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German Pages 688 Year 2019
Clemenz/Kreft/Krause AGB-Arbeitsrecht Kommentar
AGB-Arbeitsrecht Kommentar zu den §§ 305-310 BGB herausgegeben von
Dr. Susanne Clemenz Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht, Gütersloh
Burghard Kreft Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht a. D., Erfurt
Prof. Dr. Rüdiger Krause Georg-August-Universität Göttingen bearbeitet von
Dr. Susanne Clemenz Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht, Gütersloh
Dr. Christian Hoefs Rechtsanwalt, Frankfurt a. M.
Burghard Kreft Vorsitzender Richter am Bundesarbeitsgericht a.D., Erfurt
Dr. Sebastian Roloff Richter am Bundesarbeitsgericht, Erfurt
Prof. Dr. Steffen Klumpp
Prof. Dr. Anja Schlewing
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Vorsitzende Richterin am Bundesarbeitsgericht, Erfurt
Prof. Dr. Rüdiger Krause
Dr. Florian Wortmann
Georg-August-Universität Göttingen
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Gütersloh
2. neu bearbeitete und erweiterte Auflage
2019
Zitierempfehlung: CKK/Bearbeiter, 2. Aufl. 2019, Einf. Rz. . . . bzw. § . . . BGB Rz. . . . bzw. Anh. Vergu¨ Rz. . . . bzw. Anh. BetrAV Rz. . . .
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet u¨ber http://dnb.d-nb.de abrufbar. Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Ko¨ln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-9 43 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-42070-3 ª 2019 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Ko¨ln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschu¨tzt. Jede Verwertung, die nicht ausdru¨cklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere fu¨r Vervielfa¨ltigungen, Bearbeitungen, ¨ bersetzungen, Mikroverfilmungen und die EinspeicheU rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und sa¨urefrei, alterungsbesta¨ndig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Lichtenford, Mettmann Satz: Scha¨per, Bonn Druck und Verarbeitung: Ko¨sel, Krugzell Printed in Germany
Vorwort Die durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts zum 1. Januar 2002 eingeführte AGB-Kontrolle von vorformulierten Arbeitsbedingungen hat sich angesichts des praktisch durchgängigen Einsatzes von Formulararbeitsverträgen zu einer der zentralen Materien des Arbeitsvertragsrechts entwickelt. Seither gibt es kaum eine Entscheidung über eine vorformulierte arbeitsvertragliche Klausel, die sich nicht auch zur AGB-Kontrolle äußert. Seinen sichtbaren Ausdruck findet dies in der ständig anwachsenden Zahl einschlägiger Gerichtsentscheidungen. So weist die Datenbank Juris für die kombinierten Stichworte „BAG“ und „AGB“ für den Zeitraum ab 2002 gegenwärtig rund 1.400 Treffer auf, während für den Zeitraum bis 2012, also bis zum Erscheinen der ersten Auflage dieses Kommentars, lediglich rund 850 Treffer angezeigt werden. Noch wichtiger als das ungebremste quantitative Wachstum ist aber, dass sich die arbeitsrechtliche AGB-Kontrolle auch qualitativ stetig weiterentwickelt. Obwohl mittlerweile zahlreiche Grundsatzentscheidungen des BAG zu typischen vorformulierten Arbeitsvertragsklauseln vorliegen, hat sich die Erwartung nicht bestätigt, dass es sich bei der arbeitsrechtlichen AGB-Kontrolle um eine in wenigen Jahren weitgehend geklärte Rechtsmaterie handele, bei der es nur noch um die Subsumtion des konkreten Falls unter feststehende Grundsätze gehe. Vielmehr bringt die arbeitsrechtliche Praxis ständig neue Typen arbeitsvertraglicher Klauseln hervor, die auf den Prüfstand der AGB-Kontrolle geraten. Zudem kommt es auch in scheinbar festgefügten Bereichen immer wieder zu einer Verfeinerung der rechtlichen Maßstäbe. Um in der sich ununterbrochen ausdifferenzierenden Judikatur den Überblick zu behalten, bedarf es deshalb einer systematischen Aufarbeitung. Darüber hinaus lassen sich überzeugende Lösungen insbesondere für neu auftretende Fragen nur gewinnen, wenn sich die Rechtsanwendung hierbei auf die Legitimation und Leitgedanken der Überprüfung vorformulierter Vertragsbedingungen besinnt, zumal nur durch eine Herausbildung von übergreifenden Grundsätzen dem nicht zuletzt vom BVerfG betonten rechtsstaatlichen Gebot der Berechenbarkeit des Rechts im Sinne von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit entsprochen wird. Die Bewältigung der damit umrissenen Aufgaben hat sich der vorliegende Kommentar zum Ziel gesetzt, wobei das – leicht veränderte und erweiterte – Autorenteam die freundliche Aufnahme der ersten Auflage gleichermaßen als Bestätigung wie als Aufforderung begreift, das gewählte Konzept beizubehalten und fortzuschreiben. Die Herausgeber und der Verlag danken dem ausgeschiedenen Mitautor, Herrn Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht a.D. Dr. Gernot Brühler, für seine bisherige Mitwirkung und die Bereitschaft, seinen Beitrag für die erste Auflage als Grundlage der vorliegenden Neubearbeitung zur Verfügung zu stellen. V
Vorwort
Der Kommentar richtet sich an die forensische Praxis ebenso wie an die Wissenschaft und die Kautelarjurisprudenz. Die Darstellung folgt weitgehend der Systematik des Gesetzes. Durch ein Klausel-ABC und einen Anhang zu besonders komplexen Regelwerken soll dem Nutzer der schnelle Zugriff auf mögliche Problemlösungen erleichtert werden. Mit der Ausdehnung des Anhangs auf die Vergütungssysteme von Banken und Versicherungen ist ein praktisch wichtiger und ausgesprochen komplexer Bereich neu in die Kommentierung einbezogen worden. Der Kommentar befindet sich auf dem Stand vom 1. März 2019. Zuspruch, Kritik und Anregungen sind jederzeit willkommen und können dem Verlag gern unter [email protected] zugeleitet werden. Gütersloh, Erfurt, Göttingen, März 2019
Susanne Clemenz Burghard Kreft Rüdiger Krause
Es haben bearbeitet: Clemenz Hoefs Klumpp Krause Kreft Roloff Schlewing Wortmann
VI
§§ 305, 305b BGB §§ 305c, 306a BGB, Besondere Vergütungssysteme § 307 BGB Einführung, Vor § 307 BGB § 310 BGB § 308 BGB §§ 306, 309 BGB Betriebliche Altersversorgung
Inhaltsübersicht Seite
Vorwort . . . . . . . . Klausel-ABC . . . . . Abkürzungsverzeichnis Literaturverzeichnis .
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V IX XIII XVII
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) (Auszug) Buch 2 Recht der Schuldverhältnisse Abschnitt 2 Gestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen § 305
Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 305a Einbeziehung in besonderen Fällen . . . . . . . . . . . . § 305b Vorrang der Individualabrede . . . . . . . . . . . . . . § 305c Überraschende und mehrdeutige Klauseln . . . . . . . . § 306 Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit § 306a Umgehungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vor § 307 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 307 Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 308 Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit . . . . . . . . § 309 Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit . . . . . . . § 310 Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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105 132 133 143 176 216 222 249 373 440 503
VII
Inhaltsübersicht
Anhang Besondere Regelwerke Besondere Vergütungsbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betriebliche Altersversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
613
VIII
Seite
555 583
Klausel-ABC Fette Zahlen verweisen auf die Paragraphen, die mageren Zahlen auf die Randziffern. Ferner verweisen Einf. auf die Einführung, Anh. BetrAV und Anh. Vergü auf die Abschnitte zur Betrieblichen Altersversorgung bzw. zu den Besonderen Vergütungssystemen im Anhang. Abrufarbeit Abtretungs- und Pfändungsverbote Altersabstandsklauseln Altersgrenze Altersteilzeitvereinbarungen Änderungsvereinbarungen Änderungsvorbehalt Anrechnungsvorbehalt Arbeitgeberdarlehen Arbeitszeit Arbeitszeitkontingente Ärztliches Attest Aufrechnungsverbot Aus- und Fortbildungskosten Ausgleichsklausel Ausschlussfristen
305c 74; 307 100 307 92 Anh. BetrAV 32 305c 20 305c 21 305c 22 Anh. BetrAV 26 307 97 305c 75 307 99 305c 23 305c 24 307 112 307 215 307 134 305c 25, 76; 307 113
Beendigungsvereinbarungen Befristung Befristung von Arbeitsbedingungen Beweislastvereinbarungen Bezugnahmeklauseln Bürgschaften
305c 27; 307 130 305c 28, 77 307 147 307 153 305c 30, 79; 307 154 305c 34
Datenverarbeitung Dienstwagen Direktionsrechtsklauseln
305c 35 307 178 307 182
Freistellungsklauseln Freiwilligkeitsvorbehalt
307 190 305c 83; 307 193; Anh. Vergü 10; Anh. Vergü 26
Haftungsregelungen Haupternährerklausel
307 204 Anh. BetrAV 38a
Jeweiligkeitsklauseln
305c 36; Anh. BetrAV 22 IX
Klausel-ABC
Klageverzicht Klageverzichtvereinbarung Kopplungsklauseln Kündigungsfristen Kurzarbeitsklauseln Kürzung bei Fehl- und Ruhenszeiten Kürzungsklauseln
305c 85 307 139 305c 37 305c 38; 307 145 305c 39; 307 106 Anh. Vergü 12, 27 307 231
Mankoabreden Mindestaltersgrenze Mindestaltersklausel Mindestehedauerklausel
307 205 Anh. BetrAV 39c Anh. BetrAV 35 Anh. BetrAV 34
Nebentätigkeitsklauseln Negatives Schuldanerkenntnis, Ausgleichsquittung, Verzichtserklärung Nettolohnvereinbarung
305c 40; 307 206
Probearbeitsverhältnis/Probezeit Probezeit
305c 87 305c 42
Rückkehrrecht Rückzahlungsklauseln
307 144 305c 43, 88; 307 215; Anh. Vergü 18, 29
Salvatorische Klauseln Schadenspauschalen Scheidungsklausel/Getrenntlebensklausel Schriftform Schuldanerkenntnis Selbstbehalt Sonstige Rückzahlungsklauseln Spätehenklausel Stichtagsklauseln Stichtagsregelung
307 233 307 238 Anh. BetrAV 37 307 239 307 244 305c 44 307 232 Anh. BetrAV 33 Anh. Vergü 15, 28 307 245
Überbezahltes Entgelt Überstundenabgeltung Überstundenregelungen Umzugskosten Urlaub und Urlaubsgeld Urlaubsklauseln
307 230 305c 45 307 108 307 227 305c 89 307 251
X
305c 41 305c 86
Klausel-ABC
Verschwiegenheits- und Erklärungsklauseln Versetzungsklauseln Vertragsstrafen Vertraulichkeitspflicht Verweisung/Bezugnahmeklausel
307 261 305c 46 305c 47, 90; 307 267 305c 48 Anh. BetrAV 22
Wettbewerbsverbot Widerrufs-, Änderungs- und Anrechnungsvorbehalte Widerrufsvorbehalt
305c 49, 91; 307 278
Wiederverheiratungsklauseln
305c 50, 93 305c 93; 307 280; Anh. BetrAV 27; Anh. Vergü 11, 26 Anh. BetrAV 36
Zielvereinbarungen Zielvereinbarungen/Punktaufstiegsprämie Zustimmungsfiktionen
305c 51; 307 281 305c 94 307 282
XI
Abkürzungsverzeichnis a.A. abl. Abs. AGB AGBG Anh. BetrAV Anh. Vergü Anm. AnwK AP ArbR AuR AVR
anderer Ansicht ablehnend Absatz Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Anhang Betriebliche Altersversorgung Anhang Besondere Vergütungssysteme Anmerkung Anwaltskommentar (siehe Literaturverzeichnis Hümmerich u.a.) Arbeitsrechtliche Praxis, Nachschlagewerk des BAG Arbeitsrecht Aktuell (Zeitschrift) Arbeit und Recht (Zeitschrift) Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes
BAG BB BEEG BGB BGH
Bundesarbeitsgericht Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof
DB DBD Diss.
Der Betrieb (Zeitschrift) Däubler/Bonin/Deinert (siehe Literaturverzeichnis) Dissertation
ErfK EzA
Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht (siehe Literaturverzeichnis Müller-Glöge u.a.) Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht
FS
Festschrift
GewO GG GS GWR
Gewerbeordnung Grundgesetz Gedächtnisschrift Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)
Hk-BGB
Handkommentar zum BGB (siehe Literaturverzeichnis Schulze u.a.) XIII
Abkürzungsverzeichnis
HWK
Henssler/Willemsen/Kalb (siehe Literaturverzeichnis)
i.d.R. InstitutsVergV i.S.d./i.S.v. i.V.m.
in der Regel Institutsvergütungsverordnung im Sinne des/im Sinne von in Verbindung mit
jurisPK-BGB
juris Praxiskommentar (siehe Literaturverzeichnis Herberger u.a.)
Klausel-RL
KSchG KWG
Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz (siehe Literaturverzeichnis Bader u.a.) Kündigungsschutzgesetz Kreditwesengesetz
LPK-SGB VII
(siehe Literaturverzeichnis Becker u.a.)
MünchKomm BGB m.W.z.
Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (siehe Literaturverzeichnis Säcker u.a.) mit Wirkung zum
NJW NZA NZA-RR
Neue Juristische Wochenschrift Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZA-Rechtsprechungs-Report
PersV PflegeZG PWW
Die Personalvertretung (Zeitschrift) Pflegezeitgesetz Prütting/Wegen/Weinreich (siehe Literaturverzeichnis)
RdA Rspr. Rz.
Recht der Arbeit (Zeitschrift) Rechtsprechung Randzeichen
S. SGB sog. Solvabilität II-VO
Seite Sozialgesetzbuch so genannte(r) Deligierte Verordnung (EU) 2015/35 der Kommission vom 10. Oktober 2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit
KR
XIV
Abkürzungsverzeichnis
TzBfG
Teilzeit- und Befristungsgesetz
VAG VersVergV vgl.
Versicherungsaufsichtsgesetz Versicherungs-Vergütungsverordnung vergleiche
WLP
Wolf/Lindacher/Pfeiffer (siehe Literaturverzeichnis)
ZfA ZIP ZTR zust. zutr.
Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Tarifrecht zustimmend zutreffend
XV
Literaturverzeichnis Adams, Michael, Ökonomische Begründung des AGB-Gesetzes, BB 1989, 781 Albicker, Steffen/Wiesenecker, Philipp, Sonderzahlungen und Stichtagsklauseln in Betriebsvereinbarungen, BB 2008, 2631 Annuß, Georg, Gedanken zum Freiwilligkeitsvorbehalt im vorformulierten Arbeitsvertrag, FS Picker, Tübingen, 2010, S. 861 Annuß, Georg, Grundstrukturen der AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, BB 2006, 1333 Annuß, Georg, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht: Wo geht die Reise hin?, BB 2002, 458 Annuß, Georg/Sappa, Ingo, Die Institutionsvergütungsverordnung 2017, BB 2017, 2612 Armbrüster, Christian/Wiese, Volker, Die Folgen der Schuldrechtsreform für vor dem 1.1.2002 begründete Dauerschuldverhältnisse, DStR 2003, 334 Ars, Volker/Blümke, Anke/Scheithauer, Claudia, Nach dem FlexiG II – Neue Spielregeln für Zeitwertkonten (Teil II), BB 2009, 2252 Ayres, Ian/Gertner, Robert, Filling Gaps in Incomplete Contracts. An Economic Theory of Default Rules, Yale Law Journal 99 (1989), 87 Ayres, Ian/Schwartz, Alan, The No-Reading Problem in Consumer Contract Law, Stanford Law Review 66 (2014), 545 Bachmann, Gregor, Private Ordnung, Tübingen, 2006 Bachner, Michael, Die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 BetrVG bei der Gestaltung von Formulararbeitsverträgen, NZA 2007, 536 Bader, Peter, Das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt: Neues im Kündigungsschutzgesetz und im Befristungsrecht, NZA 2004, 65 Bader, Peter/Fischermeier, Ernst/Gallner, Inken/Klose, Oliver/Kreft, Burghard/ Kreutzberg-Kowalczyk, Matthias/Krumbiegel, Markus/Link, Christian/Lipke, Gert-Albert/Rachor, Stephanie/Rinck, Ursula/Rost, Friedhelm/Spilger, Andreas Michael/Treber, Jürgen/Vogt, Norbert/Weigand, Horst, KR – Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften, 12. Aufl., Köln, 2019 (zitiert: Bearbeiter in KR) Baeck, Ulrich/Diller, Martin, Arbeitsrechtliche Probleme bei Aktienoptionen und Belegschaftsaktien, DB 1998, 1405 Baeck, Ulrich/Winzer, Thomas, Neuere Entwicklungen im Arbeitsrecht – Stichtagsklauseln – Was geht noch?, NZG 2012, 657 Bakos, Yannis/Marotta-Wurgler, Florencia/Trossen, David R., Does anyone read the fine print? Consumer attention to standard-form contracts, The Journal of Legal Studies 43 (2014), 1 Bamberger, Heinz Georg/Roth, Herbert/Hau, Wolfgang/Poseck, Roman, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 1, 4. Aufl., München, 2019 (zitiert: Bearbeiter in Bamberger/Roth) XVII
Literaturverzeichnis
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XVIII
Literaturverzeichnis
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Literaturverzeichnis
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XLVI
Einführung I. 1. 2. II. 1. 2. 3. III. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. IV. 1. 2.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . Rechtstatsächliche Ausgangslage Funktionen von AGB . . . . . . . . Entwicklung der Inhaltskontrolle im Arbeitsvertragsrecht . Die Zeit bis zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz . . . . . . . Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . Die Zeit seit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz . . . . . . . Wertungsgrundlagen und Rechtfertigungen der AGBKontrolle im Arbeitsrecht . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . Normentheoretische Modelle . . Rechtsverhältnisbezogene Konzeptionen . . . . . . . . . . . . . Rechtsverhältnisüberschreitende Konzeptionen . . . . . . . . . . . . . Weiterentwicklung durch das Verbraucherschutzrecht . . . . . . Bedeutung für die AGBKontrolle im Arbeitsrecht . . . . . Bedeutung des Verfassungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Besonderheiten der AGBKontrolle im Arbeitsrecht . . . . Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . Leitgedanken der AGBKontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anpassungsnotwendigkeit und Bestandsschutz . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . bb) Tätigkeitsebene . . . . . . . cc) Entgeltbereich . . . . . . . . b) Grundrechtliche Aufladung .
__ _ _ _ _ _ __ _ _ _ _ _ _ __ _ __ __ _ 1 1 7
14 14 18 20 25 25 28 30 37 41 44 57 62 62 69 70 70 76 79 81
V. 1. 2. VI. VII. VIII. IX.
c) Kompensation von Nachteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bedeutung des Vorhandenseins eines gesetzlichen Schutzsystems . . . bb) Freiwillige Begünstigungen . . . . . . . . . . . . . . . d) Differenzierung nach Verkehrskreisen . . . . . . . . . aa) Arbeitnehmerseite . . . . . bb) Arbeitgeberseite . . . . . . e) Rationalisierung/Gleichbehandlung . . . . . . . . . . . . f) Sanktionierung von Pflichtverletzungen . . . . . . . . . . . . g) Rechtsverfehlungsrisiko (Prognoserisiko) . . . . . . . . . h) Kollektivrechtliche Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Koalitionsvertragliche Regelungen . . . . . . . . . . bb) Betriebliche Mitbestimmung . . . . . . . . . . . . . . i) Rechtssicherheit und Rechtsklarheit . . . . . . . . . . . . . . . Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . Verträge zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer . . . . . . . . . . Sonstige Verträge . . . . . . . . . . Zeitlicher Anwendungsbereich und Umgang mit Altverträgen Internationaler Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesetzliche Systematik und Prüfungsreihenfolge . . . . . . . . Durchsetzung des AGBRechts . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Krause
_ _ _ __ _ _ _ _ _ _ _ _ _ __ _ _ _ _ 82 82 84 87 87 90 91 94 95 98 99
101 102 103 103 113 115 123 126 131
|
1
Einf. | Einführung I. Allgemeines 1. Rechtstatsächliche Ausgangslage 1 Die Arbeitsvertragspraxis wird schon seit langem durch vorformulierte Arbeits-
bedingungen geprägt.1 Empirisch gestützte Schätzungen gehen dahin, dass weit mehr als 90 % aller Arbeitsverhältnisse in Deutschland formularmäßig ausgestaltet sind.2 Der ausschließlich aus individuell ausgehandelten Arbeitsbedingungen bestehende Arbeitsvertrag stellt nur eine verschwindend geringe Restgröße dar. Formulararbeitsverträge werden in praktisch allen Bereichen des Arbeitslebens ohne Rücksicht auf die Unternehmensgröße verwendet. Auch wenn vorformulierte Arbeitsverträge zuerst in Großunternehmen eingesetzt wurden, sind sie auch in mittleren und kleinen Unternehmen seit geraumer Zeit verbreitet.3 Gewisse Einschränkungen finden sich im Baugewerbe, das über einen allgemeinverbindlichen Bundesrahmentarifvertrag verfügt, dessen Regelungsdichte offenbar den Erfordernissen der Bauwirtschaft genügt und damit den Wunsch nach einer detaillierten Ausgestaltung der Einzelarbeitsverträge offenbar verringert, so dass es die Arbeitsvertragsparteien regelmäßig bei einem bloßen Einstellungsbogen4 bewenden lassen. Vergleichbares gilt für den öffentlichen Dienst, der vor dem Hintergrund flächendeckender Tarifwerke ebenfalls einen kurz gehaltenen Musterarbeitsvertrag mit gerade einmal fünf Paragrafen kennt.5 Ein funktionsfähiges und regelungsintensives Tarifvertragssystem vermindert somit das Bedürfnis nach einer umfassenden Festschreibung von Arbeitsbedingungen in Formulararbeitsverträgen.6 Demgegenüber führt der Rückgang der tarifvertraglichen Regulierung von Arbeitsverhältnissen7 gerade nicht zum „Idealzustand“, dass Arbeitnehmer als „Marktbürger“ ihre Vertragskonditionen individuell aushandeln, sondern dazu, dass Arbeitgeber die Vertragsbedingungen einseitig vorformulieren.
2 In personeller Hinsicht kommen vorformulierte Arbeitsverträge nicht nur bei
einfachen Arbeitnehmern, sondern seit Jahrzehnten8 auch bei Führungskräften zum Einsatz.9 Dabei werden für verschiedene Arbeitnehmergruppen (insbesondere gewerbliche Arbeitnehmer, Tarifangestellte, außertarifliche Angestellte) zumeist unterschiedliche Vertragsmuster benutzt. Neben dem gedruckten Formulararbeitsvertrag wird zunehmend auf Textbausteine zurückgegriffen, die eine 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Vgl. Gumpert, BB 1974, 139. Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, I B Rz. 7. Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, I B Rz. 3. Vgl. § 2 Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV) nebst Anhang. Vgl. Arbeitsvertragsmuster TVöD Einstellung, abrufbar unter: http://www.bmi.bund.de. Ebenso die Einschätzung von Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, I B Rz. 33. Dazu Ellguth/Kohaut, WSI Mitteilungen 2018, 299 ff. Vgl. Rüthers, BB 1972, 1105 (1108). Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, I B Rz. 5.
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flexible Anpassung an die jeweiligen Anforderungen bei der Ausgestaltung des Arbeitsvertrags ermöglichen.1 Zudem existieren in den Unternehmen nicht selten verschiedene „Generationen“ von Arbeitsvertragsmustern, was auf einer Weiterentwicklung von ursprünglich verwendeten Klauseln nicht zuletzt im Hinblick auf sich verändernde Vorgaben der Rechtsprechung, zuweilen aber auch schlicht auf einem Wechsel des für das Entwerfen von Formulararbeitsverträgen zuständigen Mitarbeiters oder externen Arbeitsrechtsberaters beruhen kann. Inhaltlich weisen vorformulierte Arbeitsbedingungen eine unterschiedlich hohe 3 Regelungsdichte auf. Manche Formulararbeitsverträge beschränken sich auf wenige Bestimmungen und dokumentieren im Wesentlichen nur, dass der Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde und welche Tätigkeit der Arbeitnehmer auszuüben hat. In der Tendenz nimmt der Regelungsumfang aber zu. So finden sich in zahlreichen Arbeitsverträgen vorformulierte Klauseln über die Leistung und Vergütung von Über- und Mehrarbeit, Sonderleistungen, die Anzeige und den Nachweis einer Arbeitsverhinderung, Verschwiegenheitspflichten, Nebentätigkeiten, Wettbewerbsverbote, Vertragsstrafen, Ausschlussfristen, das Schriftformerfordernis für Vertragsänderungen und vieles andere mehr.2 Außerdem enthalten Formularverträge regelmäßig Verweisungen auf Tarifverträge, betriebliche Regelungen sowie sonstige allgemeine Arbeitsbedingungen.3 Daneben sind oftmals deklaratorisch die gesetzlichen Bestimmungen insbesondere zum Urlaub, zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie zu Kündigungsfristen aufgenommen. Bei leitenden Angestellten trifft man ferner häufig auf Regelungen über einen Auslandseinsatz und die anschließende Rückkehr nach Deutschland, wobei über solche Angelegenheiten zumeist vom eigentlichen Arbeitsvertrag getrennte formularmäßige Vereinbarungen getroffen werden. Entsprechendes gilt für Dienstwagenregelungen. Soweit ersichtlich werden vorformulierte Arbeitsbedingungen ausschließlich 4 von der Arbeitgeberseite in den Arbeitsvertrag eingeführt. Diese Arbeitsbedingungen werden in größeren Unternehmen regelmäßig selbst entwickelt oder doch zumindest in Auftrag gegeben. Bei kleinen und mittleren Unternehmen werden die Bedingungen dagegen vielfach von den Arbeitgeberverbänden zur Verfügung gestellt oder allgemein zugänglichen Musterhandbüchern sowie vermehrt auch dem Internet entnommen.4 Soweit es um Führungskräfte geht, greift man aber auch in der mittelständischen Wirtschaft in zunehmendem Maße auf anwaltliche Beratung zurück. 1 Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, I B Rz. 14. 2 Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, I B Rz. 12; ältere Angaben zur Klauselhäufigkeit bei Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, 4. Aufl. 2011, I B Rz. 17 ff.; siehe ferner bereits Zöllner, RdA 1989, 152 (155). 3 Siehe Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, 4. Aufl. 2011, I B Rz. 22 ff. 4 Vgl. Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, I B Rz. 14, 39 ff.
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Einf. | Einführung 5 Von Arbeitnehmern umfassend vorformulierte Klauselwerke sind bislang nicht
bekannt geworden. Allerdings findet der Abschluss von Arbeitsverträgen vor allem im Bereich höher qualifizierter Tätigkeiten nicht selten in der Weise statt, dass dem Arbeitnehmer das Vertragsformular vor dem eigentlichen Vertragsschluss einige Zeit zur Verfügung gestellt wird, wobei hiermit unterschiedliche Ziele verfolgt werden. Teilweise geht es nur darum, dass der Arbeitnehmer die Gelegenheit erhalten soll, sich mit den unter Umständen recht umfangreichen Arbeitsbedingungen vertraut zu machen und gegebenenfalls sogar sachkundigen Rat einzuholen, ohne dass damit zugleich Verhandlungsbereitschaft signalisiert werden soll. Dies spielt vor allem bei Mitarbeitern im Vertrieb sowie bei komplexen Vergütungssystemen eine wachsende Rolle. Teilweise werden verschiedene in Betracht kommende Optionen offeriert, deren Vor- und Nachteile der Arbeitnehmer vor der Vertragsabschlussentscheidung erwägen soll. Teilweise stellen sich der vorformulierte Arbeitsvertrag oder zumindest einzelne Bestandteile noch weitergehend nur als Verhandlungsgrundlage dar. Vereinzelt soll es sogar dazu kommen, dass der Arbeitgeber bei bestimmten Einzelfragen die genaue Klauselgestaltung dem Arbeitnehmer überlässt. Im Allgemeinen spielen einzeln ausgehandelte Vereinbarungen in der Arbeitsvertragspraxis aber selbst bei Führungskräften nur eine geringe Rolle.1 Am ehesten scheinen sie noch in den Fällen vorzukommen, in denen ein gesuchter Mitarbeiter angeworben werden soll und es darum geht, einer besonderen Belastung dieses Mitarbeiters Rechnung zu tragen (z.B. Übernahme von Umzugskosten oder der Ausgleich von sonstigen mit dem Wechsel des Arbeitsplatzes verbundenen Nachteilen).2
6 Die Gewerkschaften bieten keine Musterarbeitsverträge an, um ihren eigenen
Tarifverträgen keine Konkurrenz zu machen.3 Allerdings kommt es zuweilen zu schuldrechtlichen Absprachen auf der Ebene der Tarifvertragsparteien, die sodann einvernehmlich in einheitsarbeitsvertragliche Regelungen umgesetzt werden.4 Darüber hinaus werden auch auf der betrieblichen Ebene teilweise Vereinbarungen mit einem Musterinhalt getroffen, die der Arbeitgeber dann in klauselartige Einzelverträge transformiert.5
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Junker in FS Buchner (2009), S. 369 (372). Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, I B Rz. 9. Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, I B Rz. 35. Vgl. BAG v. 14.8.2007 – 9 AZR 18/07, AP ATG § 6 Nr. 2 = NZA 2008, 1194; BAG v. 9.2. 2011 – 7 AZR 91/10, AP BGB § 307 Nr. 52 = NZA-RR 2012, 232; BAG v. 13.6.2012 – 7 AZR 169/11, AP BGB § 307 Nr. 65. 5 Vgl. BAG v. 25.4.2007 – 6 AZR 622/06, AP InsO § 113 Nr. 23 = NZA 2008, 1135 Os. (Rz. 35); BAG v. 19.3.2009 – 6 AZR 557/07, AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 1 = NZA 2009, 896 (Rz. 20).
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2. Funktionen von AGB Die Verwendung vorformulierter Arbeitsbedingungen soll bestimmten Funktio- 7 nen dienen, die sich zu einem erheblichen Teil mit den Zwecken decken, die mit der Verwendung von allgemeinen Geschäftsbedingungen generell verfolgt werden. An erster Stelle steht die Rationalisierungsfunktion (Entlastungsfunktion). Nicht anders als im allgemeinen Geschäftsverkehr1 ist der Rationalisierungseffekt auch im Arbeitsrecht als legitimer Zweck der Vorformulierung von Arbeitsbedingungen anzuerkennen.2 Gleichlautende Konditionen, die im Verhältnis zu allen oder doch zu größeren Gruppen von Arbeitnehmern verwendet werden, erleichtern das Personalmanagement. Ohne den flächendeckenden Einsatz von Formulararbeitsverträgen kann der arbeitsrechtliche Umgang mit der Belegschaft in Unternehmen mit hunderten oder sogar tausenden von Mitarbeitern praktisch nicht mehr bewältigt werden. Der Rationalisierungsaspekt gilt zunächst für das Vertragsabschlussstadium.3 8 Vorformulierte Arbeitsbedingungen tragen dazu bei, die beim Einstellungsvorgang anfallenden Transaktionskosten erheblich zu verringern. Der Rückgriff auf eine bereits vorhandene Arbeitsvertragsregelung erspart sowohl der Arbeitgeberseite als auch der Arbeitnehmerseite ein zeit- und kostenaufwändiges Aushandeln von Nebenbedingungen, die im Interesse einer vorsorgenden Vertragsgestaltung eine Regelung als sinnvoll erscheinen lassen, im Verlaufe des Arbeitsverhältnisses aber möglicherweise ohne jede praktische Relevanz bleiben. Schon dies allein ist für beide Arbeitsvertragsparteien unmittelbar von Vorteil, ohne dass es auf die freilich ohnehin zweifelhafte zusätzliche Überlegung ankommt, der Arbeitgeber würde die eingesparten Transaktionskosten im Wege eines höheren Entgelts an die Arbeitnehmer weiterleiten.4 Die Rationalisierungswirkung betrifft weiter das Vertragsdurchführungsstadi- 9 um.5 Insoweit geht es zum einen um das grundsätzlich berechtigte Interesse des Arbeitgebers daran, die Abwicklung von Arbeitsverträgen zu vereinheitlichen 1 BT-Drucks. 7/3919, S. 1, 9; Basedow in MünchKommBGB, Vor § 305 Rz. 2; Kötz, Gutachten zum 50. DJT, Bd. I (1974) S. A 23 ff.; Pfeiffer in WLP, Einl. Rz. 1; Schlosser in Staudinger, Vorbem zu §§ 305 ff. Rz. 4; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 67; Ulmer/Habersack in UBH, Einl. Rz. 4; umfassend jüngst Wendland, Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit, 2019, S. 292 ff.; ferner bereits Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (1935), S. 19 ff.; siehe auch Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 455 f. 2 Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, I A Rz. 109. 3 Vgl. Ulmer/Habersack in UBH, Einl. Rz. 4. 4 Zum Argument, dass die Verwendung von AGB zu niedrigeren Preisen für die Kunden führt, siehe Becker, JZ 2010, 1098 (1103 Fn. 95); Stoffels, AGB-Recht, Rz. 70; insoweit krit. bereits E. Schmidt, JuS 1987, 929 (931). 5 Vgl. Ulmer/Habersack in UBH, Einl. Rz. 4.
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Einf. | Einführung und dadurch zu vereinfachen.1 Zum anderen können vorformulierte Arbeitsbedingungen, welche die Rechte und Pflichten beider Seiten präzise festlegen, dazu beitragen, bei der Vertragsdurchführung spätere ihrerseits wieder kostenträchtige Meinungsverschiedenheiten über den genauen Inhalt der Rechtsbeziehungen zu vermeiden.2 Gleichförmige Konditionen bewirken, dass in den Personalabteilungen Erfahrungswissen generiert wird, auf das in den zahlreichen Zweifelsfragen des arbeitsrechtlichen Alltags zurückgegriffen werden kann, um Konflikte in einer die Ressourcen schonenden Weise zu lösen. Kurz gesagt müssen Streitfragen, die bei jeder Auslegung und Anwendung von Vertragstexten letztlich unvermeidbar sind, nur einmal geklärt und nicht aufgrund abweichender Formulierungen jedes Mal neu durchdacht und entschieden werden.3 Zudem können Probleme bei der Abwicklung eines Arbeitsverhältnisses zum Anlass genommen werden, die Arbeitsbedingungen zumindest für alle künftig abzuschließenden Arbeitsverträge einheitlich abzuändern und hierdurch in der Zukunft Schwierigkeiten bei der Vertragsdurchführung von vornherein zu verhindern. 10 Die genaue Fixierung des Vertragsinhalts leitet zur zweiten Funktion über, die
darin besteht, es nicht beim vorhandenen Gesetzesrecht bewenden zu lassen, sondern den Arbeitsverhältnissen einen den praktischen Bedürfnissen entsprechenden vertraglichen Rahmen zu verschaffen.4 Da die arbeitsrechtlichen Gesetze anders als die meisten Normen des allgemeinen Zivilrechts außerhalb des Verbraucherschutzrechts regelmäßig zwingenden Charakter haben, geht es insoweit allerdings weniger darum, dass dispositive Einzelregelungen abgeändert werden sollen. Vielmehr steht im Arbeitsverhältnis die Substitution von fehlendem Recht, also die Lückenausfüllungsfunktion,5 im Vordergrund. Ursache hierfür ist in erster Linie, dass es nach wie vor an einem Arbeitsvertragsgesetz fehlt. Daher sind zahlreiche Fragen nicht gesetzlich geklärt, die von der Praxis häufig als regelungsbedürftig angesehen werden. Hierzu gehören etwa die Befugnis des Arbeitgebers, Überstunden anzuordnen oder den Arbeitnehmer freizustellen, wie auch die schnelle Herbeiführung klarer Verhältnisse durch Ausschlussfristen. Hinzu kommt, dass Manteltarifverträge, die zumindest teilweise in diese Bresche springen, infolge der zurückgehenden Tarifbindung immer weniger Arbeitsverhältnisse regulieren.6 Beide Faktoren haben zur Folge, dass ein 1 Zum allgemeinen AGB-Recht ebenso BGH v. 10.1.1996 – XII ZR 271/94, NJW 1996, 988 (989). 2 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 68; plastisch schon Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935, S. 20: „Inbegriff ersparter Prozesse“. 3 Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, I A Rz. 108. 4 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 71. 5 So die Begriffsbildung von Locher, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 3. Aufl. 1997, S. 7; ihm folgend Stoffels, AGB-Recht, Rz. 71; ferner jüngst Wendland, Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit, 2019, S. 295 ff. 6 Vgl. Ellguth/Kohaut, WSI Mitteilungen 2018, 299 ff.
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erhebliches Bedürfnis nach einer vorformulierten Gestaltung von Nebenbedingungen auf der arbeitsvertraglichen Ebene besteht. Zu nennen ist weiter die aus dem allgemeinen AGB-Recht ebenfalls bekannte1 11 Risikoverlagerungsfunktion. Soweit das Arbeitsvertragsrecht keine zwingenden Vorgaben enthält, sondern Regelungsspielräume eröffnet, können AGB dazu dienen, bestimmte Risiken, die das dispositive Recht an sich dem Arbeitgeber zuweist, etwa die Entgeltzahlungspflicht bei einer vorübergehenden Verhinderung an der Arbeitsleistung infolge persönlicher Gründe gemäß § 616 BGB, auf den Arbeitnehmer zu verlagern. Die Ausnutzung solcher Spielräume ist nicht schon im Ansatz illegitim, weil der Gesetzgeber mit der Dispositivität einer Norm gerade zu verstehen gegeben hat, dass er insoweit keine zwingende Regelung für erforderlich hält, sondern eine Abweichung von den gesetzlichen Vorgaben als grundsätzlich zulässig ansieht. Zu einem AGB-rechtlichen Problem wird eine solche Risikoverlagerung aber dann, wenn es sich dabei nicht um eine im Einzelnen ausgehandelte Vertragsbedingung, sondern um eine vom Arbeitgeber vorformulierte und vom Arbeitnehmer pauschal akzeptierte Bedingung handelt (näher dazu Rz. 25 ff.). Auch in diesem Fall ist freilich nicht jede Risikoverlagerung auf den Arbeitnehmer per se anstößig, sondern kann durch hinreichend gewichtige Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sein, mag es auch zu kurz greifen, eine Risikoabwälzung als notwendige Begleiterscheinung jeder Rationalisierung anzusehen.2 Eine arbeitsrechtsspezifische Funktion, die im allgemeinen AGB-Recht keine 12 Parallele findet, liegt darin, dass betriebsorganisatorische Notwendigkeiten vielfach eine einheitliche Ausgestaltung der Arbeitsverträge gebieten oder zumindest nahelegen. Dies betrifft diejenigen Arbeitsbedingungen, die sich unmittelbar auf die Einbringung der Arbeitsleistung in den betrieblichen Prozess beziehen, weil es insoweit regelmäßig einer Koordination der Einzelleistungen bedarf, um eine Gesamtleistung hervorzubringen. So können Kurzarbeits- oder Überstundenregelungen (Umfang, Ankündigungsfrist etc.) sinnvollerweise nur einheitlich ausgestaltet werden, damit das mit der betriebsorganisatorischen Maßnahme verfolgte Ziel erreicht werden kann. Darüber hinaus tragen vorformulierte Arbeitsverträge zu einer Gleichbehandlung der Arbeitnehmer bei.3 In zahlreichen Fällen wird dies zugleich durch den Gleichbehandlungsgrundsatz 1 BT-Drucks. 7/3919, S. 9; Basedow in MünchKommBGB, Vor § 305 Rz. 3; Kötz, Gutachten zum 50. DJT, Bd. I (1974) S. A 26 f.; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 73; Ulmer/Habersack in UBH, Einl. Rz. 5; ausführlich jüngst Wendland, Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit, 2019, S. 297 ff.; ähnl. bereits Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935, S. 22: AGB als „Werkzeuge wirtschaftlicher Machterhaltung und -verstärkung“. 2 So generell bereits Kötz, Gutachten zum 50. DJT, Bd. I (1974) S. A 26; E. Schmidt, JuS 1987, 929 (931). 3 Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, I A Rz. 107; siehe dazu auch Junker in FS Buchner (2009), S. 369 (372).
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Einf. | Einführung rechtlich geboten sein, weil sich der Vorrang der Vertragsfreiheit vor dem Gleichbehandlungsgrundsatz nur auf individuell vereinbarte Abreden, nicht aber auf die pauschale Unterwerfung der Arbeitnehmer unter vorformulierte Vertragsbedingungen bezieht.1 Daneben ist eine Gleichbehandlung der Mitarbeiter aber auch personalpolitisch (betriebspsychologisch) vielfach unabweisbar, was insbesondere für die Gleichbehandlung von tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern gilt. 13 Soweit im AGB-rechtlichen Schrifttum schließlich zuweilen die Verheimli-
chungsfunktion angesprochen wird,2 handelt es sich von vornherein um keinen legitimen Zweck. Keine Rechtsordnung kann die Hand zu einer Vertragsgestaltung reichen, die geradezu das Ziel verfolgt, die andere Vertragspartei „hinters Licht“ zu führen. Das Problem besteht insoweit freilich nicht in diesem unbestreitbaren Grundsatz, sondern darin, wie weit die Rechtsordnung den Schutz vor Klauseln im Hinblick auf ihren überraschenden Charakter vorantreiben sollte.
II. Entwicklung der Inhaltskontrolle im Arbeitsvertragsrecht 1. Die Zeit bis zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz 14 Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung nimmt schon seit Jahrzehnten die Be-
fugnis für sich in Anspruch, arbeitsvertragliche Vereinbarungen einer Inhaltskontrolle zu unterziehen, die über eine reine Rechts- und Sittenwidrigkeitskontrolle hinausgeht und sich auf die Angemessenheit (Billigkeit) der vertraglichen Regelungen erstreckt.3 Als Geltungsgrund der Inhaltskontrolle wurde regelmäßig die Störung der Vertragsparität herausgestellt, die bei einer einseitigen Festsetzung der Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber anzunehmen sei, wobei das BAG allerdings vielfach keine klare Unterscheidung zwischen der (situativen) Unterlegenheit des Arbeitnehmers kraft Vorformulierung der Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber und der (strukturellen) Unterlegenheit des Arbeitnehmers kraft geringerer Verhandlungsmacht als Folge unter1 Vgl. Preis in ErfK, § 611a BGB Rz. 575; Thüsing in HWK, § 611a BGB Rz. 337; einschränkend aber Richardi/Fischinger in Staudinger, § 611 Rz. 1025. 2 Kliege, Rechtsprobleme der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in wirtschaftswissenschaftlicher Analyse, 1966, S. 19 ff.; Schlosser in Staudinger, § 305c Rz. 2. 3 Umfassender Überblick über die Entwicklung bei Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992, S. 159 ff.; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, S. 147 ff.; aus dem älterem Schrifttum krit. Westhoff, Die Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen. Rechtsanwendung, Rechtsfortbildung oder Rechtspolitik?, 1975, passim; ferner König, Die Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen in Deutschland, England und Frankreich, 2010, S. 41 ff.; siehe dazu auch Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 545 ff.
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schiedlicher Angewiesenheit auf den Abschluss des Arbeitsvertrags1 traf.2 Zuweilen wurde aber auch damals schon die arbeitsvertragliche Einheitsregelung als Aufgreifkriterium betont.3 Wenn in der älteren Judikatur überhaupt eine Rechtsgrundlage für die Inhaltskontrolle genannt4 bzw. nicht einfach nur auf Richterrecht verwiesen5 wurde, tauchte § 315 BGB,6 daneben aber auch § 138 BGB7 bzw. § 242 BGB8 auf. Ferner wurde zuweilen das aus dem Sozialstaatsprinzip abzuleitende Arbeitnehmerschutzprinzip genannt.9 Im Übrigen gehören auch der extensive Einsatz des Instruments der objektiven Gesetzesumgehung,10 die Einordnung von Grundrechten als Verbotsgesetze (§ 134 BGB)11 sowie die Heranziehung der Fürsorgepflicht12 als Grenzen der Vertragsfreiheit im Arbeitsrecht letztlich in diesen Zusammenhang. Bemerkenswert ist schließlich die gleitende Steigerung der richterlichen Intervention beim Umgang mit dem Wortlaut nach „jederzeit widerruflichen“ Leistungszulagen, bei dem das BAG seine Kontrolle in einem ersten Schritt als Auslegung deklariert hat13 in einem zweiten Schritt eine Mischung aus Auslegung und Inhaltskontrolle vornahm,14 um 1 Für eine solche Schlussfolgerung bedarf es keiner Stellungnahme zur umstrittenen Theorie von der inversen Reaktion des Arbeitsmarkts; siehe dazu nur Reuter in FS 50 Jahre BAG (2004), S. 177 (179 f.); Rödl in Bieder/Hartmann (Hrsg.), Individuelle Freiheit und kollektive Interessenwahrnehmung im deutschen und europäischen Arbeitsrecht, 2012, S. 81 (94 ff.). 2 Vgl. BAG v. 31.10.1969 – 3 AZR 119/69, AP BGB § 242 Ruhegehalt-Unterstützungskassen Nr. 1; BAG v. 19.6.1970 – 3 AZR 402/69, AP BGB § 242 Ruhegehalt Nr. 144; BAG v. 4.7.1972 – 3 AZR 477/71, AP HGB § 65 Nr. 6. 3 BAG v. 21.12.1970 – 3 AZR 510/69, AP BGB § 305 Billigkeitskontrolle Nr. 1; BAG v. 22.12.1970 – 3 AZR 52/70, AP BGB § 305 Billigkeitskontrolle Nr. 2. 4 So etwa nicht in BAG v. 19.6.1970 – 3 AZR 402/69, AP BGB § 242 Ruhegehalt Nr. 144; BAG v. 10.5.1971 – 3 AZR 322/70, AP BGB § 242 Ruhegehalt Nr. 152; BAG v. 4.7.1972 – 3 AZR 477/71, AP HGB § 65 Nr. 6. 5 So BAG v. 21.12.1970 – 3 AZR 510/69, AP BGB § 305 Billigkeitskontrolle Nr. 1; BAG v. 22.12.1970 – 3 AZR 52/70, AP BGB § 305 Billigkeitskontrolle Nr. 2. 6 BAG v. 31.10.1969 – 3 AZR 119/69, AP BGB § 242 Ruhegehalt-Unterstützungskassen Nr. 1 (unter gleichzeitiger Nennung von § 242 BGB). 7 BAG v. 22.11.1973 – 2 AZR 580/72, AP BGB § 626 Nr. 67. 8 BAG v. 31.10.1969 – 3 AZR 119/69, AP BGB § 242 Ruhegehalt-Unterstützungskassen Nr. 1 (unter gleichzeitiger Nennung von § 315 BGB). 9 So BAG v. 26.10.1973 – 3 AZR 377/72, AP BGB § 242 Ruhegehalt Nr. 161; BAG v. 18.12.1975 – 3 AZR 58/75, AP BGB § 242 Ruhegehalt Nr. 170. 10 Z.B. BAG v. 12.10.1960 – GS 1/59, AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 16; BAG v. 11.3.1971 – 5 AZR 349/70, AP BGB § 622 Nr. 9; BAG v. 9.3.1972 – 5 AZR 246/71, AP BGB § 622 Nr. 12; im Ansatz auch BAG v. 16.10.1965 – 5 AZR 55/65, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 20. 11 Z.B. BAG v. 29.6.1962 – 1 AZR 343/61, AP GG Art. 12 Nr. 25. 12 Z.B. BAG v. 5.3.1959 – 2 AZR 268/56, AP BGB § 611 Fürsorgepflicht Nr. 26; BAG v. 10.5.1962 – 5 AZR 452/61, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 22. 13 BAG v. 9.6.1967 – 3 AZR 352/66, AP BGB § 611 Lohnzuschläge Nr. 5. 14 BAG v. 7.1.1971 – 5 AZR 92/70, AP BGB § 315 Nr. 12.
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Einf. | Einführung schließlich in einem dritten Schritt offen davon zu sprechen, dass der Arbeitgeber die eingeräumte Gestaltungsmacht „in einem gewissen rechtlichen Rahmen“ ausüben „muss“,1 wobei für den zweiten und dritten Schritt jeweils auf die Vorgängerentscheidung Bezug genommen wurde. Insgesamt drängt sich damit das Bild einer ursprünglich fast wahllosen Heranziehung heterogener rechtlicher Aspekte auf, um zu einer Angemessenheitskontrolle arbeitsvertraglicher Vereinbarungen zu gelangen. 15 Die Kodifizierung des AGB-Rechts durch das AGBG von 1976, die eine jahr-
zehntelange Rechtsentwicklung hin zu einer immer stärkeren Kontrolle von AGB durch die zivilgerichtliche Rechtsprechung2 in der Sache bestätigte und auf eine neue Rechtsgrundlage stellte, hatte das Arbeitsrecht bewusst ausgespart.3 Die Bereichsausnahme wurde seinerzeit damit begründet, dass ein Schutz des schwächeren Vertragspartners vor unangemessenen Vertragsbedingungen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts schon durch ein dichtes Netz von zwingenden Vorschriften und durch das besondere System der kollektivrechtlichen Vereinbarungen verwirklicht werde, so dass ein zusätzlicher Schutz durch das AGBRecht nicht erforderlich sei. Falls eine weitere Verbesserung des Schutzes der Arbeitnehmer vor unangemessenen Bedingungen erforderlich erscheine, solle dies durch besondere gesetzgeberische Maßnahmen erfolgen.4 Der damalige Gesetzgeber brachte damit dreierlei zum Ausdruck: Erstens sah er den Grund für Schutzvorschriften zu Gunsten des Arbeitnehmers im allgemeinen Aspekt der persönlichen Unterlegenheit. Zweitens hielt er diesen Schutz durch die bereits vorhandenen Instrumente auf der gesetzlichen und auf der kollektivvertraglichen Ebene für hinreichend gewährleistet. Drittens sollten etwaige Schutzlücken durch spezielle zwingende Bestimmungen geschlossen werden. Die vom BAG bereits einige Jahre zuvor letztlich kraft Richterrechts entwickelte Inhaltskontrolle arbeitsvertraglicher Abreden blieb dagegen unerwähnt.
16 Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung hat sich über die hinter der Bereichsaus-
nahme stehende Vorstellung des Gesetzgebers einer exklusiven Zweigleisigkeit des Arbeitnehmerschutzes vor unangemessenen Arbeitsbedingungen durch zwingendes Gesetzesrecht auf der einen Seite und Kollektivverträgen auf der anderen Seite von Anfang an souverän hinweggesetzt5 und sich eine auf all-
1 BAG v. 30.8.1972 – 5 AZR 140/72, AP BGB § 611 Lohnzuschläge Nr. 6. 2 Siehe dazu nur Stoffels, AGB-Recht, Rz. 20 ff.; Ulmer/Habersack in UBH, Einl. Rz. 10 ff. 3 § 23 Abs. 1 AGBG (im RegE noch § 11 Abs. 1 AGBG). 4 BT-Drucks. 7/3919, S. 41. 5 Nicht näher begründete Behauptung der Notwendigkeit einer Interessenabwägung etwa in BAG v. 13.8.1980 – 5 AZR 296/78, AP BUrlG § 1 Unbezahlter Urlaub Nr. 1 unter Berufung auf BAG v. 30.6.1976 – 5 AZR 246/75, AP BUrlG § 7 Betriebsferien Nr. 3 (zu einem Fall vor Inkrafttreten des AGBG); ferner BAG v. 23.5.1984 – 4 AZR 129/82, AP BGB § 339 Nr. 9 = NZA 1984, 255.
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gemeine Erwägungen gestützte Inhaltskontrolle von arbeitsvertraglichen Regelungen nicht aus der Hand nehmen lassen.1 Spätestens seit der Bürgschaftsentscheidung des BVerfG mit ihrer Entwicklung einer verfassungsrechtlich geforderten Kontrolle rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen zur Verhinderung von materieller Fremdbestimmung im Gewande eines auf formale Selbstbestimmung angelegten Vertrages (dazu näher Rz. 51 ff.)2 hätten sich die Überlegungen des Gesetzgebers, sofern ihnen überhaupt eine geschlossene Konzeption zu Grunde lag, ohnehin nicht mehr halten lassen. Für die innere Legitimation der Inhaltskontrolle führte das BAG in Fortführung seiner älteren Judikatur wiederum zumeist den Aspekt der gestörten Vertragsparität ins Feld, die in den neueren Entscheidungen unter Anlehnung an die Judikatur des BVerfG vielfach ausdrücklich auf die strukturelle Unterlegenheit des Arbeitnehmers bzw. die damit korrespondierende stärkere Verhandlungsmacht des Arbeitgebers gestützt wurde.3 Vereinzelt war zudem von der Unerfahrenheit des Arbeitnehmers und damit der Sache nach von der intellektuellen Unterlegenheit die Rede.4 Darüber hinaus wurde die Angemessenheitskontrolle zuweilen aber auch explizit mit dem Vorhandensein einer arbeitsvertraglichen Einheitsregelung5 bzw. mit der Vorformulierung des Vertragsinhalts durch den Arbeitgeber gerechtfertigt.6 Die normativen Anknüpfungspunkte für die konkrete Verankerung der Kontrolle blieben im Vergleich zur Zeit vor Inkrafttreten des AGBG weitgehend unverändert: Zu nennen sind die objektive Umgehung zwingender arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften wie insbesondere das KSchG,7 der allgemeine Rekurs 1 So ausdrücklich etwa BAG v. 24.11.1993 – 5 AZR 153/93, AP BGB § 611 Mehrarbeitsvergütung Nr. 11 = NZA 1994, 759: „Bereichsausnahme … lässt die arbeitsrechtliche Inhaltskontrolle unberührt“. 2 BVerfG v. 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89, BVerfGE 89, 214 (231 ff.). 3 BAG v. 24.11.1993 – 5 AZR 153/93, AP BGB § 611 Mehrarbeitsvergütung Nr. 11 = NZA 1994, 759; BAG v. 16.3.1994 – 5 AZR 339/92, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 18 = NZA 1994, 937; BAG v. 21.11.2001 – 5 AZR 158/00, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 31 = NZA 2002, 551; BAG v. 9.9.2003 – 9 AZR 574/02, AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 15 = NZA 2004, 484. 4 BAG v. 13.12.2000 – 10 AZR 168/00, AP BGB § 241 Nr. 2 = NZA 2001, 723. 5 So BAG v. 5.2.1986 – 5 AZR 564/84, AP BGB § 339 Nr. 12 = NZA 1986, 782. 6 So BAG v. 24.11.1993 – 5 AZR 153/93, AP BGB § 611 Mehrarbeitsvergütung Nr. 11 = NZA 1994, 759 (bei gleichzeitiger Rückführung auf die stärkere Verhandlungsmacht des Arbeitgebers). 7 BAG v. 7.10.1982 – 2 AZR 455/80, AP BGB § 620 Teilkündigung Nr. 5; BAG v. 12.12. 1984 – 7 AZR 509/83, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 6 = NZA 1985, 321; BAG v. 13.6.1986 – 7 AZR 650/84, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 19 = NZA 1987, 241; BAG v. 13.5.1987 – 5 AZR 125/86, AP BGB § 305 Billigkeitskontrolle Nr. 4 = NZA 1988, 95; BAG v. 21.4.1993 – 7 AZR 297/92, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 34 = NZA 1994, 476; BAG v. 15.11.1995 – 2 AZR 521/95, AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 20 = NZA 1996, 603; BAG v. 28.5.1997 – 5 AZR 125/96, AP BGB § 611 Arzt-Krankenhaus-Vertrag Nr. 36 = NZA 1997, 1160.
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Einf. | Einführung auf § 138 BGB1 oder auf § 315 BGB,2 die zunehmende Heranziehung von § 242 BGB3 sowie verschiedene Kombinationen von Generalklauseln.4 17 Soweit es um die Bereichsausnahme ging, hat die Rechtsprechung sie zumin-
dest im Ausgangspunkt als solche akzeptiert und davon abgesehen, den gesetzgeberischen Willen durch eine breitflächige Analogie zum AGBG zu überspielen.5 Zwar wurden verschiedene generelle Regeln des AGB-Rechts als Ausdruck allgemeiner Rechtsgedanken in die arbeitsgerichtliche Judikatur übernommen. Dies betraf die Ausklammerung überraschender Klauseln aus dem Vertrag6 sowie den Grundsatz, Unklarheiten zulasten des Verwenders ausschlagen zu lassen.7 Vereinzelt griff das BAG sogar auf spezielle Klauselverbote zurück, um die Unwirksamkeit entsprechender arbeitsvertraglicher Abreden zu begründen.8 1 BAG v. 7.11.1984 – 5 AZR 278/83 – n.v.; BAG v. 10.10.1990 – 5 AZR 404/89, AP BGB § 138 Nr. 47 = NZA 1991, 264; so auch der Ansatz in BAG v. 25.7.1984 – 5 AZR 219/82, juris; BAG v. 24.3.1988 – 2 AZR 630/87, AP BGB § 241 Nr. 1 = NZA 1989, 101; BAG v. 27.2.2002 – 9 AZR 543/00, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 162 (insoweit Sittenwidrigkeit allerdings jeweils verneint). 2 BAG v. 19.11.1992 – 10 AZR 264/91, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 147 = NZA 1993, 353. 3 BAG v. 16.3.1994 – 5 AZR 339/92, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 18 = NZA 1994, 937; BAG v. 6.9.1995 – 5 AZR 241/94, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 23 = NZA 1996, 314; BAG v. 29.11.1995 – 5 AZR 447/94, AP AGBG § 3 Nr. 1 = NZA 1996, 702; BAG v. 6.5.1998 – 5 AZR 535/97, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 28 = NZA 1999, 79 (unter zusätzlicher Nennung von § 138 BGB); BAG v. 13.12.2000 – 10 AZR 168/ 00, AP BGB § 241 Nr. 2 = NZA 2001, 723; BAG v. 21.7.2005 – 6 AZR 452/04, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 37 = NZA 2006, 542; grds. auch BAG v. 29.11.1995 – 5 AZR 447/94, AP AGBG § 3 Nr. 1 = NZA 1996, 702. 4 Vgl. BAG v. 27.4.2000 – 8 AZR 301/99, juris: §§ 138 und 242 BGB; BAG v. 21.11.2001 – 5 AZR 158/00, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 31 = NZA 2002, 551: §§ 138, 242 und 315 BGB; ebenso (bei gleichzeitiger Hervorhebung von Treu und Glauben) BAG v. 9.9.2003 – 9 AZR 574/02, AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 15 = NZA 2004, 484; für einen Altfall ferner BAG v. 16.5.2007 – 8 AZR 709/06, AP BGB § 611 Mobbing Nr. 5 = NZA 2007, 1154 (Rz. 39): §§ 138, 134 und 242 BGB. 5 Vgl. BAG v. 23.5.1984 – 4 AZR 129/82, AP BGB § 339 Nr. 9 = NZA 1984, 255; BAG v. 5.2.1986 – 5 AZR 564/84, AP BGB § 339 Nr. 12 = NZA 1986, 782; BAG v. 27.5.1992 – 5 AZR 324/91 – EzA BGB § 339 Nr. 8; BAG v. 24.11.1993 – 5 AZR 153/93, AP BGB § 611 Mehrarbeitsvergütung Nr. 11 = NZA 1994, 759; offengelassen aber in BAG v. 17.6.1997 – 9 AZR 801/95, AP HGB § 74b Nr. 2 = NZA 1998, 258; für eine Anwendung von § 9 Abs. 1 AGBG in einem obiter dictum sogar BAG v. 2.3.2004 – 1 AZR 271/03, AP TVG § 3 Nr. 31 = NZA 1994, 852. 6 BAG v. 29.11.1995 – 5 AZR 447/94, AP AGB-Gesetz § 3 Nr. 1 = NZA 1996, 702; BAG v. 27.4.2000 – 8 AZR 301/99; BAG v. 13.12.2000 – 10 AZR 168/00, AP BGB § 241 Nr. 2 = NZA 2001, 723; BAG v. 23.9.2003 – 3 AZR 551/02, AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 93. 7 BAG v. 12.2.1985 – 3 AZR 183/83, AP BetrAVG § 1 Nr. 12 = NZA 1986, 64; BAG v. 16.10.1991 – 5 AZR 35/91, AP BErzGG § 19 Nr. 1 = NZA 1992, 793. 8 BAG v. 16.3.1994 – 5 AZR 339/92, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 18 = NZA 1994, 937 (§ 11 Nr. 15 lit. b AGBG = § 309 Nr. 12 lit. b BGB).
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Noch unmittelbar vor der Schuldrechtsreform hieß es aber unmissverständlich, dass es die eindeutige gesetzliche Regelung verbiete, die Frage der Wirksamkeit einer Vertragsklausel in formularmäßigen Arbeitsverträgen mittels einer entsprechenden Anwendung des AGBG zu überprüfen.1 Damit war jedenfalls der offene Zugriff auf die AGB-rechtliche Angemessenheitskontrolle als Kern des Schutzinstrumentariums gegen vorformulierte Klauseln verbaut.
2. Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz Die zuletzt erwähnte Entscheidung des BAG, in der eine vergleichsweise kurze 18 zweistufige Ausschlussklausel gebilligt wurde, ist deshalb bemerkenswert, weil sie wesentlich zur partiellen Streichung der Bereichsausnahme und damit zur bedeutendsten Entwicklung auf dem Gebiet des Arbeitsvertragsrechts der letzten Jahrzehnte beitrug. Dabei hatten zunächst weder der Diskussionsentwurf (August 2000) noch der Regierungsentwurf (Mai 2001) für ein Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts das Arbeitsrecht thematisiert. Vielmehr sollte die Bereichsausnahme bei der geplanten Integration des AGBG in das BGB ursprünglich unverändert bleiben.2 Hiergegen wandte sich der Bundesrat und bat um Prüfung, ob die Herausnahme des Arbeitsrechts aus dem Anwendungsbereich der AGB-rechtlichen Vorschriften sachlich noch gerechtfertigt sei, weil das BAG bei der Inhaltskontrolle von Arbeitsvertragsbedingungen wie der BGH vor Schaffung des AGBG vorgehe und deshalb auf der Grundlage der §§ 242 und 315 BGB so vorgehe, als ob es § 9 AGBG (= § 307 BGB) auf Arbeitsverträge anwende.3 Die Bundesregierung griff diese Anregung auf und schlug eine Neufassung der Bereichsausnahme vor, aufgrund derer lediglich Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen, nicht aber mehr Arbeitsverträge aus dem AGB-Recht von vornherein ausgeklammert werden sollten (§ 310 Abs. 4 Satz 1 BGB).4 Die für diesen Kurswechsel gegebene Begründung beruht im Wesentlichen auf drei Überlegungen: Erstens sei im Gegensatz zur Einschätzung von 1975 nunmehr davon auszugehen, dass zwingende Gesetzesvorschriften und Kollektivverträge nicht ausreichten, um einen angemessenen Schutz gegenüber einseitig vom Arbeitgeber festgesetzten Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Offenbar zur Bekräftigung dieses Schutzbedürfnisses verweist die Bundesregierung auf das existenzielle Angewiesensein des Arbeitnehmers auf einen Arbeitsplatz. Zweitens wird die nicht zu bestreitende Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung im Hinblick auf die Strenge der von ihr durchgeführten Angemessenheitskontrolle von Arbeitsvertragsbedingungen angeführt, wobei neben einer Entscheidung des BAG von 19955 1 2 3 4 5
BAG v. 13.12.2000 – 10 AZR 168/00, AP BGB § 241 Nr. 2 = NZA 2001, 723. BT-Drucks. 14/6040, S. 12, 160. BT-Drucks. 14/6857, S. 17. BT-Drucks. 14/6857, S. 53 f. BAG v. 29.11.1995 – 5 AZR 447/94, AP AGB-Gesetz § 3 Nr. 1 = NZA 1996, 702.
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Einf. | Einführung namentlich das genannte Urteil aus dem Jahr 20001 genannt wird. Durch die (partielle) Streichung der Bereichsausnahme solle die durch diese Judikatur entstehende Rechtsunsicherheit beseitigt werden. Drittens schließlich sei dafür zu sorgen, dass das Schutzniveau der Vertragsinhaltskontrolle im Arbeitsrecht nicht hinter demjenigen des Zivilrechts zurückbleibe. 19 Der Rechtsausschuss übernahm sowohl die grundsätzliche Konzeption als auch die
Begründung der Bundesregierung.2 Zu einer Änderung kam es nur bei der Formulierung der Besonderheitenklausel (§ 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 BGB). Während die Bundesregierung noch davon gesprochen hatte, dass die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten „bei Arbeitsverträgen“ angemessen zu berücksichtigen seien, stellte der Rechtsausschuss klar, dass der Bezugspunkt insoweit nicht die Ausgestaltung der Arbeitsverträge, sondern die Anwendung der AGB-rechtlichen Vorschriften auf Arbeitsverträge sei. Mit dieser Modifikation (sowie einer weiteren Änderung im Unterlassungsklagengesetz) trat das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz am 1.1.2002 in Kraft (zum zeitlichen Anwendungsbereich der Neuregelung Rz. 115 ff.).
3. Die Zeit seit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz 20 Das BAG hat die durch die Neuregelung geschaffene Möglichkeit zur Anwen-
dung des AGB-rechtlichen Kontrollregimes auf vorformulierte Arbeitsverträge sofort beherzt aufgegriffen und in den letzten 17 Jahren zahlreiche Grundsatzentscheidungen zu dieser Thematik gefällt. Dabei besteht eine in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzende Besonderheit der Klauselkontrolle von vornherein darin, das für AGB-rechtliche Fragen im Gegensatz zu zahlreichen anderen Bereichen des Arbeitsrechts nicht nur ein Senat zuständig ist, sondern einschlägige Probleme in verschiedenartigen Zusammenhängen zumindest als Vorfrage auftreten können. Dementsprechend haben sich zum AGB-Recht alle Senate des BAG schon einmal geäußert, was zuweilen zu Friktionen führt.3
21 Blickt man zunächst auf die Bedeutung der Rechtsprechung des BGH für die
Ausformung der arbeitsrechtlichen Klauselkontrolle, zeigt sich folgendes Bild: In der ersten Zeit nach Inkrafttreten der Neuregelung orientierte sich das BAG vor allem bei der Klärung von grundsätzlichen Fragen der AGB-Kontrolle vielfach an der Judikatur des BGH. Am deutlichsten kam diese Vorgehensweise beim Verbot der geltungserhaltenden Reduktion zum Ausdruck, das vom BAG ausdrücklich in Anlehnung an die ständige Rechtsprechung des BGH4 über1 BAG v. 13.12.2000 – 10 AZR 168/00, AP BGB § 241 Nr. 2 = NZA 2001, 723. 2 BT-Drucks. 14/7052, S. 24, 189. 3 So etwa bei der Beurteilung von Freiwilligkeitsvorbehalten; näher dazu Krause in FS Bauer (2010), S. 577 (579 ff.). 4 BGH v. 17.5.1982 – VII ZR 316/81, BGHZ 84, 109 = NJW 1982, 2309; BGH v. 23.1.2003 – VII ZR 210/01, BGHZ 153, 311 = NJW 2003, 1805.
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nommen wurde,1 während das BAG in früheren Entscheidungen bei zu weit gefassten vorformulierten Klauseln insbesondere im Zusammenhang mit der Rückzahlung von Ausbildungskosten eine geltungserhaltende Reduktion vorgenommen hatte.2 Weitere Beispiele sind die „Zumutbarkeit“ i.S.v. § 308 Nr. 4 BGB,3 die fehlende Möglichkeit der Einflussnahme im Rahmen von § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB,4 der Begriff des „Aushandelns“ i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB,5 die Maßstäbe der Auslegung von AGB,6 Voraussetzungen für das Vorliegen von AGB,7 allgemeine Grundsätze der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB8 sowie die Bestimmung der Reichweite der Unwirksamkeit von Klauseln9 und die Definition der „Vorformuliertheit“ von Vertragsbedingungen10. Die spätere Rechtsprechung des BAG greift in den Fällen, in denen es über Detailfragen des AGB-Rechts erstmals zu entscheiden hat, ebenfalls vorrangig auf die einschlägigen Erkenntnisse des BGH zurück.11 In zahlreichen anderen Entschei1 BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, AP BGB § 309 Nr. 3 = NZA 2004, 727 (unter B III 2 c); BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, AP BGB § 310 Nr. 1 = NZA 2005, 1111 (unter IV 8 a). 2 Siehe nur BAG v. 6.9.1995 – 5 AZR 241/94, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 23 = NZA 1996, 314 (unter 6). 3 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, AP BGB § 308 Nr. 1 = NZA 2005, 465 (unter B I 4 c) unter Verweis auf BGH v. 19.10.1999 – XI ZR 8/99, NJW 2000, 651. 4 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, AP BGB § 310 Nr. 1 = NZA 2005, 1111 (unter VII 2) unter Verweis auf BGH v. 3.4.1998 – V ZR 6/97, NJW 1998, 2600 (2601). 5 BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, AP BGB § 307 Nr. 6 = NZA 2006, 40 (unter B II 1 b bb (2)) unter Verweis u.a. auf BGH v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 104 = NJW 2000, 1110. 6 BAG v. 9.11.2005 – 5 AZR 128/05, AP BGB § 305c Nr. 4 = NZA 2006, 202 Rz. 15 unter Verweis auf BGH v. 21.9.2005 – VIII ZR 284/04, NJW 2005, 3567. 7 BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, AP BGB § 308 Nr. 3 = NZA 2006, 746 Rz. 20 unter Verweis u.a. auf BGH v. 24.11.2005 – VII ZR 87/04, NZBau 2006, 390 (unter II 2 a aa) u. BGH v. 11.12.2003 – VII ZR 31/03, NJW 2004, 1454 (unter II 1 a). 8 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, AP BGB § 307 Nr. 17 = NZA 2006, 1149 Rz. 33 unter Verweis u.a. auf BGH v. 5.6.1997 – VII ZR 324/95, BGHZ 136, 27 = NJW 1997, 2598. 9 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, AP BGB § 307 Nr. 16 = NZA 2006, 1042 Rz. 38 unter Verweis auf BGH v. 28.10.1981 – VIII ZR 302/80, BGHZ 82, 121. 10 BAG v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08, AP BGB § 309 Nr. 4 = NZA-RR 2009, 519 Rz. 21 unter Verweis auf BGH v. 3.4.1998 – V ZR 6/97, NJW 1998, 2600. 11 Vgl. BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, AP BGB § 310 Nr. 13 = NZA 2010, 939 Rz. 26 u. BAG v. 12.12.2013 – 8 AZR 829/12, AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 5 = NZA 2014, 905 Rz. 31: Interpretation des Wortes „soweit“ in § 305 Abs. 1 Satz 3 und § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB unter Verweis u.a. auf BGH v. 17.5.1982 – VII ZR 316/81, BGHZ 84, 109 (111 f.) = NJW 1982, 2309; BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, AP BGB § 308 Nr. 9 = NZA 2011, 796 Rz. 14: Zulässigkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung bei Altverträgen unter Verweis u.a. auf BGH v. 10.6.2008 – XI ZR 211/07, NJW 2008, 3422 Rz. 18; BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 251/11, AP BGB § 615 Nr. 128 = NZA 2012, 971 Rz. 37: Anwendung des „blue-pencil-test“ unter Verweis u.a. auf BGH v. 7.10.1981 – VIII ZR 214/ 80, NJW 1982, 178 (181); BAG v. 23.8.2012 – 8 AZR 804/11, AP BGB § 307 Nr. 67 =
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Einf. | Einführung dungen wird zwar primär das infolge der fortschreitenden Herausbildung einer arbeitsgerichtlichen Entscheidungstradition im AGB-Recht immer größer werdende Reservoir an „eigenen“ Präjudizien ausgeschöpft, dabei aber doch auch immer wieder die Rückanbindung an die Rechtsprechung des BGH gesucht,1 NZA 2013, 268 Rz. 44: Einbeziehung von Drittinteressen unter Verweis auf BGH v. 7.10. 1981 – VIII ZR 214/80, NJW 1982, 178 (179 f.); BAG v. 29.8.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148 Rz. 32 u. BAG v. 20.3.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rz. 26: Unanwendbarkeit von § 308 Nr. 4 BGB bei erstmaliger Festlegung einer Leistung unter Verweis auf BGH v. 17.2.2004 – XI ZR 140/03, BGHZ 158, 149 (153) = NJW 2004, 1588; BAG v. 25.6. 2015 – 6 AZR 383/14, AP BAT § 22, 23 Lehrer Nr. 119 = NZA-RR 2015, 649 (Rz. 39): Zulässigkeit ergänzender Vertragsauslegung bei nicht AGB-rechtlich verursachten Lücken unter Verweis auf BGH v. 22.12.2003 – VIII ZR 90/02, NJW-RR 2004, 262; BAG v. 18.11.2015 – 5 AZR 751/13, AP BGB § 138 Nr. 72 = NZA 2016, 487 Rz. 29: Ergänzende Vertragsauslegung auch bei nachträglicher Lückenhaftigkeit unter Verweis auf BGH v. 28.10.2015 – VIII ZR 13/12, NJOZ 2016, 1521 Rz. 69; BAG v. 21.4.2016 – 8 AZR 474/14, AP BGB § 781 Nr. 8 = NZA 2016, 1409 Rz. 42: Anwendungsbereich von § 306 Abs. 1 BGB unter Verweis auf BGH v. 16.1.1992 – IX ZR 113/91, NJW 1992, 896 (897); BAG v. 15.12.2016 – 6 AZR 430/15, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 85 = NZA 2017, 502 Rz. 83: Vorrang vor Individualabrede vor wirksamer Schriftformklausel unter Verweis auf BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 312/02, BGHZ 164, 133 (136) = NJW 2006, 138. 1 Vgl. die Verweise in BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 482/06, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 38 = NZA 2007, 748 Rz. 15 auf BGH v. 3.4.1998 – V ZR 6/97, NJW 1998, 2600; in BAG v. 24.9.2008 – 6 AZR 76/07, AP BGB § 305c Nr. 11 = NZA 2009, 154 Rz. 30 auf BGH v. 23.11.1994 – IV ZR 124/92, BGHZ 128, 54 = NJW 1995, 589; in BAG v. 19.3.2009 – 6 AZR 557/07, AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 1 = NZA 2009, 896 Rz. 22 auf BGH v. 14.6.2006 – IV ZR 54/05, VersR 2006, 1246; in BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, AP BGB § 310 Nr. 13 = NZA 2010, 939 Rz. 23 u.a. auf BGH v. 5.6.1996 – VIII ZR 151/95, BGHZ 133, 71 (77 f.) = NJW 1996, 2156; in BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738 Rz. 39 auf BGH v. 28.10.1981 – VIII ZR 302/80, BGHZ 82, 121 = NJW 1982, 870; in BAG v. 21.8.2012 – 3 AZR 698/10, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 46 = NZA 2012, 1428 Rz. 18 auf BGH v. 5.11.2003 – VIII ZR 10/03, NJW 2004, 1598 (1600); in BAG v. 28.5.2013 – 3 AZR 103/12, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 47 = NZA 2013, 1419 Rz. 20 auf BGH v. 22.11.2001 – VII ZR 208/00, BGHZ 82, 121 = NJW 2002, 894; in BAG v. 25.9.2014 – 2 AZR 788/13, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 81 = NZA 2015, 350 Rz. 20 auf BGH v. 19.2.1998 – III ZR 106/97, BGHZ 138, 100 (111) = NJW 1998, 1786; in BAG v. 12.3.2015 – 6 AZR 82/14, AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 47 = NZA 2015, 676 Rz. 23 auf BGH v. 14.10.1997 – XI ZR 167/96, BGHZ 137, 27 (29) = NJW 1998, 383; in BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 347/14, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 83 = NZA 2016, 351 Rz. 19 auf BGH v. 29.11.2002 – V ZR 105/02, NJW 2003, 888 (891 f.); in BAG v. 27.1.2016 – 5 AZR 277/14, AP BGB § 307 Nr. 71 = NZA 2016, 679 Rz. 29 auf BGH v. 10.10.2013 – III ZR 325/12, NJW 2014, 141 Rz. 14; in BAG v. 24.8.2016 – 5 AZR 129/16, AP ArbZG § 3 Nr. 10 = NZA 2017, 58 Rz. 35 u. 37 auf BGH v. 13.1.1982 – IVa ZR 162/80, ZIP 1982, 326 (330) u. BGH v. 23.1.2013 – VIII ZR 47/12, NJW 2013, 2745 Rz. 22; in BAG v. 24.8.2016 – 5 AZR 703/15, NZA 2016, 1539 Rz. 29 u.a. auf BGH v. 5.10.2005 – VIII ZR 382/04, NJW 2006, 211 Rz. 23; in BAG v. 22.9.2016 – 2 AZR 509/15, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 169 = NZA 2016, 1461 Rz. 15 u. 29 u.a. auf BGH v. 3.12.2014 – VIII ZR 224/13, NJW-RR
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II. Entwicklung der Inhaltskontrolle im Arbeitsvertragsrecht | Einf.
während dies in „umgekehrter Blickrichtung“ freilich kaum vorkommt1. Manche Judikate des BAG weisen sogar eine ausgesprochen dichte Verzahnung mit dem allgemeinen AGB-Recht auf.2 Diese Entwicklung zeigt, dass das BAG das Bedürfnis nach einer rechtsgebietsübergreifenden Harmonisierung der Maßstäbe erkennt. Zwar hat sich durch das sprunghafte Anwachsen der arbeitsgerichtlichen Entscheidungsbestände im Laufe der Zeit die Notwendigkeit verringert, sich permanent an die zivilgerichtliche Judikatur anzulehnen. Dennoch hat das BAG dankenswerter Weise der Versuchung widerstanden, die vom Gesetzgeber geforderte angemessene Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten (§ 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB) als Freibrief für die Entwicklung eines bereits in den Grundzügen eigenständigen dogmatischen Zugriffs auf die AGB-Kontrolle zu verstehen. Stattdessen behält das BAG die Strukturen und Begrifflichkeiten der AGB-Kontrolle im allgemeinen Zivilrecht stets im Blick, was dem Gedanken der Einheit der Rechtsordnung wie auch dem Umstand Rechnung trägt, dass das AGB-Recht zu den wenigen Rechtsgebieten zählt, in denen hinsichtlich der Interpretation desselben Normenkomplexes eine praktisch derart bedeutsame Doppelzuständigkeit von arbeitsgerichtlicher und zivilgerichtlicher Rechtsprechung besteht.3 Grundforderung ist deshalb 2015, 264 Rz. 31 u. BGH v. 2.4.1998 – IX ZR 79/97, NJW 1998, 2280 (2281); in BAG v. 15.11.2016 – 3 AZR 582/15, AP BetrAVG § 1 Beamtenversorgung Nr. 31 = NZA 2017, 1058 Rz. 66 auf BGH v. 14.10.1997 – XI ZR 167/96, NJW 1998, 383, in BAG v. 15.12.2016 – 6 AZR 478/15, AP TV SozSich § 4 Nr. 6 = NZA-RR 2017, 305 Rz. 28 auf BGH BGHZ 164, 297 = NJW 2005, 3559 Rz. 44; in BAG v. 21.2.2017 – 3 AZR 297/15, AP BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 35 = NZA 2017, 723 Rz. 30 auf BGH v. 10.12.2013 – X ZR 24/13, NJW 2014, 1168 Rz. 16; in BAG v. 24.8.2017 – 8 AZR 378/16, AP BGB § 309 Nr. 7 = NZA 2018, 100 Rz. 18 u. 24 u.a. auf BGH v. 14.3.2017 – VI ZR 721/15, NJW 2017, 2119 Rz. 23 u. BGH v. 12.10.2005 – IV ZR 162/03, BGHZ 164, 297 (315 f.) = NJW 2005, 3559; in BAG v. 28.9.2017 – 8 AZR 67/15, AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 6 = NZA 2018, 589 Rz. 36 auf BGH v. 22.9.2015 – II ZR 341/14 – BeckRS 2015, 19758 Rz. 20; in BAG v. 21.12.2017 – 6 AZR 803/16, AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 195 Rz. 14 u. 39 auf BGH v. 27.1.2017 – V ZR 130/15, NJW 2017, 1540 Rz. 17 u. BGH v. 9.5.1996 – III ZR 209/95, NJW-RR 1996, 1009 (1010); in BAG v. 11.4.2018 – 4 AZR 119/17, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 143 = NZA 2018, 1273 Rz. 55 auf BGH v. 3.3.2004 – VIII ZR 151/03, BeckRS 2004, 03563 (unter II 2 a bb) und in BAG v. 19.6.2018 – 9 AZR 615/17, AP BurlG § 7 Nr. 82 = NZA 2018, 1480 Rz. 42 u.a. auf BGH v. 2.4.1998 – IX ZR 79/97, NJW 1998, 2280 (2281). 1 Seltene Ausnahme etwa der Verweis in BGH v. 7.9.2016 – IV ZR 172/15, BGHZ 211, 350 Rz. 52 auf BAG v. 12.3.2008 – 10 AZR 152/07, AP BGB § 305 Nr. 10 = NZA 2008, 699 Rz. 28. 2 Siehe BAG v. 23.3.2017 – 6 AZR 705/15, AP BGB § 622 Nr. 73 = NZA 2017, 773, wo an zahlreichen Stellen (Rz. 14, 16, 31, 34 u. 35) auf nicht weniger als zehn Entscheidungen des BGH Bezug genommen wird; ferner BAG v. 18.9.2018 – 9 AZR 162/18, AP MiLoG § 3 Nr. 2 = NZA 2018, 1619, mit Verweisungen (Rz. 32, 35, 42, 51, 57, 60 und 66) auf sieben einschlägige Judikate des BGH. 3 Die Doppelzuständigkeit hinsichtlich der übrigen Teile des BGB hat bislang kein vergeichbar umfangreiches Entscheidungsmaterial hervorgebracht.
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Einf. | Einführung auch weiterhin, dass bei den eher „technischen“ Fragen des AGB-Rechts ein Gleichklang hergestellt wird, wobei die Arbeitsgerichtsbarkeit aufgrund des rund 25-jährigen Vorsprungs der Zivilgerichtsbarkeit bei der Interpretation dieses Bereiches in erster Linie die Rolle eines Importeurs und nicht eines Exporteurs einnimmt. Diesem Postulat kommt das BAG bis in die jüngste Zeit nach, wenn es sich bei der Ablehnung einer ergänzenden Vertragsauslegung im Falle eines Transparenzverstoßes an der Rechtsprechung des BGH orientiert.1 Umgekehrt kann es noch nicht ganz befriedigen, wenn bei der Kontrolle von Ausschlussfristen nach wie vor Diskrepanzen zwischen der Judikatur des BGH2 und des BAG3 im Hinblick auf die Bedeutung von § 309 Nr. 7 lit. a und b BGB bestehen,4 wobei das BAG hierfür aber nunmehr immerhin eine Begründung liefert und auf die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB verweist5. Gerade vorbildlich ist es, wie das BAG seine offen ausgewiesene Abweichung von der Judikatur des BGH6 begründet, nach der für eine zusätzliche Angemessenheitskontrolle bei Verstößen gegen zwingendes Recht kein Raum ist.7 22 In inhaltlicher Hinsicht hat das BAG in vergleichsweise kurzer Zeit für zahlrei-
che verbreitet verwendete Klauseltypen Rechtssicherheit geschaffen oder doch zumindest die Richtung vorgegeben, in die sich die künftige Entwicklung bewegen wird. Insoweit ragen insbesondere die Entscheidungen zu Vertragsstrafen,8 zu Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalten9 sowie zu Ausschlussfristen10 hervor. In anderen Bereichen ist die Entwicklung deutlich behutsamer verlaufen. Namentlich hervorzuheben ist insoweit vor allem die Judikatur zur Rückzahlung von Ausbildungskosten, bei der das BAG im Hinblick auf die materiellen Kriterien der Angemessenheitskontrolle weitgehend organisch an seine weit zurück1 BAG v. 24.8.2017 – 8 AZR 378/16, AP BGB § 309 Nr. 7 = NZA 2018, 100 Rz. 24 unter Verweis auf BGH v. 12.10.2005 – IV ZR 162/03, BGHZ 164, 297 (315 f.). 2 Vgl. BGH v. 15.11.2006 – VIII ZR 3/06, NJW 2007, 674 (675). 3 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, AP BGB § 310 Nr. 1 = NZA 2005, 1111 (unter III u. IV 6); BAG v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, AP BGB § 307 Nr. 7 = NZA 2006, 149 (unter II 4); BAG v. 20.6.2013 – 8 AZR 280/12, AP BGB § 305 Nr. 14 = NZA 2013, 1265 Rz. 19 ff. 4 Krit. auch Matthiessen, NZA 2007, 361 (362 ff.). 5 BAG v. 28.9.2017 – 8 AZR 67/15, AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 6 = NZA 2018, 589 Rz. 64 ff. 6 St. Rspr., aus jüngerer Zeit etwa BGH v. 27.1.2015 – XI ZR 174/13, NJW 2015, 1440 Rz. 18. 7 BAG v. 12.2.2015 – 6 AZR 831/13, AP BBiG § 20 Nr. 1 = NZA 2015, 737 Rz. 20. 8 BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, AP BGB § 309 Nr. 3 = NZA 2004, 727. 9 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, AP BGB § 308 Nr. 1 = NZA 2005, 465; BAG v. 11.10. 2006 – 5 AZR 721/05, AP BGB § 308 Nr. 6 = NZA 2007, 87; BAG v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/06, AP BGB § 308 Nr. 7 = NZA 2007, 853. 10 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, AP BGB § 310 Nr. 1 = NZA 2005, 1111.
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II. Entwicklung der Inhaltskontrolle im Arbeitsvertragsrecht | Einf.
reichenden Grundsätze1 angeknüpft hat.2 Insgesamt stellt sich die als „wohl nachhaltigste Rechtsänderung im Individualarbeitsrecht nach der Verabschiedung des Kündigungsschutzgesetzes im Jahre 1951“3 apostrophierte Ausdehnung der AGB-Kontrolle auf vorformulierte Arbeitsverträge hinsichtlich der konkreten Ergebnisse eher als Evolution denn als Revolution dar.4 Immerhin belegt der bislang nicht wesentlich verminderte Strom neuer Entscheidungen, dass es sich bei der Klauselkontrolle nicht um einen nach wenigen Jahren endgültig befriedeten Rechtsbereich handelt, was man je nach Standpunkt als Zeichen andauernder Missstände im Arbeitsleben oder umgekehrt als richterliche „Kontrollhektik“5 begreifen kann. Nicht zu bestreiten ist jedenfalls, dass auf dem Gebiet der Arbeitsvertragsgestaltung die Rolle des „Gegenübers“ faktisch nicht von der Arbeitnehmerseite, sondern von der Rechtsprechung eingenommen wird.6 Angesichts des hohen Verbreitungsgrades von Formulararbeitsverträgen hat die Judikatur der letzten Jahre im Ergebnis die Funktion, zur verbindlichen Festschreibung der rechtlichen Rahmenbedingungen beizutragen, unter denen abhängige Arbeit geleistet werden soll. Die Rechtsprechung schließt damit eine Lücke, die sich dadurch auftut, dass es auf der einen Seite nach wie vor an einem Arbeitsvertragsgesetz fehlt, das die Grenzen des arbeitsvertraglich Regelbaren eindeutig aufzeigt, während auf der anderen Seite der Verbreitungsgrad tarifvertraglicher Regelungen und damit auch der Tarifschutz nachlässt. Die grundsätzliche Sinnhaftigkeit einer Ausdehnung gerade des AGB-recht- 23 lichen Kontrollregimes auf Arbeitsverträge ist im Schrifttum aus einer Reihe von Gründen von Anfang an umstritten gewesen. Dabei geht es zunächst um die bereits lange vor der Schuldrechtsreform diskutierte Grundsatzfrage, ob mit dem Umstand der Vorformulierung einer Klausel durch den Arbeitgeber als Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB überhaupt der zutreffende Anknüpfungspunkt für eine verschärfte Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen gewählt wird.7 Sodann wird die vom Gesetzgeber aufgestellte These, dass im Arbeitsvertragsrecht gegenüber dem allgemeinen Zivilrecht ein 1 BAG v. 29.6.1962 – 1 AZR 343/61, AP GG Art. 12 Nr. 25; zuletzt BAG v. 21.7.2005 – 6 AZR 452/04, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 37 = NZA 2006, 542. 2 Vgl. insbesondere BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 41 = NZA 2009, 666 Rz. 16: „Die auf dieser Grundlage entwickelten Kriterien sind auch im Rahmen der Prüfung nach § 307 Abs. 1 BGB heranzuziehen.“ 3 So Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (44). 4 So Coester in FS Löwisch (2007), S. 57 u. 71. 5 In Anlehnung an Zöllner, AcP 176 (1976), 221 (246). 6 Prägnant Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, I B 38. 7 Dafür grdl. Preis, Grundfragen der Vertragskontrolle im Arbeitsrecht, 1993, S. 255 ff.; ebenso etwa Fenn in FS Söllner (2000), S. 333 (347); Preis/Stoffels, ZHR 160 (1996), 442 (451); für eine Parallelisierung bereits Säcker, Gruppenautonomie und Übermachtkontrolle im Arbeitsrecht, 1971, S. 201 ff.; insoweit zust. Canaris, RdA 1974, 18, 21; abl. Zöllner, AcP 176 (1976), 221 (244 f.); Zöllner, RdA 1989, 152 (156 ff.); ebenso wieder Zöllner, ZfA 2010, 637 (644); skeptisch ferner Hromadka in FS Dieterich (1999), S. 251 (256).
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Einf. | Einführung Schutzdefizit bestanden habe, das durch die AGB-rechtliche Kontrolle auszugleichen sei, einerseits zwar geteilt,1 andererseits aber auch vehement bestritten.2 Schließlich wird die von manchen als besonderer Vorzug herausgestellte Geeignetheit gerade der spezifisch AGB-rechtlichen Maßstäbe und Rechtsfolgen der Klauselkontrolle3 teilweise dezidiert in Abrede gestellt,4 wobei nicht zuletzt bemängelt wird, dass es der Gesetzgeber verabsäumt hat, sich im Vorfeld der Reform anders als etwa bei der ursprünglichen Schaffung des AGBG im Jahr 1976 intensiv mit den von den Gerichten für Arbeitssachen in jahrzehntelanger Rechtsprechung erzielten Ergebnissen auseinanderzusetzen und auf das Arbeitsvertragsrecht gemünzte Klauselkataloge aufzustellen.5 24 In der Tat lässt sich nicht leugnen, dass die partielle Streichung der Bereichsaus-
nahme und die dadurch bewirkte Erstreckung der AGB-Kontrolle auf Arbeitsverträge überraschend und ohne eine durch eine entsprechende Ankündigung des Gesetzgebungsapparats angestoßene Debatte vorgenommen wurde.6 Allerdings hatte es wie erwähnt schon seit längerem eine – wenn auch kontroverse – Auseinandersetzung im Schrifttum über die Bedeutung der allgemeinen zivilrechtlichen AGB-Kontrolle für das Arbeitsrecht gegeben. Im Übrigen sind die §§ 305 ff. BGB unabhängig von der Bewertung der Motive und des Verfahrens des Gesetzgebers als geltendes Recht zugrunde zu legen und sachgerecht anzuwenden,7 zumal eine in der Literatur teilweise geforderte vollständige oder doch zumindest teilweise Rückkehr zum alten Rechtszustand8 realitätsfern ist.9 1 Reinecke, DB 2002, 583; so bereits Preis/Stoffels, ZHR 160 (1996), 442 (492); ähnl. Preis in FS 50 Jahre BAG (2004), S. 123 (135) („überfälliger Schritt“); ebenso Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rz. 18; ferner Däubler, ZTR 2012, 543 (544). 2 Benedict, JZ 2012, 172 (179) („dogmatischer faux pas“); Joost in FS Ulmer (2003), S. 1199 (1200) („missglückte Gesetzgebung“, „Fehlschuss“); Joost in FS 50 Jahre BAG (2004), S. 49 (50 ff.); Reuter in FS 50 Jahre BAG (2004), S. 177 (178); Zöllner, ZfA 2010, 637 (641) („plakative Evokation von Gefühlsbewertung durch Laien“); eher skeptisch ferner Oetker, AcP 212 (2012), 202 (223); Richardi, NZA 2002, 1057 (1060). 3 Vgl. Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (45) („ein Stück Rechtskultur im Arbeitsvertragsrecht“); Stoffels, ZfA 2009, 861 (863 f.); grds. positiv auch Coester in FS Löwisch (2007), S. 57 ff.; dafür bereits Fenn in FS Söllner (2000), S. 333 (336 ff.). 4 Reuter in FS 50 Jahre BAG (2004), S. 177 (183 ff.); Zöllner, ZfA 2010, 637 (639, 643 ff.); ferner Rolfs, in: Bieder/Hartmann (Hrsg.), Individuelle Freiheit und kollektive Interessenwahrnehmung im deutschen und europäischen Arbeitsrecht, 2012, S. 1 (34): „deutliche Zweifel, ob die Streichung der früheren Bereichsausnahme … wirklich eine so gute Idee war.“; eher krit. auch Löwisch in FS Canaris, Bd. I (2007), S. 1403 (1419). 5 Lieb in FS Konzen (2006), S. 501 (508). 6 Siehe nur Joost in FS Ulmer (2003), S. 1199 (1200); Lieb in FS Ulmer (2003), S. 1231 (1244) (jeweils „Schnellschuss“). 7 In diesem Sinne auch Konzen in FS Hadding (2004), S. 145 (146). 8 So Bauer, NZA 2005, 1046 (1047); Bauer/von Medem, NZA 2012, 894 (895); Löwisch, ZfA 2007, 1 (7). 9 Ebenso Stöhr, ZfA 2013, 213 (231 f.).
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III. Wertungsgrundlagen und Rechtfertigungen | Einf.
