen Systems der Zentralbanken bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Währungsbehörden zur Verfügung gestellt werden oder die sie bereitstellen, bei der Berechnung des Stimmrechtsanteils unberücksichtigt bleiben. Damit wird Art. 11 der EU-Transparenzrichtlinie umgesetzt2.
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§ 23 Abs. 3 WpHG enthält eine Sondervorschrift für die Mitglieder des Europäischen Systems der Zentralbanken bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Währungsbehörden3.
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Mitglieder des Europäischen Systems der Zentralbanken sind nach Art. 1, 1.2. des Protokolls über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank4 i.V.m. Art. 129 AEUV die Europäische Zentralbank und die Zentralbanken der Mitgliedsstaaten („nationale Zentralbanken“). 1 BaFin, Häufig gestellte Fragen zu den §§ 21 ff. WpHG, Stand: Februar 2008. 2 S. dazu auch die Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 30.9.2003, ABl. EG Nr. C 242 v. 9.10.2003, S. 6. 3 Zum Sinn und Zweck: Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 30.9.2003, ABl. EG Nr. C 242 v. 9.10.2003, S. 6. 4 ABl. EG Nr. C 115 v. 9.5.2008, S. 230, abrufbar unter: www.ecb.int.
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2. Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Währungsbehörden Voraussetzung für die Nichtberücksichtigung von Stimmrechten ist, dass die Mit- 51 glieder des Europäischen Systems der Zentralbanken die Aktien bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Währungsbehörden zur Verfügung gestellt erhalten oder sie bereitstellen. Die währungspolitischen Aufgaben und Operationen des Europäischen Systems der Zentralbanken ergeben sich aus Art. 17 ff. des Protokolls über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank. Bedeutung haben in diesem Zusammenhang die Offenmarkt- und Kreditgeschäfte. Dazu heißt es in Art. 18, dass zur Erreichung der Ziele des ESZB und zur Erfüllung seiner Aufgaben die Europäische Zentralbank und die nationalen Zentralbanken Kreditgeschäfte mit Kreditinstituten und anderen Marktteilnehmern abschließen, wobei für die Darlehen ausreichende Sicherheiten zu stellen sind. Dafür kommen auch Aktien in Betracht. Werden aber Aktien als Sicherheiten hereingenommen, so können daraus die Stimmrechte der EZB zustehen. In der gegenwärtigen Praxis der EZB werden allerdings Aktien wegen der hohen Volatilität der Kurse nicht als Sicherheit hereingenommen. Zudem werden von der Europäischen Zentralbank im Zahlungsverkehr zur Besicherung von Tageskrediten Aktien hereingenommen. 3. Kurzfristige Geschäfte Der Begriff „kurzfristig“ bezieht sich auf die Tageskredite und die Drei-Monats-Kredite. Werden Aktien über eine längere Zeit als drei Monate zur Sicherheit herangenommen, so ist dies nicht mehr kurzfristig i.S. von § 23 WpHG. Die Folge ist, dass Meldepflichten entstehen können.
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4. Keine Wahrnehmung der Stimmrechte Die Nichtberücksichtigung gilt nur, soweit die Stimmrechte aus den betreffenden 53 Aktien nicht wahrgenommen werden. Vertreter können daher zur Hauptversammlung entsandt werden. Auch dürfen Gespräche mit dem Vorstand und dem Aufsichtsrat geführt werden. Verlangt ist ferner, dass die Stimmrechte aus den betreffenden Aktien tatsächlich nicht ausgeübt werden.
V. Nichtberücksichtigung bei Market Maker (§ 23 Abs. 4 WpHG) 1. Regelungsgegenstand und Regelungszweck von § 23 Abs. 4 WpHG § 23 Abs. 4 WpHG enthält eine Ausnahmevorschrift, die sich auf die Meldepflicht 54 für Market Maker bezieht. Ein Market Maker darf Stimmrechte aus Aktien für die niedrigste Meldeschwelle von 3 % und 5 % unberücksichtigt lassen, wenn er die den Stimmrechten zugrunde liegenden Aktien in seiner Eigenschaft als Market Maker erwirbt oder veräußert. Für alle weiteren Meldeschwellen besteht die Meldepflicht ohne Ausnahme. Damit wird Art. 9 Abs. 5 der EU-Transparenzrichtlinie umgesetzt. 2. Market Maker § 23 Abs. 4 WpHG regelt einen Sonderfall der Nichtberücksichtigung von Stimmrechten für Market Maker. Die Vorschrift enthält eine gesetzliche Definition: Market Maker ist eine Person, die Aktien erwirbt oder veräußert und die „an einem Markt dauerhaft anbietet, Finanzinstrumente im Wege des Eigenhandels zu selbst
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gestellten Preisen zu kaufen oder zu verkaufen.“ Solche Marktmacher sichern vor allem die Handelbarkeit wenig liquider Wertpapiere. Sie veröffentlichen verbindliche Geld- und Briefkurse. Der Market Maker ist sodann verpflichtet, auf Verlangen eines zugelassenen Marktteilnehmers zu diesen Kursen zu kaufen oder zu verkaufen. Da er beim Eigenhandel selbst kauft und verkauft und selbst Aktionär wird, können Meldepflichten sowohl nach § 21 WpHG als auch nach § 25 WpHG entstehen. 3. Market Maker – Bestand 56
Die Selbstbefreiung für den Market Maker tritt nur ein, wenn es sich um einen Market Maker – Bestand handelt. Dafür müssen vier Voraussetzungen vorliegen.
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a) Handeln in Eigenschaft als Market Maker: Die Person muss in ihrer Eigenschaft als Market Maker handeln. Das bedeutet, dass sie unternehmerisch tätig wird, und zwar in ihrer typischen Berufstätigkeit. Keine Selbstbefreiung tritt ein, wenn der Market Maker entweder für Dritte Gelegenheitsgeschäfte tätigt oder im eigenen privaten Interesse kauft oder verkauft.
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b) Zulassung nach KWG: Der Market Maker muss eine Zulassung nach § 32 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 KWG haben. Das bedeutet, dass der Market Maker eine aufsichtsrechtliche Erlaubnis nach deutschem Recht hat, und zwar für die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten für eigene Rechnung als Dienstleistung für andere (Eigenhandel). Für Market Maker, die im Ausland tätig werden und denen eine inländische Erlaubnis fehlt, ist die Vorschrift nicht anwendbar.
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c) Kein Einfluss auf Geschäftsführung: Die Selbstbefreiung erfolgt nur, wenn der Market Maker nicht in die Geschäftsführung des Emittenten eingreift und keinen Einfluss auf ihn dahingehend ausübt, die betreffenden Aktien zu kaufen oder den Preis der Aktien zu stützen. Aktionäre haben nach deutschem Recht keine Zuständigkeit, in der Hauptversammlung durch Ausübung ihrer Stimmrechte über Maßnahmen der Geschäftsführung zu entscheiden. Daher kann nur gemeint sein, dass der Market Maker entweder mittelbar durch Ausübung der Stimmrechte, z.B. durch Bestellung von ihm abhängiger Mitglieder des Aufsichtsrats, oder tatsächlich Einfluss auf die Geschäftsführung ausübt. Der Market Maker muss darüber hinaus sich der Möglichkeit enthalten, Vorstand und Aufsichtsrat des Emittenten unter Druck zu setzen, die betreffenden Aktien zu kaufen oder Kurspflege zu betreiben.
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d) Mitteilung an BaFin: Die Selbstbefreiung tritt nur ein, wenn der Market Maker der Bundesanstalt (BaFin) unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, spätestens innerhalb von vier Handelstagen mitteilt, dass er hinsichtlich der betreffenden Aktien als Market Maker tätig ist. § 23 Abs. 4 Nr. 4 WpHG verweist für den Beginn der Frist auf eine entsprechende Anwendung von § 21 Abs. 1 Satz 3 und 4 WpHG. Das bedeutet, dass die Frist mit dem Zeitpunkt, zu dem der Meldepflichtige Kenntnis von dem maßgeblichen Sachverhalt hat oder nach den Umständen haben musste, beginnt. Zudem wird vermutet, dass der Meldepflichtige zwei Handelstage nach dem Umstand, dass er hinsichtlich der betreffenden Aktien als Market Maker tätig ist, Kenntnis hat. Nach § 4 Abs. 1 TanspRLDVO hat der Market Maker der BaFin anzuzeigen, wenn er Aktien oder sonstige Finanzinstrumente nicht mehr dauerhaft anbietet.
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Darüber hinaus sieht das Gesetz vor, dass der Market Maker die vorgenannte Mitteilung schon zu dem Zeitpunkt abgeben kann, an dem er beabsichtigt, hinsichtlich der
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betreffenden Aktien nicht für einen Dritten oder im eigenen persönlichen Interesse, sondern als Market Maker tätig zu werden. 4. Befreite Meldeschwelle Die beschriebene Selbstbefreiung für Market Maker gilt nur für 3 % und 5 %. Das bedeutet, dass der Bestand des Market Maker bis einschließlich 9,999 % als befreit gilt, genauer 10 % minus 1 Stimmrecht1.
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5. Verhältnis von § 23 Abs. 1 WpHG zu § 23 Abs. 5 WpHG Die Regelungen in § 23 Abs. 1 und 5 WpHG sind im Verhältnis zueinander nicht 63 stimmig. Nach § 23 Abs. 1 WpHG bleiben Stimmrechte aus Aktien im Handelsbestand bis 5 % unberücksichtigt. Das Wertpapierdienstleistungsunternehmen, das 8,5 % der Stimmrechte hält, muss daher 3,5 % der Stimmrechte melden, selbst wenn 8,5 % der Aktien im Handelsbestand gehalten werden. Der Market Maker ist dagegen mit dem Market Maker – Bestand bis 9,999 % befreit und folglich nicht meldepflichtig. Sinn machen diese unterschiedlichen Schwellen nicht. Sie beruhen auf Art. 6 und Art. 5 der EU-Transparenzrichtlinie II. Angesichts derselben Zielrichtung der Selbstbefreiungstatbestände ist davon aus- 64 zugehen, dass ein Market Maker nicht neben dem Market Maker – Bestand auch einen Handelsbestand bilden kann. Es können nicht gleichzeitig die Höchstgrenzen beider Tatbestände in Anspruch genommen werden2.