III. Wertungsgrundlagen und Rechtfertigungen der AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht 1. Allgemeines Die richterliche Inhaltskontrolle von Verträgen versteht sich in einer dem 25 Grundsatz der Privatautonomie verpflichteten Rechtsordnung nicht von selbst, sondern ist auf den ersten Blick als staatliche Intervention in die „lex contractus“ sogar geradezu ein Fremdkörper. Immerhin gewährleistet Art. 2 Abs. 1 GG als Teilaspekt der allgemeinen Handlungsfreiheit des Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen im Rechtsleben.1 Damit ist im Prinzip auch die Vertragsfreiheit verfassungsrechtlich abgesichert,2 wobei es nur eine untergeordnete Rolle spielt, dass Art. 2 Abs. 1 GG im Hinblick auf die grundsätzliche Befugnis zum Abschluss von Arbeitsverträgen sowie zur Gestaltung ihres Inhalts durch die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG verdrängt wird.3 Darüber hinaus ist die Vertragsfreiheit integraler Bestandteil eines marktwirtschaftlichen Systems,4 das sich zumindest im Grundsatz als effizienteste Form der Koordinierung wirtschaftlich relevanten Handelns erwiesen hat. Will man nicht bei einem positivistischen Verweis auf die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB auf Arbeitsverträge stehen bleiben, bedarf es einer möglichst exakten Herausarbeitung der Gründe, die eine Kontrolle nach AGB-rechtlichen Grundsätzen legitimieren, zumal sich viele Zweifelsfragen nicht anders als im allgemeinen AGB-Recht5 nur durch ei1 BVerfG v. 13.5.1986 – 1 BvR 1542/84, BVerfGE 72, 155 (170); BVerfG v. 26.7.2005 – 1 BvR 80/95, BVerfGE 114, 73 (89); BVerfG v. 15.2.2006 – 1 BvR 1317/96, NJW 2006, 1783 (1784). Klassisch Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl. 1992, § 1, 1, S. 1. 2 Siehe nur BVerfG v. 12.11.1958 – 2 BvL 4, 26, 40/56, 1, 7/57, BVerfGE 8, 274 (328); BVerfG v. 19.10.1983 – 2 BvR 298/81, BVerfG 65, 196 (210); BVerfG v. 14.1.1987 – 1 BvR 1052/79, BVerfGE 74, 129 (151 f.). 3 So BVerfG v. 23.11.2006 – 1 BvR 1909/06, AP BGB § 307 Nr. 22 = NZA 2007, 85; siehe auch BVerfG v. 29.12.2004 – 1 BvR 2582/03, 1 BvR 2283/03, NZA 2005, 153 (155); zur generellen Stellung der Vertragsfreiheit im Bereich der beruflichen Betätigung ebenso BVerfG v. 12.12.2006 – 1 BvR 2576/04, BVerfGE 117, 163 (181); BVerfG v. 7.9.2010 – 1 BvR 2160/09, 1 BvR 851/10, NJW 2011, 1339 (1340); BVerfG v. 23.10.2013 – 1 BvR 1842/11, 1 BvR 1843/11, BVerfGE 134, 204 Rz. 67; BVerfG v. 29.6.2016 – 1 BvR 1015/ 15, BVerfGE 142, 268 Rz. 49; BVerfG v. 6.6.2018 – 1 BvL 7/14 u. 1 BvR 1375/14, NZA 2018, 774 Rz. 38. Zur grundrechtlichen Verortung eingehend Höfling, Vertragsfreiheit, 1991, S. 6 ff. Einfachrechtlich ist zudem § 105 Satz 1 GewO zu nennen. 4 Zum Zusammenhang zwischen Vertragsfreiheit und Marktwirtschaft siehe etwa Rittner in FS Sölter (1982), S. 27 ff.; Rittner, AcP 188 (1988), 101 ff. 5 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 89; Wackerbarth, AcP 200 (2000), S. 45 (46). Zum Rekurs auf den Schutzzweck der AGB-Kontrolle in der Judikatur des BGH siehe etwa BGH v. 4.3.1997 – X ZR 141/95, NJW 1997, 2043 (2044): Antizipierte Aufnahme üblicher AGB des Gegners in Angebot hindert nicht dessen Eigenschaft als Verwender; BGH v. 20.3.2014 – VII ZR 248/13, NJW 2014, 1725 (1728): Kein individualvertraglicher Ausschluss des AGB-Rechts.
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Einf. | Einführung nen Rückgriff auf diese Gründe und damit auf den Schutzzweck der AGBKontrolle im Arbeitsrecht überzeugend beantworten lassen.1 Außerdem kann nur auf diesem Wege eine Dogmatik entwickelt werden, die der richterlichen Spruchpraxis Leitlinien an die Hand gibt und sich nicht darin erschöpft, die Judikatur lediglich nachzuzeichnen bzw. systematisch zu ordnen. 26 Mit der Integration der Arbeitsvertragskontrolle in das allgemeine AGB-Recht hat
der Gesetzgeber nicht nur die Maßstäbe und Methoden, die sich in rund 25 Jahren unter der Herrschaft des AGB-Gesetzes entwickelt haben, in das Arbeitsrecht überführen wollen. Vielmehr hat er damit zugleich die generelle Konzeption, die dem allgemeinen AGB-Recht zu Grunde liegt, zumindest im Ausgangspunkt in das Arbeitsvertragsrecht transferiert. Der Schutzzweck der AGB-Kontrolle gerade im Arbeitsrecht kann daher nur vor dem Hintergrund der Diskussion über den Geltungsgrund der allgemeinen AGB-Kontrolle ermittelt werden.2 Allerdings müssen schon auf dieser Ebene die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten (dazu näher Rz. 56 ff.) angemessen berücksichtigt werden. Das in § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB an den Rechtsanwender adressierte Gebot betrifft nicht nur die schlichte Interpretation der §§ 305 ff. BGB, sondern zugleich die tiefergehende Frage, auf welchen grundlegenden Wertungen das Arbeitsrecht aufbaut und wie diese Wertungen in die AGB-Kontrolle integriert werden können.
27 Zur Rechtfertigung der AGB-Kontrolle sind im Laufe der Zeit zahlreiche Be-
gründungen entwickelt worden.3 Die heutzutage vertretenen Konzeptionen lassen sich im Grundsatz danach einteilen, ob sie an das einzelne Rechtsverhältnis anknüpfen („rechtsverhältnisinterner Ansatz“)4 und daher einen individuellen Schutzzweck anstreben oder ob sie das einzelne Rechtsverhältnis überschreiten („rechtsverhältnisexterner Ansatz“)5 und somit überindividuelle Schutzzwecke 1 Vgl. die Argumentation in BAG v. 27.10.2005 – 8 AZR 3/05, AP BGB § 310 Nr. 5 = NZA 2006, 257 (unter II 1 a); BAG v. 28.6.2006 – 10 AZR 407/05, AP HGB § 74 Nr. 80 = NZA 2006, 1157 Rz. 15; BAG v. 25.4.2007 – 10 AZR 634/06, AP BAT §§ 22, 23 ZuwendungsTV Nr. 29 = NZA 2007, 875 Rz. 24; BAG v. 22.9.2016 – 2 AZR 509/15, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 169 = NZA 2016, 1461 Rz. 20. 2 Im Ansatz ebenso Reichold in FS 50 Jahre BAG (2004), S. 153 (158 f., 173); zust. Deinert in DBD, § 307 Rz. 22 ff. 3 Frey, ZIP 1993, 572 (573 Fn. 10) listet mehr als 10 verschiedene Ansätze auf, die teilweise freilich nur in Nuancen voneinander abweichen. Umfassend Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, 2010, S. 540 ff., der immerhin neun Begründungsversuche unterscheidet. Zur Diskussion im Ausland ansatzweise Jansen, ZEuP 2010, 69 (83). 4 So Leuschner, AcP 207 (2007), 491 (495); siehe auch Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, 2010, S. 563 ff. (individuelle Schutzkonzepte). 5 So Leuschner, AcP 207 (2007), 491 (494); siehe auch Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, 2010, S. 583 ff. (überindividuelle Schutzkonzepte).
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verfolgen, wobei beide Ansätze allerdings häufig miteinander verknüpft werden.1 Daneben sind gerade im Zusammenhang mit dem Arbeitsrecht auch noch solche Überlegungen zu erwähnen, die an den rechtlichen Charakter von AGB anknüpfen, obgleich sie die aktuelle Diskussion im AGB-Recht nicht mehr prägen.
2. Normentheoretische Modelle Die These, AGB seien nicht als Vertragsbedingungen, sondern als vom Verwen- 28 der geschaffene privatrechtliche Normen zu begreifen („private ordering“), ist nicht nur vor dem Inkrafttreten des AGBG,2 sondern auch noch danach bis in die jüngere Vergangenheit hinein immer wieder vertreten worden.3 Von dieser Normentheorie aus führt ein vergleichsweise kurzer Weg zur Inhaltskontrolle, weil die Normsetzung keine vertragliche Form der Gestaltung von Rechtsbeziehungen darstellt und somit auch nicht der Vertragsfreiheit unterfällt.4 Allerdings würde die Inhaltskontrolle von diesem Ansatz aus tendenziell einen eher objektiveren Charakter haben und nicht auf einen Schutz gerade des Klauselgegners abzielen. Die sowohl im allgemeinen AGB-Recht5 als auch in der Judikatur des BAG6 durchgängig vertretene Sichtweise, dass sich der Verwender nicht selbst auf die Unwirksamkeit einer von ihm in den Vertrag eingefügten Klausel berufen kann, wäre mit einem normenrechtlichen Verständnis von AGB daher kaum kompatibel. Trotz mancher Unterschiede zeichnen sich die normentheo1 Siehe nur Canaris, AcP 200 (2000), 273 (321 ff.); Coester in Staudinger, § 307 Rz. 2 ff.; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht (1992), S. 79 ff.; Fuchs in UBH, Vorb. v. § 307 BGB Rz. 29; Leuschner, AcP 207 (2007), 491 (494); Stoffels, AGB-Recht, Rz. 81 ff., 85 ff., 88 ff.; strikte Unterscheidung zwischen individuellen und überindividuellen Schutzkonzepten dagegen bei Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, 2010, S. 563 ff. 2 Insbesondere Meyer-Cording, Die Rechtsnormen, 1971, S. 84 ff. (92 ff., 97 ff.) (AGB als „Wahlnormen“). 3 Mertens, AG 1982, 29 (39); Pflug, Kontrakt und Status im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen 1986, S. 247 ff.; Pflug, AG 1992, 1 (4); E. Schmidt, JuS 1987, 929 (931); E. Schmidt, ZIP 1987, 1505 f.; ansatzweise auch Kramer, AcP 188 (1988), 423 (426) (vertraglich vereinbarte Normen). Die Unterscheidung relativierend aber Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 120 ff. Zur Entwicklung und den verschiedenen Ausprägungen der Normentheorien umfassend jüngst Wendland, Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit, 2019, S. 304 ff., 311 ff. 4 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992, S. 29. 5 BT-Drucks. 7/5422, S. 6; BGH v. 4.12.1986 – VI ZR 354/85, BGHZ 99, 160 (161) = NJW 1987, 837 (838); BGH v. 30.10.1990 – IX ZR 9/90, NJW 1991, 353 (354); siehe auch BGH v. 2.4.1998 – IX ZR 79/97, NJW 1998, 2280 (2281). 6 BAG v. 27.10.2005 – 8 AZR 3/05, AP BGB § 310 Nr. 5 = NZA 2006, 257; BAG v. 22.9. 2016 – 2 AZR 509/15, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 169 = NZA 2016, 1461 (Rz. 20).
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Einf. | Einführung retischen Konzeptionen dadurch aus, dass sie aus dem tatsächlichen Erscheinungsbild der einseitigen Festlegung von abstrakten Regelungen („selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft“)1 letztlich auf den Normencharakter von AGB schließen. Die Einordnung von AGB als Normen hätte im vorliegenden Zusammenhang freilich nur dogmengeschichtliche Bedeutung, wenn sie nicht auch im arbeitsrechtlichen Schrifttum Widerhall gefunden hätte. Neben einem frühen Vorstoß von Säcker2 ist insoweit namentlich Reuter zu erwähnen, der sich dafür ausgesprochen hat, den Betrieb als einen Verband anzusehen, bei dem die Arbeitsverhältnisse durch betriebseinheitliche Regelungen koordiniert würden. Ob die betriebliche Ordnung durch eine Betriebsvereinbarung oder durch eine faktisch einseitig vom Arbeitgeber erlassene arbeitsvertragliche Einheitsordnung hergestellt werde, spiele im Ergebnis keine Rolle. Vielmehr handele es sich in beiden Fällen um eine Form privatrechtlicher Normsetzung, die bestimmten inhaltlichen Anforderungen unterliege.3 Allgemeine Arbeitsbedingungen seien zumindest „Normenwerke sozialorganisatorischer Art“.4 29 Alle diese Ansätze vermögen angesichts des Wortlauts der §§ 305 ff. BGB, in de-
nen ausdrücklich von Vertragsbedingungen die Rede ist, indes nicht zu überzeugen.5 Inhaltlich kranken sie daran, dass sie aus einem soziologischen Phänomen auf eine bestimmte rechtliche Einordnung schließen. Für eine Qualifikation von AGB als Rechtsnormen fehlt es schlicht an einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage. Dies gilt insbesondere auch für das Arbeitsrecht. Aus der den Betriebsparteien durch das BetrVG verliehenen Normsetzungskompetenz6 lässt sich keine Normsetzungsbefugnis des einzelnen Arbeitgebers ableiten. Vielmehr finden vorformulierte Arbeitsbedingungen nicht anders als sonstige AGB nur auf vertraglichem Wege Eingang in die Arbeitsverhältnisse. Dementsprechend ist der Arbeitnehmer von Rechts wegen befugt, deren Geltung abzulehnen, auch wenn eine solche Option aus faktischen Gründen regelmäßig ausscheiden wird. Mit einer Einordnung von allgemeinen Arbeitsbedingungen als Rechtsnormen ist diese unstreitig bestehende rechtliche Befugnis nicht vereinbar. Ebenso wie im allgemeinen AGB-Recht gibt es deshalb auch im Arbeitsrecht keinen hinreichenden Grund, an einer vertragsrechtlichen Qualifikation von AGB zu zweifeln. In diesem Sinne legen sowohl die Rechtsprechung als auch das Schrifttum praktisch einhellig mit Recht die Vertragstheorie zugrunde und klassifizieren arbeitsrechtliche Einheitsregelungen dementsprechend schon seit langem als 1 So die bekannte Formulierung von Großmann-Doerth, Selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft und staatliches Recht, 1933. 2 Säcker, Gruppenautonomie und Übermachtkontrolle im Arbeitsrecht, 1971, S. 493 ff. 3 Reuter, Anm. zu BAG, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 78; Reuter, SAE 1983, 201 (202). 4 So Reuter in FS 50 Jahre BAG (2004), S. 177 (184); Reuter in FS Säcker (2011), S. 267 (270). 5 Zum allgemeinen AGB-Recht eingehend jüngst Wendland, Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit, 2019, S. 320 ff. 6 Dazu BAG v. 12.12.2006 – 1 AZR 96/06, AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 94 = NZA 2007, 453.
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vertragliche Arbeitsbedingungen.1 Damit ist freilich zugleich die Möglichkeit verbaut, von einem normentheoretischen Ansatz aus eine Inhaltskontrolle zu legitimieren.
3. Rechtsverhältnisbezogene Konzeptionen Die überwiegende Ansicht im allgemeinen AGB-Recht verbleibt auf der Mikro- 30 ebene wählt für die Rechtfertigung der Inhaltskontrolle einen auf das einzelne Rechtsverhältnis bezogenen Ansatz und hält deshalb den individuellen Schutz des Klauselgegners für maßgebend.2 Unstreitiger rechtstatsächlicher Ausgangspunkt ist insoweit, dass AGB im Allgemeinen nicht zum Gegenstand der Vertragsverhandlungen gemacht, also nicht von beiden Vertragsparteien gestaltet werden, sondern vom Verwender eingebracht und vom Klauselgegner pauschal akzeptiert werden. Nach einer in Rechtsprechung3 und Schrifttum4 verbreiteten Sichtweise geht es 31 bei der AGB-Kontrolle um einen Ausgleich der Gefahren, die durch die einseitige Ausnutzung der Vertragsgestaltungsfreiheit mittels vorformulierter Vertragsbedingungen („Formulierungshoheit“) entstehen. Hinter diesem Ansatz steht der vertragstheoretische Gedanke, dass sich der Einsatz von AGB 1 Siehe nur (im Zusammenhang mit der in den 1980er Jahren geführten Debatte um die Zulässigkeit ablösender Betriebsvereinbarungen) BAG (GS) v. 16.9.1986 – GS 1/82, AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 17 = NZA 1987, 168 (unter C II 1 a); ferner etwa Fischinger in MünchArbR, § 8 Rz. 47; Hromadka, NZA 2013, 1061 ff.; zur (aktuellen) Debatte über eine konkludente Betriebsvereinbarungsoffenheit von AGB siehe einerseits BAG v. 5.3. 2013 – 1 AZR 417/12, AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 105 = NZA 2013, 916; BAG v. 24.10.2017 – 1 AZR 846/15, AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 110; andererseits BAG v. 11.4.2018 – 4 AZR 119/17, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 143 = NZA 2018, 1273; Creutzfeld, NZA 2018, 1111 ff. 2 Ausführlichste Darstellung jetzt bei Wendland, Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit, 2019, S. 468 ff. 3 BGH v. 30.6.1994 – VII ZR 116/93, BGHZ 126, 326 (332) = NJW 1994, 2825 (2826); BGH v. 24.5.1995 – XII ZR 172/94, BGHZ 130, 50 (57) = NJW 1995, 2034 (2035); BGH v. 17.2. 2010 – VIII ZR 67/09, NJW 2010, 1131 f.; BGH v. 10.10.2013 – VII ZR 19/12, NJW 2014, 206 Rz. 27; BGH v. 20.3.2014 – VII ZR 248/13, NJW 2014, 1725 Rz. 29; BGH v. 27.1.2017 – V ZR 130/15, NJW 2017, 1540 Rz. 17; BAG v. 27.10.2005 – 8 AZR 3/05, AP BGB § 310 Nr. 5 = NZA 2006, 257 Rz. 16; BAG v. 25.4.2007 – 10 AZR 634/06, AP BAT §§ 22, 23 Zuwendungs-TV Nr. 29 = NZA 2007, 875 Rz. 24; BAG v. 22.9.2016 – 2 AZR 509/15, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 169 = NZA 2016, 1461 Rz. 20; BAG v. 23.3.2017 – 6 AZR 705/15, AP BGB § 622 Nr. 73 = NZA 2017, 773 Rz. 35; BAG v. 21.12.2017 – 6 AZR 803/16, AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 195 (Rz. 14). 4 Bieder, AcP 216 (2016), 911 (912); Coester in Staudinger, § 307 Rz. 2; Fuchs in UBH, Vorb. v. § 307 BGB Rz. 26; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 89; ähnl. Pfeiffer in WLP, Einl. Rz. 17.
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Einf. | Einführung trotz ihres vertraglichen Charakters der Sache nach als eine Fremdbestimmung des Klauselgegners auswirkt.1 Damit wird auf die aus dem Prinzip der Privatautonomie abzuleitende Grundidee des Vertrages rekurriert, dass beide Parteien in freier Selbstbestimmung das vertraglich Vereinbarte als für ihre Rechtsbeziehungen verbindlich anerkennen.2 Fehlt es auf einer der beiden Seiten an einer solchen Selbstbestimmung, liegt trotz des äußerlichen Gebrauchs der Vertragsform der Sache nach eine Fremdbestimmung vor, die eine staatliche Intervention zum Schutz der unterlegenen Partei legitimiert. Insoweit kommt in der AGB-Kontrolle der das moderne Rechtsdenken kennzeichnende Vorrang der materiellen Vertragsfreiheit vor der formalen Vertragsfreiheit zum Ausdruck.3 Damit kristallisiert sich als entscheidende Frage heraus, worin bei der Verwendung von AGB die spezifische Unterlegenheit des Klauselgegners liegt. 32 Konzentriert man sich unter Ausblendung des erst später in das AGB-Recht in-
tegrierten Verbraucherschutzes zunächst auf die ursprüngliche Konzeption der Klauselkontrolle, zeigt sich folgendes Bild: Eine anfänglich verbreitet vertretene Sichtweise favorisierte einen personenbezogenen Ansatz. Die persönliche („strukturelle“) Unterlegenheit sei auf eine wirtschaftliche bzw. soziale oder auch intellektuelle Unterlegenheit des Klauselgegners zurückzuführen.4 Entscheidend sollte somit letztlich ein allgemeines Machtungleichgewicht zwischen den Parteien bei der Aushandlung der Vertragsbedingungen sein. Die AGB-Kontrolle war nach diesem Ansatz demnach nur ein Sonderfall der allgemeinen Vertragskontrolle bei struktureller Unterlegenheit. Der BGH5 und 1 Dazu Bieder, Kompensatorische Vertragsgestaltung im Arbeits- und Wirtschaftsrecht, 2015, S. 419, der von einem „Sachwalterstatus“ des Verwenders vorformulierter Vertragsklauseln spricht; in diese Richtung offenbar auch Rehberg, Das Rechtfertigungsprinzip, 2014, S. 822 f., unter Hervorhebung der fehlenden Möglichkeit zur Selbstsorge des Klauselgegners; andere Akzentsetzung bei Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992, S. 88 f., der hinter der zitierten Formulierung als Schutzobjekt die objektive Rechtsordnung sieht. 2 Siehe nur Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl. 1992, § 1, 6a, S. 7. 3 Vgl. Canaris, AcP 200 (2000), 273 (277 f., 321) (siehe aber auch die weiteren Ausführungen auf S. 325 f.: Verwendung von AGB als Beeinträchtigung der formalen Vertragsgerechtigkeit); ferner Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl. 1992, § 37, 2, S. 670, nach dem sich die Schranken für den Inhalt von AGB gerade aus dem Prinzip der Privatautonomie ergeben. 4 Siehe etwa BGH v. 28.2.2973 – IV ZR 34/71, BGHZ 60, 243 (245) = NJW 1973, 990; ferner Damm, JZ 1978, 173 (178); in diese Richtung auch Pfeiffer in WLP, Einl. Rz. 3 f. 5 BGH v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259 (264) = NJW 2010, 1131 (1132); so bereits BGH v. 7.7.1976 – IV ZR 229/74, NJW 1976, 2345 (2346); ferner BGH v. 10.10. 2013 – VII ZR 19/12, NJW 2014, 206 Rz. 27, wo die Verhandlungsmacht ausdrücklich für unerheblich erklärt wird.
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die neuere Literatur1 haben sich vom Gedanken der dem eigentlichen Vertragsschluss vorgelagerten überlegenen Marktmacht des Verwenders als innere Rechtfertigung der AGB-Kontrolle indes weitgehend gelöst, auch wenn dieser Aspekt im Zusammenhang mit der Diskussion um die Zurückdrängung des AGB-Rechts im unternehmerischen Verkehr erneut eine gewisse Bedeutung gewonnen hat2 und er in der Rechtsprechung immer wieder einmal aufblitzt3. Tatsächlich lässt schon der Normtext der §§ 305 ff. BGB nicht erkennen, dass es auf eine von der Vertragsabschlusssituation abstrahierte Unterlegenheit des Klauselgegners als Anwendungsvoraussetzung ankommen soll. Vielmehr greifen die AGB-rechtlichen Kontrollmechanismen ohne Rücksicht auf eine wie auch immer messbare Differenz in der ökonomischen Stärke, Finanzkraft oder Geschäftserfahrenheit von Klauselverwender einerseits und Klauselgegner andererseits ein. Selbst eine wirtschaftliche Unterlegenheit des Verwenders gegenüber der anderen Vertragspartei, die insbesondere im unternehmerischen Verkehr durchaus vorliegen kann, steht einer Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB nicht entgegen. Hinzu kommt, dass sich die AGB-Kontrolle ausweislich der Regelung in § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB grundsätzlich nicht auf die Überprüfung des Äquivalenzverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung, sondern nur auf Nebenbedingungen erstreckt. Eine richterliche Inhaltskontrolle, die darauf abzielt, die strukturelle Unterlegenheit einer Vertragspartei auszugleichen, müsste sich aber gerade auf die Hauptleistungspflichten beziehen, weil sich in ihrer Dimensionierung ein Verhandlungsungleichgewicht am ehesten manifestiert.4 Als Haupterklärungsmuster für die Legitimation der AGB-Kontrolle hat sich 33 demgegenüber die situative Unterlegenheit des Klauselgegners herauskristal1 Basedow in MünchKommBGB, Vor § 305 Rz. 4; Becker, JZ 2010, 1098 (1100); Canaris, AcP 200 (2000), 273 (321 ff.); Coester in Staudinger, § 307 Rz. 3; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992, S. 81 ff.; Fuchs in UBH, Vorb. v. § 307 Rz. 27, 31; Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, S. 149 ff.; Roloff in Erman, Vor §§ 305–310 Rz. 2; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 88; Wackerbarth, AcP 200 (2000), 45 (51 ff.); siehe aber auch Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, 2010, S. 567 ff., der am Ungleichgewicht immerhin als Schutzgrund festhalten will. 2 Vgl. Leuschner, JZ 2010, 875 (878). 3 Vgl. BGH v. 4.3.1997 – X ZR 141/95, NJW 1997, 2043 (2044): „Ausdruck der von dem Verfasser der Bedingungen ausgehenden Marktmacht“; BGH v. 20.3.2014 – VII ZR 248/ 13, NJW 2014, 1725 Rz. 29 u. 31: „Ausgleich ungleicher Verhandlungspositionen“, „Vorschriften, die sozialem und wirtschaftlichem Ungleichgewicht entgegenwirken“; im Sinne eines „sowohl – als auch“ BGH v. 10.10.2013 – VII ZR 19/12, NJW 2014, 206 Rz. 27: „Das Gesetz zur Regelung des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen bezweckt nicht nur (Hervorhebung nur hier) einen Schutz des schwächeren Vertragspartners und einen Ausgleich wirtschaftlichen Machtgefälles“. 4 Leuschner, AcP 207 (2007), 491 (493); Leuschner, JZ 2010, 875 (878).
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Einf. | Einführung lisiert.1 Dieser Begründungsansatz knüpft an die Eigenheiten der Vertragsabschlusssituation unter Einsatz vorformulierter Vertragsbedingungen an, stellt also nicht auf ein allgemeines Machtungleichgewicht zwischen den Vertragsparteien oder auf die persönliche Qualitäten der Beteiligten ab. Die situationsbezogene Überlegenheit des Klauselverwenders beruht zunächst darauf, dass dieser die Vertragsbedingungen im Vornherein ohne Zeitnot und vielfach unter Inanspruchnahme sachkundiger Beratung in seinem Sinne ausarbeiten kann. Demgegenüber ist der Klauselgegner typischerweise außer Stande, den Bedeutungsgehalt der Vertragsformulierungen ad hoc zu erfassen und über die Nebenbedingungen sinnvolle Vertragsverhandlungen zu führen, weil der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer nur über beschränkte Kapazitäten zur Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung verfügt.2 Daher besteht insoweit eine Informationsasymmetrie.3 Zwar wäre es theoretisch denkbar, sich die erforderlichen Kenntnisse über die Bedeutung der jeweiligen Klausel und die mit ihnen verbundenen Risiken anzueignen und anschließend über die einzelnen Konditionen zu verhandeln. Ein Klauselgegner handelt indes rational, wenn er davon absieht. Der hierfür erforderliche zeitliche und finanzielle Aufwand stünde nämlich regelmäßig völlig außer Verhältnis zum Nutzen, der für den Klauselgegner damit verbunden wäre. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil die Wahrscheinlichkeit, dass es auf eine Klausel im Rahmen der Vertragsdurchführung überhaupt ankommen wird, vielfach nur gering sein wird. Während der Klauselverwender sich jedenfalls bei einem Einsatz derselben AGB in einer Vielzahl von Verträgen Skalenerträge zunutze machen kann, so dass sich eine Investition in die Ausgestaltung der jeweiligen Nebenkonditionen lohnt, zahlt sich eine entsprechende Investition des Klauselgegners regelmäßig nicht aus. Die Informationsasymmetrie führt daher zu einer Transaktionskostenasymmetrie. Insoweit liegt beim Einsatz von AGB also ein Informations- und Motivationsgefälle zwischen dem Verwender und dem Kunden vor.4 1 Zum Folgenden Basedow in MünchKommBGB, Vor § 305 Rz. 5; Becker, JZ 2010, 1098 (1101); Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 1996, S. 756 ff.; Canaris, AcP 200 (2000), 273 (321 ff.); Coester in Staudinger, § 307 Rz. 3; Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998, S. 332 ff.; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992, S. 91; Frey, ZIP 1993, 572 ff.; Fuchs in UBH, Vorb. v. § 307 BGB Rz. 33 ff.; Fuchs in FS Blaurock (2013), 91 (96 ff.); Gottschalk, AcP 206 (2006), 555 (559 ff.); Habersack, AcP 189 (1989), 403 (414 ff.); Jansen, ZEuP 2010, 69 (84 ff.); Kötz, JuS 2003, 209 (211 ff.); Leuschner, AcP 207 (2007), 491 (495 f.); Lieb, AcP 178 (1978), 196 (202); Roth, ÖZW 1977, 33 (36 f.); Wackerbarth, AcP 200 (2000), 45 (77 ff.). 2 Vgl. Eidenmüller, JZ 2005, 216 (218); Leuschner, AcP 207 (2007), 491 (495 f.); Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 103 ff. 3 Dazu grdl. Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001. 4 Basedow in MünchKommBGB, Vor § 305 Rz. 5.
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III. Wertungsgrundlagen und Rechtfertigungen | Einf.
Allerdings handelt es sich hierbei letztlich nur um eine modelltheoretische Be- 34 trachtung. In den meisten Fällen wird der Klauselgegner keine umfassende rationale Analyse der Kosten und des Nutzens einer näheren Befassung mit den AGB vornehmen. Vielmehr wird sich der Klauselgegner vielfach aus Unwissenheit, Resignation oder Gleichgültigkeit in sein Schicksal ergeben und den vorgegebenen Inhalt der Nebenkonditionen ohne Lektüre akzeptieren,1 wobei es vor allem in der US-amerikanischen Forschungsliteratur vielfältige empirische Belege für das „no-reading-problem“2 gibt3. Zudem wird der Klauselgegner vom Verwender regelmäßig von vornherein erkennbar mit einer „take it or leave it“-Situation konfrontiert,4 mag man die mangelnde Verhandlungsbereitschaft des Verwenders auch ihrerseits wieder ökonomisch als unüberwindlichen Entscheidungsaufwand des Klauselgegners deuten.5 Dies gilt auch für vergleichsweise einfach gehaltene Vertragsbestimmungen, weil es dem Klauselgegner vielfach an Verhandlungserfahrung oder einfach an einem geeigneten Ansprechpartner auf der Verwenderseite fehlt, um die Bestimmung wegzuverhandeln.6 Hinzu kommt das Vertrauen, trotz fehlender Kenntnis der AGB vom Vertragspartner nicht übervorteilt zu werden.7 Auch ohne eine regelrechte informatorische Unterlegenheit werden sich Klauselgegner dem Verlangen des Verwenders nach Einbeziehung seiner AGB daher im Allgemeinen beugen, ohne dass man dieses Verhalten als „Nachlässigkeit“ bezeichnen könnte.8 Dementsprechend hat der BGH das Vorbringen, der Partner des AGB-Verwenders sei sich über den Vertragsinhalt vollständig im Klaren gewesen, nicht als beachtlichen Einwand gegen eine AGB-Kontrolle angesehen.9 Fasst man insbesondere die verhaltenstheoretischen Überlegungen zusammen, lässt sich davon sprechen, dass der Verwender von AGB durch die Struktur des Vertragsabschlusses von vornherein 1 Zum daraus (scheinbar) ableitbaren Einwand fehlender Kausalität zwischen Informationsdefizit und Rechtsbindungswillen des Klauselgegners treffend Bieder, AcP 216 (2016), 911 (927). 2 So Ayres/Schwartz, Stanford Law Review 66 (2014), 545 ff. 3 Vgl. Bakos/Marotta-Wurgler/Trossen, Journal of Legal Studies 43 (2014), 1 (8 ff.); Eigen, Journal of Institutional and Theoretical Economics 168 (2012), 124 ff.; Johnston, Michigan Law Review 104 (2006), 857 (864 ff.). 4 Coester in Staudinger, § 307 Rz. 179 (u.a. mit dem treffenden Hinweis auf die „Scheinautorität des Gedruckten“); Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998, S. 335 (338 ff.); Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, 2010, S. 559; siehe auch Wiedemann in FS Kummer (1980), S. 176 (180): „Sog des vorformulierten Gedankens“. 5 So Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 1986, S. 172. 6 Vgl. Canaris, AcP 200 (2000), 273 (322); Miethaner, AGB-Kontrolle versus Individualvereinbarung, 2010, S. 68. 7 Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 121. 8 Becker, JZ 2010, 1098 (1103); so aber Wackerbarth, AcP 200 (2000), 45 (83). 9 BGH v. 27.4.1988 – VIII ZR 84/87, BGHZ 104, 232 (236) = NJW 1988, 2465 (2466).
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Einf. | Einführung eine größere Chance als der Klauselgegner hat, seine Vorstellungen bei der Fixierung des Vertragsinhalts durchzusetzen, beide Seiten also über eine situativ unterschiedliche Verhandlungsmacht verfügen.1 35 Die fehlende Einflussnahme auf den konkreten Vertragsinhalt kann für sich ge-
nommen die AGB-Kontrolle allerdings noch nicht vollständig erklären, weil auch die Hauptleistungspflichten sowie insbesondere der Preis bei standardisierten Verträgen regelmäßig nicht zum Inhalt der Vertragsverhandlungen gemacht werden. Vielmehr kommt entscheidend hinzu, dass AGB nicht am Mechanismus von Markt und Wettbewerb teilnehmen und es dadurch an einem Korrektiv für inhaltlich unangemessene AGB fehlt.2 Mit dem Verweis auf den gestörten Marktmechanismus kommen somit schon bei den rechtsverhältnisbezogenen Konzeptionen überindividuelle Aspekte ins Spiel, die freilich nicht den eigentlichen Schutzzweck ausmachen, sondern nur verdeutlichen, warum innerhalb der individuellen Rechtsbeziehung eine situative Unterlegenheit des Klauselgegners besteht. Diese Unterlegenheit beruht darauf, dass sich die Aufmerksamkeit des Klauselgegners jedenfalls beim gewöhnlichen Konsumentengeschäft auf die vertraglichen Hauptleistungen konzentriert, während den Nebenkonditionen regelmäßig keine Aufmerksamkeit geschenkt wird. Zwar kann man darin ein Rationalitätsdefizit erkennen, weil der Klauselgegner durch den Vertragsabschluss unter Einbeziehung von AGB bei formaler Betrachtung Risiken auf sich nimmt, die er nicht vollständig überblickt und einkalkuliert hat.3 Dennoch ist die Rechtsordnung gut beraten, wenn sie die typischerweise fehlende Rücksichtnahme des Klauselgegners auf den konkreten Inhalt von AGB bei der Entscheidung über den Abschluss eines Vertrages in Rechnung stellt, weil alle anderen theoretisch denkbaren Handlungsalternativen wie der umfassende Vergleich der AGB sämtlicher Anbieter oder der Verzicht auf den Ver-
1 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, S. 93 f. (150). Zur Bedeutung verhaltenstheoretischer Erkenntnisse auch Rehbinder, AcP 174 (1974), 265 (296 f.). 2 Basedow in MünchKommBGB, Vor § 305 Rz. 6; Baudenbacher, Wirtschafts-, schuldund verfahrensrechtliche Grundprobleme der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1983, S. 206 ff.; Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998, S. 329 ff.; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992, S. 86; Fuchs in UBH, Vorb. v. § 307 Rz. 32; Kötz, Gutachten zum 50. DJT, Bd. I (1974) S. A 34 f.; Sedlmeier, Rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung im Verbrauchervertrag (2012), S. 256 ff. Insoweit auch Adams, BB 1989, 781 (783 ff.), der seine Überlegungen freilich nicht in den Kontext des eines angemessenen Interessenausgleichs im Einzelrechtsverhältnis stellt. Gegen eine Rückführung gerade der Inhaltskontrolle auf einen mangelnden Konditionenwettbewerb aber Wackerbarth, AcP 200 (2000), 45 (69 ff.). Zurückhaltend gegenüber einem Rekurs auf das Marktgeschehen ferner Bieder, Kompensatorische Vertragsgestaltung im Arbeits- und Wirtschaftsrecht, 2015, S. 267 f. 3 So Leuschner, AcP 207 (2007), 491 (501); der Sache nach auch Canaris, AcP 200 (2000), 273 (323 f.); Coester in Staudinger, § 307 Rz. 3; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992, S. 85 ff.
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III. Wertungsgrundlagen und Rechtfertigungen | Einf.
tragsschluss eine Überforderung oder doch jedenfalls keine sinnvollen Optionen darstellen.1 Man kann dies zum einen in willenstheoretische Kategorien fassen und davon 36 sprechen, dass es im Hinblick auf die vertraglichen Nebenbedingungen an einer reflektierten rechtsgeschäftlichen Entscheidung des Klauselgegners fehlt2 und dessen Zustimmung daher nicht als bewusste Inkaufnahme der durch sie übertragenen vertraglichen Risiken interpretiert werden kann. In diesem Sinne hat der BGH in seiner älteren Judikatur von der pauschalen Unterwerfung des Klauselgegners unter den vom Klauselverwender aufgestellten Vertrag gesprochen und daraus den Schluss gezogen, dass sich das Einverständnis erkennbar nur auf solche Bedingungen beziehe, mit denen er billigerweise rechnen müsse.3 Zum anderen ist der Aspekt zu nennen, dass sich AGB keinem Qualitätswettbewerb stellen müssen und vom Markt deshalb keine Sanierung unangemessener AGB zu erwarten ist.4 Diese Sichtweise fügt sich nahtlos in die durch § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB geregelte Kontrollfreiheit von Hauptabreden, die damit begründet werden kann, dass sie – bei hinreichender Transparenz – von der bewussten Abschlussentscheidung erfasst werden und deshalb am Mechanismus von Markt und Wettbewerb teilnehmen.5 Damit wird zugleich deutlich, dass es bei alledem nicht einfach um die schlichte Feststellung psychologischer Phänomene geht, sondern letztlich um die normative Entscheidung, welche Anstrengungen von den Teilnehmern am Rechtsverkehr bei der vertraglichen Regulierung ihrer eigenen Angelegenheiten erwartet werden.6 Mit dem AGB-rechtlichen Kontrollregime hat der Gesetzgeber klargestellt, dass er bei den vertraglichen Nebenbedingungen ein geringeres Maß an Selbstvorsorge akzeptiert als bei den Hauptleistungspflichten.
1 Ebenso Canaris, AcP 200 (2000), 273 (323 f.); Lieb, AcP 178 (1978), 196 (202); prägnant Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht (1992), S. 86 ff. („Überforderung der Selbstvorsorge“); eingehend Miethaner, AGB-Kontrolle versus Individualvereinbarung, 2010, S. 63 ff. („legitime Ignoranz“). 2 Wackerbarth, AcP 200 (2000), 45 (79); Wiedemann in FS Kummer (1980), S. 175 (180); in diesem Sinne auch Canaris, AcP 200 (2000), 273 (321) („Einverständnis … sehr schwach fundiert“); Kramer in FS Canaris, Bd. I (2007), S. 665 (670) („‚verdünnter‘ Konsens“); Möslein, Dispositives Recht, 2011, S. 169. 3 BGH v. 8.3.1955 – I ZR 109/53, BGHZ 17, 1 (3) = NJW 1955, 1145; BGH v. 29.10.1960 – II ZR 25/59, BGHZ 33, 216 (219) = NJW 1961, 212 (213); BGH v. 29.10.1962 – II ZR 31/61, BGHZ 38, 183 (185) = NJW 1963, 99 (100); gleichsinnig BGH v. 17.2.1964 – II ZR 98/62, BGHZ 41, 151 (154) = NJW 1964, 1123. 4 So Kötz, Gutachten zum 50. DJT, Bd. I (1974) S. A 35; ebenso Basedow in MünchKommBGB, Vor § 305 Rz. 6. 5 Überzeugend Stoffels, JZ 2001, 843 (847 f.); ebenso Coester in Staudinger, § 307 Rz. 320, 324. 6 In diesem Sinne auch Enderlein, Rechtspaternalismus im Vertragsrecht, 1996, S. 255 f.
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Einf. | Einführung 4. Rechtsverhältnisüberschreitende Konzeptionen 37 Eine Reihe von Autoren begibt sich – zumeist komplementär – auf die Makro-
ebene und gründet die Legitimation der AGB-Kontrolle von vornherein ausschließlich oder zumindest auch auf Aspekte, die bereits im Ansatz das einzelne Rechtsverhältnis überschreiten.1 Hierzu zählen zunächst alle Konzeptionen, die den Schutz der Rechts- bzw. Vertragsordnung als solche als einen Zweck des AGB-Rechts bezeichnen.2 In diesem Sinne sieht namentlich Zöllner im massenhaften Abweichen vom dispositiven Recht und damit im Unterlaufen der Gerechtigkeitsvorstellungen des Gesetzgebers die entscheidende Legitimation für eine Inhaltskontrolle.3 In einem gewissen Sinne mag man auch die vor allem in der Rechtsprechung vielfach verwendete Formel vom Ausgleich eines Missbrauchs der einseitig in Anspruch genommenen Vertragsgestaltungsfreiheit (dazu Rz. 31) in diesen Zusammenhang stellen.4 Dass es bei der AGB-Kontrolle um die Bereinigung des Rechtsverkehrs geht, wird im Übrigen schon am Instrument der Verbandsklage nach dem UKlaG deutlich, bei dem es an einem zu schützenden individuellen Vertragsteil fehlt.
38 Vor allem aber hat sich die rechtsökonomisch inspirierte Vorstellung vom
Schutz des Marktes als solchem immer stärker in den Vordergrund geschoben.5 Danach wird die AGB-Kontrolle als ein Instrument zur Verhinderung von Marktversagen qualifiziert. Im Zentrum der Überlegungen steht erneut die soeben skizzierte Informationsasymmetrie. Ausgangspunkt ist insoweit, dass der Einsatz von AGB volkswirtschaftlich grundsätzlich sinnvoll ist, weil er durch den mit ihm verbundenen Verzicht auf eine Aushandlung der einzelnen Vertragsbedingungen zu einer Minderung von vertraglichen Transaktionskosten führt. Die einseitige Aufstellung der AGB durch den Verwender und die mit ei-
1 Ausführlichste Darstellung nunmehr bei Wendland, Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit, 2019, S. 614 ff. 2 Coester in Staudinger, § 307 Rz. 4; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992, S. 88 ff.; Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, S. 150; Pfeiffer in WLP, Einl. Rz. 17. 3 Zöllner, JuS 1988, 329, 333; Zöllner, RdA 1989, 152 (157); Zöllner, Die Privatrechtsgesellschaft im Gesetzes- und Richterstaat, 1996, S. 45; dagegen aber Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1 (23 f.). 4 So Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992, S. 88 f. 5 Zum Folgenden Adams, BB 1989, 781 (783 ff.); Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, 1986, S. 170 ff.; Frey, ZIP 1993, 572 (573 f.); Fuchs in UBH, Vorb. v. § 307 Rz. 29, 31 ff.; Gottschalk, AcP 206 (2006), 555 (560); Habersack, AcP 189 (1989), 403 (414 ff.); Köndgen, NJW 1989, 943 (946 ff.); Kötz, JuS 2003, 209 (211 ff.); Leuschner, AcP 207 (2007), 491 (494 ff.), 502 ff.; Leuschner, JZ 2010, 875 (879 f.); Leyen/Schäfer, AcP 210 (2010), 771 (779 ff.); Renner, AcP 213 (2013), 677 (687 f.); Schäfer in FS Ott (2002), S. 279 (282 ff.); Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 552 ff.; von Wangenheim/Rückebeil in Eger/Schäfer (Hrsg.), Ökonomische Analyse der europäischen Zivilrechtsentwicklung, 2007, S. 480 (485 ff.).
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III. Wertungsgrundlagen und Rechtfertigungen | Einf.
nem auf Nutzenmaximierung gerichteten Verhalten verbundene Gefahr ihrer Nachteiligkeit für den Klauselgegner1 wären bei vollständiger Markttransparenz und vollkommenem Wettbewerb kein Problem, weil die AGB dann ebenso wie der Preis und die Qualität eines Produkts bzw. einer Dienstleistung in vollem Umfang von den Präferenzentscheidungen der einzelnen Marktteilnehmer umfasst würden. Durch den Wettbewerbsmechanismus würde sich für jede Qualität von AGB im Laufe der Zeit eine Marktbewertung herausbilden. „Schlechte“ AGB würden vom Markt verschwinden oder müssten vom Verwender mit Zugeständnissen an anderer Stelle, insbesondere mit Preisabschlägen, erkauft werden, weil jedem Klauselrisiko ein bestimmter Erwartungswert zugeordnet würde, der in die Bemessung von Leistung und Gegenleistung einfließen würde. Eine Inhaltskontrolle wäre überflüssig.2 Die Vertragsabschlusssituation unter Verwendung von AGB führt nun allerdings 39 zu der bereits beschriebenen (Rz. 33) Informationsasymmetrie bzw. Transaktionskostenasymmetrie zwischen Klauselverwender und Klauselgegner. Die Asymmetrie wiederum hat zur Folge, dass der Vertragspartner die „Qualität“ der ihm angebotenen AGB nicht beurteilen, sie also auch nicht in die Risikobewertung und Preisgestaltung integrieren kann. Wenn ein Verwender die mit „besseren“ AGB verbundenen Vorteile somit nicht vermitteln kann, ist er außerstande, die mit ihnen verbundenen Kosten als Preis am Markt durchzusetzen. Stattdessen wird derjenige Verwender zum Zuge kommen, der Kostenvorteile durch „schlechte“ AGB kompensiert. Über kurz oder lang würde damit ein „race to the bottom“ einsetzen. Da der Klauselgegner infolgedessen damit rechnen müsste, nur noch „schlechte“ AGB angeboten zu bekommen, würde er diese letztlich ganz meiden wollen, so dass der Markt zusammenbräche. Vor diesem Hintergrund dient das AGB-Recht modelltheoretisch der Kompen- 40 sation von Marktversagen bei einem sog. Akerlof-Markt und erweist sich somit als Instrumentarium zur Lösung des Akzeptanzproblems. Da die Kunden aufgrund der §§ 305 ff. BGB davon ausgehen können, dass die ihnen angebotenen AGB eine bestimmte „Qualität“ aufweisen, können sie auf die kostenintensive Prüfung der Konditionen verzichten, ohne hierdurch Nachteile zu erleiden. Auf diese Weise wird das für den Rechtsverkehr unabdingbare Vertrauen geschützt, auch bei einer Unterwerfung unter die AGB des Vertragspartners nicht übervorteilt zu werden.3 Die volkswirtschaftlich erwünschten Rationalisierungseffekte bleiben somit erhalten. Gegenüber dieser modelltheoretischen Konzeption liegt zwar der Einwand nahe, dass auch „schlechte“ AGB kaum einen Kunden davon abhalten werden, einen Vertrag abzuschließen. Diesem Gedanken lässt sich aber wiederum entgegenhalten, dass eine nicht von beiden Seiten auf der Grundlage umfassender Informationen vorgenommene Verteilung der vertraglichen Risi1 Vgl. Leyen/Schäfer, AcP 210 (2010), 771 (778). 2 So folgerichtig Grunsky, BB 1971, 1113 (1115 ff.). 3 Bachmann, Private Ordnung, 2006, S. 121.
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Einf. | Einführung ken aus rechtsökonomischer Perspektive ineffizient ist und deshalb das für Markttransaktionen zur Verfügung stehende Volumen verringert wird.1
5. Weiterentwicklung durch das Verbraucherschutzrecht 41 Mit der Umsetzung der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in
Verbraucherverträgen durch die AGBG-Novelle von 1996 ist der Verbraucherschutzgedanke ausdrücklich in das AGB-Recht hineingetragen worden.2 Ein Teil des Schrifttums will aus dieser Entwicklung offenbar den Schluss ziehen, dass dem situationsbezogenen Schutz ein neues eher personenbezogenes Schutzkonzept zur Seite gestellt worden ist.3 Ein solcher Wandel wäre für die AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht angesichts der vom BAG4 befürworteten Qualifikation des Arbeitnehmers als Verbraucher i.S.v. § 13 BGB (dazu eingehend § 310 Rz. 14 ff.) von erheblicher Bedeutung. Zwar erfasst die Klausel-Richtlinie als solche ausweislich ihres Erwägungsgrundes 10 keine Arbeitsverträge, weil sie alle Verträge ausklammert, die der beruflichen Tätigkeit des Klauselgegners zugerechnet werden können, ohne dass es – anders als in § 13 BGB – darauf ankommt, ob es sich um eine selbständige oder um eine unselbständige Tätigkeit handelt (vgl. Art. 2 lit. b RL 93/13/EWG). Auch hat der EuGH zur Auslegung der Richtlinie 93/13/EWG klargestellt, dass die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel Sache des nationalen Gerichts ist.5 Daher spielt die Frage, wie bei überschießender Richtlinienumsetzung zu verfahren ist,6 bei der AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht jedenfalls bislang nur eine untergeordnete Rolle. Wenn aber der Schuldrechtsmodernisierungsgesetzgeber mit der Ausdehnung der AGB-Kontrolle auf Arbeitsverträge zumindest im Grundsatz an das AGB-Recht in seiner aktuell vorhandenen Gestalt anknüpfen wollte und das BAG den Arbeitnehmer als Verbraucher einstuft, ergibt sich daraus zwanglos, dass damit auch eine etwaige Erweiterung des AGB-rechtlichen Schutzkonzepts für das Arbeitsrecht bedeutsam wäre.
42 Die Vorstellung einer grundlegend anderen Schutzkonzeption der verbraucher-
schutzrechtlichen Elemente des AGB-Rechts erscheint allerdings überzogen. Tatsächlich knüpft der seinerzeit eingeführte § 24a BGB (nunmehr § 310 Abs. 3 BGB) den AGB-rechtlichen Schutz nicht an die Verbrauchereigenschaft als eine feststehende persönliche Eigenschaft. Vielmehr geht es um einen Schutz, der seine Rechtfertigung daraus bezieht, dass der Einzelne beim Abschluss eines 1 So Leyen/Schäfer, AcP 210 (2010), 771 (784). 2 Siehe nur Roloff in Erman, Vor §§ 305–310 Rz. 7; Schlosser in Staudinger, § 310 Rz. 24; Ulmer/Habersack in UBH, Einl. Rz. 54. 3 Vgl. Damm, JZ 1994, 161 (167). 4 Grdl. BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, AP BGB § 310 Nr. 1 = NZA 2005, 1111. 5 EuGH v. 1.4.2004 – C-237/02, Slg. 2004, I-3403; EuGH v. 26.10.2006 – C-168/05, Slg. 2006, I-10421; EuGH v. 4.6.2009 – C-243/08, Slg. 2009, I-4713. 6 Dazu Höpfner/Rüthers, AcP 209 (2009), 1 (28 ff.) m.w.N.
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III. Wertungsgrundlagen und Rechtfertigungen | Einf.
Vertrags eine bestimmte Rolle einnimmt.1 Insoweit kann man deshalb von einem „rollenspezifischen Unterlegenheitsschutz“ sprechen.2 Die Ähnlichkeit des AGB-bezogenen Verbraucherschutzgedankens mit dem ursprünglichen Schutzkonzept zeigt sich zum einen daran, dass es nach wie vor der Vorformulierung von Vertragsbedingungen bedarf, um das AGB-rechtliche Schutzinstrumentarium zu aktivieren. Zum anderen lassen sich die verbraucherschutzrechtlichen Sonderregeln des § 310 Abs. 3 BGB zu einem erheblichen Teil nahtlos in das Modell eines Schutzes bei situationsbezogener Unterlegenheit infolge einer Informationsasymmetrie integrieren. Zunächst besteht auch bei den von § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB thematisierten Drittbedingungen regelmäßig ein Informationsvorsprung des Verwenders. Weiter ändert auch der Umstand, dass vorformulierte Vertragsbedingungen lediglich zur einmaligen Verwendung bestimmt sind (vgl. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB), nichts daran, dass ein Unternehmer aufgrund seines allgemeinen Erfahrungswissens üblicherweise mit einem erheblich geringeren Aufwand als der Verbraucher ein Klauselwerk gedanklich durchdringen kann. Zwar stellt diese Regelung zusätzlich auf die fehlende Einflussnahme des Verbrauchers auf den Inhalt der vorformulierten Vertragsbedingungen ab. Dies besagt aber nicht, dass es im Rahmen des Verbraucherschutzes auf ein allgemeines Machtungleichgewicht ankommt. Vielmehr kann die Vorschrift ohne Schwierigkeiten dahin verstanden werden, dass die Vorformulierung den Verbraucher deshalb davon abgehalten hat, auf eine Änderung der Konditionen zu dringen, weil der damit verbundene Aufwand im Verhältnis zum Ertrag zu zeitund kostenintensiv gewesen wäre. Schließlich legt es die durch § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB angeordnete Berücksichtigung der den Vertragsschluss begleitenden Umstände nahe, insoweit auf etwaige Erläuterungen abzustellen, durch die dem Klauselgegner eine bei abstrakt-genereller Betrachtung intransparente Regelung verdeutlicht worden ist. In diesem Sinne hat jedenfalls das BAG die Bestimmung angewendet3 und damit der Sache nach das Schutzkonzept des Ausgleichs von Informationsasymmetrien zugrunde gelegt. In dieselbe Richtung lassen sich auch die Ausführungen des EuGH deuten, wenn er im Hinblick auf das Schutzsystem der Richtlinie 93/13/EWG in ständiger Judikatur von einem geringeren Informationsstand des Verbrauchers spricht.4 Dies korrespondiert mit dem europäischen 1 Leuschner, AcP 207 (2007), 491 (505). 2 Hommelhoff/Wiedenmann, ZIP 1993, 562 (565); zust. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 90; näher zur Konzeption eines situationsbezogenen Verbraucherschutzrechts Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998, S. 284 ff. 3 BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, AP ArbZG § 6 Nr. 8 = NZA 2006, 324 Rz. 49; ferner BAG v. 25.4.2007 – 6 AZR 622/06, AP InsO § 113 Nr. 23 = NZA 2008, 1135 Rz. 37. 4 EuGH v. 27.6.2000 – C-240/98 bis C-244/98, Slg. 2000, I-4941 = NJW 2000, 2571 Rz. 25; EuGH v. 26.10.2006 – C-168/05, Slg. 2006, I-10421 = NJW 2007, 135 (Rz. 25); EuGH v. 4.6.2009 – C-243/08, Slg. 2009, I-4713 = NJW 2009, 2367 Rz. 22; EuGH v. 3.6.2010 – C-484/08, Slg. 2009, I-4716 = NJW 2010, 2265 Rz. 27; EuGH v. 15.3.2012 – C-453/10, NJW 2012, 1781 Rz. 27; EuGH v. 26.4.2012 – C-472/10, ZIP 2012, 2020 Rz. 33; EuGH
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Einf. | Einführung Verbraucherrechtsmodell, das generell auf umfassende Unterrichtungspflichten setzt, um eine möglichst informierte Entscheidung zu ermöglichen.1 43 Allerdings spielt der Gedanke des Ausgleichs eines Machtungleichgewichts zwi-
schen Verbraucher und Unternehmer durchaus eine Rolle. Zu den gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB berücksichtigungsfähigen Begleitumständen zählt der Erwägungsgrund 16 der Richtlinie 93/13/EWG nämlich auch das Kräfteverhältnis zwischen den Verhandlungspositionen der Parteien. Dazu passt es, dass der EuGH in ständiger Judikatur zusätzlich die schwächere Verhandlungsposition des Verbrauchers als Schutzgrund nennt.2 Dementsprechend rechnet auch das BAG persönliche Eigenschaften des individuellen Vertragspartners, die sich auf die Verhandlungsstärke auswirken, zu den zu berücksichtigenden Aspekten.3 So ist bei einem Änderungsvertrag die stärkere Stellung des Arbeitnehmers gegenüber einem von außen kommenden Bewerber zugunsten der Wirksamkeit einer Klausel berücksichtigt worden.4 Weiter hat das BAG zumindest erwogen, den Umstand in Rechnung zu stellen, dass eine Abrede über die Rückzahlung von Ausbildungskosten erst nach dem Abschluss der Schulungsmaßnahme getroffen wurde und der Arbeitnehmer deshalb nicht mehr unter dem Druck einer Verknüpfung von Teilnahme an der Fortbildung und Abschluss der Rückzahlungsvereinbarung stand.5 Ferner hat die in einer jüngeren Entscheidung vom BAG benutzte Wendung der „vom Arbeitgeber als wirtschaftlich Stärkerem gestellten
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v. 14.6.2012 – C-618/10, NJW 2012, 2257 Rz. 39; EuGH v. 21.2.2013 – C-472/11, NJW 2013, 987 Rz. 19; EuGH v. 30.5.2013 – C-488/11, NJW 2013, 2579 Rz. 31; EuGH v. 30.4. 2014 – C-26/13, NJW 2014, 2335 Rz. 39; EuGH v. 15.1.2015 – C-537/13, NJW 2015, 1289 Rz. 22; EuGH v. 3.9.2015 – C-110/14, ZIP 2015, 1882 Rz. 18. Zum Verbraucherleitbild im europäischen Recht Dreher, JZ 1997, 167 (170 ff.). Erhellend auch Micklitz, Gutachten zum 69. DJT, Bd. I (2012), S. A 13 ff. mit der Gegenüberstellung von materialisiertem Verbraucherschutzrecht und (europäischem) reformalisiertem Verbraucherrecht europarechtlicher Provenienz. EuGH v. 27.6.2000 – C-240/98 bis C-244/98, Slg. 2000, I-4941 = NJW 2000, 2571 Rz. 25; EuGH v. 26.10.2006 – C-168/05, Slg. 2006, I-10421 = NJW 2007, 135 Rz. 25; EuGH v. 4.6. 2009 – C-243/08, Slg. 2009, I-4713 = NJW 2009, 2367 Rz. 22; EuGH v. 3.6.2010 – C-484/ 08, Slg. 2009, I-4716 = NJW 2010, 2265 Rz. 27; EuGH v. 15.3.2012 – C-453/10, NJW 2012, 1781 Rz. 27; EuGH v. 26.4.2012 – C-472/10, ZIP 2012, 2020 Rz. 33; EuGH v. 14.6.2012 – C-618/10, NJW 2012, 2257 Rz. 39; EuGH v. 21.2.2013 – C-472/11, NJW 2013, 987 Rz. 19; EuGH v. 30.5.2013 – C-488/11, NJW 2013, 2579 Rz. 31; EuGH v. 30.4.2014 – C-26/13, NJW 2014, 2335 Rz. 39; EuGH v. 15.1.2015 – C-537/13, NJW 2015, 1289 Rz. 22; EuGH v. 3.9.2015 – C-110/14, ZIP 2015, 1882 Rz. 18. BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, AP ArbZG § 6 Nr. 8 = NZA 2006, 324 Rz. 46; BAG v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08, AP BGB § 309 Nr. 4 Rz. 49; BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 41 = NZA 2009, 666 Rz. 14. BAG v. 28.5.2009 – 8 AZR 296/07, AP BGB § 306 Nr. 6 = NZA 2009, 1337 Rz. 49. BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 173/08, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 42 = NZA 2010, 342 Rz. 44; siehe auch BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 44 = NZA 2012, 85 Rz. 32.
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III. Wertungsgrundlagen und Rechtfertigungen | Einf.
Allgemeinen Geschäftsbedingungen“1 wenig mit dem Gedanken einer situativen Unterlegenheit beim Arbeitsvertragsschluss, dafür aber viel mit der Vorstellung einer strukturellen Unterlegenheit des Arbeitnehmers zu tun. Entscheidungen, nach denen ein- und derselbe Klauselinhalt je nach der bestehenden Verhandlungsmacht in einem konkreten Fall als wirksam und im anderen konkreten Fall als unwirksam qualifiziert wurde, sind indes nicht ersichtlich. Der Verbraucherschutzgedanke hat nach alledem zwar neue Aspekte in die AGB-rechtliche Kontrolle eingeführt. Von einem grundlegenden Konzeptionswandel kann indes keine Rede sein. Vielmehr bleibt es bei eher moderaten Annäherungen an das traditionelle Modell des Arbeitnehmerschutzes, das auf der Vorstellung einer strukturellen Unterlegenheit des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber beruht, der mit schlichten Informationspflichten über die mit dem Arbeitsvertrag verbundenen Risiken nicht beizukommen ist. Darüber hinaus ist an die geschilderte Bandbreite der Vertragsabschlusssituationen bei Arbeitsverhältnissen (Rz. 5) zu erinnern, die über die nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB zu berücksichtigenden Begleitumstände in die AGB-Kontrolle einfließen. An alledem hat sich durch die europäische Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU, die nur zu einer geringfügigen Modifikation der Klauselrichtlinie 93/13/EWG geführt hat, nichts geändert.
6. Bedeutung für die AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht Ob sich die im allgemeinen AGB-Recht entwickelten Konzeptionen zur Recht- 44 fertigung der Inhaltskontrolle harmonisch in das Arbeitsrecht einfügen2 oder eher ein Fremdkörper sind,3 ist umstritten. Kaum leugnen lässt sich jedenfalls, dass sich die neueren Ansätze in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Inhaltskontrolle im Arbeitsrecht befinden, die traditionellerweise unabhängig vom konkreten Prozedere des Vertragsschlusses auf eine persönliche Unterlegenheit des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber beim Abschluss arbeitsvertraglicher Vereinbarungen gestützt wird.4 Zu Friktionen kommt es allerdings 1 BAG v. 15.12.2016 – 6 AZR 478/15, AP TV SozSich § 4 Nr. 6 = NZA-RR 2017, 305 Rz. 29; ähnl. BAG v. 11.4.2018 – 4 AZR 119/17, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 143 = NZA 2018, 1273 Rz. 51: „schwächerer Vertragspartner“. 2 In diesem Sinne Reichold in FS 50 Jahre BAG (2004), S. 153, 159 (173); ferner – wenngleich von einem anderen Ausgangspunkt („gleichartige Unterlegenheitsstruktur“) aus – auch Derleder, AuR 2004, 361 (367). 3 In diesem Sinne Reuter in FS 50 Jahre BAG (2004), S. 177 (179); Zöllner, ZfA 2010, 637 (644). 4 Siehe nur BAG v. 31.10.1969 – 3 AZR 119/69, AP BGB § 242 Ruhegehalt – Unterstützungskassen Nr. 1 („gestörte Vertragsparität“); eingehend Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992, S. 184 ff.; ferner gerade im Hinblick auf allgemeine Arbeitsbedingungen Säcker, Allgemeine Arbeitsbedingungen im Schnittpunkt von Privatund Kollektivautonomie, 1970, S. 68 ff., dessen Darlegungen aber durchaus Berührungspunkte mit dem Modell einer (bloß) situativen Unterlegenheit aufweisen.
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Einf. | Einführung nur im Hinblick auf diejenigen Konzeptionen, bei denen die Gesichtspunkte der Informationsasymmetrie bzw. der Transaktionskostenasymmetrie im Vordergrund stehen. Dagegen trifft der Aspekt, im Interesse des allgemeinen Rechtsverkehrs auf einen angemessenen Inhalt der in der Praxis verwendeten AGB hinzuwirken, auch auf das Arbeitsleben zu,1 wobei freilich nicht übersehen ist, dass es im Arbeitsrecht an der hierfür in erster Linie geeigneten Verbandsklage gerade fehlt und die im Individualprozess ergehende Entscheidung nicht automatisch dazu führt, dass eine unzulässige Klausel aus dem Rechtsverkehr entfernt wird (dazu Rz. 131 ff.). 45 Gegen eine Übertragung des informationsbezogenen Ansatzes werden im We-
sentlichen zwei Einwände vorgebracht: Zum einen wird angezweifelt, dass es beim Abschluss von Arbeitsverträgen überhaupt eine der Situation beim allgemeinen Verbrauchergeschäft vergleichbare Informationsasymmetrie gibt.2 Zum anderen stellt man infrage, ob die für die AGB-Kontrolle sprechenden Gründe überhaupt mit den Gründen identisch sind, die eine Inhaltskontrolle von arbeitsvertraglichen Regelungen legitimieren.3 Beide Einwände laufen im Kern darauf hinaus, dass die spezifisch AGB-rechtlichen Kontrollmechanismen im Hinblick auf eine Kontrolle von arbeitsvertraglichen Vereinbarungen dysfunktional seien, man also „Äpfel mit Birnen“ vergleiche.
46 Soweit es um das grundsätzliche Vorhandensein einer Informationsasymmetrie
beim Abschluss von Arbeitsverträgen geht, lässt sich in der Tat nicht bestreiten, dass das informatorische Ungleichgewicht in vielen Fällen deutlich geringer ausfällt als bei einem Vertragsschluss im allgemeinen Geschäftsverkehr. Zunächst sind zahlreiche vorformulierte Arbeitsverträge vergleichsweise kurz und lassen auf den ersten Blick erkennen, „was auf den Arbeitnehmer zukommt“, wenn er sich auf den Vertragsschluss einlässt. So kann etwa bei einer hinreichend klar formulierten Ausschlussfrist von einem Monat nicht zweifelhaft sein, dass der Arbeitnehmer alle Ansprüche eben in einem Monat geltend machen muss. Das Problem liegt in diesem Fall nicht in der mangelnden Information über den Klauselinhalt, sondern im Klauselinhalt selbst. Sodann ist der Abschluss eines Arbeitsvertrags für einen Arbeitnehmer regelmäßig von herausragender Bedeutung, so dass er häufig auch den Nebenbestimmungen größere Aufmerksamkeit zuwendet als etwa den AGB beim Kauf eines beliebigen Artikels in einem Elektromarkt. Weiter werden vorformulierte Arbeitsverträge den Arbeitnehmer nicht selten vor dem eigentlichen Vertragsschluss überlassen, um dem Arbeitnehmer die Gelegenheit zu geben, sich mit den einzelnen Konditionen vertraut zu machen, was nicht zuletzt auch im Arbeitgeberinteresse liegen kann (z.B. im Hinblick auf Verschwiegenheitspflichten). Zudem lassen ins-
1 Ebenso BAG v. 23.9.2010 – 8 AZR 897/08, AP BGB 3 307 Rz. 48 = NZA 2011, 89 Rz. 37. 2 So bereits Hromadka in FS Dieterich (1999), S. 251 (256); ferner Stöhr, ZfA 2013, 213 (217 f.). 3 Reuter in FS 50 Jahre BAG (2004), S. 177 (179).
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III. Wertungsgrundlagen und Rechtfertigungen | Einf.
besondere leitende Angestellte mittlerweile nicht selten eine Vorabkontrolle durch selbst beauftragte Rechtsanwälte durchführen. Da Arbeitnehmer im Allgemeinen an einer längerfristigen Kooperation interessiert sind, kann das Vertragsvolumen, auf das in der neueren Diskussion über die Berechtigung einer AGB-Kontrolle vermehrt abgestellt wird,1 in Gestalt mehrerer Jahresgehälter eine beträchtliche Höhe erreichen, so dass die Transaktionskosten-Vertragswert-Relation häufig keineswegs so ungünstig ist wie beim einfachen Umsatzgeschäft. Darüber hinaus richtet sich die Aufmerksamkeit von Arbeitnehmern in der Abschlussphase nicht selten auf einzelne Klauseln wie etwa die Befristung einer Zulage, ohne dass diese sogleich zum Gegenstand echter Verhandlungen gemacht werden. Kurz gesagt ist die Vertragsabschlusssituation bei Arbeitsverhältnissen durch eine außerordentliche Vielgestaltigkeit gekennzeichnet, die keineswegs stets zu einer informationellen Unterlegenheit führt, wodurch sie sich von der standardisierten Vertragsabschlusssituation im rechtsgeschäftlichen Massenverkehr nicht unerheblich unterscheidet. Dieser Befund schließt es selbstverständlich nicht aus, dass auch beim Abschluss 47 von Arbeitsverträgen vielfach eine Informationsasymmetrie auftreten und eine umfassende Analyse der einzelnen Klauseln den Arbeitnehmer überfordern kann, was auch in der Judikatur des BAG zuweilen anklingt.2 So unterzeichnen insbesondere einfache Arbeitnehmer das vorgelegte Klauselwerk nicht selten nach flüchtigem Durchlesen, ohne den Bedeutungsgehalt der Vereinbarungen wirklich erfasst zu haben.3 Hiervon ist aber auch bei höher qualifizierten Arbeitnehmern auszugehen, wenn es sich etwa um komplizierte Entgeltsysteme oder um Regelungen über die betriebliche Altersversorgung handelt. Da Formulararbeitsverträge jedenfalls in großen Unternehmen immer wieder Änderungen unterzogen werden, deren Anlass im Laufe der Zeit insbesondere bei einem Wechsel in der Personalabteilung in Vergessenheit geraten kann, kann die Komplexität im Übrigen bisweilen sogar so weit gehen, dass selbst die Vertreter der Arbeitgeberseite die Bedeutung bestimmter Klauseln nicht auf Anhieb erläutern können. Dies ändert zwar nichts an der dem Arbeitgeber als Verwender zuzurechnenden normativen Kenntnis über den Klauselinhalt, belegt aber, dass eine Informationsasymmetrie beim Abschluss von Arbeitsverträgen nicht deshalb ausscheidet, weil der Regelungsgehalt arbeitsvertraglicher Vereinbarungen von einem durchschnittlichen Arbeitnehmer stets auf einen Blick problemlos erfasst werden kann. 1 Becker, JZ 2010, 1098 (1104 ff.); Leuschner, JZ 2010, 875 (884); Leyens/Schäfer, AcP 210 (2010), 771 (793 ff.); Müller/Griebeler/Pfeil, BB 2009, 2658 (2662). 2 Vgl. BAG v. 24.8.2017 – 8 AZR 378/16, AP BGB § 309 Nr. 7 = NZA 2018, 100 (Rz. 24), wo die Einschränkung der Vertragsabschlussfreiheit des Arbeitnehmers gerade auf die mangelnde Transparenz einer Vertragsstrafenklausel zurückgeführt wird; zur Rolle der Abschlusstransparenz für den Erfolg des Höhergruppierungsbegehrens einer Lehrkraft BAG v. 21.12.2017 – 6 AZR 803/16, AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 195 (Rz. 13, 15). 3 Zu entsprechenden US-amerikanischen Studien siehe Eigen, Connecticut Law Review 41 (2008), 381 (409 ff.).
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Einf. | Einführung 48 Selbst wenn es also zumindest in einzelnen Fällen ein informatorisches Un-
gleichgewicht über den Bedeutungsgehalt der AGB gibt, ist damit allerdings noch nicht die Geeignetheit gerade des AGB-rechtlichen Schutzinstrumentariums dargetan. Die Zweifel werden dadurch genährt, dass die AGB-Kontrolle zumindest zu großen Teilen auf ein Marktversagen als Folge einer Informationsasymmetrie reagieren will (Rz. 33), während der fehlende Einfluss des Arbeitnehmers auf die Gestaltung der Arbeitsbedingungen offenbar eher in anderen Umständen zu suchen ist (dazu näher Rz. 52). Ausgangspunkt ist insoweit die Überlegung,1 dass kein Anlass für eine staatliche Intervention in vertragliche Vereinbarungen besteht, wenn die von einer Verhandlungspartei angebotenen Konditionen von der anderen Verhandlungspartei umfassend analysiert werden können und die damit verbundenen Risiken entweder bewusst akzeptiert werden oder bei fehlender Akzeptanz die Möglichkeit besteht, problemlos auf einen anderen Anbieter von vertraglichen Konditionen auszuweichen. Geht man vom Idealbild eines uneingeschränkten Konditionenwettbewerbs aus, werden somit auch die Nebenbedingungen zum Gegenstand der Marktentscheidung des Klauselgegners durch Vertragsverhandlungen („voice“) oder Abwanderung („exit“). Im Zentrum dieses Modells steht demnach der souverän entscheidende Klauselgegner, der durch seine Präferenzentscheidung die Qualität der angebotenen AGB beeinflusst.
49 Unter dieser Prämisse ist kein Raum für eine Angemessenheitskontrolle, weil
die Parteien bei einer in jeder Hinsicht fehlerfreien Entscheidung bis zur Grenze des zwingenden Rechts bzw. der Sittenwidrigkeit grundsätzlich jeden beliebigen Vertragsinhalt vereinbaren können, auch wenn er sich bei der Vertragsabwicklung erheblich zum Nachteil einer Vertragspartei auswirkt. Aufgabe des AGBRechts ist es vor diesem Hintergrund zum einen, auf Nebenbedingungen hinzuwirken, die eine informierte Marktentscheidung gewährleisten, was insbesondere am Transparenzgebot deutlich wird, indem dieses Gebot auf eine Klauselfassung dringt, die eine bewusste Auswahlentscheidung des Klauselgegners ermöglicht. Zum anderen substituiert das AGB-Recht den Umstand, dass es aufgrund der besonderen Vertragsabschlusssituation zu keiner umfassenden Analyse der Nebenbedingungen und damit zu keiner bewussten Aufnahme aller Detailregelungen in den rechtsgeschäftlichen Willen des Klauselgegners kommt, indem es eine Kontrolle der Klauseln auf inhaltliche Angemessenheit vorschreibt. Nach dieser Konzeption dient das AGB-rechtliche Kontrollregime mit seiner Kombination aus primärer Unterstützung einer Selbsthilfe und sekundärer Intervention in materiell unangemessene Vertragsinhalte2 allein der Bewältigung eines Marktversagens, das aus der Intransparenz der Nebenbestimmungen erwächst. Bei vollständiger Transparenz und vollständigem Wettbewerb wäre sie entbehrlich.
1 Dazu vor allem Köndgen, NW 1989, 943 (946 ff.). 2 Zu den verschiedenen Regulierungsmechanismen Hart, AG 1984, 66 (74 f.).
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III. Wertungsgrundlagen und Rechtfertigungen | Einf.
Nun lässt sich auf den ersten Blick argumentieren, dass ein Arbeitnehmer die 50 Wahl des Arbeitsplatzes kaum jemals von der „Qualität“ der Nebenbedingungen, also beispielsweise von der Transparenz einer Ausschlussfrist, abhängig machen wird.1 Selbst bei einer modellhaft unterstellten umfassenden Informiertheit würde sich der Arbeitnehmer bei seiner Entscheidung über den Abschluss des Arbeitsvertrags praktisch ausschließlich an den Hauptkonditionen, nämlich an der Ausgestaltung des Arbeitsplatzes mitsamt seiner Lokalisation sowie dem dafür gezahlten Entgelt, orientieren. Eine Konkurrenz zwischen den arbeitsvertraglichen Nebenbedingungen verschiedener Arbeitgeber würde somit auch im Idealbild eines vollinformierten Arbeitnehmers als Klauselgegner nicht stattfinden. Wenn die AGB-Kontrolle ausschließlich den Umstand kompensieren soll, dass es infolge einer Informationsasymmetrie zu keinem Wettbewerb um Nebenkonditionen kommt, ein solcher Wettbewerb aber ohnehin illusorisch ist, könnte man daraus prima facie den Schluss ziehen, dass eine spezifisch AGB-rechtliche Kontrolle bei arbeitsvertraglichen Vereinbarungen mangels einer Kausalität zwischen informationeller Unterlegenheit und Abschlussentscheidung funktionswidrig ist. Diese Überlegung kann man anders als im allgemeinen AGB-Recht2 nicht schon damit kontern, dass die Marktentscheidung eben doch an der konkreten Ausgestaltung der Nebenbedingungen orientiert sei, so dass etwa die Intransparenz einer Ausschlussfrist die Entschließungs- und Auswahlfreiheit des Arbeitnehmers beeinträchtigt.3 Vielmehr scheint die These von der Dysfunktionalität des AGB-Rechts noch dadurch verstärkt zu werden, dass der Gesetzgeber die Vorschrift des § 305 Abs. 2 BGB, die ein wichtiges Element für die Gewährleistung von Abschlusstransparenz darstellt,4 für den Bereich des Arbeitsrechts durch § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 BGB gerade ausgeschaltet hat und diese legislative Entscheidung auch nicht durch eine analoge Anwendung von § 305 Abs. 2 BGB korrigiert werden kann.5 Allerdings darf man diesen Aspekt nicht zu hoch gewichten, weil der zur Begründung der Unanwendbarkeit gegebene Hinweis auf das NachwG6 offenbar auf Fehlvorstellungen über die Voraussetzungen und die Wirkungsweise des NachwG beruht (näher dazu § 310 Rz. 63 ff.). Vor allem aber ist dem Einwand fehlender Kausalität entgegenzuhalten, dass er 51 gedanklich auf dem Bestehen einer strukturellen Unterlegenheit aufbaut, die 1 Zu diesem Aspekt ansatzweise auch Stoffels, ZfA 2009, 861 (878). 2 Dazu Coester in Staudinger, § 307 Rz. 176. 3 Zur Bedeutung transparenter Nebenbedingungen für die Entschließungs- und Auswahlfreiheit eindringlich BGH v. 12.10.2005 – IV ZR 162/03, NJW 2005, 3559 (3565). 4 Vgl. Coester in Staudinger, § 307 Rz. 176. 5 BAG v. 14.3.2007 – 5 AZR 630/06, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 45 = NZA 2008, 45 (Rz. 21); BAG v. 15.4.2008 – 9 AZR 159/07, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 38 (Rz. 68); BAG v. 14.11.2012 – 5 AZR 107/11, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 118 (Rz. 17); BAG v. 19.3.2014 – 5 AZR 252/12, AP BGB § 130 Nr. 26 = NZA 2014, 1076 Rz. 56. 6 BT-Drucks. 14/6857, S. 54.
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Einf. | Einführung den Arbeitnehmer dazu bringt, auch solche Konditionen zu akzeptieren, mit denen er eigentlich nicht einverstanden ist. Demgegenüber baut das Modell des Konditionenwettbewerbs konzeptionell gerade auf der Annahme gleicher Wettbewerbsbedingungen für alle Marktteilnehmer und damit auf der Möglichkeit souveräner Entscheidungen der Klauselgegner auf, so dass die Vornahme oder das Unterlassen einer Transaktion ausschließlich auf einer subjektiven Präferenzentscheidung, nicht aber auf Umständen beruht, die eine gegen die eigenen Interessen gerichtete Entscheidung erzwingen oder doch zumindest nahelegen, weil die Verweigerung des Vertragsabschlusses keine sinnvolle Option ist. Ein vollinformierter und auf einen bestimmten Arbeitsplatz angesichts zahlreicher anderer identischer Arbeitsplätze nicht angewiesener Arbeitnehmer würde nur angemessene Nebenkonditionen akzeptieren bzw. sich auf unangemessene Nebenkonditionen indes nicht einlassen. Selbst wenn die AGB-Kontrolle also nur eine Informationsasymmetrie kompensieren sollte, kann sie bei Arbeitsverhältnissen nicht allein deshalb entfallen, weil zu einer im Einzelfall bestehenden informationellen Unterlegenheit in der Realität noch eine strukturelle Unterlegenheit hinzukommt. 52 Nun greift es ohnehin zu kurz, das Fehlen eines Einflusses des Arbeitnehmers
auf die Gestaltung der Nebenkonditionen ausschließlich auf eine Informationsasymmetrie und eine daraus resultierende Transaktionskostenasymmetrie zurückführen.1 Vielmehr wird man die Akzeptanz auch eindeutig nachteiliger Klauseln zusätzlich einer Reihe von anderen Gründen zuzuschreiben haben, ohne dass man in jedem Fall auf die Theorie von der inversen Reaktion des Arbeitsmarkts2 zurückgreifen muss. So wird der Arbeitnehmer, dem im Rahmen eines Stellenbesetzungsverfahrens an einer positiven Auswahlentscheidung gelegen ist, nicht durch ein allzu offensives Verlangen nach einer Änderung von Nebenbedingungen das Missfallen des Arbeitgebers erregen wollen. Da zu Beginn eines Arbeitsverhältnisses regelmäßig beide Seiten an einem guten Arbeitsklima und am Aufbau einer langfristigen Vertrauensbeziehung interessiert sind, wird es vielfach fernliegen, diese Phase durch langwierige Vertragsverhandlungen zu belasten.3 Ferner wird ein Arbeitnehmer solche Klauseln nicht thematisieren, die nur für den Fall gescheiterter oder beendeter Vertragsbeziehungen zum Tragen kommen sollen.4 Wie das BVerfG mit Recht hervorgehoben hat, würde ein an diesem Punkt hartnäckig verhandelnder Arbeitnehmer nämlich Zweifel an seinem ernsthaften Willen zur Begründung eines dauerhaften Arbeitsverhältnis-
1 So aber Reichold in FS 50 Jahre BAG (2004), S. 153, 159 (173); gegen eine monistische Reduktion auf den Gesichtspunkt der informationellen Unterlegenheit gerade im Arbeitsrecht indes schon Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen (1995), S. 28 ff. 2 Siehe dazu bereits die Nachweise in Rz. 14 Fn. 1, S. 9. 3 Ähnl. Stöhr, ZfA 2013, 213 (218 f.). 4 So bereits Dieterich, RdA 1995, 129 (135).
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III. Wertungsgrundlagen und Rechtfertigungen | Einf.
ses hervorrufen und damit die Chancen auf eine Einstellung erheblich verringern.1 Dies gilt etwa für eine aus der Sicht des Arbeitnehmers zu stark belastende Vertragsstrafenregelung, weil er einerseits regelmäßig nicht damit rechnet, dass sie jemals aktuell werden wird, und er andererseits nicht von vornherein den Eindruck erwecken will, mit dem Gedanken an einen Vertragsbruch zu spielen. Vergleichbares gilt für Verschwiegenheitspflichten. Zuweilen wird auch die Einbettung bestimmter Klauseln in den betrieblichen Zusammenhang einem näheren Aushandeln entgegenstehen. Dies gilt grundsätzlich für alle „systemischen“ Regelungen, die Fragen betreffen, die nicht nur das bipolare Rechtsverhältnis zwischen den Vertragsparteien betreffen, sondern betriebs- bzw. unternehmensweite Bedeutung haben, wie etwa Kurzarbeitsklauseln oder Ruhegeldordnungen. Kurz gesagt beruht der fehlende Einfluss des Arbeitnehmers auf den Inhalt der Arbeitsbedingungen zu großen Teilen auf Umständen, die mit einer Informationsasymmetrie nichts zu tun haben und die sich darüber hinaus nicht unerheblich von der Situation beim Abschluss eines Konsumentengeschäfts unterscheiden, das dem AGB-Recht vorschwebt. Die entscheidende Frage ist daher, ob es gleichwohl gerechtfertigt ist, im Arbeits- 53 recht gerade an den Umstand des Stellens einer vorformulierten Vertragsklausel für das Eingreifen des AGB-rechtlichen Kontrollregimes anzuknüpfen. Nun gibt es schon im allgemeinen AGB-Recht keinen zwingenden Grund, die AGB-Kontrolle monokausal auf den Gesichtspunkt einer Informationsasymmetrie zu stützen,2 auch wenn dieser Aspekt aus gutem Grund eine prominente Rolle einnimmt. Vielmehr ist schon für das allgemeine Zivilrecht zutreffend herausgearbeitet worden, das sich eine AGB-Kontrolle auch dann rechtfertigen lässt, wenn zwar kein Informationsdefizit besteht, sowohl die Entscheidungsalternativen eines Verhandelns als auch eines Absehens vom Vertragsschluss aber aus anderen Gründen als unzumutbar zu qualifizieren sind.3 Man kann sogar noch einen Schritt weiter gehen und als Legitimation der Inhaltskontrolle nicht die Art und Weise des Zustandekommens des Vertrags als solche ansehen, sondern die Vertragsabschlusssituation nur als Aufgreifkriterium einstufen, das eine rechtlich ansonsten nur schwer fassbare Unterlegenheit des Klauselgegners kennzeichnet und an klare Voraussetzungen bindet.4 So macht das Stellen von Neben1 BVerfG v. 15.7.1998 – 1 BvR 1554/89, 963, 964/94, BVerfGE 98, 265 (396). 2 In diesem Sinne auch Oetker, AcP 212 (2012), 201 (219 f.); Preis in FS Richardi (2007), S. 339 (341). 3 Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, 1996, S. 759 f.; Coester in Staudinger, § 307 Rz. 179; Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998, S. 339 ff.; Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, 2010, S. 567 ff.; Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, 1982, S. 150. 4 So Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, 1998, S. 344 ff.; Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, 2010, S. 567 ff.; in diesem Sinne auch Preis in FS Ri-
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Einf. | Einführung konditionen anstatt eines Aushandelns der einzelnen Vertragsbedingungen nur dann einen Sinn, wenn der Arbeitgeber nicht zuletzt aufgrund von Erfahrungswerten davon ausgehen kann, sie gegenüber den Arbeitnehmern gleichförmig durchsetzen zu können, was eine überlegene Verhandlungsmacht indiziert. 54 Dass auch außerhalb der Verwendung von AGB von einer typischerweise beste-
henden strukturellen Unterlegenheit des Arbeitnehmers auszugehen ist, liefert entgegen einer zuweilen vertretenen Ansicht1 kein hinreichendes Gegenargument. Betrachtet man die Vertragsabschlusssituation näher, kann nämlich nicht in Abrede gestellt werden, dass die Konfrontation mit bereits ausformulierten Vertragskonditionen die schon vorhandene Unterlegenheit noch vertieft, indem sie beim Arbeitnehmer regelmäßig den Eindruck erweckt, als handele es sich um die betriebsübliche Regelung, die bei einer Tätigkeit in diesem Betrieb als vorgegebene Ordnung eben zu akzeptieren sei. Insoweit gelten dieselben verhaltenstheoretischen Überlegungen wie im allgemeinen AGB-Recht (Rz. 34). Die Anwendung AGB-rechtlicher Kontrollmechanismen ist indes nicht nur dann gerechtfertigt, wenn die Unterlegenheitssituation im Wesentlichen erst durch die spezifische Form des Vertragsschlusses zum Ausdruck kommt, sondern auch dann, wenn sie davon losgelöst bereits besteht und durch die Art und Weise des Zustandekommens des Vertrags nur verstärkt wird.2 Das AGBRecht ist somit flexibel genug, auch diejenigen Ursachen zu integrieren, aufgrund derer es gerade im Arbeitsverhältnis dazu kommt, dass der Arbeitgeber seine Vertragsgestaltungsmacht einseitig ausüben kann. Dennoch ist nicht zu übersehen, dass die im allgemeinen AGB-Recht inzwischen dominierende Konzeption der Informationsasymmetrie bzw. Transaktionskostenasymmetrie im Arbeitsrecht nur eine untergeordnete Rolle spielt. Es ist daher auch kein Zufall, wenn die Bundesregierung in den Gesetzesmaterialen im Zusammenhang mit der Ausdehnung des AGB-Kontrolle auf das Arbeitsrecht die existenzielle Angewiesenheit des Arbeitnehmers auf einen Arbeitsplatz, nicht aber den Ausgleich einer informationellen Unterlegenheit hervorhebt.3
55 Die namentlich von Zöllner4 und Reuter5 vorgebrachten grundsätzlichen Ein-
wände gegen die Übertragung gerade des AGB-rechtlichen Kontrollregimes auf
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chardi (2007), S. 339 (341); ähnl. Enderlein, Rechtspaternalismus im Vertragsrecht, 1996, S. 255; ferner Sedlmeier, Rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung im Verbrauchervertrag, 2012, S. 263: Vorformulierung als Indiz für fehlenden vertragsgestaltenden Einfluss des Klauselgegners bei gleichzeitigem Fehlen eines wirkungsvollen Konditionenwettbewerbs. Fastrich, RdA 1997, 65 (77 f.); Hromadka in FS Dieterich (1999), S. 251 (256); Zöllner, RdA 1989, 153 (156); Zöllner, ZfA 2010, 637 (644). In diesem Sinne auch Wiedemann/Wank, JZ 2013, 340 (345) mit ihrer Differenzierung zwischen generell marktbezogenen sozialen Schieflagen und konkret entscheidungsbezogenen individuellen Schieflagen. Vgl. BT-Drucks. 14/6857, S. 53. Zöllner, AcP 176 (1976), 221 (244 f.); Zöllner, RdA 1989, 152 (156 f.). Reuter in FS 50 Jahre BAG (2004), S. 177 (183 ff.).
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Arbeitsverträge vermögen an den vorstehenden Überlegungen nichts zu ändern. Dies gilt zunächst für das Argument, dass der Einfluss der Arbeitnehmerseite auf den Inhalt der Arbeitsbedingungen gerade bei Einheitskonditionen stärker als bei individuell ausgehandelten Vereinbarungen sei, so dass eine verstärkte Kontrolle von Formulararbeitsverträgen nicht nur entbehrlich, sondern geradezu kontraindiziert sei. Soweit es um den institutionalisierten Einfluss durch Gewerkschaften und Betriebsräte geht, ist empirisch nicht belegt, dass sie innerhalb ihres jeweiligen Zuständigkeitsbereichs wirksam für einen angemessenen Inhalt von einheitlichen Arbeitsvertragsbedingungen sorgen und aus diesem Grund im betrieblichen Alltag im Wesentlichen nur noch inhaltlich unbedenkliche Nebenkonditionen verwendet werden. Zudem befinden sich zahlreiche Arbeitsverhältnisse von vornherein außerhalb der Einflussmöglichkeiten von Gewerkschaften und Betriebsräten. Ferner belegt gerade die zurückgehende Tarifbindung,1 dass auf den Mechanismus einer Transformation von Arbeitsbedingungen, die von der Arbeitnehmerseite als unangemessen empfunden werden, in angemessene Tarifbedingungen nicht vertraut werden kann. Vergleichbares gilt für den im allgemeinen AGB-Recht entwickelten Gedanken, nach der das Eigeninteresse der Klauselverwender an einer Vermeidung von Reputationsverlusten unter bestimmten Voraussetzungen durch das schlichte Wirken von Marktkräften automatisch zu angemessenen Nebenbedingungen führt.2 So belegt das arbeitsgerichtliche Fallmaterial der letzten Jahre zur Genüge, dass unangemessene Formulararbeitsverträge nicht deshalb gleichsam von selbst aus dem Arbeitsleben verschwinden, weil die Arbeitgeberseite an stabilen Kooperationsbeziehungen interessiert ist und ihren Kredit bei der Arbeitnehmerseite nicht verspielen will. Der Arbeitsmarkt ist nicht so strukturiert, dass die durch einen Ansehensverlust beim Arbeitgeber entstehenden Nachteile, zu denen es durch den Einsatz unangemessener AGB mittelbar kommen kann, größer als die Vorteile sind, die sich für den Arbeitgeber aus der Verwendung eben jener AGB unmittelbar ergeben. Schließlich können auch die Personengebundenheit des Arbeitsverhältnisses sowie die regelmäßige Einbettung in einen betrieblichen Zusammenhang die grundsätzliche Geeignetheit einer AGB-rechtlichen Kontrolle von allgemeinen Arbeitsbedingungen nicht infrage stellen, auch wenn nicht zu verkennen ist, dass sich die Arbeitnehmer insoweit in einer grundsätzlich anderen Situation befinden als die einzelnen Kunden beim Konsumentengeschäft. Aus diesen Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses lässt sich daher nicht ableiten, dass unangemessene Arbeitsbedingungen keiner Korrektur bedürfen. Der richtige Weg besteht vielmehr darin, diese Besonderheiten in die arbeitsrechtliche AGB-Kontrolle zu integrieren und etwa den Aspekt der Gleichbehandlung als ein legitimes Interesse für Klauseln anzusehen, die der Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen dienen (dazu Rz. 93). 1 Vgl. Ellguth/Kohaut, WSI Mitteilungen 2018, 299 ff. 2 Adams, BB 1989, 781 (785 f.); Becker, JZ 2010, 1098 (1102 f.); einschränkend aber Schäfer in FS Ott (2002), S. 279 (303).
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Einf. | Einführung 56 Nach alledem zeigt sich, dass die AGB-Kontrolle im allgemeinen Zivilrecht und
die AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht jeweils an die Vertragsabschlusssituation anknüpfen, es insoweit also um eine Reaktion auf eine situative Unterlegenheit geht, wobei die hierfür maßgeblichen Gründe aber nur teilweise identisch sind, während sie teilweise auch divergieren. Dies bedeutet indes nicht, dass der Gesetzgeber mit der Ausdehnung des AGB-Kontrollregimes auf das Arbeitsrecht einen im allgemeinen Zivilrecht bereits fest etablierten Mechanismus zweckwidrig auf das Arbeitsrecht übertragen hat. Vielmehr finden sich bereits im allgemeinen AGB-Recht Argumentationslinien, an die man im Arbeitsrecht anknüpfen kann, die dort allerdings entsprechend den Besonderheiten des Arbeitslebens ein besonderes Gewicht haben. Daraus folgt, dass bei der Anwendung der AGB-rechtlichen Regelungen die jedenfalls im Grundansatz als Reaktion auf eine Informationsasymmetrie zu verstehenden allgemeinen zivilrechtlichen Begründungsmuster nicht unkritisch auf das Arbeitsrecht übertragen werden können. Vielmehr sind die Besonderheiten des Arbeitsrechts i.S.v. § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB nicht erst auf der operativen Ebene, sondern bereits auf der konzeptionellen Ebene zu berücksichtigen. Dies kann etwa bedeuten, dass dem Transparenzaspekt in seiner Ausprägung als Abschlusstransparenz1 im Arbeitsrecht eine geringere Bedeutung als im allgemeinen Zivilrecht zukommt, weil die Förderung des Konditionenwettbewerbs als Zweck der Abschlusstransparenz im Arbeitsrecht ohnehin nur eine untergeordnete Rolle spielt, während bei den Klauseln, die sich unmittelbar auf die persönliche Rechtsstellung des Arbeitnehmers auswirken, eher ein strengerer Maßstab als im allgemeinen Zivilrecht anzulegen ist. Allgemeiner gesagt sind diejenigen Elemente der AGB-Kontrolle, die in besonderem Maße der Behebung einer Informationsasymmetrie geschuldet sind, im Arbeitsrecht weniger stark zu gewichten,2 während die Elemente, durch die im engeren Sinne einer inhaltlichen Unangemessenheit entgegengewirkt werden soll, der sich auch ein vollinformierter Arbeitnehmer nicht erwehren kann, eine stärkere Betonung verdienen. Im Übrigen ist in Rechnung zu stellen, dass die Vertragsabschlusssituation bei Arbeitsverhältnissen eine erhebliche Bandbreite aufweist, die einer pauschalen Übertragung des Wertungsaspekts des Ausgleichs einer Informationsasymmetrie entgegensteht.
7. Bedeutung des Verfassungsrechts 57 Das BVerfG hat mehrfach zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für eine In-
haltskontrolle von Verträgen Stellung genommen und dabei auch die AGB-Kon-
1 Zur Unterscheidung zwischen Abschluss- und Abwicklungstransparenz Coester in Staudinger, § 307 Rz. 175 ff.; siehe dazu jüngst auch BAG v. 24.5.2018 – 6 AZR 308/17, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 91 = NZA 2019, 166 Rz. 34. 2 In diesem Sinne für die Abschlusstransparenz auch Stoffels, ZfA 2009, 861 (879).
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III. Wertungsgrundlagen und Rechtfertigungen | Einf.
trolle gestreift.1 Die ersten grundlegenden Ausführungen finden sich in der Handelsvertreter-Entscheidung.2 Danach hat der Staat die im Rahmen der Privatautonomie getroffenen vertraglichen Regelungen als Ausdruck der eigenverantwortlichen Gestaltung der Rechtsbeziehungen grundsätzlich zu respektieren. Wenn einer der Vertragsteile ein so starkes Übergewicht habe, dass er vertragliche Regelungen faktisch einseitig setzen könne, beruhe die Vereinbarung aber nicht mehr auf dem hinter dem Grundsatz der Privatautonomie stehenden Prinzip der Selbstbestimmung, sondern bewirke für den anderen Vertragsteil Fremdbestimmung. In einer solchen Situation muss die staatliche Rechtsordnung ausgleichend eingreifen, um den Grundrechtsschutz zu sichern und damit zugleich das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG) zu verwirklichen. In der Bürgschafts-Entscheidung hat das BVerfG diese Konzeption aufgegriffen 58 und die Kriterien konkretisiert, die vorliegen müssen, damit eine staatliche Intervention zum Schutz der Selbstbestimmung im rechtsgeschäftlichen Bereich gleichermaßen zulässig wie geboten ist.3 Danach darf ein Vertrag aus Gründen der Rechtssicherheit zwar nicht schon bei jeder Störung des Verhandlungsgleichgewichts nachträglich infrage gestellt oder korrigiert werden. Wenn aber ein typisierbarer Fall einer strukturellen Unterlegenheit des einen Vertragsteils vorliegt und die Folgen des Vertrags für den unterlegenen Teil ungewöhnlich belastend sind, muss die Zivilrechtsordnung intervenieren. Konkret bedeutet dies, dass die Zivilgerichte bei der Auslegung und Anwendung von Generalklauseln wie § 138 BGB und § 242 BGB durch eine Inhaltskontrolle gewährleisten müssen, dass Verträge nicht als Instrument der Fremdbestimmung dienen. Mit seiner Ehevertrags-Entscheidung hat das BVerfG diesen Ansatz abermals bestätigt4 und eigens auf die Schutzpflichtfunktion der Grundrechte rekurriert.5 Die Unterlegenheit des einen Vertragspartners wird ausdrücklich auf das Vorhandensein einer ungleichen Verhandlungsposition bzw. einer gestörten Vertragsparität6 zurückgeführt. Im Zentrum der verfassungsrechtlich gebotenen Inhaltskontrolle von Verträgen steht damit der Ausgleich einer Fremdbestimmung, die auf einer tendenziell an persönliche Umstände anknüpfenden Unter1 Zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für eine materiell verstandene Privatautonomie eingehend Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, 2001, S. 326 ff.; ferner Cornils, Die Ausgestaltung der Grundrechte, 2005, S. 165 ff.; Gellermann, Grundrechte in einfachgesetzlichem Gewande, 2000, S. 131 ff. 2 BVerfG v. 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242 (253 ff.). 3 BVerfG v. 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89, BVerfGE 89, 214 (231 ff.); bestätigend BVerfG v. 5.8.1994 – 1 BvR 1402/89, NJW 1994, 2749 (2750). 4 Ebenso BVerfG v. 26.7.2005 – 1 BvR 782/94, 957/96, BVerfGE 114, 1 (34); BVerfG v. 29.5.2006 – 1 BvR 240/98, VersR 2006, 961 (962); BVerfG v. 7.9.2010 – 1 BvR 2160/ 09, 1 BvR 851/10, NJW 2011, 1339 (1340); ferner bereits BVerfG v. 15.7.1998 – 1 BvR 1554/89, 963, 964/94, BVerfGE 98, 265 (395). 5 BVerfG v. 6.2.2001 – 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (100). 6 BVerfG v. 6.2.2001 – 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (101).
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Einf. | Einführung legenheit beruht, auch wenn diese grundsätzlich nicht einzelfallbezogen zu ermitteln ist, sondern sich aus typisierbaren Umständen ergeben muss.1 59 Eine teilweise andere Akzentsetzung kommt in denjenigen Entscheidungen des
BVerfG zum Ausdruck, die sich mit der AGB-rechtlichen Kontrolle beschäftigen. So ist im ersten einschlägigen Beschluss zwar davon die Rede, dass die Kontrolle von Formularverträgen den Mangel an Verhandlungsmacht kompensiere. Dieser Mangel wird indes gerade auf den Einsatz von AGB durch den Verwender zurückgeführt, der es der anderen Vertragspartei regelmäßig verwehre, eine abweichende Individualvereinbarung zu treffen.2 In derselben Weise hat sich das BVerfG in einer späteren Entscheidung geäußert.3 Die ungleiche Verhandlungsmacht wird in diesen Fällen also offenbar als Folge der Verwendung von AGB und nicht als ein außerhalb der konkreten Vertragsabschlusssituation bestehendes Phänomen aufgefasst.4 In seinem Urteil zur Überschussbeteiligung bei Lebensversicherungen geht das BVerfG noch einen Schritt weiter.5 Die Entscheidung nimmt ihren Ausgangspunkt zwar auch bei der Überlegung, die Zivilrechtsordnung müsse verhindern, dass vertragliche Selbstbestimmung in Fremdbestimmung umschlage. Das Urteil spricht dann aber nicht allgemein von einem Mangel an Verhandlungsmacht, sondern identifiziert als Ursache der Fremdbestimmung ausdrücklich die fehlende Transparenz der Versicherungsbedingungen, die dazu führt, dass der einzelne Versicherungsnehmer auf die Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses kaum einen Einfluss hat. Der damit angesprochene Aspekt der Informationsasymmetrie kommt insbesondere dadurch zum Ausdruck, dass das BVerfG den eingeschränkten Wettbewerb um das Produkt „Lebensversicherung“ hervorhebt und als mögliches Abhilfeinstrument eine Verbesserung der Informationslage des Kunden ins Gespräch bringt.6 Der grundgesetzlich gebotenen Inhaltskontrolle von Verträgen aufgrund struktureller Unterlegenheit wird damit eine Inhaltskontrolle infolge situativer Unterlegenheit an die Seite gestellt. In einer weiteren Entscheidung zu einer vorformulierten Schweigepflichtentbindung bei einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung kombiniert das BVerfG die Angewiesenheit des schwächeren Teils auf den Vertragsschluss (strukturelle Unterlegenheit) mit dem fehlenden Wettbewerb über die fragliche datenschutzrechtliche Kondition (situative Unterlegenheit).7 1 Zur Befugnis des Gesetzgebers, durch zwingendes Recht sozialen oder wirtschaftlichen Ungleichgewichten entgegenzuwirken, siehe auch BVerfG v. 23.10.2013 – 1 BvR 1842/ 11, 1 BvR 1843/11, BVerfGE 134, 204 Rz. 68; BVerfG v. 29.6.2016 – 1 BvR 1015/15, BVerfGE 142, 268 Rz. 63. 2 BVerfG v. 25.10.2004 – 1 BvR 1437/02, NJW 2005, 1036 (1037). 3 BVerfG v. 7.9.2010 – 1 BvR 2160/09, 1 BvR 851/10, NJW 2011, 1339 (1341). 4 So auch die Deutung von Oetker, AcP 212 (2012), 202 (216). 5 BVerfG v. 26.7.2005 – 1 BvR 80/95, BVerfGE 114, 73 (89 ff.); bestätigt durch BVerfG v. 15.2.2006 – 1 BvR 1317/96, NJW 2006, 1783 (1784 f.). 6 BVerfG v. 26.7.2005 – 1 BvR 80/95, BVerfGE 114, 73 (104). 7 BVerfG v. 23.10.2006 – 1 BvR 2027/02, VersR 2006, 1669 (1671).
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III. Wertungsgrundlagen und Rechtfertigungen | Einf.
Unmittelbar mit der AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht beschäftigt sich ein Be- 60 schluss des BVerfG, in dem das Urteil des BAG, eine arbeitsvertraglich vorformulierte Abrufarbeit bei einem über 25 % hinausgehenden Anteil abrufbarer Arbeitsleistung gemäß § 307 BGB als unwirksam zu qualifizieren,1 verfassungsrechtlich gebilligt wurde.2 Dabei stellt das BVerfG die arbeitsrechtliche AGBKontrolle in einen Zusammenhang mit der allgemeinen Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen und bezeichnet als gemeinsamen Nenner das strukturelle Ungleichgewicht zwischen den Vertragspartnern. Die Unterlegenheit des Arbeitnehmers wird also weniger auf den Einsatz gerade von AGB, sondern auf unabhängig davon bestehende Umstände gestützt.3 Auch wenn das BVerfG bei seinen Ausführungen zum AGB-Recht in erster Linie auf die Verbraucherverträge abstellt, kann dieser Versuch einer weitgehenden Parallelisierung der Schutzzwecke unter vollständiger Ausblendung der im allgemeinen AGB-Recht vertretenen Konzeptionen nicht ganz befriedigen. Dasselbe gilt für die pauschale Aussage in einer neueren Entscheidung, wonach der Gesetzgeber in den §§ 305 ff. BGB Regelungen für eine Inhaltskontrolle von Verträgen geschaffen habe, die „auch im Arbeitsrecht“ (Hervorhebung nur hier) für einen Ausgleich des strukturellen Ungleichgewichts zweiter Vertragsparteien sorgen sollen.4 Zutreffend ist freilich die nochmalige Bekräftigung des Vorhandenseins eines ungleichen wirtschaftlichen Kräfteverhältnisses zwischen den Arbeitsvertragsparteien, die auf das rechtstatsächliche Phänomen zurückzuführen ist, dass der einzelne Arbeitnehmer typischerweise ungleich stärker auf sein Arbeitsverhältnis angewiesen ist als der Arbeitgeber auf den einzelnen Arbeitnehmer.5 Das Verfassungsrecht liefert danach also durchaus das Fundament für eine 61 AGB-Kontrolle, mit der auf die situative Unterlegenheit des Vertragspartners und die daraus resultierende faktisch einseitige Vertragsgestaltung durch den Klauselverwender bzw. korrespondierend die Fremdbestimmung des Klauselgegners reagiert werden soll. Dieses Schutzkonzept ist deutlich von der Inhaltskontrolle vertraglicher Vereinbarungen zu unterscheiden, die durch eine strukturelle Unterlegenheit im Sinne eines typisierbaren Kräfteungleichgewichts ausgelöst wird, wenn sich diese Verhandlungsimparität in ungewöhnlich stark belastenden vertraglichen Regelungen niederschlägt. Die Differenzierung dieser beiden Schutzzwecke der Inhaltskontrolle schließt es indes nicht aus, dass bei vorformulierten Arbeitsverträgen beide Defizite der rechtsgeschäftlichen Selbstbestimmung zusammentreffen. Da die Kontrolle aufgrund struktureller Unterlegenheit aber nur ein äußerstes Auffangnetz für Fälle offensichtlicher Unangemessenheit darstellt (dazu näher Vor § 307 Rz. 27 ff.), kann sie als solche 1 2 3 4 5
BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, AP TzBfG § 12 Nr. 4 = NZA 2006, 423. BVerfG v. 23.11.2006 – 1 BvR 1909/06, AP BGB § 307 Nr. 22 = NZA 2007, 85. Ebenso die Deutung von Oetker, AcP 212 (2012), 202 (216). BVerfG v. 14.11.2018 – 1 BvR 1278/16, NZA 2019, 112 Rz. 7. Siehe dazu bereits Rz. 14 mit Fn. 1, S. 9.
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Einf. | Einführung nicht dazu herangezogen werden, die erheblich feinere AGB-rechtliche Angemessenheitskontrolle noch weiter zu verschärfen, soweit diese nicht ihrerseits Elemente des Machtungleichgewichts in sich aufnimmt (dazu Rz. 56).
IV. Besonderheiten der AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht 1. Grundlagen 62 § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB schreibt vor, dass bei der Anwendung der
AGB-rechtlichen Vorschriften auf Arbeitsverträge die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen sind. Um das Verständnis dieser Vorschrift ist vor allem in der ersten Zeit nach der Ausdehnung der AGB-Kontrolle auf vorformulierte Arbeitsverträge eine lebhafte Diskussion entbrannt,1 die sich mittlerweile allerdings wieder beruhigt hat.2
63 Soweit es um den Anwendungsbereich von § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB
geht, kann als geklärt angesehen werden, dass die arbeitsrechtlichen Besonderheiten grundsätzlich auf allen Stufen des AGB-rechtlichen Prüfungsprogramms eine Rolle spielen können, also sowohl für die Einbeziehungskontrolle3 als auch für die verschiedenen Anknüpfungspunkte der Inhaltskontrolle (Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit,4 Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit,5 Generalklausel6) sowie schließlich für die Bestimmung der Rechtsfolgen unwirksamer Klauseln.7
64 Eine weitere grundsätzliche Frage geht dahin, ob von dieser Formulierung nur
rechtliche und damit normative oder auch tatsächliche Besonderheiten erfasst 1 Umfassende Schilderung in BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, AP BGB § 309 Nr. 3 = NZA 2004, 727. 2 Vgl. dazu die Analyse von Junker in FS Buchner (2009), S. 369 (378 ff.); siehe aber auch Hanau in FS Konzen (2006), S. 249 ff. 3 Insoweit zwar nicht für die Anwendung von § 305c Abs. 1 BGB als solche, wohl aber für die Einstufung einer Klausel als nicht überraschend, weil im Arbeitsleben üblich; vgl. für Ausschlussfristen BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, AP BGB § 310 Nr. 1 = NZA 2005, 1111 (unter IV 3); für Bezugnahmeklauseln BAG v. 6.5.2009 – 10 AZR 390/08, AB BGB § 307 Nr. 44 Rz. 22. 4 Vgl. BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, AP BGB § 309 Nr. 3 = NZA 2004, 727 (zu § 309 Nr. 6 BGB); BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, AP BGB § 310 Nr. 1 = NZA 2005, 1111 (zu § 309 Nr. 13 BGB). 5 Vgl. BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, AP BGB § 308 Nr. 1 = NZA 2005, 465 (zu § 308 Nr. 4 BGB). 6 Vgl. BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, AP BGB § 308 Nr. 3 = NZA 2006, 746 (zum Transparenzgebot). 7 BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 41 = NZA 2009, 666 (zur ergänzenden Vertragsauslegung).
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IV. Besonderheiten der AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht | Einf.
sind. Das BAG hat dies zunächst ausdrücklich offengelassen.1 In späteren Entscheidungen wurden dann ohne jegliche Begründung auch die tatsächlichen Besonderheiten des Arbeitslebens einbezogen und damit die Zulässigkeit von zweistufigen Ausschlussfristen,2 von Anrechnungsvorbehalten3 sowie von Versetzungsklauseln4 begründet.5 Eine im Arbeitsrecht geltende tatsächlichen Besonderheit soll allerdings dann nicht vorliegen, wenn in fast der Hälfte aller betroffenen Unternehmen keine entsprechende Praxis besteht.6 Das Schrifttum ist gespalten: Neben zahlreichen Vertretern einer Berücksichtigung auch tatsächlicher Besonderheiten7 finden sich nach wie vor auch Stimmen, die für eine Beschränkung auf rechtliche Besonderheiten plädieren.8 Für eine solche Begrenzung spricht zunächst der Wortlaut von § 310 Abs. 4 Satz 2 65 Halbs. 1 BGB. Danach geht es um die im Arbeitsrecht und nicht im Arbeitsleben geltenden Besonderheiten. Weiter ist von geltenden Besonderheiten die Rede. Dies deutet auf das Erfordernis normativer Besonderheiten hin, weil nur Normen gelten oder nicht gelten können, während Tatsachen entweder wahr oder nicht wahr sind.9 Allerdings nimmt es der Gesetzgeber mit seiner Wortwahl nicht sonderlich genau, indem er in § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB davon spricht, dass bei der Inhaltskontrolle unter Kaufleuten auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche, also auf tatsächliche Gegebenheiten angemessen Rücksicht zu nehmen ist. Immerhin erlaubt diese Regelung den systematischen Umkehrschluss, dass es auf die im Arbeitsleben bestehenden tatsächlichen Usancen nicht ankommen soll. Damit bleibt zunächst festzuhalten, dass schlichte Gepflogenheiten der arbeitsvertraglichen Klauselpraxis für sich genommen keinen Grund darstellen, von den in den §§ 305 ff. BGB enthaltenen Vorgaben abzuweichen.10 Hierdurch wird die Problematik aber noch nicht völlig ausgeschöpft. Zum Be- 66 reich des Normativen sind über das Gesetzesrecht hinaus nämlich auch Rechtsprinzipien sowie allgemeine Rechtsgrundsätze zu zählen.11 Hierzu zählt etwa 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, AP BGB § 309 Nr. 3 = NZA 2004, 727 (unter B II 2 b). BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, AP BGB § 310 Nr. 1 = NZA 2005, 1111 (unter III 6 c). BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, AP BGB § 308 Nr. 3 = NZA 2006, 746 Rz. 32. BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, AP BGB § 307 Nr. 17 = NZA 2006, 1149 Rz. 34. Die Berücksichtigung der tatsächlichen Besonderheiten des Arbeitslebens bei der Frage einer ergänzenden Vertragsauslegung grds. bejahend auch BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 41 = NZA 2009, 666 Rz. 28. BAG v. 23.8.2012 – 8 AZR 804/11, AP BGB § 307 Nr. 67 = NZA 2013, 268 Rz. 48. Z.B. Birnbaum, NZA 2003, 944 (946); Hanau in FS Konzen (2006), S. 249; Joost in FS Ulmer (2003), S. 1199 (1203); Singer, RdA 2003, 194 (199); Stoffels in WLP, ArbR Rz. 18. Z.B. Deinert in DBD, § 310 Rz. 64 ff.; Hönn, ZfA 2003, 325 (331); Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht 2007, Rz. 109. Zutr. Deinert in DBD, § 310 Rz. 64. BAG v. 21.6.2011 – 9 AZR 203/10, AP BGB § 307 Nr. 53 = NZA 2011, 1338 (Rz. 53); Stoffels in WLP, ArbR, Rz. 17. Deinert in DBD, § 310 Rz. 65.
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Einf. | Einführung der Grundsatz, dass legitime Bedürfnisse eines Vertragspartners bei der Klauselkontrolle nicht übergangen werden dürfen. Tatsächliche Besonderheiten des Arbeitslebens können daher durchaus Relevanz erlangen, wenn sie zu allgemein gültigen normativen Aussagen verdichtet werden können.1 Außerdem können jahrelange Erscheinungen des Arbeitslebens den Erfahrungshorizont des durchschnittlichen Arbeitnehmers prägen, der insbesondere für die Anwendung des Transparenzgebots bedeutsam sein kann.2 Diesen tatsächlichen Hintergrund begriffsjuristisch auszublenden würde den Sinn der Transparenzkontrolle verfehlen. Mit der Beschränkung auf rechtliche Besonderheiten soll letztlich nur verhindert werden, dass bloße Gewohnheiten der Arbeitsvertragsgestaltung die AGB-rechtlichen Kontrollmechanismen überlagern. Die Berücksichtigung tatsächlicher Bedürfnisse der Arbeitsvertragsparteien wird hierdurch nicht von vornherein ausgeschlossen. Vielmehr geht es lediglich darum, tatsächliche Besonderheiten zunächst auf ihre normative Relevanz abzuklopfen, bevor sie dann als im Arbeitsrecht geltende Besonderheiten bei der Klauselkontrolle berücksichtigt werden können und müssen. Vom „Sein“ soll also nicht automatisch und unreflektiert auf ein „Sollen“ geschlossen werden. Mit dieser Sichtweise wird man auch der in der Gesetzesbegründung enthaltenen Wendung gerecht, wonach die „besonderen Bedürfnisse eines Arbeitsverhältnisses“ berücksichtigt werden sollen.3 Die etwas kryptische Formulierung lässt sich ohne Schwierigkeiten mit der vorstehend erarbeiteten Konzeption in Einklang bringen, dass tatsächliche Umstände zunächst einen normativen Filter durchlaufen müssen, bevor sie als legitime Bedürfnisse im Rahmen der Klauselkontrolle in Rechnung zu stellen sind. 67 Die sich an diese Grundsätze anschließende Frage geht dahin, wie der Kreis der
rechtlichen Besonderheiten genau abzustecken ist. Insoweit besteht zunächst weithin Einigkeit darüber, dass es nicht nur um die Besonderheiten geht, die für bestimmte Arten von Arbeitsverhältnissen gelten. Der in der Gesetzesbegründung enthaltene Hinweis auf Arbeitsverhältnisse im kirchlichen Bereich4 hat nur beispielhaften Charakter, ist aber nicht dahin zu verstehen, dass nur die Eigenheiten von Sonderarbeitsrechten eine Modifikation der §§ 305 ff. BGB rechtfertigen würden. Vielmehr sind die arbeitsrechtlichen Besonderheiten in jedem Arbeitsverhältnis zu berücksichtigen.5 Weiter ist geklärt, dass es sich nicht um normative Besonderheiten handeln muss, die ausschließlich im Arbeitsrecht gelten. Stattdessen reicht es aus, dass es sich um rechtliche Besonderheiten handelt, die sich auf Arbeitsverhältnisse in besonderem Maße auswirken.6
1 Ebenso Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (57 f.); in diesem Sinne auch Dorndorf in FS 50 Jahre BAG (2004), S. 19 (21). 2 BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, AP BGB § 308 Nr. 3 = NZA 2006, 746 Rz. 32. 3 BT-Drucks. 14/6857, S. 54. 4 BT-Drucks. 14/7052, S. 189. 5 BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, AP BGB § 309 Nr. 3 = NZA 2004, 727 (unter B II 2 b bb (2)). 6 BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, AP BGB § 309 Nr. 3 = NZA 2004, 727 (unter B II 2 b cc (2)).
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IV. Besonderheiten der AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht | Einf.
Ein letzter Punkt betrifft die Frage, ob die arbeitsgerichtliche Judikatur zur In- 68 haltskontrolle aus der Zeit vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz als eine rechtliche Besonderheit anzusehen ist, mag dieser Aspekt im Verlaufe der Zeit auch zunehmend an Bedeutung verloren haben. Tatsächlich ist eine normative Relevanz der überkommenen rechtlichen Regeln als solche abzulehnen.1 Mit der Erstreckung der AGB-Kontrolle auf Arbeitsverträge wollte der Gesetzgeber gerade eine Vereinheitlichung der Prüfungsmaßstäbe herbeiführen.2 Diesem Ziel würde eine unreflektierte Fortschreibung früherer Argumentationslinien zuwiderlaufen. Es besteht gerade kein Kontinuitätsgebot.3 Daher kann man auch nicht etwa das Vertrauen in eine gefestigte Rechtsprechung als eine im Arbeitsrecht geltende Besonderheit qualifizieren.4 Dies schließt selbstverständlich nicht aus, auf Wertungen aus früheren Entscheidungen zurückzugreifen, soweit diese im Lichte der neuen Kontrollmaßstäbe weiter tragfähig sind.5
2. Leitgedanken der AGB-Kontrolle Die vorgeschriebene Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonder- 69 heiten zwingt dazu, über gewisse Eigenheiten des Arbeitsrechts Rechenschaft abzulegen, um der Klauselkontrolle nach Möglichkeit gewisse Leitlinien an die Hand zu geben. Darüber hinaus sind einige übergreifende Wertungsgesichtspunkte herauszuarbeiten, die insbesondere bei der allgemeinen Angemessenheitskontrolle mit ihrem Erfordernis der wechselseitigen Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner (näher dazu § 307 Rz. 41 ff.) von maßgeblicher Bedeutung sind. Wie das BVerfG – wenn auch in anderem Kontext – zutreffend betont hat, ist es mit einer einzelfallbezogen Güter- und Interessenabwägung nicht getan, auch wenn diese in besonderem Maße Einzelfallgerechtigkeit verwirklichen mag. Vielmehr muss das Richterrecht Grundsätze entwickeln, welche die Rechtsfindung normativ zu leiten in der Lage sind, um hierdurch den rechtsstaatlichen Geboten der Berechenbarkeit des Rechts, der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hinreichend Rech1 Deinert in DBD, § 310 Rz. 77; Oetker, AcP 212 (2012), 201 (243); Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (58 f.); Roloff in HWK, § 310 BGB Rz. 11; Stoffels in WLP, ArbR, Rz. 17; in diesem Sinne auch BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, AP BGB § 310 Nr. 1 = NZA 2005, 1111 (unter IV 7 d); BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, BGB § 307 Nr. 6 = NZA 2006, 40 (unter B II 1 d bb). 2 Vgl. BT-Drucks. 14/6857, S. 54. 3 Treffend Stoffels in WLP, ArbR, Rz. 17. 4 BAG v. 24.2.2010 – 4 AZR 691/08, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 75 (Rz. 36). 5 Dorndorf in FS 50 Jahre BAG (2004), S. 19 (22). Wohl am deutlichsten kommt dieser Aspekt bei Klauseln über die Rückzahlung von Ausbildungskosten zum Ausdruck; vgl. BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 11 = NZA 2009, 666.
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Einf. | Einführung nung zu tragen.1 Auch sollte das Instrumentarium der arbeitsrechtlichen AGBKontrolle mit Augenmaß gehandhabt werden, um das in der Grundtendenz unausweichliche Wachstum des Richterrechts in angemessenen Grenzen zu halten. Dabei steht die Rechtsprechung konzeptionell vor der Aufgabe, ein Leitbild des Arbeitsvertrags zu entwickeln, das in rechtstechnischer Hinsicht zwar dispositiv ist und deshalb an sich nur als Maßstab für die Kontrolle gerade von AGB dient,2 das vor dem Hintergrund der umfassenden Verbreitung vorformulierter Arbeitsverträge (vgl. Rz. 1) aber letztlich die in der Praxis wirksamen Schranken arbeitsvertraglicher Gestaltung markiert. In rechtstechnischer Hinsicht geht es damit sowohl um die Konkretisierung der wesentlichen Grundgedanken der für Arbeitsverhältnisse geltenden dispositiven gesetzlichen Regelungen i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB als auch um die Ermittlung der für die Erreichung des Vertragszwecks erforderlichen wesentlichen Rechte und Pflichten i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB. a) Anpassungsnotwendigkeit und Bestandsschutz aa) Allgemeines 70 Der erste grundsätzliche Wertungsgesichtspunkt ergibt sich aus dem Charakter
des Arbeitsverhältnisses als Dauerschuldverhältnis. Anders als bei einem Vertrag, der auf einen einmaligen Leistungsaustausch abzielt, handelt es sich beim Arbeitsverhältnis regelmäßig um eine auf längere Zeit angelegte Austauschbeziehung. Diese Zukunftsgerichtetheit3 macht das Arbeitsverhältnis anfällig für Veränderungen des vertraglichen Umfelds. Dabei ändern sich die wirtschaftlichen, sozialen und technischen Verhältnisse, in die der Arbeitsvertrag eingebettet ist, heutzutage in einem erheblich schnelleren Maße als bei zahlreichen anderen Dauerschuldverhältnissen (z.B. Wohnraummietvertrag). Eine arbeitsvertragliche Regelung, die sämtliche Eventualitäten der nächsten Jahre oder sogar Jahrzehnte vorwegnimmt und hierfür jeweils inhaltlich fest fixierte Lösungen vorsieht, ist weder praktikabel noch auch nur möglich.4 Vertragsparteien können generell weder alle potentiell möglichen künftigen Entwicklungen vorhersehen, noch sind sie in der Lage, für alle vorhersehbaren Entwicklungen vorsorgliche Regelungen zu treffen.5 Die „many futures of the contract of employment“6 1 BVerfG v. 25.1.1984 – 1 BvR 272/81, BVerfGE 66, 116 (138). 2 Zu Kontrollfunktion von dispositivem Recht siehe nur Möslein, Dispositives Recht, 2011, S. 35 ff. mit zahlreichen Nachweisen. 3 So prägnant BAG v. 14.3.2007 – 5 AZR 630/06, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 45 = NZA 2008, 45 (Rz. 29); BAG v. 24.9.2008 – 6 AZR 76/07, AP BGB § 305c Nr. 11 = NZA 2009, 154 Rz. 31; BAG v. 23.7.2014 – 7 AZR 771/12, AP TzBfG § 14 Nr. 120 = NZA 2014, 1341 Rz. 24. 4 Hromadka in FS Dieterich (1999), S. 251 (266 f.); Stöhr, AcP 214 (2014), 425 (453). 5 Zur Unterscheidung beider Aspekte Möslein, Dispositives Recht, 2011, S. 33. 6 So Deakin, ESRC Centre for Business Research – Working Papers No. 191 (2000); grdl. MacNeil, Southern California Law Review 47 (1974), 691 ff.
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sind einer abschließenden vertraglichen Steuerung nicht zugänglich. Der „vollständige Vertrag“ ist ein nützliches Konstrukt in der ökonomischen Analyse des Vertragsrechts.1 In der Realität ist er indes nicht erzielbar. Zugleich existiert mit dem Kündigungsschutz eine arbeitsrechtliche Besonderheit, die es dem Arbeitgeber verwehrt, sich ohne weiteres vom Arbeitnehmer zu lösen und ihm eine Weiterbeschäftigung nur noch zu geänderten Konditionen anzubieten. Die für diese Fälle grundsätzlich zur Verfügung stehende Änderungskündigung stellt mit ihren hohen Anforderungen vielfach keine brauchbare Alternative dar. Aus diesem Grunde hat das BAG zutreffend mehrfach das Interesse des Arbeit- 71 gebers an sonstigen Änderungsinstrumenten als berechtigt anerkannt, die es ihm ermöglichen sollen, die arbeitsvertraglichen Konditionen den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen.2 Dies gilt in erster Linie hinsichtlich der Ungewissheit über die künftige wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens, die angesichts volatiler werdender Märkte für den Arbeitgeber immer schwerer prognostizierbar ist. Die Anpassungsleistung, die das Arbeitsverhältnis zu erbringen hat, ergibt sich aber nicht nur aus allgemeinen ökonomischen Veränderungen, sondern kann auch auf Änderungen der betrieblichen Strukturen beruhen, in die das Arbeitsverhältnis eingebettet ist. Darüber hinaus können auch neue normative Rahmenbedingungen, deren Einhaltung vom Arbeitgeber verlangt wird (compliance), eine Anpassung von arbeitsvertraglichen Regelungen erfordern. Schließlich ist auch das Interesse des Arbeitgebers beachtlich, die verwendeten AGB einseitig nachbessern zu können, soweit die Unwirksamkeit einer Klausel nur darauf beruht, dass die Rechtsprechung neue Maßstäbe entwickelt. Allerdings hat der Arbeitnehmer ein gegenläufiges und ebenfalls schutzwürdiges Interesse an der Stabilität seiner Arbeitsbedingungen. Im Grundsatz geht es im Hinblick auf den Flexibilisierungsaspekt also darum, welche Risiken und Unwägbarkeiten vorbehaltlich einer Kündigung bzw. Änderungskündigung der Arbeitgeber zu tragen hat und in welchem Maße ihre Verlagerung auf den Arbeitnehmer noch als angemessener Interessenausgleich gesehen werden kann. Eine erste grundlegende Grenze stellt der „Kernbereich“ des Arbeitsvertrags 72 dar.3 Dieser Kernbereich steht einem einseitigen Zugriff des Arbeitgebers aus 1 Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 5. Aufl. 2012, S. 431 ff.; Unberath/Cziupka, AcP 209 (2009), 37 (44 ff.); vertiefend Ayres/Gertner, Yale Law Journal 99 (1989), 87 ff. 2 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, AP BGB § 308 Nr. 1 = NZA 2005, 465 (unter B I 4 c bb); BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, AP TzBfG § 12 Nr. 4 = NZA 2006, 423 (unter B II 7 d); BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, AP BGB § 307 Nr. 17 = NZA 2006, 1149 (Rz. 36); BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 36/09, AP BGB § 307 Nr. 45 = NZA 2011, 64 Rz. 31; BAG v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 5 = NZA 2011, 634 Rz. 20; BAG v. 26.9.2013 – 8 AZR 1013/12, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 204 = NZA-RR 2014, 177 Rz. 24. 3 Hierzu umfassend Schwarze, RdA 2012, 321 ff.
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Einf. | Einführung mehreren Gründen nicht offen: Erstens gebietet es das Äquivalenzprinzip als allgemeiner Rechtsgrundsatz i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB,1 dass sich der Arbeitgeber grundsätzlich nicht von seinen eigenen Leistungspflichten lösen, den Arbeitnehmer aber an seiner unveränderten Gegenleistungspflicht festhalten kann. Zweitens lässt sich aus § 615 BGB die gesetzliche Wertung ableiten, dass das Wirtschafts- und Betriebsrisiko grundsätzlich vom Arbeitgeber getragen werden soll und nicht auf den Arbeitnehmer verlagert werden darf.2 Auch diese zum dispositiven Recht gehörende Regelung ist Teil des gesetzlichen Leitbildes, das bei der Inhaltskontrolle als Maßstab dient. Damit zusammenhängend dürfen drittens die für einen Arbeitsvertrag typischen Pflichten, also die Arbeitspflicht und die Entgeltzahlungspflicht, nicht so weit ausgehöhlt werden, dass der Vertragszweck, der aus der Perspektive des Arbeitnehmers darin besteht, ihm nach Maßgabe der vereinbarten Arbeitszeit Beschäftigung und Einkommen zu verschaffen, gestört wird. Die Reichweite dieses Kernbereichs ergibt sich damit in erster Linie aus dem Arbeitsvertrag, also aus dem auf die Hauptpflichten gerichteten Leistungsversprechen des Arbeitgebers. Für die Konkretisierung kann auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, die von der Rechtsprechung zum Vertragsinhaltsschutz gemäß § 2 KSchG entwickelt worden sind.3 Allerdings kommt es nicht auf eine konkrete Umgehung des Schutzes vor Änderungskündigungen an, so dass die Anwendbarkeit des KSchG keine Rolle spielt.4 Der Kernbereich umschreibt somit zugleich den Teil des Arbeitsverhältnisses, in den nur mit dem Instrument der Änderungskündigung eingegriffen werden darf. Soweit das Bedürfnis des Arbeitgebers nach einer Anpassung der Arbeitsbedingungen ein solches Ausmaß erreicht, das es den Kernbereich betrifft, muss sich der Arbeitgeber des gesetzlich vorgesehenen Mittels der Änderungskündigung unter Beachtung ihrer hohen Wirksamkeitsanforderungen bedienen. Mit vorformulierten Änderungsvorbehalten kann der Arbeitgeber hingegen nur ein mittleres Flexibilisierungspotenzial schaffen. 73 Außerhalb der Grenzen dieses Kernbereichs (zur Konkretisierung Rz. 77, 80)
lässt sich als allgemeiner Wertungsgesichtspunkt zunächst herausschälen, dass der Flexibilisierungsgedanke nur solche Klauseln legitimiert, deren Zweck darin besteht, betriebswirtschaftliche Erfordernisse bzw. Entscheidungen in das Arbeitsverhältnis zu transferieren. Dabei geht es zum einen um Außenweltein-
1 Dazu BGH v. 12.6.2001 – XI ZR 274/00, BGHZ 148, 74 = NJW 2001, 2635; Coester in Staudinger, § 307 Rz. 235; Fuchs in UBH, § 307 Rz. 214 f.; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 513. 2 BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, AP TzBfG § 12 Nr. 4 = NZA 2006, 423 (unter B II 5 a); BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, AP BGB § 308 Nr. 6 = NZA 2007, 87 Rz. 22; BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 772/14, AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 151 = NZA 2017, 931 Rz. 18; BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 774/14, AP BGB § 308 Nr. 10 = NZA 2017, 777 Rz. 23. 3 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, AP BGB § 308 Nr. 1 = NZA 2005, 465 (unter B I 4 b bb); BAG v. 9.5.2006 – 9 AZR 424/05, AP BGB § 307 Nr. 21 = NZA 2007, 145 Rz. 21. 4 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, AP BGB § 308 Nr. 1 = NZA 2005, 465 (unter B I 4 b bb).
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flüsse, die dem Arbeitgeber selbst durch die Marktverhältnisse unmittelbar vorgegeben werden, daneben aber auch um sonstige Maßnahmen, mit denen die Adaption des Arbeitsverhältnisses an das betriebliche Umfeld nachvollzogen oder vorweggenommen werden soll. Hieraus ist zum einen zu schließen, dass insoweit nur „marktrelevante“ Arbeitsbedingungen Gegenstand entsprechender Klauseln sein können, also nur solche Konditionen, die sich auf die vom Arbeitnehmer auszuübende Tätigkeit oder auf das Entgelt als Gegenleistung des Arbeitgebers beziehen. Der Vorbehalt von Entscheidungsspielräumen im Hinblick auf andere Arbeitsbedingungen, etwa die Höhe einer Vertragsstrafe, lässt sich unter dem Flexibilisierungsaspekt nicht rechtfertigen, wodurch andere Sachgründe freilich nicht ausgeschlossen werden. Zum anderen deckt dieser Gesichtspunkt nur Reaktionen des Arbeitgebers auf Marktgegebenheiten einschließlich deren Vorwegnahme. Änderungsinstrumente, die zumindest ihrer objektiven Wirkung nach eine Steuerung des Arbeitnehmerverhaltens ohne Rücksicht auf betriebswirtschaftliche Erfordernisse ermöglichen (etwa der Widerruf einer Zulage wegen „unbotmäßigen Verhaltens“), lassen sich nicht mit dem Bedürfnis einer Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen begründen. Für diese Unterscheidung spricht zusätzlich die Überlegung, auf welche vertragliche Regelung sich die Parteien modellhaft geeinigt hätten, wenn sie für alle möglichen Geschehensabläufe eine antizipierte Lösung hätten fixieren wollen. In diesem Falle hätten sich die Arbeitnehmer zwar auf eine vorweggenommene Anpassung des Vertragsinhalts an geänderte Marktbedingungen eingelassen, um nicht durch ein starres Festhalten an den Ausgangskonditionen den Bestand des Unternehmens und damit auch ihrer Arbeitsverhältnisse zu gefährden. Einer Unterwerfung unter ein willkürliches Verhalten des Arbeitgebers hätten sie dagegen nicht zugestimmt. Daher ist ein völlig konturenloser Änderungsvorbehalt, der sich auf nahezu alle Arbeitsbedingungen bezieht, unwirksam, weil er keinem berechtigten Interesse des Arbeitgebers mehr dient und dem Arbeitnehmer jegliche Planungssicherheit nimmt.1 Der Zeithorizont des Arbeitsverhältnisses legt noch einen weiteren Wertungs- 74 gesichtspunkt nahe. Sofern das Arbeitsverhältnis auf einen vergleichsweisen kurzen Zeitraum befristet ist, besteht ein erhöhtes schutzwürdiges Interesse des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung der Konditionen für die Dauer der Tätigkeit, während umgekehrt der Arbeitgeber bei einer Befristung den Zeitraum seiner Bindung grundsätzlich übersehen und mögliche Risiken einkalkulieren kann. Seinen Ausdruck findet dieser Gedanke in der Regelung des § 15 Abs. 3 TzBfG, nach der ein befristetes Arbeitsverhältnis der ordentlichen Kündigung nur dann unterliegt, wenn dies einzelvertraglich oder in einem anwendbaren Tarifvertrag vereinbart ist. Hinter dieser Vorschrift steht die Wertung, dass der mit der Befristungsabrede am Ende des Arbeitsverhältnisses eingebüßte Be1 BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428; ferner BAG v. 24.2.2011 – 6 AZR 634/09, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 57.
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Einf. | Einführung standsschutz regelmäßig durch einen erhöhten Bestandsschutz während der Befristungsdauer kompensiert werden soll. Diese Wertung lässt sich auch auf den Bereich der Nebenbedingungen übertragen. 75 Für die Wirksamkeit einer Klausel spricht es schließlich, wenn die Dynamisie-
rung in der Weise bewerkstelligt wird, dass auf andere Regelungswerke verwiesen wird, die ihrerseits eine Gewähr für eine angemessene Berücksichtigung der Interessen beider Parteien des Arbeitsverhältnisses bieten.1 Dies gilt nach Ansicht des BAG im Bereich der betrieblichen Altersversorgung sogar für solche Klauseln, die auf die jeweilige Fassung einer vom Arbeitgeber selbst einseitig abänderbaren Ruhegeldordnung Bezug nehmen zumindest dann, wenn sich die hierdurch möglichen Änderungen in den Grenzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes halten sollen.2 Eine Änderungsklausel ist aber nicht allein deshalb unwirksam, weil der Arbeitgeber davon abgesehen hat, die Arbeitsbedingungen an das Schicksal eines einschlägigen (fremden) Regelwerks zu binden. bb) Tätigkeitsebene
76 Das größte Anpassungs- und Flexibilisierungsbedürfnis besteht im Hinblick auf
die Tätigkeit des Arbeitnehmers. Ein entsprechendes Potenzial ist dem Arbeitsvertrag von vornherein immanent, weil der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts befugt ist, den Inhalt, den Ort und die zeitliche Lage der Arbeitsleistung näher zu bestimmen. Mit § 106 GewO hat der Gesetzgeber zu verstehen gegeben, dass er eine Anpassung der Arbeitsleistung an die betrieblichen Bedürfnisse für grundsätzlich unausweichlich hält. Dagegen unterliegen weder die Dauer der Arbeitszeit noch gar das Entgelt ursprünglich einem einseitigen Bestimmungsrecht des Arbeitgebers. Hieraus folgt zunächst, dass eine Klausel vorbehaltlich einer Transparenzkontrolle unbedenklich ist, die im Hinblick auf tätigkeitsbezogene Veränderungen das aus dem Arbeitsvertrag folgende allgemeine Weisungsrecht lediglich nachbildet.3 Dies korrespondiert mit der großen Zurückhaltung der Rechtsprechung, eine Konkretisierung der Arbeitspflicht zu bejahen, um dem Arbeitgeber eine Anpassung der vom Arbeitnehmer zu erbringenden Tätigkeit nicht voreilig zu verbauen.4 Dasselbe gilt für solche unech-
1 BAG v. 14.3.2007 – 5 AZR 630/06, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 45 = NZA 2008, 45 (Rz. 29); BAG v. 24.9.2008 – 6 AZR 76/07, AP BGB § 305c Nr. 11 = NZA 2009, 154; BAG v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 5 = NZA 2011, 634 Rz. 22; BAG v. 23.7.2014 – 7 AZR 771/12, AP TzBfG § 14 Nr. 120 = NZA 2014, 1341 Rz. 24. 2 Vgl. BAG v. 18.9.2012 – 3 AZR 415/10, AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 57 = NZA 2013, 210 Rz. 30 ff. 3 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, AP BGB § 307 Nr. 17 = NZA 2006, 1149; BAG v. 13.6. 2007 – 5 AZR 564/06, AP BGB § 611 Film Nr. 11 = NZA 2007, 974; BAG v. 3.12.2008 – 5 AZR 62/08, AP BGB § 307 Nr. 42. 4 Vgl. Lembke in HWK, § 106 GewO Rz. 60 ff.
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ten Direktionsrechtserweiterungen, die im Hinblick auf die Komponenten Tätigkeit, Ort oder zeitliche Lage umfangreichere Änderungen zulassen, sich mangels konkreter vertraglicher Festlegungen dabei aber letztlich noch im Rahmen des Arbeitsvertrags halten.1 Will der Arbeitgeber durch eine echte Direktionsrechtserweiterung den arbeitsvertraglichen Rahmen transzendieren, steigen zwar die Rechtmäßigkeitsanforderungen, weil in einem solchen Fall nicht nur eine Transparenzkontrolle, sondern auch eine Angemessenheitskontrolle durchzuführen ist.2 Wenn die Klausel entsprechende Veränderungen aber zum einen an betriebliche Notwendigkeiten bindet und zum anderen inhaltlich nicht unbeschränkt zulässt, spricht dies stark für ihre Wirksamkeit. Darüber hinaus sind auch Klauseln, die den Umfang der Arbeitszeit betreffen, nicht von vornherein unstatthaft, auch wenn dieser Aspekt vom allgemeinen Weisungsrecht grundsätzlich nicht erfasst wird.3 Dies gilt sowohl für eine vorübergehende wie auch für eine dauerhafte Absenkung oder Aufstockung der regelmäßigen Arbeitszeit.4 Eine Grenze wird durch den erwähnten Kernbereich des Arbeitsverhältnisses 77 gezogen. Insoweit hat die Rechtsprechung frühzeitig zwei Eckpunkte markiert: Zum einen ist keine Direktionsrechtserweiterung statthaft, die es dem Arbeitgeber ermöglicht, dem Arbeitnehmer eine geringwertigere Tätigkeit zuzuweisen.5 Dabei soll es offenbar keine Rolle spielen, ob der Arbeitnehmer sein bisheriges Entgelt behält.6 Insoweit überzeugt es freilich mehr, Klauseln noch zu billigen, die aus gewichtigen betrieblichen Gründen die Zuweisung einer um bis zu zwei Vergütungsgruppen niedrigeren Tätigkeit zulassen, sofern damit keine Entgeltabsenkung verbunden ist.7 Zum anderen darf bei der Vereinbarung von Arbeit auf Abruf gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 TzBfG im Sinne einer grundsätzlichen Verpflichtung, die Arbeitsleitung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen, das Arbeitszeitvolumen zwar zur Disposition des Arbeitgebers gestellt werden, 1 BAG v. 13.3.2007 – 9 AZR 433/06, AP BGB § 307 Nr. 26; BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 36/ 09, AP BGB § 307 Nr. 45 = NZA 2011, 64; BAG v. 25.8.2010 – 10 AZR 275/09, AP GewO § 106 Nr. 11 = NZA 2010, 1355; BAG v. 19.1.2011 – 10 AZR 738/09, AP BGB § 307 Nr. 50 = NZA 2011, 631. 2 Vgl. BAG v. 25.8.2010 – 10 AZR 275/09, AP GewO § 106 Nr. 11 = NZA 2010, 1355. 3 Insoweit missverständlich BAG v. 14.7.2008 – 9 AZR 58/07, AP GewO § 106 Nr. 1 (Rz. 22). 4 BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, AP TzBfG § 12 Nr. 4 = NZA 2006, 423. 5 BAG v. 9.5.2006 – 9 AZR 424/05, AP BGB § 307 Nr. 21 = NZA 2007, 145; anders offenbar früher BAG v. 11.6.1958 – 4 AZR 514/55, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 2. 6 So jedenfalls die (im Erg. freilich zurückgewiesene) Auslegung der Entscheidung von Deinert in DBD, § 307 Rz. 188; andere Interpretation aber bei Dzida/Schramm, BB 2007, 1221 (1224), nach denen sich das Urteil nur auf solche Klauseln bezieht, die dem Arbeitgeber die Zuweisung einer geringwertigeren Tätigkeit bei gleichzeitiger Entgeltminderung ermöglichen sollen. 7 So Deinert in DBD, § 307 Rz. 189 f.; strenger Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, II D 30 Rz. 152: eine Vergütungsgruppe; großzügiger Bonin, Anm. zu BAG, AP GewO § 106 Nr. 11: Absenkung um bis zu 20 %.
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Einf. | Einführung bei Vereinbarung einer wöchentlichen Mindestarbeitszeit das zusätzlich abrufbare Volumen aber nicht mehr 25 % der Wochenarbeitszeit, bei Vereinbarung einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit die Verringerung nicht mehr als 20 % der Wochenarbeitszeit betragen.1 Diese vom BAG entwickelten Grenzen sind vom Gesetzgeber aufgegriffen und zum 1.1.2019 durch § 12 Abs. 2 TzBfG n.F. in einseitig zwingendes Recht überführt worden. Diesen Grenzen kann der Arbeitgeber auch nicht durch einen „Null-Stunden-Vertrag“ entkommen, weil dann gemäß § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG eine Wochenarbeitszeit von bislang zehn Stunden,2 nunmehr zwanzig Stunden als vereinbart gilt (zur Frage einer Erweiterung dieses Umfangs aufgrund kollektivvertraglicher Wertungen siehe aber auch Rz. 100). Bei einer auf einen bestimmten Zeitraum angelegten Verlängerung (Überstunden) bzw. Verringerung (Kurzarbeit) der regulären Arbeitszeit als Folge eines besonderen zusätzlichen bzw. fortfallenden Arbeitsbedarfs sind dagegen großzügigere Grenzen zuzulassen, weil der Kernbereich des Arbeitsvertrags in diesen Fällen nicht berührt wird. Dies gilt allerdings nur dann, wenn die Mindereinnahmen bzw. die Mehrbelastung finanziell angemessen kompensiert werden (näher dazu § 307 Rz. 105 ff.). Diese Grundsätze lassen sich dahin verallgemeinern, dass dem Interesse des Arbeitnehmers an der Beibehaltung seiner Stellung in der betrieblichen Hierarchie ein vergleichsweise großes Gewicht zukommt, während das Veränderungsinteresse des Arbeitgebers insoweit ein geringeres Gewicht hat. Demgegenüber genießt das Interesse des Arbeitgebers an einer Änderung des in das Unternehmen eingebrachten Arbeitsvolumens, um hierdurch auf Marktanforderungen unmittelbar reagieren zu können, einen größeren Stellenwert. Die Marktnähe des Flexibilisierungsbedürfnisses erweist sich damit auch insoweit als Wertungsgesichtspunkt. 78 Ein weiterer Wertungsaspekt besteht in den rechtlichen Folgewirkungen, die
durch die Zulassung einer bestimmten Klausel ausgelöst werden. Die Eigenheit dieses Phänomens besteht darin, dass es Gestaltungen gibt, in denen die Arbeitsrechtsordnung an das Vorhandensein einer Klausel, die den Arbeitnehmer in einer bestimmten Hinsicht schlechter stellt, in einer anderen Hinsicht vorteilhafte Folgen knüpft, so dass man es insoweit unzweifelhaft mit Besonderheiten des Arbeitsrechts zu tun hat. Dieser Gedanke findet sich in der Judikatur des BAG zu Versetzungsklauseln. Danach erweitern Versetzungsklauseln einerseits zwar die einseitigen Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers. Andererseits verstärkt eine vergleichsweise weite Versetzungsklausel die Sicherheit des Arbeitsverhältnisses des Arbeitnehmers gegenüber einer betriebsbedingten Kündigung. Zum einen erweitert sie die Obliegenheit des Arbeitgebers, vor dem Ausspruch einer solchen Kündigung zu prüfen, ob ein freier Arbeitsplatz zur Verfügung steht.
1 BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, AP TzBfG § 12 Nr. 4 = NZA 2006, 423. 2 Vgl. BAG v. 24.9.2014 – 5 AZR 1024/12, AP TzBfG § 12 Nr. 5 = NZA 2014, 1328 Rz. 24; auch aus AGB-rechtlicher Sicht zust. Bieder, RdA 2015, 388 (393 ff.); krit. Preis, RdA 2015, 244 (247 f.).
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Zum anderen soll sie zu einer Ausdehnung des Kreises der in die soziale Auswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer führen.1 Zwar können diese Überlegungen nur im Hinblick auf die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, nicht aber hinsichtlich der Sozialauswahl überzeugen, weil im Kündigungsrecht ein betriebsübergreifendes Versetzungsrecht nach Ansicht des zuständigen Senats gerade keine Erweiterung der Sozialauswahl zur Folge hat.2 Gleichwohl ist der Grundgedanke zutreffend, dass jedenfalls solche Verbesserungen, die durch die Struktur der Arbeitsrechtsordnung unmittelbar mit einer bestimmten Klausel verknüpft sind, für deren Zulässigkeit sprechen. cc) Entgeltbereich Für den Entgeltbereich gelten im Ausgangspunkt ähnliche Grundsätze, wobei 79 vorab klarzustellen ist, dass vorformulierte Regelungen, die sich unmittelbar auf das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung beziehen, keiner inhaltlichen Angemessenheitskontrolle, sondern nur einer Transparenzkontrolle unterliegen.3 Davon unberührt bleibt selbstverständlich die Kontrolle anhand zwingenden Gesetzesrechts wie etwa dem MiLoG bzw. zwingenden Tarifrechts. Ferner lässt sich aus dem allgemeinen Schutzzweck der AGB-Kontrolle, den Klauselgegner vor einer einseitigen Ausnutzung von Vertragsgestaltungsmacht zu bewahren, der Umkehrschluss ziehen, dass die formularmäßig vorgesehene Möglichkeit, Zusatzleistungen zu gewähren, für sich genommen kontrollfrei bleibt.4 Weiter ist das Flexibilitätsbedürfnis auf Seiten des Arbeitgebers aus den ge- 80 nannten Gründen auf der einen Seite wiederum prinzipiell anzuerkennen. Hinzu kommt der in der Rechtsprechung bislang offenbar nicht aufgenommene Gedanke, dass die aus dem Unternehmen zu ziehenden Erträge dessen Leistungsfähigkeit voraussetzen und deshalb ein gemeinsames Interesse daran besteht, den Fortbestand dieses Substrats durch zu hohe Ausschüttungen nicht zu gefährden.5 Auf der anderen Seite bildet der Kernbereich des Arbeitsvertrags 1 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, AP BGB § 307 Nr. 17 = NZA 2006, 1149 Rz. 37; BAG v. 13.3.2007 – 9 AZR 433/06, AP BGB § 307 Nr. 26 (Rz. 42); ebenso Lingemann, NZA 2002, 181 (191); Reinecke, NZA-RR 2013, 393 (399 f.); Schnitker/Grau, BB 2002, 2120 (2125); ferner bereits Hromadka in FS Dieterich (1999), S. 251 (270); Zöllner, RdA 1989, 152 (160). 2 BAG v. 2.6.2005 – 2 AZR 158/05, AP KSchG 1969 Soziale Auswahl Nr. 73 = NZA 2005, 1175; BAG v. 2.6.2005 – 6 AZR 199/05, AP KSchG 1969 Soziale Auswahl Nr. 76 = NZA 2006, 590; BAG v. 18.10.2006 – 2 AZR 676/05, AP KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163 = NZA 2007, 798 Rz. 27; zust. Gaul/Bonanni, NZA 2006, 289 (291). 3 BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, AP BGB § 308 Nr. 3 = NZA 2006, 746 Rz. 30; BAG v. 27.8.2008 – 5 AZR 820/07, AP BGB § 307 Nr. 36 = NZA 2009, 49 Rz. 22. 4 BAG v. 9.11.2005 – 5 AZR 351/05, AP BGB § 305c Nr. 5 (unter II 4). 5 Hromadka, NJW 2002, 2523 (2528).
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Einf. | Einführung erneut die Grenze für den Vorbehalt einseitiger Eingriffsbefugnisse. Diesen Kernbereich hat das BAG dahin konkretisiert, dass der widerrufliche Anteil bei im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Arbeitsleistung stehenden Entgeltbestandteilen (Entgelt im engeren Sinne) unter 25 % des Gesamtverdienstes liegen muss, während er bei nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Entgeltbestandteilen (Entgelt im weiteren Sinne) bis auf unter 30 % der Gesamtvergütung ansteigen darf.1 Für die Praxis inzwischen weitgehend geklärt ist die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber durch arbeitsvertragliche oder den jeweiligen tatsächlichen Zahlungen beigefügte Erklärungen, mit denen er jede Rechtsverbindlichkeit ausschließt (Freiwilligkeitsvorbehalte), das Entstehen eines rechtlichen Anspruchs des Arbeitnehmers auf eine bestimmte finanzielle Leistung von vornherein verhindern kann, um sich hierdurch höchstmögliche Flexibilität zu verschaffen.2 Das BAG hat für laufende Leistungen (Entgelt im engeren Sinne) unter Berufung auf den Zweck des Arbeitsvertrages sowie den Grundsatz der Vertragsbindung (pacta sunt servanda) die Zulässigkeit kategorisch ausgeschlossen,3 während für Sonderzahlungen (Entgelt im weiteren Sinne) eine solche Befugnis des Arbeitgebers zwar nicht per se verneint wird, in den letzten Jahren aber immer weiter zurückgedrängt worden ist. So hielt das BAG einen pauschalen Vorbehalt im Arbeitsvertrag ursprünglich noch für geeignet, die Entstehung eines künftigen Anspruchs auf eine Sonderzahlung dauerhaft zu verhindern.4 Demgegenüber nimmt die Rechtsprechung mittlerweile an, dass ein pauschal im Arbeitsvertrag enthaltener Freiwilligkeitsvorbehalt unwirksam ist, weil er sich auch auf laufende Leistungen erstrecke und damit dem Zweck des Arbeitsvertrages widerspreche, die Wertung des § 305b BGB unterlaufe sowie vom Grundsatz „pacta sunt servanda“ abweiche.5 Darüber hinaus 1 BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, AP BGB § 308 Nr. 6 = NZA 2007, 87 im Anschluss an BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, AP BGB § 308 Nr. 1 = NZA 2005, 465; ferner BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 772/14, AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 151 = NZA 2017, 931 Rz. 20; BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 774/14, AP BGB § 308 Nr. 10 = NZA 2017, 777 Rz. 25. 2 Dazu eingehend Krause in FS Bauer (2010), S. 577 ff.; ferner Bayreuther, ZfA 2011, 45 ff.; Hromadka, DB 2012, 1037 ff.; Preis/Deutzmann, NZA-Beilage 3/2017, 101 (105 f.); Preis/ Sagan, NZA 2012, 697 ff. 3 BAG v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/06, AP BGB § 308 Nr. 7 = NZA 2007, 853; bestätigend BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, AP BGB § 315 Nr. 108 = NZA 2013, 1013 Rz. 22. 4 BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 274 = NZA 2008, 1173; BAG v. 20.1.2010 –10 AZR 914/08, AP BGB § 305c Nr. 12 = NZA 2010, 445 Rz. 14; BAG v. 8.12.2010 – 10 AZR 671/09, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 91 = NZA 2011, 628 Rz. 16 f.; siehe auch Mikosch in FS Düwell (2011), S. 115 (125). 5 BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, AP BGB § 307 Nr. 56 = NZA 2012, 81 Rz. 32 ff.; BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, AP BGB § 315 Nr. 108 = NZA 2013, 1013 Rz. 22; BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 303 = NZA 2014, 368 Rz. 39; BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, AP BGB § 315 Nr. 113 = NZA 2014, 595 Rz. 51.
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werden auch alle „konkreten Freiwilligkeitsvorbehalte“1 als intransparent verworfen, wenn sie einer bereits im Arbeitsvertrag ausdrücklich versprochenen Leistung mit dem Ziel beigefügt werden, die Zusage wieder zu entwerten.2 Im Ergebnis akzeptiert das BAG damit letztlich nur noch solche Freiwilligkeitsvorbehalte, die mit arbeitsvertraglich nicht erwähnten Einmalzahlungen konkret verbunden werden, um hierdurch das Entstehen einer betrieblichen Übung zu verhindern,3 wobei selbst eine beträchtliche Höhe der Sonderzahlung (bis zu 60 % einer Jahresvergütung) einem Anspruchsausschluss nicht entgegenstehen soll4. Die entscheidende Weichenstellung in dieser jedenfalls theoretisch nach wie vor umstrittenen Thematik ist darin zu sehen, ob die vertraglichen Erklärungen sowie das Gesamtverhalten des Arbeitgebers unter gleichzeitiger Berücksichtigung des Freiwilligkeitsvorbehalts den Schluss auf eine grundsätzlich erteilte rechtsgeschäftliche Zusage bzw. auf das Vorhandensein einer betrieblichen Übung erlauben.5 Insoweit fungiert der Freiwilligkeitsvorbehalt lediglich als Material bei der Interpretation der Erklärungen bzw. des Verhaltens des Arbeitgebers. Der Grundsatz „pacta sunt servanda“ spielt auf dieser Stufe noch keine Rolle, weil es zunächst darum geht, ob der Arbeitgeber überhaupt eine rechtsgeschäftliche Bindung, also ein „pactum“, eingegangen ist. Diese nach Maßgabe der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre zu beurteilende Frage ist der Anwendbarkeit des AGBrechtlichen Kontrollregimes vorgelagert. Dabei spielt es durchaus eine Rolle, ob der Arbeitgeber eine Leistung konkret in Aussicht gestellt hat, um den Arbeitnehmer hierdurch zu einem bestimmten Arbeitsverhalten zu motivieren.6 Sofern diese Schwelle überwunden ist, geht es um die weitere Frage, ob der Freiwilligkeitsvorbehalt in seiner (kumulativen) Eigenschaft als Vertragsabschlussklausel die Kraft hat, eine nach allgemeinen Grundsätzen an sich eintretende Bindung des Arbeitgebers zu verhindern. Dies ist indes eindeutig zu verneinen, weil auf diese Weise das Äquivalenzprinzip als allgemeiner Rechtsgrundsatz (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB), zumindest aber das Verbot der Aushöhlung vertragstypischer Rechte und Pflichten (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB) missachtet würde.7. Wird die Schwelle 1 Zum Begriff Preis/Deutzmann, NZA-Beilage 3/2017, 101 (106). 2 BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, AP BGB § 307 Nr. 32 = NZA 2008, 40 Rz. 18 ff.; BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 274 = NZA 2008, 1173 Rz. 39; BAG v. 20.2.2013 – 10 AZR 177/12, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 299 = NZA 2013, 1015 Rz. 18 ff. 3 BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, AP BGB § 315 Nr. 108 = NZA 2013, 1013 Rz. 22; offenlassend BAG v. 20.2.2013 – 10 AZR 177/12, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 299 = NZA 2013, 1015 Rz. 21. 4 Vgl. BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 289/08, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 282 = NZA 2009, 535 (Rz. 18 ff.); dezidiert krit. zur Unterscheidung zwischen laufenden und einmaligen Leistungen Bonin in DBD, § 307 Rz. 200a. 5 Näher dazu Krause in FS Bauer (2010), S. 577 (583 ff.). 6 Zust. Annuss in FS Picker (2010), S. 861 (869 f.), mit einem eher künstlichen Gegensatz zu Krause in FS Bauer (2010), S. 577 (588). 7 Näher dazu Krause in FS Bauer (2010), S. 577 (583 ff.).
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Einf. | Einführung zur rechtsgeschäftlichen Bindung nicht überwunden, ist lediglich eine außerhalb des AGB-Rechts angesiedelte Missbrauchskontrolle mit der Folge durchzuführen, dass grundsätzlich nur ein Anteil von bis zu 12,5 % des Gesamtentgelts in das Belieben des Arbeitgebers gestellt werden darf (strenger § 307 Rz. 192).1 b) Grundrechtliche Aufladung 81 Eine weitere Eigenheit arbeitsvertraglicher AGB besteht darin, dass sie sehr viel
häufiger als allgemeine AGB grundrechtlich geschützte Interessen in besonders intensiver Weise berühren, die Berufsfreiheit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer also nicht nur in ihrer schlichten Eigenschaft als Arbeitsvertragsparteien betreffen.2 Gemeint sind damit alle Nebenbestimmungen, die das personenbezogene Element des Arbeitsverhältnisses tangieren und den Arbeitnehmer von der Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten unmittelbar oder mittelbar abhalten sollen. Im Vordergrund stehen insoweit die schon seit langem geläufigen Rückzahlungsklauseln im Hinblick auf Sonderleistungen sowie Aus- oder Fortbildungskosten. Hinzu kommen (erhebliche) Verlängerungen der gesetzlichen Kündigungsfrist, selbst wenn die Grenzen des § 622 Abs. 6 BGB eingehalten werden.3 Daneben ist aber auch an solche Regelungen zu denken, die sich auf Nebenbeschäftigungen und wettbewerbliches Verhalten beziehen. In diesen Gestaltungen ist die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers aus Art. 12 Abs. 1 GG spezifisch betroffen.4 Darüber hinaus kommen aber auch Abreden in Betracht, die das Allgemeine Persönlichkeitsrecht einschränken, wie etwa vorformulierte Erklärungen über die Einwilligung gemäß Art. 7 DSGVO i.V.m. § 26 Abs. 2 BDSG (zuvor § 4a BDSG a.F.) in Überwachungsmaßnahmen und sonstige datenschutzbezogene Handlungen des Arbeitgebers5 oder die Pflicht eines ins Ausland entsandten Arbeitnehmers, die Steuererklärung durch eine vom Arbeitgeber beauftragte Steuerberatungsgesellschaft erstellen zu lassen6. Die Berück-
1 Vgl. Krause in FS Bauer (2010), S. 577 (590 f.); ebenso Bayreuther, ZfA 2011, 45 (66); für eine 25 %-Grenze unter Heranziehung von § 306a BGB Heiden, RdA 2012, 225 (235); vergleichbare Wertung bei Schwarze, NZA 2012, 289 (293); gegen jeden Freiwilligkeitsvorbehalt bei allen konkret in Aussicht gestellten synallagmatischen – laufenden oder einmaligen – Leistungen Annuß in FS Picker (2010), S. 861 (869 ff.). 2 Dazu BVerfG v. 23.11.2006 – 1 BvR 1909/06, AP BGB § 307 Nr. 22. 3 BAG v. 26.10.2017 – 6 AZR 158/16, AP BGB § 622 Nr. 74 = NZA 2018, 297 Rz. 33 ff. 4 Vgl. BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, AP BGB § 307 Nr. 16 = NZA 2006, 1042 Rz. 25; BAG v. 28.3.2007 – 10 AZR 261/06, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 265 = NZA 2007, 687 Rz. 25; BAG v. 25.4.2007 – 10 AZR 634/06, AP BAT §§ 22, 23 Zuwendungs-TV = NZA 2007, 875 Rz. 25; BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, AP BGB § 307 Nr. 32 = NZA 2008, 40 Rz. 24; BAG v. 6.5.2009 – 10 AZR 443/08, NZA 2009, 783 Rz. 13; BAG v. 18.3. 2014 – 9 AZR 545/12, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 49 = NZA 2014, 957 Rz. 19. 5 Zur Einordnung der datenschutzrechtlichen Einwilligung als AGB siehe BGH v. 16.7. 2008 – VIII ZR 348/06, BGHZ 177, 253 (259) = NJW 2008, 2055 f. 6 BAG v. 23.8.2012 – 8 AZR 804/11, AP BGB § 307 Nr. 67 = NZA 2013, 268 Rz. 33 ff.
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sichtigung der grundrechtlichen Wertungen erfolgt regelmäßig im Rahmen der Angemessenheitskontrolle. Diese Kontrolle muss aus verfassungsrechtlicher Sicht mindestens den Schutz gewährleisten, der sich aus der Schutzgebotsfunktion der Grundrechte ergibt. Ein Optimum an Grundrechtsverwirklichung ist dagegen nicht erforderlich. Allerdings bietet § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB auf der einfachrechtlichen Ebene einen nicht unerheblichen Spielraum für eine verfassungsorientierte Auslegung. Wenn die geregelte Angelegenheit auf eine Initiative des Arbeitnehmers zurückgeht, kann aus dessen Berufsfreiheit zudem auch einmal ein Argument für die Wirksamkeit einer Klausel generiert werden.1 c) Kompensation von Nachteilen aa) Bedeutung des Vorhandenseins eines gesetzlichen Schutzsystems Das Arbeitsverhältnis ist in vielfältiger Weise durch zwingende gesetzliche 82 Schutznormen reguliert. Neben dem schon erwähnten kündigungsrechtlichen Bestandsschutz seien insbesondere das Urlaubsrecht, die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie der Bereich des technischen und sozialen Arbeitsschutzes genannt. Während die allgemeine AGB-Kontrolle vor dem Hintergrund einer grundsätzlich dispositiven normativen Ordnung vorzunehmen ist, entfaltet sich die Kontrolle von vorformulierten Arbeitsbedingungen somit innerhalb eines zwingenden gesetzlichen Rahmens. Ein Teil des Schrifttums zieht aus diesem Umstand den Schluss, dass der gesetzliche Schutz als eine Art vorweggenommene Kompensation in die Angemessenheitskontrolle einzubeziehen ist.2 Da es bei der Angemessenheitskontrolle anerkanntermaßen eine Rolle spielt, ob der Verwender für ihn günstige Abweichungen vom dispositiven Recht durch Vorteile für den Klauselgegner kompensiert,3 würde die generelle Berücksichtigung des bereits vorhandenen zwingenden Schutzniveaus das Tor für vertragliche Gestaltungen, die zum Nachteil des Arbeitnehmers vom dispositiven Recht abweichen, weit öffnen. Gegen diese Sichtweise spricht indes zunächst, dass sich vorformulierte Arbeits- 83 bedingungen thematisch vielfach auf Bereiche beziehen, in denen es von vornherein kein zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht gibt. Zu nennen sind Vertragsstrafen, Ausschlussfristen und Schriftformklauseln. Insoweit besteht daher kein struktureller Unterschied zwischen der allgemeinen und der arbeitsrechtlichen AGB-Kontrolle. Darüber hinaus ist es vielfach kaum möglich, einen inneren Zusammenhang zwischen den Arbeitnehmer benachteiligenden arbeitsver1 Vgl. BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 44 = NZA 2012, 85 Rz. 44. 2 So Zöllner, RdA 1989, 152 (160). 3 Coester in Staudinger, § 307 Rz. 125 ff.; Fuchs in UBH, § 307 Rz. 144 (151 ff.); Stoffels, AGB-Recht, Rz. 487; eingehend Bieder, Kompensatorische Vertragsgestaltung im Arbeits- und Wirtschaftsrecht, 2015, S. 58 ff., 419 ff.
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Einf. | Einführung traglichen Klauseln auf der einen Seite und bestimmten gesetzlichen Schutzvorschriften auf der anderen Seite herzustellen. Schließlich besteht der Zweck von zwingenden Schutzgesetzen darin, dem Arbeitnehmer ein unabdingbares Mindestniveau zu verschaffen, also gleichsam die „Null-Linie“ zu Gunsten des Beschäftigten zu verschieben. Dagegen zielen diese Bestimmungen nicht darauf ab, dem Arbeitgeber Handlungsspielräume für vorformulierte vertragliche Regelungen zu verschaffen, die er ohne die gesetzlichen Vorgaben möglicherweise nicht hätte. Daher kann der zwingende Arbeitnehmerschutz als solcher nicht als eine antizipierte Kompensation arbeitsvertraglicher Benachteiligungen des Arbeitnehmers qualifiziert werden. Dementsprechend stellt es keine relevante Kompensation dar, wenn der Arbeitgeber in den AGB ohnehin schon bestehende gesetzliche oder kollektiv- bzw. einzelvertragliche Rechtspositionen des Arbeitnehmers noch einmal deklaratorisch eigens hervorhebt.1 Hiervon unberührt bleibt die bereits erwähnte Möglichkeit, dass sich aus der Struktur der arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften als Folge einer bestimmten Klauselgestaltung ein zusätzlicher Schutz ergibt (Rz. 78). Eine solche Kompensation ist bei der Angemessenheitskontrolle in Rechnung zu stellen. bb) Freiwillige Begünstigungen 84 In den Entscheidungen des BAG zu Freiwilligkeitsvorbehalten2 ist die Frage auf-
geworfen worden, ob die Zulässigkeit einer in rechtlicher Hinsicht den Arbeitnehmer benachteiligenden Klausel zumindest auch damit gerechtfertigt werden kann, dass der Arbeitgeber ohne diese Klausel von einer den Arbeitnehmer in tatsächlicher Hinsicht begünstigenden Maßnahme abgesehen hätte oder absehen würde. Im Hinblick auf laufende Leistungen hat das BAG diesen Gedanken verworfen,3 während er bei den Sonderzahlungen eine durchaus gewichtige Rolle spielt.4 In der Tat spricht prima facie einiges dafür, die Klauselkontrolle nicht so zu handhaben, dass sie sich faktisch letztlich zum Nachteil der Arbeitnehmer auswirkt. Allerdings erscheint es nur schwer möglich, diesen Aspekt in operable Formen zu fassen. Von vornherein nicht tragfähig ist jedenfalls die Überlegung, dass der Arbeitgeber ohne die Vereinbarung bestimmter Klauseln vom Abschluss des Arbeitsvertrags abgesehen hätte oder auf lange Sicht weniger Arbeitnehmer beschäftigen wird. Darüber hinaus kann es generell nicht überzeugen, eine rechtliche Benachteiligung durch eine faktische Begünstigung zu legiti-
1 Vgl. BAG v. 21.6.2011 – 9 AZR 203/10, AP BGB § 307 Nr. 53 = NZA 2011, 1338 Rz. 50, zu einer tariflichen Leistung; ferner Bieder, Kompensatorische Vertragsgestaltung im Arbeits- und Wirtschaftsrecht, 2015, S. 426 f. 2 BAG v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/06, AP BGB § 308 Nr. 7 = NZA 2007, 853; BAG v. 30.7. 2008 – 10 AZR 606/07, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 274 = NZA 2008, 1173. 3 BAG v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/06, AP BGB § 308 Nr. 7 = NZA 2007, 853 Rz. 22. 4 BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 274 = NZA 2008, 1173 Rz. 35.
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mieren. Dementsprechend wird im allgemeinen AGB-Recht einhellig die Ansicht vertreten, dass eine unangemessene Benachteiligung nicht durch einen günstigeren Preis gerechtfertigt werden kann.1 Ursache für diese Wertung ist nicht zuletzt der Umstand, dass das Gericht regelmäßig außer Stande sein wird, das Arbeitgeberverhalten zu simulieren, zu dem es ohne die fragliche Klausel gekommen wäre bzw. künftig kommen würde. Letztlich taucht an dieser Stelle die schon vor Jahrzehnten diskutierte Grund- 85 satzfrage wieder auf, ob eine Inhaltskontrolle bei freiwilligen und ausschließlich begünstigenden Zusatzleistungen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist. Für eine solche Kontrolle wurde schon frühzeitig überzeugend ins Feld geführt, dass finanzielle Zusatzleistungen nicht als altruistische Schenkungen qualifiziert werden können, sondern mit jedem zusätzlichen Entgelt die Erwartung einer zusätzlichen Leistung des Arbeitnehmers einhergeht.2 Dieser Aspekt steht jedenfalls solchen Klauseln entgegen, die den Arbeitgeber in die Lage versetzen sollen, sich den in Aussicht gestellten Vergünstigungen trotz entsprechender Dispositionen der Arbeitnehmer wieder zu entziehen. Zudem streitet der Persönlichkeitsschutz gegen Abreden, die eine übermäßig disziplinierende und damit die Abhängigkeit des Arbeitnehmers steigernde Wirkung entfalten.3 Die Lösung liegt daher nicht in einer weitgehenden Freistellung der Kontrolle generell begünstigender Regelungen auf damit verbundene rechtlich nachteilhafte Bedingungen, sondern darin, im Einzelnen zu untersuchen, wie intensiv das Verhalten des Arbeitnehmers durch die jeweilige Klausel gesteuert wird. Dagegen kann dem Arbeitgeber bei Bedingungen, die lediglich den Rahmen präzisieren sollen, der für zusätzliche Leistungen zur Verfügung steht, ein größerer Spielraum zugebilligt werden. Im Übrigen kann der Arbeitgeber wie erläutert (Rz. 80) durch sein Erklärungsverhalten das Entstehen eines Rechtsanspruchs auf eine Zusatzleistung nach den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsgeschäftslehre einschließlich der Regeln über die betriebliche Übung von vornherein verhindern, muss dafür aber mit der Unsicherheit „bezahlen“, die er bei den Arbeitnehmern hierdurch hervorruft und die wiederum ihr Arbeitsverhalten beeinflusst. Von der soeben formulierten Grundregel ist eine Ausnahme für die Fälle zu ma- 86 chen, in denen der Arbeitgeber mit einer Begünstigung uneigennützige Ziele verfolgt. Seinen gesetzlichen Ausdruck findet dieser Gedanke in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG. Danach kann die Befristung eines Arbeitsverhältnisses wirksam sein, wenn es ohne den in der Person des Arbeitnehmers begründeten sozialen Zweck überhaupt nicht zu einer Besserstellung in Form des Abschlusses 1 Coester in Staudinger, § 307 Rz. 129 ff.; Fuchs in UBH, § 307 Rz. 145; Stoffels, AGBRecht, Rz. 493; umfassend und differenzierend Bieder, Kompensatorische Vertragsgestaltung im Arbeits- und Wirtschaftsrecht, 2015, S. 279 ff. 2 Wiedemann, RdA 1969, 244 (247); ebenso Hildebrandt, Disparität und Inhaltskontrolle im Arbeitsrecht, 1987, S. 66 f. 3 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992, S. 189.
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Einf. | Einführung eines Arbeitsvertrages gekommen wäre.1 Diese Wertung lässt sich zunächst auf die AGB-Kontrolle der Befristung einzelner Arbeitsbedingungen übertragen, auch wenn diese Kontrolle nicht gemäß § 14 TzBfG analog erfolgt, sondern anhand der §§ 305 ff. BGB vorzunehmen ist.2 Man wird indes noch einen Schritt weiter gehen können und insbesondere Freiwilligkeitsvorbehalte für zulässig zu halten haben, wenn ein Arbeitgeber beispielsweise einem Arbeitnehmer aus sozialen Gründen über akute wirtschaftliche Schwierigkeiten hinweghelfen möchte, sich aber nicht auf Dauer rechtlich binden, sondern die Möglichkeit offenhalten will, die Leistungen nach Überwindung der persönlichen Krise ohne eine gerichtliche Überprüfung umgehend wieder einzustellen. Allgemeiner formuliert halten rechtliche Nachteile dann einer Inhaltskontrolle stand, wenn sie die Kehrseite einer Begünstigung sind, die allein oder zumindest im überwiegenden Interesse des Arbeitnehmers liegt, und wenn sie keine unverhältnismäßige Verhaltenslenkung entfalten sollen. In diese Rubrik gehört auch die Vereinbarung einer befristeten Verringerung der Arbeitszeit, sofern der Arbeitnehmer darauf keinen Anspruch hatte,3 weil die Rückkehr zur Vollzeit im Allgemeinen einen Vorteil für den Beschäftigten darstellt.4 d) Differenzierung nach Verkehrskreisen aa) Arbeitnehmerseite 87 Eine weitere Eigenart des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass es nicht „den“
Arbeitnehmer gibt, sondern dass die Beschäftigten, mit denen vorformulierte Arbeitsverträge abgeschlossen werden, mit höchst unterschiedlichen Verständnishorizonten in die Vertragsverhandlungen hineingehen und innerhalb des Unternehmens auf verschiedenen Ebenen der betrieblichen Hierarchie ihren Platz einnehmen. Wie das BAG im Zusammenhang mit einer Vertragsstrafenregelung ausgeführt hat, ist diesem Phänomen dadurch Rechnung zu tragen, dass auf die jeweilige Arbeitnehmergruppe abzustellen ist, die von der Verwendung gerade dieser Klausel betroffen ist.5 Damit knüpft das BAG an ältere Entscheidungen an, in denen – wenn auch noch recht allgemein – von der Möglichkeit gruppentypisch unterschiedlicher Ergebnisse die Rede ist.6 Dieser Ansatz einer unterschiedlichen Schutzbedürftigkeit („Verletzbarkeit“) ist weiter1 BAG v. 21.1.2009 – 7 AZR 630/07, AP TzBfG § 14 Nr. 57 = NZA 2009, 727. 2 Vgl. BAG v. 8.8.2007 – 7 AZR 855/06, AP TzBfG § 14 Nr. 41 = NZA 2008, 229; BAG v. 18.6.2008 – 7 AZR 245/07, AP TzBfG § 14 Nr. 52; BAG v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 673. 3 Siehe dazu jetzt aber den Anspruch auf eine zeitliche begrenzte Verringerung der Arbeitszeit (Brückenteilzeit) gemäß § 9a TzBfG n.F. 4 BAG v. 10.12.2014 – 7 AZR 1009/12, AP BGB § 307 Nr. 70 = NZA 2015, 811 Rz. 50. 5 BAG v. 25.9.2008 – 8 AZR 717/07, AP BGB § 307 Nr. 38 = NZA 2009, 370 Rz. 59. 6 BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, AP BGB § 309 Nr. 3 = NZA 2004, 727; BAG v. 27.7. 2005 – 7 AZR 486/04, AP BGB § 307 Nr. 6 = NZA 2006, 40.
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zuführen, wobei aus Gründen der Rechtssicherheit in erster Linie eine Aufteilung in typisierbare Gruppen vorzunehmen ist. Eine Grundeinteilung betrifft die Unterscheidung zwischen tariflichen Arbeit- 88 nehmern und außertariflichen Angestellten.1 Darüber hinaus wird man der im Schrifttum befürworteten weiteren Unterteilung ab der Prokuraebene beipflichten können.2 Die Bedeutung dieser Unterscheidungen betrifft in erster Linie die Flexibilisierungsinstrumente, die den jeweiligen Arbeitnehmergruppen zugemutet werden können. Darüber hinaus können spezielle gesetzliche Wertungen für die Zulässigkeit bestimmter Bedingungen sprechen, wie etwa der geringere Kündigungsschutz von leitenden Angestellten (vgl. § 14 Abs. 2 KSchG) für großzügigere Freistellungsklauseln.3 Dagegen rechtfertigt die regelmäßig deutlich bessere Entlohnung ohne eine nähere Aufschlüsselung aus Transparenzgründen keine pauschale Schlechterstellung leitender Angestellter bei der Klauselkontrolle.4 Ferner können die Verständnismöglichkeiten der jeweiligen Personenkreise vor allem im Zusammenhang mit der Frage des Charakters einer Klausel als überraschend (§ 305c Abs. 1 BGB)5 oder dem Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) relevant werden. Gerade insoweit kann neben hierarchiebezogenen Gliederungen auch der konkrete Verkehrskreis, dem der Arbeitnehmer entstammt, eine erhebliche Rolle spielen. So kann es sein, dass eine bestimmte Kündigungsregelung für eine Lehrkraft an einer allgemeinbildenden Schule aufgrund ihrer Üblichkeit weder ungewöhnlich noch überraschend ist,6 während dieselbe Klausel einen Arbeitnehmer der Metallindustrie „überrumpeln“ würde. Eine pauschale Besserstellung von Beschäftigten im Niedriglohnsektor etwa durch das Aufstellen besonderer Anforderungen an die Wirksamkeit einer Vertragsstrafe ist jedoch nicht gerechtfertigt.7 Darüber hinaus werden unbestimmte und unklare Klauseln nicht deshalb durchschaubar, weil der Arbeitnehmer über eine akademische Ausbildung verfügt.8 Ein Sonderproblem besteht insoweit darin, wie mit dem Umstand umzugehen 89 ist, dass Arbeitnehmer im Laufe der Zeit in der betrieblichen Hierarchie aufstei1 Fuchs/Bieder in UBH, Anh. zu § 310 Rz. 41; Hromadka, NJW 2002, 2523 (2528); siehe auch Preis, Grundfragen der Vertragskontrolle im Arbeitsrecht, 1993, S. 316 ff.: mildere Maßstäbe für Führungskräfte. 2 Fuchs/Bieder in UBH, Anh. zu § 310 Rz. 41; Hromadka, NJW 2002, 2523 (2528). 3 Bieder, Kompensatorische Vertragsgestaltung im Arbeits- und Wirtschaftsrecht, 2015, S. 434 f. 4 Bieder, Kompensatorische Vertragsgestaltung im Arbeits- und Wirtschaftsrecht, 2015, S. 443 f.; etwas unspezifisch daher Bauer/v. Medem, NZA 2013, 1233 (1237 f.). 5 Vgl. BAG v. 28.6.2007 – 6 AZR 750/06, AP BGB § 307 Nr. 27 = NZA 2007, 1069 Rz. 17: Bezugnahme auf einschlägigen TV im öffentlichen Dienst nicht überraschend. 6 So BAG v. 25.9.2008 – 8 AZR 717/07, NZA 2009, 370 Rz. 25. 7 BAG v. 28.5.2009 – 8 AZR 896/07, AP BGB § 306 Nr. 6 = NZA 2009, 1337 Rz. 47. 8 BAG v. 21.8.2012 – 3 AZR 698/10, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 46 = NZA 2012, 1428 Rz. 28.
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Einf. | Einführung gen können. Im Ausgangspunkt ist entsprechend allgemeinen Grundsätzen1 daran festzuhalten, dass es auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags ankommt. Dies ergibt sich auch aus § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB. Nicht ausgeschlossen ist freilich, dass es dem Arbeitnehmer in extremen Ausnahmefällen verwehrt ist, sich auf die Unwirksamkeit einer Klausel zu berufen, wenn diese viele Jahre später angesichts der inzwischen eingetretenen Veränderungen evident wirksam wäre. In praktischer Hinsicht dürften sich die meisten Probleme aber dadurch erledigen, dass Arbeitnehmer bei einem Statusaufstieg zumeist einen neuen Vertrag erhalten und damit der Zeitpunkt der Klauselkontrolle mit der Karriere des Arbeitnehmers mitwandert. Im Übrigen kann die vom Arbeitnehmer vertraglich auszuübende Tätigkeit in bestimmten Fällen einen Wertungsaspekt darstellen, indem etwa bei Führungskräften Verschwiegenheitspflichten und Wettbewerbsverbote eine größere Rolle als bei anderen Arbeitnehmern spielen.2 bb) Arbeitgeberseite 90 Auf der Arbeitgeberseite hat sich die Rechtsprechung soweit ersichtlich noch
nicht ausdrücklich zu Differenzierungen bekannt. Immerhin ist die Verwendung von „Denglisch“ unter Verweis auf den Umstand, dass es um AGB in einem international tätigen IT-Unternehmen ging, als nicht intransparent eingestuft worden.3 Auch insoweit ist an branchenspezifische Differenzierungen zu denken.4 So ist der Geheimnisschutz durch formularmäßig ausgeformte Verschwiegenheitspflichten in Hightech-Unternehmen von größerem Interesse als in einer Bäckerei.5 Weiter spricht vieles dafür, die geringere Leistungsfähigkeit von Kleinunternehmen angemessen zu berücksichtigen.6 Dieser Aspekt kann allerdings im Wesentlichen nur die formalen Anforderungen an die Klauselgestaltung betreffen, die den „kleinen“ Arbeitgeber als Klauselverwender nicht überfordern sollten. Außerdem ist dieser Gedanke lediglich in den Fällen tragfähig, in denen ein solcher Arbeitgeber die Klausel selbst gestaltet. Sofern er sich der Expertise etwa eines Verbandes oder eines Rechtsanwalts bedient, gibt es keinen hinreichenden Grund, ihm das insoweit vorhandene Fachwissen nicht zuzurechnen, zumal bei fehlerhaft erstellten Arbeitsbedingungen ein Regress gegen den Dritten nicht ausgeschlossen ist. Der materielle Schutz ist dagegen nicht zu relativieren. Hiergegen spricht ein1 BGH v. 3.11.1999 – VIII 269/98, BGHZ 143, 103 (117) = NJW 2000, 1110 (1113); BGH v. 30.3.2010 – XI ZR 200/09, BGHZ 185, 133 = NJW 2010, 2041 Rz. 30; BGH v. 13.11.2013 – I ZR 77/12, NJW 2014, 2180 Rz. 13; Coester in Staudinger, § 307 Rz. 100; Fuchs in UBH, § 307 Rz. 117; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 472. 2 Fuchs/Bieder in UBH, Anh. zu § 310 Rz. 41; Thüsing, BB 2002, 2666 (2671). 3 BAG v. 20.8.2014 – 10 AZR 453/13, AP BGB § 307 Nr. 69 = NZA 2014, 1333 Rz. 30. 4 Ebenso Stöhr, AcP 216 (2016), 558 (564). 5 So das plastische Beispiel von Thüsing, BB 2002, 2666 (2671). 6 Fuchs/Bieder in UBH, Anh. zu § 310 Rz. 41; Hromadka, NJW 2002, 2523 (2528).
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mal das Fehlen eines Schwellenwertes für die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB. Außerdem steht dem Kleinunternehmer, der nicht unter den Anwendungsbereich des KSchG fällt, mit dem weitgehend ungebundenen Kündigungsrecht eine hinreichende Möglichkeit zur Seite, insbesondere Anpassungen des Arbeitsvertrags an geänderte Rahmenbedingungen vorzunehmen. Auch eine Verringerung des Schutzniveaus der Klauselkontrolle zu Gunsten von „Jungunternehmern“ kann nicht überzeugen. Die beiden insoweit einschlägigen Vorschriften (§ 14 Abs. 2a TzBfG und § 112a Abs. 2 BetrVG) haben einen zu singulären Charakter, als dass sich daraus die generelle Wertung entwickeln ließe, die AGB-Kontrolle in den ersten Jahren nach der Unternehmensgründung grobmaschiger durchzuführen. Zudem würde eine solche Sichtweise zu dem wenig einleuchtenden Ergebnis führen, dass ein- und dieselbe Klauselformulierung im Verhältnis zu einem bereits von Beginn an beschäftigten Arbeitnehmer eventuell wirksam wäre, im Verhältnis zu einem später eingestellten Mitarbeiter aber unwirksam. e) Rationalisierung/Gleichbehandlung Der Rationalisierungseffekt gehört anerkanntermaßen zu den Faktoren, die 91 den Einsatz und die konkrete Ausgestaltung von vorformulierten Vertragsbedingungen rechtfertigen können.1 Die Standardisierung vereinfacht die Vertragsanbahnung und -abwicklung, indem sie Zeit und Kosten erspart. Darüber hinaus wird die Kalkulation sowie letztlich die gesamte Organisation des Unternehmens erleichtert. Unter diesem Blickwinkel kann man Ausschlussfristen als Instrument ansehen, durch das nicht nur in einem eher allgemeinen Sinn Rechtssicherheit und Rechtsklarheit herbeigeführt werden,2 sondern gerade die Personalabteilungen davon bewahrt werden sollen, sich mit lange zurückliegenden Forderungen auseinandersetzen zu müssen. Im Arbeitsrecht kommt der besondere Wertungsaspekt der betrieblichen Ver- 92 bundenheit der Arbeitnehmer hinzu. Auch ohne auf die vereinzelt vertretene Vorstellung von der betriebsverbandlichen Struktur der Belegschaft3 zurückzugreifen, ist nicht daran vorbei zu kommen, dass vorformulierte Arbeitsbedingungen vielfach nicht ausschließlich die bilaterale Austauschbeziehung zwischen dem Arbeitgeber und dem einzelnen Arbeitnehmer regeln, sondern zusätzlich das multilaterale Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer im Betrieb betreffen.4 Dieser Aspekt kann zwar nicht die grundsätzliche Geeignet1 BGH v. 24.9.1980 – VIII ZR 273/79, NJW 1981, 117 (118); BGH v. 10.1.1996 – XII ZR 271/94, NJW 1996, 988 (989); Coester in Staudinger, § 307 Rz. 156; Fuchs in UBH, § 307 Rz. 121; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 489; so bereits Preis, Grundfragen der Vertragskontrolle im Arbeitsrecht, 1993, S. 301. 2 Diesen Aspekt hervorhebend BAG v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, AP BGB § 307 Nr. 7 = NZA 2006, 149 (unter II 5 d). 3 So namentlich Reuter, ZfA 1993, 221 (226 ff.). 4 Krause in FS Reuter (2010), S. 627 (637 f.).
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Einf. | Einführung heit einer AGB-Kontrolle infrage stellen.1 Auch geht es zu weit, die Beschneidung von Arbeitnehmeransprüchen durch Ausschlussfristen und Ausgleichsquittungen auf die Überlegung zu stützen, dass die übrige Belegschaft ein Interesse an einem möglichst ungeschmälerten Betriebsvermögen hat,2 weil sich mit dem Rekurs auf mögliche wirtschaftliche Folgewirkungen von Arbeitnehmerrechten letztlich jede Form des Arbeitnehmerschutzes infrage stellen ließe.3 Jedoch kann im Zusammenhang mit finanziellen Zusatzleistungen wie auch mit Sanktionsregelungen in Form von Vertragsstrafen der Gedanke durchaus fruchtbar gemacht werden, dass das einzelne Arbeitsverhältnis in eine betriebliche Organisation eingebettet ist.4 So lassen sich vorformulierte Klauseln, die einen Umbau der Vergütungsstruktur ermöglichen sollen, grundsätzlich damit legitimieren, dass der Arbeitgeber hierdurch in die Lage versetzt wird, neue Formen von Leistungsanreizen zu etablieren und gegebenenfalls auch eine Schieflage der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit zu beseitigen. Soweit es um Vertragsstrafen als Instrument zur Sicherung der Arbeitspflicht geht, besteht ein für die grundsätzliche Zulässigkeit sprechender Aspekt darin, dass sich die Folgen des Ausfalls eines einzelnen Arbeitnehmers aufgrund der Einfügung seiner Arbeitsleistung in die Betriebsorganisation nicht hinreichend isolieren lassen und die Präventionswirkung der Schadensersatzandrohung damit weitgehend leer läuft. Hinzu tritt die Wirkung der Vertragsstrafe als Mittel zur Gewährleistung eines kollegialen Verhaltens, indem sie den Arbeitnehmer daran hindern soll, von heute auf morgen seinen Arbeitsplatz zu verlassen und die zu erfüllenden Arbeitsaufgaben damit faktisch den anderen Mitarbeitern aufzubürden.5 Allgemeiner gesagt lässt sich aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Verbundenheit der Arbeitnehmer ableiten, dass eine Klausel um so eher der Inhaltskontrolle standhält, je stärker sie dazu dient, die Funktionsfähigkeit des betrieblichen Systems aufrechtzuerhalten sowie insbesondere zur Bewältigung struktureller Anpassungsprobleme beizutragen. Insoweit fordert und fördert eine richtig kalibrierte Inhaltskontrolle die Rationalität innerbetrieblicher Verfahrensabläufe.6 93 Ein weiterer Gesichtspunkt wird mit dem Gleichbehandlungsgedanken an-
gesprochen.7 Auch wenn das Interesse des Arbeitgebers an einer Vereinheitlichung der Arbeitsvertragsbedingungen nach ständiger Rechtsprechung des BAG
1 So aber Reuter in FS 50 Jahre BAG (2004), S. 177 (183 ff.); ähnl. bereits Zöllner, AcP 176 (1976), 221 (245). 2 So Reuter in FS 50 Jahre BAG (2004), S. 177 (188 ff.). 3 Hiervon ist der bereits erwähnte Aspekt (Rz. 73) zu unterscheiden, dass Zusatzleistungen gegebenenfalls deshalb gekürzt werden müssen, um das weitere Fortbestehen des Unternehmens im Interesse des Arbeitgebers und der Gesamtheit der Arbeitnehmer zu sichern. 4 Reuter in FS 50 Jahre BAG (2004), S. 177 (190 ff.). 5 Näher dazu Krause in FS Reuter (2010), S. 627 (630 f.). 6 Ansatzweise auch Derleder, AuR 2004, 361 (368). 7 In diese Richtung ebenfalls Linsenmaier, RdA 2014, 336 (344).