VI. Ausübungsverbot (§ 23 Abs. 5 WpHG) 1. Regelungsgegenstand und Regelungszweck von § 23 Abs. 5 WpHG § 23 Abs. 5 WpHG ersetzt den früheren § 23 Abs. 4 WpHG. Die Vorschrift enthält ein Stimmverbot für die nichtberücksichtigten Stimmrechte.
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2. Inhalt des Ausübungsverbots Bei einer Selbstbefreiung nach § 23 Abs. 1–4 WpHG können Stimmrechte nicht ausgeübt werden. Die Bedeutung dieser Vorschrift ist zweifelhaft. Nach § 23 Abs. 1 und 2 WpHG a.F. musste ein Antrag bei der BaFin auf Befreiung gestellt werden. Diese ließ sodann zu, dass Stimmrechte aus Aktien bei der Berechnung des Stimmrechtsanteils unberücksichtigt blieben. Damit konnte eindeutig bestimmt werden, um welche Stimmrechte es sich handelte und auf welche Stimmrechte sich ein Ausübungsverbot erstreckte.
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Nach der Neufassung von § 23 Abs. 1–4 WpHG durch das Transparenzrichtlinie-Um- 67 setzungsgesetz bedarf es keiner Erlaubnis mehr. Damit ist aber zweifelhaft, ob die Nichtausübung der Stimmrechte lediglich eine normative Bedingung für die Selbstbefreiung darstellt oder ob wie bisher ein Ausübungsverbot besteht, und zwar in der Form eines Rechtsverlustes. Würde es sich um eine normative Bedingung für die Selbstbefreiung handeln, so wäre die Folge, dass das Stimmrecht zwar fortbesteht,
1 BaFin, Häufig gestellte Fragen zu den §§ 21 ff. WpHG, Stand: Februar 2008. 2 A.A. BaFin, Emittentenleitfaden 2009, Rz. VIII.2.6.1.
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dass aber mit der Ausübung der Stimmrechte die Voraussetzungen für die Selbstbefreiung entfallen. 68
Gegen diese Auslegung sprechen der Wortlaut und der Sinn und Zweck der Vorschrift. § 23 Abs. 5 WpHG sagt, dass die Stimmrechte nicht ausgeübt werden „können“. Das spricht für einen Rechtsverlust, vergleichbar mit dem Rechtsverlust nach § 28 WpHG. Dagegen wurde zu § 24 Abs. 4 WpHG a.F. vorgetragen, eine solche Verschärfung des Art. 9 der EU-Transparenzrichtlinie II sei nicht gerechtfertigt. Sie mindere die Hauptversammlungspräsenz und stärke die Stimmrechtsmacht von Großaktionären1. Gegen eine solche Auslegung und für einen Rechtsverlust spricht, dass damit Vermeidungsstrategien verhindert werden. Andernfalls könnte sich der Meldepflichtige bis zum Zeitpunkt der Hauptversammlung auf die Selbstbefreiung berufen und in der Hauptversammlung von seinem Stimmrecht unter Verzicht auf die Selbstbefreiung Gebrauch machen.
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Wenn daher von der Möglichkeit der Selbstbefreiung Gebrauch gemacht wird, verliert der Meldepflichtige seine Stimmrechte bis zum Zeitpunkt des Wegfalls der Voraussetzung für die Selbstbefreiung (s. Rz. 4 ff.). 3. Voraussetzung für das Ausübungsverbot
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Voraussetzung für den Rechtsverlust nach § 23 Abs. 5 WpHG ist, dass: – eine Selbstbefreiung vorliegt, – der Meldepflichtige Stimmrechte bei der Berechnung seines Stimmrechtsanteils nicht berücksichtigt hat und in Folge dessen – eine Mitteilungspflicht wegen Erreichens oder Überschreitens einer Meldeschwelle gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG (i.V.m. § 22 WpHG) nicht entstanden ist.
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a) Fehlt es an den Voraussetzungen einer Selbstbefreiung nach § 23 Abs. 1–4 WpHG und hat der Meldepflichtige nicht alle Stimmrechte bei der Berechnung seines Stimmrechtsanteils berücksichtigt und deswegen eine Mitteilung unterlassen, so greift § 28 WpHG ein.