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für sich genommen keine Änderungskündigung rechtfertigt,1 besteht gleichwohl ein grundsätzlich anerkennenswertes Interesse des Arbeitgebers an einheitlichen Vertragswerken bzw. an Vertragsklauseln, die eine Vereinheitlichung von Arbeitsbedingungen ermöglichen sollen.2 Einen gewissen Ausdruck findet der Gleichbehandlungsaspekt auch in der Judikatur des BAG, nach der ein im Arbeitsvertrag mit einem tarifgebundenen Arbeitgeber in Bezug genommener einschlägiger Tarifvertrag auch bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer keiner Transparenzkontrolle unterliegt.3 Neben dem gleichsam mittelbaren Schutz des Tarifvertrags vor dem möglichen Verdikt der Intransparenz geht es insoweit auch darum, zu verhindern, dass dieselben Vorschriften im Verhältnis des Arbeitgebers zu einem tarifgebundenen Arbeitnehmer wirksam, im Verhältnis zu einem nicht organisierten Arbeitnehmer aber unwirksam sind, wodurch eine Spaltung in die Belegschaft hineingetragen würde. Ein besonderer Aspekt der Gleichbehandlung kommt in dem Gedanken zum Ausdruck, die Befristung einer Begünstigung (Arbeitszeitverringerung auf Wunsch des Arbeitnehmers) mit der Überlegung zu rechtfertigen, hierdurch einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung zu eröffnen.4 f) Sanktionierung von Pflichtverletzungen Eine das gesamte Dienstvertragsrecht und damit vor allem das Arbeitsrecht aus- 94 zeichnende Besonderheit ist weiter das Fehlen eines eigenständigen Gewährleistungsrechts. Dies hat in Verbindung mit der eingeschränkten Wirkung des Schadensersatzrechts bei (schuldhaften) Minderleistungen und sonstigen Pflichtverletzungen zur Folge, dass ein Interesse des Arbeitgebers an anderen Reaktionsinstrumenten nicht von der Hand zu weisen ist. Will man nicht der Kündigung als vergleichsweise scharfes Mittel das Wort reden, kommen (bei schuldhaftem Handeln) wiederum Vertragsstrafen, daneben aber auch ganz allgemein Änderungsvorbehalte in Betracht, um das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung der konkreten Entwicklung anzupassen.5 Allerdings dürfen derartige Regelungen die Grundsätze über die beschränkte Arbeitnehmerhaftung6 nicht aushöhlen. 1 BAG v. 28.4.1982 – 7 AZR 1139/79, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 3; BAG v. 1.7.1999 – 2 AZR 826/98, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 53 = NZA 1999, 1336; BAG v. 20.1.2000 – 2 ABR 40/99, AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 40 = NZA 2000, 592; BAG v. 16.5.2002 – 2 AZR 292/01, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 69 = NZA 2003, 147; BAG v. 12.1.2006 – 2 AZR 126/05, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 82 = NZA 2006, 587; BAG v. 8.10.2009 – 2 AZR 235/08, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 143 = NZA 2010, 465; einschränkend Oetker in ErfK, § 2 KSchG Rz. 65. 2 Im Grundsatz bereits Preis, Grundfragen der Vertragskontrolle im Arbeitsrecht, 1993, S. 301. 3 BAG v. 28.6.2007 – 6 AZR 750/06, AP BGB § 307 Nr. 27 = NZA 2007, 1069 Rz. 25. 4 BAG v. 10.12.2014 – 7 AZR 1009/12, AP BGB § 307 Nr. 70 = NZA 2015, 811 Rz. 50. 5 Hromadka, NJW 2002, 2523 (2528). 6 Krause in HWK, § 619a BGB Rz. 11 ff.
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Einf. | Einführung g) Rechtsverfehlungsrisiko (Prognoserisiko) 95 Das aus dem allgemeinen AGB-Recht übernommene grundsätzliche Verbot der
geltungserhaltenden Reduktion (dazu § 306 Rz. 69 ff.) wirft dann Schwierigkeiten auf, wenn es um Gestaltungen geht, in denen die Rechtsprechung das konkrete Ausmaß des rechtlich Erlaubten trotz der bei der Inhaltskontrolle an sich gebotenen typisierten Betrachtungsweise aufgrund der Eigenheiten der betroffenen arbeitsrechtlichen Materie erst anlässlich des jeweils zu beurteilenden Falls feststellt. In diesen Konstellationen kann es dazu kommen, dass der Arbeitgeber den Umfang des rechtlich Zulässigen nur deshalb überschreitet, weil die rechtlichen Grenzen diffus sind und von der Gewichtung verschiedener Variablen abhängen. Da das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion seine Rechtfertigung in erster Linie darin findet, dass der Verwender davon abgehalten werden soll, bei der Klauselaufstellung unbedenklich über die Grenzen des rechtlich Zulässigen hinauszugehen und nur ein gerichtliches Zurückstutzen auf das gerade noch wirksame Maß befürchten zu müssen,1 schießt es über diesen Präventionszweck hinaus, auch denjenigen Verwender mit einem ersatzlosen Wegfall der Klausel zu sanktionieren, der lediglich die von der Judikatur erst im Nachhinein konkret fixierten Grenzen verfehlt.
96 Zur Lösung dieser Problematik hat das BAG vor einiger Zeit den Weg zur ergän-
zenden Vertragsauslegung verbreitert und ein solches Vorgehen nicht mehr nur dann für statthaft erklärt, wenn sich das Festhalten am Vertrag für den Verwender als unzumutbare Härte i.S.v. § 306 Abs. 3 BGB darstellen (hierzu § 306 Rz. 58 ff.) oder wenn die uneingeschränkte Anwendung der §§ 307 ff. BGB auf Altverträge auf eine unzulässige Rückwirkung hinauslaufen würde (dazu Rz. 120 ff.), sondern auch dann, wenn es für den Arbeitgeber objektiv schwierig war, die exakte Reichweite des rechtlich Zulässigen vorab zu ermitteln.2 Auch wenn das BAG in diesem Zusammenhang von „Prognoserisiko“ spricht,3 geht es der Sache nach nicht um eine Prognose im Hinblick auf einen tatsächlichen künftigen Geschehensablauf, sondern um die Verfehlung des rechtlich Zulässigen. Der in der späteren Judikatur allerdings ohnehin nicht mehr verwendete4 Terminus „Prognoserisiko“ führt sogar eher in die Irre, weil er den Eindruck erweckt, als ziele 1 Siehe nur BGH v. 17.5.1982 – VII ZR 316/81, BGHZ 84, 109 = NJW 1982, 2309; ferner etwa Roloff in Erman, § 306 Rz. 8; Schlosser in Staudinger, § 306 Rz. 22 ff.; Stoffels, AGBRecht, Rz. 593. 2 BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 41 = NZA 2009, 666 Rz. 29 f.; aufgegriffen (soweit ersichtlich nur) von LAG Hessen v. 29.10.2010 – 19 Sa 329/10 – BeckRS 2011, 70799; distanziert LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 23.8.2011 – 5 Sa 44/11, NZA-RR 2012, 181 (183). 3 Ebenso BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 173/08, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 42 = NZA 2010, 342 (Rz. 49). 4 Vgl. BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 45 = NZA 2012, 738 Rz. 35 ff.; BAG v. 21.8.2012 – 3 AZR 698/10, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 46 = NZA 2012, 1428 Rz. 30 ff.; BAG v. 28.5.2013 – 3 AZR 103/12, AP BGB
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die Gestaltung vorformulierter Arbeitsbedingungen ausschließlich darauf ab, die richterliche Spruchpraxis vorherzusagen. Obwohl dies rechtsrealistisch durchaus zutreffen mag („prediction theory“),1 muss es auf der Grundlage des geltenden Rechts im Ausgangspunkt doch dabei bleiben, dass sich die Frage, ob AGB wirksam sind, nach den normativen Vorgaben der §§ 307 ff. BGB richtet, die von der Rechtsprechung lediglich konkretisiert, nicht aber losgelöst vom Gesetz willkürlich festgesetzt werden. Inhaltlich handelt es sich damit um die Frage, wie mit dem rechtlichen Irrtum des Arbeitgebers über das bestehende (und nicht erst das zu schaffende) Recht angesichts seiner Unbestimmtheit angemessen zu verfahren ist. Diese Problematik stellt sich grundsätzlich auch im allgemeinen AGB-Recht und wird dort in der Literatur in zunehmendem Maße dadurch bewältigt, dass man die Totalnichtigkeit einer überschießenden Klausel zu Gunsten des „gutgläubigen Verwenders“2 durch eine Reduktion auf ein angemessenes Maß substituiert.3 Auch wenn das Grundanliegen zu teilen ist, sollte man um der methodischen Klarheit willen nicht das grundsätzliche Verbot der geltungserhaltenden Reduktion relativieren,4 sondern stattdessen dem Institut der ergänzenden Vertragsauslegung aufgeschlossen gegenübertreten (zu beiden Vorgehensweisen grds. § 307 Rz. 53 ff.).5 Diese Aufgeschlossenheit rechtfertigt sich durch das auch dem allgemeinen Zivilrecht zwar nicht unbekannte, im Arbeitsrecht aber doch besonders stark ausgeprägte Phänomen, dass sich das Urteil über die inhaltliche Angemessenheit häufig erst aus einer feinsinnigen Abwägung zwischen den Arbeitgeber- und den Arbeitnehmerinteressen ergibt. Eine ergänzende Vertragsauslegung, die einen Teil des Unwirksamkeitsrisikos 97 vom Verwender auf den Gegner wieder zurückverlagert, ist freilich nur in den Fällen angezeigt, in denen sich die rechtlichen Maßstäbe für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Klausel gleichsam aufspalten lassen in gefestigte Grundsätze einerseits und die in hohem Maße unbestimmte konkrete Reichweite des zulässigen Vereinbarungsinhalts andererseits. Wenn der Arbeitgeber in einer solchen Konstellation eine Klauselgestaltung wählt, die sich bei objektiver Betrachtung offenkundig von den gefestigten Grundsätzen leiten lässt und lediglich die konkreten Grenzen geringfügig überschreitet, spricht dies für eine ergänzende Vertragsauslegung anstelle einer ersatzlosen Totalnichtigkeit der Klausel.6 Hinzu
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§ 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 47 = NZA 2013, 1419 Rz. 19; BAG v. 18.3.2014 – 9 AZR 545/12, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 49 = NZA 2014, 957 Rz. 22. Grdl. Holmes, Harvard Law Review 10 (1897), 457 ff. So treffend Stoffels, AGB-Recht, Rz. 595. Basedow in MünchKommBGB, § 306 Rz. 13 f.; Canaris in FS Steindorff (1990), S. 519 (547 ff.); Roth, JZ 1989, 411 (418 f.); Schlosser in Staudinger, § 306 Rz. 24 f. So aber Stöhr, ZfA 2013, 213 (232 ff.). In diese Richtung auch Moll in FS Kübler (2015), S. 415 (421 ff.); Stoffels, AGB-Recht, Rz. 596. Anders aber Hoffmann, NZA-RR 2015, 337 (345 f.); die ergänzende Vertragsauslegung grds. abl. Bieder, RdA 2011, 142 (151 ff.): „Fremdkörper im AGB-Recht“.
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Einf. | Einführung kommt, dass hierdurch das bereits angesprochene Gleichbehandlungsproblem (Rz. 93) angegangen werden kann. Ohne eine in diesen Konstellationen vorzunehmende ergänzende Vertragsauslegung könnte eine noch so minimale Überschreitung des rechtlich Zulässigen insbesondere bei Bindungsklauseln nämlich dazu führen, dass der davon betroffene Arbeitnehmer von vornherein völlig ungebunden wäre, während ein Arbeitskollege mit einer fast oder sogar vollständig identischen Klausel aufgrund eines leicht abweichenden Sachverhalts oder auch nur einer anderen Einschätzung des erkennenden Gerichts nach Maßgabe des Klauselinhalts gebunden wäre.1 h) Kollektivrechtliche Wertungen 98 Eine das gesamte Arbeitsrecht prägende Besonderheit ohne Parallele im allgemei-
nen AGB-Recht ist schließlich die Existenz des kollektiven Arbeitsrechts. Dabei geht es zum einen um die Auswirkungen koalitionsvertraglicher Regelungen im weitesten Sinne, zum anderen um den Bereich der betrieblichen Mitbestimmung. aa) Koalitionsvertragliche Regelungen
99 Tarifverträge und sonstige Vereinbarungen unter gewerkschaftlicher Mitwir-
kung (Koalitionsverträge), die als solche gemäß § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB keiner AGB-Kontrolle unterliegen, können sich in unterschiedlicher Weise auf die Klauselkontrolle auswirken. Dabei ist unbestrittener Ausgangspunkt, dass der AGB-Charakter von Vertragsbedingungen nicht dadurch entfällt, dass diese vor der Verwendung kollektiv ausgehandelt worden sind.2 Soweit es in diesem Zusammenhang um den Verständnishorizont des Arbeitnehmers geht, der bei der Überraschungskontrolle sowie bei der Transparenzkontrolle eine maßgebliche Rolle spielt, ist die allgemeine Verbreitung einer Tarifklausel ein zu berücksichtigender Wertungsgesichtspunkt. Darüber hinaus kann die Üblichkeit einer tariflichen Regelung auch das Urteil über die inhaltliche Angemessenheit einer deckungsgleichen vorformulierten Vertragsklausel beeinflussen, wie es das BAG im Zusammenhang mit Ausschlussfristen im Grundsatz zutreffend angenommen hat.3 Ein regelrechter Ausschluss einer eigenständigen Angemessenheitskontrolle ist allerdings nur angezeigt, wenn das arbeitsvertragliche Klauselwerk den gesamten Tarifvertrag im Rahmen seines Geltungsbereichs4
1 Siehe dazu auch Reuter in FS 50 Jahre BAG (2004), S. 177 (192). 2 Vgl. BAG v. 14.8.2007 – 9 AZR 18/07, AP ATG § 6 Nr. 2 = NZA 2008, 1194; BAG v. 9.2. 2011 – 7 AZR 91/10, AP BGB § 307 Nr. 52 Rz. 33; BAG v. 13.6.2012 – 7 AZR 169/11, AP BGB § 307 Nr. 65 Rz. 27; ebenso zu betrieblichen Regelungen BAG v. 25.4.2007 – 6 AZR 622/06, AP InsO § 113 Nr. 23 Rz. 35; BAG v. 19.3.2009 – 6 AZR 557/07, AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 1 = NZA 2009, 896 Rz. 20. 3 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, AP BGB § 310 Nr. 1 = NZA 2005, 1111. 4 So jüngst BAG v. 27.6.2018 – 10 AZR 290/17, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 310 = NZA 2018, 1344 Rz. 29.
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oder doch zumindest einen abgeschlossenen Regelungskomplex1 in Bezug genommen bzw. nachgebildet hat. In diesen Konstellationen wird die Schutzfunktion durch die Tarifvertragsparteien wahrgenommen.2 In allen übrigen Fällen macht die schlichte Üblichkeit einer bestimmten tariflichen Regelung die eigenständige Angemessenheitskontrolle einer entsprechenden vorformulierten Vertragsklausel nicht überflüssig, weil ein Tarifvertrag stets ein Gesamtgebilde darstellt, in dem sich Vorteile und Nachteile die Waage halten, aus dem eine einzelne Bestimmung aber nicht isoliert herausgegriffen und pauschal als angemessen bezeichnet werden kann (näher § 310 Rz. 76 f.).3 Das schließt es aber nicht aus, tarifvertragliche Wertungen in die Angemes- 100 senheitskontrolle einfließen zu lassen. Das ist einmal anzunehmen, wenn der Arbeitgeber auf einen Teil eines einschlägigen Tarifvertrags verweist und den Rest einzelvertraglich nachbildet, weil er sich dann an das tarifvertraglich ausgehandelte Geben und Nehmen anlehnt.4 Weiter gilt dies nicht nur für Tarifverträge im technischen Sinne, sondern auch für sonstige Koalitionsvereinbarungen. Wenn entsprechende Regelungen unter Mitwirkung repräsentativer Organisationen auf Arbeitgeberseite zustande gekommen sind, spricht alles dafür, dass sie einen angemessenen Ausgleich von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbelangen enthalten. In diesem Sinne hat das BAG die Erweiterung des Direktionsrechts des Arbeitgebers, die Mindestarbeitszeit um bis zu 75 % aufzustocken, wodurch die für Arbeit auf Abruf an sich geltende 25 %-Grenze bei weitem überschritten wird, unter Berufung auf ein vom Arbeitgeber und den Lehrerverbänden vereinbartes „Lehrerpersonalkonzept“, das den gleichzeitigen befristeten Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen enthielt, als angemessen gebilligt.5 Dabei erwecken die Ausführungen des BAG durchaus den Eindruck, als wenn es die Vorgaben der Koalitionsvereinbarung, die in den Arbeitsvertrag übernommen wurden, zumindest auf eine gewisse Schlüssigkeit geprüft hat. Tatsächlich sollte außerhalb des beschriebenen Bereichs, in dem eine Angemessenheitskontrolle aufgrund vollständiger Bezugnahme auf einen einschlägigen Tarifvertrag gänzlich ausgeschlossen ist, eine Evidenzkontrolle daraufhin erfolgen, ob die Kollektivvertragsparteien einen angemessenen Interessenausgleich offenbar verfehlt haben.6 1 So BAG v. 6.5.2009 – 10 AZR 390/08, AP BGB § 307 Nr. 44 = NZA-RR 2009, 593 Rz. 30; offengelassen in BAG v. 27.6.2018 – 10 AZR 290/17, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 310 = NZA 2018, 1344 Rz. 31. 2 BAG v. 25.4.2007 – 6 AZR 622/06, AP InsO § 113 Nr. 23 = NZA 2008, 1135 Rz. 35. 3 Preis/Roloff, RdA 2005, 144 (150); insoweit nicht überzeugend daher Hromadka, NJW 2002, 2523 (2528). 4 Zu streng deshalb BAG v. 25.4.2007 – 10 AZR 634/06, AP BAT §§ 22, 23 ZuwendungsTV Nr. 29 = NZA 2007, 875. 5 BAG v. 14.8.2007 – 9 AZR 18/07, AP ATG § 6 Nr. 2 = NZA 2008, 1194. 6 Eine uneingeschränkte Angemessenheitskontrolle vornehmend aber BAG v. 19.10.2011 – 7 AZR 672/10, AP BGB § 307 Nr. 58.
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Einf. | Einführung bb) Betriebliche Mitbestimmung 101 Ein weiterer Punkt betrifft die betriebliche Mitbestimmung. Ausgangspunkt ist
insoweit, dass auch Betriebsvereinbarungen als solche gemäß § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht den §§ 305 ff. BGB unterfallen. Auch insoweit geht die gesetzliche Regelung davon aus, dass die Schutzfunktion durch die Betriebspartner wahrgenommen wird.1 Der vollständige Ausschluss aus der AGB-Kontrolle2 setzt sich grundsätzlich jedoch nur dann auf der Ebene vorformulierter Arbeitsvertragsbedingungen fort, wenn das Arbeitsverhältnis in den Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung fällt. Eine Bezugnahme auf eine solche Betriebsvereinbarung bzw. eine formularmäßige Nachbildung ist zwar funktionslos, weil die Betriebsvereinbarung in diesem Fall ohnehin schon normativ gilt (§ 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG).3 Das Kontrollprivileg macht aber trotzdem Sinn, weil hierdurch verhindert wird, dass neben die Betriebsvereinbarung eine um AGB-Rechtsverstöße bereinigte vertragliche Parallelordnung tritt, die sich nach dem Günstigkeitsprinzip durchsetzt und die zu einer nur schwer durchschaubaren Mixtur aus kollektivvertraglichen und einheitsvertraglichen Regelungen führt.4 Eine arbeitsvertragliche Bezugnahme oder Nachbildung von nicht einschlägigen Betriebsvereinbarungen schließt eine Inhaltskontrolle dagegen nicht aus, weil in diesem Fall nicht von einem für das Arbeitsverhältnis passenden angemessenen Interessenausgleich ausgegangen werden kann.5 Dasselbe gilt im Ansatz zwar auch für bloße Regelungsabreden bzw. Betriebsabsprachen. Wenn eine vorformulierte Arbeitsvertragsklausel aber auf eine solche Abrede zurückgeht und hierdurch eine an sich einschlägige Betriebsvereinbarung substituiert werden soll, kann der darin zum Ausdruck kommende Ausgleich zwischen Arbeitgeberund Arbeitnehmerinteressen bei der Angemessenheitskontrolle nicht ausgeblendet werden. Dem entspricht es, wenn das BAG eine arbeitsvertragliche Einheitsregelung, die auf einen Mustertext in einem kombinierten Sozialplan und Interessenausgleich zurückgeht, keiner Inhaltskontrolle und nicht einmal einer Transparenzkontrolle unterzogen hat.6 Da es um die inhaltliche Angemessenheit einer vertraglichen Abrede geht, besteht ein grundlegender Unterschied 1 BAG v. 25.4.2007 – 6 AZR 622/06, AP InsO § 113 Nr. 23 = NZA 2008, 1135 Rz. 35. 2 Siehe etwa BAG v. 1.2.2006 – 5 AZR 187/05, AP BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung Nr. 28 = NZA 2006, 563 und BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, AP BGB § 308 Nr. 8 (keine Überprüfung eines Widerrufsvorbehalts anhand von §§ 307, 308 Nr. 4 BGB). 3 Diehn, NZA 2004, 129 131; Rieble/Schul, RdA 2006, 339 (345); Singer, RdA 2003, 194 (198); siehe aber auch BAG v. 7.6.2011 – 1 AZR 807/09, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 55 = NZA 2011, 1234. 4 Treffend Rieble/Schul, RdA 2006, 339 (345). 5 Diehn, NZA 2004, 129 (131); Richardi, NZA 2002, 1057 (1062); Singer, RdA 2003, 194 (198); näher Preis, NZA 2010, 361 (365 f.); Rieble/Schul, RdA 2006, 339 (345 ff.). 6 BAG v. 25.4.2007 – 6 AZR 622/06, AP InsO § 113 Nr. 23 = NZA 2008, 1135 Rz. 35; ebenso BAG v. 19.3.2009 – 6 AZR 557/07, AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 1 = NZA 2009, 896 Rz. 22.
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zum Kündigungsrecht, wo die Berufung auf eine Betriebsvereinbarung für die Wirksamkeit einer Änderungskündigung keine Rolle spielt.1 Die Inhaltskontrolle ist in diesen Fällen somit (nur) in der Intensität durchzuführen, wie sie im Allgemeinen auch bei Betriebsvereinbarungen stattfindet, also tendenziell etwas strenger als bei Tarifverträgen,2 aber weniger streng als bei vom Arbeitgeber einseitig vorformulierten arbeitsvertraglichen Regelungen (dazu auch § 310 Rz. 79).3 Entsprechend den bei Tarifverträgen geltenden Grundsätzen ist dies allerdings wiederum anders, wenn eine Betriebsvereinbarung keine eigenständige Regelung trifft, sondern lediglich einen Rahmen für Abreden auf der einzelvertraglichen Ebene schafft.4 i) Rechtssicherheit und Rechtsklarheit Als allgemeine Leitlinie empfiehlt es sich schließlich, bei der AGB-Kontrolle das 102 allgemeine rechtsstaatliche Gebot der Berechenbarkeit des Rechts nicht aus den Augen zu verlieren. Die judizielle Sozialsteuerung sollte nicht nur retrospektiv für Vertragsgerechtigkeit sorgen, sondern sich auch daran orientieren, durch klare bereichsspezifische Maßstabsbildung Planungssicherheit zu schaffen. Dies bezieht sich naturgemäß eher auf die Konkretisierung der inhaltlichen Grenzen arbeitsvertraglicher Klauseln, während etwa die Einstufung einer Klausel als überraschend oder intransparent regelmäßig so stark von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängen wird, dass sich übergreifende Aussagen nur auf einer abstrakten Ebene bilden lassen. Die Festlegung von Richtwerten bei Arbeit auf Abruf5 und bei Widerrufsvorbehalten6 ist daher zu begrüßen, während das Absehen von der Fixierung einer (vergleichsweise niedrigen) Obergrenze bei Vertragsstrafen7 der Rechtssicherheit abträglich, angesichts der Unterschiedlichkeit der Fallgestaltungen aber praktisch unvermeidbar ist. Im Übrigen sind Rechtsicherheit und Rechtsklarheit keine Zauberworte, mit denen sich unangemessene Klauseln rechtfertigen lassen.8 1 Vgl. BAG v. 20.1.2000 – 2 ABR 40/99, AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 40 = NZA 2000, 592. 2 Vgl. BAG v. 1.2.2006 – 5 AZR 187/05, AP BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung Nr. 28 = NZA 2006, 563; BAG v. 12.12.2006 – 1 AZR 96/06, AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 94 = NZA 2007, 453; für eine Gleichstellung dagegen Rolfs, RdA 2006, 349 (355 f.). 3 Noch etwas großzügiger Hromadka, NJW 2002, 2523 (2528): Vermutung für Angemessenheit. 4 Vgl. BAG v. 10.12.2014 – 7 AZR 1009/12, AP BGB § 307 Nr. 70 = NZA 2015, 811 Rz. 37 (Befristung einer Arbeitszeitverringerung). 5 BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, AP TzBfG § 12 Nr. 4 = NZA 2006, 423. 6 BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, AP BGB § 308 Nr. 6 = NZA 2007, 87 im Anschluss an BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, AP BGB § 308 Nr. 1 = NZA 2005, 465. 7 BAG v. 25.9.2008 – 8 AZR 717/07, AP BGB § 307 Nr. 39. 8 Vgl. BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 722/06, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 62 = NZA 2008, 219 Rz. 25.
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Einf. | Einführung V. Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich 1. Verträge zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer 103 Gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB sind bei der Anwendung der Vor-
schriften über die AGB-Kontrolle auf Arbeitsverträge die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen. Aus dieser Regelung ergibt sich im Umkehrschluss, dass die arbeitsrechtlichen Besonderheiten nur dann eine Rolle spielen sollen, wenn es um die Kontrolle von Arbeitsverträgen i.S.v. § 611a BGB geht. Auch wenn § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB in der Rechtsprechung nicht die Bedeutung erlangt hat, die man ihr ursprünglich teilweise zugeschrieben hatte (siehe Rz. 62 ff.), zwingt die Vorschrift doch zu einer Abgrenzung derjenigen Verträge zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, bei denen diese Besonderheiten in Rechnung zu stellen sind, von allen übrigen Verträgen, die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer abgeschlossen werden. Entsprechendes gilt für die durch § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 BGB angeordnete – wenn auch gedanklich verfehlte – Nichtanwendung von § 305 Abs. 2 und 3 BGB (dazu § 310 Rz. 63 ff.), die nur für Arbeitsverträge vorgeschrieben ist.
104 Vom Begriff des Arbeitsvertrags i.S.v. § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB werden
zunächst alle ursprünglichen vorformulierten Arbeitsverträge erfasst. Darüber hinaus ohne weiteres einbezogen sind auch formularmäßige Änderungsverträge.1 Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um die nachträgliche erstmalige Einbeziehung von AGB in einen bereits bestehenden Arbeitsvertrag oder die Änderung bereits vorhandener AGB während der Dauer des Arbeitsverhältnisses handelt. Dies entspricht der einhelligen Ansicht im allgemeinen AGB-Recht.2 Damit unterliegt insbesondere die nachträgliche befristete Änderung von Arbeitsbedingungen der AGB-Kontrolle.3 Der Umstand, dass sich der Arbeitnehmer in diesen Fällen bereits in einem – häufig bestandsgeschützten – Arbeitsverhältnis befindet, ist für sich genommen kein Grund, von einer Klauselkontrolle abzusehen. Zwar kann von einer eingeschränkten Aufmerksamkeit des Arbeitnehmers nicht anders als beim ursprünglichen Abschluss des Arbeitsvertrags lediglich bei umfangreichen Vertragsänderungen ausgegangen werden. Dennoch
1 BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, AP TzBfG § 12 Nr. 4 = NZA 2006, 423 Rz. 20; BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, AP BGB § 308 Nr. 8 Rz. 48; Däubler in DBD, Einl. Rz. 27; Däubler in FS Richardi (2007), S. 205 (216). 2 BGH v. 22.9.1983 – I ZR 40/81, NJW 1984, 1112; Roloff in Erman, § 305 Rz. 42 f.; Schlosser in Staudinger, § 305 Rz. 172; Ulmer/Habersack in UBH, § 305 Rz. 164; eingehend Freund, Die Änderung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in bestehenden Verträgen, 1998. 3 Siehe etwa BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, AP BGB § 307 Nr. 6 = NZA 2006, 40; BAG v. 18.1.2006 – 7 AZR 191/05, AP BGB § 305 Nr. 8 = NZA 2007, 351; BAG v. 8.8.2007 – 7 AZR 855/06, AP TzBfG § 14 Nr. 41 = NZA 2008, 229; BAG v. 2.9.2009 – 7 AZR 233/08, AP TzBfG § 14 Nr. 66 = NZA 2009, 1253.
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lässt sich auch bei einer während eines bereits bestehenden Arbeitsverhältnisses vorgenommenen Vertragsänderung nicht in Abrede stellen, dass der Arbeitgeber bei einer Vorformulierung die Vertragsgestaltungsmacht einseitig für sich in Anspruch nimmt und der Arbeitnehmer dem Ansinnen eines Änderungsvertrags trotz damit verbundener Nachteile bei Nebenkonditionen nicht widersprechen wird, weil er die Vertragsänderung als solche für vorteilhaft hält oder eine Belastung des Arbeitsverhältnisses vermeiden will.1 Sofern es um die nachträgliche Gewährung von Zusatzleistungen geht, ist bei der Angemessenheitskontrolle einschließlich der Transparenzkontrolle allerdings darauf zu achten, dass bei der Überprüfung von Detailaspekten der Leistungsgewährung nicht der grundsätzliche Charakter der Regelung als für den Arbeitnehmer vorteilhaft aus dem Blick gerät (dazu auch Rz. 84).2 Die Art und Weise des Zustandekommens des Änderungsvertrags ist unerheblich. Daher wird auch eine spätere Gesamtzusage von der AGB-Kontrolle erfasst.3 Das ist selbst dann anzunehmen, wenn die Gesamtzusage auf der Umdeutung einer unwirksamen Betriebsvereinbarung beruht, weil der Ausschluss von Kollektivverträgen aus der Klauselkontrolle gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB dann nicht mehr greift.4 Weiter erstreckt sich die AGB-Kontrolle auf Regelungen, die aus einer betriebli- 105 chen Übung hervorgegangen sind (siehe hierzu auch § 305 Rz. 17).5 Dies gilt in jedem Fall, wenn man die betriebliche Übung mit der Rechtsprechung als einen Sonderfall der Vertragsänderung ansieht,6 ist aber genauso anzunehmen, wenn man diese Rechtsfigur mit großen Teilen des Schrifttums als eine Haftung aus der zurechenbaren Setzung eines Vertrauenstatbestandes begreift.7 Auch wenn es bei einer vertrauenstheoretischen Begründung der betrieblichen Übung definitionsgemäß an einer einseitigen Ausübung gerade von Vertragsgestaltungsmacht fehlt, handelt es sich doch um die einseitige Gestaltung von Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber, wodurch zumindest eine analoge Anwen1 In diesem Sinne bereits M. Wolf, RdA 1988, 270 (272). Von dieser Frage ist das Sonderproblem zu unterscheiden, ob eine vorformulierte Vereinbarung über die Rückzahlung von Aus- oder Fortbildungskosten nur dann wirksam ist, wenn die Abrede vor dem Beginn der Maßnahme getroffen wird (dazu § 307 Rz. 216). 2 Maties, DB 2005, 2689 (2692). 3 BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 303 = NZA 2014, 368 Rz. 18; Fuchs/Bieder in UBH, Anh. zu § 310 Rz. 8; Soiné, ZTR 2006, 465 f.; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 171. Zur grds. Qualifikation einer Gesamtzusage als AGB siehe auch BAG v. 20.8.2014 – 10 AZR 453/13, AP BGB § 307 Nr. 69 = NZA 2014, 1333 Rz. 20. 4 Däubler in DBD, Einl. Rz. 27b. 5 BAG v. 27.8.2008 – 5 AZR 820/07, AP BGB § 307 Nr. 36 = NZA 2009, 49; BAG v. 5.8. 2009 – 10 AZR 483/08, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 85 = NZA 2009, 1105; BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, AP BGB § 307 Nr. 62 = NZA 2012, 908 Rz. 14; Soiné, ZTR 2006, 465 f.; Ulrici, BB 2005, 1902 (1903). 6 Siehe nur BAG v. 17.11.2009 – 9 AZR 765/08, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 88 m.w.N. 7 Z.B. Hromadka, NZA 1984, 241 (244); Zöllner in FS Canaris, Bd. I (2007), S. 1519 ff.
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Einf. | Einführung dung der §§ 305 ff. BGB gerechtfertigt ist,1 auch wenn man in diesem Zusammenhang nicht mit dem Umgehungsverbot des § 306a BGB argumentieren sollte. Die Qualifizierung einer betrieblichen Übung als AGB scheitert auch nicht am Merkmal des Stellens i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB,2 weil es insoweit genügt, dass die vorformulierte Bedingung dem Arbeitgeber zugerechnet werden kann.3 Erst recht spielt die mangelnde schriftliche Fixierung keine Rolle,4 weil nach allgemeinen Grundsätzen des AGB-Rechts selbst „im Kopf gespeicherte Konditionen“, die planmäßig in – gegebenenfalls konkludente – mündliche Abreden einfließen, als kontrollfähig angesehen werden.5 Praktische Bedeutung hat die Einordnung des Ergebnisses einer betrieblichen Übung als kontrollfähige Vertragsbedingung freilich nur in den Ausnahmefällen, in denen eine die Arbeitnehmer begünstigende betriebliche Übung mit nachteiligen Nebenbedingungen verknüpft ist oder eine betriebliche Übung den Arbeitnehmern zusätzliche Pflichten auferlegt (dazu auch § 305 Rz. 17 a.E.), weil die Begründung des Leistungsanspruchs als solche keiner AGB-rechtlichen Überprüfung bedarf.6 106 Von der Einordnung der Bedingungen einer betrieblichen Übung als AGB zu
unterscheiden ist die Frage, ob die Existenz einer „negativen betrieblichen Übung“ mit der Begründung verneint werden kann, dass diese Rechtsfigur gegen das AGB-Recht verstößt.7 Eine solche Argumentation kann jedenfalls dann nicht überzeugen, wenn man den Erklärungsgehalt der widerspruchslosen Weiterarbeit der Arbeitnehmer auf eine gesetzlich aus § 242 BGB und damit nicht aus einer vertraglichen Bestimmung abzuleitende Offenbarungsobliegenheit stützt, weil sich das AGB-Recht nur gegen vertragliche Konditionen wendet, nicht aber gegen richterliche Rechtssätze.8 Dementsprechend hat es der BGH abgelehnt, diejenigen individuellen Willenserklärungen am AGB-Recht zu messen, die den Vertrag nach den allgemeinen Regeln der Rechtsgeschäftslehre überhaupt erst zustande bringen.9 In diesem Sinne hat auch das BAG die Erklä-
1 Gegen eine Anwendung des AGB-Rechts aber (aus eher begrifflichen Gründen) Fuchs/ Bieder in UBH, Anh. zu § 310 Rz. 9. 2 So aber noch Coester in Staudinger, 2006, § 310 Rz. 92. 3 Ganz h.M.: BGH v. 30.6.1994 – VII ZR 116/93, BGHZ 126, 326 (332) = NJW 1994, 2825 (2826); Basedow in MünchKommBGB, § 305 Rz. 20; Roloff in Erman, § 305 Rz. 12; Ulmer/Habersack in UBH, § 305 Rz. 26. 4 BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, AP BGB § 307 Nr. 62 = NZA 2012, 908 Rz. 14; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 22; Roloff in HWK, § 305 BGB Rz. 2. 5 BGH v. 30.9.1987 – Iva ZR 6/86, NJW 1988, 410; BGH v. 10.3.1999 – VIII ZR 204/98, BGHZ 141, 108 (109 f.) = NJW 1999, 2180 (2181); BGH v. 19.5.2005 – III ZR 437/04, NJW 2005, 2543 (2544); Basedow in MünchKommBGB, § 305 Rz. 13; Schlosser in Staudinger, § 305 Rz. 22; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 119. 6 Bieder, RdA 2013, 274 (282); Däubler in DBD, Einl. Rz. 27a. 7 So BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 281/08, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 83 = NZA 2009, 601 (Rz. 17 ff.): Verstoß gegen § 308 Nr. 5 BGB. 8 Bieder, DB 2009, 1929 (1930 f.). 9 BGH v. 7.11.2001 – VIII ZR 13/01, BGHZ 149, 129 (136 ff.) = NJW 2002, 363 (365).
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rung des Arbeitgebers, mit der er ein Änderungsangebot des Arbeitnehmers angenommen hat, ebenfalls nicht als Vertragsbedingung eingestuft.1 Zu einem AGB-rechtlichen Kontrollproblem wird die „negative betriebliche Übung“, bei der es sich in der Sache um einen konkludent geschlossenen Änderungsvertrag handelt, erst dann, wenn der Arbeitgeber durch eine entsprechende Klausel versucht, den Erklärungsgehalt der widerspruchslosen Weiterarbeit der Arbeitnehmer über das Maß hinaus auszudehnen, das sich aus Treu und Glauben ergibt.2 Ferner ist in der Literatur teilweise davon die Rede, dass die AGB-Kontrolle auch 107 dann eingreifen soll, wenn der Arbeitgeber nachträglich einseitig eine Ordnung (etwa im Bereich der betrieblichen Altersversorgung) erlässt.3 Dies ist freilich insofern ungenau, als es eine allgemeine Befugnis des Arbeitgebers, den Arbeitsvertrag abzuändern ebenso wenig wie im allgemeinen Zivilrecht4 gibt, auch wenn es sich lediglich um Nebenbedingungen handelt. Vielmehr kann es zu einer nachträglichen Einbeziehung oder Änderung von AGB nur dann kommen, wenn sich die Arbeitsvertragsparteien auf eine entsprechende Vertragsänderung geeinigt haben oder wenn sich der Arbeitgeber hierfür auf eine vorab konsentierte Änderungsklausel stützen kann, die freilich ihrerseits wirksam sein muss, um die (neuen) AGB in den Arbeitsvertrag zu implementieren. An einer solchen Wirksamkeit fehlt es bei allen vorformulierten Regelungen, die den Verwender umfassend zu einer einseitigen Anpassung von AGB berechtigen sollen. Dies betrifft – nicht anders als im allgemeinen Zivilrecht5 – solche Bestimmungen, nach denen die AGB in ihrer jeweiligen (vom Verwender einseitig festgelegten) Fassung gelten sollen (Jeweiligkeitsklausel).6 Derartige Regelungen scheitern als unangemessene Benachteiligung an § 308 Nr. 4 BGB, jedenfalls aber an § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sowie am Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB (siehe aber auch Rz. 75 mit Fn. 2).7 Dasselbe gilt erst recht für solche Bestimmungen, die dem Verwender unmittelbar die uneingeschränkte einseitige Befugnis zur Änderung der AGB einräumen.8 Erst wenn diese Hürde überwunden ist, die funktional eine Einbeziehungskontrolle darstellt, sind die neuen Konditionen als solche einer arbeitsrechtlichen Inhaltskontrolle zu unterziehen. 1 BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 271/07, AP BGB § 305 Nr. 13 Rz. 28. 2 Zur Kontrollfähigkeit von Vertragsabschlussklauseln Dammann in WLP, Klauseln, Rz. R V 251 ff.; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 110. 3 Däubler in DBD, Einl. Rz. 27; Schaub, GS Blomeyer (2003), S. 335 (339). 4 Vgl. Schlosser in Staudinger, § 305 Rz. 172 m.w.N. 5 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 288; Ulmer/Habersack in UBH, § 305 Rz. 165. 6 BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 228/08, NZA 2009, 428; ferner BAG v. 24.2.2011 – 6 AZR 634/09, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 57. 7 Preis, NZA 2010, 361 (362 f.). 8 BGH v. 17.3.1999 – IV ZR 218/97, BGHZ 141, 153 (154 f.) = NJW 1999, 1865 f.; BGH v. 11.10.2007 – III ZR 63/07, NJW-RR 2008, 134; Roloff in Erman, § 305 Rz. 43; Schlosser in Staudinger, § 305 Rz. 173; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 288; Ulmer/Habersack in UBH, § 305 Rz. 165.
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Einf. | Einführung 108 Besteht eine arbeitsvertragliche Regelung aus einer Rahmenvereinbarung und
einer Ausfüllungsvereinbarung, wie es bei Zielvereinbarungen regelmäßig der Fall ist,1 handelt es sich bei beiden Elementen um einen Arbeitsvertrag i.S.v. § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB. Allerdings greift die AGB-Kontrolle bei der eigentlichen Zielvereinbarung nur ein, wenn sie ausnahmsweise vom Arbeitgeber standardisiert und nicht einzeln ausgehandelt worden ist. Aufgrund des Sinnzusammenhanges ist die arbeitsrechtliche AGB-Kontrolle auch auf Vorverträge auszudehnen, die auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichtet sind.2
109 Eine AGB-Kontrolle nach arbeitsrechtlichen Maßstäben ist schließlich auch
dann durchzuführen, wenn der vorformulierte Vertrag nicht mit dem Vertragsarbeitgeber, sondern im Rahmen eines Konzerns mit der Konzernmutter besteht, wie es bei konzernweiten Zusatzleistungen (Aktienoptionen, Personalrabatten) der Fall sein kann.3 Da es zuweilen vom Zufall abhängt, wer als konkreter Vertragspartner zusätzlicher Leistungen auftritt, würden unterschiedliche Kontrollmaßstäbe nicht einleuchten, auch wenn etwaige Divergenzen zwischen „allgemeinem“ und „arbeitsrechtlichem“ AGB-Recht als Folge der angemessenen Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten in diesen Konstellationen wohl eher theoretischer Natur sein dürften.
110 Eine Besonderheit stellen Aufhebungsverträge dar. Der überwiegende Teil des
Schrifttums ordnet sie als Arbeitsverträge i.S.v. § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB ein,4 während andere Stimmen dies ablehnen.5 Die Rechtsprechung hat sich zu dieser Frage noch nicht ausdrücklich geäußert. Sie hat zwar einzelne Klauseln in Aufhebungsverträgen als AGB i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB qualifiziert6 bzw. eine Einordnung als AGB nicht von vornherein ausgeschlossen,7 während eine neuere Entscheidung den Eindruck einer Unterscheidung zwischen Arbeitsvertrag und Aufhebungsvertrag erweckt, die freilich beide gleichermaßen als Verbraucherverträge i.S.v. § 310 Abs. 3 BGB anzusehen seien8. Zur Frage der nur
1 Krause in MünchArbR, § 64 Rz. 39 m.w.N. 2 Vgl. BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 488/04, AP BGB § 308 Nr. 2 = NZA 2006, 539 (aber ohne Stellungnahme zur Frage, ob „allgemeines“ oder „arbeitsrechtliches“ AGB-Recht anwendbar ist). Siehe auch BAG v. 31.7.2002 – 7 AZR 181/01, AP TzBfG § 12 Nr. 1; BAG v. 16.4.2003 – 7 AZR 187/02, AP BeschFG 1996 § 4 Nr. 1 = NZA 2004, 40. 3 Däubler in DBD, Einl. Rz. 27b. 4 Bauer, NZA 2002, 169 (172); Däubler in DBD, Einl. Rz. 27; Henssler, RdA 2002, 129 (139). 5 Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rz. 64; Thüsing/Leder, BB 2004, 42 (44). 6 BAG v. 8.5.2008 – 6 AZR 517/07, AP BGB Aufhebungsvertrag § 620 Nr. 40 = NZA 2008, 1148. 7 BAG v. 27.11.2003 – 2 AZR 135/03, AP BGB § 312 Nr. 1 = NZA 2004, 597. Siehe ferner BAG v. 25.4.2013 – 8 AZR 453/12, AP BGB § 611 Berufssport Nr. 23 = NZA 2013, 1206 Rz. 19. 8 BAG v. 24.2.2016 – 5 AZR 258/14, AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 48 = NZA 2016, 762 Rz. 22.
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bei Arbeitsverträgen vorgesehenen Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten bedurfte es bislang aber keiner Stellungnahme. Eine unbefangene Wortlautinterpretation lässt zwar auf den ersten Blick daran zweifeln, den Aufhebungsvertrag noch als Arbeitsvertrag einzustufen. Schon der systematische Zusammenhang mit § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB deutet indes darauf hin, dass der Begriff des Arbeitsvertrags nicht in einem technischen Sinne gemeint ist, sondern Individualverträge auf dem Gebiet des Arbeitsrechts umfassen soll.1 Zudem wäre es ungereimt, wenn man auf arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge das allgemeine AGB-Recht ungefiltert anwenden würde, auf arbeitsrechtliche Änderungsverträge, die im Einzelfall vergleichbare Nebenbedingungen enthalten können, aber nur unter Einbeziehung der arbeitsrechtlichen Besonderheiten. Auf einer begrifflich-systematischen Ebene sind Aufhebungsverträge als actus contrarius zum ursprünglichen Arbeitsvertrag daher ebenfalls in den Anwendungsbereich von § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB zu ziehen. Eine hiervon zu trennende Frage ist, ob die ratio der AGB-Kontrolle es gebietet 111 oder doch zumindest nahelegt, bei der Inhaltskontrolle großzügiger zu verfahren. Ein Teil der Literatur argumentiert genau in diese Richtung. So wird angeführt, dass die AGB-Kontrolle ihre innere Rechtfertigung in einem strukturellen Ungleichgewicht beim Aushandeln des Vertrags finden solle, ein solches Ungleichgewicht beim Abschluss eines Aufhebungsvertrags aber gerade nicht vorliege.2 Diese Sichtweise kann sich auf die Rechtsprechung des BAG stützen, das eine strukturelle Unterlegenheit des Arbeitnehmers beim Abschluss von Aufhebungsverträgen mehrfach verneint3 und dafür im Schrifttum verbreitet Zustimmung geerntet hat.4 Zweifelsfrei ist eine solche pauschale Einschätzung der realen Verhältnisse indes nicht, weil es auch im Zusammenhang mit Aufhebungsverträgen zu Drucksituationen kommen kann, indem etwa die Drohung mit einer Kündigung, deren Rechtmäßigkeit der Arbeitnehmer nicht einschätzen kann, im Raum steht oder auf sonstige Weise ein einschüchterndes „Vorfeldszenario“5 geschaffen wird,6 dem sich der Arbeitnehmer nicht entziehen kann.7 Wenn dem Arbeitnehmer als Ausweg aus einer solchen Lage angebo1 Birnbaum, NZA 2003, 944 (949). 2 Bauer, NZA 2002, 169 (172); Lingemann, NZA 2002, 181 (185). 3 BAG v. 30.9.1993 – 2 AZR 268/93, AP BGB § 123 Nr. 37 = NZA 1994, 209; BAG v. 14.2. 1996 – 2 AZR 234/95, NZA 1996, 811. 4 In diesem Sinne Bauer, NJW 1994, 980 (981); Bengelsdorf, ZfA 1995, 229 (255 ff.); Ehrich, NZA 1994, 438 (440); Wisskirchen/Worzalla, DB 1994, 577 (580 f.). 5 Hümmerich, NZA 2004, 809 (810). 6 Dieterich, RdA 1995, 129 (135); Giesing, Inhaltskontrolle und Abschlusskontrolle (2008); Günther, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, 2007, S. 97 ff.; Reinecke in FS Küttner (2006), S. 327 (329). 7 Zur Reichweite der Pflicht zur Teilnahme an Personalgesprächen vgl. BAG v. 23.6.2009 – 2 AZR 606/08, AP GewO § 106 Nr. 3 = NZA 2009, 1011; LAG Hamm v. 23.5.2001 – 14 Sa 497/01, MDR 2001, 1361.
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Einf. | Einführung ten wird, eine vorformulierte Erklärung zu unterschreiben, wird er diese Chance nicht selten nutzen, ohne sich nähere Gedanken um die Zusatzbedingungen zu machen, die mit der Vertragsaufhebung verbunden sind. In einem solchen Fall liegt damit gerade die einseitige Ausnutzung von Vertragsgestaltungsmacht durch den Arbeitgeber vor, gegen die das AGB-Recht Schutzvorkehrungen schafft. Sicherlich wird bei weitem nicht jeder Aufhebungsvertrag unter den geschilderten Rahmenbedingungen abgeschlossen. Rein statistisch wird es sich vermutlich sogar um Ausnahmefälle handeln. Wenn die Konditionen eines Aufhebungsvertrags nicht im Einzelnen ausgehandelt, sondern vom Arbeitgeber vorgegeben werden, greift es aber zu kurz, auf die schlichte Möglichkeit des Arbeitnehmers zu verweisen, dem Ansinnen des Arbeitgebers ein schlichtes „Nein“ entgegenzusetzen und damit die AGB-Kontrolle mehr oder weniger vollständig – also auch jenseits der gemäß § 307 Abs. 3 BGB ohnehin kontrollfreien Hauptbedingungen – torpedieren zu wollen. Vielmehr muss man bei arbeitsrechtlichen Aufhebungsverträgen dem Arbeitnehmer nicht anders als dem Käufer einer Ware, der erst recht vom Vertragsschluss zumeist ohne weiteres Abstand nehmen kann, die Möglichkeit zubilligen, sich auf die Kernbedingungen des Aufhebungsvertrags zu konzentrieren und im Hinblick auf die Nebenbedingungen darauf zu vertrauen, dass sie inhaltlich angemessen sind oder anderenfalls von der Rechtsordnung nicht toleriert werden.1 Gestützt wird dies alles nicht zuletzt durch die Sichtweise des BVerfG, nach der die strukturelle Unterlegenheit des Arbeitnehmers nicht nur bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses, sondern auch während des Arbeitsverhältnisses besteht.2 112 Auf nichtarbeitsrechtliche Verträge zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
finden die §§ 305 ff. BGB uneingeschränkt und ohne Rücksicht auf die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten Anwendung. Dies gilt zum einen für Verträge, die völlig losgelöst vom Arbeitsverhältnis abgeschlossen worden sind, zum anderen aber auch für Verträge, die nur deshalb zu Stande gekommen sind bzw. besondere Bedingungen aufweisen, weil sich die Parteien zugleich in einem Arbeitsverhältnis befinden. Hierunter fallen etwa Verträge über Werkdienstwohnungen, Kaufverträge mit besonderen Personalrabatten oder Arbeitnehmerdarlehen zu einem besonders günstigen Zins. Die Anwendbarkeit des allgemeinen AGB-Recht auf alle diese Verträge entsprach schon früher der ganz herrschenden Meinung, weil es insoweit stets an einschlägigen arbeitsrechtlichen Schutzmechanismen fehlte, mit deren Existenz seinerzeit die Bereichsausnahme begründet worden war.3 Daran hat sich durch die Einbeziehung von Arbeitsver-
1 Im Erg. ebenso Müller-Glöge in ErfK, § 620 BGB Rz. 15; Reinecke in FS Küttner (2006), S. 327 (333); Stoffels in WLP, ArbR, Rz. 94 f. 2 BVerfG v. 23.11.2006 – 1 BvR 1909/06, AP BGB § 307 Nr. 22 = NZA 2007, 85. 3 BAG v. 26.5.1993 – 5 AZR 219/92, AP AGBG § 23 Nr. 3 = NZA 1993, 1029 (Kauf eines Jahreswagens); BAG v. 15.3.2005 – 9 AZR 502/03, AP BGB § 781 Nr. 7 = NZA 2005, 682 (Schuldversprechen); LAG Saarland v. 29.4.1987 – 1 Sa 91/86, NZA 1988, 164 (Arbeit-
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trägen in die AGB-Kontrolle nichts geändert.1 Demgegenüber gestalten Abreden über die Bereitstellung eines Dienstwagens auch zur privaten Nutzung die Gegenleistung des Arbeitgebers aus und zählen daher noch zu den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen. Dasselbe ist für einen Vertrag über die Konditionen der Entsendung eines Arbeitnehmers ins Ausland anzunehmen.
2. Sonstige Verträge Die arbeitsrechtliche AGB-Kontrolle gilt als Folge der Generalverweisung in 113 § 10 Abs. 2 BBiG auch für Berufsausbildungsverhältnisse,2 ferner für die Vertragsverhältnisse i.S.v. § 26 BBiG (Volontariate, Praktikantenverhältnisse).3 Dagegen waren die Regelungen des AGBG seit jeher auf arbeitnehmerähnliche Personen anwendbar, weil sie von der Bereichsausnahme des früheren § 23 Abs. 1 AGBG nicht erfasst wurden.4 Hieran hat sich durch die Schuldrechtsreform nichts geändert, so dass bei formularmäßigen Verträgen mit arbeitnehmerähnlichen Personen die lediglich für Arbeitsverträge geltenden Sonderregeln des § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB nicht anwendbar sind.5 Da dieser Personenkreis formal als Unternehmer i.S.v. §§ 14, 310 Abs. 1 BGB anzusehen ist, kommen § 305 Abs. 2 und 3 BGB aber aus diesem Grunde nicht zur Anwendung.6 Dasselbe gilt für § 308 Nr. 1, 2 bis 8 und § 309 BGB. Mangels Eigenschaft als Ver-
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geberdarlehen); tendenziell bereits BAG v. 23.9.1992 – 5 AZR 569/91, AP BGB § 611 Arbeitnehmerdarlehen Nr. 1 = NZA 1993, 936 (Arbeitnehmerdarlehen); ferner BAG v. 9.9. 2003 – 9 AZR 574/02, AP BGB Sachbezüge § 611 Nr. 15 = NZA 2004, 484; abweichend aber Nicolai, ZIP 1995, 359 ff. Däubler in DBD, Einl. Rz. 37 ff.; Günther, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, 2007, S. 100 ff.; Lingemann, NZA 2002, 181 (184); Roloff in Erman, § 310 Rz. 36; Stoffels in WLP, ArbR Rz. 26. BAG v. 12.2.2015 – 6 AZR 831/13, AP BBiG § 20 Nr. 1 = NZA 2015, 737 (Rz. 18); Däubler in DBD, Einl. Rz. 29; Lakies, Vertragsgestaltung und AGB im Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2011, Kap. 1 Rz. 43. Däubler in DBD, Einl. Rz. 29. Dazu auch BAG v. 18.3.2008 – 9 AZR 186/07, AP BGB § 310 Nr. 12 = NZA 2008, 1004. OLG Nürnberg v. 29.1.1986 – 4 U 3370/85, NJW-RR 1986, 782; LAG Hamm v. 15.5.1998 – 10 Sa 1465/97, NZA-RR 1999, 405; OLG Düsseldorf v. 11.6.1999 – 16 U 148/98, OLGR Düsseldorf 1999, 468; Preis/Stoffels, ZHR 160 (1996), 442 (454 f.); offengelassen in BGH v. 18.2.1982 – I ZR 81/80, AP AGB-Gesetz § 23 Nr. 1; BGH v. 22.9.1983 – I ZR 40/81, NJW 1984, 1112. Fuchs/Bieder in UBH, Anh. zu § 310 Rz. 7; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 10; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rz. 56. Allerdings spricht einiges dafür, das Vertragsstrafenverbot des § 309 Nr. 6 BGB mit Rücksicht auf das Vollstreckungsverbot bei Dienstleistungen gemäß § 888 Abs. 3 ZPO teleologisch zu reduzieren, um Wertungswidersprüche zu vermeiden (zur Situation bei Arbeitsverträgen siehe § 309 Rz. 79 ff.). Däubler in DBD, Einl. Rz. 75; für § 305 Abs. 2 und 3 BGB a.A. offenbar Preis in ErfK, §§ 305–310 Rz. 10.
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Einf. | Einführung braucher i.S.v. § 13 BGB sind zudem die für Verbraucherverträge vorgesehenen Sonderregeln des § 310 Abs. 3 BGB unanwendbar, sodass etwa sog. Einmalbedingungen in Verträgen mit arbeitnehmerähnlichen Personen keiner AGBrechtlichen Kontrolle unterliegen.1 114 Mit der Ausklammerung arbeitnehmerähnlicher Personen ist auch die grund-
sätzliche Unanwendbarkeit der spezifisch arbeitsrechtlichen Klauselkontrolle auf Organmitglieder vorgezeichnet. Zwar fallen Anstellungsverträge nicht von vornherein vollständig aus der AGB-Kontrolle heraus, weil diese Verträge nicht von der gesellschaftsrechtlichen Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB erfasst werden.2 Nach einhelliger Ansicht bezieht sich die Bereichsausnahme nämlich nur auf die Organisationsverfassung der Gesellschaft sowie auf die mitgliedschaftlichen Beziehungen zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern, nicht aber auf rein schuldrechtliche Austauschverträge.3 Da Organmitglieder ihre Tätigkeit aber regelmäßig nicht im Rahmen von Arbeitsverträgen, sondern von freien Dienstverträgen leisten, greift § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB nicht ein.4 Für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift5 besteht ebenfalls kein Anlass.6 Von vornherein anders ist dies vor allem in den Fällen, in denen der Beschäftigte auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags mit der Konzernspitze Organmitglied bei einer abhängigen Konzerngesellschaft ist7 oder der Anstellungsvertrag mit einer GmbH & Co. KG besteht und der Beschäftigte als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH fungiert.8 Daneben kann der Anstellungsvertrag eines Geschäftsführers mit der GmbH jedenfalls nach Auffassung des BAG ausnahmsweise als Arbeitsvertrag zu qualifizieren sein.9 Außerhalb dieser Konstellationen ist dagegen das allgemeine AGB-Recht zunächst dann heranzuziehen, wenn die Anstellungsbedingungen mit dem Ziel der mehrfachen
1 Lakies, Vertragsgestaltung und AGB im Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2011, Kap. 1 Rz. 44. 2 Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337 (2338); Oetker in FS Buchner (2009), S. 691 (693 f.); Schmitt-Rolfes in FS Hromadka (2008), S. 391 (395). 3 Roloff in Erman, § 310 Rz. 28; Ulmer/Schäfer in UBH, § 310 Rz. 122. 4 Fuchs/Bieder in UBH, Anh. zu § 310 Rz. 5; Hümmerich, NZA 2006, 709 (712); SchmittRolfes in FS Hromadka (2008), S. 391 (406). 5 Khanian, GmbHR 2011, 116 (118 ff.); erwogen auch von Bauer in FS Wank (2014), S. 1 (2); Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337 (2338). 6 Oetker in FS Buchner (2009), S. 691 (702). Freilich spricht erneut einiges dafür, das Vertragsstrafenverbot des § 309 Nr. 6 BGB im Hinblick auf § 888 Abs. 3 ZPO zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen bereits teleologisch zu reduzieren und nicht erst auf die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten i.S.v. § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB abzustellen; ebenso Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337 (2344); Niemann, RdA 2013, 92 (96); ausdrücklich a.A. Hümmerich, NZA 2006, 709 (712). 7 Vgl. BAG v. 25.10.2007 – 6 AZR 1045/06, AP KSchG 1969 § 14 Nr. 11 = NZA 2008, 168. 8 BAG v. 14.4.1982 – 2 AZR 1101/79, AP KSchG 1979 § 14 Nr. 1. 9 BAG v. 26.5.1999 – 5 AZR 664/98, AP GmbHG § 35 Nr. 10 = NZA 1999, 987; siehe auch EuGH v. 11.11.2010 – C-232/09, NZA 2011, 143.
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VI. Zeitlicher Anwendungsbereich und Umgang mit Altverträgen | Einf.
Verwendung vorformuliert sind.1 Darüber hinaus sind Organmitglieder mit der Folge als Verbraucher i.S.v. § 13 BGB zu qualifizieren, dass § 310 Abs. 3 BGB anwendbar ist und somit insbesondere auch Einmalbedingungen der AGBrechtlichen Kontrolle unterworfen werden.2
VI. Zeitlicher Anwendungsbereich und Umgang mit Altverträgen Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz und damit die Ausdehnung der AGB- 115 Kontrolle auf Arbeitsverträge ist am 1.1.2002 in Kraft getreten. Damit sind die §§ 305 ff. BGB auf alle seit dem 1.1.2002 begründeten Arbeitsverträge (Neuverträge) anwendbar. Da es um eine Vertragskontrolle geht, kommt es für die Qualifikation eines Arbeitsvertrags als Neuvertrag auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses durch Angebot und Annahme an, nicht aber auf den Zeitpunkt der vereinbarten oder der tatsächlichen Arbeitsaufnahme.3 Wird der Arbeitsvertrag nach dem 31.12.2001 vollständig neu gefasst, handelt es sich insgesamt um einen Neuvertrag.4 Im Übrigen kommt es für die Eigenschaft als Neuvertrag grundsätzlich auf die jeweilige Klausel an. Eine Nebenabrede ist daher nach neuem Recht zu beurteilen, wenn sie nach dem 31.12.2001 in einen bereits bestehenden Arbeitsvertrag erstmals eingefügt worden ist.5 Dem wird man die inhaltliche Änderung einer Klausel gleichzustellen haben. Dagegen überzeugt es nicht, wenn das BAG6 einen Vertrag schon deshalb pauschal als Neuvertrag qualifizieren will, weil anlässlich einer Vertragsänderung zusätzlich die floskelhafte Vereinbarung getroffen wurde, dass alle anderen Konditionen unberührt bleiben sollen (dazu näher Rz. 120 ff.).7 Eine Übergangsfrist hat der Gesetzgeber 1 Bauer in FS Wank (2014), S. 1; Oetker in FS Buchner (2009), S. 691 (700 ff.). Eine AGBKontrolle des Dienstvertrags des Vorstandsmitglieds einer AG nicht von vornherein verwerfend auch BGH v. 29.5.1989 – II ZR 200/88, NJW 1989, 2683 (2684 f.). 2 Für den Fremdgeschäftsführer einer GmbH BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, AP BGB § 310 Nr. 13 = NZA 2010, 939 (Rz. 21 ff.); ebenso generell Oetker in FS Buchner (2009), S. 691 (696 ff.); für alle nicht beherrschenden Organmitglieder auch Bauer in FS Wank (2014), S. 1 (2); etwas strenger Hümmerich, NZA 2006, 709 (710 ff.); Schmitt-Rolfes in FS Hromadka (2008), S. 391 (396 f.): Keine Verbrauchereigenschaft schon bei Sperrminorität. De lege ferenda gegen die Verbrauchereigenschaft Bauer/v. Medem, NZA 2013, 1233 (1237). Siehe ferner Grobys, DStR 2002, 1002 (1004 f.), der Organmitglieder pauschal als Unternehmer einstufen und daher § 310 Abs. 1 BGB zur Anwendung kommen lassen will. 3 Armbrüster/Wiese, DStR 2003, 334 (336); Däubler, NZA 2001, 1329 (1330); Wisskirchen/ Stühm, DB 2003, 2225; generell ebenso Heß, NJW 2002, 253 (255). 4 So der Fall in BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, AP TzBfG § 12 Nr. 4 = NZA 2006, 423 Rz. 20. 5 BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, AP BGB § 308 Nr. 8 (Rz. 48). 6 BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 274 = NZA 2008, 1173 Rz. 49. 7 Abl. auch Lingemann/Gotham, DB 2008, 2307 (2308); Stoffels, ZfA 2009, 861 (894).
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Einf. | Einführung für Neuverträge nicht vorgesehen. Für einen Vertrauensschutz in dem Sinne, dass der Arbeitgeber bis zur ersten einschlägigen Entscheidung des BAG, in der es eine bislang akzeptierte Klausel auf der Grundlage der neuen Gesetzeslage verwirft oder aber eine Rechtsprechungsänderung zumindest ankündigt, auf die ältere Judikatur vertrauen darf,1 besteht kein Anlass. Man kann den aus dem Rechtsstaatsprinzip bzw. aus den einschlägigen Grundrechten (Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG) abzuleitenden Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht so weit ausdehnen, dass der Gesetzgeber daran gehindert wird, ein von ihm als unbefriedigend empfundenes Richterrecht2 für die Zukunft zu ändern. 116 Für vor dem 1.1.2002 entstandene Schuldverhältnisse gilt gemäß Art. 229 § 5
Satz 1 EGBGB an sich die allgemeine intertemporale Grundregel, dass Rechtsverhältnisse nur dem im Zeitpunkt ihrer Entstehung gültigen Recht unterfallen, um das Vertrauen der Parteien auf ein bestimmtes Sachrecht im Zeitpunkt der Begründung des Rechtsverhältnisses zu schützen und eine Entziehung von bereits erworbenen Vertragsrechten durch schlichte Gesetzesänderung zu verhindern.3 Für Dauerschuldverhältnisse und damit auch für Arbeitsverträge, die vor dem 1.1.2002 abgeschlossen worden sind (Altverträge), ist die diese Grundregel nach Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB jedoch dahin modifiziert worden, dass ab dem 1.1. 2003 auf diese Schuldverhältnisse nur noch das neue Recht angewendet werden soll. Damit wird zunächst zum Ausdruck gebracht, dass es zu einem Wechsel des anwendbaren Sachrechts auf solche Altverträge kommen soll, bei denen es sich um Dauerschuldverhältnisse handelt. Der Gesetzgeber rechtfertigt das zum einen damit, dass es bei den neuen Bestimmungen lediglich um eine Fortentwicklung des bisherigen Rechts ohne Wertungsbrüche gehe.4 Diese pauschale Einschätzung muss allerdings im Hinblick auf die Erstreckung des AGB-rechtlichen Kontrollregimes auf Arbeitsverträge erheblich eingeschränkt werden, weil es neben Kontinuitäten (etwa bei den Voraussetzungen für die Wirksamkeit von Klauseln über die Rückzahlung von Ausbildungskosten) auch verschiedene – angesichts der vorhandenen Rechtsprechung des BGH von vornherein absehbare – Verschärfungen (etwa hinsichtlich der formellen Anforderungen bei Widerrufsvorbehalten und bei der Frage nach der Zulässigkeit einer geltungserhaltenden Reduktion) gegeben hat.5
117 Tragfähiger ist deshalb der zweite angegebene Grund, die Anwendung doppelten
Rechts zu verhindern,6 zu der es ohne einen klaren Schnitt bei Dauerschuldverhältnissen auf Jahre hinaus gekommen wäre. Eine solche doppelte Rechtsordnung würde insbesondere bei Arbeitsverhältnissen zu erheblichen Unzuträglich-
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So tendenziell Stoffels, ZfA 2009, 861 (894). Vgl. BT-Drucks. 14/6857, S. 54. Vgl. BAG v. 27.11.2003 – 2 AZR 135/03, AP BGB § 312 Nr. 1 = NZA 2004, 597. BT-Drucks. 14/6040, S. 273. Ebenso Gaul/Mückl, NZA 2009, 1233 (1234). BT-Drucks. 14/6040, S. 273.
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VI. Zeitlicher Anwendungsbereich und Umgang mit Altverträgen | Einf.
keiten führen, weil dann selbst innerhalb desselben Betriebs auf die Arbeitsverträge je nach Einstellungsdatum dauerhaft unterschiedliches Recht zur Anwendung kommen würde. Die im Schrifttum anfänglich vorgeschlagene teleologische Reduktion von Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB,1 die Arbeitsverträge offenbar vollständig von der Änderung des anwendbaren Sachrechts ausklammern wollte, schießt deshalb deutlich über das Ziel hinaus, zumal der erforderliche Vertrauensschutz auch durch eine Rechtsfolgenkorrektur bewerkstelligt werden kann (dazu sogleich Rz. 120 ff. sowie § 306 Rz. 67 f.).2 Soweit es bei einem Arbeitsvertrag zu einem Wechsel auf neues Sachrecht kommt, ist dieses Recht ungeteilt anzuwenden. Man kann bei der Klauselkontrolle also nicht etwa einzelne möglicherweise als besonders belastend empfundene Anforderungen des neuen Rechts (vorübergehend) beiseiteschieben.3 Den Umstellungszeitpunkt hat der Gesetzgeber bei Dauerschuldverhältnissen auf den 1.1.2003 hinausgeschoben, um den Vertragsparteien mit der Übergangsfrist von einem Jahr die Möglichkeit einzuräumen, ihre bereits bestehende Vertragsbeziehung an die neue Rechtslage anzupassen.4 Die somit bei Arbeitsverhältnissen grundsätzlich gegebene Möglichkeit eines 118 Wechsels auf neues Sachrecht wirft zunächst die Frage nach der genauen Abgrenzung derjenigen Fälle auf, die noch dem alten Recht bzw. die schon dem neuen Recht unterfallen. Insoweit gilt zum einen, dass das alte Recht noch auf alle Dauerschuldverhältnisse anzuwenden ist, die vor dem 1.1.2003 beendet worden sind.5 Dabei kann es keine Rolle spielen, ob zwischen den Parteien noch einzelne Ansprüche aus dem Dauerschuldverhältnis streitig sind. Dies konnte insbesondere bei Streitigkeiten über die Rückzahlung von Ausbildungskosten eine Rolle spielen, bei denen in den Jahren 2002 und 2003 darauf abzustellen war, wann das Arbeitsverhältnis rechtlich beendet wurde, wenn und soweit dieser Tatbestand die Rückzahlungsverpflichtung auslösen sollte.6 Zum anderen bleibt es dann beim alten Recht, wenn das Dauerschuldverhältnis zwar (zumindest über den 31.12.2002 hinaus) fortbesteht, es aber um Ansprüche geht, die vor dem 1.1.2003 zu erfüllen waren.7 Demgegenüber handelt es sich bei allen im Jahr 2002 abgeschlosse1 So Hanau/Hromadka, NZA 2005, 73 (78). 2 Stoffels, NZA 2005, 726 (727). 3 Vgl. BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, AP BGB § 308 Nr. 1 = NZA 2005, 465 (zu den formellen Anforderungen an Widerrufsvorbehalte). 4 BT-Drucks. 14/6040, S. 273. 5 BAG v. 19.1.2010 – 3 AZR 191/08, AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 2 = NZA 2011, 520. 6 Vgl. BAG v. 24.6.2004 – 6 AZR 383/03, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 34 = NZA 2004, 1035. 7 BGH v. 13.7.2007 – V ZR 189/06, NJW-RR 2008, 172; BAG v. 19.1.2010 – 3 AZR 191/08, AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 2 = NZA 2011, 520; zutr. daher wohl BAG v. 21.7.2005 – 6 AZR 452/04, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 37 = NZA 2006, 542, weil die Rückzahlungsverpflichtung bereits an die – noch in 2002 erklärte – Kündigung anknüpfte (abl. dagegen Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 20).
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Einf. | Einführung nen Änderungsverträgen und Aufhebungsverträgen um Neuverträge, auf die das neue Sachrecht von vornherein einschränkungslos anzuwenden ist.1 Dasselbe gilt für ein im Jahr 2002 vereinbartes negatives Schuldanerkenntnis, auch wenn es sich auf eine Forderung des Arbeitnehmers aus einem Altvertrag bezieht.2 In allen diesen Konstellationen geht es nicht lediglich um eine bloße Durchführung des bisherigen Arbeitsvertrags, sondern um ein neues Schuldverhältnis. Alle diese Fallgruppen dürften heutzutage indes keine Bedeutung mehr haben. 119 Die Umstellung auf neues Sachrecht bei Altverträgen am 1.1.2003 führt zu der
weiteren Frage, welche Möglichkeiten dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen, Arbeitsbedingungen aus solchen Verträgen an die Anforderungen der neuen Rechtslage bzw. einer sich deshalb ändernden Rechtsprechung anzupassen, um einer Unwirksamkeit der betroffenen Klauseln vorzubeugen. Insoweit ist zunächst festzuhalten, dass weder eine Anpassung kraft Gesetzes eintritt noch eine gesetzliche Befugnis des Arbeitgebers besteht, die notwendigen Änderungen einseitig herbeizuführen. Ferner wäre auch eine entsprechende Änderungskündigung mangels eines betrieblichen Bedürfnisses für eine Änderung der Arbeitsbedingungen unwirksam.3 Dagegen könnte sich der Arbeitgeber zwar auf einen in einem Altvertrag vorsorglich vereinbarten Vorbehalt berufen, der ihn zu einer Anpassung der Vertragsbedingungen an eine neue Gesetzeslage berechtigen soll und der bei einer hinreichend klaren und inhaltlich begrenzten Konditionierung seinerseits wirksam wäre (vgl. dazu bereits Rz. 71). Solche Vorbehalte dürften in der Arbeitsvertragspraxis aber wohl nur theoretische Bedeutung haben, zumal die Ausdehnung der AGB-Kontrolle auf Arbeitsverträge auf der Ebene des Gesetzgebungsverfahrens keinen langen Vorlauf hatte und die Vertragsgestalter deshalb kaum Gelegenheit hatten, entsprechende Klauseln in die Arbeitsverträge aufzunehmen. Nach alledem steht dem Arbeitgeber im laufenden Arbeitsverhältnis praktisch nur der Weg über die einvernehmliche Vertragsänderung offen,4 wobei er freilich auf ein entsprechendes Entgegenkommen des Arbeitnehmers angewiesen ist, weil ein regelrechter Anspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer auf Zustimmung zur Vertragsänderung abzulehnen ist.5 1 Zu Änderungsverträgen BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, AP TzBfG § 12 Nr. 4 = NZA 2006, 423 (Rz. 20); zu Aufhebungsverträgen BAG v. 27.11.2003 – 2 AZR 135/03, AP BGB § 312 Nr. 1 = NZA 2004, 597 (unter B II 2 a cc u. b). 2 BAG v. 23.2.2005 – 4 AZR 139/04, AP TVG § 1 Tarifverträge Druckindustrie Nr. 42 = NZA 2005, 1193 (unter II 4 b aa). 3 Däubler in DBD, Einl. Rz. 175; Gaul/Mückl, NZA 2009, 1233 (1235); Lakies, Vertragsgestaltung und AGB im Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2011, Kap. 1 Rz. 38; Wisskirchen/Stühm, DB 2003, 2225 (2229); obiter dictum auch BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, AP BGB § 308 Nr. 9 = NZA 2011, 796 Rz. 14. 4 Wisskirchen/Stühm, DB 2003, 2225 (2230). 5 Wisskirchen/Stühm, DB 2003, 2225 (2229 f.); grds. ebenso Armbrüster/Wiese, DStR 2003, 334 Fn. 9; a.A. (unter dem Gesichtspunkt einer Störung der Geschäftsgrundlage) aber Singer, RdA 2006, 362 (373).
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Die eigentlich entscheidende Frage geht jedoch dahin, wie mit den Altverträgen 120 im Einzelnen umzugehen ist, die mit dem 1.1.2003 der AGB-rechtlichen Klauselkontrolle nach den §§ 305 ff. BGB unterliegen. Unbestrittener Ausgangspunkt ist insoweit, dass die Anwendung des neuen Rechts dazu führen kann, einer nach früherem Recht wirksam vereinbarten Vertragsklausel nunmehr die Wirksamkeit zu versagen. Die darin liegende (unechte) Rückwirkung1 wirft das Problem auf, ob und unter welchen Voraussetzungen dem Arbeitgeber Vertrauensschutz zu gewähren ist.2 Dieses Problem lässt sich nicht einfach damit abtun, dass die Vertragsparteien generell nicht davon ausgehen dürften, die rechtliche Beurteilung einzelner Regelungen bleibe während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses unverändert,3 weil es nicht lediglich um eine Neubewertung durch die Rechtsprechung, sondern um eine gezielte Veränderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen geht. Im Hinblick auf die Reichweite des dem Arbeitgeber zuzubilligenden Vertrauensschutzes haben sich im Wesentlichen zwei Ansichten herausgebildet: Der 5. Senat des BAG4 wie auch Teile des Schrifttums5 wollen dem Arbeitgeber bei Altverträgen Vertrauensschutz einräumen, auch ohne dass dieser während der Übergangsfrist vom 1.1.2002 bis zum 31.12.2002 versucht haben muss, die Arbeitsbedingungen an das neue Recht anzupassen. Dieser Vertrauensschutz sei bei den Rechtsfolgen anzusiedeln, wobei teilweise in erster Linie eine geltungserhaltende Reduktion vorgeschlagen wird,6 während die Rechtsprechung eine ergänzende Vertragsauslegung präferiert.7 Demgegenüber nehmen andere Senate des
1 Vgl. Rolfs in FS Schwerdtner (2003), S. 151 (166); Stoffels, NZA 2005, 726; Wisskirchen/ Stühm, DB 2003, 2225 (2226); ebenso für Altverträge nach Inkrafttreten des AGBG BGH v. 20.6.1984 – VIII ZR 337/82, BGHZ 91, 375 = NJW 1984, 2404; nicht überzeugend für eine Einordnung als echte Rückwirkung BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, AP BGB § 308 Nr. 1 = NZA 2005, 465 (unter B II 1); BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, AP BGB § 308 Nr. 9 = NZA 2011, 796 (Rz. 13); Gaul/Mückl, NZA 2009, 1233 (1236); Uffmann, Anm. zu BAG, AP BGB § 308 Nr. 9. 2 Schlewing, JbArbR 47 (2010), 47 (64). 3 In diese Richtung aber BAG v. 28.11.2007 – 5 AZR 992/06, AP BGB § 307 Nr. 33 = NZA 2008, 293 Rz. 28. 4 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, AP BGB § 308 Nr. 1 = NZA 2005, 465; BAG v. 11.10. 2006 – 5 AZR 721/05, AP BGB § 308 Nr. 6 = NZA 2007, 87; BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, AP BGB § 308 Nr. 9 = NZA 2011, 796. 5 Gaul/Mückl, NZA 2009, 1233 (1236); Rolfs in FS Schwerdtner (2003), S. 151 (166 f.); Roloff in HWK, § 310 BGB Rz. 9; Stoffels, NZA 2005, 726 (727 ff.); Uffmann, Anm. zu BAG, AP BGB § 308 Nr. 9. 6 Rolfs in FS Schwerdtner (2003), S. 151 (167); Roloff in HWK, § 310 BGB Rz. 9; Stoffels, NZA 2005, 726 (727 ff.). 7 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, AP BGB § 308 Nr. 1 = NZA 2005, 465; BAG v. 11.10. 2006 – 5 AZR 721/05, AP BGB § 308 Nr. 6 = NZA 2007, 87; BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, AP BGB § 308 Nr. 9 = NZA 2011, 796.
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Einf. | Einführung BAG1 wie auch Teile der Literatur2 an, dass sich der Arbeitgeber nur dann auf Vertrauensschutz berufen könne, wenn er in der Übergangsfrist dem Arbeitnehmer eine an den Vorgaben der neuen Rechtslage orientierte Umstellung der Nebenkonditionen angeboten habe. 121 Im Ausgangspunkt ist die erstgenannte Ansicht überzeugender. Solange noch
völlig unklar war, welche Schlussfolgerungen das BAG aus den neuen gesetzlichen Bestimmungen sowie insbesondere aus dem Gebot der Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten (§ 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB) im Einzelnen ziehen würde, kann schwerlich von einer Anpassungsobliegenheit gesprochen werden, mag eine generelle Tendenz zur Verschärfung der Maßstäbe angesichts der bereits vorhandenen Judikatur des BGH auch absehbar gewesen sein. Insbesondere leuchtet es nicht ein, wenn Teile des BAG lange nach Ablauf der Übergangsfrist eine solche Anpassungsobliegenheit aufstellen, obgleich andere Teile des BAG3 noch im Jahr 2005 davon gesprochen haben, dass niemand mit dem Unwirksamwerden einer zuvor stets als wirksam akzeptierten Klausel rechnen konnte und musste.4 Die für das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion sprechende Präventionsfunktion passt bei Altverträgen nicht, bei denen der Verwender im Zeitpunkt der Vorformulierung der Klausel die von der Rechtsordnung gezogenen Grenzen noch gar nicht erkennen konnte.5 Bedenklich muss weiter die Überlegung stimmen, dass die Gegenansicht dem Arbeitgeber zur Last legt, den Arbeitnehmern in der Übergangsfrist keine massenhaften Vertragsänderungen angeboten zu haben, obwohl dies zu einer erheblichen Verunsicherung in den Belegschaften geführt hätte.6 Ferner nimmt die Rechtsprechung auch bei Neuverträgen zumindest in bestimmten Fällen an, dass die ersatzlose Streichung einer unwirksamen Klausel nicht interessengerecht ist.7 Vor diesem Hintergrund kann bei Altverträgen nicht von vornherein strenger verfahren werden.8 Wenn darüber hinaus auch der BGH im ungenutz-
1 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, AP BGB § 307 Nr. 16 = NZA 2006, 1042; BAG v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 21 = NZA 2007, 809; tendenziell auch BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 3/08, AP BGB § 307 Nr. 41 (Rz. 19); BAG v. 11.2. 2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428 Rz. 36; für eine pauschale Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB auch BAG v. 21.2.2017 – 3 AZR 297/15, AP BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 35 = NZA 2017, 723 Rz. 18; BAG v. 23.8.2017 – 10 AZR 376/16, AP BGB § 311 Gratifikation Nr. 308 = NZA 2017, 1595 Rz. 13. 2 Coester in FS Löwisch (2007), S. 57 (70 f.); Däubler in DBD, Einl. Rz. 174 f.; Lakies, Vertragsgestaltung und AGB im Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2011, Kap. 1 Rz. 38 f.; Singer, RdA 2006, 362 (373); in diesem Sinne ferner Bieder, RdA 2011, 142 (153). 3 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, AP BGB § 308 Nr. 1 = NZA 2005, 465 (unter B II 1). 4 Insoweit auch Gaul/Mückl, NZA 2009, 1233 (1236). 5 Gaul/Mückl, NZA 2009, 1233 (1237); Hanau in FS Deutsch (2009), S. 1051 (1055). 6 BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, AP BGB § 308 Nr. 9 = NZA 2011, 796 (Rz. 14). 7 BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 41 = NZA 2009, 666. 8 Linck in FS Bauer (2010), S. 645 (658).
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VI. Zeitlicher Anwendungsbereich und Umgang mit Altverträgen | Einf.
ten Verstreichenlassen der Übergangsfrist offenbar keinen Grund sieht, bei einer Unwirksamkeit eines Leistungsbestimmungsrechts gemäß § 308 Nr. 4 BGB eine ergänzende Vertragsauslegung generell abzulehnen,1 besteht für eine abweichende Sichtweise im Arbeitsrecht kein Anlass. Schließlich sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass bei dem in mancher Hinsicht vergleichbaren Übergang von der richterlichen Inhaltskontrolle gemäß § 242 BGB auf das AGBG Eingriffe in Altverträge nur insoweit befürwortet wurden, als ihr unveränderter Fortbestand „in unerträglichem Widerspruch“ zu grundlegenden Wertungen des ABGB stand.2 Die Lösung des Konflikts zwischen den Maßstäben des neuen Rechts und den 122 Anforderungen des Vertrauensschutzes ist freilich nicht in einer geltungserhaltenden Reduktion zu suchen, die ohnehin nur für die Fälle in Betracht kommen würde, in denen die angemessene Benachteiligung in einem Übermaßverstoß besteht.3 Vielmehr ist von vornherein der Weg über die ergänzende Vertragsauslegung zu wählen, um zu einer an den Interessen beider Vertragsparteien orientierten Regelung zu gelangen und die inkriminierte Klausel nicht lediglich auf das gerade noch zulässige Maß zurückzufahren. Allerdings sollte es bei Altfällen keinen Automatismus geben. Stattdessen ist die konkrete Schutzwürdigkeit des Arbeitgebers bei der Prüfung der Voraussetzungen, unter denen eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen ist, in Rechnung zu stellen. So wäre Vertrauensschutz etwa zu versagen, wenn der ersatzlose Wegfall einer Klausel den Arbeitgeber nur geringfügig beeinträchtigen würde4 oder er spätere Änderungen einzelner arbeitsvertraglicher Konditionen nicht dazu genutzt hat, besonders bedenkliche Vertragsbestimmungen ebenfalls abzuändern. Dagegen geht es zu weit, wenn das BAG5 aus der anlässlich einer Vertragsänderung zusätzlich vereinbarten floskelhaften Klausel, dass alle anderen Konditionen unberührt bleiben sollen, pauschal den Schluss ziehen will, dass es sich nunmehr um einen reinen Neuvertrag handelt.6 Vielmehr setzt die Qualifikation einer Abrede als echter Neuvertrag voraus, dass die Vertragsbedingung selbst nach dem 31.12. 2001 vereinbart worden ist oder doch zumindest in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit einer neuen Klausel steht.7 In allen anderen Fällen ist die Prüfung der Voraussetzungen, wann eine ergänzende Vertragsauslegung als Rechtsfolge vorzuziehen ist, das geschmeidigere Instrument, um mit Altfällen angemessen umzugehen. 1 2 3 4 5
Vgl. BGH v. 13.4.2010 – XI ZR 197/09, BGHZ 185, 166 = NJW 2010, 1742. Vgl. BGH v. 20.6.1984 – VIII ZR 337/82, BGHZ 91, 375 = NJW 1984, 2404. Treffend Stoffels, NZA 2005, 726 (728). Ähnl. BAG v. 28.11.2007 – 5 AZR 992/06, AP BGB § 307 Nr. 33 = NZA 2008, 293. BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 274 = NZA 2008, 1173 Rz. 49. 6 Abl. auch Lingemann/Gotham, DB 2008, 2307 (2308); Stoffels, ZfA 2009, 861 (894). 7 Stoffels, ZfA 2009, 861 (894).
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Einf. | Einführung VII. Internationaler Anwendungsbereich 123 Die Vorschriften über die arbeitsrechtliche AGB-Kontrolle gehören zum Ar-
beitsvertrags(abschluss)statut. Dies gilt sowohl für die Einbeziehungskontrolle1 als auch für die Inhaltskontrolle.2 Die Bestimmungen sind deshalb grundsätzlich dann anwendbar, wenn für den Arbeitsvertrag deutsches Arbeitsvertragsrecht gilt. Für den Bereich der Europäischen Union richtet sich dies (für nach dem 17.12.2009 geschlossene Arbeitsverträge)3 grundsätzlich nach der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO). Art. 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Satz 1 Rom I-VO sieht im Ausgangspunkt eine Rechtswahlfreiheit der Arbeitsvertragsparteien vor. Damit wird nach Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO grundsätzlich zugleich darüber entschieden, welches Recht für das Zustandekommen und die Wirksamkeit des Vertrags oder von einer seiner Bestimmungen anzuwenden ist. Die Rechtswahlvereinbarung unterliegt für sich genommen weder einer Einbeziehungskontrolle noch einer Inhaltskontrolle nach AGB-rechtlichen Grundsätzen. Der Schutz des Arbeitnehmers wird konzeptionell nicht dadurch bewerkstelligt, dass die Rechtswahlklausel selbst nach Maßgabe des AGB-rechtlichen Kontrollregimes unwirksam ist, sondern durch eine internationalprivatrechtliche Beschränkung ihrer Wirkungen (dazu Rz. 124).4
124 Durch eine Rechtswahl gemäß Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO darf dem Arbeit-
nehmer nämlich nicht der Schutz entzogen werden, der durch zwingende Vorschriften derjenigen Rechtsordnung gewährt wird, die ohne Rechtswahl objektiv anwendbar wäre.5 Die §§ 305 ff. BGB wollen zwar nur die ungerechtfertigte Abweichung von dispositivem Recht verhindern, gehören ihrerseits aber zum zwingenden Recht i.S.v. Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO. Entscheidend ist für den Fall einer Wahl ausländischen Arbeitsrechts daher, ob das Arbeitsverhältnis bei objektiver Anknüpfung deutschem Arbeitsvertragsrecht unterfallen würde. Dies bestimmt sich nach Art. 8 Abs. 2 bis 4 Rom I-VO, wobei im Zentrum das in Art. 8 Abs. 2 Rom I-VO verankerte Arbeitsortprinzip steht. Danach ist grundsätzlich entscheidend, in welchem Staat der Arbeitnehmer in Erfüllung des Arbeitsvertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Sofern Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO zum Tragen kommt, besteht seine Wirkung in einer Korrek-
1 Vgl. (allgemein zu AGB) inzident BGH v. 26.10.1993 – XI ZR 42/93, BGHZ 123, 380 = NJW 1994, 262. 2 Näher Spellenberg in MünchKommBGB, Art. 10 Rom I-VO Rz. 163 ff. 3 Für ältere Arbeitsverträge gelten die (insoweit inhaltlich übereinstimmenden) Art. 27 ff. EGBGB. 4 Deinert, Internationales Arbeitsrecht, 2013, § 9 Rz. 19 f.; Markovska, RdA 2007, 352 (353); Schlachter, NZA 2000, 57 (59). 5 Zur vergleichbaren Überlagerung von Art. 10 Abs. 1 durch Art. 6 Abs. 2 Rom I-VO bei Verbraucherverträgen Spellenberg in MünchKommBGB, Art. 10 Rom I-VO Rz. 179.
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VIII. Gesetzliche Systematik und Prüfungsreihenfolge | Einf.
tur der Rechtswahl nach dem Günstigkeitsprinzip.1 Im Grundsatz bleibt es in einem solchen Fall daher bei der Anwendung ausländischen Arbeitsrechts. Wenn die gewählte Rechtsordnung eine bestimmte Arbeitsvertragsklausel (etwa eine Vertragsstrafe) bereits kraft zwingenden Rechts verbietet, hat es damit sein Bewenden. Ein AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB findet dann nicht mehr statt. Dasselbe gilt für den wenn auch wohl eher seltenen Fall, dass das zur Anwendung berufene ausländische Arbeitsrecht eine bestimmte Klausel zwar nicht durch zwingendes Recht untersagt, aber eine sonstige strengere Inhaltskontrolle gegenüber vorformulierten Arbeitsbedingungen als das deutsche Recht vorsieht.2 Würde die Klausel nach dem ausländischen Arbeitsrecht dagegen wirksam sein, ist eine Kontrolle anhand der §§ 305 ff. BGB vorzunehmen. Wenn auf das Arbeitsverhältnis auch objektiv ausländisches Recht zur Anwen- 125 dung berufen ist, bleibt es dabei. Die Vorschriften über die arbeitsvertragliche Inhaltskontrolle sind keine Eingriffsnormen i.S.v. Art. 9 Rom I-VO. Zu den international zwingenden Normen zählen nur solche Vorschriften, deren Zweck sich nicht im Ausgleich widerstreitender privater Interessen erschöpft, sondern die zumindest auch öffentliche Interessen verfolgen, wobei im Hinblick auf die Einordnung einer Vorschrift als international zwingenden eine gewisse Zurückhaltung geboten ist.3 Obwohl den §§ 305 ff. BGB ein die Rechtsbeziehungen der Vertragsparteien überschreitender Schutzzweck entnommen werden kann (vgl. Rz. 37 ff.), steht der Interessenausgleich zwischen den Arbeitsvertragsparteien doch eindeutig im Vordergrund. Ein lediglich reflexartiger Schutz von Gemeinwohlinteressen genügt jedenfalls nicht.4
VIII. Gesetzliche Systematik und Prüfungsreihenfolge Die gesetzliche Regelung unterscheidet klar zwischen Einbeziehungskontrolle 126 und Inhaltskontrolle. Während die Einbeziehungskontrolle über die Frage entscheidet, ob eine Bedingung überhaupt Vertragsbestandteil geworden ist, betrifft 1 Vgl. BAG v. 19.3.2014 – 5 AZR 252/12, AP BGB § 130 Nr. 26 = NZA 2014, 1076 (Rz. 23); BAG v. 15.12.2016 – 6 AZR 430/15, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 85 = NZA 2017, 502 Rz. 51; Martiny in MünchKommBGB, Art. 8 Rom I-VO Rz. 126; vertiefend Deinert, Internationales Arbeitsrecht, 2013, § 9 Rz. 12 ff., 49 ff. 2 Rechtsvergleichende Betrachtungen bei König, Die Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen in Deutschland, England und Frankreich, 2010, passim. 3 Vgl. BAG v. 24.8.1989 – 2 AZR 3/89, AP Internat. Privatrecht, Arbeitsrecht Nr. 30 = NZA 1990, 841; BAG v. 3.5.1995 – 5 AZR 15/94, AP Internat. Privatrecht, Arbeitsrecht Nr. 32 = NZA 1995, 1191; BAG v. 12.12.2001 – 5 AZR 255/00, AP EGBGB n.F. Art. 30 Nr. 10 = NZA 2002, 734; BAG v. 18.4.2012 – 10 AZR 200/11, AP EntgeltFG § 2 Nr. 14 = NZA 2012, 1152 Rz. 14; für eine restriktive Auslegung von Art. 9 Rom I-VO auch BGH v. 24.9.2014 – I ZR 35/11, NJW 2015, 1690 Rz. 47. 4 BAG v. 13.11.2007 – 9 AZR 134/07, AP EGBGB n.F. Art. 27 Nr. 8 = NZA 2008, 761.
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Einf. | Einführung die Inhaltskontrolle die Frage der inhaltlichen Wirksamkeit einer Bestimmung. Die Ausklammerung überraschender Klauseln (§ 305c Abs. 1 BGB) zählt in jedem Fall zur Einbeziehungskontrolle. Dasselbe gilt an sich auch für die besonderen Voraussetzungen für die Einbeziehung von AGB in den Vertrag gemäß § 305 Abs. 2 und 3 BGB, die nach der klaren gesetzlichen Entscheidung des § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 BGB allerdings nicht anwendbar sind. Schließlich ist auch der durch § 305b BGB angeordnete Vorrang der Individualabrede noch zur Einbeziehungskontrolle zu rechnen,1 weil diese Regelung nicht nur den mutmaßlichen Parteiwillen nachzeichnet,2 sondern ein Geltungsproblem mit zwingender Wirkung regelt.3 Zur Inhaltskontrolle gehören dagegen eindeutig die §§ 307 bis 309 BGB. Jenseits der Dichotomie von Einbeziehungskontrolle und Inhaltskontrolle stehen schließlich die AGB-rechtlichen Auslegungsmaximen, nämlich die objektive „arbeitnehmerfeindliche“ Auslegung als Grundlage der Inhaltskontrolle sowie die Unklarheitenregel (§ 305c Abs. 2 BGB) bei wirksamen Klauseln. 127 Bei der Durchführung der Klauselkontrolle hat die Einbeziehungskontrolle an
sich Vorrang vor der Inhaltskontrolle. Die inhaltliche Angemessenheit einer Vertragsbedingung kann streng genommen erst überprüft werden, wenn diese Bedingung überhaupt Vertragsbestandteil geworden ist.4 Dennoch ist angesichts der identischen rechtlichen Wirkung beider Kontrollarten nichts dagegen einzuwenden, wenn die gerichtliche Praxis aus prozessökonomischen Gründen die Frage der wirksamen Einbeziehung einer Klausel in den Vertrag entstehen lässt, sofern diese Klausel inhaltlich ohnehin als unwirksam zu qualifizieren ist.5
128 Innerhalb der Vorschriften über die Inhaltskontrolle herrscht grundsätzlich ein
Spezialitätsverhältnis. So ist – in umgekehrter Gesetzesreihenfolge – zunächst § 309 BGB (Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit),6 sodann § 308 BGB (Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit) und erst an letzter Stelle § 307 BGB als Auffangtatbestand zu prüfen.7 Sofern eine Klausel anhand von § 309 BGB oder § 308 BGB als unwirksam zu verwerfen ist, bedarf es keiner Prüfung am Maßstab des § 307 BGB mehr. Insbesondere kann § 307 BGB nicht dazu herangezogen werden, aufgrund einer allgemeinen Interessenabwägung nunmehr zur
1 So ausdrücklich Lindacher/Hau in WLP, § 305b Rz. 3. 2 In diesem Sinne Ulmer/Schäfer in UBH, § 305b Rz. 7: Auslegungsregel. 3 Basedow in MünchKommBGB, § 305b Rz. 2; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 346; Zoller, JZ 1991, 850 (852 f.). 4 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 264. 5 BGH v. 24.11.1988 – III ZR 188/87, BGHZ 106, 42 (44 f.) = NJW 1989, 222 (223); ebenso Becker, Die Auslegung des § 9 Abs. 2 AGB-Gesetz (1986), S. 109 f.; von Hoyningen-Huene, Die Inhaltskontrolle nach § 9 AGB-Gesetz, 1991, Rz. 73; Schlosser in Staudinger, Vorbem zu §§ 305 ff. Rz. 20; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 264. 6 Genauer: Klauselverbote mit beschränkter Wertungsmöglichkeit. 7 Coester in Staudinger, Vorbem zu §§ 307–309 Rz. 23; Fuchs in UBH, Vorb. v. § 307 Rz. 8.
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VIII. Gesetzliche Systematik und Prüfungsreihenfolge | Einf.
Wirksamkeit der Klausel zu gelangen.1 Wird eine Klausel thematisch vom Katalog des § 309 BGB oder § 308 BGB erfasst, hält aber umgekehrt der Wirksamkeitskontrolle stand, ist sie zwar anhand des § 307 BGB noch einer allgemeinen Angemessenheitskontrolle zu unterziehen.2 Allerdings dürfen die Wertungen der Verbotskataloge nicht unterlaufen werden.3 Vielmehr kann die Unwirksamkeit der Klausel nur auf solche Gründe gestützt werden, die in den Verbotskatalogen der § 309 BGB oder § 308 BGB noch keine abschließende Bewertung erfahren haben.4 Sofern eine Klausel auf ihre Wirksamkeit zu kontrollieren ist, die thematisch weder von § 309 BGB noch von § 308 BGB erfasst wird, ist von vornherein uneingeschränkt § 307 BGB heranzuziehen. Im Hinblick auf das methodengerechte Vorgehen innerhalb von § 307 BGB 129 herrscht im allgemeinen AGB-rechtlichen Schrifttum im Grundsatz Einigkeit darüber, dass Abs. 2 innerhalb seines Anwendungsbereichs den Vorrang vor Abs. 1 genießt.5 Weiter ist anerkannt, dass Klauseln, die den Filter des Abs. 2 passieren, nur im Hinblick auf sonstige Umstände gemäß Abs. 1 als unwirksam qualifiziert werden können.6 Hierzu zählen insbesondere die Fälle, in denen sich die unangemessene Benachteiligung aus dem Zusammenwirken von für sich genommen noch haltbaren Klauseln ergibt. Im Übrigen ist das Verhältnis von Abs. 1 (Unvereinbarkeit mit einem gesetzlichen Leitbild) und Abs. 2 (vertragszweckgefährdende Einschränkung wesentlicher Rechte und Pflichten) in der allgemeinen AGB-rechtlichen Literatur heftig umstritten. So werden die beiden Tatbestände des Abs. 2 teilweise als (widerlegbare) Unwirksamkeitsvermutungen eingeordnet.7 Andere Stimmen deuten sie dagegen als gesetzliche Regelbeispiele, deren Erfüllung grundsätzlich zur Unwirksamkeit der fraglichen Klausel führt, deren Regelwertung aber durch besondere Umstände mit der Folge entkräftet werden kann, dass nunmehr eine umfassende Interessenabwägung und abschließende Entscheidung nach Abs. 1 erforderlich ist.8 Eine im Vordringen befindliche Ansicht schließlich hält die Fälle des Abs. 2 mit einer dogmatisch überzeugenden Argumentation für in sich geschlossene Sondertatbestände, die innerhalb ihres 1 Coester in Staudinger, Vorbem zu §§ 307–309 Rz. 23; Fuchs in UBH, Vorb. v. § 307 Rz. 8. 2 BGH v. 8.3.1984 – IX ZR 144/83, BGHZ 90, 280 (283 f.) = NJW 1984, 1531 (1532); BGH v. 28.2.1985 – IX ZR 92/84, NJW 1985, 2585 (2585); BGH v. 27.4.1988 – VIII ZR 84/87, BGHZ 104, 232 (239) = NJW 1988, 2465 (2467); Roloff in Erman, Vor §§ 307–309 Rz. 2. 3 BGH v. 29.4.1987 – VIII ZR 251/86, BGHZ 100, 373 = NJW 1987, 2012; BGH v. 4.12. 1996 – XII ZR 193/95, NJW 1997, 739; Roloff in Erman, Vor §§ 307–309 Rz. 2. 4 Coester in Staudinger, Vorbem zu §§ 307–309 Rz. 21; Fuchs in UBH, Vorb. v. § 307 Rz. 9. 5 Coester in Staudinger, § 307 Rz. 227; Fuchs in UBH, § 307 Rz. 3; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 496. 6 Vgl. Coester in Staudinger, § 307 Rz. 227. 7 So Roloff in Erman, § 307 Rz. 1. 8 Becker, Die Auslegung des § 9 Abs. 2 AGB-Gesetz, 1986, S. 41 ff.; Fuchs in UBH, § 307 Rz. 193 ff.; von Hoyningen-Huene, Die Inhaltskontrolle nach § 9 AGB-Gesetz, 1991, Rz. 239.
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Einf. | Einführung Anwendungsbereichs einem Rückgriff auf Abs. 1 entgegenstehen.1 Innerhalb des Abs. 2 spricht das meiste für eine differenzierte Betrachtungsweise, nach der bei gesetzlich geregelten Vertragstypen Nr. 1 vorrangig ist, während bei atypischen Verträgen sowie im Falle der Aushöhlung von Kardinalpflichten Nr. 2 den Vorrang genießt,2 wobei für die Operationalisierung des Rekurses auf die „Natur des Vertrags“ durch Nr. 2 der Ansatz nutzbar gemacht werden kann, ob eine konkrete Klausel relationalen oder institutionellen Verhaltenserwartungen zuwiderläuft3. Das arbeitsrechtlich orientierte Schrifttum vollzieht die in der allgemeinen AGB-rechtlichen Literatur entwickelte Dogmatik im Allgemeinen nur in ihren Grundzügen nach.4 Für eine eigenständige arbeitsrechtliche Interpretation der grundsätzlichen Struktur der normativen Vorgaben besteht ohnehin kein Anlass. 130 In der Entscheidungspraxis des BAG dominiert der Auffangtatbestand des
§ 307 BGB, was insofern nicht verwunderlich ist, weil die Verbotskataloge der § 308 BGB und § 309 BGB im Arbeitsrecht überwiegend nicht einschlägig sind, auch wenn man ihre Bedeutung nicht unterschätzen sollte (vgl. § 309 Rz. 5 f., § 309 Rz. 4). Dabei greift das BAG vereinzelt durchaus auf § 307 Abs. 2 BGB zurück. So wurde § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB als Kontrollmaßstab herangezogen, um aus § 615 Satz 1 BGB Grenzen der Verlagerbarkeit des Wirtschaftsrisikos auf den Arbeitnehmer zu entwickeln.5 Weiter wurde § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB mobilisiert, um zu kurze Ausschlussfristen als Gefährdung der Durchsetzung des Vergütungsanspruchs des Arbeitnehmers zu brandmarken.6 In den meisten Fällen, die unter Zuhilfenahme der Generalklausel gelöst werden, verzichtet das BAG allerdings auf eine klare Abgrenzung der verschiedenen Tatbestände von § 307 Abs. 1 und 2 BGB und zieht entweder kumulativ § 307 Abs. 2 und Abs. 1 BGB heran,7 beschränkt sich von vornherein auf § 307 Abs. 1 BGB8 oder nennt sogar nur ganz 1 Coester in Staudinger, § 307 Rz. 226 f.; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 500; gegen die mit den abweichenden Sichtweisen verbundene vorläufige Zuordnung von Normen kraft partieller Vergleichbarkeit generell auch Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, 1997, S. 313 f. 2 Coester in Staudinger, § 307 Rz. 263 ff.; Fuchs in UBH, § 307 Rz. 197 ff.; 26 f.; grds. auch Stoffels, AGB-Recht, Rz. 501. 3 Dazu weiterführend Renner, AcP 213 (2013), 677 (683 ff.). 4 Vgl. Günther, AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen, 2007, S. 190 ff.; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rz. 93 ff. 5 BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, AP TzBfG § 12 Nr. 4 = NZA 2006, 423. (Letztlich erfolglose) Heranziehung von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB in BAG v. 29.8.2012 – 10 AZR 385/11, AP BGB § 315 Nr. 104 = NZA 2013, 148 (Rz. 38 ff.). 6 BAG v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, AP BGB § 307 Nr. 7 = NZA 2006, 149. 7 Z.B. BAG v. 10.1.2007 – 5 AZR 84/06, AP BGB § 611 Ruhen des Arbeitsverhältnisses Nr. 6 = NZA 2007, 684; BAG v. 20.3.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 Rz. 28; BAG v. 3.8. 2016 – 10 AZR 710/14, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 306 = NZA 2016, 1334 Rz. 20. 8 Z.B. BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, AP BGB § 307 Nr. 16 = NZA 2006, 1042; BAG v. 13.3.2007 – 9 AZR 433/06, AP BGB § 307 Nr. 26; BAG v. 3.12.2008 – 5 AZR 62/08, AP BGB § 307 Nr. 42; BAG v. 23.9.2010 – 8 AZR 897/08, AP BGB § 307 Nr. 48 = NZA 2011, 89.
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IX. Durchsetzung des AGB-Rechts | Einf.
allgemein § 307 BGB als Prüfungsmaßstab.1 Eine vergleichbare Vorgehensweise findet sich freilich auch in der Judikatur des BGH.2 Im Übrigen spielt jedenfalls der Tatbestand des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Arbeitsrecht deshalb nur eine untergeordnete Rolle, weil große Teile des Arbeitsrechts zwingenden Charakter haben, während zahlreiche andere Fragen von vornherein gar nicht geregelt sind, es also anders als im allgemeinen Zivilrecht an einem umfassenden Bestand an dispositivem Recht als Grundlage eines gesetzlichen Leitbilds fehlt.3 Eine vergleichsweise große Rolle spielt das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB,4 dessen Nachteil freilich darin besteht, dass es nur eine formelle Prüfung der umstrittenen Klausel auf Verständlichkeit im konkreten Kontext des jeweiligen Formularvertrags ermöglicht, die materielle Wirksamkeit der Klausel aber nicht thematisiert wird und somit keine rechtssicheren Bewertungsmaßstäbe entwickelt werden können.5
IX. Durchsetzung des AGB-Rechts Bei der Inhaltskontrolle von AGB handelt es sich um eine Anwendung zwingenden 131 Rechts, die von Amts wegen in jedem Rechtsstreit vorzunehmen ist, in dem es auf die Klausel ankommt.6 Eine besondere Berufung des Arbeitnehmers als Klauselgegner auf die Unwirksamkeit einer Bestimmung ist daher nicht erforderlich. Die im allgemeinen AGB-Recht schon seit langem bestehende und für die Effek- 132 tivität des AGB-Rechts zentrale Möglichkeit, dass Verbände auf Unterlassung der Verwendung oder Empfehlung unwirksamer AGB klagen und dadurch den Rechtsverkehr von unzulässigen Klauseln freihalten (§§ 1 ff. UKlaG, früher §§ 13 ff. AGBG), ist vom Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Ausdehnung der AGB-Kontrolle auf Arbeitsverträge im Bereich des Arbeitsrechts gemäß § 15 UKlaG bewusst ausgeschlossen worden.7 Begründet wurde diese Entscheidung zum einen mit Unklarheiten über die Frage, welchen Gerichten solche 1 Z.B. BAG v. 24.1.2006 – 3 AZR 583/04, AP BGB § 313 Nr. 1 = NZA 2006, 1431. 2 Siehe nur BGH v. 7.12.1983 – VIII ZR 257/82, NJW 1984, 871; BGH v. 17.1.1989 – XI ZR 54/ 88, BGHZ 106, 259 = NJW 1989, 582; BGH v. 20.7.2005 – VIII ZR 121/04, BGHZ 164, 11. 3 Lingemann, NZA 2002, 181 (188); Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 43; Thüsing, AGBKontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rz. 97. 4 Vgl. Coester in FS Löwisch (2007), S. 57 (67 ff.); Oetker, AcP 212 (2012), 202 (245 ff.); Stoffels, ZfA 2009, 861 (878 ff.) jeweils m.w.N. Für eine empirische Herangehensweise hinsichtlich der Bestimmung der Transparenz umfassend Stöhr, AcP 216 (2016), 558 (573 ff.); grds. zustimmend, allerdings zum konkreten Vorgehen krit. Hamann/Hoeft, AcP 217 (2017), 311 (313 ff.). 5 Leder, RdA 2010, 93, 94; exemplarisch etwa BAG v. 1.9.2010 – 5 AZR 517/09, AP BGB § 307 Nr. 47 = NZA 2011, 575 (Pauschalabgeltung von Überstunden). 6 Coester in Staudinger, Vorbem zu §§ 307–309 Rz. 25. 7 Dazu krit. Lakies, Vertragsgestaltung und AGB im Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2011, Kap. 1 Rz. 414; zust. aber Stoffels, AGB-Recht, Rz. 1114.
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Einf. | Einführung Verfahren am ehesten zugewiesen werden sollten (Zivilgerichte oder Gerichte für Arbeitssachen).1 Zum anderen konnte sich der Gesetzgeber nicht darauf einigen, welche Verbände zu einer solchen Verbandsklage befugt sein sollten.2 Letztlich dürfte die Befürchtung, durch die Zulassung einer Verbandsklage die Gewerkschaftsmacht zu verstärken, den Ausschlag für die Ausklammerung des Arbeitsrechts gegeben haben.3 Immerhin hat der Gesetzgeber zugleich zum Ausdruck gebracht, dass bereits bestehende Klagemöglichkeiten der Gewerkschaften nicht geändert werden sollten, so dass die Burda-Rechtsprechung des BAG4 von alledem unberührt bleibt. Da § 15 UKlaG die Anwendbarkeit des UKlaG nur für das Arbeitsrecht ausschließt, steht für die AGB von arbeitnehmerähnlichen Personen die Verbandsklage zur Verfügung.5 Gewerkschaften könnten freilich nur dann entsprechende Verfahren anstrengen, wenn sie sich nach § 4 UKlaG als Verbraucherverbände registrieren lassen, wovon die Gewerkschaften soweit ersichtlich aber absehen. 133 Der Betriebsrat hat im Rahmen seiner allgemeinen Überwachungsaufgabe ge-
mäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auch darauf zu achten, ob die im Betrieb eingesetzten Formulararbeitsverträge den Anforderungen der §§ 305 ff. BGB entsprechen, weil es sich insoweit um zugunsten der Arbeitnehmer geltende Rechtsvorschriften handelt.6 Gegenstand des Beteiligungsrechts ist allerdings nur eine Rechtskontrolle und keine Zweckmäßigkeitskontrolle der vom Arbeitgeber verwendeten Vertragsklauseln.7 Dabei muss der Betriebsrat zunächst alle ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen nutzen, um die Wirksamkeit der Klauseln zu prüfen, bevor er nach § 80 Abs. 3 BetrVG auf einen Sachverständigen zurückgreifen darf.8 Stellt der Betriebsrat einen Rechtsverstoß fest, kann er beim Arbeitgeber auf Abhilfe drängen. Dagegen kann der Betriebsrat weder in einer Art Prozessstandschaft für die betroffenen Arbeitnehmer individuelle Rechtsstreitigkeiten führen, noch in einem Kollektivverfahren die Unwirksamkeit von AGB geltend machen bzw. vom Arbeitgeber Unterlassung der Verwendung unwirksamer AGB verlangen.9 Daran ist auf der Grundlage der 1 2 3 4 5 6 7 8 9
BT-Drucks. 14/7052, S. 189. BT-Drucks. 14/7052, S. 189 f. Vgl. Däubler in DBD, Einl. Rz. 184. BAG v. 20.4.1999 – 1 ABR 72/98, AP GG Art. 9 Nr. 89 = NZA 1999, 887. Dazu auch Krause in FS Kempen (2013), S. 313 ff. Däubler in DBD, Einl. Rz. 185; Witt in UBH, § 15 UKlaG Rz. 2; zum alten Recht Friedrich, MDR 1979, 190 (191 f.). BAG v. 16.11.2005 – 7 ABR 12/05, AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 64 = NZA 2006, 553; Fitting, 29. Aufl. 2018, § 80 BetrVG Rz. 7; Reinecke, AuR 2012, 245 (246 f.). BAG v. 16.11.2005 – 7 ABR 12/05, AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 64 = NZA 2006, 553; Fitting, 29. Aufl. 2018, § 80 BetrVG Rz. 13. BAG v. 16.11.2005 – 7 ABR 12/05, AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 64 = NZA 2006, 553. Dazu krit. Lakies, Vertragsgestaltung und AGB im Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2011, Kap. 1 Rz. 419. Däubler in DBD, Einl. Rz. 190.
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IX. Durchsetzung des AGB-Rechts | Einf.
geltenden Rechtslage nicht zu rütteln, was allerdings insofern bedauerlich ist, als hierdurch keine Möglichkeit einer flächendeckenden Klärung der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit bestimmter betriebseinheitlich verwendeter AGB besteht. Ein unmittelbares Vorgehen gegen AGB ist dem Betriebsrat nur möglich, wenn der Arbeitgeber durch die vorformulierten Bedingungen Mitbestimmungsrechte unterwandert, weil der Betriebsrat dann den allgemeinen Unterlassungsanspruch1 bzw. Beseitigungsanspruch2 geltend machen kann.3 Im Übrigen darf der Betriebsrat die von unwirksamen AGB betroffenen Arbeitnehmer selbstverständlich über die Rechtslage aufklären.
1 BAG v. 3.5.1994 – 1 ABR 24/93, BetrVG 1972 § 23 Nr. 23 = NZA 1995, 40. 2 BAG v. 16.6.1998 – 1 ABR 68/97, BetrVG 1972 § 87 Gesundheitsschutz Nr. 7 = NZA 1999, 49. 3 Däubler in DBD, Einl. Rz. 191; dazu eingehend Bachner, NZA 2007, 536 ff.
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Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.d.F. der Bekanntmachung v. 2.1.2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch Artikel 7 des G. v. 31.1.2019 (BGBl. I S. 54)
Buch 2 Recht der Schuldverhältnisse Abschnitt 2 Gestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen
§ 305 Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag (1) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind. (2) Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss 1. die andere Vertragspartei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf sie hinweist und 2. der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise, die auch eine für den Verwender erkennbare körperliche Behinderung der anderen Vertragspartei angemessen berücksichtigt, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen, und wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist. (3) Die Vertragsparteien können für eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften die Geltung bestimmter Allgemeiner Geschäftsbedingungen unter Beachtung der in Absatz 2 bezeichneten Erfordernisse im Voraus vereinbaren. Clemenz
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§ 305 | Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag I. II. 1. 2. 3. 4. 5.
AGB im Arbeitsrecht . . . . . . . . Gesetzliche Definition (Abs. 1) Vertragsbedingungen . . . . . . . . Vorformuliert . . . . . . . . . . . . . Für Vielzahl von Verträgen . . . . Stellen durch eine Partei . . . . . . Unerhebliche Umstände (Satz 2)
__ ___ __ 1 3 6 20 26 30 39
6. Individuell ausgehandelte Vertragsbedingungen (Satz 3) . . 7. Darlegungs- und Beweislast . . . . III. Voraussetzungen der Einbeziehung von AGB (Abs. 2) . . . . . . IV. Rahmenvereinbarung (Abs. 3) .
__ __ 44 54 57 59
I. AGB im Arbeitsrecht 1 Bei der Kodifizierung des AGB-Rechts 1976 durch das AGBG hatte der Gesetz-
geber das Arbeitsrecht ausdrücklich durch die in § 23 Abs. 1 AGBG vorgesehene Bereichsausnahme ausgespart. Dies führte in der Folge zu einer gesonderten Entwicklung der Kontrolle arbeitsrechtlicher Vertragsklauseln (siehe zur Entwicklung der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung Einf. Rz. 14 ff.). Als im Jahr 2000 Gesetzesentwürfe zur Modernisierung des Schuldrechts diskutiert wurden, sollte zunächst an der Bereichsausnahme in der geltenden Form festgehalten werden, in der weiteren Diskussion verständigte man sich dann aber auf eine Modifizierung (vgl. wegen der Einzelheiten Einf. Rz. 18 ff.). Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen sollten nicht der AGB-Kontrolle unterliegen, für Arbeitsverträge hingegen sollte künftig das gleiche Schutzniveau wie für Verträge des allgemeinen Zivilrechts gelten.1
2 Anders als früher, sind die §§ 305 ff. BGB jetzt also, unter Berücksichtigung der
Besonderheitenklausel des § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB, auch im Arbeitsrecht seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1.1.2002 anzuwenden.
II. Gesetzliche Definition (Abs. 1) 3 Die §§ 305 ff. BGB finden nur auf Allgemeine Geschäftsbedingungen Anwen-
dung. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB enthält die Legaldefinition. Danach sind AGB die für eine Vielzahl von Fällen vorformulierten Vertragsbedingungen, die der Verwender bei Abschluss des Vertrages vorgibt. Damit definiert § 305 Abs. 1 BGB den sachlichen Anwendungsbereich nahezu wortgleich zu § 1 AGBG. Für das Arbeitsrecht ergeben sich allerdings Besonderheiten in der Rechtsanwendung, da Verbraucherverträge vorliegen, soweit der Arbeitgeber, was in der Regel der Fall ist, „Unternehmer“ ist (siehe § 310 Rz. 10 f.). Deshalb ist zu beachten, dass mit § 310 Abs. 3 BGB die Tatbestandsvoraussetzungen des „Stellens“ der Vertragsbedingungen und der beabsichtigten Serienverwendung für Verbraucher1 BT-Drucks. 14/6857, S. 53 f.; BT-Drucks. 14/7052, S. 189 f.; siehe dazu Zöllner, ZfA 2010, 637 (641), der dies zutreffend mit „nicht mehr als eine plakative Evokation von Gefühlsbewertung durch Laien“ beschreibt.
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II. Gesetzliche Definition (Abs. 1) | § 305
verträge praktisch aufgehoben werden. Damit ist der Geltungsbereich der §§ 305 ff. BGB für Verbraucherverträge deckungsgleich mit dem der RL 93/13/ EWG. Weiterhin gilt gem. § 310 Abs. 4 BGB eine Bereichsausnahme für Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Dienstvereinbarungen, und für Arbeitsverträge sind die Besonderheiten des Arbeitsrechts angemessen zu berücksichtigen (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB). In den § 305 Abs. 2, §§ 305a und 305c BGB werden die Regeln für die Einbezie- 4 hung Allgemeiner Geschäftsbedingungen modifiziert.1 Die § 305 Abs. 2, §§ 305a und 305c Abs. 1 BGB regeln aber nur die Einbeziehungskontrolle, also die Tatsache, ob AGB wirksam vertraglich einbezogen worden sind bzw. werden konnten (vorbehaltlich § 310 Abs. 4 Satz 3 Halbs. 2 BGB, der die Anwendung von § 305 Abs. 2 und Abs. 3 BGB für Arbeitsverträge ausschließt).2 Damit ist noch nichts über das Ob und den Maßstab einer etwaigen Inhaltskontrolle (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, §§ 308, 309 BGB) oder der Transparenzkontrolle (§ 307 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 BGB) gesagt. Mit Blick auf das Eingreifen der §§ 305 ff. BGB ist, wie auch bei der Frage nach 5 den dann maßgeblichen Auslegungsgrundsätzen, zwischen individuellen und typischen Erklärungen zu unterscheiden.3 Es können also entweder ausgehandelte Vertragsbedingungen (§ 305 Abs. 1 Satz 3) im Sinn individueller Vereinbarungen, vorformulierte zum einmaligen Gebrauch gedachte Bedingungen in Verbraucherverträgen (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB), Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB, § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder Allgemeine Geschäftsbedingungen in Verbraucherverträgen (§ 310 Abs. 3 BGB) vorliegen. Je nachdem gilt ein unterschiedlicher Auslegungsmaßstab, nämlich entweder der des Parteiverständnisses unter Berücksichtigung von Treu und Glauben bzw. der Verkehrssitte (§§ 133, 157 BGB) oder der des objektiven Inhalts und typischen Sinns der Regelung unter Berücksichtigung des Verständnisses redlicher und verständiger Vertragspartner unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise (siehe § 305c Rz. 55 ff.).4
1. Vertragsbedingungen Vertragsbedingungen sind alle Formulierungen, die bezwecken, den Inhalt5 ei- 6 nes Vertrages verbindlich zu gestalten. Die §§ 305 ff. BGB kommen daher nicht zur Anwendung, wenn das Leistungsverhältnis bereits durch Gesetz oder Verordnung bzw. anderweitig zwingende Regelwerke normativ ausgestaltet ist.6 1 2 3 4 5 6
Schulte-Nölke in Hk-BGB, § 305 Rz. 1. § 305a ist im Arbeitsrecht irrelevant. BAG v. 18.5.2010 – 3 AZR 373/08, NZA 2010, 935. BAG v. 18.5.2010 – 3 AZR 373/08, NZA 2010, 935. Basedow in MünchKommBGB, § 305 Rz. 9. Basedow in MünchKommBGB, § 305 Rz. 5 mit Beispielen.
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§ 305 | Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag Für das Eingreifen der AGB-Definition kommt es nicht darauf an, welchen Inhalt die jeweilige Vertragsbedingung hat.1 Es muss sich aber um eine Erklärung handeln, die rechtlich verbindlich sein soll; deshalb muss sie entgegen anders lautender Meinung2 als konstitutiv und nicht nur deklaratorisch wirkende Regelung beabsichtigt sein.3 Diese rechtsgeschäftliche und deshalb verbindlich gemeinte Erklärung ist von unverbindlichen Bitten, Empfehlungen oder tatsächlichen Hinweisen abzugrenzen, die gerade keine Vertragsbedingungen sind. Entscheidend ist – unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts, dass mit der Erklärung eine individuelle Rechtsfolge im Sinn einer einseitigen oder bei Einverständnis beidseitigen Regelung des Vertragsinhalts ausgelöst werden soll.4 7 Wie die Voraussetzung des „Stellens“ deutlich macht, setzt die gesetzliche De-
finition der Vertragsbedingung bereits im Vorfeld des Vertrages ein,5 entscheidend ist daher die Zwecksetzung. Es kommt nicht darauf an, dass der Vertrag mit der Klausel zustande gekommen ist. Jede Formulierung, die inhaltliche Auswirkungen auf den Vertrag, sein Zustandekommen, seinen Bestand oder seine Ausführung bezweckt, ist kontrollfähig. Das kann Regelungen zu Hauptleistungs- ebenso wie solche zu Nebenpflichten betreffen, aber auch Klauseln, die die spätere Behandlung eines Vertrages, bspw. in Form von Vorgaben für prozessuale Handhabung regeln.6 Regelungen zu Tatsachenbestätigungen sind dann als Vertragsbedingung anzusehen, wenn mit ihnen eine inhaltliche Regelung verbunden wird (wie bspw. eine Beweislastregel).7 Ob allein die Verwendung von AGB oder vorformulierten Einmalbedingungen zur Annahme berechtigt, dieser Vertrag sei in all seinen Regelungen betriebsvereinbarungsoffen8, ist zweifelhaft.9 Da eine solche Rechtswirkung, so sie gewollt ist, für den Vertragspartner eben nicht in allen Arbeitsverhältnissen selbstverständlich ist (angesichts des damit verbundenen Verzichts auf das Günstigkeitsprinzip schon gar nicht sein muss), bedarf es insoweit einer ausdrücklichen Regelung, zumindest aber tatsächlich feststellbarer Umstände, die einen entsprechenden Regelungswillen des Verwenders auch für den anderen Vertragspartner erkennbar sein lässt. Eine konkludente Einigung, nichts anderes kann in diesem Fall vorliegen, muss 1 2 3 4
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Ulmer in UBH, § 305 Rz. 7. Ulmer in UBH, § 305 Rz. 7a. Wohl auch Basedow in MünchKommBGB, § 305 Rz. 12. Pfeiffer in WLP, § 305 Rz. 7; BGH v. 8.3.2005 – XI ZR 154/04, NJW 2005, 1645; BGH v. 3.7.1996 – VIII ZR 221/95, NJW 1996, 2574. Ulmer in UBH, § 305 Rz. 13; Roloff in Erman, § 305 Rz. 5. Ulmer in UBH, § 305 Rz. 7, 15; Pfeiffer in WLP, § 305 BGB Rz. 9; Basedow in MünchKommBGB, § 305 Rz. 9; Roloff in HWK, § 305 BGB Rz. 2; Schulte-Nölke in Hk-BGB, § 305 Rz. 2. Schulte-Nölke in Hk-BGB, § 305 Rz. 2. Zu Recht kritisch: Creutzfeldt, NZA 2018, 1111; siehe auch BAG v. 5.3.2013 – 1 AZR 417/12, NZA 2013, 916. Zu Recht: BAG v. 11.4.2018 – 4 AZR 119/17, juris.
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II. Gesetzliche Definition (Abs. 1) | § 305
(ggf. im Wege der Auslegung) feststellbar sein; für eine Fiktion der generellen Betriebsvereinbarungsoffenheit von AGB, die faktisch den Inhalt des Arbeitsvertrages an die Betriebspartner überantwortet1 (ihn damit „kollektiviert“) fehlt die erforderlich gesetzliche Grundlage. Die Frage, ob auch ein Freiwilligkeitsvorbehalt als Vertragsbedingung anzuse- 8 hen ist, wird sehr streitig diskutiert.2 Im Kern geht es dabei zum einen um die Frage, ob und wie weit es überhaupt zulässig sein kann, im Rahmen eines Arbeitsvertrages eine dort vorgesehene vertragliche (Gegen-)Leistung „unverbindlich“ zu stellen, zum anderen mit Blick auf § 305 BGB um die Frage, ob überhaupt eine Vertragsbedingung vorliegt. Um sich der Rechtsqualität eines Freiwilligkeitsvorbehalts3 zu nähern, muss zunächst zwischen den verschiedenen Arten von Freiwilligkeitsvorbehalten unterschieden werden. Der häufigste Fall ist der Freiwilligkeitsvorbehalt als eigene Vertragsklausel, der alle etwaigen künftigen Leistungen, die über das jetzt vertraglich Vereinbarte hinaus gehen, als „freiwillig“ im Sinn von „weder gesetzlich, kollektivrechtlich, noch nach dem vorliegenden Vertrag geschuldet“ qualifizieren soll. Daneben gibt es den Freiwilligkeitsvorbehalt, der die im Vertrag bereits benannte Leistung mit einer geringeren (bzw. gar keiner) rechtlichen Verbindlichkeit als nicht dauerhaft geschuldet qualifizieren soll. Schließlich wird der Freiwilligkeitsvorbehalt verwendet, um die aktuell gewährte (vertraglich nicht geschuldete) Leistung als eben solche zu kennzeichnen. In der Praxis ebenfalls zu finden ist der nachträgliche Freiwilligkeitsvorbehalt, der dem tatsächlichen Handeln einer bereits ohne Erklärung gewährten Leistung im Nachhinein eine etwaige rechtliche Verbindlichkeit absprechen soll. Entscheidend für die Frage, ob es sich bei diesen Klauseln jeweils um eine Ver- 9 tragsbedingung handelt, ist – auch unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts – der Zeitpunkt der Erklärung. Wenn ein Vertragspartner in den Vertrag einen Freiwilligkeitsvorbehalt für aktuell nicht im Vertrag vorgesehene künftige Leistungen formuliert, handelt es sich nicht um eine Bedingung, sondern um den Hinweis, dass ein künftiges tatsächliches Handeln nicht als rechtsgeschäftliche Erklärung verstanden werden kann und soll.4 Es ist das gute Recht eines jeden Vertragspartners, den anderen darauf hinzuweisen, ob ein etwaiges tatsächliches Handeln (seiner selbst) mit Rechtsbindungswillen versehen ist, oder 1 Creutzfeldt, NZA 2018, 1111 (1117). 2 Vergleiche Schrifttumsnachweise bei Krause in FS Bauer (2010), S. 577 (583 ff.) und bei Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 70, Rz. 41 ff.; Preis/Sagan, NZA 2012, 697 ff. 3 Vgl. Krause in FS Bauer (2010), S. 577 (583 ff.). 4 Hromadka/Schmitt-Rolfes, NJW 2007, 1777; Ricken, DB 2006, 1372; Ulrici, BB 2005, 1902; Hanau/Hromadka, NZA 2005, 73; Thüsing/Leder, BB 2005, 1563; Lindemann, AuR 2004, 206; Seel, MDR 2004, 1394; Graf von Westphalen/Thüsing, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Stichwort Arbeitsverträge Rz. 268; a.A. Deinert in DBD, § 305 BGB Rz. 5; im Ergebnis auch: Preis in FS Richardi (2007), S. 339 (357).
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§ 305 | Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag nicht.1 Das entspricht dem Grundverständnis der Privatautonomie. Dem steht auch der Sinn und Zweck der AGB-Kontrolle nicht entgegen, da dieser Hinweis keine Fremdbestimmung des anderen auslöst, sondern nur den Erklärungswert (bzw. den fehlenden Erklärungswert) eines künftigen tatsächlichen Handelns des Hinweisenden selbst beschreibt.2 Dies gilt gleichermaßen, wenn ein solcher Hinweis mit einer aktuell gewährten, vertraglich nicht geschuldeten Leistung verbunden wird.3 10 Anders stellt sich die Situation dar, wenn im Vertrag eine Leistung benannt und
damit an sich vertraglich vereinbart wird, ein Freiwilligkeitsvorbehalt aber gleichzeitig die Verbindlichkeit in Frage stellen soll, oder wenn gar, nachdem eine Leistung bereits gewährt worden ist, der nachträgliche Freiwilligkeitsvorbehalt den Eintritt einer Rechtsbindung vermeiden bzw. in Frage stellen soll. In diesen Fällen liegt jeweils eine kontrollfähige Vertragsbedingung vor,4 weil über einen bloßen Hinweis hinaus eine Rechtswirkung (wenn auch im negativen Sinn) gerade erst erzeugt werden soll. Es geht in diesen Konstellationen nicht um einen Hinweis, dass eine aktuelle oder künftige tatsächliche Handlung ohne Rechtsbindungswillen vorgenommen wird, sondern um den Versuch, durch Abgabe einer Erklärung eine aktuell im Rahmen des Vertragsschlusses eintretende oder (im Fall des nachträglichen Vorbehalts) je nach den Umständen bereits eingetretene Rechtsbindung zu konterkarieren.
11 Der Widerrufsvorbehalt ist – anders als der Freiwilligkeitsvorbehalt – in jeder
verwendeten Variante als Vertragsbedingung zu qualifizieren. Der Natur der Sache nach setzt er einen rechtsverbindlichen – ggf. im Moment zugesagten – Anspruch voraus und will gerade dessen erleichterte Beseitigung regeln.5 Gleiches gilt für den Anrechnungsvorbehalt, der die Zulässigkeit einer künftigen rechts-
1 Das scheint auch das BAG so zu sehen, wenn der Freiwilligkeitsvorbehalt als probates Mittel zur Vermeidung der Entstehung einer betrieblichen Übung bezeichnet wird: BAG v. 16.2.2010 – 3 AZR 118/08, DB 2010, 1947; BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, NZA 2008, 1233; BAG v. 19.2.2008 – 3 AZR 61/06, NZA-RR 2008, 597; BAG v. 31.7.2007 – 3 AZR 189/06, NZA-RR 2008, 263; BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 12.1.1994 – 5 AZR 41/93, AP BGB Betriebliche Übung Nr. 43; a.A. scheinbar BAG v. 14.9. 2011 – 10 AZR 526/10, DB 2012, 179; zu Recht kritisch: Hromadka, DB 2012, 1037. 2 Im Ergebnis ebenso, aber nach Prüfung als Vertragsbedingung: BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 589; BAG v. 21.1.2009 – 10 AZR 219/08, NZA 2009, 310; BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; LAG Hamm v. 9.6.2005 – 8 Sa 2403/04, NZA-RR 2005, 624; Krause in FS Bauer (2010), S. 577 (586); a.A.: Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 70, Rz. 45 ff. 3 BAG v. 16.2.2010 – 3 AZR 118/08 – DB 2010, 1947; BAG v. 19.2.2008 – 3 AZR 61/06, NZA-RR 2008, 597; BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 31.7. 2007 – 3 AZR 189/06, NZA-RR 2008, 263. 4 BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595; BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 281/08, NZA 2009, 601 (Aufgabe der Rspr. zur sog. negativen betrieblichen Übung). 5 Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 70, Rz. 3, 14; Ricken, DB 2006, 1372.
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II. Gesetzliche Definition (Abs. 1) | § 305
verbindlich wirkenden Anrechnungshandlung/-erklärung mit einer vorgegebenen Zielrichtung eröffnen soll.1 Gelten Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Dienstvereinbarungen für 12 das Arbeitsverhältnis normativ, sind sie gem. § 310 Abs. 4 BGB der AGB-Kontrolle entzogen.2 Diese Bereichsausnahme erfasst nicht vertragliche Verweisungsoder Bezugnahmeklauseln, mit denen nicht verbandszugehörige Vertragspartner die Geltung tariflicher Regelungen oder Arbeitsvertragsparteien die Geltung anderweitiger kollektivrechtlicher Regelungen vereinbaren, die ihr Arbeitsverhältnis nicht normativ erfassen. Zwar sind gem. § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB sowohl Tarifverträge als auch Betriebsvereinbarungen und Dienstvereinbarungen Rechtsvorschriften i.S.d. § 307 Abs. 3 BGB gleichgestellt. Damit wird aber nur der Prüfungsmaßstab der Inhaltskontrolle vorgegeben. Die Verweisungsklausel selbst, unabhängig davon, ob ganz oder teilweise auf Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Dienstvereinbarungen verwiesen wird, mit der diese erst für das Vertragsverhältnis verbindlich werden, ist Vertragsbedingung i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB.3 Der rein deklaratorische Verweis auf ohnehin geltende Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge ist dagegen schon keine Vertragsbedingung. Damit bringen die Vertragsparteien nur zum Ausdruck, dass für das Arbeitsverhältnis auch im Vertrag nicht aufgeführte Regelungen gelten. Sie dokumentieren damit einen tatsächlichen Hinweis, geben aber keine rechtsgeschäftliche Erklärung ab.4 Verwenden die Vertragspartner Vertragsbedingungen, die vor ihrer Verwen- 13 dung kollektivrechtlich ausgehandelt worden sind, handelt es sich ebenfalls um Vertragsbedingungen i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB, weil sie nun Inhalt eines individualrechtlichen Vertrages werden (sollen).5 Ob und inwieweit die Tatsache der kollektivrechtlichen Aushandlung eine Richtigkeitsgewähr für ihre Angemessenheit darstellen kann, ist eine Frage der inhaltlichen Überprüfung (siehe Einf. Rz. 101). Für die Qualifikation als Vertragsbedingung ist dies ebenso unerheblich wie bei anderen von dritter Seite vorbereiteten Regelungen. Bezugnahmeklauseln, mit denen einseitig (auf)gestellte Regelwerke des Arbeit- 14 gebers (bspw. Code of Conduct, Arbeitsordnungen, Dienstwagenrichtlinien etc.) vertraglich eingebunden werden, sind – ebenso wie die damit einbezogenen Regelwerke – kontrollfähige Vertragsbedingungen.6 1 Im Ergebnis ebenso: BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, NZA 2006, 746. 2 BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, NZA-RR 2010, 457. 3 Deinert in DBD, § 305 Rz. 5; Roloff in HWK, § 305 Rz. 2; Diehn, NZA 2004, 129; nicht eindeutig Richard, NZA 2002, 1057. 4 BAG v. 23.5.2007 – 10 AZR 295//06, NZA 2007, 940; BAG v. 18.11.2003 – 1 AZR 604/02, BAGE 108, 299; siehe auch Einf. Rz. 101. 5 BAG v. 13.6.2012 – 7 AZR 669/10, juris; BAG v. 19.3.2009 – 6 AZR 557/07, NZA 2009, 1533; BAG v. 25.4.2007 – 6 AZR 622/06, DB 2007, 2263. 6 BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, NZA-RR 2010, 457; BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/ 08, NZA 2009, 331; BAG v. 14.3.2007 – 5 AZR 630/06, NZA 2008, 45; BAG v. 27.6.2006 – 3 AZR 255/05, NZA 2006, 1285; BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042.
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§ 305 | Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag 15 Der Wortlaut des § 305 Abs. 1 BGB ist eindeutig auf zweiseitige Rechtsgeschäfte
bezogen (Vertragsbedingungen). Nach zutreffender herrschender Meinung werden aber über den Wortlaut hinaus auch einseitige Erklärungen der Vertragspartner erfasst (arg. § 308 Nr. 1 und § 309 Nr. 12 BGB). Für die Einbeziehungskontrolle kann es nicht darauf ankommen, ob eine Formulierung Inhalt eines zweiseitigen Vertrages im formalen Sinn wird. Entscheidend ist vielmehr, dass sie darauf abzielt, den Vertrag inhaltlich auszugestalten, oder in einem anderen rechtlichen Zusammenhang mit dem Vertrag steht, sei es auch in Form einer vom Verwender vorgegebenen gesonderten einseitigen Formularerklärung.1 Das gilt zunächst für vom Verwender vorgegebene Erklärungen des anderen Vertragspartners, mit denen rechtserheblichen Tatsachen eine bestimmte rechtliche Qualifizierung gegeben werden soll. So sind insbesondere sog. „Aushandelnsbestätigungen“ als Vertragsbedingungen kontrollfähig.2 Nichts anderes gilt für sog. „Ausgleichsquittungen“,3 die Einwilligung in die Speicherung und/oder Weitergabe von Daten4 oder die Einwilligung in ärztliche Untersuchungen.5
16 § 305 Abs. 1 BGB kann aber auch einseitige Erklärungen des Verwenders im
laufenden Vertragsverhältnis erfassen, wenn bspw. der Arbeitgeber nachträgliche Freiwilligkeits- oder Widerrufsvorbehalte6 auf der Gehaltsabrechnung verwendet.7 Generelle Feststellungen sind hier nicht möglich, weil im Einzelfall zunächst zu prüfen ist, ob eine derartige einseitige Erklärung mit Blick auf bereits vorliegende vertragliche Vereinbarungen (vorbehaltlich einer Wirksamkeitskontrolle) überhaupt Rechtswirksamkeit entfaltet, im Sinn einer Änderung des zuvor Vereinbarten. Schweigt der Vertragspartner, ist ein mit einer solchen Erklärung u.U. verbundenes Angebot auf Änderung der bestehenden vertraglichen Vereinbarung abgelehnt, es sei denn das Angebot bedarf gem. § 151 BGB (weil für den anderen nur günstig) keiner ausdrücklichen Annahme. In letzterem Fall wird es angesichts der Vorgaben von § 151 BGB regelmäßig im Rahmen der AGB-Kontrolle keine Ansätze für eine unangemessene Benachteiligung geben.
17 Das gilt insbesondere für das Institut der sog. betrieblichen Übung. Darunter
wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeit-
1 BGH v. 16.3.1999 – XI ZR 76/98, BGHZ 141, 124; BGH v. 28.1.1987 – IVa ZR 173/85, BGHZ 99, 381; KG Berlin v. 26.8.2010 – 23 U 34/10, NJW 2011, 466; Deinert in DBD, § 305 Rz. 6; Pfeiffer in WLP, § 305 Rz. 11, 12; Basedow in MünchKommBGB, § 305 BGB Rz. 9. 2 BGH v. 28.1.1987 – IVa ZR 173/85, BGHZ 99, 381; BGH v. 1.3.1982 – VIII ZR 63/81, BB 1983, 15; BGH v. 15.12.1976 – IV ZR 197/75, NJW 1977, 624. 3 Roloff in Erman, § 305 BGB Rz. 6. 4 Deinert in DBD, § 305 Rz. 6; Heinrichs in Palandt, § 305 Rz. 6. 5 Deinert in DBD, § 305 Rz. 6. 6 Bezüglich der Freiwilligkeitsvorbehalte sind aber die unter Rz. 8 ff. beschriebenen Differenzierungen zu beachten. 7 BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, NZA 2006, 746; Roloff in HWK, § 305 BGB Rz. 2; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 22.
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II. Gesetzliche Definition (Abs. 1) | § 305
gebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung1 auf Dauer gewährt werden. An dieser Stelle soll der nach wie vor bestehende dogmatische Theorienstreit2 über den Entstehungstatbestand – ob konkludenter Vertragsschluss oder Vertrauenshaftung – nicht diskutiert werden. Gemeinsam ist beiden, dass eine vertragliche Bindung dogmatisch „konstruiert“ wird, weil der Arbeitnehmer ein Angebot auf eine für ihn nur günstige Leistung nicht annehmen muss (§ 151 BGB) bzw. der Arbeitgeber an dem von ihm gesetzten Vertrauenstatbestand eben wegen der Günstigkeit für den Arbeitnehmer auch dann festgehalten wird, wenn er selbst keine rechtsgeschäftliche Erklärung abgeben wollte. Auch wenn Ausgangspunkt immer ein zunächst rein tatsächliches Handeln des Arbeitgebers ist, begründet die betriebliche Übung nach ganz herrschender Auffassung mit ihrer Entstehung stets einen dann vertraglichen Anspruch. Daran wird sich nichts ändern, solange die Rechtsprechung daran festhält – anders als im öffentlichen Dienst – die wiederholte vorbehaltlose Gewährung einer Vergünstigung durch einen Arbeitgeber der Privatwirtschaft als stillschweigenden Vertragsabschluss zu qualifizieren,3 auch wenn die dieser Differenzierung zugrunde liegende Argumentation noch nie sehr überzeugend war. Die solchermaßen aus der für den Vertragspartner positiven Leistungssituation überhaupt erst entstehende betriebliche Übung ist zwar Vertragsbedingung i.S.d. § 305 BGB.4 Die dogmatische Begründung ihrer Entstehung muss aber im Rahmen der nachfolgenden Inhaltsprüfung beim anzuwendenden Kontrollmaßstab Berücksichtigung finden. Eine Vertragsbedingung, die nur „entsteht“ weil sie für den anderen „nur günstig“ ist, bzw. aus eben diesem Grund ein schutzwürdiges Vertrauen auf beständige Fortgeltung auslöst, kann sich nicht nachfolgend ohne Weiteres in eine von der Rechtsordnung zu missbilligende Benachteiligung verwandeln (siehe Einf. Rz. 86 a.E., Einf. Rz. 105). Die von der Rechtsprechung vorübergehend entwickelte sog. negative betriebli- 18 che Übung ist zu Recht nach heftiger Kritik in der Literatur5 wieder aufgegeben worden.6 Grundvoraussetzung für die vormals angenommene negative betriebliche Übung war der mit einer aktuellen Leistung verbundene Freiwilligkeitsvorbehalt, der einen bereits entstandenen vertraglichen Anspruch vernichten bzw. 1 Die betriebliche Übung ist nicht auf Geldleistungen beschränkt, so bspw. LAG Schleswig-Holstein v. 3.4.2001 – 1 Sa 646 b/00, NZA-RR 2001, 488 (Kostenlose Firmenparkplätze). 2 Siehe dazu Nachweise bei Preis in ErfK, § 611 BGB Rz. 220 ff.; Bepler, RdA 2004, 226; Bepler, RdA 2005, 323. 3 Eine Abweichung davon wäre angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung ein richtiger, aber wohl zu „mutiger“ Schritt, so zu Recht Ricken, DB 2006, 1372. 4 BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, NZA 2012, 908. 5 Vgl. Nachweise bei Koch in Schaub, ArbRHdb, § 111 Rz. 28; Thüsing in HWK, § 611 BGB Rz. 235. 6 BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 281/08, NZA 2009, 601.
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§ 305 | Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag durch eine echte vertragsbindungsfreie „freiwillige“ Leistung ersetzen soll. Bei einer solchen Erklärung handelt es sich, anders als beim echten Freiwilligkeitsvorbehalt, nicht nur um einen Hinweis betreffend die aktuelle Leistungsgewährung. Vielmehr sollte darüberhinausgehend in diesen Fällen (in Reaktion auf die Vertragstheorie des BAG) ein die ursprünglich nicht gewollte Vertragsverpflichtung aus betrieblicher Übung ablösender Vertrag auf ebenso tatsächlichem Wege „erzwungen“ werden. Damit aber würde in die rechtsgeschäftliche Gestaltungsmacht des anderen Vertragspartners eingegriffen. Da es hier an der Annahme des Änderungsangebots fehlt, gehen derartige Versuche aber ohnehin ins Leere. Andernfalls lägen kontrollfähige Vertragsbedingungen vor. 19 Für die Gesamtzusage gilt Gleiches, wie für die betriebliche Übung. Auch sie
kommt als Vertragsgrundlage nur zustande, wenn es einer ausdrücklichen Annahme gem. § 151 BGB nicht bedarf. Sie ist damit Vertragsbedingung i.S.d. § 305 BGB. Der Grund ihrer Entstehung ist aber im Rahmen der nachfolgenden Kontrolle mit Blick auf die anzulegenden Kontrollmaßstäbe zu berücksichtigen, will man sich nicht in Widerspruch zur dogmatischen Begründung ihrer Entstehung setzen.
2. Vorformuliert 20 Nur vorformulierte Vertragsbedingungen werden der Kontrolle der §§ 305 ff.
BGB unterworfen. Im Arbeitsrecht ist die Verwendung von Formularverträgen der Regelfall.1 Dies gilt sowohl für den normalen Arbeitnehmer als auch für Führungskräfte.2 Nach aktuellen Schätzungen sollen weit über 90 % aller Arbeitsverhältnisse in Deutschland formularmäßig ausgestaltet sein.3 Vertragsbedingungen sind dann vorformuliert, wenn sie vorbereitend für die spätere Verwendung fixiert wurden und damit vor Vertragsschluss feststehen.4
21 Es ist unerheblich, in welcher Form und auf welche Art und Weise die Fixie-
rung erfolgt. Üblicherweise wird dies in schriftlicher Form oder durch Ausdruck gespeicherter Daten geschehen. Auch die „auswendig gelernte“ und damit nur im Gedächtnis gespeicherte Formulierung aber ist vorformuliert.5 Daher kann/ ist auch die mündliche oder durch betriebliche Übung begründete Vertrags1 2 3 4
Siehe Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, I B, Rz. 3 ff. m.w.N. Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, I B, Rz. 5. Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, I B, Rz. 7. BAG v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08, NZA-RR 2009, 519; BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, NZA 2008, 1233; BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, NZA 2008, 170; Pfeiffer in WLP, § 305 Rz. 14; Roloff in Erman, § 305 Rz. 9. 5 BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, NZA 2012, 908; BGH v. 10.3.1999 – VIII ZR 204/98, NJW 1999, 2180; BGH v. 7.2.1996 – IV ZR 16/95, NJW 1996, 1676; BGH v. 30.9.1987 – IVa ZR 6/86, NJW 1988, 410; Ulmer in UBH, § 305 Rz. 20; Basedow in MünchKommBGB, § 305 Rz. 13; Roloff in Erman, § 305 Rz. 9.
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II. Gesetzliche Definition (Abs. 1) | § 305
bedingung vorformuliert (sein).1 Nach Sinn und Zweck der AGB-Kontrolle kommt es nämlich ausschließlich darauf an, dass nicht erst verhandelt und dann gemeinsam ad hoc für den konkret verhandelten Sachverhalt formuliert wird, sondern einer der Vertragspartner die Bedingungen nach seinen Vorstellungen generalisierend für eine Mehrzahl ähnlicher Rechtsverhältnisse „vor“ formuliert, d.h. für die Verhandlungssituation bereits vorbereitet verfügbar hat.2 In diesem Sinn handelt es sich offensichtlich um vorformulierte Vertragsbedingungen, wenn der Text zeitlich vor Abschluss des Vertrages vorliegt. Aber auch wenn zunächst in Verhandlungen Einigkeit über die essentiellen Regelungen (Aufgabe, Arbeitszeit, Arbeitsentgelt) gefunden wurde, kann der danach vom Arbeitgeber vorgelegte Vertragsentwurf vorformuliert sein.3 Auch die Regelungen, die inhaltlich ggf. das individuelle Verhandlungsergebnis widerspiegeln (bspw. Höhe des Gehaltes), enthalten üblicherweise darüber hinausgehende rechtliche Gestaltungen (Anrechnungs- oder Widerrufsvorbehalt etc.), über die im Zweifel nicht gesprochen worden ist. Aus Inhalt und äußerer Gestaltung des Vertrages kann der vom Verwender zu 22 widerlegende Anschein folgen, dass die Vertragsbedingungen vorformuliert sind.4 Dafür sprechen generalisierende oder formelhafte Wendungen im Vertrag, die nicht auf die individuelle Vertragskonstellation bezogen sind, sondern nur allgemein vertragstypische Risiken regeln.5 Wenn die Mehrzahl der Vertragsbedingungen ersichtlich nicht auf die konkrete Situation zugeschnitten ist, kann der dadurch erweckte Anschein nicht damit widerlegt werden, dass der Vertrag in Teilen auch individuelle Vereinbarungen enthält.6 Es kommt nicht darauf an, wer die Vertragsbedingungen entworfen und im vor- 23 stehenden Sinn vorformuliert hat.7 Der entsprechende Text kann vom Verwender 1 BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, NZA 2012, 908. 2 BGH v. 7.11.1995 – XI ZR 235/94, NJW 1996, 249; BGH v. 22.9.1987 – IX ZR 220/86 – WM 1987, 1430; Ulmer in UBH, § 305 Rz. 21. 3 Deinert in DBD, § 305 Rz. 10. 4 BAG v. 17.10.2017 – 9 AZR 80/17, NZA 2018, 57; BAG v. 23.3.2016 – 7 AZR 828/13, NZA 2016, 881; BAG v. 14.7.2015 – 3 AZR 517/13, NZA-RR 2015, 595; BAG v. 19.3. 2014 – 5 AZR 299/13 (F), NZA-RR 2014, 574; BAG v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674; BAG v. 17.8.2011 – 5 AZR 406/10, NZA 2011, 1335; BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, NZA 2006, 746; BGH v. 24.11.2005 – VII ZR 87/04, WM 2006, 247; BGH v. 27.11.2003 – VII ZR 53/03, BGHZ 157, 102; BGH v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/ 98, BGHZ 143, 104; Basedow in MünchKommBGB, § 305 Rz. 18 für die Absicht der mehrfachen Verwendung. 5 BAG v. 28.8.2017 – 10 AZR 97/17, juris; BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, NZA 2006, 746; BGH v. 24.11.2005 – VII ZR 87/04, WM 2006, 247; BGH v. 27.11.2003 – VII ZR 53/ 03, BGHZ 157, 102. 6 BGH v. 24.11.2005 – VII ZR 87/04, WM 2006, 247; BGH v. 14.5.1992 – VII ZR 204/90, NJW 1992, 2160; BGH v. 11.10.1984 – VII ZR 248/83, NJW 1985, 852. 7 BGH v. 2.11.1983 – IVa ZR 86/82, BGHZ 88, 368; Pfeiffer in WLP, § 305 Rz. 14, 15.
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§ 305 | Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag selbst, seinem Vertreter, einem von ihm Beauftragten stammen, von Dritten oder aus Büchern oder schriftlichen oder virtuellen Formularsammlungen entnommen sein. Auch mit der nur einmaligen Verwendung von Musterverträgen realisiert sich das strukturelle Risiko der indiziell einseitigen Gestaltungsmacht. Wenn allerdings ein im Rahmen von Verhandlungen erstellter Vertrag danach als Mustervertrag weiterverwendet wird, kann er erst für den zweiten Fall der Verwendung als vorformuliert angesehen werden. Auch Vertragsbedingungen, die vor ihrer Verwendung kollektivrechtlich ausgehandelt worden sind, können AGB sein.1 24 Für die Bewertung spielt es keine Rolle, ob ein vollständiges Muster verwendet
wird oder Textbausteine zusammengesetzt werden. Auch letztere sind vorformuliert.2 Gerade die Tatsache, dass es „nur“ Bausteine sind, dokumentiert, dass sie zur mehrfachen Verwendung (nämlich zum „Zusammenbauen“) in typischen Vertragssituationen entworfen sind.
25 Werden Musterverträge verwendet, die vom Vertragspartner um individuelle
Angaben zu ergänzen sind, ist im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die Vertragsbedingungen vorformuliert sind. Wenn es sich bei der Ergänzung nur um unwesentliche Angaben handelt (Name, Personal- oder Adressdaten), stellt das den Charakter als AGB nicht in Frage.3 Bleiben allerdings essentielle Punkte mit solchen Leerstellen zunächst ungeregelt (Vertragslaufzeit, Kündigungsfrist, Berechnung einer Tantieme etc.), kann die entsprechende Klausel nicht als vorformuliert angesehen werden.4 Das ist nur dann anders zu beurteilen, wenn die Leerstelle durch eine vom Verwender wiederum (mündlich oder schriftlich) vorformulierte Regelung ausgefüllt wird. Dann handelt es sich um AGB, die lediglich in unterschiedlicher Form zusammengesetzt sind (die Leerstellen sind in Wirklichkeit nicht leer). Mit Blick auf § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB ist diese Differenzierung von besonderer Bedeutung.
3. Für Vielzahl von Verträgen 26 Die Vertragsbedingungen müssen für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert,
also für eine serielle Verwendung erstellt worden sein. Hier kommt es auf die Absicht desjenigen an, der die Bedingungen vorformuliert, auf die des Verwenders nur dann, wenn er die Bedingungen auch selbst vorformuliert hat. Es ist unerheblich, ob die Bedingungen tatsächlich mehrfach verwendet werden. Ver-
1 BAG v. 13.6.2012 – 7 AZR 669/10, juris; BAG v. 19.3.2009 – 6 AZR 557/07, NZA 2009, 896. 2 Deinert in DBD, § 305 BGB Rz. 12; Pfeiffer in WLP, § 305 Rz. 14; Basedow in MünchKommBGB, § 305 Rz. 13; Roloff in Erman, § 305 Rz. 9. 3 BAG v. 19.3.2009 – 6 AZR 557/07, NZA 2009, 896; BGH v. 2.3.1994 – XII ZR 175/92, WM 1994, 1136; Roloff in Erman, § 305 Rz. 10. 4 Roloff in Erman, § 305 Rz. 10; a.A. Deinert in DBD, § 305 Rz. 11.
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II. Gesetzliche Definition (Abs. 1) | § 305
wendet der Arbeitgeber einen für die serielle Verwendung vorformulierten Mustervertrag, den ein Dritter erstellt hat, greifen die §§ 305 ff. BGB bereits beim ersten Verwendungsfall ein. Verwendet er die selbst vorformulierten Bedingungen, muss er bereits bei der erstmaligen Verwendung beabsichtigen, sie auch bei künftigen Vertragsabschlüssen verwenden zu wollen.1 Der nur für den Einzelfall vorformulierte Vertrag wird nicht von § 305 Abs. 1 27 BGB erfasst, für Verbraucherverträge ist aber § 310 Abs. 3 Nr. 2 zu beachten (siehe Rz. 29).2 Der für den Einzelfall vorformulierte Vertrag wird auch nicht dadurch zur AGB, dass er ganz oder in Teilen auf Standardformulierungen eines Anwalts oder Notars beruht.3 Von einer Verwendungsabsicht für eine Vielzahl von Fällen kann man nur dann 28 ausgehen, wenn mindestens eine dreimalige Verwendung beabsichtigt ist.4 Das Gesetz spricht von einer Vielzahl von Verträgen und nicht von Vertragspartnern. Deshalb greift § 305 Abs. 1 BGB auch dann ein, wenn ein Vertrag/eine Klausel mindestens dreimal mit demselben Vertragspartner vereinbart wird.5 Aus der Verwendung des Begriffs Vielzahl folgt nicht, dass eine unbestimmte Zahl von Rechtsgeschäften beabsichtigt sein muss. Der serielle Charakter vorformulierter Vertragsbedingungen ist mit der beabsichtigten Mindestverwendung zu unterstellen, auch wenn die Zahl der insgesamt beabsichtigten Vertragsabschlüsse von vorneherein begrenzt ist.6 Für Arbeitsverträge wird mit § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB der Anwendungsbereich 29 der AGB-Kontrolle erweitert. Da Arbeitnehmer Verbraucher im Sinn dieser Vorschrift sind (siehe § 310 Rz. 14 ff.), finden § 305c Abs. 2, § 306 und §§ 307–309 BGB auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. Damit wird die Tatbestandsvoraussetzung der Absicht serieller Verwendung aufgehoben, es müssen aber vorformulierte Vertragsbedingungen vorliegen.7 1 Roloff in Erman, § 315 Rz. 11; Basedow in MünchKommBGB, § 305 BGB Rz. 18 f.; Pfeiffer in WLP, § 305 Rz. 15; Ulmer in UBH, § 305 Rz. 24; Gotthardt in HWK, § 305 BGB Rz. 4; Deinert in DBD, § 305 Rz. 15. 2 Ulmer in UBH, § 305 Rz. 22 m.w.N.; Pfeiffer in WLP, § 305 Rz. 15. 3 BGH v. 13.9.2001 – VII ZR 487/99, NJW-RR 2002, 13; BGH v. 16.11.1990 – V ZR 217/89, NJW 1991, 843; h.M. verneint allerdings das Merkmal des Stellens: siehe nur Ulmer in UBH, § 305 Rz. 31 m.w.N. 4 BAG v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08, NZA-RR 2009, 519; BAG v. 1.3.1006 – 5 AZR 363/05, NZA 2006, 746; BGH v. 11.12.2003 – VII ZR 31/03, NJW 2004, 1454; BGH v. 27.9.2001 – VII ZR 388/00, NJW 2002, 138; Roloff in Erman, § 315 Rz. 11. 5 BAG v. 1.3.1006 – 5 AZR 363/05, NZA 2006, 746; BGH v. 11.12.2003 – VII ZR 31/03, NJW 2004, 1454. 6 Ulmer in UBH, § 305 Rz. 25. 7 BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666.
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§ 305 | Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag 4. Stellen durch eine Partei 30 § 305 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass die für eine Vielzahl von Fällen vorformu-
lierten Vertragsbedingungen von einer Vertragspartei der anderen bei Abschluss des Vertrages gestellt werden. Damit wird festgelegt, wer der Verwender dieser Bedingungen ist. Diese Feststellung ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil im Rahmen der AGB-Prüfung stets der andere Vertragsteil vor der einseitigen Inanspruchnahme der Vertragsgestaltungsfreiheit durch den Verwender der AGB geschützt werden soll.1 Ein Schutz des Verwenders vor seinen eigenen AGB ist mit dem Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen unvereinbar.2
31 Der Begriff des Stellens beschreibt ein tatsächliches Handeln, keine rechts-
geschäftliche Erklärung im Rahmen der Verhandlungen. Es geht nicht um die Erklärung, dass diese Bedingungen verbindlich sind, sondern um die tatsächliche Manifestierung einseitiger Vertragsgestaltungsmacht. Sieht man den Zweck der AGB-Kontrolle insbesondere auch darin, den anderen Vertragspartner vor Nachteilen der durch die Verwendung von AGB entstehenden situativen Informationsasymmetrie zu schützen (siehe Einf. Rz. 33), kommt man nicht umhin, bereits mit der bloßen Einführung von AGB in die Verhandlungen das „Stellen“ im Rechtssinn zu bejahen,3 wenn nicht besondere Umstände vorliegen, etwa beide Vertragspartner wechselseitig AGB in die Verhandlung einführen4. Entscheidend ist, ob für den Vertragspartner angesichts der Art des ihm unterbreiteten Angebots zunächst objektiv berechtigt der Eindruck entsteht, dass es nicht realistisch oder unter Berücksichtigung von Transaktionskosten nicht sinnvoll ist, über eine Abänderung der angebotenen AGB zu ernsthaft zu verhandeln.5 Wenn bei objektiver Betrachtung eines unbeteiligten Dritten der beteiligten Verkehrskreise real Verhandlungen über eine Abänderung trotz Vorformulierung von Anfang an denkbar, tatsächlich möglich und mit Blick auf zeitliche Abläufe und Transaktionskosten sinnvoll scheinen, sind AGB nicht einseitig gestellt, weil keine Situation besteht, in der zu Lasten der Vertragsfreiheit eingegriffen werden müsste, um einer konkret drohenden Verhandlungsimparität vorzubeugen. Vertragsbedingungen sind deshalb nur dann gestellt, wenn der andere Vertragspartner objektiv berechtigt davon ausgehen darf, dass er realistischer Weise keine Abänderung verhandeln kann. Das ist weniger, als 1 So zu Recht Ulmer in UBH, § 305 Rz. 26; siehe Einf. Rz. 31. 2 BAG v. 21.4.2010 – 4 AZR 768/08, DB 2010, 1998; BGH v. 4.12.1986 – VII ZR 354/85, NJW 1987, 837; Ulmer in UBH, § 305 Rz. 27; Pfeiffer in WLP, § 305 Rz. 25. 3 So zu Recht: BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939; BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 3305. 4 Dann finden die §§ 305 ff. BGB keine Anwendung: Roloff in HWK, § 305 BGB Rz. 5; Habersack in UBH, § 305 Rz. 29. 5 Enger im Sinn einer Verweigerung von Verhandlungsmöglichkeiten: Pfeiffer in WLP, § 305 Rz. 30. Bloße Zurechnung ausreichend: Ulmer in UBH, § 305 Rz. 26, 27; Deinert in DBD, § 305 Rz. 18.
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II. Gesetzliche Definition (Abs. 1) | § 305
ein Aushandeln i.S.d. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB voraussetzt (siehe Rz. 46 ff.). Im Regelfall ist allerdings davon auszugehen, dass die Einführung von AGB in die Verhandlung auch das Stellen derselben indiziert.1 Verwender i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB kann immer nur eine Vertragspartei sein.2 32 Hat sich der Verwender im Rahmen der Vertragsverhandlungen Dritter bedient, ist ihm deren Verhalten zuzurechnen. Dies gilt sowohl für rechtsgeschäftliche Erklärungen als auch für tatsächliches Handeln, das entweder mit seiner Billigung oder zumindest Duldung geschieht. Beruht das Stellen auf einer objektiv berechtigt wahrgenommenen strukturellen Überlegenheit oder ist es Folge einer in der Situation bestehenden Informationsasymmetrie, wird sich beides im Regelfall ohnehin nicht auf den Vertreter oder den Gehilfen, sondern die dahinter stehende natürliche oder juristische Person beziehen. Spätestens bei Vertragsschluss bestätigt der Verwender selbst oder rechtsgeschäftlich vertreten diese tatsächliche Situation bzw. billigt das Stellen und macht es sich damit zu Eigen. Derjenige, dessen Angebot mit den von ihm gewünschten AGB verbunden ist und angenommen wird, stellt sie auch. Geht ein Arbeitsvertrag im Wege der Rechtsnachfolge auf einen neuen Arbeitgeber über, geht die Rolle des Verwenders des vormaligen Arbeitgebers auf ihn über.3 Für die Feststellung, wer die AGB stellt und damit Verwender ist, spielt keine 33 Rolle, wer die Vertragsbedingungen formuliert bzw. erstellt hat.4 Ob der Verwender die Vertragsbedingungen selber vorformuliert, einer veröffentlichten Mustersammlung entnommen hat, oder durch Gehilfen oder Dritte hat vorbereiten lassen, ist unerheblich. Maßgeblich ist allein, dass er sie zum Bestandteil seines rechtlich verbindlichen Angebots macht. Wenn ausnahmsweise beide Seiten gleichlautende vorformulierte Vertrags- 34 bedingungen verwenden wollen, ist keine der Vertragsparteien Verwender i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB, weil keiner einseitig die Vertragsbedingungen stellt, sondern Einvernehmen über ihre Einbeziehung besteht. Nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen besteht hier kein Bedarf nach einer Vertragskontrolle.5 Stellen beide Seiten inhaltlich abweichende eigene vorformulierte Vertragsbedingungen, ist an Hand der Umstände des konkreten Falls ggf. auch für einzelne Klauseln zu prüfen, ob sie von einer Seite gestellt wurde. Anders als im Normalfall (nur eine Seite führt vorformulierte Klauseln bzw. Klauselwerke in die Verhandlungen ein) ist hier keine Vertragsimparität indiziert, so dass (jedenfalls außerhalb des Anwendungsbereichs von § 310 Abs. 3 BGB) die Ver1 2 3 4 5
Bartsch, NJW 1986, 28. Pfeiffer in WLP, § 305 Rz. 26; Roloff in Erman, § 305 Rz. 12. Pfeiffer in WLP, § 305 Rz. 27. BGH v. 2.11.1983 – IVa ZR 86/82, NJW 1984, 360. Vgl. BGH v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, NJW 2010, 1131; Roloff in HWK, § 305 BGB Rz. 5; Habersack in UBH, § 305 Rz. 29; Roloff in Erman, § 315 Rz. 12; unentschieden: Deinert in DBD, § 305 Rz. 21.
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§ 305 | Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag tragsfreiheit nicht durch eine ausufernde Auslegung des Anwendungsbereichs des § 305 BGB eingeschränkt werden darf. 35 Da Arbeitnehmer als Verbraucher i.S.d. § 310 Abs. 3 BGB angesehen werden
(siehe § 310 Rz. 14 ff.), gelten AGB in Arbeitsverträgen gem. § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB als vom Arbeitgeber gestellt (dieser ist damit Verwender), wenn dieser Unternehmer i.S.d. § 14 BGB ist und die AGB nicht durch den Arbeitnehmer in den Vertrag eingeführt worden sind. Mit dieser gesetzlichen Fiktion wird dem Arbeitgeber der Einwand abgeschnitten, die vorformulierten Vertragsbedingungen seien nicht auf seine Veranlassung Vertragsinhalt geworden. Das betrifft in der Praxis die überwiegende Anzahl von Fällen. Ausgenommen sind Arbeitsverträge in Privathaushalten, da der Arbeitgeber hier nicht Unternehmer i.S.d. § 14 BGB ist, sowie Verträge mit arbeitnehmerähnlichen Personen, da diese nicht Verbraucher i.S.d. § 310 Abs. 3 BGB sind.1
36 Da § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB nur das Tatbestandsmerkmal des „Stellens“ fingiert,
müssen die übrigen Tatbestandsmerkmale des § 305 Abs. 1 BGB vorliegen und die Ausnahmevorschrift des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB darf nicht eingreifen. Der Arbeitgeber kann also bestreiten, dass der andere keine Einflussmöglichkeit gehabt haben will und einwenden, dass der Vertrag insgesamt oder Teile davon gem. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB im Einzelnen ausgehandelt worden sind.2 Dazu muss er konkret darlegen, welche Klauseln er auf welche Weise für den anderen erkennbar zur Disposition gestellt hat und aus welchen Umständen geschlossen werden kann, der andere habe die Klauseln freiwillig akzeptiert.3 Die Darlegungsund Beweislast für das Eingreifen der Fiktion hingegen trifft den Arbeitnehmer.4 Dabei ist zu berücksichtigen, dass über § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB zu seinen Gunsten auch die nur zur einmaligen Verwendung vorformulierten Vertragsbedingungen (Einzelvertrag) der AGB-Kontrolle unterworfen werden. Für den Einwand des Einführens der AGB durch den Arbeitnehmer ist der Arbeitgeber beweispflichtig.5 Gelingt der Nachweis, ist zunächst nur die gesetzliche Fiktion aufgehoben; theoretisch steht dem Arbeitnehmer dann noch der Nachweis offen, dass trotz des u.U. rein formalen Einführens durch ihn, die AGB tatsächlich ganz oder in Teilen vom Arbeitgeber gestellt worden sind. Dies wird in der Praxis eher selten der Fall sein. Denkbar ist aber, dass der Arbeitnehmer einen bekanntermaßen vom Arbeitgeber verwandten Mustervertrag oder im Unternehmen übliche Allgemeine Arbeitsbedingungen im vorauseilenden Gehorsam in die Verhandlungen einführt.
1 Deinert in DBD, § 305 Rz. 17; Roloff in HWK, § 305 BGB Rz. 9. 2 Pfeiffer in WLP, § 305 Rz. 30. 3 BAG v. 10.5.2016 – 9 AZR 434/15, juris; BAG v. 24.2.2016 – 7 AZR 253/14, NZA 2016, 814; BAG v. 7.10.2015 – 7 AZR 945/13, NZA 2016, 441; BAG v. 10.12.2014 – 7 AZR 1009/ 12, NZA 2015, 811; BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939; BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 173/08, DB 2010, 170; BAG v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08, NZA-RR 2009, 519. 4 Pfeiffer in WLP, § 305 Rz. 30. 5 Pfeiffer in WLP, § 305 Rz. 30.
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II. Gesetzliche Definition (Abs. 1) | § 305
Wollen ausnahmsweise sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer die glei- 37 chen AGB verwenden, stellt sich die Frage nach dem Eintreten der gesetzlichen Fiktion gem. § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB. Auch wenn Derartiges in der Praxis für Arbeitsverträge selten sein dürfte,1 sind durchaus Konstellationen denkbar, in denen etwa der Arbeitgeber eine kollektivrechtliche Verpflichtung umsetzen will/muss und der Arbeitnehmer für sich günstige Konditionen in Anspruch nehmen will (bspw. einen im Rahmen eines Interessenausgleichs/Sozialplans ausgehandelten hochdotierten Aufhebungsvertrag, weil er einen neuen Arbeitsplatz gefunden hat). Richtigerweise wird man dann den Eintritt der Fiktion verneinen müssen, weil zumindest auch der Arbeitnehmer die Vertragsbedingungen eingeführt hat.2 Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB grundsätzlich ein vom Unternehmer unbeeinflusstes Einführen durch den Verbraucher voraussetzt, was man im Regelfall nicht annehmen könne.3 Die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts zur Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen würde auf diese Weise durch eine nicht belegbare allgemeine Unterstellung ersetzt. In der vorbeschriebenen Konstellation ist die Annahme keineswegs abwegig, dass der Arbeitnehmer sogar ein besonders hohes Interesse daran haben kann, die für ihn günstigen Konditionen nicht selber aushandeln zu müssen. Er ist hinreichend dadurch geschützt, dass der Nichteintritt der Fiktion ihm gleichwohl den Nachweis offenlässt, es sei doch der Arbeitgeber gewesen, der die Bedingungen i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB gestellt habe. Die Vertragsbedingungen müssen vom Verwender bei Abschluss des Vertrages 38 gestellt werden. Damit ist für den Zeitpunkt der Beurteilung, wer die Bedingungen gestellt hat, jeweils der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem sie Vertragsinhalt wurden. Das kann der Zeitpunkt sein, zu dem der erste Vertrag zwischen den Parteien geschlossen wird, aber auch jeder nachfolgende Zeitpunkt, zu dem dieser Vertrag später – dann unter Einbeziehung der AGB – geändert oder ergänzt wird.4 Die Tatsache, dass ein Vertragspartner bei Abschluss des ersten Vertrages keine AGB stellt, sagt nichts über seine etwaige Verwenderstellung bei nachfolgenden Vertragsänderungen oder Vertragsergänzungen aus.
5. Unerhebliche Umstände (Satz 2) § 305 Abs. 1 Satz 2 BGB zählt verschiedene Umstände auf, die der Qualifikation 39 von Vertragsbedingungen als AGB im Sinn der Definition des Satz 1 nicht ent1 Deinert in DBD, § 305 Rz. 21. 2 A.A. Pfeiffer in WLP, § 305 Rz. 32; wohl auch Ulmer in UBH, § 310 Rz. 76; das BAG hat in einer ähnlichen Konstellation ohne weitere Prüfung den Arbeitgeber als Verwender angenommen: BAG v. 19.3.2009 – 6 AZR 557/07, NZA 2009, 896. 3 So aber Pfeiffer in WLP, § 305 Rz. 32. 4 OLG Frankfurt a.M. v. 9.5.1985 – 6 U 93/84, NJW-RR 1986, 274; Roloff in Erman, § 315 Rz. 12; Pfeiffer in WLP, § 305 Rz. 34; Ulmer in UBH, § 305 Rz. 28.
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§ 305 | Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag gegenstehen. Damit unterstreicht der Gesetzgeber die grundlegende Bedeutung der AGB-Kontrolle, die nach Sinn und Zweck in erster Linie an materiellen Vorgaben und nicht an der äußerlichen Gestaltung anknüpft.1 40 Dies gilt insbesondere für die Gestaltung der Urkunden an sich. Sind Vertrags-
bedingungen als AGB zu qualifizieren, kommt es nicht darauf an, ob sie in einer Vertragsurkunde – ggf. mit anderen Klauseln – zusammengefasst, ob sie als gesonderte Anlage oder gesondertes Vertragswerk (zum Beispiel über eine Bezugnahme- oder Verweisungsklausel) in den Ausgangsvertrag eingebunden werden.2 Letzteres ist in Arbeitsverträgen weit verbreitet bspw. die Verweisung auf Dienstwagenrichtlinien, Regelwerke zur betrieblichen Altersversorgung, Arbeitsordnungen oder Compliance-Regelungen (Code of Conduct, Regeln betr. Insiderhandel etc.) sowie die Einbeziehung von separat abzugebenden Verpflichtungserklärungen zum Datenschutz.
41 Es ist ebenfalls unerheblich für die Qualifikation als AGB, welchen Umfang die
Vertragsbedingungen haben. So kann der gesamte Vertragstext den Charakter von AGB haben (reiner Mustervertrag), denkbar ist aber auch, dass nur einzelne Klauseln oder nur in Bezug genommene Anlagen oder Regelwerke als AGB zu qualifizieren sind, während der Rest der Vereinbarung, weil individuell ausgehandelt, nicht der AGB-Kontrolle unterfällt,3 oder umgekehrt, ein Individualvertrag nur eine AGB-Klausel enthält.4
42 Der heute etwas altmodisch anmutende Hinweis auf die fehlende Relevanz der
Schriftart ist zutreffenderweise dahin zu verstehen, dass es keine Rolle spielt, auf welche Weise die schriftliche Fixierung zustande kommt (handschriftlich, maschinenschriftlich, gedruckt, fotografiert) und in welchem Umfang hierfür moderne Speichermedien Verwendung finden.5 Der danach in Satz 2 genannte Umstand der Form bezieht sich dann zwar auf den Vertrag als solchen. Daraus kann aber mit der ganz herrschenden Meinung kein Umkehrschluss abgeleitet werden, dass AGB i.S.d. Satz 1 unbeschadet der Schriftart jedenfalls schriftlich fixiert sein müssen. Der Hinweis auf die Irrelevanz der Form des Vertrages impliziert, dass auch mündliche Bedingungen – auch in mündlichen Verträgen – AGB sein können. Deshalb können Bedingungen auch dann AGB sein, wenn sie niemals schriftlich fixiert worden sind.6 Dies entspricht der zutreffenden ständi1 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 145; Ulmer in UBH, § 305 Rz. 33. 2 Deinert in DBD, § 305 BGB Rz. 28; Roloff in Erman, § 315 BGB Rz. 16; Basedow in MünchKommBGB, § 305 Rz. 30. 3 Deinert in DBD, § 305 Rz. 29; Roloff in Erman, § 315 Rz. 16; Pfeiffer in WLP, § 305 Rz. 19, 20. 4 Basedow in MünchKommBGB, § 305 Rz. 30; Roloff in Erman, § 315 Rz. 16; Pfeiffer in WLP, § 305 Rz. 19, 20. 5 Deinert in DBD, § 305 Rz. 30; Basedow in MünchKommBGB, § 305 Rz. 32. 6 BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, NZA 2012, 908; BAG v. 27.8.2008 – 5 AZR 820/07, NZA 2009, 49; Roloff in Erman, § 315 Rz. 16; Pfeiffer in WLP, § 305 Rz. 21; Preis in ErfK,
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II. Gesetzliche Definition (Abs. 1) | § 305
gen Rechtsprechung des BGH,1 der mit Blick auf den Schutzzweck des AGBG diesen Umkehrschluss schon für den vormaligen § 1 Abs. 1 Satz 2 AGBG ablehnte. Unabhängig davon, ob man den Zweck der AGB-Kontrolle vor allem im Schutz des Verbrauchers oder darin sieht, ein strukturelles Machtungleichgewicht oder eine situative Informationsasymmetrie auszugleichen (siehe Einf. Rz. 30 ff.), kann es für das Eingreifen der AGB-Kontrolle keinen Unterschied machen, ob die AGB schriftlich fixiert gestellt werden, auswendig gelernt und nachfolgend erst in den Vertragstext aufgenommen oder einfach nur mündlich vereinbart werden. Deshalb kann auch der nur am Telefon abgeschlossene Vertrag AGB enthalten.2 Die Diskussion darüber, ob AGB einer schriftlichen Fixierung bedürfen (was 43 nicht der Fall ist, s.o.), wird häufig nicht präzise geführt, wenn der Rechtsprechung vorgeworfen wird, die Qualifizierung auswendig gelernter Formulierungen als AGB sei Zeichen einer von der Rechtsprechung gegen den Willen des Gesetzgebers ausufernd betriebenen Inhaltskontrolle.3 § 305 Abs. 1 Satz 2 BGB dokumentiert gerade den Willen des Gesetzgebers, die Qualifizierung einer Vertragsbedingung als AGB unabhängig von ihrer Form anhand nur materieller Kriterien vorzunehmen. Ob und welche Kontrolle im Anschluss folgt, ist eine davon zu trennende Frage. Entscheidend ist, dass eine Vertragsbedingung, die materiell als AGB zu qualifizieren ist, dies auch bleibt, unabhängig davon, ob sie mündlich oder schriftlich vereinbart wurde, und unabhängig davon, ob sie vor ihrer Vereinbarung jemals (ggf. an anderer Stelle) schriftlich fixiert war oder nur auswendig „aus dem Kopf“ repetiert wurde. Bei genauer Betrachtung hat § 305 Abs. 1 Satz 2 BGB nur klarstellende Funktion. Bei Streichung ergäbe sich die entsprechende Wertung aus Satz 1.4
6. Individuell ausgehandelte Vertragsbedingungen (Satz 3) Vertragsbedingungen, die individuell ausgehandelt wurden, sind keine AGB. 44 Hier hat die Privatautonomie funktioniert, beide Seiten haben ihre rechtsgeschäftliche Gestaltungsmacht wahrgenommen und ausgeübt. Deshalb besteht keine Notwendigkeit einer staatlichen Kontrolle. Im Ergebnis ist eine solcher-
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§§ 305–310 BGB Rz. 22; Ulmer in UBH, § 305 Rz. 36; Jacobs in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, § 305 BGB Rz. 20; Deinert in DBD, § 305 Rz. 31. BGH v. 12.6.2001 – IX ZR 274/00, NJW 2001, 2635 (telefonisch geschlossener Vertrag); BGH v. 10.3.1999 – VIII ZR 204/98, BGHZ 141, 108 (im Kopf gespeicherte Ergänzung); BGH v. 30.9.1987 – IVa ZR 6/86, NJW 1988, 410 (auswendig gelernte Klausel). BGH v. 12.6.2001 – IX ZR 274/00, NJW 2001, 2635. So wohl Wolfsteiner, DNotZ 1987, 691 in seiner Kritik zu OLG Karlsruhe v. 30.4.1986 – 13 U 52/85, DNotZ 1987, 688. Stoffels, AGB-Recht Rz. 145; Grüneberg in Palandt, § 305 Rz. 14; Deinert in DBD, § 305 Rz. 27.
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§ 305 | Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag maßen ausgehandelte Klausel materiell nichts anderes als eine Individualabrede i.S.d. § 305b BGB.1 Im Rahmen des § 305 Abs. 1 BGB dient die Prüfung, ob eine Vertragsbedingung ausgehandelt wurde, der Feststellung des Vorliegens von AGB. Es findet also eine negative Abgrenzung statt. Was zwischen den Vertragspartnern individuell ausgehandelt wurde, kann nicht (mehr) AGB sein. Auch eine Klausel, die ursprünglich als vorformulierte AGB von einer Seite gestellt wurde, ändert, nachdem sie ausgehandelt wurde, ihren Charakter.2 Aus der ursprünglichen AGB wird nach dem Aushandeln eine Individualabrede, die keiner gesonderten Kontrolle mehr durch den Staat bedarf. § 305b BGB hingegen setzt voraus, dass es AGB gibt, und dass eine Individualabrede mit diesen AGB konkurriert, weil sie inhaltlich den gleichen Regelungsbereich tangiert. Es liegen also zwei Vertragsbedingungen vor, die inhaltlich miteinander konkurrieren. Die Auflösung dieser Konkurrenz erfolgt über § 305b BGB.3 45 Diese Abgrenzung findet sich auch in § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB, wenn dort für das
Eingreifen der AGB-Kontrolle vorausgesetzt wird, dass der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf die Vertragsbedingungen keinen Einfluss nehmen konnte. Diese Voraussetzung entspricht § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB.4 Ursprünglich von einer Seite vorformulierte Bedingungen, die einzeln (mit welchem Endergebnis auch immer) ausgehandelt worden sind, unterliegen keiner Kontrolle, wenn und soweit der andere Vertragsteil auf ihren Inhalt Einfluss nehmen konnte.5
46 Wann aber ist eine Vertragsbedingung „ausgehandelt“? Nach herrschender
Lehre wie auch übereinstimmender Rechtsprechung von BGH und BAG6 kann von einem Aushandeln in diesem Sinne nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen „gesetzesfremden Kerngehalt“, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen „ernsthaft zur Disposition stellt“ und dem Vertragspartner „Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt“ mit zumindest der „realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen“. Er muss sich deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären. Da 1 Deinert in DBD, § 305b Rz. 3; Jacobs in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, § 305b Rz. 2. 2 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 147. 3 BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, NZA 2008, 1233; Bieder, SAE 2007, 379. 4 BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939; BAG v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08, NZA-RR 2009, 519; BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 24. 5 Vgl. BAG v. 2.9.2009 – 7 AZR 233/08, DB 2009, 2439; BAG v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08, NZA-RR 2009, 519. 6 BAG v. 10.5.2016 – 9 AZR 434/15, juris; BAG v. 12.12.2013 – 8 AZR 892/12, NZA 2014, 905; BAG v. 11.12.2013 – 10 AZR 286/13, NZA 2014, 433; im Übrigen siehe Nachweise bei Stoffels, AGB-Recht, Rz. 148.
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II. Gesetzliche Definition (Abs. 1) | § 305
sich eine solche Bereitschaft in der Regel auch in erkennbaren Änderungen des vorformulierten Textes niederschlage, könne allenfalls unter besonderen Umständen ein Vertrag auch dann als Ergebnis eines „Aushandelns“ gewertet werden, wenn es schließlich nach gründlicher Erörterung bei dem gestellten Entwurf verbleibe.1 Der Dritte Zivilsenat des BGH verlangt darüber hinaus, dass bei einem nicht ganz leicht verständlichen Text Voraussetzung für ein Aushandeln sei, dass der Verwender die andere Vertragspartei „über den Inhalt und die Tragweite“ der Vereinbarung im Einzelnen „belehrt“ haben muss, und dass der andere Vertragsteil den vorformulierten Inhalt „in seinen rechtsgeschäftlichen Gestaltungswillen aufgenommen haben müsse“.2 Betrachtet wird bei all dem nicht das verhandelte Vertragswerk insgesamt, sondern jede Klausel isoliert für sich. Angesichts dieser Vorgaben wird zu Recht darauf hingewiesen, dass es gerade 47 bei Arbeitsverträgen zu schwierigen Problemen in der Abgrenzung zwischen AGB und Individualabreden kommen könne, die der Gesetzgeber zwar gesehen, deren Lösung er aber bewusst auf die Rechtsprechung abgeladen habe.3 Tatsächlich ist fraglich, ob es überhaupt möglich ist, trotz der Einführung von AGB die Aushandlung individueller Abreden darzulegen. Führt nicht der tatsächliche Ablauf einer Verhandlung angesichts der vorzitierten Maßstäbe automatisch zur Feststellung, dass einmal eingeführte Vertragsbedingungen nicht ausgehandelt sind, ja gar nicht sein können? Wie verhandelt man seine Position inhaltlich ernsthaft, wenn man rechtlich gezwungen ist, sie mindestens ebenso „ernsthaft“ zur Disposition zu stellen? Wie also kann der Verwender darlegen und ggf. sogar beweisen, dass es ein sol- 48 ches Aushandeln, gleich mit welchem Ergebnis gegeben hat? Die bisherige Rechtsprechung und Literatur beschreibt dies u.a. mit der Formel, der Verwender müsse sich ernsthaft zu der vom Vertragspartner gewünschten Änderung bereit erklären.4 Wenn dies gilt, bedeutet es im Ergebnis Folgendes: Der Verwender darf zwar ein Angebot in Form von AGB unterbreiten, muss dann aber auf jedweden Änderungswunsch eingehen, um sich nicht dem Einwand aus1 BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939; BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 173/08, DB 2010, 170; BAG v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08, NZA-RR 2009, 519; BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, NZA 2006, 138; BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; BGH v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 104; BGH v. 3.4.1998 – V ZR 6/97, NJW 1998, 2600. 2 BGH v. 19.5.2005 – III ZR 437/04, NJW 2005, 2543; zu Recht kritisch Gottschalk, NJW 2005, 2493; dem BGH wohl folgend Roloff in HWK, § 305 Rz. 6; Roloff in Erman, § 305 Rz. 18; ebenso Pfeiffer in WLP, § 305 Rz. 37. 3 Basedow in MünchKommBGB, § 305 Rz. 37 m.w.N. 4 BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939; BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 173/08, DB 2010, 170; BAG v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08, NZA-RR 2009, 519; BAG v. 18.1.2006 – 7 AZR 191/05, NZA 2007, 351; BGH v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, NJW 2010, 1131; BGH v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 104; BGH v. 3.4.1998 – V ZR 6/97, NJW 1998, 2600.
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§ 305 | Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag zusetzen, es sei eben doch nur ver- nicht aber ausgehandelt worden. Das kann nicht richtig sein, denn dann wäre das Aushandeln faktisch ersetzt durch einen Kontraktionszwang für das Gegenangebot. Das hätte mit Vertragsgerechtigkeit so wenig zu tun, wie umgekehrt die Notwendigkeit zur Annahme des Erstangebots. 49 Andere Formulierungen lauten: der Partner müsse reale Möglichkeiten haben,
die inhaltliche Ausgestaltung der AGB zu beeinflussen oder noch weitergehender, er müsse die letztendlich akzeptierte Klausel in seinen rechtsgeschäftlichen Gestaltungswillen aufgenommen haben.1 So wohlklingend die Formulierungen sind, wie soll ein Gericht entsprechende Feststellungen treffen, vor allem auf Basis welcher Sachverhalte bzw. Tatsachen. Der die Vertragsbedingungen angreifende Kläger wird sicher nicht vortragen, dass er es ursprünglich genauso gewollt habe, und der Vortrag des Verwenders, er habe jede Möglichkeit eingeräumt, dass die Ausgestaltung der AGB im Rahmen der Verhandlung inhaltlich vom anderen beeinflusst werden konnten, reicht nach herrschender Meinung nicht aus.2 Letztlich werden innere Tatsachen und Motivationslagen vorausgesetzt, die einer gerichtlichen Feststellung jedenfalls in der Regel nicht zugänglich sind.
50 So nachvollziehbar die bisher verwendeten Formeln in ihrem theoretischen An-
satz sind, so sehr negieren sie auch die tatsächlichen Abläufe einer Verhandlung. Die Vorstellung, dass bei – auch nur grundsätzlich – gleicher „Mächtigkeit“ der Vertragsparteien sich automatisch ein Zustand von Vertragsgerechtigkeit, im Sinn einer ausgewogenen Interessenabwägung für jede einzelne Klausel einstellt, entspricht einem abstrakten Ideal, aber nicht dem Wesen einer realen Vertragsverhandlung. Der interessengerechte und deshalb faire Kompromiss liegt hier in der Summe der Gesamtregelungen, die einmal den Interessen des einen, einmal den Interessen des anderen Partners den Vorrang einräumen. Darin genau zeigt sich eine weitere Schwäche der bisherigen Prüfungsmaßstäbe.3 Der Gesamtzusammenhang einer Verhandlung spielt keine Rolle, weil nicht geprüft wird, ob ein Vertrag ausgehandelt wurde, sondern ob die einzelne Klausel, ja unter Umständen nur eine Teilregelung derselben, das Ergebnis eines Aushandelns an sich war.4 Welcher Kläger wird vortragen, dass er die Ausschlussklausel nicht verhandelt hat, weil sie ihn angesichts der on top ausgehandelten Privatnutzung des Dienstwagens und der verbesserten variablen Vergütung schlicht nicht interessierte. Geht man die Klauseln eines Arbeitsvertrages durch, gibt es jenseits der finanziellen Zusagen sicher wenige Regelungen, die ein Arbeitnehmer akzeptiert, weil er von der „sachlichen Notwendigkeit überzeugt“5 ist. Realisti1 BGH v. 19.5.2005 – III ZR 437/04, NJW 2005, 2543. 2 BGH v. 19.5.2005 – III ZR 437/04, NJW 2005, 2543; vgl. auch Basedow in MünchKommBGB, § 305 Rz. 39 ff. 3 Siehe auch die treffsichere Kritik bei Zöllner, ZfA 2010, 637 (643). 4 Exemplarisch BAG v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08, NZA-RR 2009, 519 m.w.N. 5 Nicht weniger als das verlangt die Rechtsprechung z.B.: BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/ 09, NZA 2010, 939; BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, BAGE 115, 19.