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b) Liegt ein Fall der Selbstbefreiung nach § 23 Abs. 1–4 WpHG vor und hat der Antragsteller – wozu er berechtigt ist – die bei der Berechnung seines Stimmrechtsanteils von der Berücksichtigung freigestellten Stimmrechte gleichwohl teilweise berücksichtigt und seinen auf dieser Grundlage errechneten Stimmrechtsanteil nach § 21 WpHG gemeldet, so greifen weder § 23 Abs. 5 WpHG nach § 28 WpHG ein2. 4. Umfang des Rechtsverlusts
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a) Hat der Meldepflichtige einen Handelsbestand oder liegt ein sonstiger Befreiungstatbestand vor und hat aufgrund dessen der Meldepflichtige von der Selbstbefreiung Gebrauch gemacht, hat dies aber nicht zu einer Befreiung von der Meldepflicht ge-
1 Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, Anh. § 22, § 23 WpHG Rz. 3; im Ergebnis wie hier: Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 23 WpHG Rz. 23; s. auch Uwe H. Schneider/ Burgard, in: FS Beusch, 1993, S. 783 ff. 2 Ebenso für § 23 Abs. 4 WpHG a.F.: Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 23 WpHG Rz. 22; Hildner, Kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz verbundener Unternehmen, 2002, S. 131.
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Nichtberücksichtigung von Stimmrechten
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führt, so dürfen die Stimmrechte in vollem Umfang ausgeübt werden; denn § 23 Abs. 5 WpHG greift nicht ein. b) Führt die Nichtberücksichtigung von Stimmrechten zugleich zu einer Befreiung 74 von einer Mitteilungspflicht, so greift § 23 Abs. 5 WpHG ein. Dann stellt sich allerdings die Frage, ob der Rechtsverlust nur für die Stimmrechte gilt, die zu einem Erreichen und Überschreiten einer Meldeschwelle führen („kleine Lösung“) oder ob sich das Stimmverbot auf alle Stimmrechte erstreckt, die von der Selbstbefreiung erfasst sind („große Lösung“): Der Meldepflichtige hat 9 % Stimmrechte und davon 5 % im Handelsbestand. Gemeldet sind 4 % der Stimmrechte, so erstreckt sich das Stimmverbot auf 4 % („kleine Lösung“) oder 5 % der Stimmrechte („große Lösung“). Für die große Lösung könnte sprechen, dass der Umfang der Selbstbefreiung und der 75 Umfang des Ausübungsverbots korrespondieren sollten. Der Wortlaut mag dies decken, doch spricht der Wortlaut der Vorschrift eher für die kleine Lösung; denn dort heißt es, dass Stimmrechte nicht ausgeübt werden können, die „unberücksichtigt bleiben“. Unberücksichtigt bleiben aber nur die Stimmrechte, die über der Schwelle liegen. Für die kleine Lösung sprechen auch der Sinn und Zweck der Vorschrift. § 23 Abs. 5 WpHG dient lediglich dem Umgehungsschutz. Die Vorschrift soll verhindern, dass der Antragsteller mehr Stimmrechte ausüben kann, als nach den von ihm vorliegenden Mitteilungen äußerstenfalls möglich ist. Für die kleine Lösung spricht endlich, dass die Folgen für die Hauptversammlungspräsenz weniger einschneidend sind. Damit sprechen die stärkeren Argumente für die kleine Lösung1. Eine Sondersituation entsteht im Konzern. Jedes Konzernunternehmen kann seinen eigenen Handels- oder Spekulationsbestand bilden. Eine Konsolidierung erfolgt im Fall des § 23 Abs. 1 WpHG nicht. Ist das Tochterunternehmen mit seinem Handelsbestand befreit, so schlägt diese Befreiung für die Mitteilungspflicht auf das Mutterunternehmen durch.
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Frei.
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5. Dauer des Ausübungsverbots Das Ausübungsverbot hat Bestand, solange und soweit sie zu einer Befreiung von der 78 Mitteilungspflicht führt. Liegen die Voraussetzungen der Selbstbefreiung nicht mehr vor, lebt die Mitteilungspflicht im vollen Umfang wieder auf. Kommt ihr der Verpflichtete nicht nach, so greift § 28 WpHG ein. 6. Ausübung des Stimmrechts trotz Ausübungsverbots S. hierzu unten § 28 Rz. 28 f.
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1 Wie hier Starke, Beteiligungstransparenz im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, 2002, S. 236; Cahn, AG 1997, 508; Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, Anh. § 22, § 23 WpHG Rz. 21; Hildner, Kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz verbundener Unternehmen, 2002, S. 124; wie hier auch für § 20 WpÜG: Diekmann, in: Baums/Thoma, § 20 WpÜG Rz. 55; Noack/Holzborn, in: Schwark/Zimmer, § 20 WpÜG Rz. 14; Seiler, in: Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, § 20 WpÜG Rz. 50; Vogel, NZG 2005, 540; für große Lösung aber Hirte, in: FS Wiedemann, 2002, S. 955, 963; Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 23 WpHG Rz. 24; Opitz, in: Schäfer/Hamann, Kapitalmarktgesetze, § 23 WpHG Rz. 58; für § 20 WpÜG: Oechsler, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, § 20 WpÜG Rz. 12; Hirte, in: KölnKomm. WpHG, § 23 Rz. 73.