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II. Gesetzliche Definition (Abs. 1) | § 305
scherweise wird er als Ergebnis eines Aushandelns eine aus seiner Sicht nicht sachlich notwendige Klausel dann akzeptieren, wenn er deren Folgen für sich persönlich nicht als negativ ansieht oder dafür an anderer Stelle eine für ihn ausreichende Kompensation erhält. Da die bisherigen Prüfungsmaßstäbe tatsächlichen Verhandlungsverläufen nur 51 begrenzt gerecht werden, müssen die Maßstäbe zumindest für das Arbeitsrecht überprüft werden. Auch wenn man zu Recht bezweifeln kann, ob Privatautonomie sich vornehmlich in ausgehandelten Klauseln widerspiegelt,1 muss die gesetzliche Vorgabe auch für Arbeitsverträge sinnvoll umgesetzt werden.2 Die Abgrenzung der AGB von der ausgehandelten Individualabrede ist hierbei die grundlegende „Weichenstellung“.3 Setzt man beim Wortlaut des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB an, kommt es tatsächlich auf die Unterscheidung von Verhandeln und Aushandeln an. Der Unterschied besteht darin, dass einmal „nur“ miteinander gesprochen, nämlich verhandelt wird, während das Aushandeln ein Ergebnis liefert, das in Abwägung der Interessen regelmäßig ein Kompromiss sein wird. Im Ergebnis legt Satz 3 fest, dass AGB nicht vorliegen, soweit die Vertragsbedingungen im Einzelnen ausgehandelt sind. Daraus folgt nicht, dass jede einzelne Klausel für sich ausgehandelt sein muss. Natürlich können AGB nur aus einer einzelnen Klausel bestehen, AGB im gesetzlichen Sinn kann aber auch der Formularvertrag in seiner Gesamtheit sein. Entscheidend für die Prüfung, was ausgehandelt wurde, ist, was Gegenstand des „Stellens“ ist. Im ersteren Fall (Stellen nur einer Einzelklausel) wird nur die Aushandlung der einen Klausel geprüft, im zweiten Fall (Stellen eines gesamten Vertragswerks) kommt es darauf an, ob über den Vertrag mit all seinen Bedingungen als einem einheitlichen Angebot verhandelt, und er im Ergebnis dann auch ausgehandelt worden ist. Das lässt sich auch mit der Formulierung in § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB vereinbaren. Kontrollfähig sind danach Bedingungen, soweit der Verbraucher „auf Grund der Vorformulierung“ auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. Denkbar ist, wenn auch rein tatsächlich eher selten, dass nach einer Verhand- 52 lung ein ausgehandeltes Ergebnis vorliegt, das dem ursprünglichen Angebot entspricht. Wird vom Verwender vorformuliert und bleibt es bei dieser Formulierung, hatte der andere schon ausweislich des Ergebnisses keinen Einfluss. Ausgehandelt i.S.d. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB kann ein Vertrag nur sein, wenn die ursprüngliche Formulierung auch – und sei es noch so geringfügig – verändert wurde. Da das Gesetz von Aushandeln spricht, reicht das bloße Verhandeln eines Angebots eben nicht aus. Bleibt es beim ursprünglichen Angebot, dann ist nichts ausgehandelt worden, weil die Verhandlung der einen Seite erfolglos war. 1 Zu Recht ablehnend Zöllner, ZfA 2010, 637 (643 f.). 2 Zur verfassungsrechtlichen Vorgabe siehe BVerfG v. 23.11.2006 – 1 BvR 1909/06, NJW 2007, 286; BVerfG v. 25.10.2004 – 1 BvR 1437/02, NJW 2005, 1036; BVerfG v. 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469. 3 Graf von Westphalen, BB 2011, 195.
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§ 305 | Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag Zumindest für den Arbeitsvertrag wird man davon ausgehen können, dass ein völliger Gleichlauf der Interessen nicht vorliegen kann, weshalb die Möglichkeit, dass nach tatsächlich intensiver ernsthafter Verhandlung in der Sache keine einzige Änderung im Vertragstext vorgenommen wird, eine rein theoretische und damit im Interesse der Rechtssicherheit zu vernachlässigende Variante ist. Bezüglich der Vorgaben von § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB kann nichts anderes gelten. Gibt es keine Veränderung im vorformulierten Angebot, kann jenseits noch so intensiver Verhandlungen der andere keinen Einfluss gehabt haben. Selbst wenn er, was aus oben dargelegten Gründen eher gekünstelt erscheint, zu besserer Erkenntnis gelangt wäre, hätte er vielleicht dazugelernt, aber weder erfolgreich etwas ausgehandelt noch auf die Vertragsbedingungen Einfluss genommen. Da eine solchermaßen unterstellte „bessere Erkenntnis“ aber auch theoretisch nur im Einklang mit seinen Interessen denkbar ist, müsste sich dann spätestens auf der Ebene der Inhalts- bzw. Transparenzkontrolle die Wirksamkeit der Regelung erweisen. In der ersten Stufe ist also abweichend von der herrschenden Meinung1 dem Wortlaut folgend für das Vorliegen einer „ausgehandelten“ bzw. vom Verbraucher „beeinflussten“ Regelung nur zu verlangen, dass im vorformulierten gestellten Regelwerk (nicht aber in jeder einzelnen Klausel) Änderungen nach Verhandlung erfolgten. Dabei muss es sich um inhaltlich nicht unerhebliche Änderungen handeln. Sind an einzelnen, sei es nur an einer der eingeführten Klauseln derartige Änderungen vorgenommen worden, die aus den Verhandlungen resultieren, so spricht der erste Anschein dafür, dass der andere Vertragspartner Einfluss nehmen konnte, bzw. ein insgesamt ausgehandeltes Ergebnis vorliegt. 53 Die Vertragsbedingungen müssen zwischen den Vertragspartnern ausgehan-
delt werden. Es reicht nicht aus, wenn im Vertrag auf Bedingungen Bezug genommen wird, die Dritte ausgehandelt haben. Dies gilt im Arbeitsrecht vor allem für die Bezugnahme auf kollektivrechtliche Regelungen wie etwa einen Interessenausgleich,2 Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge. Im Rahmen des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB geht es nicht um die Frage, inwieweit eine Regelung ausgewogen sein kann, das ist Gegenstand der ggf. weitergehenden Inhaltskontrolle, sondern allein darum, ob die konkrete Regelung von den vertragsschließenden Parteien ausgehandelt wurde, und deshalb keiner weitergehenden Kontrolle mehr unterliegt. Werden von Dritten ausgehandelte Regelwerke vertraglich in Bezug genommen, so kommt es allein auf die Frage an, ob die Bezugnahmeklausel ausgehandelt wurde. Ist dies der Fall, dann gilt dies auch für den Gegenstand der Bezugnahme; wenn nicht, dann unterliegt auch das in Bezug genommene Regelwerk der Kontrolle.
1 Vgl. dazu die umfassenden Nachweise bei Graf von Westphalen, BB 2011, 195. 2 BAG v. 19.3.2009 – 6 AZR 557/07, NZA 2009, 896; BAG v. 25.4.2007 – 6 AZR 622/06, BAGE 122, 197.
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II. Gesetzliche Definition (Abs. 1) | § 305
7. Darlegungs- und Beweislast Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von AGB liegt nach herr- 54 schender Meinung bei dem, der sich auf den Schutz der §§ 305 ff. BGB beruft,1 das ist im Arbeitsrecht in der Regel der Arbeitnehmer. Dieser muss also darlegen und beweisen, dass der Arbeitgeber vorformulierte Vertragsbedingungen i.S.d. § 305 BGB gestellt hat. Nach herrschender Meinung soll bereits die äußere Gestaltung den Beweis des 55 ersten Anscheins auslösen, dass es sich bei den Vertragsbedingungen um AGB handelt, wenn diese „aller Lebenserfahrung nach“ zur mehrfachen Verwendung entworfen und von einem professionellen Marktteilnehmer gestellt worden sind.2 Die Kriterien im Einzelfall sind schwer verifizierbar. So soll sowohl die äußere Form (Computerausdruck) als auch der Inhalt, Indizwirkung haben. In einer Zeit, in der schon Schüler selbstverständlich auf Textvorlagen aller Art im Internet zugreifen und diese ebenso selbstverständlich mit „copy and paste“ für sich vereinnahmen, erscheint dies mehr als fraglich. Wenn man nicht zum Ergebnis gelangen will, dass alles AGB ist (bzw. jedenfalls für jeden Text der Beweis des ersten Anscheins gelten soll), weil jede Klausel und jeder Klauselteil schon einmal an anderer Stelle Verwendung gefunden hat, kann man heutzutage nicht mehr seriöser Weise erwarten, dass ein Vertragstext den kundigen Juristen mit ihm völlig unbekannten Formulierungen überrascht bzw. andernfalls AGB sein muss. Die Tatsache eines gedruckten Schriftbildes ist gleichermaßen aussagelos. Ein Anscheinsbeweis wird deshalb nur dann ausgelöst, wenn die Vertragsbedingungen nicht nur gedruckt vorliegen und formelhafte Wendungen enthalten, sondern darüber hinaus erkennbar keine Abstimmung auf eine individuelle Verhandlungssituation stattgefunden hat.3 Im Arbeitsrecht wird dies regelmäßig gleichwohl nicht zu weiteren Problemen 56 für den Arbeitnehmer führen, weil zu seinen Gunsten gem. § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB vermutet wird, dass der Arbeitgeber (der von wenigen Ausnahmen abgesehen Unternehmer ist) die Vertragsbedingungen gestellt hat. Gem. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB können sodann auch nur zur einmaligen Verwendung bestimmte vorformulierte Vertragsbedingungen der Kontrolle nach § 305c Abs. 2, §§ 306, 307–309 BGB unterworfen werden. Bei der weiterhin zu beweisenden Vorformulierung wird häufig der Beweis des ersten Anscheins greifen (siehe Rz. 55) 1 Basedow in MünchKommBGB, § 305 Rz. 45; Jacobs in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/ Udsching, § 305 BGB Rz. 34; Dörner in Hk-BGB, § 305 Rz. 21; Roloff in Erman, § 305 Rz. 58; Pfeiffer in WLP, § 305 Rz. 58; BGH v. 6.12.2002 – V ZR 220/02, NJW 2003, 1313; BGH v. 21.11.1995 – XI ZR 255/94, WM 1996, 56; BGH v. 14.5.1992 – VII ZR 204/90, NJW 1992, 2160. 2 BGH v. 24.11.2005 – VII ZR 87/04, WM 2006, 247; im Übrigen siehe Nachweise bei Stoffels, AGB-Recht, Rz. 150 und Deinert in DBD, § 305 BGB Rz. 32. 3 Ähnlich, aber nicht ganz so eng: BAG v. 18.3.2008 – 9 AZR 186/07, NZA 2008, 1004; BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, NZA 2006, 746.
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§ 305 | Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag III. Voraussetzungen der Einbeziehung von AGB (Abs. 2) 57 Nach der Systematik des § 305 BGB können AGB nur Vertragsbestandteil wer-
den, wenn sie entsprechend der Vorgaben von § 305 Abs. 2 und Abs. 3 BGB einbezogen wurden. Für Arbeitsverträge legt aber § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 BGB fest, dass diese Vorschriften keine Anwendung finden. Ausweislich der Gesetzesbegründung1 ging der Gesetzgeber davon aus, dass wegen des Nachweisgesetzes kein weiterer Regelungsbedarf besteht. Dies ist, wie in der Literatur zu Recht vielfach kritisiert,2 eine Fehleinschätzung, da das Nachweisgesetz den Arbeitgeber unstreitig gerade nicht verpflichtet, die schriftlich vereinbarten Arbeitsvertragsbedingungen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses auszuhändigen.
58 Die gesetzgeberische Fehleinschätzung ändert nichts am eindeutigen Normbe-
fehl. Eine analoge Anwendung der ausdrücklich für nicht anwendbar erklärten Vorschriften scheidet damit aus.3 Die Frage, ob AGB vertraglich vereinbart sind, entscheidet sich nach den üblichen vertragsrechtlichen Regeln. Die Vereinbarung kann mündlich oder schriftlich, ausdrücklich oder konkludent erfolgen. Ob die Bezugnahme hinreichend bestimmt oder für den Vertragspartner verständlich ist4, ist grundsätzlich keine Frage des Zustandekommens der Vereinbarung an sich, sondern ggf. der Transparenz- und/oder Inhaltskontrolle. Dabei ist aber zu beachten, dass eine Verweisungsklausel sich nur auf solche Regelungen erstrecken kann, deren Einbeziehung durch den Parteiwillen gedeckt ist.5 Zudem hat das BVerfG bereits früh darauf hingewiesen, dass bei der Auslegung von rechtsgeschäftlichen Verweisungen verfassungsrechtliche Grenzen zu beachten sind, weshalb derartige Klauseln nicht in einer Weise ausgedehnt werden dürfen, die für die Vertragsparteien im Zeitpunkt des Abschlusses keineswegs vorhersehbar war.6
IV. Rahmenvereinbarung (Abs. 3) 59 Gem. § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 BGB ist auch § 305 Abs. 3 BGB auf Arbeits-
verträge nicht anwendbar. Hier gilt gleiches, wie zum Ausschluss von § 305
1 BT-Drucks. 14/6857, S. 54. 2 Stoffels in WLP, Anh. zu § 310 Rz. 44; Deinert in DBD, § 305 Rz. 38; Annuß, BB 2002, 460; Richardi, NZA 2002, 1058; Diehn, NZA 2004, 129; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 307. 3 BAG v. 19.3.2014 – 5 AZR 252/12 (B), NZA 2014, 1076; BAG v. 14.11.2012 – 5 AZR 107/ 11, juris; BAG v. 26.9.2012 – 10 AZR 370/11, juris; BAG v. 29.8.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BAG v. 14.3.2007 – 5 AZR 630/06, NZA 2008, 45; Deinert in DBD, § 305 Rz. 40; Stoffels in WLP, Anh. zu § 310 Rz. 44; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 26; Lakies, AGB im Arbeitsrecht, Rz. 212; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 307. 4 BAG v. 19.3.2014 – 5 AZR 252/12 (B), NZA 2014, 1076. 5 Bayreuther in FS Kreutz (2010), S. 29 ff. (32). 6 BVerfG v. 23.4.1986 – 2 BvR 487/80, NJW 1987, 827.
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IV. Rahmenvereinbarung (Abs. 3) | § 305
Abs. 2 bereits angemerkt. Der Normbefehl ist eindeutig. Unabhängig davon aber ist ein eigenständiger Anwendungsbereich für das Arbeitsrecht nicht ersichtlich. Die Rechtsprechung differenziert bei sog. Rahmenverträgen zu Recht danach, ob bereits mit dem Rahmenvertrag eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung begründet wird (nur dann liegt ein Arbeitsvertrag vor) oder nur allgemeine Bedingungen für später abzuschließende auf den Einsatz befristete Arbeitsverträge (klassisch: befristete Tagesaushilfen) vereinbart werden (dann liegt kein Arbeitsvertrag vor).1 Fehlt die Verpflichtung zur Arbeitsleistung, greifen die § 305 Abs. 2 und Abs. 3 BGB, weil es sich nicht um Arbeitsverträge handelt. Beinhaltet der Rahmenvertrag bereits die Verpflichtung zur Arbeitsleistung, unterfällt er wie jeder andere Arbeitsvertrag auch dem vorgegebenen Reglement der §§ 305 ff. BGB mit den in § 310 BGB vorgesehenen Besonderheiten.
1 BAG v. 16.4.2003 – 7 AZR 187/02 – DB 2003, 2391; BAG v. 31.7.2002 – 7 AZR 181/01 – DB 2003, 96; BAG v. 3.11.1999 – 7 AZR 683/98, n.v.
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§ 305a Einbeziehung in besonderen Fällen Auch ohne Einhaltung der in § 305 Abs. 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Erfordernisse werden einbezogen, wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist, 1. die mit Genehmigung der zuständigen Verkehrsbehörde oder auf Grund von internationalen Übereinkommen erlassenen Tarife und Ausführungsbestimmungen der Eisenbahnen und die nach Maßgabe des Personenbeförderungsgesetzes genehmigten Beförderungsbedingungen der Straßenbahnen, Obusse und Kraftfahrzeuge im Linienverkehr in den Beförderungsvertrag, 2. die im Amtsblatt der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen veröffentlichten und in den Geschäftsstellen des Verwenders bereitgehaltenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen a) in Beförderungsverträge, die außerhalb von Geschäftsräumen durch den Einwurf von Postsendungen in Briefkästen abgeschlossen werden, b) in Verträge über Telekommunikations-, Informations- und andere Dienstleistungen, die unmittelbar durch Einsatz von Fernkommunikationsmitteln und während der Erbringung einer Telekommunikationsdienstleistung in einem Mal erbracht werden, wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der anderen Vertragspartei nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten vor dem Vertragsschluss zugänglich gemacht werden können. Nicht kommentiert.
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§ 305b Vorrang der Individualabrede Individuelle Vertragsabreden haben Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen. I. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . II. 1. 2. 3.
Individualabrede . . . . . . . . . . Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirksame Individualabrede . . Sonderfall: Betriebliche Übung
. . . .
III. Abweichung der Individualabrede von AGB . . . . . . . . . . .
_ __ __ _ 5
5 5 6 11 13
IV. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verdrängung der konkurrierenden AGB-Klausel . . . . . . . . . . . 2. Schriftformklauseln . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . b) Maßgebliches Prüfprogramm V. Beweislast für Individualvereinbarung . . . . . . . . . . . . . .
_ __ __ _ 16 16 18 18 20 24
I. Systematik § 305b BGB bringt einen allgemeinen Rechtsgrundsatz zum Ausdruck. Die indi- 1 viduell ausgehandelte Vereinbarung (die Individualabrede) geht den in Bezug genommenen generellen Bedingungen (AGB) vor. Damit wird ein allgemeiner Gedanke des Vertragsrechts1 manifestiert, wonach spezielle Abreden Vorrang haben vor generellen, allgemeinen Vertragsregelungen.2 Gleichzeitig sind Vertragsbedingungen, die individuell ausgehandelt wurden, keine AGB. Hier hat die Privatautonomie funktioniert, beide Seiten haben ihre rechtsgeschäftliche Gestaltungsmacht wahrgenommen und ausgeübt. Deshalb besteht keine Notwendigkeit einer staatlichen Kontrolle. Im Ergebnis ist eine Individualabrede i.S.d. § 305b BGB materiell nichts anderes als eine ausgehandelte Klausel i.S.d. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB.3 Systematisch besteht der Unterschied im Ausgangspunkt der jeweiligen Prüfung. 2 Im Rahmen des § 305 Abs. 1 BGB dient die Prüfung, ob eine Vertragsbedingung ausgehandelt wurde, der Feststellung des Vorliegens von AGB. Es findet also eine negative Abgrenzung statt. Was zwischen den Vertragspartnern individuell ausgehandelt wurde, kann nicht AGB sein. § 305b hingegen setzt voraus, dass es AGB gibt und dass eine Individualabrede mit diesen AGB konkurriert, weil sie inhaltlich den gleichen Regelungsbereich tangiert. Es liegen also zwei Vertragsbedingungen vor, die inhaltlich miteinander konkurrieren. § 305b BGB ordnet als Konkurrenzregel ein funktionelles Rangverhältnis an, das diese Konkur1 So schon BAG v. 30.11.1994 – 5 AZR 702/93, NZA 1995, 695; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 344; Basedow in MünchKommBGB, § 305b Rz. 1; Däubler in DBD, § 305b Rz. 1; Ulmer/Schäfer in UBH, § 305b Rz. 1, 7. 2 Ulmer/Schäfer in UBH, § 305b Rz. 1; Deinert in DBD, § 310 Rz. 18. 3 BGH v. 28.7.2015 – IX ZR 434/14, NJW 2015, 3025; Deinert in DBD, § 305b Rz. 3; Grüneberg in Palandt, § 305b Rz. 2; Roloff in Erman, § 305b Rz. 4.
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§ 305b | Vorrang der Individualabrede renz zu Gunsten der Individualabrede auflöst;1 die AGB tritt zurück, ohne unwirksam zu sein. § 305b ist keine Auslegungsregel, weil eine Konkurrenz nur vorliegen kann, wenn ein etwaiger Widerspruch auch im Wege der Auslegung beider Vertragsbedingungen nicht aufgelöst werden konnte.2 3 Voraussetzung für die Anwendung von § 305b BGB ist, dass es wirksam ein-
bezogene AGB gibt, die einer Individualabrede entgegenstehen können. Wurde die AGB bereits nicht wirksam einbezogen oder scheitert sie an Inhalts- oder Transparenzkontrolle, kann keine Konkurrenzsituation entstehen.3 Deshalb ist § 305b BGB nicht AGB-Einbeziehungsvoraussetzung.4
4 Im Arbeitsrecht ist zu beachten, dass sich die Verweisung in § 310 Abs. 3 Nr. 2
BGB für vorformulierte Einmalbedingungen in Verbraucherverträgen nicht auf § 305b BGB erstreckt. Nach zutreffender Auffassung führt dies aber nicht dazu, dass Individualabreden diesen gegenüber kein Vorrang zukommt, da der allgemein geltende Grundsatz des Vorrangs individueller Vertragsregelungen auch ohne Verweisung Anwendung findet5 (siehe § 310 Rz. 35). Wenn man dem nicht folgen will, wäre § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB richtlinienkonform ergänzend so auszulegen, dass § 305b BGB Anwendung findet.6 Ob gem. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB aufgrund im Arbeitsrecht geltender Besonderheiten die Anwendbarkeit von § 305b BGB ausgeschlossen sein kann, wird streitig beurteilt,7 ist aber zumindest für die betriebliche Übung zu bejahen.
1 BAG v. 24.8.2016 – 5 AZR 129/16, NZA 2017, 58; BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, NZA 2008, 1233; BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 312/02, NJW 2006, 138; Ulmer/Schäfer in UBH, § 305b Rz. 1, 7; Berger in Prütting/Wegen/Weinreich, § 305b Rz. 1; SchulteNölke in Hk-BGB, § 305b Rz. 2; Bieder, SAE 2007, 379; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 344; Lakies, AGB im Arbeitsrecht, Rz. 107. 2 So zu Recht: Basedow in MünchKommBGB, § 305b Rz. 2; wohl auch Roloff in Erman, § 305b Rz. 1; a.A.: Ulmer/Schäfer in UBH, § 305b Rz. 8; Schulte-Nölke in Hk-BGB, § 305b Rz. 1. 3 Ulmer/Schäfer in UBH, § 305b Rz. 2, 8; Roloff in Erman, § 305b Rz. 2; Hromadka, DB 2004, 1261; Leder/Scheuermann, NZA 2008, 1222. 4 A.A.: Lindacher/Hau in WLP, § 305b Rz. 2 (Einbeziehungsvoraussetzung der Individualabredeverträglichkeit); Stoffels, AGB-Recht, Rz. 346; Roloff in HWK, § 305b BGB Rz. 1. 5 BAG v. 24.8.2016 – 5 AZR 129/16, NZA 2017, 58; LAG Rheinland-Pfalz v. 19.10.2016 – 4 Sa 573/15, juris; Ulmer/Schäfer in UBH, § 305b Rz. 3c. 6 Offenlassend: Ulmer/Schäfer in UBH, § 305b Rz. 3c; a.A.: Roloff in Erman, § 305b Rz. 3. 7 Dagegen: Basedow in MünchKommBGB, § 305b Rz. 5; Richardi, NZA 2002, 1057; Roloff, NZA 2004, 1191; dafür: BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, NZA 2008, 1233; Hromadka, DB 2004, 1261.
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II. Individualabrede | § 305b
II. Individualabrede 1. Begriff Die negative Abgrenzung lautet: Die Individualabrede kann nicht AGB sein. Ent- 5 gegen teilweise vertretener Auffassung1 kann sie aber äußerlich durchaus den Tatbestand einer AGB i.S.d. § 305 BGB erfüllen. Wird sie gleichwohl ausgehandelt (§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB), wird die vormalige AGB aber zur Individualabrede.2 Der Begriff der Individualabrede ist aber weiter als der des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB.3 Positiv formuliert ist die Individualabrede jede Vereinbarung der Parteien, die zwischen ihnen – sei es ausdrücklich oder konkludent, schriftlich oder mündlich – vor, bei oder nach Vertragsschluss ausgehandelt wurde.4
2. Wirksame Individualabrede Nur wirksame Klauseln können kollidieren. Sowohl die AGB-Klausel als auch 6 die Individualabrede muss wirksam vereinbart sein.5 Dabei spielt es keine Rolle, ob die Vertragspartner von bestehenden AGB abweichen wollten, zu wessen Gunsten die Abweichung wirkt, oder ob ihnen überhaupt bewusst war, dass zu dem Regelungsgegenstand AGB existieren.6 Es ist auch denkbar, dass die Vertragsparteien ein objektiv vom Sinngehalt der AGB-Klausel abweichendes gemeinsames Verständnis haben, das durch schlüssiges Handeln dokumentiert wird (z.B. unter Zugrundelegung der Versorgungsordnung objektiv fehlerhafte, nach beiderseitigem Parteiverständnis aber zutreffende bzw. gewollte Rentenberechnung). In einem solchen Fall kann eine – konkludent geschlossene – Individualabrede vorliegen, die den AGB und einem abweichenden objektiven Auslegungsergebnis derselben vorgeht.7 Das setzt aber voraus, dass vom Gericht 1 Lindacher/Hau in WLP, § 305b BGB Rz. 6, wonach vorformulierte Vereinbarungen nicht Individualabrede i.S.d. § 305b sein können. 2 Roloff in Erman, § 305b Rz. 4. 3 Roloff in Erman, § 305b Rz. 4. 4 BGH v. 28.7.2015 – XI ZR 434/14, NJW 2015, 3025; Lindacher/Hau in WLP, § 305b Rz. 5; Roloff in Erman, § 305b Rz. 4; Basedow in MünchKommBGB, § 305b Rz. 5; a.A.: Däubler in DBD, § 305b Rz. 4, der auch nicht ausgehandelte Vereinbarungen als Individualabreden ansieht. 5 Ulmer/Schäfer in UBH, § 305b Rz. 11; Basedow in MünchKommBGB, § 305b Rz. 5; Roloff in Erman, § 305b Rz. 5; Berger in Prütting/Wegen/Weinreich, § 305b Rz. 2, 3; wohl auch Schulte-Nölke in Hk-BGB, § 305b Rz. 3; Hromadka DB 2004, 1261. 6 BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, NZA 2008, 1233; BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 312/02, NJW 2006, 138; Basedow in MünchKommBGB, § 305b Rz. 5; Ulmer/Schäfer in UBH, § 305b Rz. 12. 7 BAG v. 26.1.2017 – 2 AZR 513/15, juris; BAG v. 22.9.2016 – 2 AZR 509/15, NZA 2016, 1461; BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, NZA-RR 2010, 457; BAG v. 19.3.2009 – 6 AZR
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§ 305b | Vorrang der Individualabrede eine solche konkludent geschlossene Individualabrede tatsächlich festgestellt wird, weil § 305b BGB eine Konkurrenzregel und kein Auslegungsgrundsatz ist (siehe Rz. 2). 7 Aus dieser Voraussetzung der Wirksamkeitsnotwendigkeit ergibt sich ein Sonder-
problem wechselbezüglicher Rechtswirksamkeitsprüfungen, insbesondere mit Blick auf gewillkürte Formvorschriften. Da auch die Individualabrede wirksam vereinbart sein muss, damit sie gemäß § 305b BGB in Konkurrenz treten kann, wäre eine – unterstellt wirksam vereinbarte – Schriftformklausel geeignet, die Wirksamkeit einer nachfolgenden – nur mündlich vereinbarten – Individualabrede zu verhindern. Hier ergeben sich gesonderte Fragen in der Abgrenzung zwischen individuell ausgehandelter Schriftformklausel und solchen, die AGB sind.
8 Ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang ist die Frage der Reichweite ei-
ner erteilten Vertretungsmacht, wenn bspw. auf Arbeitgeberseite (was regelmäßig der Fall ist) ein Vertreter handelte und der Arbeitnehmer eine dem Formulararbeitsvertrag vorgehende Individualabrede behauptet. Hier gelten die allgemeinen Grundsätze des Vertretungsrechts. Die Reichweite einer Prokura ist gesetzlich definiert. Anders als im allgemeinen Zivilrecht spielt § 54 HGB für die Bewertung einer Vertretungssituation im Arbeitsverhältnis keine besondere Rolle, weshalb ein Großteil der daran anknüpfenden Rechtsprechung nicht auf das Arbeitsrecht übertragen werden kann. Stattdessen muss den Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses im Tatsächlichen auch bei Anwendung des Vertretungsrechts, wie auch der Grundsätze zur Anscheins- und Duldungsvollmacht Rechnung getragen werden.
9 Wird auf Arbeitgeberseite ein (in dieser Funktion bekannt gemachter) Personal-
leiter tätig, ist davon auszugehen, dass er als zur Einstellung von Personal Berechtigter1 in dieser Funktion auch bevollmächtigt ist, sämtliche Bedingungen eines Arbeitsvertrages mit dem Arbeitnehmer rechtswirksam zu vereinbaren. Soweit er dem Arbeitnehmer im maßgeblichen Zeitpunkt nicht in entsprechender Weise bekannt gemacht war, folgt dies jedenfalls aus den Grundsätzen der Anscheins- bzw. Duldungsvollmacht, wenn er in dieser Funktion auftritt. Für einfache Personalsachbearbeiter oder juristische Mitarbeiter der Personalabteilung gelten diese Grundsätze ebenfalls. Es kommt dann aber im Einzelfall darauf an, ob der Arbeitnehmer in Anwendung dieser Grundsätze aufgrund der konkreten Situation von einem wirksamen Vertreterhandeln ausgehen durfte, und der Arbeitgeber sich dies zurechnen lassen muss.
10 Sowohl bei der Vollmacht „qua Funktion“ (Personalleiter) als auch für das Ver-
hindern eines zurechenbaren „Anscheins“ oder einer „Duldung“ können sich Hinweise auf den Umfang der Vertretungsmacht sowohl aus den Begleitumstän557/07, NZA 2009, 896; BAG v. 24.9.2008 – 6 AZR 76/07, NZA 2009, 154; BGH v. 14.6. 2006 – IV ZR 54/05, VersR 2006, 1246; BGH v. 9.3.1995 – III ZR 55/94, NJW 1995, 1494. 1 St. Rspr. siehe dazu nur BAG v. 14.4.2011 – 6 AZR 727/09, NZA 2011, 683 m.w.N.
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II. Individualabrede | § 305b
den der Verhandlungssituation als auch aus dem Vertrag selbst ergeben. Ein solcher Hinweis ist keine Vertragsbedingung, er beschreibt lediglich den Umfang der Vertretungsmacht bzw. deren Grenzen und ist daher ohne weiteres zulässig.1 Außer im Wege eines ausdrücklichen Hinweises kann die Beschränkung der Vollmacht des Vertreters aber auch auf anderem Wege dokumentiert werden, z.B. im Wege einer Schriftformklausel oder durch einen Bestätigungsvorbehalt, der die über den Vertragstext hinausgehenden Zusagen des Vertreters unter einen Genehmigungsvorbehalt stellt.2 In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die regelmäßig zu Massengeschäften (noch dazu häufig in Verbandsprozessen) ergangene Rechtsprechung des BGH zur Vertreterproblematik nur begrenzt auf das Arbeitsrecht übertragbar ist. Die Situation eines Kunden, der ein Elektrogerät bei einem bundesweit vertretenen Händler zur Reparatur bringt, ist bezüglich seiner Wahrnehmung der Befugnisse des die Reparatur annehmenden Mitarbeiters nicht vergleichbar mit der des Arbeitnehmers bei Unterzeichnung seines Arbeitsvertrages oder später anlässlich etwaiger mündlicher Versprechungen durch Vorgesetzte oder andere Mitarbeiter seines Arbeitgebers. Der Arbeitgeber darf in jeder Form auf die Beschränkung der erteilten Vollmacht hinweisen, dieser Hinweis muss nur als solcher für den Arbeitnehmer verständlich und erkennbar sein. Einer AGB-Kontrolle unterliegt dieser Hinweis nicht, weil es sich nicht um eine Vertragsbedingung handelt.
3. Sonderfall: Betriebliche Übung Die betriebliche Übung begründet zwar einen vertraglichen Anspruch, sie ent- 11 steht aber nicht im Wege bilateraler Verhandlung, sondern aufgrund tatsächlichen einseitigen Handelns des Arbeitgebers. Das BAG grenzt deshalb die betriebliche Übung als kollektivrechtliche Rechtsgrundlage, die einseitig gestellt und eben nicht individuell ausgehandelt sei, von der Individualabrede i.S.d. § 305b BGB ab,3 weshalb die Vorrangregelung für sie nicht gelte. Dem ist im Ergebnis4 mit der soweit ersichtlich herrschenden Meinung zuzustimmen.5 Unabhängig davon, wie die Entstehung der betrieblichen Übung dogmatisch begründet wird, sie führt stets zu einer Änderung des einzelnen Vertrages und ist Vertragsbedingung i.S.d. § 305 BGB (siehe Rz. 17 f.). Aus der „Natur“ der be1 Vgl. dazu BGH v. 14.7.1994 – VII ZR 186/93, BB 1994, 2169. 2 Vgl. dazu BGH v. 25.2.1982 – VII ZR 268/81, NJW 1982, 1389; Grüneberg in Palandt, § 305b Rz. 5; Schulte-Nölke in Hk-BGB, § 305b Rz. 5; kritisch Basedow in MünchKommBGB, § 305b Rz. 14. 3 BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, NZA 2008, 1233; BAG v. 24.6.2003 – 9 AZR 302/02, NZA 2003, 1145. 4 Das Erfordernis eines kollektiven Tatbestands wird nämlich keineswegs durchgängig zum Entstehen einer betrieblichen Übung konsequent vorausgesetzt, bzw. geprüft, vgl. auch Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, II S 40 Rz. 15. 5 A.A.: Lakies AGB im Arbeitsrecht, Rz. 120; wohl auch Roloff, NZA 2004, 1191.
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§ 305b | Vorrang der Individualabrede trieblichen Übung folgt, dass gerade kein Aushandeln i.S.d. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB stattfindet. Allein das rein tatsächliche einseitige Handeln des Arbeitgebers löst das Entstehen des vertraglichen Anspruchs aus. Diese Vertragsbedingung ist – darauf kommt es für die Entstehung der betrieblichen Übung nicht an – nicht im Rechtssinne gewollt (dem Arbeitgeber fehlt regelmäßig sowohl der Geschäftswille als auch das Erklärungsbewusstsein) und damit auch nicht im Rechtssinne „gestellt“, muss aber, will man das Institut der betrieblichen Übung nicht an sich verneinen, dem gleichgestellt werden. Gleichwohl entspricht die betriebliche Übung als ein Rechtsinstitut, das aus einseitigem tatsächlichen Handeln abgeleitet wird, nicht dem, was mit Blick auf Sinn und Zweck des § 305b BGB Individualabrede im Sinn der Richtigkeitsgewähr einer ausgehandelten Vereinbarung sein kann.1 Sie ist keine Individualabrede im Sinn dieser Vorschrift.2 12 Im Übrigen ist die betriebliche Übung als (vor allem) im Arbeitsrecht geltende
Besonderheit i.S.d. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB anzusehen, die die Anwendbarkeit des § 305b BGB auf dieses Rechtsinstitut ausschließt. Der Arbeitgeber, dem sowohl Geschäftswillen als auch Erklärungsbewusstsein fehlen, wird vertraglich gebunden, ohne dass ihm bisher von der Rechtsprechung die Möglichkeiten des Vertragsrechts zugestanden werden, sich von dieser „Nichterklärung“, etwa durch Anfechtung zu lösen.3 Das hat mit der gleichberechtigten Ausübung beiderseitiger Gestaltungsmacht ebenso wenig zu tun wie mit dem Vorrang „echter“ individuell ausgehandelter Abreden gegenüber vorformuliert gestellten AGB. Erkennt man das Rechtsinstitut der betrieblichen Übung mit der Folge dadurch begründeter vertraglicher Ansprüche an, muss dies konsequent auch als Besonderheit des Arbeitsrechts in die AGB-Kontrolle einfließen. Auf diese Weise bedarf es auch keines Rückgriffs auf den ohnehin fraglichen kollektiven Bezug der Betriebsübung, um die Anwendung von § 305b BGB zu verneinen.
III. Abweichung der Individualabrede von AGB 13 Eine durch § 305b BGB aufzulösende Konkurrenzsituation liegt nur dann vor,
wenn beide Regelungen sich inhaltlich in einer Weise widersprechen, die die Beantwortung einer Frage nach den vertraglich geltenden Rechten oder Pflichten (bzw. deren Reichweite oder Durchsetzung) unmöglich macht, ohne dass einer der beiden Regelungen Vorrang vor der anderen eingeräumt wird4. Die Unterscheidung zwischen direktem oder indirektem Widerspruch ist daher wenig zielführend.5 Entscheidend ist, ob die beiden Regelungen jeweils für sich allein angewendet, zu einem unterschiedlichen Ergebnis führen.
1 2 3 4 5
So zu Recht: Hromadka, DB 2004, 1261. Ulmer/Schäfer in UBH, § 305b Rz. 10a; Lingemann/Gotham, NJW 2009, 268. Ausführlich dazu Schwarze, NZA 2012, 289; siehe auch Hromadka, DB 2004, 1261. BAG v. 24.8.2016 – 5 AZR 129/16, NZA 2017, 58. Basedow in MünchKommBGB, § 305b Rz. 6; Roloff in Erman, § 305b Rz. 6.
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IV. Rechtsfolge | § 305b
Für die Feststellung des Konkurrenzverhältnisses ist es unerheblich, welche Re- 14 gelung zu wessen Lasten ginge. Dies kann allenfalls Auswirkungen im Rahmen der zuvor durchzuführenden Prüfung haben, soweit es um die Frage der Rechtswirksamkeit der AGB-Klausel geht. Die Prüfung der Rechtswirksamkeit einer Regelung ist mit Blick auf ihren – ggf. im Wege der Auslegung zu gewinnenden – Regelungsinhalt durchzuführen. Auch dies findet also im Vorfeld statt, da eine Konkurrenz nur vorliegt, wenn die Regelungen auch nach beiderseitiger Auslegung nicht harmonieren. Typische Widersprüche bzw. Konkurrenzen können im Verlauf eines Arbeits- 15 verhältnisses bspw. dann auftreten, wenn abweichend von der im Arbeitsvertrag geregelten Gehaltshöhe bereits bei Vertragsschluss oder auch nachfolgend mündlich höhere Bezüge, Sonderleistungen anderer Art oder zusätzliche Sachleistungen zugesagt oder einfach ohne weitere Erklärung gewährt werden. Nicht selten lassen sich auch Arbeitnehmer auf neue, andere Arbeitsinhalte ein, ohne dass dazu ausdrückliche Vereinbarungen geschlossen werden.
IV. Rechtsfolge 1. Verdrängung der konkurrierenden AGB-Klausel Eine wirksame Individualabrede verdrängt die mit ihr konkurrierende wirksame 16 AGB-Klausel für die Dauer ihrer eigenen Wirksamkeit und im Umfang der bestehenden inhaltlichen Konkurrenz.1 Die AGB-Klausel bleibt wirksam.2 Endet die Individualabrede, kommt die bis dahin nur verdrängte AGB-Klausel wieder zur Anwendung.3 Der Rückgriff auf dispositives Gesetzesrecht kommt nur dann in Betracht, wenn der Individualabrede zu entnehmen ist, dass die konkurrierende AGB-Klausel bewusst und endgültig aufgehoben werden soll.4 Der Vorrang der Individualabrede greift unabhängig davon, zu wessen Gunsten 17 ihre Regelung wirkt.5 Neben § 305b BGB findet das Günstigkeitsprinzip keine Anwendung. 1 BAG v. 24.8.2016 – 5 AZR 129/16, NZA 2017, 58; Ulmer/Schäfer in UBH, § 305b Rz. 11a; Roloff in Erman, § 305b Rz. 5. 2 Ulmer/Schäfer in UBH, § 305b Rz. 11a; Roloff in Erman, § 305b Rz. 5; a.A.: Grüneberg in Palandt, § 305b Rz. 3, 4 (widersprechende Klauseln unwirksam); unklar auch SchulteNölke in Hk-BGB, § 305b Rz. 4. 3 Ulmer/Schäfer in UBH, § 305b Rz. 11a; Roloff in Erman, § 305b Rz. 5; unklar Lindacher/ Hau in WLP, § 305b Rz. 31. 4 Roloff in Erman, § 305b Rz. 5; unklar Lindacher/Hau in WLP, § 305b Rz. 31. 5 Vgl. BGH v. 9.3.1995 – III ZR 55/94, NJW 1995, 1494; Grüneberg in Palandt, § 305b Rz. 1; Berger in Prütting/Wegen/Weinreich, § 305b Rz. 1, 2; Lakies, AGB im Arbeitsrecht, Rz. 107.
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§ 305b | Vorrang der Individualabrede 2. Schriftformklauseln a) Allgemeines 18 Schriftformklauseln sind Ausdruck der Privatautonomie. Gerade in Dauer-
schuldverhältnissen kann es ein Bedürfnis der Parteien sein, auch nach längerer Zeit die für das Vertragsverhältnis geltenden Regelungen verlässlich nachvollziehen zu können.1 Das Argument, eine Schriftformklausel müsse immer abdingbar sein, weil die Vertragsparteien nicht für die Zukunft auf ihre Vertragsfreiheit verzichten könnten, greift zu kurz. Die Parteien, die sich für künftige Vertragsänderungen die Schriftform auferlegen, verzichten nicht für die Zukunft auf ihre Gestaltungsfreiheit, sondern gestalten ihr Vertragsverhältnis in Ausübung ihrer Privatautonomie, weil und indem sie sich bewusst für ein Element der Rechtssicherheit entscheiden. Die künftige Aufhebung einer solchen Klausel ist ja keineswegs ausgeschlossen, sie soll nur in ausdrücklich dokumentierter Weise erfolgen, um Streitigkeiten über das Bestehen und die Reichweite von Rechten und Pflichten nach Möglichkeit zu minimieren. Das ist nicht nur ein legitimes Bedürfnis, sondern entspricht der Schutzfunktion, die auch der Gesetzgeber bspw. der gesetzlichen Schriftform beimisst.2 Wenn also das, was der Gesetzgeber zum Schutz der Vertragspartner als geeignet ansieht, von den Parteien selbst vertraglich gewillkürt nachvollzogen wird, kann es nicht per se unrechtmäßig oder einseitig belastend sein. Damit sind Schriftformklauseln, sowohl einfache wie qualifizierte, als zulässiges Gestaltungsmittel der Vertragsparteien anzusehen.3 Ihre Unwirksamkeit kann sich jenseits allgemeiner Unwirksamkeitsgründe nur daraus ergeben, dass sie in ihrer konkreten Ausgestaltung gegen einschlägige gesetzliche Vorschriften verstoßen.
19 Eine Schriftformklausel kann nur dann mit einer Individualabrede unmittelbar
in Widerspruch stehen, wenn die Individualabrede formlos die Aufhebung der Klausel vorsieht. In allen anderen Fällen kann es nur darum gehen, ob die Schriftformklausel der Wirksamkeit einer – nur – mündlichen oder konkludenten Individualabrede entgegensteht, die ihrerseits mit einer anderen AGB konkurriert. Ist dies der Fall, entsteht kein Widerspruch, weil die Individualabrede unwirksam wäre. b) Maßgebliches Prüfprogramm
20 Mit Blick auf § 305b BGB ist also stets zu prüfen, ob eine vorliegende Schrift-
formklausel wirksam ist. Das dafür maßgebliche Prüfprogramm richtet sich (jenseits allgemeiner Unwirksamkeitsgründe) danach, ob die Schriftformklausel ihrerseits ausgehandelt bzw. Individualabrede ist oder als AGB vereinbart wurde.
1 Hromadka, DB 2004, 1261. 2 Siehe dazu Sutschet, RdA 2009, 386. 3 Lingemann/Gotham, NJW 2009, 268.
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IV. Rechtsfolge | § 305b
Bei einer individuell ausgehandelten Schriftformklausel kommt eine Unwirk- 21 samkeit regelmäßig nicht in Betracht.1 Die Unwirksamkeit kann auch nicht aus einem „Verstoß“ gegen § 305b BGB abgeleitet werden.2 Diese Vorschrift ist kein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB, sondern „ordnet“ lediglich das Konkurrenzverhältnis zweier wirksamer Regelungen. Abgesehen davon ist § 305b BGB auf eine etwaige Konkurrenz zweier Individualabreden nicht anwendbar. Anders stellt sich die Rechtslage dar, wenn die Schriftformklausel AGB ist. 22 Zum einen unterliegt sie den besonderen Kontrollvorgaben der §§ 305 ff. BGB, insbesondere § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Zum anderen aber stellt sich die Frage, ob es mit Sinn und Zweck des § 305b vereinbar ist, wenn eine AGB Wirksamkeitsvoraussetzungen für die Geltung einer Individualabrede vorgeben könnte. Wenn § 305b BGB sicherstellen soll, dass die Individualabrede immer Vorrang vor allgemeinen AGB genießt, schließt dies denklogisch aus, dass eben diese im Rang nach der Gesetzeslogik zu verdrängenden AGB darüber entscheiden, ob eine sie verdrängende Regelung überhaupt zustande kommen kann. § 305b BGB ist keine Einschränkung auf schriftliche Abreden zu entnehmen, so dass eben auch die mündliche individuelle Abrede gesetzlichen Vorrang genießt. Die Argumentation, § 305b BGB sehe keine Form vor, verlange deshalb also nicht, dass eine Individualabrede mündlich abgeschlossen werden können müsse,3 kehrt die gesetzliche Vorgabe nahezu rabulistisch in ihr Gegenteil um. Wenn individuelle Abreden ohne Einschränkung Vorrang haben, dann selbstverständlich auch in jeglicher Form. Daraus folgt aber nicht, dass eine AGB, die Schriftform vorsieht, allein weil sie 23 eine Form verlangt, unwirksam ist,4 sondern nur, dass diese Formvorgabe gegenüber nachfolgenden Individualvereinbarungen nicht konstitutive Wirksamkeitsvoraussetzung sein kann. Ist die insofern formwidrige Individualvereinbarung nicht aus anderen Gründen rechtsunwirksam, setzt sie sich gegenüber inhaltlich konkurrierenden AGB gem. § 305b BGB durch und verdrängt diese, auch wenn die Schriftformklausel rechtswirksam ist.5 Ob eine Schriftform verlangende AGB der Inhaltskontrolle standhält, ist, wie das BAG6 zu Recht annimmt, im konkreten Fall auch unter Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten festzustellen. Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob der Verwender 1 Jedenfalls für Kaufleute (arg. § 350 HGB): BGH v. 2.6.1976 – VIII ZR 97/74, BGHZ 66, 378. 2 So aber für die doppelte AGB-Schriftformklausel Bauer, BB 2009, 1588. 3 Sutschet, RdA 2009, 386. 4 So zu Recht: BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, NZA 2008, 1233; BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 312/02, BGHZ 164, 133; Roloff in Erman, § 305b Rz. 10; a.A.: Grüneberg in Palandt, § 305b Rz. 5; Bauer, BB 2009, 1588. 5 BGH v. 25.1.2017 – XII ZR 69/16, NJW 2017, 1017; BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 312/02, BGHZ 164, 133; wohl auch Ulmer/Schäfer in UBH, § 305b Rz. 29 ff., 33. 6 BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, NZA 2008, 1233.
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§ 305b | Vorrang der Individualabrede durch die konkrete Formulierung seinen Vertragspartner täuscht, bzw. die Klausel geeignet ist, diesen von der Wahrnehmung seiner Rechte abzuhalten.1
V. Beweislast für Individualvereinbarung 24 Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer wirksamen Individual-
abrede i.S.d. § 305b BGB trägt die Partei, die sich darauf beruft.2 Insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze zur Darlegungs- und Beweislast, wobei zunächst von der Vollständigkeit einer vorliegenden, von beiden Seiten unterzeichneten Vertragsurkunde auszugehen ist.3
1 LAG Hamm v. 13.5.2016 – 16 Sa 1652/15, juris; LAG Schleswig-Holstein v. 23.5.2013 – 5 Sa 375/12, juris; BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, NZA 2008, 1233. 2 Ulmer/Schäfer in UBH, § 305b Rz. 46 ff.; Schulte-Nölke in Hk-BGB, § 305b Rz. 6; Roloff in Erman, § 305b Rz. 15. 3 Ulmer/Schäfer in UBH, § 305b Rz. 46 ff.; Roloff in Erman, § 305b Rz. 15.
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§ 305c Überraschende und mehrdeutige Klauseln (1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil. (2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders. I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausschluss überraschender Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . a) Objektiv ungewöhnlich . . . . . b) Subjektiv überraschend . . . . . 4. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . 5. Darlegungs- und Beweislast . . . . 6. Einzelne Klauseln . . . . . . . . . . . (1) Altersgrenze . . . . . . . . . . . (2) Altersteilzeitvereinbarungen (3) Änderungsvereinbarungen . (4) Arbeitszeitkontingente . . . (5) Ärztliches Attest . . . . . . . . (6) Ausschlussfristen . . . . . . . (7) Beendigungsvereinbarungen (8) Befristungen . . . . . . . . . . . (9) Bezugnahmeklauseln . . . . . (10) Bürgschaften . . . . . . . . . . (11) Datenverarbeitung . . . . . . (12) Jeweiligkeitsklauseln . . . . . (13) Kopplungsklauseln . . . . . . (14) Kündigungsfristen . . . . . . (15) Kurzarbeitsklauseln . . . . . . (16) Nebentätigkeitsklauseln . . . (17) Negatives Schuldanerkenntnis, Ausgleichsquittung, Verzichtserklärung . . . . . . (18) Probezeit . . . . . . . . . . . . . (19) Rückzahlungsklauseln . . . . (20) Selbstbehalt . . . . . . . . . . . (21) Überstundenabgeltung . . . (22) Versetzungsklauseln . . . . . (23) Vertragsstrafen . . . . . . . . . (24) Vertraulichkeitspflicht . . . .
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III. 1. 2. 3.
4.
5. 6.
(25) Wettbewerbsverbote . . . . . (26) Widerrufs-, Änderungsund Anrechnungsvorbehalte (27) Zielvereinbarungen . . . . . . Auslegung mehrdeutiger Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . Voraussetzungen . . . . . . . . . . . a) Auslegung von AGB . . . . . . . aa) Grundsatz objektiver Auslegung . . . . . . . . . . . bb) Ergänzende Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . cc) Restriktionsprinzip . . . . b) Kein eindeutiges Auslegungsergebnis . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . a) Arbeitnehmerfreundlichste versus arbeitnehmerfeindlichste Auslegung . . . . . . . . . b) Abstrakter oder konkreter Günstigkeitsvergleich . . . . . . c) Keine Anwendung bei Bezugnahmeklauseln . . . . . . . . . . . d) Kein Schutz des Verwenders . Darlegungs- und Beweislast . . . . Einzelne Klauseln . . . . . . . . . . . (1) Arbeit auf Abruf . . . . . . . . (2) Arbeitgeberdarlehen . . . . . (3) Ausschlussfristen . . . . . . . (4) Befristung . . . . . . . . . . . . (5) Betriebsvereinbarungsoffenheit von Arbeitsverträgen . (6) Bezugnahmeklauseln . . . . . (7) Freiwilligkeitsvorbehalt . . . (8) Geschäftsführervertrag . . .
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_ __ __ __ _ _ __ __ _ _ __ __ __ __ __ __ 49 50 51 52 52 53 54 55 55 60 61 63 66 66 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 83 84
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§ 305c | Überraschende und mehrdeutige Klauseln (9) Klageverzicht . . . . . . . . (10) Nettolohnvereinbarung . (11) Probearbeitsverhältnis versus Probezeit . . . . . . (12) Rückzahlungsklauseln . . (13) Urlaub und Urlaubsgeld (14) Vertragsstrafen . . . . . . .
.. .. . . . .
. . . .
__ __ __ 85 86 87 88 89 90
(15) Wettbewerbsverbot . . . . . . (16) Widerrufsrecht . . . . . . . . . (17) Widerrufs-, Änderungsund Anrechnungsvorbehalte (18) Zielvereinbarungen/ Punktaufstiegsprämie . . . .
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I. Einführung 1 § 305c BGB enthält zwei verschiedene Regelungen: § 305c Abs. 1 BGB be-
stimmt, dass überraschende Klauseln nicht Bestandteil eines Formularvertrages werden, und begründet damit eine negative Einbeziehungsvoraussetzung. § 305c Abs. 2 BGB stellt einen besonderen Auslegungsgrundsatz für AGB auf, der besagt, dass etwaige Unklarheiten bei der Auslegung einer AGB-Klausel zu Lasten des Verwenders gehen. Beide Regelungen waren schon im AGBG wortgleich enthalten, und zwar in § 3 AGBG (Überraschende Klauseln) bzw. § 5 AGBG (Unklarheitenregel), und sind im Kontext von Artikel 5 der Richtlinie 93/13/ EWG des Rates vom 5.4.1993 zu sehen.
2 Schon vor der Ausdehnung der AGB-Regelungen auf das Arbeitsrecht haben die
Arbeitsgerichte aus allgemeinen Erwägungen ähnliche Prinzipien angewandt, auch wenn eine analoge Anwendung der §§ 3, 5 AGBG sowie des AGBG insgesamt von den Arbeitsgerichten abgelehnt wurde.1 Überraschungsklauseln in Arbeitsverträgen wurden daher auch schon vor der Ausdehnung der AGB-Regelungen auf das Arbeitsrecht nicht Bestandteil eines Formulararbeitsvertrages,2 wobei der Prüfungsmaßstab derselbe war wie heute im Rahmen des § 305c Abs. 1 BGB.3 Ebenso haben die Arbeitsgerichte schon früher Unklarheiten bei der Auslegung von formularmäßig vereinbarten Arbeitsverträgen und Aufhebungsverträgen zu Lasten des Arbeitgebers ausgelegt.4 Auch insofern hat sich keine Änderung des Prüfungsmaßstabs ergeben.5 1 BAG v. 13.12.2000 – 10 AZR 168/00, NZA 2001, 723 (724) sowie BAG v. 6.8.2003 – 7 AZR 9/03, NZA 2004, 96 (97); anders die damals überwiegende Literatur, die sich für eine analoge Anwendung der §§ 3, 5 AGBG auf vom Arbeitgeber vorformulierte Arbeitsverträge und allgemeine Arbeitsbedingungen aussprach, vgl. die umfassenden Literaturnachweise in BAG v. 29.11.1995 – 5 AZR 447/94, NZA 1996, 702 (703). 2 Vgl. z.B. BAG v. 29.11.1995 – 5 AZR 447/94, NZA 1996, 702 sowie BAG v. 13.12.2000 – 10 AZR 168/00, NZA 2001, 723 (724), jeweils zu vertraglichen Ausschlussfristen sowie BAG v. 23.9.2003 – 3 AZR 551/02, AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 93 zu dem Vorbehalt einer Reduzierung der Finanzierung der betrieblichen Altersversorgung; Gotthardt, ZIP 2002, 277 (280). 3 BAG v. 13.7.2005 – 10 AZR 532/04, AP HGB § 74 Nr. 78; Lingemann, NZA 2002, 181 (186). 4 Vgl. z.B. BAG v. 18.9.1991 – 5 AZR 650/90, NZA 1992, 215 (217) zu einer unklaren Vertragsstrafeabrede; BAG v. 16.10.1991 – 5 AZR 35/91, NZA 1992, 793 (794) zu einer un-
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II. Ausschluss überraschender Klauseln | § 305c
II. Ausschluss überraschender Klauseln 1. Zweck Zweck der negativen Einbeziehungsvoraussetzung des § 305c Abs. 1 BGB ist es, 3 den Kunden vor der Einbeziehung von überraschenden Klauseln, mit denen er nicht rechnet, zu schützen. § 305c Abs. 1 BGB stellt damit eine besondere Ausprägung des allgemeinen Transparenzgebots dar, das in Artikel 5 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 angelegt ist und seine wesentliche Ausprägung in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB erfahren hat.1
2. Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich des § 305c Abs. 1 BGB erstreckt sich im Arbeitsrecht 4 grundsätzlich auf sämtliche vom Arbeitgeber für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer stellt. Der Ausschluss überraschender Klauseln ist also bei für eine Vielzahl von Fällen vorformulierten Arbeitsverträgen, Zusatzvereinbarungen und Nebenabreden zu Arbeitsverträgen, allgemeinen Arbeitsbedingungen, Bonusplänen, Aufhebungsvereinbarungen und weiteren Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer relevant. Dabei kann auch eine Bestimmung, in der eine der Hauptleistungspflichten des Vertrages geregelt ist, eine überraschende Klausel i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB sein.2 Aufgrund der Einstufung von Arbeitnehmern als Verbraucher i.S.d. § 13 BGB durch das BAG3 gilt zudem gem. § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB die Vermutung, dass die vorformulierten Vertragsbedingungen vom Arbeitgeber gestellt worden sind, wenn sie nicht durch den Arbeitnehmer eingeführt wurden. § 305c Abs. 1 BGB wird jedoch nicht von § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB erfasst, so dass 5 die Unklarheitenregel keine Anwendung findet, wenn es um Einmalbedingun-
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1 2 3
klaren Zinsabrede bei einem Arbeitgeberdarlehen; BAG v. 5.9.1995 – 9 AZR 718/93, NZA 1996, 700 (701) zur unklaren Formulierung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots; ArbG Hanau v. 26.9.1996 – 3 Ca 90/96, NZA-RR 1997, 332 (334) zu einer unklaren Erledigungsklausel in einem Aufhebungsvertrag. BAG v. 17.1.2006 – 9 AZR 41/05, NZA 2006, 923 (926); im Ergebnis auch BAG v. 20.1. 2010 – 10 AZR 914/08, NZA 2010, 445 (446); vgl. auch Richardi, NZA 2002, 1057 (1059) unter Hinweis auf den römischrechtlichen Auslegungsgrundsatz ambiguitas contra stipulatorem. Vgl. Roloff in Erman, § 305c Rz. 4; Ulmer/Schäfer in UBH, § 305c Rz. 2. Ulmer/Schäfer in UBH, § 305c Rz. 14a. BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111 (1115 f.); BAG v. 18.3.2008 – 9 AZR 186/07, NZA 2008, 1004 (1006); BAG v. 24.2.2016 – 7 AZR 253/14, NZA 2016, 814 (816); BAG v. 25.4.2018 – 7 AZR 520/16, NZA 2018, 1061 (1062 f.).
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§ 305c | Überraschende und mehrdeutige Klauseln gen in Verträgen mit Arbeitnehmern geht, also Bedingungen, die zwar vom Arbeitgeber vorformuliert sind, aber nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind. Die gegenteilige Ansicht verkennt die klare gesetzgeberische Wertung und lässt sich auch nicht mit einer richtlinienkonformen Auslegung begründen.1 6 Ausgenommen von der Anwendung des § 305c Abs. 1 BGB sind gem. § 310
Abs. 4 Satz 1 BGB Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Diese Einschränkung gilt auch für den Inhalt derartiger Kollektivvereinbarungen, die durch eine formularmäßig verwendete Bezugnahmeklausel zum Gegenstand der individualvertraglichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geworden sind.2 Die Bezugnahmeklausel selbst ist jedoch dahingehend zu überprüfen, ob es sich um eine Überraschungsklausel handelt, vgl. Rz. 30 ff., 36.
3. Voraussetzungen 7 Die allgemeinen Voraussetzungen des § 305c Abs. 1 BGB gelten im Arbeitsrecht
in demselben Umfang wie im allgemeinen Zivilrecht. Arbeitsrechtliche Besonderheiten i.S.d. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB, die bei der Anwendung des § 305c Abs. 1 BGB zu berücksichtigen wären, bestehen nicht.3 Klauseln in Formulararbeitsverträgen sind daher als überraschende Klausel gem. § 305c Abs. 1 BGB zu werten, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Die Klausel muss zum einen objektiv ungewöhnlich und zum anderen subjektiv überraschend sein. Dabei handelt es sich um zwei voneinander unabhängig zu prüfende Voraussetzungen, die allerdings in der Praxis häufig nicht sauber voneinander getrennt, sondern miteinander vermischt werden. Insbesondere aufgrund der unterschiedlichen Prüfungsmaßstäbe – zunächst ist objektiv zu ermitteln, ob die Klausel generell ungewöhnlich ist, und sodann ist subjektiv zu prüfen, ob auch der Verwender in dem jeweiligen Einzelfall überrascht worden ist – sind jedoch beide Voraussetzungen zwingend getrennt zu prüfen. Allein der Umstand, dass ein Arbeitnehmer über den Inhalt einer bestimmten Regelung eines Formulararbeitsvertrages subjektiv überrascht ist, genügt nicht, um die Voraussetzungen des § 305c Abs. 1 BGB zu erfüllen, wenn die Klausel objektiv gesehen nicht ungewöhnlich ist. Andersherum erfüllt eine objektiv überraschende Klausel nicht den Tatbestand des § 305c Abs. 1 BGB, wenn sie dem konkreten Vertragspartner des Verwenders bekannt ist. 1 A.A. Däubler in DBD, § 305c Rz. 5; Krause in Staudinger, Anh. zu § 310 Rz. 155; ausdrücklich offengelassen von BAG v. 9.12.2015 – 7 AZR 68/14, NZA 2016, 695 (696). 2 So für in Bezug genommene Tarifregelungen ausdrücklich BAG v. 8.8.2007 – 7 AZR 605/06, AP TzBfG § 21 Nr. 4. 3 Däubler in DBD, § 305c BGB Rz. 6; Gotthardt, ZIP 2002, 277 (280); Roloff in HWK, § 305c BGB Rz. 1; vgl. auch Reinecke, DB 2002, 583 (584). Anders offenbar Diehn, NZA 2004, 129 (132).
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II. Ausschluss überraschender Klauseln | § 305c
a) Objektiv ungewöhnlich Erste Voraussetzung des § 305c Abs. 1 BGB ist, dass die Klausel objektiv unge- 8 wöhnlich ist. Objektiv ungewöhnlich kann eine Klausel unter verschiedenen Gesichtspunkten sein. Wichtigster Fall ist, dass eine Klausel aufgrund ihres Inhalts objektiv ungewöhnlich ist. Dies ist der Fall, wenn die Klausel aufgrund ihres Inhalts bezogen auf den jeweiligen Vertragstyp von der Normalität abweicht. Die Normalität orientiert sich vor allem am dispositiven Recht1 und der Anerkennung bestimmter Regelungen in der Rechtsprechung. Daneben ist für die Normalität auch zu berücksichtigen, was üblicherweise in Verträgen der jeweiligen Art vereinbart wird, und zwar insbesondere, wenn sich eine Art „Marktstandard“ für einen bestimmten Vertrags- oder Klauseltyp feststellen lässt. In diesem Zusammenhang können z.B. Statistiken oder wissenschaftliche Untersuchungen zur Verbreitung bestimmter Klauseltypen in Arbeitsverträgen von Bedeutung sein.2 Als Argument gegen die Ungewöhnlichkeit einer Klausel kann es sprechen, wenn der Arbeitgeber die Klausel nicht selbst formuliert hat, sondern die Klausel auf einem über den Fachhandel vertriebenen Musterarbeitsvertrag basiert.3 Schließlich kann es auch gegen die Ungewöhnlichkeit einer Klausel sprechen, wenn es zu derartigen Klauseln eine Vielzahl von Vorschlägen und Formulierungshilfen im arbeitsrechtlichen Schrifttum oder zahlreiche Gerichtsentscheidungen gibt.4 Verallgemeinernd lässt sich festhalten, dass eine Klausel um so eher als ungewöhnlich einzustufen ist, je weiter sie vom dispositiven Recht und dem Üblichen entfernt ist.5 Neben der inhaltlichen Ungewöhnlichkeit kann eine Klausel auch wegen ihres 9 ungewöhnlichen äußeren Zuschnitts oder ihrer Unterbringung an einer unerwarteten Stelle im Vertrag als objektiv ungewöhnlich einzustufen sein.6 Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn eine Regelung nicht unter der Überschrift im Vertrag getroffen wird, zu der sie sachlich gehören würde, oder wenn eine wesentliche Vertragsbestimmung nicht besonders hervorgehoben wird, obwohl andere, weniger wichtige Regelungen besonders hervorgehoben werden.7 Die 1 BAG v. 13.7.2005 – 10 AZR 532/04, AP HGB § 74 Nr. 78. 2 Vgl. z.B. BAG v. 27.4.2000 – 8 AZR 301/99, wo in der Urteilsbegründung eine Untersuchung zur Verbreitung von Vertragsstrafeklauseln in Arbeitsverträgen herangezogen wird. 3 LAG Niedersachen v. 18.3.2005 – 10 Sa 1990/04, NZA-RR 2005, 401 (403); a.A. Däubler in DBD, § 305c Rz. 10. 4 BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, NZA 2012, 908 (909). 5 BAG v. 13.7.2005 – 10 AZR 532/04, AP HGB § 74 Nr. 78; Däubler in DBD, § 305c Rz. 10. 6 BAG v. 15.2.2007 – 6 AZR 286/06, NZA 2007, 614 (616 f.); BAG v. 16.4.2008 – 7 AZR 132/07, NZA 2008, 876, 877; Roloff in HWK, § 305c BGB Rz. 2. 7 So z.B. BAG v. 9.5.2007 – 4 AZR 319/06, AP BGB § 305c Nr. 8, wo die Hervorhebung bestimmter Vertragsbestandteile durch Fettdruck als Argument dafür herangezogen wird, dass eine andere, nicht hervorgehobene Klausel als Überraschungsklausel anzusehen sein kann. Vgl. aber andererseits auch LAG Schleswig-Holstein v. 2.2.2005 – 3 Sa
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§ 305c | Überraschende und mehrdeutige Klauseln Ungewöhnlichkeit kann sich auch daraus ergeben, dass eine wichtige Klausel in den Anlagen zum Arbeitsvertrag „versteckt“ ist.1 10 Umstritten ist das Verhältnis zwischen der Ungewöhnlichkeit einer Klausel und
ihrer Unbilligkeit. Mit der ganz herrschenden Meinung ist davon auszugehen, dass es sich bei der Ungewöhnlichkeit einer Klausel einerseits und der Unbilligkeit einer Klausel andererseits um zwei im Ausgangspunkt getrennt zu beurteilende Gesichtspunkte handelt: Eine Klausel kann ungewöhnlich sein, ohne zugleich unbillig zu sein; andererseits ist nicht jede unbillige Klausel zugleich auch ungewöhnlich.2 Die Unbilligkeit einer Klausel ist jedoch insofern zu berücksichtigen, als es umso stärker für die Ungewöhnlichkeit einer Klausel spricht, je unbilliger sie ist. b) Subjektiv überraschend
11 Zweite Voraussetzung des § 305c Abs. 1 BGB ist, dass die Klausel für den Ver-
tragspartner des Verwenders subjektiv überraschend ist. Überraschend sind Vertragsklauseln, wenn sie so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht.3 Der Klausel muss ein „Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt“ innewohnen.4 Das Überraschungsmoment ist zunächst anhand eines generellen Maßstabs zu ermitteln, der jedoch von abweichenden konkreten Umständen des Einzelfalls überlagert werden kann.5 Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein deutlicher, vernünftigerweise nicht zu erwartender Widerspruch bestehen, was unter Heranziehung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu ermitteln ist.6 Maßgeblich für die Ermittlung des Widerspruchs sind insbesondere (i) der Grad der Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht und der für den Geschäftskreis üblichen Gestaltung, (ii) das äußere Erscheinungsbild des Vertrages sowie (iii) der Gang
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515/04, NZA-RR 2005, 351 (353), wonach es auch ein Argument gegen einen ungewöhnlichen äußeren Zuschnitt sein kann, wenn in dem ganzen Formulararbeitsvertrag keine Überschriften verwendet werden und keine Regelung besonders hervorgehoben wird, so dass der Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag in Gänze lesen muss. Hromadka, NJW 2002, 2523 (2526). BAG v. 15.2.2007 – 6 AZR 286/06, NZA 2007, 614 (616 f.); BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 722/06, NZA 2008, 219 (220); Roloff in Erman, § 305c Rz. 8; Roloff in HWK, § 305c BGB Rz. 3; Ulmer/Schäfer in UBH, § 305c Rz. 12; Lindacher//Hau in WLP, § 305c Rz. 6. BAG v. 13.7.2005 – 10 AZR 532/04, AP HGB § 74 Nr. 78; BAG v. 16.4.2008 – 7 AZR 132/07, NZA 2008, 876 (877). BAG v. 13.7.2005 – 10 AZR 532/04, AP HGB § 74 Nr. 78; aus der Zeit vor Inkrafttreten des § 305c Abs. 1 BGB bereits BAG v. 27.4.2000 – 8 AZR 301/99. Roloff in HWK, § 305c BGB Rz. 3; Ulmer/Schäfer in UBH, § 305c Rz. 13. BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 443/04, NZA 2006, 37 (38 f.); aus der Zeit vor Inkrafttreten des § 305c Abs. 1 BGB bereits BAG v. 29.11.1995 – 5 AZR 447/94, NZA 1996, 702.
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II. Ausschluss überraschender Klauseln | § 305c
und Inhalt der Vertragsverhandlungen.1 Allein der Umstand, dass der Arbeitsvertrag mit einem ausländischen Arbeitnehmer in deutscher Sprache verfasst ist, begründet keinen Überrumpelungseffekt.2 Bezüglich des ersten Kriteriums des Grads der Abweichung vom dispositiven 12 Gesetzesrecht und der für den Geschäftskreis üblichen Gestaltung ist davon auszugehen, dass das Überraschungsmoment umso eher zu bejahen ist, je belastender die Regelung für den Vertragspartner des Verwenders ist.3 Das zweite Kriterium des äußeren Erscheinungsbilds des Formularvertrages ist 13 von ganz wesentlicher Bedeutung für das subjektive Überraschungsmoment. Die Vertragsgestaltung bei Formulararbeitsverträgen kann dabei in zweierlei Hinsicht eine Rolle spielen: Einerseits können sich sowohl die objektive Ungewöhnlichkeit einer Klausel als auch ihr subjektiver Überraschungscharakter aus dem „Verstecken“ einer Klausel an einer ungewöhnlichen Stelle des Vertrages oder einer anderen ungewöhnlichen Vertragsgestaltung wie z.B. einem besonders kleinen, kaum leserlichen Druckbild für eine wichtige Klausel ergeben. Andererseits kann der Verwender durch eine gute Vertragsgestaltung dafür sorgen, dass eine Klausel nicht subjektiv überraschend ist und wirksam in den Formulararbeitsvertrag einbezogen werden kann, indem er sie drucktechnisch hervorhebt,4 z.B. durch Fettdruck, Unterstreichung, eine vergrößerte Schrift, einen anderen (auffälligen) Schrifttyp oder eine andere optische Hervorhebung. Auch eine eigenständige Überschrift, aus der der Inhalt der Klausel schlagwortartig hervorgeht, kann zur Hervorhebung genügen. Das dritte Kriterium des Gangs und Inhalts der Vertragsverhandlungen kann 14 für das Überraschungsmoment insbesondere insofern relevant sein, als der Verwender das subjektive Überraschungsmoment ausschließen kann, indem er seinen Vertragspartner besonders auf die Klausel hinweist.5 Darüber hinaus ist das subjektive Überraschungsmoment zu verneinen, wenn der Arbeitnehmer die konkrete Klausel und ihre Bedeutung von sich aus erkannt hat oder aus einem anderen Grund kannte, z.B. wenn bereits intensiv in den Medien über eine Regelung berichtet wurde oder es eine betriebsöffentliche Debatte über die Rege1 BAG v. 13.7.2005 – 10 AZR 532/04, AP HGB § 74 Nr. 78; aus der Zeit vor Inkrafttreten des § 305c Abs. 1 BGB bereits BAG v. 27.4.2000 – 8 AZR 286/99, NZA 2000, 940 (942). 2 BAG v. 19.3.2014 – 5 AZR 252/12, NZA 2014, 1076 (1080). 3 BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 443/04, NZA 2006, 37 (38 f.); aus der Zeit vor Inkrafttreten des § 305c Abs. 1 BGB bereits BAG v. 29.11.1995 – 5 AZR 447/94, NZA 1996, 702 (703) sowie BAG v. 27.4.2000 – 8 AZR 301/99; Roloff in HWK, § 305c BGB Rz. 3. 4 BAG v. 23.2.2005 – 4 AZR 139/04, NZA 2005, 1193 (1198); BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 443/04, NZA 2006, 37 (38 f.); BAG v. 24.5.2018 – 6 AZR 308/17, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 91. 5 BAG v. 23.2.2005 – 4 AZR 139/04, NZA 2005, 1193 (1198); BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 443/04, NZA 2006, 37 (38 f.).
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§ 305c | Überraschende und mehrdeutige Klauseln lung gab.1 Die Korrespondenz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor Abschluss der Vereinbarung sowie etwaige Begleitschreiben zu dem Vertrag können ebenso bei der Ermittlung des Überraschungsmoments zu berücksichtigen sein wie Erklärungen zu bestimmten Vertragsthemen, die die Vertragsparteien im Rahmen der Vertragsverhandlungen abgegeben haben.2 Weiterhin kann der zeitliche Ablauf der Vertragsverhandlungen für das subjektive Überraschungsmoment von Bedeutung sein. Insbesondere kann es zumindest ein Indiz für das Überraschungsmoment sein, wenn der Arbeitnehmer angehalten wurde, den Vertrag umgehend oder kurzfristig zu unterschreiben, ohne dass ihm die Möglichkeit einer näheren Prüfung des Vertrages eingeräumt wurde.3 Ebenso kann es für eine subjektive Überraschung sprechen, wenn die Parteien zunächst über ein Term Sheet verhandeln, in dem die problematische Regelung nicht enthalten ist, und auf die in dem eigentlichen Vertrag enthaltene, wesentliche zusätzliche Regelung nicht besonders hingewiesen wird. 15 Für das subjektive Überraschungsmoment ist auf die Einschätzungsmöglichkei-
ten eines typischen, durchschnittlichen Arbeitnehmers abzustellen, wobei jedoch zwischen verschiedenen Gruppen von Arbeitnehmern (z.B. Führungskraft oder Hilfsarbeiter) und deren Erkenntnismöglichkeiten zu differenzieren ist.4
4. Rechtsfolgen 16 Klauseln in Formulararbeitsverträgen, die gegen das Verbot überraschender Klau-
seln gem. § 305c Abs. 1 BGB verstoßen, werden nicht in den Vertrag einbezogen und damit nicht Vertragsbestandteil. Stattdessen kommt der Vertrag gem. § 306 Abs. 1 BGB grundsätzlich ohne die überraschende Klausel zustande. Führt die Nichteinbeziehung der überraschenden Klausel zu einer Lücke in dem Formularvertrag, gilt gem. § 306 Abs. 2 BGB dispositives Gesetzesrecht. Fehlt es an einer gesetzlichen Regelung, ist die Lücke durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen.5 Unwirksam ist ein Formularvertrag abweichend von der Grundregel des § 139 BGB gem. § 306 Abs. 3 BGB nur, wenn das Festhalten an dem Vertrag auch unter Berücksichtigung der gem. § 306 Abs. 2 BGB vorgesehenen Lückenschließung für eine Vertragspartei eine unzumutbare Härte darstellen würde.
1 Vgl. Sächsisches LAG v. 9.3.2006 – 8 (6) Sa 132/05 mit dem Hinweis auf die umfangreiche Medienberichterstattung zur Kürzung von Tarifleistungen im Freistaat Sachsen, auf die in einem Formulararbeitsvertrag verwiesen wurde. Das Urteil wurde allerdings im Ergebnis vom BAG aufgehoben und an das Sächsische LAG zurückverwiesen, vgl. BAG v. 9.5.2007 – 4 AZR 319/06, AP BGB § 305c Nr. 8. 2 BAG v. 8.8.2007 – 7 AZR 605/06, AP TzBfG § 21 Nr. 4. 3 BAG v. 9.5.2007 – 4 AZR 319/06, AP BGB § 305c Nr. 8. 4 Däubler in DBD, § 305c Rz. 13; vgl. auch ArbG Berlin v. 1.9.1980 – 16 Ca 99/80, NJW 1981, 479 (480). 5 Ulmer/Schäfer in UBH, § 305c Rz. 32.
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II. Ausschluss überraschender Klauseln | § 305c
Begünstigt eine gem. § 305c Abs. 1 BGB an sich nicht einzubeziehende Klausel 17 ausnahmsweise den Vertragspartner des Verwenders, kann sich der Verwender nicht auf die Unwirksamkeit der Regelung berufen, sondern muss sich wie in der unwirksamen Klausel vorgesehen behandeln lassen.1
5. Darlegungs- und Beweislast Bei der Darlegungs- und Beweislast ist wie folgt zwischen den beiden Vorausset- 18 zungen des § 305c Abs. 1 BGB zu unterscheiden: Die Darlegungs- und Beweislast für die objektive Ungewöhnlichkeit der Klausel trägt derjenige, der sich darauf beruft, dass die Klausel nicht in den Vertrag einbezogen worden ist, also in aller Regel der Arbeitnehmer.2 Auch für das subjektive Überraschungsmoment ist im Ausgangspunkt derjenige darlegungs- und beweisbelastet, der sich darauf berufen will, dass die Klausel nicht in den Vertrag einbezogen worden ist. Will jedoch der Verwender geltend machen, dass das an sich nach der Gestaltung des Formularvertrages gegebene subjektive Überraschungsmoment nicht erfüllt ist, weil er seinen Vertragspartner auf die Klausel besonders hingewiesen hat oder sein Vertragspartner die Klausel und ihren Inhalt aus anderen Gründen kannte, trägt der Verwender die Darlegungs- und Beweislast für diesen Einwand.3
6. Einzelne Klauseln Da es für das subjektive Überraschungsmoment auf die Umstände des jeweiligen 19 Einzelfalls ankommt – insbesondere darauf, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf die fragliche Klausel und ihre Bedeutung hingewiesen hat –, ist eine generalisierende Kasuistik nur mit Blick darauf möglich, ob bestimmte Klauseln im Grundsatz als objektiv ungewöhnlich anzusehen sind: (1) Altersgrenze Die Vereinbarung einer automatischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei 20 Erreichung einer Altersgrenze ist in aller Regel nicht ungewöhnlich. So hat das BAG Altersgrenzen, die in allgemeinen Arbeitsbedingungen unter der Überschrift „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ oder „Inkrafttreten und Beendigung“ geregelt waren, nicht als ungewöhnlich eingestuft.4 Auch eine Alters1 Grüneberg in Palandt, § 306 Rz. 5. 2 Roloff in HWK, § 305c BGB Rz. 5; Ulmer/Schäfer in UBH, § 305c Rz. 25. 3 BGH v. 10.11.1989 – V ZR 201/88, NJW 1990, 576 (577); Däubler in DBD, § 305c Rz. 17; Roloff in HWK, § 305c BGB Rz. 5; Lindacher/Hau in WLP, § 305c Rz. 39. 4 BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 443/04, NZA 2006, 37 (38 f.); BAG v. 9.12.2015 – 7 AZR 68/14, NZA 2016, 695 (696); BAG v. 25.10.2017 – 7 AZR 632/15, NZA 2018, 507 (510); zustimmend Schiefer/Köster, DB 2018, 2874.
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§ 305c | Überraschende und mehrdeutige Klauseln grenze in einer Versorgungszusage, die zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen des Rentenalters führt, ist nicht ungewöhnlich.1 Vereinbarungen, die eine automatische Beendigung zu einem früheren Zeitpunkt vorsehen, sind jedenfalls in bestimmten Branchen nicht unüblich und zudem gesetzlich in § 41 Satz 2 SGB VI geregelt (mit der Konsequenz, dass sie als auf Erreichen der Regelaltersgrenze abgeschlossen gelten, wenn sie nicht innerhalb der letzten drei Jahre vor dem geregelten Beendigungszeitpunkt bestätigt werden), so dass sie in der Regel nicht als ungewöhnlich angesehen werden können.2 (2) Altersteilzeitvereinbarungen 21 Nach Ansicht des BAG kann eine auflösende Bedingung in einem Altersteilzeit-
vertrag, wonach das Altersteilzeitarbeitsverhältnis vorzeitig nach Ablauf des Kalendermonats endet, in dem der Arbeitnehmer zum Bezug der frühest möglichen gesetzlichen Altersrente berechtigt ist, je nach Verlauf der Vertragsverhandlungen als Überraschungsklausel anzusehen sein, wenn die Regelung im Widerspruch zu der von dem Arbeitnehmer gewünschten Vertragslaufzeit steht und der Arbeitgeber nicht auf die Bedeutung der Regelung hingewiesen hat.3
(3) Änderungsvereinbarungen 22 Das BAG sah in den Regelungen einer Änderungsvereinbarung, mit der die für
den Arbeitnehmer maßgeblichen Regelungen zur Altersversorgung geändert wurden4 bzw. mit denen künftige Vergütungserhöhungen begrenzt wurden,5 jeweils keine überraschende Klauseln, da die Regelungen aus den Änderungsvereinbarungen und ihrem jeweiligen Zweck klar erkennbar waren. (4) Arbeitszeitkontingente
23 Die Vereinbarung von Arbeitszeitkontingenten ist – insbesondere in bestimm-
ten Branchen – üblich und damit, vorbehaltlich einer transparenten Vertragsgestaltung, nicht ungewöhnlich.6
1 BAG v. 6.8.2003 – 7 AZR 9/03, NZA 2004, 96 (98); zustimmend Roloff in HWK, § 305c BGB Rz. 4. 2 Anders Däubler in DBD, § 305c Rz. 23a. Derartige Altersgrenzen sind allerdings unwirksam, wenn sie nicht entweder die Voraussetzungen des § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG erfüllen oder gemäß § 8 AGG oder § 10 Satz 1, 2 AGG gerechtfertigt sind. Vgl. zum Meinungsstand zusammenfassend Bayreuther, NJW 2011, 19 ff.; Schiefer/Köster, DB 2018, 2874 ff.; Tempelmann/Stenslik, DStR 2011, 577 ff. 3 BAG v. 8.8.2007 – 7 AZR 605/06, AP TzBfG § 21 Nr. 4. 4 BAG v. 5.11.2016 – 3 AZR 582/15, NZA 2017, 1058 (1065); zustimmend Bauerdick/ Hettche, NZA-RR 2018, 337 (343). 5 BAG v. 24.5.2018 – 6 AZR 308/17, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 91. 6 So auch Stamm, RdA 2006, 288 (295).
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II. Ausschluss überraschender Klauseln | § 305c
(5) Ärztliches Attest Die Regelung in einem Formulararbeitsvertrag, dass ein Arbeitnehmer bereits 24 ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit verpflichtet ist, eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beizubringen, stellt keine Überraschungsklausel dar.1 (6) Ausschlussfristen Sowohl einstufige Ausschlussfristen als auch zweistufige Ausschlussfristen sind 25 im Arbeitsleben üblich und weit verbreitet. Bei der Vereinbarung von Ausschlussfristen handelt es sich daher nicht um überraschende Klauseln, jedenfalls soweit sie im Arbeitsvertrag selbst in einer eigenen Ziffer enthalten sind.2 Demgegenüber kann es sich bei einer Ausschlussfrist um eine überraschende Klausel handeln, wenn sie in einem umfangreichen Formulararbeitsvertrag unter der Überschrift „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“, mitten in den Schlussbestimmungen oder sogar nur in einer Anlage enthalten ist.3 Nach Ansicht des LAG Niedersachsen soll allerdings eine Ausschlussfrist, die in einem Arbeitsvertrag in einem eigenen Untergliederungspunkt unter der Überschrift „Vergütung/Zahlungsweise“ enthalten ist, keine überraschende Klausel darstellen, da zu erwarten sei, dass ein Arbeitnehmer alles, was im Arbeitsvertrag unter der Überschrift „Vergütung“ stehe, zumindest überfliege, bevor er den Arbeitsvertrag unterschreibe.4 Eine Verweisung auf tarifvertragliche Ausschlussfristen ist ebenfalls grundsätz- 26 lich nicht als überraschende Klausel anzusehen.5 Auch eine solche Verweisung kann aber als Überraschungsklauseln anzusehen sein, wenn sie in dem Arbeitsvertrag oder einer Anlage ohne besondere Hervorhebung oder besonderen Hinweis „versteckt“ ist.
1 BAG v. 1.10.1997 – 5 AZR 726/96, NZA 1998, 369 (372); ebenso Däubler in DBD, § 305c Rz. 23. 2 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111 (1113); BAG v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/ 05, NZA 2006, 149 (151); BAG v. 19.3.2014 – 5 AZR 252/12, NZA 2014, 1076 (1080); BAG v. 27.1.2016 – 5 AZR 277/14, NZA 2016, 679 (680); BAG v. 28.9.2017 – 8 AZR 67/15, NZA 2018, 589 (595); BAG v. 17.10.2017 – 9 AZR 80/17, NZA 2018, 57 (58); zustimmend Gotthardt, ZIP 2002, 277 (280) sowie Zundel, NJW 2006, 1237 (1238). 3 Vgl. LAG Köln v. 22.6.2012 – 10 Sa 88/12 zur Regelung unter der Überschrift „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“, BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324 (326) zur Regelung einer Ausschlussfrist in den Schlussbestimmungen sowie BAG v. 29.11. 1995 – 5 AZR 447/94, NZA 1996, 702 (703) zur Regelung in einer Betriebsordnung, auf die im Arbeitsvertrag verwiesen wurde. 4 LAG Niedersachen v. 18.3.2005 – 10 Sa 1990/04, NZA-RR 2005, 401 (403). 5 BAG v. 11.1.1995 – 10 AZR 5/94, ZTR 1995, 277 f. sowie BAG v. 13.12.2000 – 10 AZR 168/00, NZA 2001, 723 (724).
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§ 305c | Überraschende und mehrdeutige Klauseln (7) Beendigungsvereinbarungen 27 Nach der Rechtsprechung des BAG kann es sich bei einer Klausel zur Beendi-
gung des Arbeitsverhältnisses, die in einer mit „Ergänzung zum Arbeitsvertrag“ überschriebenen Vereinbarung enthalten ist, um eine ungewöhnliche Regelung i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB handeln.1 (8) Befristungen
28 Nach der Rechtsprechung des BAG handelt es sich bei einer Probezeitbefristung
um eine überraschende Klausel, wenn in einem Formulararbeitsvertrag neben einer drucktechnisch hervorgehobenen Befristung im nachfolgenden Vertragstext ohne besondere Hervorhebung eine weitere Befristung zum Ablauf der sechsmonatigen Probezeit enthalten ist.2 Demgegenüber ist es nicht unüblich und daher nicht überraschend, wenn in einem befristeten Arbeitsvertrag die Möglichkeit zur vorzeitigen Kündigung vereinbart wird, zumal diese Möglichkeit vom Gesetzgeber in § 15 Abs. 3 TzBfG ausdrücklich vorgesehen ist.3 Konsequenterweise ist es auch nicht überraschend, wenn in einem befristeten Arbeitsvertrag eine Probezeit vereinbart ist, und zwar selbst dann nicht, wenn Befristung und Probezeit gleich lang sind.4
29 Befristungen einzelner Arbeitsbedingungen sind – jedenfalls sofern es um wesent-
liche Arbeitsbedingungen geht – eher ungewöhnlich und sollten daher zur Vermeidung des Überraschungscharakters in Formulararbeitsverträgen klar geregelt und durch eine geeignete Überschrift oder in sonstiger Weise hervorgehoben werden. (9) Bezugnahmeklauseln
30 Auch bei Tarifbezugnahmeklauseln ist zu prüfen, ob es sich um überraschende
Klauseln i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB handelt. § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB steht dem nicht entgegen, da er sich auf Tarifverträge als Kollektivvereinbarungen bezieht und nicht auf Bezugnahmeklauseln, bei denen es um Individualvereinbarungen geht.5 Tarifbezugnahmeklauseln treten in verschiedenen Gestaltungsformen auf, zwischen denen mit Blick auf eine eventuelle Ungewöhnlichkeit wie folgt zu unterscheiden ist: Dynamische Bezugnahmeklauseln auf einschlägige Tarifverträge sind im Arbeitsleben als Gestaltungsinstrument weit verbreitet, ja zur Gleichbehandlung von Gewerkschaftsmitgliedern und Nicht-Gewerkschaftsmit1 BAG v. 15.2.2007 – 6 AZR 286/06, NZA 2007, 614, 616 f.; zustimmend Roloff in HWK, § 305c BGB Rz. 4. 2 BAG v. 16.4.2008 – 7 AZR 132/07, NZA 2008, 876 (877); zustimmend Roloff in HWK, § 305c BGB Rz. 4. 3 LAG Rheinland-Pfalz v. 24.10.2008 – 9 Ta 185/08; Roloff in HWK, § 305c BGB Rz. 4. 4 LAG Rheinland-Pfalz v. 27.1.2011 – 11 Sa 404/10. 5 BAG v. 9.5.2007 – 4 AZR 319/06, AP BGB § 305c Nr. 8.
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II. Ausschluss überraschender Klauseln | § 305c
gliedern unerlässlich, so dass ihre Aufnahme in einen Formulararbeitsvertrag nicht ungewöhnlich oder überraschend ist.1 Das gilt nicht nur für die Bezugnahme auf einen Tarifvertrag insgesamt, sondern auch, wenn bezüglich eines bestimmten Regelungskomplexes auf einen Tarifvertrag Bezug genommen wird.2 In diesen Fällen fehlt es an dem Überraschungscharakter unabhängig davon, ob der Arbeitgeber tarifgebunden ist oder nicht. Das BAG hat bislang allerdings offengelassen, ob über die Bezugnahmeklausel auch solche Tarifregelungen Vertragsinhalt werden, die für den Arbeitnehmer bei Abschluss des Arbeitsvertrages schlechterdings nicht vorhersehbar waren.3 Nach richtiger Ansicht werden auch solche Tarifregelungen Vertragsinhalt, jedenfalls wenn es sich bei der Tarifbezugnahmeklausel um eine Gleichstellungsabrede handelt.4 Statische Tarifbezugnahmeklauseln auf einschlägige Tarifverträge sind nach 31 wie vor verbreitet anzutreffen und daher ebenfalls weder bei tarifgebundenen noch bei tarifungebundenen Arbeitgebern ungewöhnlich.5 Auch eine Bezugnahme in Form einer Kettenverweisung auf das kirchliche Mit- 32 arbeitervertretungsrecht soll nach Ansicht des BAG regelmäßig nicht überraschend sein.6 Demgegenüber kann es als ungewöhnlich anzusehen sein, wenn auf einen bran- 33 chen- oder ortsfremden Tarifvertrag verwiesen wird.7 Soll eine solche Verweisung in einem Formulararbeitsvertrag geregelt werden (woran ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers bestehen kann, z.B. wenn er bundesweit einheitliche Vereinbarungen mit seinen Arbeitnehmern treffen will), sollte der Arbeitgeber daher die Regelung drucktechnisch besonders hervorheben oder den Arbeitnehmer besonders auf die Regelung hinweisen. 1 BAG v. 24.9.2008 – 6 AZR 76/07, NZA 2009, 154 (156); BAG v. 21.3.2018 – 7 AZR 428/ 16, NZA 2018, 999 (1001); LAG Köln v. 14.1.2008 – 14 Sa 606/07, NZA-RR 2008, 529; Oetker in Wiedemann, § 3 TVG Rz. 303. Vgl. allerdings auch BAG v. 9.5.2007 – 4 AZR 319/06, AP BGB § 305c Nr. 8 zu einem Sachverhalt, bei dem eine Tarifbezugnahmeklausel, die bestimmte nachwirkende Tarifverträge aus der Bezugnahme ausnahm, aufgrund der unübersichtlichen Vertragsgestaltung und des Zeitdrucks beim Vertragsabschluss als überraschende Klausel eingestuft wurde. 2 BAG v. 23.3.2011 – 10 AZR 831/09. 3 BAG v. 24.9.2008 – 6 AZR 76/07, NZA 2009, 154 (156). 4 So im Ergebnis ebenfalls Jordan/Bissels, NZA 2010, 71 (72); Krause in Staudinger, Anh. zu § 310 Rz. 162 sowie Oetker in Wiedemann, TVG, § 3 Rz. 307 (355). A.A. Däubler in DBD, § 305c Rz. 22 sowie Witt, NZA 2004, 135 (138). 5 So im Ergebnis auch Däubler in DBD, § 305c Rz. 22. 6 BAG v. 22.3.2018 – 6 AZR 835/16, NZA 2018, 1350 (1355). 7 Für generelle Ungewöhnlichkeit Däubler in DBD, § 305c Rz. 22, Krause in Staudinger, Anh. zu § 310 Rz. 163 sowie Thüsing/Lambrich, NZA 2002, 1361 (1365). Nach Gotthard, ZIP 2002, 277 (280 f.) soll eine Bezugnahme auf einen branchen- oder ortsfremden Tarifvertrag zwar regelmäßig überraschend, je nach Einzelfall aber auch üblich sein. Vgl. auch differenzierend Diehn, NZA 2004, 129 (132 f.).
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§ 305c | Überraschende und mehrdeutige Klauseln (10) Bürgschaften 34 Die Bürgschaft eines Dritten für alle zukünftigen Ansprüche des Arbeitgebers
gegen den Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis stellt nach Ansicht des BAG für sich genommen keine überraschende Regelung dar, jedenfalls wenn die wesentlichen Haftungsrisiken klar aufgezeigt werden.1
(11) Datenverarbeitung 35 Klauseln zur Einwilligung von Arbeitnehmern in die Verarbeitung personenbezo-
gener Daten, insbesondere zur Übermittlung von personenbezogenen Daten an Dritte, sind in Arbeitsverträgen jedenfalls in größeren Organisationen weit verbreitet und stellen keine ungewöhnlichen Klauseln dar. Sie bedürfen jedoch zur Vermeidung des Überraschungscharakters und gem. der gesetzlichen Anordnung in Art. 7 Abs. 2 DSGVO, § 51 Abs. 2 BDSG einer klaren Unterscheidung, wenn die Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen abgegeben werden soll. (12) Jeweiligkeitsklauseln
36 In Formulararbeitsverträgen ist mit Blick auf Jeweiligkeitsklauseln, d.h. Klauseln,
die auf ein anderes Regelwerk in seiner jeweils gültigen Fassung Bezug nehmen, wie folgt zu differenzieren: Erfolgt die Bezugnahme auf eine mit einer Arbeitnehmervertretung vereinbarte Kollektivvereinbarung, ist die Jeweiligkeitsklausel in der Regel nicht überraschend,2 jedenfalls sofern es nicht um eine branchen- oder ortsfremde Kollektivvereinbarung geht (vgl. auch Rz. 33). Geht es jedoch um eine Bezugnahme auf ein einseitig vom Arbeitgeber aufgestelltes und änderbares Regelwerk, kann die Jeweiligkeitsklausel je nach den Umständen des Einzelfalls eine überraschende Klausel sein, jedenfalls wenn es sich bei der in Bezug genommenen Regelung um einen wesentlichen Vertragsbestandteil handelt.3 (13) Kopplungsklauseln
37 Kopplungsklauseln, mit denen die Beendigung von Vorstands- oder Geschäfts-
führeranstellungsverträgen an den Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied oder Geschäftsführer geknüpft wird, sind von der Rechtsprechung grund1 BAG v. 27.4.2000 – 8 AZR 286/99, NZA 2000, 940 (942); die Unwirksamkeit der Bürgschaft ergab sich aber aus einer unangemessenen Benachteiligung des Dritten. 2 So auch BAG v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, NZA 2011, 634 (636) zur Bezugnahme auf kirchlich-diakonische Arbeitsvertragsregelungen in ihrer jeweils gültigen Fassung. 3 Vgl. auch BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428 (430 ff.) mit einer Entscheidung zu einer Bezugnahme auf ein einseitig vom Arbeitgeber vorgegebenes Regelungswerk, in der das BAG die Wirksamkeit der Jeweiligkeitsklausel aber ausschließlich am Maßstab der §§ 308 Nr. 4, 307 BGB und nicht am Maßstab des § 305c Abs. 1 BGB geprüft hat.