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§ 24
Mitteilung durch Konzernunternehmen
VII. Regelungsgegenstand und Regelungszweck von § 23 Abs. 6 WpHG 80
§ 23 Abs. 6 WpHG enthält eine Ermächtigung für das Bundesministerium der Finanzen zum Erlass einer Rechtsverordnung. Diese liegt bislang nicht vor.
VIII. Befreiungen von anderen Offenlegungspflichten 81
Ein dem § 23 WpHG vergleichbarer Befreiungstatbestand war dem deutschen Recht früher unbekannt. Insbesondere sind Befreiungen von der Mitteilungspflicht nach § 20 AktG nicht vorgesehen1. Auch die aufsichtsrechtlichen Anzeigepflichten dulden keine Ausnahmen. Anders ist dies vor allem im Bilanzrecht, vgl. §§ 286 Abs. 3, 313 Abs. 3 HGB.
§ 24 Mitteilung durch Konzernunternehmen Gehört der Meldepflichtige zu einem Konzern, für den nach den §§ 290, 340i des Handelsgesetzbuchs ein Konzernabschluss aufgestellt werden muss, so können die Mitteilungspflichten nach § 21 Abs. 1 und 1a durch das Mutterunternehmen oder, wenn das Mutterunternehmen selbst ein Tochterunternehmen ist, durch dessen Mutterunternehmen erfüllt werden. In der Fassung der Bekanntmachung vom 9.9.1998 (BGBl. I 1998, 2708). Schrifttum: Fiedler, Mitteilungen über Beteiligungen von Mutter- und Tochterunternehmen, 2005; Heppe, Zu den Mitteilungspflichten nach § 21 WpHG im Rahmen der Umwandlung von Gesellschaften, WM 2002, 60; Hildner, Kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz verbundener Unternehmen, 2002; Nottmeier/Schäfer, Zu den Mitteilungspflichten von Konzernunternehmen gemäß § 24 Wertpapierhandelsgesetz, WM 1996, 513; Uwe H. Schneider, Die kapitalmarktrechtlichen Offenlegungspflichten von Konzernunternehmen nach §§ 21 ff. WpHG, in: FS Brandner, 1996, S. 565; s. ferner das Schrifttum Vor § 21.
Inhaltsübersicht I. Regelungsgegenstand und Regelungszweck. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1. Vermeidung von Mehrfachmeldungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mehrstufige Konzernlagen . . . . . . . .
1 8
II. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . .
9
1. Bestehende Meldepflicht . . . . . . . . . 2. Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9 13
3. Erfüllung der Mitteilungspflicht durch das Mutterunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 III. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 IV. Rechtslage bei den sonstigen Offenlegungspflichten. . . . . . . . . . . . . . 25
1 S. aber Siebel, in: FS Heinsius, 1991, S. 771, 805.
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Uwe H. Schneider
V. Gleichordnungskonzern . . . . . . . . . . 26
Mitteilung durch Konzernunternehmen
§ 24
I. Regelungsgegenstand und Regelungszweck 1. Vermeidung von Mehrfachmeldungen a) § 24 WpHG setzt Art. 6 Transparenzrichtlinie I in das deutsche Recht um. Sinn 1 und Zweck der Vorschrift ist es, Mehrfachmeldungen zu vermeiden. Dies bedeutet nicht, dass im Konzern nur das Mutterunternehmen mitzuteilen hat, ob es eine Meldeschwelle überquert hat, mit der Folge, dass eine Mitteilungspflicht der Tochterunternehmen entfällt. Für jedes Konzernunternehmen ist vielmehr selbständig zu prüfen, ob ein Offenlegungstatbestand verwirklicht ist und eine Mitteilungspflicht begründet wurde1. § 24 WpHG erleichtert lediglich das Verfahren. Die Vorschrift enthält nur einen bedingten Befreiungstatbestand, nämlich insoweit, als im Konzern und bei Kontrollagen (s. Rz. 13) mehrere Meldungen zusammengefasst werden (können). Erfüllt ein beherrschtes oder kontrolliertes Unternehmen i.S. des § 22 Abs. 3 WpHG 2 die Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 oder Abs. 1a WpHG, so können nicht nur bei dem kontrollierten Unternehmen, sondern aufgrund der Zurechnung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG auch beim herrschenden Unternehmen die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Offenlegungspflicht vorliegen, nämlich wenn es selbst infolge der Zurechnung ebenfalls eine Meldeschwelle erreicht, über- oder unterschreitet. Hält zum Beispiel die herrschende A-AG 1 % der Stimmrechte, die von ihr kontrollierte B-GmbH 5 % der Stimmrechte und veräußert Letztere 2 %, so liegen bei beiden Unternehmen die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Meldepflicht vor. Veräußert die B-GmbH dagegen nur 0,5 %, so sind die Tatbestandsvoraussetzungen nur bei ihr gegeben. Im Blick hierauf stellt sich im zwei- oder mehrstufigen Konzern zum einen die Frage, ob beide bzw. alle oder nur ein Unternehmen der Mitteilungspflicht genügen muss. Zum anderen ist zu klären, ob das Mutterunternehmen nicht nur zur Offenlegung der Sachverhalte, die das eigene Unternehmen verwirklicht, sondern auch zur Offenlegung der Sachverhalte berechtigt und verpflichtet ist, die bei den Tochterunternehmen verwirklicht werden. Auf diese zu § 20 AktG umstrittenen Fragen2 gibt § 24 WpHG zwei Antworten:
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– Die Vorschrift lässt erstens erkennen, dass das Gesetz grundsätzlich von der Mög- 4 lichkeit mehrfacher Mitteilungspflichten bei Konzernlagen ausgeht (zu Einzelheiten s. oben § 21 Rz. 93). Damit wird einerseits der Gesellschaft und andererseits den anderen Anlegern nicht nur offen gelegt, welche Stimmrechte allen zu einem Konzernunternehmen gehörenden Konzernunternehmen zustehen, sondern es wird zugleich im Rahmen der §§ 21 ff. WpHG offen gelegt, welchem Konzernunternehmen die Aktien gehören. – Damit stellt sich zweitens die Frage, wie diese mehrfachen Mitteilungspflichten zu erfüllen sind. In Betracht kommt, dass jedes Unternehmen selbst die Mitteilungspflichten erfüllt. Die Tochterunternehmen können das Mutterunternehmen aber auch beauftragen, die ihnen obliegenden Mitteilungspflichten im eigenen Namen wahrzunehmen.