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II. Ausschluss überraschender Klauseln | § 305c
sätzlich anerkannt1 und weit verbreitet, was sich auch in der häufigen Aufnahme in Musterverträgen in der einschlägigen Fachliteratur widerspiegelt. Zudem ist bei börsennotierten Gesellschaften die Aufnahme einer Kopplungsklausel in die Vorstandsanstellungsverträge erforderlich, wenn die Empfehlung eines Abfindungs-Caps gem. Ziffer 4.2.3 des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) umgesetzt werden soll.2 Kopplungsklauseln stellen daher keine ungewöhnliche Regelung i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB dar.3 (14) Kündigungsfristen Die Verlängerung von Kündigungsfristen für eine ordentliche Arbeitnehmer- 38 kündigung ist im Arbeitsleben als Gestaltungsinstrument weit verbreitet, so dass eine entsprechende Klausel nicht überraschend ist, sofern sie nicht an ungewöhnlicher Stelle im Vertrag „versteckt“ wird.4 Gleiches gilt für die Festlegung bestimmter jährlicher Kündigungstermine.5 (15) Kurzarbeitsklauseln Regelungen, die die Möglichkeit der Einführung von Kurzarbeit vorsehen, sind 39 im Arbeitsrecht nicht ungewöhnlich und stellen in der Regel keine überraschenden Klauseln dar.6 (16) Nebentätigkeitsklauseln Regelungen, wonach der Arbeitnehmer vor der Aufnahme einer Nebentätigkeit 40 die Zustimmung des Arbeitgebers einholen oder dem Arbeitgeber die Nebentätigkeit zumindest anzeigen muss, finden sich in nahezu jedem Arbeitsvertragsmuster und sind auch in der Praxis weit verbreitet, so dass Arbeitnehmer mit ei1 BGH v. 29.5.1989 – II ZR 220/88, NJW 1989, 2683 (2684). 2 Vgl. Hoffmann-Becking, ZIP 2007, 2101 (2106) sowie Bauer/Arnold, BB 2008, 1692 (1695 f.). 3 Auch Tschöpe/Wortmann, NZG 2009, 85 (87) sehen Kopplungsklauseln nicht als generell ungewöhnlich an, halten § 305c Abs. 1 BGB jedoch für anwendbar, wenn eine Kopplungsklausel überraschend und ohne vorher besprochen worden zu sein im Vertrag geregelt wird; ähnlich Bauer/von Medem, NZA 2014, 238 (240) sowie Graf von Westphalen, BB 2015, 834 (838). Kritisch Hümmerich, NZA 2006, 709 (712 f.); Wiesner in Münch.Hdb. AG, 4. Aufl. 2015, § 21, Rz. 28 sowie Semler/v. Fonk in Schenk, Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, 4. Aufl. 2013, § 10 Rz. 208. 4 BAG v. 28.5.2009 – 8 AZR 896/07, NZA 2009, 1337 (1339); vgl. aber auch BAG v. 26.10. 2017 – 6 AZR 158/16, NJW 2018, 891 (893 f.), wonach eine erhebliche Verlängerung der Kündigungsfrist für den Arbeitnehmer im Einzelfall eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellen kann. 5 BAG v. 25.9.2008 – 8 AZR 717/07, NZA 2009, 370 (372). 6 LAG Berlin-Brandenburg v. 7.10.2010 – 2 Sa 1230/10; Roloff in HWK, § 305c BGB Rz. 4.
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§ 305c | Überraschende und mehrdeutige Klauseln ner solchen Klausel rechnen müssen. Bei Nebentätigkeitsklauseln handelt sich daher nicht um ungewöhnliche Klauseln. (17) Negatives Schuldanerkenntnis, Ausgleichsquittung, Verzichtserklärung 41 Ist ein negatives Schuldanerkenntnis, mit dem der Arbeitnehmer bestätigt, dass
sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung abgegolten und erledigt sind, in einem Schreiben enthalten, das mit „Rückgabe Ihrer Unterlagen“ oder „Arbeitspapiere“ überschrieben ist, ohne drucktechnisch oder in anderer Form hervorgehoben zu sein, handelt es sich um eine ungewöhnliche Klausel, die ohne besonderen Hinweis nicht Vertragsbestandteil wird.1 Demgegenüber sind Ausgleichs- und Erledigungsklauseln in Aufhebungsverträgen absolut üblich und nicht ungewöhnlich gem. § 305c Abs. 1 BGB.2 Ebenso ist ein nach Erhalt einer Kündigung erklärter, in einer Vereinbarung klar hervorgehobener Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage nicht überraschend i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB.3 (18) Probezeit
42 Eine Probezeitvereinbarung, die unter der Überschrift „Sonstiges“ an anderer
Stelle als die weiteren Beendigungsmodalitäten ohne drucktechnische Hervorhebung untergebracht ist, kann eine überraschende Klausel darstellen.4
(19) Rückzahlungsklauseln 43 Die Vereinbarung von Rückzahlungsklauseln im Zusammenhang mit der Über-
nahme von Umzugs-, Ausbildungs- oder Fortbildungskosten durch den Arbeitgeber ist weit verbreitet und nicht ungewöhnlich.5 Derartige Klauseln können allerdings unklar i.S.d. § 305c Abs. 2 BGB sein und werden vom BAG streng am Maßstab von § 307 Abs. 1 und 2 BGB gemessen.6 Auch eine Verpflichtung zur Rückzahlung von Provisionsvorschüssen ist nicht überraschend.7
1 BAG v. 23.2.2005 – 4 AZR 139/04, NZA 2005, 1193 (1198 f.); LAG Düsseldorf v. 13.4. 2005 – 12 Sa 154/05, DB 2005, 1463 (1464 f.); zustimmend Preis/Bleser/Rauf, DB 2006, 2812 (2813); BAG v. 25.9.2014 – 2 AZR 788/13, NJW 2015, 1038 (1039). 2 BAG v. 19.11.2008 – 10 AZR 671/07, NZA 2009, 318 (321); BAG v. 24.2.2016 – 5 AZR 258/14, NZA 2016, 762 (765); zustimmend Roloff HWK, § 305c BGB Rz. 4. 3 BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 722/06, NZA 2008, 219 (220). Erfolgt ein solcher formularmäßiger Klageverzicht ohne Gegenleistung, stellt die Vereinbarung nach Ansicht des BAG aber eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar und ist daher unwirksam, vgl. BAG v. 25.9.2014 – 2 AZR 788/13, NJW 2015, 1038 (1039 f.). 4 LAG Niedersachen v. 27.2.2018 – 10 Sa 25/17. 5 ArbG Gießen v. 3.2.2015 – 9 Ca 180/14. 6 BAG v. 18.3.2008 – 9 AZR 186/07, NZA 2008, 1004 (1005 ff.). 7 BAG v. 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, NZA 2015, 871 (873); LAG Hamm v. 12.9.2017 – 14 Sa 325/17.
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II. Ausschluss überraschender Klauseln | § 305c
(20) Selbstbehalt Bei Selbstbehalten in Versicherungen kommt es für den Überraschungscharak- 44 ter insbesondere darauf an, ob ein Selbstbehalt bei dem jeweiligen Versicherungstyp üblich oder unüblich ist. Während Selbstbehalte z.B. bei Kaskoversicherungen und bei D&O-Versicherungen absolut üblich (und für Vorstandsmitglieder einer AG gem. § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG sogar vorgeschrieben) sind, ist ein Selbstbehalt bei einer Haftpflichtversicherung eher unüblich und kann daher im Einzelfall eine überraschende Klausel darstellen.1 (21) Überstundenabgeltung Klauseln, mit denen der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag die pauschale Abgeltung 45 einer bestimmten Maximalanzahl von Überstunden vorsieht, sind im Arbeitsleben weit verbreitet und können daher nicht als ungewöhnlich angesehen werden.2 (22) Versetzungsklauseln Versetzungsklauseln, die es dem Arbeitgeber ermöglichen, dem Arbeitnehmer 46 einseitig einen anderen gleichwertigen Arbeitsplatz zuzuweisen, werden standardmäßig in Arbeitsverträgen geregelt und sind daher nicht ungewöhnlich.3 (23) Vertragsstrafen Vertragsstrafeklauseln in Formulararbeitsverträgen für den Fall der schuldhaften 47 Nichtaufnahme der Arbeitstätigkeit sowie für die vertragswidrige Beendigung der Tätigkeit sind weit verbreitet und nicht als ungewöhnlich anzusehen, soweit sie nicht an überraschender Stelle im Arbeitsvertrag „versteckt“ werden.4 Dasselbe gilt für Vertragsstrafeabreden zur Sanktion von Verstößen gegen ein vertragliches oder nachvertragliches Wettbewerbsverbot5 oder von Verstößen gegen eine vertragliche oder nachvertragliche Vertraulichkeitsverpflichtung. 1 BAG v. 13.12.2012 – 8 AZR 432/11, NZA 2013, 622 (624); zustimmend Roloff in HWK, § 305c BGB Rz. 4. 2 BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11; Preis/Deutzmann, NZA-Beilage 3/2017, 101 (103). 3 Vgl. auch BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 36/09, AP BGB § 307 Nr. 45, wonach eine vorformulierte Klausel, die inhaltlich der Regelung in § 106 Satz 1 GewO entspricht, weder gegen die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB verstößt noch intransparent i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ist. Kritisch Schnitker/Grau, BB 2002, 2120 (2122), die eine Prüfung des Überrumpelungseffekts im Einzelfall für erforderlich halten. 4 BAG v. 25.9.2008 – 8 AZR 717/07, NZA 2009, 370 (372); LAG Schleswig-Holstein v. 2.2. 2005 – 3 Sa 515/04, NZA-RR 2005, 351 (352 f.); LAG Köln v. 17.11.2015 – 12 Sa 707/15; vgl. bereits BAG v. 27.4.2000 – 8 AZR 301/99. 5 BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, NZA 2008, 170 (171).
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§ 305c | Überraschende und mehrdeutige Klauseln (24) Vertraulichkeitspflicht 48 Vereinbarungen, wonach Arbeitnehmer auch nach ihrem Ausscheiden aus dem
Arbeitsverhältnis verpflichtet sind, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses des Arbeitgebers vertraulich zu behandeln und nicht für sich oder Dritte zu verwenden, tragen einem berechtigten Schutzinteresse des Arbeitgebers Rechnung und sind marktüblich. (Nachvertragliche) Vertraulichkeitsverpflichtungen können daher nicht als ungewöhnliche Klauseln angesehen werden, soweit sie nicht deutlich über das Schutzbedürfnis des Arbeitgebers hinausgehen oder an ungewöhnlicher Stelle im Arbeitsvertrag versteckt werden.
(25) Wettbewerbsverbote 49 Die Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote ist im Arbeitsleben
weit verbreitet und alles andere als ungewöhnlich. Auch die Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung für das Inkrafttreten eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots stellt keine überraschende Klausel dar, jedenfalls wenn innerhalb einer im Arbeitsvertrag enthaltenen Vereinbarung unter der Überschrift „Wettbewerbsverbot“ alle dieses Wettbewerbsverbot betreffenden Elemente und keine nicht mit dem Wettbewerbsverbot in Zusammenhang stehenden Regelungen enthalten sind.1
(26) Widerrufs-, Änderungs- und Anrechnungsvorbehalte 50 Widerrufs-, Änderungs- und Anrechnungsvorbehalte bezüglich der Gewährung
von übertariflichen Lohnbestandteilen oder sonstigen Zusatzleistungen sind weit verbreitet und stellen im Regelfall keine ungewöhnliche Klausel dar.2 Der Vorbehalt muss jedoch klar und verständlich geregelt sein, was das BAG z.B. bei einem in einer bloßen Nebenabrede ohne drucktechnische Hervorhebung enthaltenen Vorbehalt der Reduzierung der Zuführungen zur betrieblichen Altersversorgung eines Arbeitnehmers verneint hat.3
(27) Zielvereinbarungen 51 Die Regelung in einer Zielvereinbarung, dass die Zahlung einer variablen Ver-
gütung (auch) von der Erreichung von Unternehmenszielen abhängig ist, ist weit verbreitet und stellt keine überraschende Klausel dar.4
1 BAG v. 13.7.2005 – 10 AZR 532/04, AP HGB § 74 Nr. 78; zustimmend Roloff in HWK, § 305c BGB Rz. 4. 2 Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 29; Schnitker/Grau, BB 2002, 2120 (2122). 3 BAG v. 23.9.2003 – 3 AZR 551/02, AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 93; zustimmend Roloff in HWK, § 305c BGB Rz. 4. 4 LAG Hessen v. 14.8.2008 – 20 Sa 1172/07; zustimmend Roloff in HWK, § 305c BGB Rz. 4.
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III. Auslegung mehrdeutiger Klauseln | § 305c
III. Auslegung mehrdeutiger Klauseln 1. Zweck Zweck der in § 305c Abs. 2 BGB enthaltenen besonderen Auslegungsregel ist es, 52 den Verwender zu einer klaren und transparenten Ausgestaltung des Formularvertrages zu veranlassen und den Vertragspartner des Verwenders vor unklaren Regelungen in Formularverträgen zu schützen.1 Damit stellt auch § 305c Abs. 2 BGB eine besondere Ausprägung des Transparenzgebots dar,2 die sachlich übereinstimmend in Artikel 5 Satz 2 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.4. 1993 verankert ist. Letztlich soll derjenige, der durch die Erstellung der AGB versucht, die Vorteile der Vertragsgestaltung für sich zu nutzen, auch die Nachteile tragen, die sich aus einer mehrdeutigen Formulierung ergeben.3
2. Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich des § 305c Abs. 2 BGB ist im Grundsatz identisch mit 53 dem Anwendungsbereich des § 305c Abs. 1 BGB, so dass § 305c Abs. 2 BGB bei sämtlichen vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsverträgen, Zusatzvereinbarungen und Nebenabreden zu Arbeitsverträgen, allgemeinen Arbeitsbedingungen, Bonusplänen, Aufhebungsvereinbarungen und weiteren Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer anzuwenden ist, die dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber gestellt werden bzw. gem. § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB als vom Arbeitgeber gestellt gelten. Über den Anwendungsbereich des § 305c Abs. 1 BGB hinaus ist § 305c Abs. 2 BGB nicht nur anzuwenden, wenn es um Vertragsbedingungen geht, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert sind. Aufgrund der vom BAG anerkannten Einstufung von Arbeitnehmern als Verbraucher i.S.d. § 13 BGB findet die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB gem. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch Anwendung, wenn die vorformulierten Vertragsbedingungen nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Arbeitnehmer aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte.4
1 BAG v. 9.11.2005 – 5 AZR 128/05, NZA 2006, 202 (203); Gotthardt, ZIP 2002, 277 (281); Ulmer/Schäfer in UBH, § 305c Rz. 61. 2 Roloff in Erman, § 305c Rz. 4; Ulmer/Schäfer in UBH, § 305c Rz. 61. 3 Ulmer/Schäfer in UBH, § 305c Rz. 61. 4 BAG v. 15.2.2007 – 6 AZR 286/06, NZA 2007, 614 (615).
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§ 305c | Überraschende und mehrdeutige Klauseln 3. Voraussetzungen 54 Voraussetzung für ein Eingreifen von § 305c Abs. 2 BGB ist, dass die Auslegung
einer Klausel in einem Formularvertrag1 zu einem mehrdeutigen Ergebnis führt. Dabei sind für die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen besondere Auslegungsgrundsätze heranzuziehen: a) Auslegung von AGB aa) Grundsatz objektiver Auslegung
55 Formularverträge sind anders als Individualvereinbarungen nicht gem. §§ 133,
157 BGB nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte vom objektiven Empfängerhorizont auszulegen, sondern es bedarf einer objektiven Auslegung.2 Zentraler Grund für diese Unterscheidung ist, dass der Vertragspartner des Verwenders auf den Inhalt eines Formularvertrages, der unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls zur Anwendung kommen soll, anders als bei einem Individualvertrag keinen Einfluss nehmen kann.3 Bei der Auslegung ist daher nicht wie im Rahmen der §§ 133, 157 BGB darauf abzustellen, wie der konkrete Erklärungsempfänger die Erklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste, sondern Formularverträge sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden.4 Bei der Auslegung sind die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders für Geschäfte der jeweiligen Art zu Grunde zu legen.5
56 Zentraler Ansatzpunkt für die Auslegung von Formularverträgen ist der Wort-
laut der Regelung. Zusätzlich zum Wortlaut kann bei der Auslegung auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen sein, wobei jedoch nicht der im konkreten Fall vom Verwender verfolgte Zweck für die Auslegung maßgeblich ist, sondern der typischerweise von verständigen und redlichen Geschäftspart-
1 Auf individuell ausgehandelte Verträge findet die Unklarheitenregel demgegenüber keine Anwendung, vgl. Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 32 sowie Gotthardt, ZIP 2002, 277 (281). 2 BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324 (327); BAG v. 15.2.2007 – 6 AZR 286/06, NZA 2007, 614 (615 f.); BAG v. 13.6.2007 – 6 AZR 564/06, NZA 2007, 974 (975). 3 BAG v. 19.3.2009 – 6 AZR 557/07, NZA 2009, 896 (898); Ulmer/Schäfer in UBH, § 305c Rz. 75. 4 BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324 (327); BAG v. 15.2.2007 – 6 AZR 286/06, NZA 2007, 614 (615 f.); BAG v. 13.6.2007 – 6 AZR 564/06, NZA 2007, 974 (975). 5 BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324 (327); BAG v. 15.2.2007 – 6 AZR 286/06, NZA 2007, 614 (615 f.); BAG v. 19.3.2008 – 5 AZR 429/07, NZA 2008, 757 (759).
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III. Auslegung mehrdeutiger Klauseln | § 305c
nern verfolgte Zweck.1 Ähnliches muss für die Berücksichtigung der systematischen Stellung der Klausel gelten. Die systematische Stellung der Klausel kann bei der Auslegung zu berücksichtigen sein, wenn sich aus ihr der Bedeutungsgehalt der Klausel auf Basis der Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders für Geschäfte der jeweiligen Art ergibt. Dem sind jedoch enge Grenzen zu setzen, um nicht das vom Verwender zu befolgende Transparenzgebot zu unterlaufen.2 Die Entstehungsgeschichte der Regelung ist, anders als bei einer Individualvereinbarung, bei der Auslegung von AGB nicht zu berücksichtigen, da sie für den jeweiligen Vertragspartner des Verwenders nicht erkennbar ist.3 Konsequenz der erforderlichen objektiven, typisierten Auslegung ist, dass den 57 Vertragsschluss begleitende Umstände sowie Umstände, die allein den Vertragspartnern des konkreten Vertrages bekannt sind oder sich sonst aus dem jeweiligen Einzelfall ergeben, bei der Auslegung von Formularverträgen grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind.4 Ausnahmen hiervon sind nur in engen Grenzen vorzunehmen, und zwar, wenn im Einzelfall beide Vertragsparteien ein von der objektiven Auslegung abweichendes, gemeinsames Verständnis von der Bedeutung der Klausel haben.5 Dieses Ergebnis wird sich allerdings in den meisten Fällen systematisch korrekter über den Grundsatz des Vorrangs der Individualabrede gem. § 305b BGB begründen lassen. Allenfalls in seltenen Ausnahmekonstellationen dürfte es denkbar sein, eine Ausnahme vom Grundsatz der objektiven, typisierten Auslegung zuzulassen, wenn der Verwender einer objektiv gesehen mehrdeutigen Klausel für seinen Vertragspartner erkennbar eine ganz bestimmte Bedeutung beimisst.6 Eine gewisse Einschränkung erfährt der Grundsatz der objektiven, typisierten 58 Auslegung, wenn in AGB Fachausdrücke verwendet werden, die zwar nicht jedermann bekannt und verständlich sind, wohl aber branchen- oder fachkundigen Vertragspartnern des Verwenders. In einem solchen Fall kann es für die Auslegung der Formularklausel von entscheidender Bedeutung sein, ob der jeweilige Vertragspartner des Verwenders aus dem Kreis der branchen- oder fachkundigen Vertragspartner stammt oder nicht.7 Ähnliches kann sich bei der Ver1 BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324 (327); BAG v. 19.7.2007 – 6 AZR 774/ 06, NZA 2007, 1095 (1096 f.); BAG v. 19.3.2009 – 6 AZR 557/07, NZA 2009, 896 (898); kritisch Ulmer/Schäfer in UBH, § 305c Rz. 81. 2 Noch enger Ulmer/Schäfer in UBH, § 305c Rz. 81. 3 Däubler in DBD, § 305c Rz. 31; Lindacher/Hau in WLP, § 305c Rz. 115. 4 BAG v. 8.12.2015 – 3 AZR 267/14, NZA-RR 2016, 374 (377); Roloff in Erman, § 305c Rz. 20; Ulmer/Schäfer in UBH, § 305c Rz. 82. 5 BAG v. 19.3.2009 – 6 AZR 557/07, NZA 2009, 896 (898); Roloff in HWK, § 305c BGB Rz. 7. 6 Ulmer/Schäfer in UBH, § 305c Rz. 84. 7 Roloff in Erman, § 305c Rz. 25; Ulmer/Schäfer in UBH, § 305c Rz. 83.
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§ 305c | Überraschende und mehrdeutige Klauseln wendung spezifischer Rechtsbegriffe ergeben, sofern auch für diese tatsächlich ein unterschiedlicher Kenntnisgrad verschiedener Verkehrskreise besteht.1 59 Die besonderen Grundsätze zur Auslegung von AGB gelten nach Ansicht des
BAG auch für Klauseln in Formularverträgen, die auf kollektivrechtlich ausgehandelte Vertragsbedingungen Bezug nehmen oder inhaltlich mit diesen übereinstimmen,2 nicht jedoch für die Auslegung der in Bezug genommenen Kollektivvereinbarung.3 Vgl. aber auch Rz. 70, 79 ff.
bb) Ergänzende Vertragsauslegung 60 Grundvoraussetzung einer ergänzenden Vertragsauslegung ist, dass der Vertrag
eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit enthält.4 Bezüglich der Möglichkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung ist bei AGB wie folgt zu unterscheiden: Beruht die Regelungslücke auf der Nichteinbeziehung oder Unwirksamkeit einer Klausel der AGB, ist § 306 BGB anzuwenden, der eine ergänzende Vertragsauslegung nur in engen Grenzen ermöglicht. Besteht demgegenüber trotz vollständig wirksamer AGB eine Regelungslücke, kommt auch bei AGB eine ergänzende Vertragsauslegung ohne die zusätzlichen Einschränkungen des § 306 BGB in Betracht.5 Die ergänzende Vertragsauslegung hat nach dem für AGB maßgeblichen objektiv-typisierten Maßstab zu erfolgen hat, der am Willen und Interesse der typischerweise beteiligten Verkehrskreise auszurichten ist. Die ergänzende Vertragsauslegung von AGB muss daher für den jeweiligen Vertragstyp als allgemeine Lösung eines stets wiederkehrenden Interessengegensatzes angemessen sein, was auf Basis einer angemessenen Abwägung der Interessen redlicher Vertragsparteien nach Treu und Glauben zu ermitteln ist.6
cc) Restriktionsprinzip 61 Zum Teil wird als weitere Auslegungsregel für AGB das Restriktionsprinzip he-
rangezogen, wonach Klauseln, die die Rechte des Vertragspartners des Verwenders einschränken (z.B. Haftungsbeschränkungs- oder Ausschlussklauseln), eng auszulegen sein sollen.7 Nach zutreffender Ansicht handelt es sich bei dem Res-
1 Roloff in Erman, § 305c Rz. 25; Ulmer/Schäfer in UBH, § 305c Rz. 83. 2 BAG v. 19.3.2009 – 6 AZR 557/07, NZA 2009, 896 (898); ebenso Roloff in HWK, § 305c BGB Rz. 8. Das BAG weist in seiner Entscheidung aber zu Recht darauf hin, dass aufgrund von § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB bei vollständiger Bezugnahme auf Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen keine Inhaltskontrolle möglich ist. 3 BAG v. 8.12.2015 – 3 AZR 267/14, NZA-RR 2016, 374 (377). 4 Vgl statt aller nur Ellenberger in Palandt, § 157 Rz. 3 m.w.N. 5 Grüneberg in Palandt, § 305c Rz. 17; Lindacher/Hau in WLP, § 305c Rz. 122 f. 6 BAG v. 16.12.2009 – 5 AZR 888/08, NZA 2010, 401 (402); ebenso im Rahmen des § 306 BGB BAG v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2008, 853 (855). 7 Vgl. etwa Lindacher/Hau in WLP, § 305c Rz. 137 ff. m.w.N.
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III. Auslegung mehrdeutiger Klauseln | § 305c
triktionsprinzip jedoch nicht um ein eigenständiges Auslegungsprinzip für AGB. Für ein generelles Restriktionsprinzip ist neben den detaillierten gesetzlichen Regelungen zur Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle sowie Auslegung von AGB gem. §§ 305 ff. BGB weder Raum noch Bedarf.1 Bestehen bei einer den Arbeitnehmer belastenden Formularklausel mehrere Auslegungsvarianten, führt eine Anwendung der Unklarheitenregel ohnehin zu dem von den Befürwortern des Restriktionsprinzips gewünschten Ergebnis. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass bei der Auslegung bestimmter typischer 62 arbeitsrechtlicher Regelungen wie insbesondere Ausgleichs-, Erledigungs- oder Verzichtsklauseln die arbeitsrechtlichen Besonderheiten und die typische gemeinsame Erwartungshaltung der Vertragsparteien zu berücksichtigen sind. Eine objektiv-typisierte Auslegung derartiger Klauseln ergibt, dass sie grundsätzlich weit auszulegen sind,2 aber nur die typischen, regelmäßigen arbeitsvertraglichen Ansprüche erfassen und z.B. nicht zum Ausschluss von Anwartschaften auf betriebliche Altersversorgung führen, wenn dies nicht klar geregelt ist.3 b) Kein eindeutiges Auslegungsergebnis Voraussetzung für eine Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 63 BGB ist, dass sich bei der objektiven, typisierten Auslegung der Formularklausel kein eindeutiges Ergebnis ergibt, sondern nach Ausschöpfung der anerkannten Auslegungsmethoden mindestens zwei verschiedene Auslegungsergebnisse vertretbar erscheinen. Dafür genügt es nicht, wenn bloß die entfernte Möglichkeit besteht, auch zu einem anderen Auslegungsergebnis zu kommen.4 Vielmehr müssen vernünftige, nicht behebbare Zweifel bzw. erhebliche Zweifel an der richtigen Auslegung der Klausel bestehen,5 so dass mindestens zwei Auslegungs1 2 3 4
Vgl. hierzu ausführlich Ulmer/Schäfer in UBH, § 305c Rz. 227 ff. m.w.N. Vgl. BAG v. 19.11.2008 – 10 AZR 671/07, NZA 2009, 318 (321). Ähnlich Däubler in DBD, § 305c Rz. 36. BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 1/08, NZA-RR 2009, 576 (577); BAG v. 15.4.2015 – 4 AZR 796/13, NZA 2015, 1388 (1397); BAG v. 5.11.2016 – 3 AZR 582/15, NZA 2017, 1058 (1065); Däubler in DBD, § 305c Rz. 32. 5 BAG v. 17.1.2006 – 9 AZR 41/05, NZA 2006, 923 (926); BAG v. 12.9.2006 – 9 AZR 675/ 05, NZA 2007, 218 (220), BAG v. 5.11.2016 – 3 AZR 582/15, NZA 2017, 1058 (1065) sowie BAG v. 21.2.2017 – 3 AZR 297/15, NZA 2017, 723 (725) verlangen „nicht behebbare“ Zweifel, BAG v. 19.7.2007 – 6 AZR 774/06, NZA 2007, 1095 (1097) „vernünftige“ Zweifel. Nach BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 1/08, NZA-RR 2009, 576 (577), BAG v. 23.2. 2011 – 10 AZR 96/10, BAG v. 23.2.2011 – 10 AZR 101/10, AP § 305c BGB Nr. 15, BAG v. 15.4.2015 – 4 AZR 796/13, NZA 2015, 1388 (1397), BAG v. 3.8.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334 (1336) sowie BAG v. 22.3.2017 – 10 AZR 448/15, NZA 2017, 845 (848) sind „erhebliche“ Zweifel erforderlich. Ein tatsächlicher inhaltlicher Unterschied in den damit zum Ausdruck gebrachten Prüfungsmaßstäben der verschiedenen Senate des BAG ist nicht erkennbar.
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§ 305c | Überraschende und mehrdeutige Klauseln ergebnisse vertretbar erscheinen und keins der Auslegungsergebnisse den klaren Vorzug verdient.1 64 Demgegenüber liegen die Voraussetzungen des § 305c Abs. 2 BGB nicht vor,
wenn sich mehrere Klauseln, deren isolierte Auslegung jeweils zu einem eindeutigen Ergebnis führt, inhaltlich widersprechen. In diesem Fall ist die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB nicht anwendbar, sondern die Frage ist anhand des Transparenzgebots des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu beurteilen2 und eine sich aufgrund einer etwaigen Unwirksamkeit der Vertragsklausel ergebende Vertragslücke ist gem. § 306 BGB zu schließen.
65 Die Voraussetzungen des § 305c Abs. 2 BGB liegen auch dann nicht vor, wenn der
Formularvertrag eine bloße Lücke aufweist.3 Eine etwaige Lücke in einem Formularvertrag ist im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu schließen (vgl. Rz. 60).
4. Rechtsfolgen a) Arbeitnehmerfreundlichste versus arbeitnehmerfeindlichste Auslegung 66 Rechtsfolge des § 305c Abs. 2 BGB ist im Grundsatz, dass die für den Vertrags-
partner des Verwenders günstigere Auslegungsvariante zu wählen ist, sog. Grundsatz der kunden- bzw. arbeitnehmerfreundlichsten Auslegung. Dieses Vorgehen kann jedoch zu unbefriedigenden Ergebnissen führen, wenn eine der Auslegungsvarianten gegen §§ 307 ff. BGB verstößt und daher im Falle ihrer Anwendung zur Unwirksamkeit der Klausel insgesamt führen würde. In einem solchen Fall könnte die Wahl der arbeitnehmerfreundlichsten Auslegung zu einer nicht beabsichtigten geltungserhaltenden Reduktion zugunsten des Verwenders führen und den Vertragspartner schlechter stellen, als wenn die arbeitnehmerfeindlichere unwirksame Auslegungsvariante gewählt würde.
67 Vor diesem Hintergrund ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass
bei Klauseln, die den Arbeitnehmer belasten, zur Ermittlung der Rechtsfolge des § 305c Abs. 2 BGB ein zweistufiges Vorgehen zu wählen ist: In einer ersten Stufe ist zu prüfen, ob eins der gefunden Auslegungsergebnisse zu einer Unwirksamkeit der Klausel führen würde. Ist dies der Fall, ist zugunsten des Arbeitnehmers diese arbeitnehmerfeindlichste Auslegungsvariante zu wählen, die zur Unwirksamkeit der Klausel insgesamt führt. Ist dies nicht der Fall, ist in einer zweiten Stufe das für den Arbeitnehmer vorteilhafteste Auslegungsergebnis zu 1 BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 1/08, NZA-RR 2009, 576 (577); BAG v. 20.1.2010 – 10 AZR 914/08, NZA 2010, 445 (446). 2 BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 1/08, NZA-RR 2009, 576 (577); BAG v. 20.1.2010 – 10 AZR 914/08, NZA 2010, 445 (446); LAG Hamburg v. 10.5.2017 – 6 Sa 6/17; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 31a; Krause in Staudinger, Anh. zu § 310 Rz. 172. 3 Anders offenbar Däubler in DBD, § 305c Rz. 32.
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III. Auslegung mehrdeutiger Klauseln | § 305c
ermitteln und zugunsten des Arbeitnehmers anzuwenden.1 Geht es demgegenüber um die Wirksamkeit von Klauseln, die den Arbeitnehmer als Vertragspartner des Verwenders begünstigen, ist von vornherein gem. § 305c Abs. 2 BGB die für den Arbeitnehmer vorteilhafteste Auslegungsvariante zu wählen.2 Diese Vorgehensweise verstößt nicht gegen Art. 5 Satz 2, Satz 3 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993, wonach das beschriebene zweistufige Vorgehen nur im Verbandsprozess vorgesehen ist. Zum einen besteht im deutschen Arbeitsrecht gem. § 15 UKlaG gar nicht die Möglichkeit einer Verbandsklage, womit der von der Richtlinie vorgesehene Weg des Verbandsprozesses im Arbeitsrecht nicht möglich ist, so dass insofern auch nicht von einer Sperrwirkung der Richtlinie auszugehen ist.3 Zum anderen ermöglicht § 8 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 es den Mitgliedstaaten, strengere Bestimmungen zu erlassen, um ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher zu gewährleisten. Mit der zweistufigen Prüfung auch im Individualprozess wird ein solches höheres Schutzniveau zugunsten der Arbeitnehmer gewährleistet.4 Die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB bezieht sich nur auf die Auslegung 68 des Formularvertrages selbst. Sie gilt nicht für die Ermittlung der Bedeutung unklarer Begleitumstände, für die das Verständnis eines redlichen und verständigen Erklärungsempfängers heranzuziehen ist.5 b) Abstrakter oder konkreter Günstigkeitsvergleich Vorbehaltlich der Besonderheiten bei Bezugnahmeklauseln (vgl. Rz. 70) ist die 69 Günstigkeit verschiedener Auslegungsergebnisse im Rahmen des § 305c Abs. 2 BGB nicht abstrakt zu ermitteln, sondern konkret. Es kommt weder darauf an, welche Auslegung für die Vertragspartner des Verwenders typischerweise günstiger ist, noch darauf, welche Auslegung für den konkreten Vertragspartner regelmäßig günstiger ist. Maßgeblich ist vielmehr, welche Auslegung für den konkreten Vertragspartner des Verwenders in der konkreten Situation günstiger ist. Daher kann die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB zu unterschiedlichen 1 BAG v. 18.3.2008 – 9 AZR 186/07, NZA 2008, 1004 (1007); LAG Köln v. 26.10.2005 – 7 Sa 298/05; Däubler in DBD, § 305c Rz. 35; Hromadka, NJW 2002, 2523 (2526); Lingemann, NZA 2002, 181 (186); Ulmer/Schäfer in UBH, § 305c Rz. 91; Lindacher/Hau in WLP, § 305c Rz. 131 ff.; kritisch Roloff in HWK, § 305c BGB Rz. 9. Dies entspricht auch der (überwiegenden) Vorgehensweise der Zivilgerichte, vgl. z.B. BGH v. 11.2. 1992 – XI ZR 151/91, NJW 1992, 1097 (1099) sowie BGH v. 10.5.1994 – XI ZR 65/93, NJW 1994, 1798 (1799). 2 Vgl. LAG Köln v. 2.12.2010 – 13 Sa 280/10 zur Auslegung eines vertraglichen Rückkehrrechts nach Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung. 3 Däubler in DBD, § 305c Rz. 35; Reinecke, AuR 2003, 414 ff. 4 Däubler in DBD, § 305c Rz. 35; Lindacher/Hau in WLP, § 305c Rz. 133. 5 So BAG v. 26.9.2007 – 5 AZR 808/06, NZA 2008, 179 (180) bezüglich der Übersendung einer nicht mehr aktuellen Fassung des Tarifvertrages, auf den in dem Formulararbeitsvertrag Bezug genommen wurde; zustimmend Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 32.
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§ 305c | Überraschende und mehrdeutige Klauseln Ergebnissen führen, je nachdem in welcher Situation der Auslegungsstreit entsteht. Besteht beispielsweise Unklarheit darüber ob (oder für wie lange) ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart worden ist, ist einerseits vom Nichtbestehen eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots auszugehen, wenn der Arbeitnehmer eine Tätigkeit bei einem Wettbewerber aufnehmen will, aber andererseits die Existenz eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer Zahlung der Karenzentschädigung geltend macht.1 Bei Unklarheit darüber, ob ein befristetes Probearbeitsverhältnis oder ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit Probezeit vereinbart wurde, kommt es ebenfalls darauf an, in welcher Situation der Streit besteht: Geht es um den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der vereinbarten Zeit, ist bei Auslegungszweifeln davon auszugehen, dass eine bloße Probezeit vereinbart war, dass Arbeitsverhältnis also auch nach Ablauf der vereinbarten Zeit fortbesteht.2 Geht es um eine ordentliche Kündigung vor Ablauf der vereinbarten Zeit, ist demgegenüber von einem befristeten Probearbeitsverhältnis auszugehen, bei dem eine vorzeitige ordentliche Kündigung vorbehaltlich einer anderweitigen Abweichung gem. § 15 Abs. 3 TzBfG nicht möglich ist. An ein einmal gefundenes Auslegungsergebnis ist der Arbeitnehmer allerdings gebunden. Es wäre rechtsmissbräuchlich und würde durch das Verbot widersprüchlichen Verhaltens gem. § 242 BGB unterbunden, wenn der Arbeitnehmer sich je nach Konstellation mal auf die eine und mal auf die andere Auslegungsmöglichkeit einer Formularklausel berufen könnte. c) Keine Anwendung bei Bezugnahmeklauseln 70 Mit dem BAG ist davon auszugehen, dass die Unklarheitenregel bei Formular-
klauseln, die auf Tarifverträge (oder andere Kollektivvereinbarungen) insgesamt oder für einen konkreten Regelungsgegenstand Bezug nehmen, insofern keine Anwendung findet, dass ein etwaiger unklarer Inhalt der in Bezug genommenen Kollektivvereinbarung nicht anhand der Unklarheitenregel ausgelegt wird. Grund hierfür ist, dass die Frage der Günstigkeit bei Bezugnahmeklauseln nicht abstrakt und losgelöst von der jeweiligen Fallkonstellation beantwortet werden kann und daher keine eindeutige Antwort auf die Frage der Günstigkeit möglich ist. Einer gespaltenen Auslegung der Klausel steht zudem entgegen, dass die Reichweite der Bezugnahme und die Anwendbarkeit einer Kollektivvereinbarung gem. § 256 ZPO Gegenstand einer (Zwischen-)Feststellungsklage sein und damit in Rechtskraft erwachsen kann.3 Hiervon zu trennen ist allerdings die Frage, wie die in einem Formulararbeitsvertrag enthaltene Bezugnahmeklausel 1 LAG Nürnberg v. 16.6.2005 – 8 Sa 986/04; vgl. auch Däubler in DBD, § 305c Rz. 34a. Unklar Bauer/Diller, NJW 2002, 1609 (1613). 2 So auch Däubler in DBD, § 305c Rz. 50. 3 BAG v. 24.9.2008 – 6 AZR 76/07, NZA 2009, 154 (157); BAG v. 29.6.2011 – 5 AZR 186/ 10; LAG Hamburg v. 25.1.2018 – 7 Sa 100/17, NZA-RR 2018, 311 (314).
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selbst auszulegen ist (statisch oder dynamisch, „kleine Dynamik“ oder „große Dynamik“). Insofern findet die Unklarheitenregel Anwendung, vgl. Rz. 79. d) Kein Schutz des Verwenders Da es sich bei § 305c Abs. 2 BGB um eine Norm zum Schutz des Vertragspart- 71 ners des Verwenders handelt, kann sich der Arbeitgeber als Verwender nicht auf § 305c Abs. 2 BGB berufen, um die von ihm gewünschte Auslegung einer Formularklausel bzw. deren Gültigkeit oder Ungültigkeit zu erreichen.1
5. Darlegungs- und Beweislast Ergeben sich bei der Auslegung von Formularverträgen Unklarheiten, hat das 72 Gericht nach den oben beschriebenen Grundsätzen die für den Vertragspartner des Verwenders günstigste Auslegung heranzuziehen. Die Auslegung von AGB ist auch in der Revisionsinstanz voll überprüfbar, § 73 ArbGG enthält insofern keine Beschränkungen für das arbeitsgerichtlichen Revisionsverfahren.2 Beruft sich eine Partei auf ein von der objektiven Auslegung abweichendes, gemeinsames Verständnis beider Vertragsparteien von der Bedeutung der Klausel, so trifft die sich hierauf berufende Partei die Darlegungs- und Beweislast für das abweichende gemeinsame Verständnis.
6. Einzelne Klauseln Bei der Auslegung von Formularklauseln kommt es auf den exakten Wortlaut 73 der Klausel sowie ggf. den systematischen Zusammenhang und Zweck der Regelung an. Im Folgenden können daher nur beispielhaft Klauseltypen aufgezeigt werden, bei denen es zu Unklarheiten kommen kann, was jedoch in jedem Einzelfall sorgfältig zu prüfen ist: (1) Arbeit auf Abruf Will der Arbeitgeber sich vorbehalten, eine bestimmte zusätzliche Stunden- 74 menge vom Arbeitnehmer auf Abruf verlangen zu können, bedarf es einer klaren Gestaltung der Klausel dahingehend, dass es nicht nur um eine Verpflichtung zur Erbringung von Überstunden im Falle besonderer, unvorhergesehener Umstände geht, sondern der Arbeitgeber generell einseitig berechtigt sein soll, 1 LAG Nürnberg v. 16.6.2005 – 8 Sa 986/04; Däubler in DBD, § 305c Rz. 34b; Roloff in HWK, § 305c BGB Rz. 8. 2 Vgl. BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324 (327) sowie BAG v. 1.2.2006 – 5 AZR 628/04, NZA 2006, 682 (683).
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§ 305c | Überraschende und mehrdeutige Klauseln auch ohne besonderen Grund die Erbringung weiterer Arbeitsstunden von dem Arbeitnehmer zu verlangen.1 (2) Arbeitgeberdarlehen 75 Bestehen bei einem formularmäßig vereinbarten Arbeitgeberdarlehen Unklar-
heiten bezüglich der Zinsregelung, geht dies zu Lasten des Arbeitgebers.2
(3) Ausschlussfristen 76 Ist bei einer Ausschlussfrist nicht klar geregelt, wann sie beginnt – typischer-
weise mit Fälligkeit des jeweiligen Anspruchs – ist bei Ansprüchen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber zugunsten des Arbeitnehmers auf den spätesten in Betracht kommenden Zeitpunkt (grundsätzlich denkbar sind Entstehung, Fälligkeit, Abrechnung für den fraglichen Zeitraum oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses) abzustellen.3 Bei Ansprüchen des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer ist demgegenüber zugunsten des Arbeitnehmers auf den frühesten in Betracht kommenden Zeitpunkt abzustellen. Zur Wahrung einer einstufigen oder zweistufigen Ausschlussfrist mit Blick auf Einzelansprüche aus dem Arbeitsverhältnis (einschließlich Annahmeverzugslohn) genügt aufgrund der Unklarheitenregel die Erhebung einer Kündigungsschutzklage, soweit im Zusammenhang mit der Ausschlussfrist nicht klar etwas anderes geregelt ist.4 (4) Befristung
77 Der bloße Umstand, dass in einem Formulararbeitsvertrag ein Sachgrund für
die Befristung genannt wird, führt nicht dazu, dass es dem Arbeitgeber aufgrund der Unklarheitenregel verwehrt wäre, sich auf die Wirksamkeit der Befristung als sachgrundlose Befristung zu berufen.5
(5) Betriebsvereinbarungsoffenheit von Arbeitsverträgen 78 Nach einer Entscheidung des BAG soll von einer konkludenten Betriebsverein-
barungsoffenheit von Arbeitsverträgen, d.h. ihrer Abänderbarkeit durch Be-
1 Hohenstatt/Schramm, NZA 2007, 238 (239). 2 BAG v. 16.10.1991 – 5 AZR 35/91, NZA 1992, 793 (794). 3 Vgl. auch LAG Hamm v. 1.6.2012 – 13 Sa 1850/11, das allerdings zu Unrecht aus einer Unklarheit gem. § 305c Abs. 2 BGB eine Unwirksamkeit der Klausel gem. § 307 Abs. 1. Satz 2 BGB ableitet, anstatt die Klausel zutreffend in der für den Arbeitnehmer günstigsten Weise auszulegen. 4 BAG v. 19.3.2008 – 5 AZR 429/07, NZA 2008, 757 ff.; vgl. auch BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939 (941 f.). 5 So im Ergebnis auch BAG v. 5.6.2002 – 7 AZR 241/01, NZA 2003, 149 (152) noch zur Rechtslage auf Basis des BeschFG.
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III. Auslegung mehrdeutiger Klauseln | § 305c
triebsvereinbarung auszugehen sein, wenn der Arbeitgeber Arbeitsverträge in Form von Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendet und damit für den Arbeitnehmer deutlich macht, dass im Betrieb einheitliche Vertragsbedingungen gelten sollen. Die Unklarheitenregel stehe dem nicht entgegen.1 (6) Bezugnahmeklauseln Die Unklarheitenregel findet auch Anwendung bei der Auslegung von arbeits- 79 vertraglichen Bezugnahmeklauseln.2 Das ist insbesondere von Bedeutung für die Feststellung, ob es sich um eine statische oder eine dynamische Bezugnahmeklausel handelt: Geht aus einer Bezugnahme auf einen Tarifvertrag nicht klar hervor, dass der Tarifvertrag in einer konkret nach Datum festgelegten Fassung in Bezug genommen werden soll, ist nach Ansicht des BAG regelmäßig anzunehmen, dass die Bezugnahme sich zeitdynamisch auf den Tarifvertrag in seiner jeweils geltenden Fassung erstreckt.3 Darüber hinaus soll nach Ansicht des Hessischen LAG auch eine Arbeitsvertragsklausel, die eine „Vergütung in Anlehnung an den BAT“ vorsieht, auf Basis der Unklarheitenregel als dynamische Bezugnahme auf den BAT auszulegen sein, wenn sich bei einer Auslegung des Arbeitsvertrags nicht eindeutig etwas anderes ergibt.4 Zudem stellt die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB auch einen der tra- 80 genden Gründe für die Änderung der Rechtsprechung des BAG zur Auslegung von dynamischen Tarifbezugnahmeklauseln als Gleichstellungsabrede dar: Während das BAG früher davon ausging, dass die Tarifbezugnahme in einem von einem tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag lediglich eine Gleichstellung der nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer mit den tarifgebundenen Arbeitnehmern bezwecke, wendet das BAG diese Auslegungsregel aufgrund der Unklarheitenregel auf ab dem 1.1.2002 abgeschlossene Formulararbeitsverträge nicht mehr an. Für ab dem 1.1.2002 abgeschlossene Formulararbeitsverträge kann eine Gleichstellungsabrede nur angenommen werden, wenn aus der Tarifbezugnahmeklausel klar hervorgeht, dass mit ihr eine Gleichstellung von nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern und tarifgebundenen Arbeitnehmern bezweckt ist.5 1 BAG v. 5.3.2013 – 1 AZR 417/1, NZA 2013, 916 (921); ob dies zutreffend ist, wurde offengelassen von BAG v. 11.4.2018 – 4 AZR 119/17, NZA 2018, 1273 (1277 f.); kritisch zur Wirksamkeit auch Creutzfeldt, NZA 2018, 1111 (1118 f.). 2 BAG v. 9.11.2005 – 5 AZR 128/05, NZA 2006, 202 (204); zustimmend Hunold, NZA-RR 2006, 113 (115). Vgl. aber Rz. 70 zu der Einschränkung der Anwendbarkeit der Unklarheitenregel mit Blick auf den Inhalt der in Bezug genommenen Kollektivvereinbarung. 3 BAG v. 17.1.2006 – 9 AZR 41/05, NZA 2006, 923 (926); zustimmend Preis/Deutzmann, NZA-Beilage 3/2017, 101 (103). 4 Hessisches LAG v. 3.9.2010 – 19 Sa 2011/09. 5 Ausführlich BAG v. 14.12.2005 – 4 AZR 536/04, NZA 2006, 607 ff. sowie BAG v. 18.4. 2007 – 4 AZR 652/05, NZA 2007, 965 ff.
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§ 305c | Überraschende und mehrdeutige Klauseln 81 Auch große dynamische Bezugnahmeklauseln sind grundsätzlich nicht unklar
i.S.v. § 305c Abs. 2 BGB.1
82 Die Auslegung der in Bezug genommenen Kollektivregelung selbst richtet sich
nicht nach § 305c Abs. 2 BGB und den für AGB maßgeblichen Auslegungsgrundsätzen,2 sondern nach den Regelungen zur Auslegung von Tarifverträgen bzw. Betriebsvereinbarungen.
(7) Freiwilligkeitsvorbehalt 83 Ist bei der Auslegung einer Formularklausel unklar, ob ein Anspruch auf eine
bestimmte Leistung besteht (z.B. „Teilnahme am Bonusplan“) oder es sich um eine freiwillige Leistung handelt, führt die Unklarheitenregel dazu, dass ein Anspruch besteht.3 Auch wenn unklar ist, ob sich ein Freiwilligkeitsvorbehalt auf sämtliche Sonderzahlungen an den Arbeitnehmer bezieht oder eine bestimmte Sonderzahlung (z.B. eine Weihnachtsgratifikation) aufgrund in Bezug genommener tariflicher Regelungen ohne Freiwilligkeitsvorbehalt gewährt wird, ist gem. § 305c Abs. 2 BGB zugunsten des Arbeitnehmers davon auszugehen, dass der Freiwilligkeitsvorbehalt nicht die Sonderzahlung erfasst, für die auf die tariflichen Regelungen Bezug genommen wird.4 Demgegenüber soll nach der Rechtsprechung des BAG ein Freiwilligkeitsvorbehalt wegen Widersprüchlichkeit und damit wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB insgesamt unwirksam sein, wenn in derselben Klausel geregelt ist, dass die Sonderzahlung in einer bestimmten Höhe gezahlt wird,5 wenn in demselben Vertrag einerseits ein Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation vorgesehen ist, andererseits aber die Weihnachtsgratifikation als freiwillige, stets widerrufliche Leistung bezeichnet wird6 sowie generell wenn ein Freiwilligkeits- und ein Widerrufsvorbehalt kombiniert werden.7 (8) Geschäftsführervertrag
84 Mit dem BAG ist davon auszugehen, dass kein Zweifel i.S.d. § 305c Abs. 2 BGB
daran besteht, dass mit dem Abschluss eines schriftlichen Geschäftsführeranstellungsvertrages ein vorher zwischen den Parteien bestehender Arbeitsvertrag einvernehmlich aufgehoben wird.8 1 Vgl. ausführlich Jordan/Bissels, NZA 2010, 71 (72 ff.) m.w.N. 2 BAG v. 8.12.2015 – 3 AZR 267/14, NZA-RR 2016, 374 (377). 3 BAG v. 3.8.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334 (1336 f.); zustimmend Bauerdick/ Hettche, NZA-RR 2018, 337 (338). 4 BAG v. 20.1.2010 – 10 AZR 914/08, NZA 2010, 445 (446). 5 BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 1/08, NZA-RR 2009, 576 (577). 6 BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173 (1179). 7 BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81 (82 ff.). 8 BAG v. 19.7.2007 – 6 AZR 774/06, NZA 2007, 1095 (1097); Däubler in DBD, § 305c Rz. 32.
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III. Auslegung mehrdeutiger Klauseln | § 305c
(9) Klageverzicht Geht aus einer zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Zusammenhang mit 85 einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses geschlossenen Vereinbarung nicht eindeutig hervor, dass es sich entweder um einen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eigenständig regelnden Abwicklungsvertrag handelt oder dass die Vereinbarung auch einen Verzicht auf Erhebung einer Kündigungsschutzklage durch den Arbeitnehmer enthalten soll, geht diese Unklarheit gem. § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Arbeitgebers, so dass der Arbeitnehmer die Kündigung im Wege einer Kündigungsschutzklage angreifen kann.1 (10) Nettolohnvereinbarung Nettolohnvereinbarungen sind in der Praxis die absolute Ausnahme und typi- 86 scherweise nicht von den Parteien gewollt. Bei objektiv-typisierter Betrachtung wird in Arbeitsverhältnissen daher regelmäßig von einer Bruttolohnvereinbarung auszugehen sein, sofern nicht deutlich erkennbar ist, dass die Parteien eine Nettolohnabrede treffen wollten.2 (11) Probearbeitsverhältnis versus Probezeit Bleibt bei der Auslegung eines Formulararbeitsvertrages unklar, ob es sich um 87 ein befristetes Probearbeitsverhältnis handelt oder um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mir vorgeschalteter Probezeit, hängt das Ergebnis der Anwendung der Unklarheitenregel davon ab, in welcher Situation der Streit besteht, vgl. Rz. 69. (12) Rückzahlungsklauseln Rückzahlungsklauseln müssen genau definieren, unter welchen Voraussetzun- 88 gen, für welchen Zeitraum und in welcher Höhe eine Rückzahlungspflicht bestehen soll und ob eine Brutto- oder Nettorückzahlung geschuldet ist. Zudem muss bei Auszubildenden eindeutig sein, ob ein Anspruch auf Übernahme in ein Arbeitsverhältnis besteht, um eine Unklarheit zu vermeiden.3 1 LAG Berlin-Brandenburg v. 5.1.2011 – 15 Sa 1992/10. 2 Vgl. hierzu im Ergebnis bereits BAG v. 19.12.1963 – 5 AZR 174/63, NJW 1964, 837 f. sowie BAG v. 18.1.1974 – 3 AZR 183/73, AP BGB § 670 Nr. 19. A.A. Däubler in DBD, § 305c Rz. 54, der hierin einen Verstoß gegen die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB sieht, dabei jedoch verkennt, dass bei der objektiv-typisierten Auslegung zu berücksichtigen ist, wie ungewöhnlich Nettolohnabreden in der Praxis sind, so dass es sich bei der Auslegung als Nettolohnabrede häufig um eine fernliegende Auslegungsmöglichkeit handelt, die nicht als gleichwertige Auslegungsalternative im Rahmen des § 305c Abs. 2 BGB zu berücksichtigen ist. 3 BAG v. 18.3.2008 – 9 AZR 186/07, NZA 2008, 1004 (1006 f.).
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§ 305c | Überraschende und mehrdeutige Klauseln (13) Urlaub und Urlaubsgeld 89 Nach Ansicht des BAG soll eine formulararbeitsvertragliche Bezugnahme auf
die tariflichen Urlaubsregelungen regelmäßig dahingehend auszulegen sein, dass damit auf den gesamten tariflichen Regelungskomplex zum Urlaub Bezug genommen wird einschließlich eines zusätzlichen tariflichen Urlaubsgeldes, und zwar selbst dann, wenn der Tarifvertrag Urlaubsdauer, Urlaubsentgelt und zusätzliches Urlaubsgeld in mehreren getrennten Tarifvorschriften regelt.1
(14) Vertragsstrafen 90 Sieht eine Klausel in einem Formulararbeitsvertrag eine Vertragsstrafe für den
Fall des Vertragsbruchs vor, erfasst diese Regelung nur die Fälle, dass der Arbeitnehmer rechtswidrig und schuldhaft die Arbeit nicht aufnimmt oder das Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund vor Ablauf der Kündigungsfrist beendet. Sonstige Vertragsverletzungen werden jedenfalls aufgrund der Unklarheitenregel nicht von der Vertragsstrafeklausel erfasst.2
(15) Wettbewerbsverbot 91 Bleibt nach Auslegung einer Formularklausel unklar, ob die Parteien ein nach-
vertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart haben, kann die Anwendung der Unklarheitenregel je nach Konstellation zu unterschiedlichen Auslegungsergebnissen führen: Vom Nichtbestehen eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ist auszugehen, wenn der Arbeitnehmer eine Tätigkeit bei einem Wettbewerber aufnehmen will. Demgegenüber ist von der Existenz eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots auszugehen, wenn der Arbeitnehmer Zahlung der Karenzentschädigung geltend macht.3 Etwaige Unklarheiten bei der Höhe der für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot zugesagten Karenzentschädigung gehen zu Lasten des Arbeitgebers als Verwender (vgl. auch Rz. 69).4 (16) Widerrufsrecht
92 Auch auf die Frage, was im Fall der wirksamen Ausübung eines Widerrufsrechts
des Arbeitgebers gelten soll, findet die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB Anwendung.5
1 BAG v. 17.1.2006 – 9 AZR 41/05, NZA 2006, 923 (925 f.). 2 BAG v. 18.9.1991 – 5 AZR 650/90, NZA 1992, 215 (217). 3 LAG Nürnberg v. 16.6.2005 – 8 Sa 986/04; LAG Köln v. 28.5.2010 – 10 Sa 162/10; vgl. auch Däubler in DBD, § 305c Rz. 34a; unklar Bauer/Diller, NJW 2002, 1609 (1613). 4 LAG Hamm v. 23.3.2010 – 14 SaGa 68/09. 5 BAG v. 26.1.2005 – 10 AZR 331/04, NZA-RR 2005, 389 (392).
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III. Auslegung mehrdeutiger Klauseln | § 305c
(17) Widerrufs-, Änderungs- und Anrechnungsvorbehalte Widerrufs-, Änderungs- und Anrechnungsvorbehalte bezüglich der Gewährung 93 von übertariflichen Lohnbestandteilen oder sonstigen Zusatzleistungen setzen voraus, dass der jeweilige Vorbehalt eindeutig geregelt ist. Nach der Rechtsprechung des BAG genügt insofern die Bezeichnung einer Leistung als „übertariflich“,1 was in der Literatur jedoch zum Teil kritisch gesehen wird.2 (18) Zielvereinbarungen/Punktaufstiegsprämie Unklarheiten bei der Regelung des zu erreichenden Ziels in einer Zielverein- 94 barung gehen zu Lasten des Arbeitgebers.3 Ebenso geht es zu Lasten des Arbeitgebers, wenn bei einer „Punktaufstiegsprämie“ in einem Profi-Fußballspielervertrag unklar ist, ob die Zahlung der Prämie davon abhängt, dass der Spieler tatsächlich in Spielen eingesetzt worden ist oder nicht.4
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BAG v. 27.8.2008 – 5 AZR 820/07, NZA 2009, 49 (51 f.). Preis/Deutzmann, NZA-Beilage 3/2017, 101 (104 f.). LAG Hessen v. 29.1.2002 – 7 Sa 836/01; Roloff in HWK, § 305c BGB Rz. 10. LAG Rheinland-Pfalz v. 21.1.2011 – 9 Sa 444/10.
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§ 306 Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit (1) Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, so bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam. (2) Soweit die Bestimmungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrags nach den gesetzlichen Vorschriften. (3) Der Vertrag ist unwirksam, wenn das Festhalten an ihm auch unter Berücksichtigung der nach Absatz 2 vorgesehenen Änderung eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde. I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . II. Überblick über das Rechtsfolgenkonzept des § 306 BGB . 1. § 306 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . 2. § 306 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . 3. § 306 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . III. Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (Klausel-RL) . . . . . . . . . . . . . IV. Anwendungsbereich des § 306 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirksamkeit des Restvertrages 2. AGB sind nicht Vertragsinhalt geworden . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unwirksame AGB . . . . . . . . . V. Teilunwirksamkeit des Rechtsgeschäfts nach § 306 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Teilbarkeit von vorformulierten Vertragsbedingungen in der Rechtsprechung des BGH . . . . 2. Teilbarkeit von vorformulierten Vertragsbedingungen in der Rechtsprechung des BAG . . . . 3. Einzelfälle der Teilbarkeit bzw. Nichtteilbarkeit vorformulierter Vertragsbestimmungen . . . . . . VI. Schließung der Vertragslücke nach § 306 Abs. 2 BGB . . . . .
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_ __ __ 1 2 3 4 5
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12 14 17 19 20 21 24 27 49
VII. Ergänzende Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen der ergänzenden Vertragsauslegung . . . . . . . a) Subsidiarität der ergänzenden Vertragsauslegung gegenüber der Lückenfüllung durch dispositives Recht gemäß § 306 Abs. 2 BGB . . . b) Ausfüllungsbedürftige Vertragslücke . . . . . . . . . . . c) Ausfüllung der Vertragslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergänzende Vertragsauslegung bei „Altverträgen“ . . . 2. Verbot der geltungserhaltenden Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritik am Verbot der geltungserhaltenden Reduktion c) Problematik des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Salvatorische Klauseln . . . . . . 1. Teilunwirksamkeits- oder Erhaltungsklauseln . . . . . . . . . 2. Gesetzesverweisende Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ersetzungsklauseln . . . . . . . . . 4. Reduktionsklauseln . . . . . . . . .
_ _ 53 54
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II. Überblick über das Rechtsfolgenkonzept des § 306 BGB | § 306 5. Kombination einer Ersetzungs-, Reduktions- oder gesetzesverweisenden Klausel mit einer Teilunwirksamkeits- bzw. Erhaltungsklausel . . . . . . . . . . . . . . .
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IX. Gesamtunwirksamkeit des Vertrages nach § 306 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Einführung Mit der Integration des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in das 1 BGB und der teilweisen1 Aufhebung der Bereichsausnahme für Verträge auf dem Gebiet des Arbeitsrechts haben sich nicht nur die Anforderungen an arbeitsvertragliche Abreden verändert. Auch die Rechtsfolgen der fehlgeschlagenen Einbeziehung und der Unwirksamkeit Allgemeiner Geschäftsbedingungen, sowie – da der Arbeitnehmer Verbraucher i.S.d. § 13 BGB und der Arbeitsvertrag Verbrauchervertrag i.S.d. § 310 Abs. 3 BGB ist2 – vorformulierter Einmalbedingungen i.S.d. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB richten sich nach den Bestimmungen des AGB-Kontrollrechts. Maßgeblich ist insoweit das Rechtsfolgenkonzept des § 306 BGB. Diese Bestimmung verpflichtet das Gericht – sofern die AGB oder die einzelnen Klauseln selbst teilbar sind – zur Eliminierung der unwirksamen Bestimmung bzw. des unwirksamen Klauselteils (s. Rz. 20–39) im Wege des „blue-pencil-Tests“ (§ 306 Abs. 1 BGB) sowie zur Lückenfüllung nach § 306 Abs. 2 BGB (s. Rz. 49–52) und legitimiert es zur ergänzenden Vertragsauslegung (s. Rz. 53–68).3 Eine geltungserhaltende Reduktion in dem Sinne, dass eine unwirksame Klausel vom Gericht stets und ohne Weiteres auf den gerade noch zulässigen Inhalt zurückgeführt und mit eben diesem Inhalt aufrechterhalten wird, ist in § 306 BGB nicht vorgesehen.4 Arbeitsrechtliche Besonderheiten, die eine geltungserhaltende Reduktion im zuvor beschriebenen Sinne rechtfertigen könnten, bestehen nach der Rechtsprechung des BAG nicht.5
II. Überblick über das Rechtsfolgenkonzept des § 306 BGB § 306 BGB, der in seinem Wortlaut mit seiner Vorgängerregelung, § 6 AGBG, 2 übereinstimmt, regelt die Folgen der fehlgeschlagenen Einbeziehung und der Unwirksamkeit von AGB für den Bestand und den Inhalt des zwischen dem Verwender (Arbeitgeber) und dem Vertragspartner des Verwenders (Arbeitnehmer) geschlossenen Vertrages. § 306 Abs. 1 BGB enthält eine kodifizierte Abwei1 § 310 Abs. 4 BGB hat die Bereichsausnahme für Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen aufrechterhalten. 2 Vgl. BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 347/11. 3 Vgl. Schlewing, RdA 2011, 92 (94 f.); Schlewing, NZA-Beilage 2/2012, 33 (33). 4 Vgl. Nachweise bei Schlewing, JbArbR Bd. 47, S. 47 (S. 48 Fn. 12). 5 Vgl. BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727; BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111.
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§ 306 | Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit chung von der Auslegungsregel des § 139 BGB,1 wonach im Falle der Teilnichtigkeit eines Rechtsgeschäfts das ganze Rechtsgeschäft nichtig ist, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde, und bestimmt, dass der Vertrag bei Teilnichtigkeit grundsätzlich aufrechterhalten bleibt.
1. § 306 Abs. 1 BGB 3 Nach § 306 Abs. 1 BGB bleibt der Vertrag, sofern AGB ganz oder teilweise nicht
Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, – abweichend von § 139 BGB – im Übrigen wirksam. Diese Bestimmung hat die Vertragserhaltung und damit in erster Linie den Schutz des Vertragspartners des Verwenders zum Ziel.2 Dieser hat regelmäßig ein Interesse daran, dass nur die unbilligen Abreden entfallen und der Vertrag im Übrigen bestehen bleibt.3 Entfiele der Vertrag schon durch eine einzelne unwirksame Bestimmung vollständig, wäre andernfalls der Vertragspartner des Verwenders grundsätzlich auf die Rückabwicklung des gesamten Vertrages4 angewiesen – und zwar mit dem Risiko des § 818 Abs. 3 BGB. Eine solche Rechtsfolge würde nicht nur über das Regelungsziel der die Unwirksamkeit der Klausel auslösenden Bestimmungen hinausschießen; auch der mit dem AGB-Kontrollrecht bezweckte Schutz würde nicht erreicht.5 Entsprechend dem ihm immanenten Vertragserhaltungsgedanken berücksichtigt § 306 Abs. 1 BGB, dass Klauseln nur teilweise unwirksam sein können und ordnet den Wegfall der Bestimmungen nur „insoweit“ an, als diese der Inhaltskontrolle nicht standhalten. Hier findet die Verpflichtung des Gerichts zur Eliminierung der unwirksamen Bestimmung bzw. des unwirksamen Klauselteils mittels des „blue-pencil-Tests“ (s. Rz. 20–39) ihre Grundlage.
2. § 306 Abs. 2 BGB 4 Eine Vorschrift, die – abweichend von § 139 BGB – die grundsätzliche Aufrecht-
erhaltung des Vertrages anordnet, muss auch angeben, ob und ggf. wie die in-
1 Vgl. BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 36/09, DB 2010, 2805; BAG v. 21.6.2011 – 9 AZR 236/10, NZA 2011, 1274; BAG v. 19.10.2011 – 7 AZR 672/10; BAG v. 30.9.2014 – 3 AZR 930/12, BAGE 149, 200 = NZA 2015, 231; BAG v. 21.4.2016 – 8 AZR 474/14, NZA 2016, 1409. 2 Vgl. auch Bonin in DBD, § 306 Rz. 2; Schmidt in UBH, § 306 Rz. 5; BGH v. 16.1.1992 – IX ZR 113/91, NJW 1992, 896. 3 Vgl. BGH v. 13.11.1997 – IX ZR 289/96, NJW 1998, 450. 4 Im Arbeitsrecht kommen stattdessen regelmäßig die Regeln über das Arbeitsverhältnis auf fehlerhafter Vertragsgrundlage zur Anwendung. 5 Vgl. BGH v. 13.11.1997 – IX ZR 289/96, NJW 1998, 450; BGH v. 26.10.2005 – VIII ZR 48/05, NJW 2006, 996; s. auch BT-Drucks. 7/3919, S. 20 f.
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II. Überblick über das Rechtsfolgenkonzept des § 306 BGB | § 306
folge der Nichteinbeziehung oder Unwirksamkeit von AGB entstandenen Vertragslücken zu schließen sind.1 Diese Aufgabe nimmt § 306 Abs. 2 BGB wahr. Danach richtet sich der Inhalt des Vertrages, soweit die Bestimmungen unwirksam oder nicht Vertragsbestandteil geworden sind, nach den gesetzlichen Vorschriften. Hierzu gehört zunächst das dispositive Gesetzesrecht i.S. einer konkreten materiell-rechtlichen Regelung2 einschließlich seiner Fortentwicklung durch die Rechtsprechung und der Möglichkeit analoger Anwendung; aber auch alle zu Richterrecht verfestigten Rechtsgrundsätze und das Gewohnheitsrecht fallen unter § 306 Abs. 2 BGB.3 Damit werden die Vertragsparteien auf genau die Bestimmungen und Grundsätze verwiesen, die nach der Wertung des Gesetzgebers im Regelfall zu einem angemessenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen führen.4 Durch das Eingreifen des dispositiven Rechts gemäß § 306 Abs. 2 BGB werden demnach auch die Interessen des Verwenders gewahrt.5
3. § 306 Abs. 3 BGB § 306 BGB will den Gedanken der Erhaltung des Vertrages mit einem von der 5 Rechtsordnung anerkannten Inhalt, wie er in den Absätzen 1 und 2 seinen Ausdruck gefunden hat, allerdings nicht ausnahmslos, sondern nur im größtmöglichen Umfang zur Anwendung bringen.6 Diesem Anliegen trägt § 306 Abs. 3 BGB Rechnung. Danach ist der gesamte Vertrag – abweichend von § 139 BGB7 – ausnahmsweise unwirksam, wenn das Festhalten an ihm auch unter Berücksichtigung der nach Abs. 2 vorgesehenen Änderung eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei – i.d.R. wird dies der Arbeitgeber sein – darstellen würde (zu den Voraussetzungen des § 306 Abs. 3 im Einzelnen s. Rz. 83–85). Damit wirkt sich § 306 Abs. 3 BGB im Regelfall als Schutzvorschrift zugunsten des Arbeitgebers aus. Für die Annahme der Unzumutbarkeit genügt allerdings nicht schon jeder wirtschaftliche Nachteil auf Seiten des Arbeitgebers; erforderlich ist vielmehr eine einschneidende Störung des Äquivalenzverhältnisses.8 Nach der Konzeption von § 306 BGB ist die Unwirksamkeit des gesamten Vertrages darüber hinaus „ultima ratio“. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn ein Festhalten am Vertrag auch unter Berücksichtigung der nach Abs. 2 vorgesehen Änderung eine unzumutbare Härte darstellen würde. 1 BT-Drucks. 7/3919, S. 21. 2 Vgl. BGH v. 12.10.2005 – IV ZR 162/03, NJW 2005, 3559. 3 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 610; Schmidt in UBH, § 306 Rz. 27; Lindacher/Hau in WLP, § 306 Rz. 14. 4 Vgl. Willemsen/Grau, RdA 2003, 321 (324). 5 Vgl. I. Schmidt, NZA 2004, 1002 (1009). 6 BT-Drucks. 7/3919, S. 21. 7 Vgl. BGH v. 8.5.2007 – KZR 14/04, NJW 2007, 3568. 8 Vgl. nur BGH v. 9.5.1996 – III ZR 209/95, NJW-RR 1996, 1009.
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§ 306 | Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit III. Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (Klausel-RL) 6 Nach Art. 6 Abs. 1 der Klausel-RL sehen die Mitgliedstaaten vor, dass miss-
bräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann. Ausweislich des 21. Erwägungsgrundes der Klausel-RL müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass in von einem Gewerbetreibenden mit Verbrauchern abgeschlossenen Verträgen keine missbräuchlichen Klauseln verwendet werden. Werden derartige Klauseln trotzdem verwendet, müssen sie für den Verbraucher unverbindlich sein; die verbleibenden Klauseln müssen jedoch weiterhin gelten und der Vertrag im Übrigen auf der Grundlage dieser Klauseln für beide Teile verbindlich sein, sofern ein solches Fortbestehen ohne die missbräuchlichen Klauseln möglich ist.
7 Danach erweist sich § 306 Abs. 1 BGB ohne Weiteres als unionsrechtskon-
form. Diese Bestimmung ordnet die Eliminierung der unwirksamen Klausel bzw. des unwirksamen Klauselteils bei Fortgeltung des Restvertrages an.
8 Ebenso mit der Klausel-RL vereinbar sein dürfte die in § 306 Abs. 2 BGB aus-
drücklich vorgesehene Lückenfüllung durch dispositives Recht und damit auch die Lückenfüllung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung.1 Die in § 306 Abs. 2 BGB bestimmte Schließung der durch die Unwirksamkeit einer Klausel bzw. eines Klauselteils im Vertrag entstandenen Lücke durch dispositives nationales Gesetzesrecht, zu dem auch die Möglichkeit der Lückenfüllung durch ergänzende Vertragsauslegung gehört2, steht im Einklang mit dem Zweck von Art. 6 Abs. 1 der Klausel-RL, da diese Bestimmung nach ständiger Rechtsprechung des EuGH darauf abzielt, die formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien durch eine materielle Ausgewogenheit zu ersetzen und so deren Gleichgewicht wiederherzustellen, nicht aber die Nichtigkeit sämtlicher Verträge herbeizuführen, die missbräuchliche Klauseln enthalten3. Dies gilt nach der Rechtsprechung des EuGH allerdings nicht uneingeschränkt. Während der EuGH in seinem Urteil vom 30.4.20144 noch ausgeführt hatte, dass Art. 6 Abs. 1 der Klau1 Ganz überwiegende Ansicht, Roloff in Erman, § 306 Rz. 3; Basedow in MünchKommBGB, § 306 Rz. 4; BGH v. 12.10.2005 – IV ZR 162/03, NJW 2005, 3559; BGH v. 23.1. 2013 – VIII ZR 80/12, NJW 2013, 991; BGH v. 6.4.2016 – VIII ZR 79/15, NJW 2017, 320; differenzierend Schmidt in Bamberger/Roth/Hau/Poseck, § 306 Rz. 5. 2 Vgl. etwa BGH v. 6.4.2016 – VIII ZR 79/15, NJW 2017, 320. 3 Vgl. etwa EuGH v. 14.6.2012 – C-618/10, NJW 2012, 2257; EuGH v. 30.5.2013 – C-397/ 11, ABl EU 2013; EuGH v. 30.4.2014 – C-26/13, NJW 2014, 2335; EuGH v. 29.10.2015 – C-8/14, EuZW 2016, 147. 4 EuGH v. 30.4.2014 – C-27/13, NJW 2014, 2335.
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III. Klausel-RL | § 306
sel-RL in dem Fall, dass ein Vertrag nach Wegfall einer missbräuchlichen Klausel nicht mehr durchführbar war, einer nationalen Regelung nicht entgegenstehe, die es dem nationalen Gericht ermöglicht, der Nichtigkeit der Klausel dadurch abzuhelfen, dass es sie durch eine dispositive Vorschrift des nationalen Rechts ersetzt, hat er mit seinem Urteil vom 21.1.20151 die Möglichkeit der Ersetzung einer missbräuchlichen Klausel durch eine dispositive Bestimmung des nationalen Rechts allerdings ausdrücklich auf die Fälle beschränkt, in denen die Ungültigerklärung der missbräuchlichen Klausel das Gericht verpflichten würde, den Vertrag insgesamt für nichtig zu erklären, wodurch der Verbraucher Konsequenzen ausgesetzt würde, die derart sind, dass er dadurch bestraft würde. Diese Rechtsprechung führt dazu, dass § 306 Abs. 2 BGB grundsätzlich unionsrechtskonform dahin auszulegen sein dürfte, dass eine Lückenfüllung nach dieser Bestimmung nur unter der Voraussetzung möglich ist, dass andernfalls der Vertrag insgesamt nach § 306 Abs. 3 BGB für nichtig zu erklären wäre, weil das Festhalten an ihm für den Arbeitgeber eine unzumutbare Härte darstellen würde. Im Arbeitsrecht bedarf es hingegen einer solchen unionsrechtskonformen Auslegung nicht. Dies folgt bereits daraus, dass nach dem 10. Erwägungsgrund der Klausel-RL insbesondere Arbeitsverträge von dieser Richtlinie ausgenommen sind. Im Übrigen wirkt sich aus, dass der nationale Gesetzgeber in § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB ausdrücklich angeordnet hat, dass bei der Anwendung der §§ 305 ff. BGB auf Arbeitsverträge die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen sind. Danach nehmen Klauseln in arbeitsvertraglichen Abreden nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers ohnehin eine Sonderstellung ein. Aufgrund der unterschiedlichen Textfassung der Klausel-RL, die vorsieht, dass 9 der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, „wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann“ bzw. wenn ein „Fortbestehen ohne die missbräuchlichen Klauseln möglich ist“ und der in § 306 Abs. 3 BGB getroffenen Bestimmung, die eine „unzumutbare Härte“ voraussetzt, ist im Schrifttum umstritten, ob § 306 Abs. 3 BGB mit Art. 6 der KlauselRL vereinbar ist. Dies wird zum Teil bejaht,2 allerdings gibt es auch Stimmen, die die Unionsrechtskonformität von § 306 Abs. 3 BGB in Zweifel ziehen.3 Zum Teil wird ausdrücklich darauf hingewiesen, angesichts der Unklarheiten über die Reichweite von Art. 6 der Klausel-RL sei ein letztinstanzliches Gericht zur Vorlage an den EuGH verpflichtet, wenn es die Frage, ob Art. 6 der KlauselRL zugunsten des Verwenders so ausgelegt werden kann, dass er auch eine unzumutbare Härte umfasst, zu Lasten des Verbrauchers bejahen will.4 1 EuGH v. 21.1.2015 – C-482/13, C-484/13, C-485/13 und C-487/13. 2 So Heinrichs, NJW 1996, 2190 (2195); Grüneberg in Palandt, § 306 Rz. 16; Schlosser in Staudinger, § 306 Rz. 1. 3 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 632; Basedow in MünchKommBGB, § 306 Rz. 5, 6; Schmidt in UBH, § 306 Rz. 4e. 4 So Schmidt in Bamberger/Roth/Hau/Poseck, § 306 Rz. 6; Basedow in MünchKommBGB, § 306 Rz. 6.
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§ 306 | Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit 10 Dieser Streit dürfte durch die Urteile des EuGH vom 15.3.20121, vom 14.6.20122
und vom 21.1.20153 zugunsten der Unionsrechtskonformität von § 306 Abs. 3 BGB entschieden sein. In seinem Urteil vom 15.3.2012 hat der EuGH ausgeführt, Art. 6 Abs. 1 der Klausel-RL könne auf der einen Seite nicht dahin ausgelegt werden, dass sich das angerufene Gericht bei Beurteilung der Frage, ob ein Vertrag, der eine oder mehrere missbräuchliche Klauseln enthält, ohne diese Klausel bestehen kann, ausschließlich auf die etwaige Vorteilhaftigkeit der Nichtigerklärung des gesamten Vertrages für den Verbraucher stützen könne. Auf der anderen Seite hindere die Klausel-RL einen Mitgliedstaat aber nicht daran, im Einklang mit dem Unionsrecht eine nationale Regelung vorzusehen, die es erlaubt, einen Vertrag, den ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat und der eine oder mehrere missbräuchliche Klauseln enthält, in seiner Gesamtheit für nichtig zu erklären, wenn sich erweist, dass dadurch ein besserer Schutz des Verbrauchers gewährleistet ist. Und nach der Entscheidung des EuGH vom 14.6.2012 ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 der Klausel-RL, dass die nationalen Gerichte eine missbräuchliche Vertragsklausel nur für unanwendbar zu erklären haben, damit sie den Verbraucher nicht binde, ohne dass sie befugt wären, deren Inhalt abzuändern. Denn der betreffende Vertrag müsse – abgesehen von der Änderung, die sich aus der Aufhebung missbräuchlicher Klauseln ergebe – grundsätzlich unverändert fortbestehen, soweit dies nach den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts rechtlich möglich sei. Danach kommt es – wie der EuGH in seiner Entscheidung vom 21.1.2015 ausdrücklich bestätigt hat – auf die rechtliche Möglichkeit des Fortbestandes des Vertrages nach nationalem Recht an. Da das Unzumutbarkeitserfordernis des § 306 Abs. 3 BGB eine Konkretisierung des Übermaßverbotes des Art. 20 Abs. 3 GG ist, dürfte die Unionsrechtskonformität von § 306 Abs. 3 BGB demnach nicht mehr in Frage stehen. Im Übrigen könnte zu erwägen sein, § 306 Abs. 3 BGB als einen Sonderfall der Äquivalenzstörung i.S.d. § 313 BGB anzusehen.4
11 In seinem Urteil vom 14.6.20125 hat der EuGH zudem entschieden, dass Art. 6
Abs. 1 der Klausel-RL nicht dahin verstanden werden könne, dass er es dem nationalen Gericht gestatte, wenn es eine missbräuchliche Klausel in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher entdeckt, den Inhalt dieser Klausel abzuändern statt schlicht deren Anwendung gegenüber dem Verbraucher auszuschließen. Art. 6 Abs. 1 der Klausel-RL stehe deshalb einer mitgliedschaftlichen Regelung entgegen, wonach das nationale Gericht, wenn es die Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher feststellt, durch Abänderung des 1 2 3 4 5
EuGH v. 15.3.2012 – C-453/10, EuZW 2012, 302. EuGH v. 14.6.2012 – C-618/10, NJW 2012, 2257. EuGH v. 21.1.2015 – C-482/13, C-484/13, C-485/13 und C-487/13. Vgl. hierzu auch Nachweise bei Stoffels, AGB-Recht, Rz. 632 Fn. 1. EuGH v. 14.6.2012 – C-618/10, NJW 2012, 2257.
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IV. Anwendungsbereich des § 306 BGB | § 306
Inhalts dieser Klausel den Vertrag anpassen kann. Da § 306 BGB eine geltungserhaltende Reduktion einer zu missbilligenden Klausel nicht anordnet, ist die Unionsrechtskonformität der Bestimmung auch insoweit nicht zweifelhaft.
IV. Anwendungsbereich des § 306 BGB Der Anwendungsbereich des § 306 BGB umfasst – wie sich aus § 306 Abs. 1 12 BGB ergibt – zwei Fallgruppen: Erstens die Fälle, dass AGB nicht Vertragsbestandteil geworden sind, und zweitens die Fälle, dass AGB unwirksam sind. Damit ist § 306 BGB auf Individualabreden nicht anwendbar. Auf der anderen Seite ist der Anwendungsbereich des § 306 BGB nicht auf AGB 13 i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB beschränkt. Nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB findet u.a. § 306 BGB auf vorformulierte Bedingungen in Verbraucherverträgen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind (Einmalbedingungen) und soweit der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte.
1. Wirksamkeit des Restvertrages Da § 306 Abs. 1 BGB den Vertrag „im Übrigen“ erhält, setzt die Bestimmung – 14 unausgesprochen – voraus, dass nach Ausgrenzung aller oder einzelner AGB oder von Teilen von ihnen ein wirksamer Rest verbleibt, der ggf. durch dispositives Recht oder im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung aufgefüllt werden kann. Dies ist bei einer Gesamtnichtigkeit des Vertrages infolge der Sittenwidrigkeit des Gesamtgeschäfts nicht der Fall. Dasselbe gilt, wenn der Vertrag insgesamt angefochten wurde. Eine Anwendung des § 306 BGB kann ausnahmsweise auch dann ausscheiden, 15 wenn von dem Geltungsmangel der AGB auch der Vertragskern, also die essentialia negotii in der Weise betroffen sind, dass mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertragsschluss nicht mehr angenommen werden kann.1 Zwar besteht die Funktion von AGB typischerweise in der Regelung von Nebenabreden, weshalb ihre ganze oder teilweise Nichteinbeziehung oder Unwirksamkeit die Vereinbarungen über die Hauptleistung(en) regelmäßig unberührt lässt. Etwas anderes kann allerdings aus der Anwendung des Transparenzgebots des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Hauptleistungspflichten folgen.2 1 Vgl. BGH v. 30.6.1995 – V ZR 184/94, NJW 1995, 2637; Roloff in Erman, § 306 Rz. 4; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 587; Schmidt in UBH, § 306 Rz. 10; Lindacher/Hau in WLP, § 306 Rz. 54; zum Teil einschränkend Schmidt in Bamberger/Roth/Hau/Poseck, § 306 Rz. 9; Grüneberg in Palandt, § 306 Rz. 3; Schlosser in Staudinger, § 306 Rz. 2. 2 So Schmidt in UBH, § 306 Rz. 10.
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§ 306 | Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit 16 Umstritten ist die Anwendbarkeit des § 306 BGB in den Fällen, in denen infolge
der Unwirksamkeit einer Vielzahl von Klauseln nur ein sog. „Torsovertrag“ verbleibt und eine Lückenfüllung durch dispositives Recht oder im Wege ergänzender Auslegung dem Vertrag beispielsweise einen völlig neuen, von den Parteien so nicht gewollten Inhalt gäbe, der lückenhafte Vertrag also nicht ergänzungsfähig ist. Ein Teil des Schrifttums zieht hieraus die „sachlogische Konsequenz“ der Totalnichtigkeit des Vertragstorsos mit der Folge, dass § 306 BGB von vornherein nicht zur Anwendung kommt.1 Dem steht jedoch nicht nur der eindeutige Wortlaut der Bestimmung entgegen; dass sich die Unwirksamkeit auf die zu missbilligenden Klauseln beschränkt und eine Nichtigkeit des zunächst wirksamen Gesamtvertrages nur unter den Voraussetzungen des § 306 Abs. 3 BGB in Betracht kommt, entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung. § 306 BGB will die Risiken gerade in der Weise verteilen, dass der Verwender bis zur Grenze der Unzumutbarkeit an einen aus seiner Sicht lückenhaften Vertrag gebunden bleibt.2 Für die insoweit zum Teil3 befürwortete teleologische Reduktion des § 306 BGB besteht kein Bedürfnis.
2. AGB sind nicht Vertragsinhalt geworden 17 § 306 BGB findet dann Anwendung, wenn AGB ganz oder zum Teil nicht Ver-
tragsinhalt geworden sind. Dies ist dann der Fall, wenn sie nicht wirksam einbezogen wurden. Da § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 BGB die Anwendung des § 305 Abs. 2 und 3 BGB für den Bereich des Arbeitsrechts ausschließt,4 sind die besonderen Einbeziehungsvoraussetzungen des § 305 Abs. 2 BGB auf arbeitsvertragliche Abreden nicht anwendbar. Für die Einbeziehung Allgemeiner Arbeitsvertragsbedingungen in den Vertrag gelten jedoch uneingeschränkt die allgemeinen rechtsgeschäftlichen Regeln, insb. die Regeln über das Zustandekommen eines Vertrages (§§ 145 ff. BGB) und die Regeln über die Anfechtung (§§ 119 ff. BGB). Dass § 305 Abs. 2 a.E. BGB das Einverständnis des Vertragspartners als Geltungsvoraussetzung von AGB fordert, hat ohnehin lediglich klarstellende Bedeutung.5
18 Vor dem Hintergrund der in § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 BGB getroffenen Rege-
lung dürften im Arbeitsrecht demnach überraschende Klauseln i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB den Hauptanwendungsfall der Nichteinbeziehung bilden.6
1 So Stoffels, AGB-Recht, Rz. 590; Basedow in MünchKommBGB, § 306 Rz. 8 unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 Halbs. 2 der Klausel-RL; Lindacher/Hau in WLP, § 306 Rz. 54. 2 BGH v. 7.11.1985 – IX ZR 40/85, NJW 1986, 928; BGH v. 16.10.1986 – III ZR 92/85, NJW 1987, 184; im Ergebnis auch BGH v. 8.5.2007 – KZR 14/04, NJW 2007, 3568; Roloff in Erman, § 306 Rz. 16; vgl. auch Schlewing, RdA 2011, 92 (97). 3 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 590. 4 Zur Kritik an § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 BGB vgl. Deinert in DBD, § 305 Rz. 38 ff.; Fuchs/Bieder in UBH, Anh. § 310 Rz. 18. 5 Vgl. Deinert in DBD, § 305 Rz. 42. 6 Vgl. Linck in FS Bauer (2010), S. 645 (646).
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V. Teilunwirksamkeit des Rechtsgeschäfts nach § 306 Abs. 1 BGB | § 306
3. Unwirksame AGB § 306 BGB ist – wie sich aus seinem Abs. 1 ergibt – auch dann anwendbar, wenn 19 AGB ganz oder teilweise unwirksam sind. Die Vorschrift zielt zwar in erster Linie auf die Unwirksamkeitsgründe der §§ 307–309 BGB; die Unwirksamkeit kann aber ebenso gut aus einem Verstoß gegen Vorschriften außerhalb des AGB-Rechts folgen.1 Hier kommen insb. die §§ 119 ff., 125, 134 und 138 BGB in Betracht. Beruht die Unwirksamkeit einer Klausel auf einer (Teil-)Anfechtung durch den Vertragspartner des Verwenders, kommt § 306 BGB nur dann zur Anwendung, wenn der Anfechtungsgrund in die Verantwortungssphäre des Verwenders fällt. Andernfalls ist nach den zur Teilanfechtung entwickelten allgemeinen Grundsätzen zu verfahren.2
V. Teilunwirksamkeit des Rechtsgeschäfts nach § 306 Abs. 1 BGB Sind AGB ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirk- 20 sam, so bleibt nach § 306 Abs. 1 BGB der Vertrag im Übrigen wirksam. Damit setzt § 306 Abs. 1 BGB unausgesprochen die Teilbarkeit der vertraglichen Abreden bzw. die Teilbarkeit einzelner Klauseln voraus.
1. Teilbarkeit von vorformulierten Vertragsbedingungen in der Rechtsprechung des BGH In der Rechtsprechung des BGH3 hängt die Teilbarkeit der vertraglichen Abrede 21 (Klausel) grundsätzlich von ihrer inhaltlichen und sprachlichen Teilbarkeit, also davon ab, ob sie sich nach ihrem Wortlaut aus sich heraus verständlich und sinnvoll in einen inhaltlich zulässigen und in einen unzulässigen Regelungsteil 1 Ganz h.M., vgl. BGH v. 16.1.1992 – IX ZR 113/91, NJW 1992, 896; BGH v. 3.5.1995 – XII ZR 29/94, NJW 1995, 2028; BGH v. 8.5.2007 – KZR 14/04, NJW 2007, 3568; vgl. BAG v. 21.4. 2016 – 8 AZR 474/14, NZA 2016, 1409; BAG v. 24.8.2016 – 5 AZR 703/15, BAGE 156, 150 = NZA 2016, 1539; v. 17.10.2017 – 9 AZR 80/17, NZA 2018, 57; Roloff in Erman, § 306 Rz. 4; Basedow in MünchKommBGB, § 306 Rz. 7; Grüneberg in Palandt, § 306 Rz. 5; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 586; Lindacher/Hau in WLP, § 306 Rz. 11; zur Problematik der Anfechtung vgl. insb. Schlosser in Staudinger, § 306 Rz. 8; Lindacher/Hau in WLP, § 306 Rz. 12. 2 So Lindacher/Hau in WLP, § 306 Rz. 12 m.w.N. 3 BGH v. 28.5.1984 – III ZR 63/83, NJW 1984, 2816; BGH v. 18.11.1988 – V ZR 75/87, BGHZ 106, 19; BGH v. 18.4.1989 – X ZR 31/88, BGHZ 107, 185; BGH v. 25.3.1998 – VIII ZR 244/97, NJW 1998, 2284; BGH v. 27.9.2000 – VIII ZR 155/99, BGHZ 145, 203; BGH v. 23.6.2003 – VIII ZR 344/02, NJW 2003, 2899; BGH v. 23.6.2004 – VIII ZR 361/03, NJW 2004, 2586; BGH v. 26.10.2005 – VIII ZR 48/05, NJW 2006, 996; BGH v. 11.10.2007 – III ZR 63/07, NJW-RR 2008, 134; BGH v. 8.10.2008 – XII ZR 84/06, NJW 2008, 3772.
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§ 306 | Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit trennen lässt. Dabei ist es nicht erforderlich, dass es sich bei den Klauseln um materiell selbständige, nur sprachlich zusammengefasste Bestimmungen handelt, von denen jede für sich einer gesonderten Inhaltskontrolle zugänglich wäre.1 Ausreichend ist vielmehr, dass nach schlichter Streichung der unwirksamen Regelungsteile (sog. „blue-pencil-Test“)2 eine Regelung zurückbleibt, die aus sich heraus verständlich und im Gesamtgefüge weiterhin sinnvoll ist. Dies ist nicht der Fall, wenn die beanstandete Klausel oder der beanstandete Klauselteil von so einschneidender Bedeutung ist, dass – ohne diese Bestimmung oder diesen Klauselteil – von einer gänzlich neuen, von der bisherigen völlig abweichenden Vertragsgestaltung gesprochen werden müsste. Dann ergreift die Unwirksamkeit die Gesamtklausel und ggf. auch den Gesamtvertrag.3 Ebenso kommt es zur Unwirksamkeit der gesamten Klausel, wenn sich ein zulässiger Teil nur durch eine sprachliche und inhaltliche Umgestaltung der Klausel aufrechterhalten ließe.4 Danach gilt ein grundsätzliches Verbot der Neu- bzw. Umformulierung. 22 In einigen Ausnahmefällen hat der BGH5 auf die sprachliche Teilbarkeit der
Klausel verzichtet und die inhaltliche Teilbarkeit ausreichen lassen. Dabei handelt es sich jedoch durchweg entweder um Verträge, die vor Inkrafttreten des AGBG geschlossen worden waren, oder um Sachverhalte, in denen sich AGB aufgrund einer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung als unwirksam erwiesen hatten.6
23 Darüber hinaus hat der BGH mit Urteil vom 25.3.19877 eine Teilbarkeit in per-
soneller Hinsicht8 bzw. eine personale Teilunwirksamkeit9 angenommen und die Unwirksamkeit einer Klausel auf den für den Kunden belastenden Teil beschränkt. Die Frage nach der personalen Teilunwirksamkeit stellt sich, da sich die Inhaltskontrolle nur gegen unangemessene Benachteiligungen des Vertragspartners des Verwenders richtet, in all den Fällen, in denen eine vorformulierte Vertragsbestimmung eine für den Verwender und seinen Vertragspartner einheitlich geltende Regelung enthält.10 Zu überprüfen hatte der BGH eine Kündi1 Vgl. Willemsen/Grau, RdA 2003, 321 (323). 2 Zu dieser aus dem angelsächsischen Rechtskreis kommenden Regel vgl. Thüsing, BB 2006, 661 ff.; Zöllner kritisiert in ZfA 2010, 637 (655), die „blue-pencil-Test-Regel“ habe mit „seriöser Rechtsfindung nichts zu tun“, sondern gehöre „in die Spielzeugkiste“. 3 BGH v. 28.5.1984 – III ZR 63/83, NJW 1984, 2816; BGH v. 18.4.1989 – X ZR 31/88, BGHZ 107, 185. 4 BGH v. 25.1.2006 – VIII ZR 3/05, NJW 2006, 1059. 5 BGH v. 20.6.1984 – VIII ZR 337/82, BGHZ 91, 375; BGH v. 27.2.1985 – VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693. 6 Vgl. hierzu Schlewing, JbArbR Bd. 47, S. 53 f. 7 BGH v. 25.3.1987 – VIII ZR 71/86, NJW 1987, 2506; vgl. auch BGH v. 5.5.2015 – XI ZR 214/14, NJW 2015, 2412, der von „personaler Teilunwirksamkeit“ spricht. 8 So die Terminologie bei Basedow in MünchKommBGB, § 306 Rz. 19. 9 So die Terminologie von Stoffels, AGB-Recht, Rz. 601 und Schmidt in UBH, § 306 Rz. 16. 10 Schmidt in UBH, § 306 Rz. 16.