1 Uwe H. Schneider, in: FS Brandner, 1996, S. 567; Arends, Die Offenlegung von Aktienbesitz nach deutschem Recht, 2000, S. 81; Hirte, in: KölnKomm. WpHG, § 24 Rz. 9. 2 Dagegen Vonnemann, AG 1991, 352; dafür die h.M., s. etwa Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 9. Aufl. 2008, § 6 Rz. 12 ff. m.w.N.
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§ 24
Mitteilung durch Konzernunternehmen
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Im Blick hierauf befreit § 24 WpHG die Tochterunternehmen von ihren Mitteilungspflichten, wenn ein in der Konzernhierarchie höherstehendes Mutterunternehmen im eigenen Namen die Mitteilungspflicht erfüllt1. Eine Vollmacht braucht das Mutterunternehmen nicht. Auf diese Weise wird die Einrichtung einer konzernweiten Compliance-Stelle ermöglicht, und es werden Mehrfachmeldungen durch unterschiedliche Konzernunternehmen vermieden. Die Tochterunternehmen werden freilich von ihren Mitteilungspflichten nur frei, wenn im Einzelfall das Mutterunternehmen die Mitteilungspflicht ordnungsgemäß erfüllt hat. Eine „befreiende Delegation“ für alle Fälle durch das Tochterunternehmen im Wege einer internen Beauftragung des Mutterunternehmens ist nicht möglich.
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b) Unbeantwortet lässt das Gesetz die Frage, ob Mutterunternehmen verpflichtet sind, dafür zu sorgen, dass Mitteilungspflichten, die den Tochterunternehmen auferlegt sind, erfüllt werden; denn § 24 WpHG enthält nur einen Befreiungstatbestand. Es werden aber keine eigenständigen Pflichten begründet. Insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze über die Pflichten der konzernleitenden Gesellschaft, dafür zu sorgen, dass die Tochtergesellschaften ihren öffentlich-rechtlichen Pflichten nachkommen2.
7a
c) Die Verwaltungspraxis nimmt auch Mitteilungen ausländischer Mutterunternehmen entgegen, die diese ohne Vollmacht für ihre Tochterunternehmen abgeben. Zweifelsfrei ist aber nicht, ob damit die Meldepflichten der Tochterunternehmen erfüllt sind.
7b
d) Keine Bedeutung hat § 24 WpHG, wenn die Tochtergesellschaft eine inländische oder ausländische Kapitalanlagegesellschaft oder Investmentaktiengesellschaft ist; denn dann entfällt nach § 32 Abs. 2 InvG, § 99 InvG die Zurechnung der Stimmrechte. S. dazu Anh. zu § 22. 2. Mehrstufige Konzernlagen
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§ 24 WpHG handelt nur vom zweistufigen und dreistufigen Konzern. Nach dem Sinn und Zweck ist die Vorschrift aber über ihren bloßen Wortlaut hinaus auch für einen mehr als nur dreistufigen Konzern anwendbar.
II. Voraussetzungen 1. Bestehende Meldepflicht 9
a) § 24 WpHG verlangt, dass für ein Tochterunternehmen eine Meldepflicht besteht. Sie kann durch Erwerb, Veräußerung oder auf sonstige Weise durch Rechtsgeschäft mit einem Dritten, aber auch durch Erwerb, Veräußerung oder auf sonstige Weise durch Rechtsgeschäft mit einem anderen Konzernunternehmen, also ein konzerninternes Rechtsgeschäft, ausgelöst werden. Das gilt freilich nur, wenn durch ein konzerninternes Rechtsgeschäft eine Meldepflicht ausgelöst wird. (Beispiel: Eine Toch1 Ebenso Nottmeier/Schäfer, WM 1996, 515; Witt, Übernahmen von Aktiengesellschaften und Transparenz der Beteiligungsverhältnisse, 1998, S. 256; Fiedler, Mitteilungen über Beteiligungen von Mutter- und Tochterunternehmen, 2005, S. 91; Hirte, in: KölnKomm. WpHG, § 24 Rz. 14. 2 S. auch § 15 Satz 1 GeldwäscheG sowie Uwe H. Schneider, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 473, 489 und bei § 21 Rz. 143 f.; offen gelassen von Schwark, in: Schwark/Zimmer, § 24 WpHG Rz. 4.
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Uwe H. Schneider
Mitteilung durch Konzernunternehmen
§ 24
tergesellschaft hält 2 %, und sie erwirbt von einer Schwestergesellschaft 3 % der Stimmrechtsanteile.) Es gilt aber nicht, wenn durch konzerninterne Rechtsgeschäfte nur die Angaben nach § 17 Abs. 2 Satz 2 WpAIV (Text im Anhang S. 2212) zu korrigieren sind. (Beispiel: Die Muttergesellschaft hält 3 %, und sie erwirbt von ihrer einzigen Tochtergesellschaft weitere 3 % der Stimmrechtsanteile). Für diesen Fall kann die Meldepflicht durch ein Mutterunternehmen erfüllt werden. 10 Das Mutterunternehmen kann im mehrstufigen Konzern das oberste Mutterunternehmen sein. Mutterunternehmen i.S. der Vorschrift kann aber im mehrstufigen Konzern auch selbst ein Tochterunternehmen sein. Voraussetzung ist allein, dass es im Verhältnis zu den meldepflichtigen Unternehmen Mutterunternehmen ist. b) Fraglich ist, ob die Mitteilungspflicht auch durch ein Mutterunternehmen, ins- 11 besondere durch das oberste Mutterunternehmen, mit befreiender Wirkung für alle unmittelbaren und/oder mittelbaren Tochterunternehmen erfüllt werden kann, obwohl es selbst nicht nach § 21 WpHG mitteilungspflichtig ist. Eine Auslegung, dass ein Mutterunternehmen nur melden kann, wenn es selbst nach § 21 WpHG mitteilungspflichtig ist, würde wenig Sinn machen; denn § 24 WpHG will nicht nur Mehrfachmeldungen vermeiden, sondern insbesondere auch eine konzernweite Organisation ermöglichen, die sicherstellt, dass die den Konzernunternehmen auferlegten Mitteilungspflichten durch eine Stelle im Konzern in zutreffender Weise erfüllt werden können1. Das oberste Mutterunternehmen kann daher auch Mitteilungen im eigenen Namen mit befreiender Wirkung für ihre Tochterunternehmen abgeben, obwohl es selbst nicht nach § 21 WpHG, sondern nur nach § 22 WpHG mitteilungspflichtig ist.
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2. Konzern Der Meldepflichtige muss „Tochterunternehmen“ in einem „Konzern“ sein. Erfüllt 13 werden können die Mitteilungspflichten in einem Konzern durch das Mutterunternehmen. Definiert wird der Konzern in § 18 AktG. Voraussetzung ist die Ausübung einheitlicher Leitung. Nicht jeder Konzern liegt aber im Anwendungsbereich von § 24 WpHG. Nicht anwendbar ist § 24 WpHG im Gleichordnungskonzern. Verlangt ist vielmehr, dass ein Konzernabschluss aufgestellt werden muss. Insoweit verweist § 24 WpHG auf § 290 HGB und § 340i HGB. Solche Verweisungen sind nicht unproblematisch, weil Änderungen des Gesetzes außerhalb des WpHG unmittelbar auf den Anwendungsbereich des WpHG durchschlagen. Dies ist hier geschehen. § 290 HGB und § 340i HGB sind durch das BilMoG vom 29.5.2009 (BGBl. I 2009, 1102) geändert worden und erst seit dem 30.4.2011 in Kraft. § 290 Abs. 1 Satz 1 HGB a.F. und damit die formale Anknüpfung an die Konzernlage wurde gestrichen. Abgestellt wird jetzt nur noch auf das Kontrollprinzip2. Entscheidend ist der beherrschende Einfluss. Eingefügt wurde zudem § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB. Damit gehören auch die „Zweckgesellschaften“ zu den kontrollierten Unternehmen. Im Ergebnis bedeutet dies, dass § 24 WpHG nur beim Unterordnungskonzern anwendbar ist. Zur Auslegung von §§ 290, 340i HGB wird auf die einschlägigen Kommentierungen verwiesen. Im Nachfolgenden werden lediglich die §§ 290, 340i HGB abgedruckt. 1 Uwe H. Schneider, in: FS Brandner, 1996, S. 572; zustimmend: Hildner, Kapitalmarktrechtliche Beteiligungstransparenz verbundener Unternehmen, 2002, S. 40; Bayer, in: MünchKomm. AktG, 3. Aufl. 2008, Anh. § 22, § 24 WpHG Rz. 1; Fiedler, Mitteilungen über Beteiligungen von Mutter- und Tochterunternehmen, 2005, S. 91. 2 Zur dadurch bewirkten Begriffsvielfalt: Ulmer, in: FS Goerdeler, 1987, S. 623, 629.
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§ 24
Mitteilung durch Konzernunternehmen § 290 HGB Pflicht zur Aufstellung
(1) Die gesetzlichen Vertreter einer Kapitalgesellschaft (Mutterunternehmen) mit Sitz im Inland haben in den ersten fünf Monaten des Konzerngeschäftsjahrs für das vergangene Konzerngeschäftsjahr einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht aufzustellen, wenn diese auf ein anderes Unternehmen (Tochterunternehmen) unmittel- oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Ist das Mutterunternehmen eine Kapitalgesellschaft im Sinn des § 325 Abs. 4 Satz 1, sind der Konzernabschluss sowie der Konzernlagenbericht in den ersten vier Monaten des Konzerngeschäftsjahrs für das vergangene Konzerngeschäftsjahr aufzustellen. (2) Beherrschender Einfluss eines Mutterunternehmens besteht stets, wenn 1. ihm bei einem anderen Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte der Gesellschaft zusteht; 2. ihm bei einem anderen Unternehmen das Recht zusteht, die Mehrheit der Mitglieder des die Finanz- und Geschäftspolitik bestimmenden Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans zu bestellen oder abzuberufen, und es gleichzeitig Gesellschafter ist; 3. ihm das Recht zusteht, die Finanz- und Geschäftspolitik auf Grund eines mit einem anderen Unternehmen geschlossenen Beherrschungsvertrages oder auf Grund einer Bestimmung in der Satzung des anderen Unternehmens zu bestimmen oder 4. es bei wirtschaftlicher Betrachtung die Mehrheit der Risiken und Chancen eines Unternehmens trägt, das zur Erreichung eines eng begrenzten und genau definierten Ziels des Mutterunternehmens dient (Zweckgesellschaft). Neben Unternehmen können Zweckgesellschaften auch sonstige juristische Personen des Privatrechts oder unselbständige Sondervermögen des Privatrechts, ausgenommen Spezial-Sondervermögen im Sinn des § 2 Abs. 3 des Investmentgesetzes, sein. (3) Als Rechte, die einem Mutterunternehmen nach Absatz 2 zustehen, gelten auch die einem Tochterunternehmen zustehenden Rechte und die den für Rechnung des Mutterunternehmens oder von Tochterunternehmen handelnden Personen zustehenden Rechte. Den einem Mutterunternehmen an einem anderen Unternehmen zustehenden Rechten werden die Rechte hinzugerechnet, über die es oder ein Tochterunternehmen auf Grund einer Vereinbarung mit anderen Gesellschaftern dieses Unternehmens verfügen kann. Abzuziehen sind Rechte, die 1. mit Anteilen verbunden sind, die von dem Mutterunternehmen oder von Tochterunternehmen für Rechnung einer anderen Person gehalten werden, oder 2. mit Anteilen verbunden sind, die als Sicherheit gehalten werden, sofern diese Rechte nach Weisung des Sicherungsgebers oder, wenn ein Kreditinstitut die Anteile als Sicherheit für ein Darlehen hält, im Interesse des Sicherungsgebers ausgeübt werden. (4) Welcher Teil der Stimmrechte einem Unternehmen zusteht, bestimmt sich für die Berechnung der Mehrheit nach Absatz 2 Nr. 1 nach dem Verhältnis der Zahl der Stimmrechte, die es aus den ihm gehörenden Anteilen ausüben kann, zur Gesamtzahl aller Stimmrechte. Von der Gesamtzahl aller Stimmrechte sind die Stimmrechte aus eigenen Anteilen abzuziehen, die dem Tochterunternehmen selbst, einem seiner Tochterunternehmen oder einer anderen Person für Rechnung dieser Unternehmen gehören. (5) Ein Mutterunternehmen ist von der Pflicht, einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht aufzustellen, befreit, wenn es nur Tochterunternehmen hat, die gemäß § 296 nicht in den Konzernabschluss einbezogen werden brauchen. § 340i HGB Pflicht zur Aufstellung (1) Kreditinstitute, auch wenn sie nicht in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft betrieben werden, haben unabhängig von ihrer Größe einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht nach den Vorschriften des Zweiten Unterabschnitts des Zweiten Abschnitts über den Konzernabschluss und Konzernlagebericht aufzustellen, soweit in den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes bestimmt ist. Zusätzliche Anforderungen auf Grund von Vorschriften, die wegen der Rechtsform bestehen, bleiben unberührt. (2) Auf den Konzernabschluss sind, soweit seine Eigenart keine Abweichung bedingt, die §§ 340a bis 340g über den Jahresabschluss und die für die Rechtsform und den Geschäfts-
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Uwe H. Schneider
§ 24
Mitteilung durch Konzernunternehmen
zweig der in den Konzernabschluss einbezogenen Unternehmen mit Sitz im Geltungsber