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V. Teilunwirksamkeit des Rechtsgeschäfts nach § 306 Abs. 1 BGB | § 306
gungsklausel eines Pachtvertrages, die in mehrfacher Hinsicht von den gesetzlichen Bestimmungen des Pachtrechts zum Nachteil des Pächters abwich. Zudem knüpfte sie die fristlose Kündigung des Verpächters an erschwerte Voraussetzungen, nämlich eine Zahlungsaufforderung und eine zusätzliche, frühestens einen Monat später mögliche schriftliche Mahnung des Verpächters. Obwohl die Klausel unwirksam war und deshalb nach § 306 Abs. 2 BGB die gesetzlichen Bestimmungen an ihre Stelle traten, musste sich die Verwenderin an dem in dem von ihr selbst eingeführten Formularvertrag geregelten Verfahren für die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs festhalten lassen.1 Eine nach ihrem Wortlaut für beide Vertragsparteien gleichermaßen geltende Regelung, die eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders enthält, bleibt somit hinsichtlich ihres den Verwender belastenden Teils von der Inhaltskontrolle unberührt.2
2. Teilbarkeit von vorformulierten Vertragsbedingungen in der Rechtsprechung des BAG Auch das BAG3 vertritt in inzwischen ständiger Rechtsprechung die Auffassung, 24 dass die Unwirksamkeit eines Teils einer Klausel nicht notwendig die Unwirksamkeit der gesamten Klausel nach sich zieht. Enthält eine Klausel neben dem unwirksamen Bestandteil auch unbedenkliche, sprachlich und inhaltlich abtrennbare Bestandteile, bleiben diese wirksam, auch wenn sie den gleichen Sachkomplex betreffen. Voraussetzung sei aber stets, dass nach dem „Wegstreichen“ der unwirksamen Teilregelung bzw. nach der „Streichung des unwirksamen Teils mittels eines ‚blauen Stifts‘ … (blue-pencil-Test)“ ein aus sich heraus verständlicher Klauselrest verbleibt. Maßgeblich sei mithin, ob die Klausel mehrere sachliche Regelungen enthalte und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abgrenzbar sei. Nicht zulässig ist deshalb auch nach Auffassung des BAG 1 Vgl. hierzu auch Schlewing, JbArbR Bd. 47, S. 54. 2 Vgl. Schmidt in UBH, § 306 Rz. 16 m.w.N. 3 BAG v. 15.3.2005 – 9 AZR 502/03, BAGE 114, 97 = NZA 2005, 682; BAG v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053; BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, BAGE 115, 19 = NZA 2005, 1111; BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, BAGE 118, 36 = NZA 2006, 1042; BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, BAGE 124, 259 = NZA 2008, 40; BAG v. 12.3.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699; BAG v. 25.9.2008 – 8 AZR 717/07, NZA 2009, 370; BAG v. 18.12. 2008 – 8 AZR 81/08, NZA-RR 2009, 519; BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, BAGE 129, 121 = NZA 2009, 666; BAG v. 6.5.2009 – 10 AZR 443/08, NZA 2009, 783; BAG v. 15.9. 2009 – 3 AZR 173/08, NZA 2010, 342; BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 36/09, DB 2010, 2805; BAG v. 25.8.2010 – 10 AZR 275/09, NZA 2010, 1355; BAG v. 9.2.2011 – 7 AZR 91/10, EzA-SD 2011, Nr. 14, 11; BAG v. 24.2.2011 – 6 AZR 634/09 – ZMV 2011, 225; BAG v. 21.6.2011 – 9 AZR 238/10, EzA BGB 2002 § 306 Nr. 5; BAG v. 30.9.2014 – 3 AZR 930/12, BAGE 149, 200 = NZA 2015, 231; BAG v. 21.4.2016 – 8 AZR 474/14, NZA 2016, 1409; BAG v. 26.1.2017 – 6 AZR 671/15, BAGE 158, 81 = NZA-RR 2017, 325.
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§ 306 | Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit die Zerlegung einer ihrem Wortlaut nach eindeutig einheitlichen Regelung in mehrere selbständige Regelungen. Hier könne die Ausgrenzung der unzulässigen und die Aufrechterhaltung der zulässigen Teile nur durch eine sprachliche und inhaltliche Umgestaltung erreicht werden. Dies sei nicht zulässig. 25 Die Anwendung des „blue-pencil-Tests“ durch das BAG ist im Schrifttum nicht
unumstritten. Kritisiert wird in diesem Zusammenhang insb. eine zu starke Betonung der sprachlichen Teilbarkeit. So hat beispielsweise Bayreuther1 auf die mangelnde Vorhersehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen und das Risiko der Umgehung des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion (zum „Verbot der geltungserhaltenden Reduktion im Einzelnen s. Rz. 69–76) durch „Formulierungskunststücke“ auf Seiten der Verwender hingewiesen. Und nach Thüsing2 darf die „Wortakrobatik“ keinen Vorteil gegenüber der „klaren, schlanken Formulierung“ bieten. In diesem Sinne äußern sich auch Ohlendorf/Salamon:3 Durch „facettenreiche Formulierungen“ könne „das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion umgangen werden“. Schließlich wird geltend gemacht, die bloße Möglichkeit, einzelne Regelungsteile zu streichen, lasse keine Aussage darüber zu, ob eine einheitliche Regelung oder verschiedene materielle Bestimmungen vorliegen. Maßgeblich für die Teilbarkeit einer Klausel sei vielmehr, ob sie mehrere sachliche Regelungen enthalte. Dies sei allein durch objektive Auslegung zu ermitteln.4 Dieser Kritik ist das BAG zu Recht entgegengetreten. So hat es zum einen in seinem Urteil vom 13.11.20135 darauf hingewiesen, dass die sprachliche Teilbarkeit einer Klausel nur ein Indiz für die – entscheidende – inhaltliche Teilbarkeit sei und zum anderen in seinem Urteil vom 26.1.20176 ausgeführt, dass stets zu überprüfen sei, ob sich die Klausel in verschiedene, jeweils einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung unterliegende Bestimmungen aufteilen lasse. Lägen trotz einer scheinbar einheitlichen Regelung in Wirklichkeit verschiedene materielle Regelungen vor, von denen nur eine intransparent und damit unwirksam sei, während die anderen aufrechterhalten blieben, sei dies auch keine „geltungserhaltende Aufspaltung“, die sich nicht sachgerecht von dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion abgrenzen ließe. Durch eine geltungserhaltende Reduktion werde eine einheitliche und damit insgesamt der AGB-Kontrolle unterliegende Klausel durch das Gericht in ihrem AGB-rechtlich nicht zu beanstanden Kern aufrechterhalten, ohne dass der Verwender diese Reduktion selbst vorgenommen hätte. Ergebe die Prüfung hingegen, dass eine sachliche Teilbarkeit mehrerer selbständiger, in einer Gesamtklausel verbundenen, nur scheinbar einheitlichen Regelungen vorliege, werde die Klausel ledig1 2 3 4
Bayreuther, NZA 2004, 953 (955). Thüsing, BB 2006, 661 (662). Ohlendorf/Salamon, RdA 2006, 281 (283). Bonin in DBD, § 306 Rz. 12a m.w.N.; zur Kritik am „blue-pencil-Test“ vgl. auch Uffmann, RdA 2012, 113 (118 f.). 5 BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, BAGE 146, 284 = NZA 2014, 368. 6 BAG v. 26.1.2017 – 6 AZR 671/15, BAGE 158, 81 = NZA-RR 2017, 325.
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lich auf ihren wirksamen, bereits vom Verwender selbst gestellten Inhalt zurückgeführt, was durch das Gericht nur klargestellt werde. Vor dem Hintergrund der Zielsetzung des AGB-Kontrollrechts, den Kunden vor 26 den Gefahren einer einseitigen Inanspruchnahme der Vertragsgestaltungsfreiheit durch den Verwender zu schützen, hat auch das BAG eine personale Teilunwirksamkeit einer für beide Vertragsparteien gleichermaßen geltenden Bestimmung angenommen und dem Arbeitgeber in einem solchen Fall die Berufung auf die Unwirksamkeit der Klausel versagt. In seinem Urteil vom 27.10. 20051 hat der 8. Senat des BAG die vom Arbeitgeber formularmäßig verwendete Verfallklausel hinsichtlich ihres den Verwender belastenden Teils keiner Inhaltskontrolle unterzogen. Selbst wenn die Verfallklausel den Arbeitnehmer unangemessen benachteilige, könne der Arbeitgeber – so der 8. Senat – sich hierauf nicht mit Erfolg berufen. Die Inhaltskontrolle schaffe lediglich einen Ausgleich für die einseitige Inanspruchnahme der Vertragsfreiheit durch den Arbeitgeber; sie diene aber nicht seinem Schutz vor den von ihm selbst eingeführten Formularbestimmungen. Aus diesem Grund konnte der Arbeitgeber, der Ansprüche erst nach Ablauf der Verfallfrist geltend gemacht hatte, die etwaige Unwirksamkeit der Klausel von vornherein nicht für sich reklamieren.
3. Einzelfälle der Teilbarkeit bzw. Nichtteilbarkeit vorformulierter Vertragsbestimmungen Das BAG hatte sich mittlerweile in einer Reihe von Entscheidungen mit der 27 Frage nach der Teilbarkeit einer Klausel zu befassen:2 So ist auf eine Arbeitszeitregelung in einem Formularvertrag, die den Arbeit- 28 nehmer „verpflichtet, im monatlichen Durchschnitt 150 Stunden zu arbeiten“, der sog. blue-pencil-Test nicht anwendbar. Die Verbindung zwischen Stundenangabe und Bestimmung der Arbeitszeit als Durchschnittsarbeitszeit stellt nach Auffassung des BAG eine Regelungseinheit dar, die nicht durch die Streichung der Worte „im monatlichen Durchschnitt“ in eine Bestimmung der Stundenanzahl und eine des Berechnungszeitraums für die Ermittlung der durchschnittlichen Monatsarbeitszeit aufgespalten werden könne.3 Nach Auffassung des BAG können zweistufige Ausschlussklauseln teilbar sein.4 29 Bewirkt nur die zweite Stufe eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitneh1 BAG v. 27.10.2005 – 8 AZR 3/05, NZA 2006, 257; vgl. auch BAG v. 23.3.2017 – 6 AZR 705/15, BAGE 158, 349 = NZA 2017, 773. 2 Vgl. hierzu auch Schlewing, JbArbR Bd. 47, S. 55 ff. 3 Vgl. BAG v. 21.6.2011 – 9 AZR 238/10, EzA BGB 2002 § 306 Nr. 5. 4 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, BAGE 115, 19 = NZA 2005, 1111; BAG v. 12.3.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699; vgl. Schlewing, JbArbR Bd. 47, S. 56.
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§ 306 | Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit mers, bleibt die Regelung zur ersten Stufe wirksam. Die zweistufige Ausschlussklausel enthalte – so das BAG – zwei sachliche Regelungen und der unzulässige Teil sei sprachlich eindeutig abtrennbar. Im Hinblick auf die Länge der Ausschlussfrist könne die jeweilige Klausel jedoch nicht geteilt werden. Aus diesem Grunde könne sie nicht mittels des „blue-pencil-Tests“ mit der angemessenen Länge aufrechterhalten bzw. auf die angemessene Länge zurückgeführt werden.1 30 Ebenso eine Teilbarkeit bejaht hatte das BAG zunächst für eine Vertragsbestim-
mung, nach der Voraussetzung für eine Bonuszahlung ein „ungekündigtes“ Arbeitsverhältnis zum Ende des Geschäftsjahres war.2 Hier könne das Wort „ungekündigtes“ in der Bestandsklausel mittels eines „blauen Stifts“ gestrichen werden. Dies bewirke, dass die Auszahlung des Bonus nur noch das Bestehen des Arbeitsverhältnisses zum Abschluss des Geschäftsjahres voraussetze. Mit diesem – insoweit reduzierten – Inhalt sei die Klausel nicht zu beanstanden.3 Diese Rechtsprechung hat das BAG mit seinem Urteil vom 13.11.20134 allerdings aufgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es entscheidend auf die inhaltliche Teilbarkeit der Klausel ankomme und dass sich eine solche wegen des Zusammenspiels von Bestand und besonderer Qualität („ungekündigt“) des Arbeitsverhältnisses als Anspruchsvoraussetzung nicht feststellen lasse. Die durch die AGB bestimmten Anspruchsvoraussetzungen hingen vielmehr so eng miteinander zusammen, dass eine Herausstreichung des Wortes „ungekündigt“ auf eine unzulässige Neubestimmung des Vertragsinhalts hinauslaufen würde.
31 Nimmt der Arbeitgeber in einer vorformulierten Vertragsbestimmung zur Be-
rechnung der Betriebsrente des Arbeitnehmers Bezug auf die Vorschriften des Beamtenversorgungsrechts, so kann diese Bezugnahmeklausel nicht in einen den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung regelnden und damit der uneingeschränkten AGB-Kontrolle entzogenen Teil und einen Teil aufgespalten werden, der die Hauptleistungspflicht modifiziert.5 In diesem Fall sind die beamtenversorgungsrechtlichen Bestimmungen integraler Bestandteil des Betriebsrentenanspruchs. Teilbar ist nach Ansicht des 3. Senats des BAG hingegen eine Klausel in einer Pensionszusage, nach der der hinterbliebene Ehegatte eine Witwen-/Witwerpension beanspruchen kann, wenn der Versorgungsberechtigte den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten hat (Haupternährerklausel).6 Nach „Wegstreichen“ der in der Pensionszusage getroffenen Bestimmung, wonach der Versorgungsberechtigte den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten 1 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, BAGE 115, 19 = NZA 2005, 1111. 2 BAG v. 6.5.2009 – 10 AZR 443/08, NZA 2009, 783. 3 Zur Kritik an dieser Entscheidung vgl. Bonin in DBD, § 306 Rz. 12a; Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, I C Rz. 118a. 4 BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, BAGE 146, 284 = NZA 2014, 368. 5 BAG v. 30.11.2010 – 3 AZR 798/08, DB 2011, 826; BAG v. 14.12.2010 – 3 AZR 898/08, NZA 2011, 576. 6 BAG v. 30.9.2014 – 3 AZR 930/12, BAGE 149, 200 = NZA 2015, 231.
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haben muss, sei die verbleibende Regelung – so der 3. Senat – weiterhin verständlich. Dynamische Bezugnahmen auf andere Regelungswerke, seien sie von Dritten 32 oder vom Arbeitgeber selbst geschaffen worden, sind ohne Weiteres in eine reine Verweisungs- und eine Jeweiligkeitsklausel (Dynamik) teilbar. Hält die Jeweiligkeitsklausel der AGB-Kontrolle nicht stand, weil sie beispielsweise einen gemäß § 308 Nr. 4 BGB unwirksamen Änderungsvorbehalt enthält, so fällt die Dynamik ersatzlos weg und das in Bezug genommene Regelungswerk findet statisch, d.h. in der Fassung Anwendung, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses galt.1 Eine Reihe von Entscheidungen betrifft sog. Freiwilligkeitsvorbehalte. Der 33 5. Senat des BAG hatte beispielsweise in seinem Urteil vom 25.4.20072 über eine Klausel zu befinden, die eine monatlich zu zahlende Leistungszulage unter Ausschluss eines jeden Rechtsanspruchs vorsah. Hier hat der Senat erkannt, dass ein vertraglich vereinbarter Ausschluss jedes Rechtsanspruchs beim laufenden Arbeitsentgelt den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Die Klausel sei deshalb im Umfang des Ausschlusses des Rechtsanspruchs unwirksam. In seiner Entscheidung vom 24.10.20073 hatte der 10. Senat des BAG eine Klausel zu beurteilen, die dem Arbeitnehmer einerseits einen Anspruch auf eine Bonuszahlung einräumte, diesen Anspruch auf der anderen Seite aber durch einen Freiwilligkeitsvorbehalt wieder ausschloss. Der 10. Senat hat hier angenommen, die Klausel sei in sich widersprüchlich und deshalb nicht klar und verständlich i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Da der Arbeitnehmer jedoch nur durch den den Anspruch ausschließenden Teil der Bestimmung unangemessen benachteiligt werde, trete auch nur insoweit Unwirksamkeit ein. Soweit die Bestimmung einen Anspruch auf den Bonus begründe, bleibe sie wirksam. Ebenso ist der 10. Senat des BAG in seinem Urteil vom 10.12.20084 verfahren. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Rechtsstreit hatte der Arbeitgeber in einem von ihm vorformulierten Anstellungsvertrag dem Arbeitnehmer ausdrücklich zugesagt, in jedem Jahr ein Weihnachtsgeld zu zahlen, die Zahlung dann aber unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt. Teilbar ist nach der Entscheidung des 10. Senats des BAG vom 8.12.20105 wohl auch eine Klausel, die einen Freiwilligkeitsvorbehalt enthält, der seinerseits mit einem Widerrufsvorbehalt verknüpft ist. In dem zugrunde liegenden Verfahren ging es um die Frage, ob ein vom Arbeitgeber vorformulierter Freiwilligkeitsvorbehalt das Entstehen eines Rechtsanspruchs auf eine künftige Sonderzahlung aus betrieblicher Übung wirksam verhindern konnte. 1 BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428; BAG v. 24.2.2011 – 6 AZR 634/09, ZMV 2011, 225. 2 BAG v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/06, BAGE 122, 182 = NZA 2007, 853. 3 BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, BAGE 124, 259 = NZA 2008, 40. 4 BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 1/08, DB 2009, 684. 5 BAG v. 8.12.2010 – 10 AZR 671/09, NZA 2011, 628.
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§ 306 | Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit Der 10. Senat hat zwar den Widerrufsvorbehalt zur Auslegung des Freiwilligkeitsvorbehalts herangezogen und gelangte so zu dem Ergebnis, dass bei einer Verknüpfung von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt für den Arbeitnehmer nicht hinreichend deutlich werde, dass trotz mehrfacher, ohne weitere Vorbehalte erfolgender Sonderzahlungen ein Rechtsbindungswille des Arbeitgebers ausgeschlossen sein solle. Ob die Parteien einen wirksamen Widerrufsvorbehalt vereinbart hatten, hat er jedoch ausdrücklich dahinstehen lassen. Das spricht dafür, dass die Unwirksamkeit des Freiwilligkeitsvorbehalts nicht die gesamte Klausel erfassen sollte. 34 Eine vorformulierte Vertragsklausel, die ein Rückkehrrecht zum alten Arbeit-
geber nicht nur von einer Kündigung durch den neuen Arbeitgeber abhängig macht, sondern darüber hinaus eine unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG ausgesprochene Kündigung verlangt, benachteiligt den Arbeitnehmer nach Auffassung des 7. Senats des BAG1 unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Klausel sei jedoch teilbar, wobei sich der wirksame Teil der Bestimmung auf die Voraussetzung einer wirksamen Kündigung, die auch bei Eintritt der Fiktion des § 7 Halbs. 1 KSchG erfüllt ist, beschränke.
35 Die Frage nach der Teilbarkeit einer Bestimmung stellt sich auch bei Klauseln
über die Rückzahlung von Aus- bzw. Weiter- oder Fortbildungskosten. Eine Teilbarkeit abgelehnt hat der 9. Senat des BAG2 beispielsweise für eine Klausel, nach der der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber getragene Ausbildungskosten bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Rücksicht auf den Beendigungsgrund zurückzahlen muss. Die Klausel sei insgesamt unwirksam. Sie könne nicht mit dem Inhalt aufrechterhalten werden, dass der Arbeitnehmer nur bei einem seinem Verantwortungsbereich zuzurechnenden Beendigungsgrund zur Rückzahlung verpflichtet sei. Die Bestimmung wolle inhaltlich und sprachlich eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Rückzahlung der Kosten in jedem Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf einer bestimmten Frist begründen und sei deshalb nicht teilbar. Von einer unbeschränkten, für alle Beendigungstatbestände geltenden Rückzahlungspflicht und deshalb insgesamt unwirksamen Rückzahlungsklausel ist der 9. Senat des BAG auch in seiner Entscheidung vom 23.1.20073 ausgegangen. Dem stand nicht entgegen, dass der Vertrag nach dem Passus: „wenn das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet wird“ die Ergänzung enthielt: „insbesondere, wenn der Mitarbeiter das Arbeitsverhältnis selbst kündigt oder wenn das Arbeitsverhältnis vom Unternehmen aus einem Grund gekündigt wird, den der Mitarbeiter nicht zu vertreten hat“. Eine mit „insbesondere“ eingeleitete Auflistung von Einzelfällen stelle keine abschließende Aufzählung dar, so dass die Klausel im Hinblick auf die Voraussetzungen für das Entstehen der Rückzahlungspflicht nicht geteilt werden konnte. Erweist sich die in einer Rück1 BAG v. 9.2.2011 – 7 AZR 91/10, NZA-RR 2012, 232. 2 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, BAGE 118, 36 = NZA 2006, 1042. 3 BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 482/06, NZA 2007, 748.
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V. Teilunwirksamkeit des Rechtsgeschäfts nach § 306 Abs. 1 BGB | § 306
zahlungsklausel enthaltene Bindungsdauer als zu lang und deshalb als unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers, so kann die Bestimmung nach der Rechtsprechung des 3. Senats1 nicht in Anwendung des „blue-pencil-Tests“ mit einer zulässigen Bindungsdauer aufrechterhalten werden. Insoweit beinhaltet die Klausel eine einheitliche Regelung, die nicht in mehrere selbständige Regelungen geteilt werden könne. Eine Teilbarkeit bejaht hat das BAG2 wiederum für ein Schuldversprechen/-an- 36 erkenntnis, in dem der Arbeitgeber zugleich einen umfassenden Einwendungsverzicht erklärt hatte. Der Einwendungsausschluss sei sprachlich vom sonstigen Text abgehoben. Das Schuldversprechen könne ohne Weiteres ohne diese Einschränkung aufrechterhalten werden. Ebenso eine Teilbarkeit angenommen hat das BAG im Fall eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses, in dem der Arbeitnehmer anerkannt hatte, der Arbeitgeberin Schadensersatz i.H.v. 210.000,00 Euro zzgl. gesetzlicher Mehrwertsteuer zu schulden. Selbst wenn das Schuldanerkenntnis im Hinblick auf den Klauselteil „zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer“ wegen Verstoßes gegen die guten Sitten i.S.v. § 138 BGB nichtig sein sollte, bleibe es im Übrigen wirksam, da die im Schuldanerkenntnis zur Höhe des Schadensersatzes getroffene Festlegung von „210.000,00 Euro zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer“ inhaltlich und sprachlich teilbar sei. Einen Schwerpunkt in der Rechtsprechung des BAG zur Teilbarkeit von AGB 37 bilden die Entscheidungen zu Vertragsstrafeabreden. In seinen Urteilen vom 4.3.20043 und 21.4.20054 beispielsweise hat der 8. Senat eine Teilbarkeit im Hinblick auf die in der Klausel enthaltenen verschiedenen Tatbestände, die eine Vertragsstrafe nach sich ziehen sollten – Nichtantritt des Arbeitsverhältnisses, Lösung des Arbeitsverhältnisses unter Vertragsbruch und schuldhaft vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers, das den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung veranlasst –, bejaht. Ebenso teilbar ist ein Vertragsstrafeversprechen, wonach der Arbeitnehmer eine Vertragsstrafe für den Fall zu zahlen hat, dass er das Arbeitsverhältnis vertragswidrig auflöst oder die Tätigkeit erst gar nicht antritt.5 Die Klausel regle insoweit zwei unterschiedliche, sprachlich und inhaltlich trennbare Sachverhalte. Im Übrigen seien die beiden Alternativen ihrerseits nicht weiter teilbar. Eine unangemessen hohe Vertragsstrafe könne nicht im Wege des „blue-pencil-Tests“ auf eine geringere, angemessene Höhe zurückgeführt werden. Eine Teilbarkeit angenommen hat der 8. Senat6 zudem für eine Klausel, die im Hinblick auf den die Vertragsstrafe begründenden Tatbestand 1 BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, BAGE 129, 121 = NZA 2009, 666; BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 173/08, NZA 2010, 342. 2 BAG v. 15.3.2005 – 9 AZR 502/03, BAGE 114, 97 = NZA 2005, 682. 3 BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, BAGE 110, 8 = NZA 2004, 727. 4 BAG v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053. 5 BAG v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08, DB 2009, 2269. 6 BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34.
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§ 306 | Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit eine generelle Regelung enthielt, die erst durch Beispiele konkretisiert wurde. Danach hatte der Mitarbeiter „im Falle eines gravierenden Vertragsverstoßes (etwa gegen das Wettbewerbsverbot, die Geheimhaltungspflicht oder bei einem Überschreiten der Befugnisse aus seinen Vollmachten) für jeden Einzelfall eine Vertragsstrafe …“ zu zahlen. In einem solchen Fall sei die die Vertragsstrafe auslösende Pflichtverletzung so klar bezeichnet, dass sich der Versprechende in seinem Verhalten darauf einstellen könne. In seinem Urteil vom 25.9.20081 hat der 8. Senat demgegenüber eine Teilbarkeit einer Klausel abgelehnt, nach der „die Zahlung einer Vertragsstrafe von drei Bruttomonatsgehältern mit sofortiger Wirkung fällig“ wurde, wenn der „Kündigungstermin nicht eingehalten“ wird und die „Lehrkraft ihrer Verpflichtung zur Dienstleistung bis zum Ablauf des Dienstvertrages nicht“ nachkommt. Das Vertragsstrafeversprechen benachteilige die Klägerin unangemessen, weil es in jedem Fall, in dem die Lehrkraft das Arbeitsverhältnis kündige, ohne den festgelegten Kündigungstermin einzuhalten, eine Vertragsstrafe von drei Bruttomonatsverdiensten vorsehe. Dies führe zu einer Übersicherung des Arbeitgebers. Die Klausel sei auch nicht teilbar. Die Voraussetzung, dass nach dem „Wegstreichen“ der unwirksamen Teilregelung ein aus sich heraus verständlicher Klauselrest verbleibe, sei nicht erfüllt. Und nach dem Urteil des BAG vom 23.9.20102 ist schließlich eine Bestimmung, die die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsverdienstes davon abhängig macht, dass der Arbeitnehmer die Tätigkeit rechtswidrig nicht antritt oder das Anstellungsverhältnis vorzeitig kündigt, zwar in zwei Verwirkungstatbestände teilbar. Die Alternative der vorzeitigen vertragswidrigen Beendigung ihrerseits sei jedoch nicht weiter teilbar in einen zulässigen Regelungsteil nach der Probezeit und einen unzulässigen Regelungsteil davor. 38 Andere Entscheidungen des BAG betreffen Widerrufsvorbehalte: In einem Fall
ging es um einen Dienstwagenüberlassungsvertrag, der eine Klausel enthielt, nach der der Arbeitgeber „jederzeit die Überlassung des Fahrzeugs an den Mitarbeiter widerrufen“ konnte. Diese Klausel – so hat der 9. Senat mit Urteil vom 19.12.20063 entschieden –, sei nicht teilbar, denn sie enthalte keine verschiedenen, nur äußerlich zusammengefassten Regelungen, sondern beinhalte inhaltlich und sprachlich das unbeschränkte Recht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer jederzeit und ohne Grund die Nutzung des Dienstwagens zu entziehen. Demgegenüber hat das BAG4 eine Teilbarkeit bejaht für eine Bestimmung, die eine „freiwillige, jederzeit widerrufliche und anrechenbare betriebliche Ausgleichszulage“ vorsah. Die Zulage solle widerruflich und anrechenbar sein; sie regle demnach zwei Sachverhalte. Da Widerrufs- und Anrechnungsvorbehalte unterschiedliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen hätten, sei die Klausel teilbar.
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v. 25.9.2008 – 8 AZR 717/07, NZA 2009, 370. v. 23.9.2010 – 8 AZR 897/08, NZA 2011, 89. v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, NZA 2007, 809. v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, BAGE 117, 155 = NZA 2006, 746.
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VI. Schließung der Vertragslücke nach § 306 Abs. 2 BGB | § 306
Geht ein Widerrufsvorbehalt inhaltlich zu weit, weil er den Arbeitgeber zum Widerruf auch dann berechtigt, wenn hierfür kein sachlicher Grund besteht, und ist er deshalb unwirksam, so kommt eine Teilung der Klausel in einen zulässigen und einen unzulässigen Teil nicht in Betracht. Dies hat der 9. Senat des BAG mit Urteil vom 13.4.20101 entschieden. Enthält ein Lehrereingruppierungserlass mehrere selbständige Eingruppie- 39 rungsmerkmale, kann die Intransparenz eines der Merkmale nur zum Fortfall dieses Merkmals führen.2 Einstweilen frei.
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VI. Schließung der Vertragslücke nach § 306 Abs. 2 BGB Sind AGB ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirk- 49 sam, so richtet sich der Inhalt des Vertrages nach den gesetzlichen Vorschriften, § 306 Abs. 2 BGB. Zu den gesetzlichen Vorschriften gehört zunächst das dispositive Gesetzesrecht 50 i.S. einer konkreten materiell-rechtlichen Regelung einschließlich seiner Fortentwicklung durch die Rechtsprechung und der Möglichkeit analoger Anwendung. Ebenso zur gesetzlichen Regelersatzordnung zählen alle zu Richterrecht verfestigten Rechtsgrundsätze und das Gewohnheitsrecht.3 Unterschiedlich beurteilt wird, ob die durch § 306 Abs. 2 BGB in Bezug genommenen gesetzlichen Vorschriften nur Vorschriften mit sachlich-rechtlichem Regelungsgehalt oder auch methodische Vorschriften sind, die nicht selbst eine konkrete Ersatzregelung enthalten, sondern den Richter lediglich zur Vertragsergänzung im Wege ergänzender Vertragsauslegung ermächtigen4 (vgl. hierzu auch Rz. 55). Dieser Streit wirkt sich im Ergebnis allerdings nicht aus. § 306 Abs. 2 BGB dient der Wiederherstellung der Vertragsparität. Mit der In- 51 bezugnahme der gesetzlichen Vorschriften werden die Vertragsparteien auf genau die Bestimmungen und Grundsätze verwiesen, die nach der Wertung des Gesetzgebers für den Regelfall einen angemessenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen bereithalten.5 Vor diesem Hintergrund kommt ein Rückgriff auf das dispositive Recht dann nicht in Betracht, wenn dieses nicht geeignet ist, den mit § 306 Abs. 2 BGB angestrebten angemessenen Interessenausgleich herbei1 BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943. 2 BAG v. 26.1.2017 – 6 AZR 671/15, BAGE 158, 81 = NZA-RR 2017, 325; BAG v. 21.12. 2017 – 6 AZR 803/16, ZTR 2018, 205. 3 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 610; Schmidt in UBH, § 306 Rz. 27; Lindacher/Hau in WLP, § 306 Rz. 14. 4 Vgl. Nachweise bei Schmidt in UBH, § 306 Rz. 26. 5 Vgl. Schlewing, RdA 2011, 92 (95).
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§ 306 | Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit zuführen.1 Ebenso scheidet regelmäßig eine Lückenfüllung durch dispositives Recht dann aus, wenn eine Klausel nicht Vertragsbestandteil geworden ist, weil sie überraschend i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB ist. Eine Ausnahme wird allerdings dort zu machen sein, wo die Bestimmung nicht wegen ihres Inhalts, sondern wegen ihres Standorts im Vertrag überraschenden Charakter hat.2 52 Ein Hauptanwendungsfall des § 306 Abs. 2 BGB ist das Eingreifen des § 276 BGB
in den Fällen, in denen ein Haftungsausschluss oder eine Haftungsbeschränkung wegen Verstoßes gegen das AGB-Kontrollrecht unwirksam ist. Ferner hat der 5. Senat des BAG mehrfach erkannt, bei Wegfall einer Ausschlussklausel griffen mangels gesetzlicher oder richterrechtlicher Regelungen zu Ausschlussfristen die Verjährungsregeln der §§ 195 ff. BGB ein. Diese Bestimmungen böten einen dem Regelungsgedanken der Ausschlussfristen, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit herzustellen, vergleichbaren hinreichenden Interessenausgleich.3 Ist ein in AGB vereinbarter pauschalierter Aufwendungsersatz wegen unangemessener Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, treten an seine Stelle die Regelungen über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung nach den §§ 812 ff. BGB, die einen angemessenen Ausgleich der Interessen der Parteien ermöglichen.4 Erweist sich eine Versetzungsklausel als unwirksam, so richtet sich der Inhalt des Vertrages insoweit nach § 106 GewO.5 Ist eine die pauschale Vergütung von Mehrarbeit regelnde Klausel wegen Intransparenz nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, kommt eine ergänzende Vertragsauslegung nicht in Betracht, da mit § 612 BGB eine gesetzliche Regelung existiert, die nach § 306 Abs. 2 BGB zur Lückenfüllung herangezogen werden kann.6 Haben sich die Parteien in einer Abwicklungsvereinbarung über die Höhe der dem Arbeitnehmer zustehenden unverfallbaren Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung geeinigt und ist diese Vereinbarung wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, so tritt an die Stelle der unwirksamen Klausel die gesetzliche Vorschrift und damit § 2 Abs. 1 BetrAVG.7
VII. Ergänzende Vertragsauslegung 53 § 306 Abs. 2 BGB bestimmt ausdrücklich nur, dass an die Stelle der unwirksamen
oder nicht einbezogenen AGB die gesetzlichen Vorschriften treten; er regelt nicht, wie zu verfahren ist, wenn es eine gesetzliche Regelersatzordnung nicht
1 Vgl. Schlewing, RdA 2011, 92 (95). 2 Schmidt in UBH, § 306 Rz. 25. 3 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, BAGE 115, 19 = NZA 2005, 1111; BAG v. 28.11.2007 – 5 AZR 992/06, NZA 2008, 293; BAG v. 19.12.2007 – 5 AZR 1008/06, NZA 2008, 464. 4 BAG v. 27.7.2010 – 3 AZR 777/08, NZA 2010, 1237. 5 BAG v. 25.8.2010 – 10 AZR 275/09, NZA 2010, 1355. 6 BAG v. 1.9.2010 – 5 AZR 517/09, BAGE 135, 250 = NZA 2011, 575. 7 BAG v. 11.10.2011 – 3 AZR 795/09.
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VII. Ergänzende Vertragsauslegung | § 306
gibt, sei es, weil dispositives Recht überhaupt nicht zur Verfügung steht, oder sei es, weil das an sich zur Verfügung stehende dispositive Recht nicht geeignet ist, den mit § 306 Abs. 2 BGB angestrebten angemessenen Interessenausgleich herbeizuführen. Allerdings hat dies nicht zur Folge, dass bei Fehlen oder Nichtgeeignetheit des dispositiven Rechts eine Vertragslücke nicht geschlossen werden könnte. Hier kommen die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung zur Anwendung. Das Gesetz schließt die ergänzende Vertragsauslegung nicht nur nicht aus;1 für den Gesetzgeber war diese Möglichkeit der Lückenfüllung vielmehr eine Selbstverständlichkeit. Das zeigt die Entstehungsgeschichte der Vorgängerregelung des § 306 BGB auf. In der im Regierungsentwurf vorgesehenen Fassung der Bestimmung (damals § 5 AGBG) lautete die Vorschrift wie folgt: „Soweit Bestimmungen nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam sind, richtet sich der Inhalt des Vertrages nach den gesetzlichen Vorschriften, in Ermangelung von solchen nach der Natur des Vertrages“.2 Der Rechtsausschuss, auf dessen Initiative hin der letzte Satzteil gestrichen wurde, hielt die später Gesetz gewordene Fassung für ausreichend; er begründete dies damit, in Ermangelung gesetzlicher Vorschriften ermöglichten bereits die §§ 133, 157 BGB eine ergänzende Vertragsauslegung.3 Die gesetzlichen Vorschriften i.S.d. § 306 Abs. 2 BGB sollten also nicht abschließend sein; vielmehr sollte dem Regelungsanliegen, den Vertrag mit einem von der Rechtsordnung gebilligten Inhalt aufrechtzuerhalten,4 um so Vertragsparität wiederherzustellen, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung Rechnung getragen werden können (ganz h.M.).
1. Voraussetzungen der ergänzenden Vertragsauslegung Im Hinblick auf die Voraussetzungen der ergänzenden Vertragsauslegung be- 54 steht in der Rechtsprechung des BAG zwar in einigen Punkten Einigkeit. Von den einzelnen Senaten unterschiedlich beurteilt wird allerdings, ob eine ergänzende Vertragsauslegung nur dann in Betracht kommt, wenn der ersatzlose Fortfall der Klausel für eine Vertragspartei – i.d.R. den Verwender – eine unzumutbare Härte i.S.d. § 306 Abs. 3 BGB darstellt. Ebenso besteht keine Übereinstimmung darüber, welche Bedeutung der Überleitungsvorschrift des Art. 229 § 5 EGBGB für die ergänzende Auslegung sog. Altverträge zukommt. a) Subsidiarität der ergänzenden Vertragsauslegung gegenüber der Lückenfüllung durch dispositives Recht gemäß § 306 Abs. 2 BGB Einigkeit besteht zunächst insoweit, als die Lückenfüllung im Wege der ergän- 55 zenden Vertragsauslegung subsidiär ist gegenüber der Lückenfüllung durch 1 2 3 4
Lindacher/Hau in WLP, § 306 Rz. 15. BT-Drucks. 7/3919, S. 4. BT-Drucks. 7/5422, S. 5. BT-Drucks. 7/3919, S. 21.
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§ 306 | Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit das in § 306 Abs. 2 BGB erwähnte dispositive Recht. Das gilt unabhängig davon, ob man die Bezugnahme auf die gesetzlichen Vorschriften in § 306 Abs. 2 BGB – wie der BGH dies in einer Vielzahl von Entscheidungen angenommen hat1 – auch als Verweisung auf die für die ergänzende Vertragsauslegung maßgebenden §§ 133, 157 BGB auslegt oder ob man die in Bezug genommenen gesetzlichen Vorschriften auf solche mit sachlichem Regelungsgehalt unter Ausgrenzung methodischer Vorschriften beschränkt.2 Diese Frage ist für das Ergebnis nicht von Relevanz.3 Damit ist für eine ergänzende Vertragsauslegung nur dort Raum, wo dispositives Recht entweder überhaupt nicht vorhanden oder zur Lückenfüllung nicht geeignet ist, weil es keine angemessene, den typischen Interessen der Vertragsparteien Rechnung tragende Lösung bietet. 56 Vor diesem Hintergrund scheidet nach Auffassung des 5. Senats des BAG4 die
Möglichkeit ergänzender Vertragsauslegung im Falle einer wegen zu kurz bemessener Ausschlussfrist unwirksamen Ausschlussklausel aus. Bei Wegfall der Ausschlussfrist – so der 5. Senat – griffen mangels gesetzlicher oder richterrechtlicher Regelungen zu Ausschlussfristen die Verjährungsregeln des BGB ein; diese böten einen dem Regelungsgedanken der Ausschlussfristen, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit herzustellen, vergleichbaren hinreichenden Interessenausgleich.
b) Ausfüllungsbedürftige Vertragslücke 57 Stehen geeignete gesetzliche oder richterrechtliche Regelungen zur Lückenschlie-
ßung nach § 306 Abs. 2 BGB nicht zur Verfügung, ist weiter erforderlich, dass der ersatzlose Wegfall der Klausel eine ausfüllungsbedürftige Lücke entstehen lässt. Das ist nach ganz herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur dann der Fall, wenn ohne eine Ergänzung des Vertrages keine angemessene, den typischen Interessen der Vertragsparteien Rechnung tragende Lösung zu erzielen ist, oder anders formuliert, wenn der Wegfall der Klausel den Verwender über Gebühr benachteiligt und umgekehrt dessen Vertragspartner in einem Maße begünstigt, das durch dessen schutzwürdige Interessen nicht mehr gerechtfertigt ist.5 Hierüber hat das Gericht eine wertende Entscheidung zu treffen.
1 So beispielsweise BGH v. 1.2.1984 – VIII ZR 54/83, NJW 1984, 1174; BGH v. 4.7.2002 – VII ZR 502/99, NJW 2002, 3098; BGH v. 29.4.2008 – KZR 2/07, NJW 2008, 2172; BGH v. 28.10.2009 – VIII ZR 320/07, NJW 2010, 993; BGH v. 13.1.2010 – VIII ZR 81/08, NJWRR 2010, 1202 m.w.N; BGH v. 6.4.2016 – VIII ZR 79/15, NJW 2017, 320. 2 Der BGH hat es in seinem Urteil v. 12.10.2005 – IV ZR 162/03, NJW 2005, 3559 ausdrücklich offengelassen, ob es sich bei den §§ 157, 133 BGB um Vorschriften i.S.d. § 306 Abs. 2 BGB handelt. Differenzierend Schlosser in Staudinger, § 306 Rz. 12. 3 So ausdrücklich BGH v. 12.10.2005 – IV ZR 162/03, NJW 2005, 3559. 4 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; BAG v. 28.11.2007 – 5 AZR 992/06, NZA 2008, 293; BAG v. 19.12.2007 – 5 AZR 1008/06, NZA 2008, 464. 5 Ausdrücklich BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, BAGE 115, 19 = NZA 2005, 1111; BAG v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, BAGE 116, 66 = NZA 2006, 149; BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR
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VII. Ergänzende Vertragsauslegung | § 306
Unterschiedlich beurteilt wird allerdings, ob darüber hinaus weitere Anfor- 58 derungen zu stellen sind. So standen insbesondere der 3., 8., 9. und der 10. Senat des BAG in der Vergangenheit auf dem Standpunkt, dass nicht jede Verschiebung der Gewichte zu Lasten des Verwenders ausreiche. Eine ergänzende Vertragsauslegung kam nach der Rechtsprechung dieser Senate nur dann in Betracht, wenn sich das Festhalten am Vertrag für den Verwender als unzumutbare Härte i.S.d. § 306 Abs. 3 BGB darstellte.1 Dabei sind nach Auffassung des 3. Senats bei der Frage, ob eine unzumutbare Härte i.S.d. § 306 Abs. 3 BGB vorliegt, allerdings „die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB)“. Tendenzen, die ergänzende Vertragsauslegung von der Unzumutbarkeit i.S.d. 59 § 306 Abs. 3 BGB abhängig zu machen, sind auch in der Rechtsprechung einiger weniger Senate des BGH, namentlich des Kartellsenats und des 8. Senats, zu verzeichnen. Danach muss der ersatzlose Fortfall der Klausel das Vertragsgefüge völlig einseitig zugunsten des Kunden verschieben.2 Das setzt Unzumutbarkeit voraus. 511/05, BAGE 117, 165 = NZA 2006, 783; BAG v. 28.11.2007 – 5 AZR 992/06, NZA 2008, 293; BAG v. 19.12.2007 – 5 AZR 1008/06, NZA 2008, 464; BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, DB 2012, 1155; BGH v. 4.7.2002 – VII ZR 502/99, BGHZ 151, 229; 26. BGH v. 26.10.2005 – VIII ZR 48/05, BGHZ 165, 12; BGH v. 29.4.2008 – KZR 2/07, BGHZ 176, 244; BGH v. 28.10.2009 – VIII ZR 320/07, juris; BGH v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07, DB 2009, 2652; Bonin in DBD, § 306 Rz. 24; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 104; Roloff in Erman, § 306 Rz. 13; Müller-Glöge in MünchKommBGB, § 611 Rz. 75; Grüneberg in Palandt, § 306 Rz. 13; Schlosser in Staudinger, § 306 Rz. 12. 1 Vgl. BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, BAGE 118, 36 = NZA 2006, 1042; BAG v. 19.12. 2006 – 9 AZR 294/06, NZA 2007, 809; BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 482/06, NZA 2007, 748; BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, BAGE 127, 185 = NZA 2008, 1173; BAG v. 25.9.2008 – 8 AZR 717/07, NZA 2009, 370; BAG v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08, NZA-RR 2009, 519; BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, BAGE 129, 121 = NZA 2009, 666; BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428; BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 173/08, NZA 2010, 342; BAG v. 21.6.2011 – 9 AZR 238/10, EzA BGB 2002 § 306 Nr. 5; BAG v. 21.6.2011 – 9 AZR 236/ 10, NZA 2011, 1274; BAG v. 12.12.2013 – 8 AZR 829/12, NZA 2014, 905 = NJW 2014, 723 = DB 2014, 1136; in diesem Sinne auch Annuß, BB 2006, 1333 (1338) und Stoffels, AGB-Recht, Rz. 615. Nach neuerer Rechtsprechung des 8. Senats des BAG ist die unzumutbare Härte i.S.v. § 306 Abs. 3 BGB keine Voraussetzung mehr für eine ergänzende Vertragsauslegung; vgl. hierzu insb. BAG v. 17.3.2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 945 = AP BGB § 309 Nr. 6; BAG v. 24.8.2017 – 8 AZR 378/16, NZA 2018, 100 = NJW 2018, 418 = AP BGB § 309 Nr. 7. Unklar ist demgegenüber, ob der 9. Senat des BAG an dem Erfordernis der Unzumutbarkeit festhalten möchte, vgl. hierzu insb. BAG v. 18.3.2014 – 9 AZR 545/12, NZA 2014, 957 = NJW 2014, 3118 = AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 49; BAG v. 10.5.2016 – 9 AZR 434/15, USK 2016-93. 2 Vgl. nur BGH v. 29.4.2008 – KZR 2/07, NJW 2008, 2172; BGH v. 17.12.2008 – VIII ZR 274/06, NJW 2009, 578; BGH v. 15.7.2009 – VIII ZR 225/07, NJW 2009, 2662; BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180; BGH v. 9.2.2011 – VIII ZR 295/09, NJW 2011, 1342.
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§ 306 | Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit 60 Die „unzumutbare Härte i.S.d. § 306 Abs. 3 BGB“ als Voraussetzung für eine er-
gänzende Vertragsauslegung ist in der Literatur auf berechtigte Kritik gestoßen.1 Gegen eine Bindung der ergänzenden Vertragsauslegung an das Unzumutbarkeitskriterium des § 306 Abs. 3 BGB spricht nicht nur, dass dies der inneren Systematik des § 306 BGB nicht Rechnung trägt. Danach hat die ergänzende Vertragsauslegung, die ebenso wie die Vertragsergänzung durch dispositives Recht nach § 306 Abs. 2 BGB auf den Erhalt des Vertrages mit dem Ziel eines angemessenen Interessenausgleichs angelegt ist, Vorrang vor der Prüfung des § 306 Abs. 3 BGB. Sie kommt daher schon unterhalb der Schwelle der unzumutbaren Härte in Betracht.2 Die Ankoppelung der Ergänzungsbedürftigkeit des Vertrages an das Unzumutbarkeitskriterium entspricht zudem nicht dem mit der ergänzenden Vertragsauslegung verfolgten Ziel, einen angemessenen Interessenausgleich herbeizuführen, sondern läuft auf eine unverhältnismäßige und damit nicht zu rechtfertigende Bevorzugung der Interessen des Vertragspartners des Verwenders hinaus. Auch der AGB-spezifische Präventionsgesichtspunkt kann eine derartige Einschränkung der richterlichen Vertragsergänzung nicht rechtfertigen. Zwar ist es eines der Ziele des AGB-Kontrollrechts, den Rechtsverkehr von unangemessenen AGB freizuhalten; der Vertragspartner des Verwenders, d.h. der Arbeitnehmer soll vor unangemessenen einseitig vorformulierten Vertragsbedingungen geschützt werden.3 Auf der anderen Seite ist das Gesetz jedoch, das zeigen nicht nur die Maßstäbe des § 307 BGB, sondern auch das Eingreifen des dispositiven Rechts nach § 306 Abs. 2 BGB sowie die Möglichkeit ergänzender Vertragsauslegung, auch dem angemessenen Interessenausgleich verpflichtet.4 Hierdurch soll Vertragsparität wiederhergestellt werden. In der Gesetzesbegründung wird dieses Gebot eines angemessenen Ausgleichs sogar als vorrangiges rechtspolitisches Ziel des Gesetzes bezeichnet.5 Das Gesetz selbst hat in § 306 BGB keinem der Ziele den absoluten Vorrang eingeräumt, sondern ist auf einen Ausgleich der beiden Positionen mit einem weiteren Ziel, nämlich dem der größtmöglichen Vertragserhaltung bedacht. Dabei trägt § 306 Abs. 1 BGB allein dem Präventionsgedanken Rechnung. Die unwirksame Klausel entfällt bei Aufrechterhaltung des Vertrages im Übrigen. Damit trägt der Verwender das Risiko, an einem aus seiner Sicht lückenhaften Vertrag festgehal-
1 Vgl. nur Linck in FS Bauer (2010), S. 645 (657); Uffmann, RdA 2011, 154 (158 ff.); Uffmann, NJW 2011, 1313 (1316 f.); Uffmann, RdA 2012, 113 (119 f.); Schmidt in UBH, § 306 Rz. 37a. 2 Dies schließt es nicht aus, eine ergänzende Vertragsauslegung dann vorzunehmen, wenn eine unzumutbare Härte bejaht werden kann. Hierdurch würde die Anwendung des § 306 Abs. 3 BGB, der ultima ratio ist, vermieden, vgl. hierzu Schlewing, RdA 2011, 92 (97 Fn. 76); in diesem Sinne auch Canaris in FS Steindorff (1990), S. 546 (556); Lindacher/ Hau in WLP, § 306 Rz. 17; vgl. auch Ohlendorf/Salamon, RdA 2006, 281 (287). 3 Vgl. BT-Drucks. 7/3919, S. 1. 4 Vgl. Schlewing, RdA 2011, 92 (96 f. m.w.N.). 5 BT-Drucks. 7/3919, S. 13.
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VII. Ergänzende Vertragsauslegung | § 306
ten zu werden.1 Um zu verhindern, dass dem Vertragspartner des Verwenders ein Vorteil verbleibt, der durch dessen schutzwürdige Interessen nicht gerechtfertigt ist,2 wird die Lücke sodann durch das dispositive Recht oder im Wege ergänzender Vertragsauslegung geschlossen.3 Sowohl das Eingreifen des dispositiven Rechts als auch die ergänzende Vertragsauslegung stellen einen angemessenen Interessenausgleich und damit genau das her, was mit der AGB-Kontrolle bewirkt werden soll. Erst dann, wenn eine Lückenfüllung durch dispositives Recht oder ergänzende Vertragsauslegung scheitert, setzt sich wieder der Präventionsgedanke durch. In dem Fall wird die Vertragslücke nicht geschlossen, und der Verwender wird wiederum – dies allerdings nur bis zur Grenze der Unzumutbarkeit i.S.d. § 306 Abs. 3 BGB – an einem aus seiner Sicht lückenhaften Vertrag festgehalten.4 Dass § 306 Abs. 2 BGB, soweit es um Arbeitsverträge geht, keiner unionsrechtskonformen Auslegung dahin bedarf, dass eine Lückenfüllung nach dieser Bestimmung und damit auch eine ergänzende Vertragsauslegung nur unter der Voraussetzung möglich ist, dass andernfalls der Vertrag insgesamt nach § 306 Abs. 3 BGB für nichtig zu erklären wäre, weil das Festhalten an ihm für den Arbeitgeber eine unzumutbare Härte darstellen würde, wurde bereits unter Rz. 8 erläutert. Ob eine ausfüllungsbedürftige Lücke vorliegt, ist demnach im Wege einer Inte- 61 ressenabwägung im Einzelfall zu entscheiden. Diese Bewertung hat sich am Maßstab der Angemessenheit, also am Gebot von Treu und Glauben auszurichten.5 In diesem Zusammenhang wird im Schrifttum die Frage erörtert, ob eine ausfüllungsbedürftige Lücke ausnahmsweise dann nicht vorliegt und eine ergänzende Vertragsauslegung von vornherein ausscheidet, wenn der Verstoß gegen die §§ 307–309 BGB für den Verwender „offensichtlich“ bzw. „voraussehbar“ war.6 Zum Teil wird in diesem Zusammenhang auch von der „Arglist“ oder der „Bösgläubigkeit“ des Verwenders gesprochen.7 Der BGH thematisiert diese Problematik unter dem Stichwort der „bewusst abschließenden Regelung“,8 die einer ergänzenden Vertragsauslegung entgegenstehe. Mit dem vom Schrifttum vorgeschlagenen Ansatz zur Beschränkung der ergänzenden Vertragsauslegung9 könnte im Rahmen der Interessenabwägung dem Umstand, dass der Verwender die Vertragsbedingungen vorformuliert, dass er es also in der Hand hat, wirksame Klauseln zu stellen und damit der Frage nach seiner Schutzwürdigkeit und 1 2 3 4 5 6
BT-Drucks. 7/3919, S. 21. Vgl. I. Schmidt, NZA 2004, 1002 (1009). Vgl. Schlewing, RdA 2011, 92 (97). Vgl. Schlewing, RdA 2011, 92 (97). Schlewing, RdA 2011, 92 (98). Vgl. Roloff in Erman, § 306 Rz. 13; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 615 m.w.N.; Schmidt in UBH, § 306 Rz. 37; Lindacher/Hau in WLP, § 306 Rz. 20 m.w.N. 7 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 615; Lindacher/Hau in WLP, § 306 Rz. 20. 8 BGH v. 4.7.2002 – VII ZR 502/99, NJW 2002, 3098. 9 Zu den Auswirkungen auf arbeitsvertragliche Abreden vgl. Schlewing, RdA 2011, 92 (98).
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§ 306 | Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit Schutzbedürftigkeit angemessen Rechnung getragen werden. In diesem Sinne hat der 3. Senat des BAG in seinem Urteil vom 13.12.20111 eine ergänzende Vertragsauslegung mit der Begründung abgelehnt, der Arbeitgeber habe kein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung der Rückzahlungsklausel, da bereits zum Zeitpunkt ihrer Verwendung bekannt gewesen sei, dass eine Rückzahlungsklausel, die an Beendigungstatbestände anknüpfe, die der Verantwortungssphäre des Arbeitgebers zuzurechnen seien, unwirksam sei. Diese Rechtsprechung hat der 3. Senat des BAG fortgeführt2; der 8. Senat des BAG hat sich dieser Rechtsprechung, wonach eine ergänzende Vertragsauslegung nicht in Betracht kommt, wenn der Verwender kein schutzwürdiges Interesse an der entsprechenden Lückenfüllung im Wege ergänzender Vertragsauslegung hat, angeschlossen.3 62 Haben die Parteien Schriftform vereinbart, so steht dieses Erfordernis einer er-
gänzenden Vertragsauslegung nicht entgegen; durch die ergänzende Vertragsauslegung wird die arbeitsvertragliche Abrede weder geändert noch ergänzt; vielmehr wird das bestimmt, was die Parteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner von vornherein vereinbart hätten, wenn ihnen die gesetzlich angeordnete Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre.4
c) Ausfüllung der Vertragslücke 63 Weist der Vertrag eine planwidrige Lücke auf, die nicht durch dispositives Recht
nach § 306 Abs. 2 BGB geschlossen werden kann und bietet der ersatzlose Fortfall der nicht Vertragsbestandteil gewordenen oder unwirksamen Klausel bzw. des Klauselteils keine angemessene, den typischen Interessen des AGB-Verwenders und seines Vertragspartners Rechnung tragende Lösung, so kann die Lücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden.
64 Dabei hat die ergänzende Vertragsauslegung – ebenso wie die Auslegung und
Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen – nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab zu erfolgen, der am Willen und Interesse der typischerweise beteiligten Verkehrskreise ausgerichtet sein muss.5 AGB sind nach 1 BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, DB 2012, 1155. 2 Vgl. BAG v. 28.5.2013 – 3 AZR 103/12, NZA 2013, 1419 = AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 47; BAG v. 30.9.2014 – 3 AZR 930/12, BAGE 149, 200 = NZA 2015, 231 = AP BetrAVG § 1 Hinterbliebenenversorgung Nr. 32. 3 Vgl. BAG v. 17.3.2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 945 = AP BGB § 309 Nr. 6; BAG v. 24.8.2017 – 8 AZR 378/16, NZA 2018, 100 = NJW 2018, 418 = AP BGB § 309 Nr. 7. 4 BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423; vgl. auch Bonin in DBD, § 306 Rz. 25b. 5 BAG v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/06, BAGE 122, 182 = NZA 2007, 853; BAG v. 18.11.2015 – 5 AZR 751/13, NZA 2016, 487 = AP BGB § 138 Nr. 72.
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ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Deshalb ist nicht der hypothetische Wille der konkreten Parteien zu ermitteln; es ist nicht zu fragen, was die konkreten Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn ihnen die gesetzlich angeordnete Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre.1 Die zu findende Ersatzregelung muss vielmehr für den betroffenen Vertragstyp als allgemeine Lösung eines immer wiederkehrenden Interessengegensatzes angemessen sein.2 Hierdurch unterscheidet sich die ergänzende Vertragsauslegung im Übrigen von der geltungserhaltenden Reduktion im Sinne der Rechtsprechung (zur geltungserhaltenden Reduktion im Einzelnen s. Rz. 69–76). Während bei der geltungserhaltenden Reduktion im Sinne der Rechtsprechung nach der Grenze des am Maßstab der §§ 307 ff. BGB zu beurteilenden „gerade noch Zulässigen“ gesucht wird, erstrebt die ergänzende Vertragsauslegung einen beiden Seiten so weit wie möglich gerecht werdenden Ausgleich.3 Für diese Interessenabwägung können die §§ 307–309 BGB und die hierzu durch Richterrecht entwickelten Maßstäbe eine Orientierungshilfe bieten.4 Deshalb kann nach der Rechtsprechung des 3. Senats des BAG bei einer Klausel, die die Rückzahlung von Fortbildungskosten mit einer zu langen Bindungsdauer verknüpft, ein Ausgleich der widerstreitenden Interessen in dem liegen, was nach der Rechtsprechung zulässig ist.5 Diese Entscheidung zeigt, dass die ergänzende Vertragsauslegung nicht denknotwendig ein anderes Ergebnis zeitigen muss als eine geltungserhaltende Reduktion. Auf der anderen Seite kommt eine Ersetzung eines Freiwilligkeitsvorbehalts durch einen Widerrufsvorbehalt bei einer Klausel, die eine monatlich zu zahlende Leistungszulage unter Ausschluss jeden Rechtsanspruchs vorsieht, nicht in Betracht.6 Fehlen ausreichende Anhaltspunkte dafür, was die Parteien bei einer angemesse- 65 nen Abwägung ihrer berechtigten Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, ist eine ergänzende Vertragsauslegung 1 BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423; BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 482/06, NZA 2007, 748; BAG v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40; BAG v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08, NZARR 2009, 519; BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666. 2 BGH v. 12.10.2005 – IV ZR 162/03, NJW 2005, 3559; BAG v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853. 3 BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 482/06, NZA 2007, 748. 4 Vgl. Roloff in Erman, § 306 Rz. 13; Schlewing, RdA 2011, 92 (98); Stoffels, AGB-Recht, Rz. 617; Schmidt in UBH, § 306 Rz. 37. 5 BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666; kritisch demgegenüber Bonin in DBD, § 306 Rz. 24. 6 BAG v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/06, BAGE 122, 182 = NZA 2007, 853.
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§ 306 | Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit nicht möglich.1 Hiervon ist der 10. Senat des BAG bei einer Stichtagsklausel ausgegangen, die den Arbeitnehmer unabhängig von der Höhe der Bonuszahlung bis zum 30. September des Folgejahres binden sollte. In Anbetracht der Vielzahl möglicher Stichtagsregelungen lasse sich nicht beantworten, für welchen Stichtag sich die Parteien entschieden hätten.2 Ebenso scheidet eine ergänzende Vertragsauslegung aus, wenn es nicht möglich ist, die Lücke durch eine klare, verständliche, widerspruchsfreie, transparente und angemessene Regelung zu füllen. Insoweit bilden die §§ 305 ff. BGB normative Vorgaben für die Vertragsergänzung, über die sich das Gericht bei der Lückenfüllung nicht hinwegsetzen darf.3 Dies hat der 10. Senat des BAG bei einem Änderungsvorbehalt angenommen, nach dem nahezu alle Bedingungen des Arbeitsverhältnisses von einer möglichen Änderung betroffen waren und kein triftiger Grund für mögliche Änderungen genannt bzw. beschrieben war.4 66 Ist eine Klausel wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam,
kommt eine Ersetzung der intransparenten Klausel durch eine inhaltsgleiche transparente Bestimmung grundsätzlich nicht in Betracht. Eine solche Vorgehensweise würde dazu führen, dass die wegen Intransparenz unwirksame Klausel für den Vertragspartner des Verwenders letztlich doch verbindlich wäre. Dies liefe § 307 BGB zuwider und kann deshalb von vornherein nicht Ergebnis einer auf einen angemessenen Interessenausgleich bedachten ergänzenden Vertragsauslegung sein.5
d) Ergänzende Vertragsauslegung bei „Altverträgen“ 67 Zwar finden die Neuregelungen der Schuldrechtsreform – und damit auch die
§§ 305 ff. BGB – nach Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB nur auf arbeitsvertragliche Absprachen Anwendung, die ab dem 1.1.2002 getroffen wurden (sog. Neuverträge). Dennoch sind sog. Altverträge nicht weiterhin nach altem Recht zu beurteilen. Der Gesetzgeber hat für Dauerschuldverhältnisse, die vor dem 1.1.2002 begründet wurden, mit Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB eine Sonderregelung getroffen. Danach sind auf alle Dauerschuldverhältnisse, die vor dem 1.1.2002 begründet wurden, die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der ab dem 1.1.2002 geltenden Fassung mit Wirkung zum 1.1.2003 anzuwenden. Ab dem 1.1.2003 1 So auch Bonin in DBD, § 306 Rz. 25a; Roloff in Erman, § 306 Rz. 13; Basedow in MünchKommBGB, § 306 Rz. 29; Müller-Glöge in MünchKommBGB, § 611 Rz. 75; Grüneberg in Palandt, § 306 Rz. 18; differenzierend Stoffels, AGB-Recht, Rz. 619 f.; kritisch Schmidt in Bamberger/Roth/Hau/Poseck, § 306 Rz. 18; Schlosser in Staudinger, § 306 Rz. 15a; Schmidt in UBH, § 306 Rz. 38; Lindacher/Hau in WLP, § 306 Rz. 21. 2 BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, BAGE 124, 259 = NZA 2008, 40. 3 Vgl. Schmidt in UBH, § 306 Rz. 37. 4 BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428. 5 BGH v. 12.10.2005 – IV ZR 162/03, NJW 2005, 3559; a.A. wohl Roloff in Erman, § 306 Rz. 13.
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unterliegen arbeitsvertragliche Abreden damit uneingeschränkt der Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB. Dies kann die Unwirksamkeit bislang gesetzeskonformer Abreden in Altverträgen zur Folge haben und im Ergebnis zu einer Entwertung begründeter Vertragsrechte und damit zu einer verfassungsrechtlich nicht unproblematischen Rückwirkung führen.1 Die Bedeutung des Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB für die ergänzende Auslegung 68 sog. Altverträge wird in der Rechtsprechung der einzelnen Senate des BAG nicht einheitlich beurteilt. Der 5. Senat des BAG beispielsweise sieht in Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB nur eine Bestimmung, mit der dem Verwender „ein zeitlicher Spielraum“ eröffnet wurde, um „sich auf die geänderte rechtliche Lage einzustellen“2 und hat in seinen Urteilen vom 12.1.20053 und 11.10.20064 eine ergänzende Vertragsauslegung bei Widerrufsvorbehalten, die allein aus formellen Gründen unwirksam waren, weil sie jeweils keine Widerrufsgründe enthielten, befürwortet. Eine rückwirkende Anwendung förmlicher Anforderungen, nämlich der Anforderungen an die Vertragsformulierung, auf einen abgeschlossenen Sachverhalt (Abschluss des Arbeitsvertrages) würde – so hat der 5. Senat ausgeführt – auf eine echte Rückwirkung hinauslaufen. Demgegenüber ist der 9. Senat des BAG davon ausgegangen, dass der Gesetzgeber den Arbeitgebern mit Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB „eine Schutzfrist zur Umstellung“ ihrer „vorformulierten Arbeitsverträge bis zum 31.12.2002 gewährt“ habe.5 Deshalb kämen die vom 5. Senat entwickelten Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung für Altverträge dann nicht zum Zuge, wenn der Arbeitgeber nicht zuvor versucht habe, die nicht mehr den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Klauseln der neuen Gesetzeslage anzupassen.6 Auch nach Auffassung des 10. Senats des BAG7 spricht viel dafür, dass eine ergänzende Vertragsauslegung bei Altfällen zudem voraussetzt, dass der Verwender den Versuch unternommen hat, die nicht mehr den §§ 305 ff. BGB genügenden Klauseln der neuen Gesetzeslage anzupassen. Mit seinem Urteil vom 20.4.20118 hat der 5. Senat des BAG nunmehr seine Rechtsprechung aus seinen Urteilen vom 12.1.20059 und 11.10.200610 ausdrücklich 1 Vgl. auch Stoffels, NZA 2005, 726. 2 Vgl. nur BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, BAGE 113, 140 = NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87. 3 BAG v. 12.1.2005 – 3 AZR 364/04, BAGE 113, 140 = NZA 2005, 465. 4 BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87. 5 Vgl. BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, BAGE 118, 36 = NZA 2006, 1042; BAG v. 19.12. 2006 – 9 AZR 294/06, NZA 2007, 809. 6 Vgl. BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, BAGE 118, 36 = NZA 2006, 1042; BAG v. 19.12. 2006 – 9 AZR 294/06, NZA 2007, 809; so im Ergebnis auch Singer, RdA 2006, 362 (373). 7 Vgl. BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 3/08; BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428. 8 BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, NZA 2011, 796. 9 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, BAGE 113, 140 = NZA 2005, 465. 10 BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87.
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§ 306 | Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit bestätigt. „Eine Verhandlungsobliegenheit, deren Nichtbeachtung Rechtsfolgen nach sich ziehen soll“, so heißt es in der Entscheidung, lasse „sich Art. 229 § 5 EGBGB ebenso wenig entnehmen wie eine Verpflichtung des Arbeitnehmers, ein entsprechendes Vertragsangebot des Arbeitgebers gerade im Jahr 2002 redlicherweise annehmen zu müssen (…). Eine Möglichkeit der einseitigen Durchsetzung gesetzeskonformer Verträge nach Inkrafttreten der §§ 305 ff. BGB“ habe es nicht gegeben. (…) Zudem wäre die Formulierung gesetzeskonformer Verträge im Jahre 2002 auf erhebliche Schwierigkeiten gestoßen, weil die Entwicklung der Rechtsprechung noch nicht abzusehen war“. Dem stehe auch die Gesetzesbegründung zu Art. 229 § 5 EGBGB (BT-Drucks. 14/6040 S. 273) nicht entgegen. Diese erläutere lediglich die Möglichkeit einer Anpassung der Verträge während der Übergangsfrist, schließe eine ergänzende Vertragsauslegung nach Ablauf der Frist allerdings nicht aus. Zudem hat der 5. Senat darauf hingewiesen, dass es widersprüchlich wäre, eine ergänzende Vertragsauslegung bei Neuverträgen zuzulassen, sie bei Altverträgen hingegen auszuschließen. Diese Rechtsprechung verdient m.E. uneingeschränkte Zustimmung.1 Einer Anrufung des Großen Senats des BAG nach § 45 ArbGG durch den 5. Senat des BAG bedurfte es vorliegend nicht.2
2. Verbot der geltungserhaltenden Reduktion 69 Sowohl der BGH als auch das BAG und der ganz überwiegende Teil des Schrift-
tums leiten aus § 306 das sog. „Verbot der geltungserhaltenden Reduktion“ ab.3
1 So wohl auch Grüneberg in Palandt, § 306 Rz. 10 und 14; vgl. kritische Würdigung von Uffmann, AP BGB § 308 Nr. 9; a.A. Bieder, jurisPR-ArbR 28/2011 Anm. 2. Zur berechtigten Kritik an der Rspr. des 9. und 10. Senats vgl. Gaul/Mückl, NZA 2009, 1233 (1234); Hromadka, NJW 2002, 2523 (2530); Kort, SAE 2005, 307 (313); Linck, FS Bauer (2010), S. 657; Wisskirchen/Stühm, DB 2003, 2225 (2226). 2 Vgl. insoweit die Ausführungen des 5. Senats in seinem Urt. v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, NZA 2011, 796. 3 Grundlegend BGH v. 17.5.1982 – VII ZR 316/81, NJW 1982, 2309 zum AGBG; seitdem st. Rspr., vgl. BGH v. 1.2.1984 – VIII ZR 54/83, NJW 1984, 1177; BGH v. 27.11.1997 – GSZ 1/97, GSZ 2/97, NJW 1998, 671; BGH v. 27.9.2000 – VIII ZR 155/99, NJW 2001, 292; BGH v. 25.1.2006 – VIII ZR 3/05, NJW 2006, 1059; BGH v. 8.10.2008 – XII ZR 84/06, NJW 2008, 3772; grundlegend BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 728; seitdem st. Rspr., vgl. BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; BAG v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149; BAG v. 14.12.2005 – 4 AZR 536/04, NZA 2006, 607; BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042; BAG v. 9.5.2006 – 9 AZR 424/05, NZA 2007, 145; BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 482/06, NZA 2007, 748; BAG v. 14.8. 2007 – 8 AZR 937/06, NZA 2008, 170; BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40; BAG v. 28.11.2007 – 5 AZR 992/06, NZA 2008, 293; BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/ 07, NZA 2008, 1233; BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 14.1. 2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666; zur Literatur vgl. nur Bonin in DBD, § 306 Rz. 14;
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Danach dürfen unwirksame Klauseln nicht mehr auf den gerade noch zulässigen Inhalt zurückgeführt und in dem Umfang aufrechterhalten werden. Arbeitsrechtliche Besonderheiten, die ein Abweichen von diesem Verbot rechtfertigen könnten, bestehen nach der Rechtsprechung des BAG nicht.1 a) Grundlagen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion Die Rechtsprechung2 führt das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion im 70 Wesentlichen auf zwei grundlegende Ziele des AGB-Kontrollrechts zurück, nämlich das der Prävention und das der Transparenz: Der Klauselverwender solle angehalten werden, von vornherein angemessene Bedingungen zu formulieren; dem Gegner des Klauselverwenders solle die Möglichkeit sachgerechter Information über die ihm aus dem vorformulierten Vertrag erwachsenden Rechte und Pflichten verschafft werden. Diese Ziele – so heißt es in zahlreichen Entscheidungen – würden nicht erreicht, wenn jeder Verwender von AGB zunächst einmal ungefährdet über die Grenze dessen hinausgehen könne, was gerade noch zulässig sei und dann darauf vertrauen dürfe, die Gerichte würden die Klausel auf einen zulässigen Inhalt zurückführen. Es müsse vielmehr von vornherein verhindert werden, dass der Vertragspartner des Verwenders in der Vertragspraxis mit überzogenen Klauseln konfrontiert werde und erst in einem Prozess den Umfang seiner Rechte und Pflichten zuverlässig erfahre. Daneben wird auf einen weiteren Aspekt abgestellt, nämlich darauf, dass sich der Richter bei einer geltungserhaltenden Reduktion zum Sachwalter der Interessen des Verwenders mache und so einseitige Vertragshilfe leiste. Dies sei mit dem Zweck des AGB-Kontrollrechts, das auf einen angemessenen Interessenausgleich angelegt sei, nicht vereinbar. b) Kritik am Verbot der geltungserhaltenden Reduktion Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion war von Anfang an – also bereits 71 seit Inkrafttreten des AGBG – Gegenstand von Auseinandersetzungen, die – im Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rz. 331; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 595; Schmidt in UBH, § 306 Rz. 14 f.; Lindacher/Hau in WLP, § 306 Rz. 31 f. 1 BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 728; BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; vgl. Schlewing, JbArbR Bd. 47, S. 47 (49). 2 BGH, st. Rspr. seit der grundlegenden Entscheidung vom v. 17.5.1982 – VII ZR 316/81, NJW 1982, 2309; vgl. auch BGH v. 25.1.2006 – VIII ZR 3/05, NJW 2006, 1059. Dem hat sich das BAG angeschlossen, vgl. grundlegend BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 728; seitdem st. Rspr., vgl. BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; BAG v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149; BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042; BAG v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, NZA 2007, 809; BAG v. 24.10. 2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40; BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 66; vgl. auch Schlewing, JbArbR Bd. 47, S. 47 (49).
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§ 306 | Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit Bereich des Zivilrechts – zum Teil sehr emotional geführt wurden. Und auch in der arbeitsrechtlichen Literatur ist das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion zum Teil auf deutliche Ablehnung gestoßen.1 Hier wird – ebenso wie im Bereich des Zivilrechts – vor allem eingewandt, dass eine ausnahms- bzw. einschränkungslose Anwendung des Verbots im Sinne eines „Alles-oder-NichtsPrinzips“ zu unbilligen Ergebnissen führen könne. Insbesondere dort, wo sich die unangemessene Benachteiligung in einem Übermaßverstoß manifestiere,2 was vor allem bei quantitativen Überschreitungen der Fall sein könne, könne die strikte Anwendung des Verbots „den Arbeitnehmer in einem Umfang begünstigen, der durch dessen Vertragsinteressen nicht mehr gerechtfertigt sei“.3 Zudem fehle es im Arbeitsrecht häufig an einer normativ oder richterrechtlich gesicherten Ersatzordnung mit der Folge, dass eine auf § 306 Abs. 2 BGB gestützte Lückenfüllung oft nicht in Betracht komme.4 Bedenken dagegen, dem Verwender das Risiko einer rechtlichen Fehlbeurteilung ausnahmslos in vollem Umfang aufzuerlegen, werden auch vor dem Hintergrund geäußert, dass die Überschreitung der Grenzen des Zulässigen häufig nicht Folge eines bewussten „Überreizens“ des Verwenders sei, sondern vielmehr Ausdruck seiner Überforderung. In der Regel wolle der Arbeitgeber seinen Vertragspartner nicht bewusst übervorteilen; vielmehr bewege er sich „bei der Formulierung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf schwankendem Boden“.5 Für die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB gebe es keine festen Maßstäbe, an denen er sich bei der Gestaltung der Vertragsbedingungen ausrichten könne. Und dort, wo gerichtliche Entscheidungen nur Leitlinien bzw. Anhaltspunkte für die Praxis vorgäben, habe der Verwender ein erheblich gesteigertes Risiko der Fehlbeurteilung.6 72 Weder der BGH noch das BAG haben allerdings eine unwirksame Klausel in je-
dem Fall unter Berufung auf das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion vollständig und ersatzlos „kassiert“. Vielmehr haben die Gerichte es durch die Anwendung des „blue-pencil-Tests“ (s. Rz. 21–25) und der Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung (s. Rz. 53–68) in seinen Folgen deutlich abgemildert. Insbesondere der Rückzug auf die ergänzende Vertragsauslegung hat nun
1 2 3 4
Vgl. hierzu Nachweise bei Schlewing, RdA 2011, 92 (93). Stoffels, NZA 2005, 726 (728). Hierauf weist auch ausdrücklich I. Schmidt, NZA 2004, 1002 (1009) hin. Vgl. zu diesem Komplex nur Bayreuther, NZA 2004, 953 (955); Hromadka, NJW 2002, 2523 (2529); Rolfs in FS Schwerdtner (2003), S. 151 (161); I. Schmidt, NZA 2004, 1002 (1010); Willemsen/Grau, RdA 2003, 321 (324); zu den richterrechtlich entwickelten Orientierungshilfen vgl. BAG v. 15.2.1990 – 6 AZR 381/88, NZA 1990, 601; BAG v. 14.1. 2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666; BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 173/08, NZA 2010, 342. 5 So ausdrücklich Söllner, ZfA 2003, 145 (158). 6 Vgl. hierzu nur Bayreuther, NZA 2004, 953 (954); Basedow in MünchKommBGB, § 306 Rz. 13; Söllner, ZfA 2003, 145 (158); zum Bedürfnis nach einer Differenzierung nach der Bestimmtheit, mit der die Rechtsordnung die Grenzen für die Ausgestaltung Allgemeiner Geschäftsbedingungen setzt vgl. auch Reinecke, NZA Sonderbeilage 3/2000, 23 (28).
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wiederum die Befürworter einer geltungserhaltenden Reduktion zu der Kritik veranlasst, die Rechtsprechung und die h.L. hätten inzwischen allerlei „Schlupfwinkel und Notausgänge“ gegraben und so faktisch durch die „Hintertür“ bzw. über einen „Umweg“ eine geltungserhaltende Reduktion „in anderer Verpackung“ vollzogen.1 Diese Kritik ist unberechtigt. Die Rechtsprechung und die h.M. im Schrifttum verbinden mit der geltungserhaltenden Reduktion die Rückführung einer unangemessenen AGB auf das gesetzlich gerade noch Zulässige. Dabei wird die geltungserhaltende Reduktion häufig in Abgrenzung zur ergänzenden Vertragsauslegung beschrieben: Während bei der geltungserhaltenden Reduktion nach der Grenze des am Maßstab der §§ 307 ff. BGB zu beurteilenden „gerade noch Zulässigen“ gesucht werde, erstrebe die ergänzende Vertragsauslegung einen beiden Seiten so weit wie möglich gerecht werdenden Ausgleich.2 Damit gelten für die geltungserhaltende Reduktion und die ergänzende Vertragsauslegung unterschiedliche Maßstäbe im Hinblick auf das zu findende Ergebnis. Geltungserhaltende Reduktion und ergänzende Vertragsauslegung unterscheiden sich zudem in ihrer methodischen Vorgehensweise.3 Während die ergänzende Vertragsauslegung der Schließung einer Vertragslücke dient, lässt die geltungserhaltende Reduktion eine solche Lücke im Vertrag erst gar nicht entstehen. Die zu beanstandende Klausel wird von vornherein so reduziert, dass sie den gesetzlichen Anforderungen gerecht wird und vermeidet so die Unwirksamkeitsfolge. Dies gilt auch dann, wenn man mit den Befürwortern einer geltungserhaltenden Reduktion im AGB-Recht hierunter gerade nicht eine Aufrechterhaltung im höchstzulässigen, sondern nur eine solche im angemessenen Umfang versteht.4 c) Problematik des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion Dennoch ist die Argumentation mit dem „Verbot der geltungserhaltenden Re- 73 duktion“ nicht unproblematisch und es würde der Rechtsklarheit dienen, wenn die Rechtsprechung zur Bestimmung der Rechtsfolgen unwirksamer AGB in Zukunft nicht mehr auf das sog. Verbot der geltungserhaltenden Reduktion zurückzugreifen würde. Zwar ist der Rechtsprechung zuzugeben, dass eine geltungserhaltende Reduktion mit dem Rechtsfolgensystem des § 306 BGB nicht in Übereinstimmung zu bringen ist. Und dies gilt unabhängig davon, ob man mit der Rechtsprechung und der h.M. im Schrifttum die geltungserhaltende Reduktion als Rückführung der zu beanstandenden Klausel auf das gerade noch Zuläs1 Vgl. Nachweise bei Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 56 f.; Basedow in MünchKommBGB, § 306 Rz. 15. 2 BGH v. 1.2.1984 – VIII ZR 54/83, NJW 1984, 1174; BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 482/06, NZA 2007, 748; Ohlendorf/Salamon, RdA 2006, 281 f.; Willemsen/Grau, RdA 2003, 321. 3 BGH v. 1.2.1984 – VIII ZR 54/83, NJW 1984, 1174. 4 Canaris in FS Steindorff (1990), S. 459 f.; Hager, JZ 1996, 175 (176); Basedow in MünchKommBGB, § 306 Rz. 14; vgl. weitere Nachweise bei Uffmann, Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, S. 226 Fn. 82.
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§ 306 | Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit sige oder mit der Gegenmeinung die Aufrechterhaltung der Klausel im angemessenen Umfang begreift. In beiden Fällen würde mit einer geltungserhaltenden Reduktion nicht nur der in § 306 Abs. 1 BGB angeordnete Fortfall der Klausel im Umfang ihrer Unwirksamkeit umgangen; nicht respektiert würde zudem der Vorrang der Lückenfüllung durch das dispositive Recht nach § 306 Abs. 2 BGB. Auch hat der in vielen Entscheidungen anzutreffende Hinweis auf das „Verbot der geltungserhaltenden Reduktion“ nach dem Inkrafttreten des AGBG und auch später nach der Integration der arbeitsvertraglichen Abreden in das AGB-Kontrollrecht sicherlich seine Berechtigung gehabt. Mittlerweile ist dieser Hinweis auf die geänderten Rechtsfolgen der Nichteinbeziehung und der Unwirksamkeit von AGB jedoch nicht nur überflüssig, sondern der Rechtsfindung auch nicht dienlich. 74 Er hat nicht nur zum Aufbau überflüssiger Streitpositionen geführt, wie die un-
terschiedlichen Auffassungen über den Inhalt und die dogmatische Einordnung1 der geltungserhaltenden Reduktion zeigen. Problematisch an der Argumentation mit dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion, also an der Argumentation mit einem vom Gesetz selbst nicht verwendeten Begriff ist, dass Begriffe eine Eigendynamik entwickeln, dass sie sich verselbständigen und so zu einem ungeschriebenen Rechtsgrundsatz avancieren können.2 Dann besteht nicht nur die Gefahr, dass Entscheidungen aus den Begriffen abgeleitet und die Wertungen, die das Gesetz – wie hier mit § 306 BGB – selbst vorgenommen hat, überspielt werden.3 Ebenso kann sich ein Begriff dann leicht zu einem allgemeinen Rechtsprinzip entwickeln, das über seinen ursprünglichen Anwendungsbereich hinaus Geltung beansprucht.
75 Dass sich das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion auf gerade diesem pro-
blematischen Wege befindet, wird nicht nur durch die Kritik am blue-pencilTest (s. Rz. 25) sowie die Kritik an einer flexiblen Handhabung der Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung,4 sondern beispielsweise auch durch die Diskussion einer Entscheidung des 5. Senats des BAG eindrucksvoll belegt. Der 5. Senat des BAG hatte in seinem Urteil vom 25.5.20055 Zweifel daran geäußert, ob eine global gefasste Klausel auch dann insgesamt unwirksam ist, wenn die Fallgestaltung, die die Unwirksamkeit auslöst, eine Ausnahmesituation beschreibt, und eine einschränkende Auslegung einer generell gefassten AGB be1 Vgl. Nachweise bei Schlewing, RdA 2011, 92 (94). 2 Vgl. hierzu Bieder, NZA-Beilage 3/2011, 142 (143), der darauf hinweist, mit einer ergänzenden Vertragsauslegung werde das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion umgangen, das zur gesetzlichen Rechtsfolgensystematik des § 306 BGB gehöre. 3 Vgl. hierzu auch Schlewing, RdA 2011, 92 (94 und 99). 4 Dazu, dass sich aus dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion keine Maßstäbe oder Grenzen für die ergänzende Vertragsauslegung ableiten lassen, vgl. Schlewing, RdA 2011, 92 (96 f. m.w.N.). 5 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, BAGE 115, 19 = NZA 2005, 1111.
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fürwortet. Es ging um eine Ausschlussklausel, die einen Verfall sämtlicher Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis vorsah, die nicht binnen einer bestimmten Frist geltend gemacht und im Falle ihrer Ablehnung durch die Gegenpartei nicht innerhalb einer weiteren Frist eingeklagt wurden. „Eine Vertragsklausel, die nur in außergewöhnlichen, von den Vertragsparteien nicht für regelungsbedürftig gehaltenen Fällen gegen das Gesetz“ verstoße – so der 5. Senat – sei „wirksam“. Die Parteien hätten „die in § 309 Nr. 7 BGB genannten besonderen Ansprüche nicht eigens erwähnt und offenbar auch nicht bedacht. Eine (ergänzende) Vertragsauslegung dürfte ergeben, dass derartige Fälle von der Ausschlussklausel nicht erfasst sein sollten“. Das gelte auch im Hinblick auf die Haftung wegen Vorsatzes. Es liege nahe, „dass die Parteien Ansprüche aus vorsätzlichen Vertragsverstößen und vorsätzlichen unerlaubten Handlungen nicht einbezogen“ hätten. Demgegenüber hat der 8. Senat des BGH, der eine Klausel zu beurteilen hatte, durch die die gesetzlichen Verjährungsfristen abgekürzt wurden, mit Urteil vom 15.11.20061 entschieden, die Klausel könne nicht in einem eingeschränkten Sinne dahin ausgelegt werden, dass die unter § 309 Nr. 7 BGB aufgeführten Ansprüche von der Abkürzung der Verjährung unberührt blieben. Die Bestimmung sei nicht teilbar, sondern enthalte nur eine einzige homogene Regelung. „Um zu einem inhaltlich zulässigen Klauselinhalt zu kommen“, müsste die Klausel um eine „Ausnahmeregelung für die Verjährung der in § 309 Nr. 7 Buchst. a und b aufgeführten Schadensersatzansprüche ergänzt werden. Das wäre der Sache nach indessen eine geltungserhaltende Reduktion durch inhaltliche Veränderung einer unzulässigen Klausel“, die nach der Rechtsprechung des BGH ausgeschlossen sei. Auch im Schrifttum2 wird die Entscheidung des 5. Senats des BAG mit der Begründung kritisiert, der 5. Senat habe die Klausel mit seiner einschränkenden Auslegung „gekünstelt aufgespalten“ und damit die Grenzen der Teilbarkeit überschritten. In der Sache sei dies eine abzulehnende geltungserhaltende Reduktion. Die Kritik an der Entscheidung des 5. Senats überzeugt nicht. Im Gegenteil: Sie 76 macht nicht nur die einschränkende Auslegung einer Klausel allein von ihrer sprachlichen Teilbarkeit abhängig und missachtet so den Vorrang der Auslegung. Denn, ob eine Bestimmung teilbar ist, kann erst entschieden werden, wenn ihr Inhalt durch Auslegung geklärt ist. Das sog. „Verbot der geltungserhaltenden Reduktion“ stellt sich zudem nicht als Grenze der Auslegung in dem Sinne dar, dass bei pauschal gefassten AGB der Wortlaut das alleinige Auslegungskriterium wäre. Eine solche Sichtweise wäre nicht zu vereinbaren mit der Rechtsprechung des BGH, der in einer Reihe von Entscheidungen erkannt hat, dass fernliegende Auslegungsmöglichkeiten bei der Auslegung keine Berücksichtigung finden, die Klausel also so verstehen ist, dass sie trotz ihrer glo1 BAG v. 15.11.2006 – VIII ZR 3/06, BGHZ 170, 31 = NJW 2007, 674. 2 Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, I C Rz. 118a m.w.N.; kritisch im Ergebnis Bonin in DBD, § 306 Rz. 18b.
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§ 306 | Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit balen Fassung den Tatbestand, auf den sie ersichtlich nicht zugeschnitten ist oder der vom Verwender nicht bedacht wurde oder, so klingt es in einer anderen Entscheidung an, in dem die Berufung auf die Klausel schlechthin treuwidrig wäre, nicht erfasst.1 Sie würde zudem der Prävention und der Transparenz, auf die das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion gestützt wird, unzulässigerweise den Vorrang vor den anderen Zielen des AGB-Kontrollrechts, nämlich der Herstellung eines angemessenen Ausgleichs der widerstreitenden Interessen unter größtmöglicher Vertragserhaltung einräumen.2
VIII. Salvatorische Klauseln 77 Weit verbreitet sind in AGB sog. salvatorische Klauseln. Dabei ist zwischen sol-
chen Klauseln zu unterscheiden, mit denen der Verwender nur Vorsorge für den Fall treffen will, dass sich Teile seines Klauselwerks im Rahmen der AGBKontrolle als unwirksam erweisen und solchen, mit denen er zugleich eine Anwendung des in § 306 BGB vorgesehenen Rechtsfolgensystems vermeiden will.3
1. Teilunwirksamkeits- oder Erhaltungsklauseln 78 Vertragsklauseln, nach denen die Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen keine
Auswirkungen auf andere Vertragsbestandteile haben soll, werden als Teilunwirksamkeits- oder Erhaltungsklauseln bezeichnet. Sie sind in AGB zwar unproblematisch zulässig, aber überflüssig, da der Fortfall der unwirksamen Bestimmung unter Aufrechterhaltung des Vertrages im Übrigen ohnehin der Rechtsfolge des § 306 Abs. 1 BGB entspricht.4
1 Vgl. BGH v. 14.11.1984 – VIII ZR 283/83, NJW 1985, 738; BGH v. 25.3.1987 – VIII ZR 71/86, NJW 1987, 2506; BGH v. 20.10.1992 – X ZR 74/91, NJW 1993, 657; BGH v. 10.2. 1993 – XII ZR 74/91, NJW 1993, 1133; BGH v. 23.11.2005 – VIII ZR 154/04, NJW 2006, 1056. Auch ein großer Teil des Schrifttums befürwortet für diese Ausnahmefälle eine einschränkende Auslegung der Bestimmung in diesem Sinne, vgl. Basedow in MünchKommBGB, § 306 Rz. 15, 16; Grüneberg in Palandt, § 306 Rz. 9; Schmidt in UBH, § 306 Rz. 15a; Lindacher/Hau in WLP, § 305c Rz. 120. 2 Vgl. hierzu Schlewing, NZA-Beilage 2/2012, 33 (38). 3 Vgl. im Einzelnen Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, II S 10 Rz. 9 ff.; Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 762 ff. 4 Schmidt in Bamberger/Roth/Hau/Poseck, § 306 Rz. 22; Bonin in DBD, § 306 Rz. 26; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 95; Schmidt in UBH, § 306 Rz. 39; BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 132/03, NJW 2005, 2225.
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VIII. Salvatorische Klauseln | § 306
2. Gesetzesverweisende Klauseln Klauseln, die für den Fall der Unwirksamkeit einzelner Vertragsbestimmungen de- 79 ren Aufrechterhaltung im gesetzlich zulässigen Umfang anordnen, werden als sog. gesetzesverweisende Klauseln bezeichnet. Derartige Klauseln sind nicht nur wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam,1 die Unwirksamkeit folgt auch aus § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. § 306 BGB kann nicht durch eine formularmäßige Klausel abbedungen werden.2
3. Ersetzungsklauseln Weit verbreitet in AGB sind auch Klauseln, wonach an die Stelle nicht einbezo- 80 gener oder unwirksamer Bestimmungen eine Regelung treten soll, die dem Inhalt der ursprünglichen Bestimmung möglichst nahe kommt. Häufig räumen sie zudem dem Verwender ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht ein. Derartige Ersetzungsklauseln sind ebenso wie die gesetzesverweisenden Klauseln unwirksam. weil sie die in § 306 Abs. 2 BGB vorgesehene Geltung des dispositiven Rechts verdrängen und die Rechte und Pflichten des Vertragspartners entgegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht klar und durchschaubar darstellen.3
4. Reduktionsklauseln Letztlich sind noch die sog. Reduktionsklauseln zu erwähnen. Danach soll eine 81 wegen beispielsweise zu langer Fristen, überhöhter Schadenspauschalen oder Vertragsstrafen etc. unwirksame Bestimmung auf das angemessene Maß zurückgeführt werden.4 Die Reduktionsklauseln sind grundsätzlich ebenso wie die Ersetzungs- und die gesetzesverweisenden Klauseln zu bewerten und damit unwirksam.5
1 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; BGH v. 5.12.1995 – X ZR 14/93, BB 1996, 654 m.w.N. 2 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; BGH v. 5.12.1995 – X ZR 14/93, BB 1996, 654 m.w.N.; vgl. auch Stoffels, AGB-Recht, Rz. 625 f. m.w.N. 3 BGH v. 22.11.2001 – VII ZR 208/00, NJW 2002, 894; BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, DB 2012, 1155; BAG v. 28.5.2013 – 3 AZR 103/12, NZA 2013, 1419 = AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 47. 4 Vgl. Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 766. 5 Vgl. Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, II S 10 Rz. 25.
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§ 306 | Rechtsfolgen bei Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit 5. Kombination einer Ersetzungs-, Reduktions- oder gesetzesverweisenden Klausel mit einer Teilunwirksamkeitsbzw. Erhaltungsklausel 82 Wird eine Ersetzungs-, Reduktions- oder gesetzesverweisende Klausel mit einer
Teilunwirksamkeits- bzw. Erhaltungsklausel verbunden, so lässt die unwirksame salvatorische Klausel die Wirksamkeit der Teilunwirksamkeitsklausel unberührt. Die Bestimmung ist ohne Weiteres in einen unwirksamen und in einen wirksamen Klauselteil teilbar.1
IX. Gesamtunwirksamkeit des Vertrages nach § 306 Abs. 3 BGB 83 Nach § 306 Abs. 3 BGB ist der Vertrag – in Abweichung von § 306 Abs. 1 BGB
– insgesamt unwirksam, wenn ein Festhalten am ihm für eine der Vertragsparteien eine unzumutbare Härte bedeuten würde. Hierzu reicht allein der Umstand, dass der Vertrag infolge der Nichteinbeziehung oder Unwirksamkeit von AGB keine angemessene, den typischen Interessen der Vertragsparteien Rechnung tragende Lösung bietet, nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine grundlegende bzw. einschneidende Störung im Äquivalenzverhältnis.2 Die Unwirksamkeit des gesamten Vertrages ist zudem „ultima ratio“. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das Festhalten am Vertrag auch unter Berücksichtigung der nach Abs. 2 vorgesehen Änderung eine unzumutbare Härte darstellt. Da – jedenfalls im Arbeitsrecht (vgl. Rz. 8) – nicht nur die Lückenfüllung durch dispositives Recht nach § 306 Abs. 2 BGB, sondern auch die ergänzende Vertragsauslegung Vorrang vor der Unzumutbarkeitsprüfung nach § 306 Abs. 3 BGB hat, ist der Anwendungsbereich des § 306 Abs. 3 BGB um so geringer, je flexibler man bei der Lückenfüllung mittels ergänzender Vertragsauslegung bei Fehlen geeigneten dispositiven Rechts ist.3
84 Da es sich bei § 306 Abs. 3 BGB um eine Ausnahmevorschrift handelt, wird
eine unzumutbare Härte nur in wenigen Fällen überhaupt in Betracht kommen. Eine Gesamtnichtigkeit des Vertrages nach § 306 Abs. 3 BGB kann sich dann ergeben, wenn infolge der Unwirksamkeit einer Vielzahl von Klauseln nur ein sog. „Torsovertrag“ verbleibt und eine Lückenfüllung durch dispositives Recht oder im Wege ergänzender Auslegung dem Vertrag beispielsweise einen völlig neuen, von den Parteien so nicht gewollten Inhalt gäbe, der lückenhafte Vertrag also nicht ergänzungsfähig ist. Ein Teil des Schrifttums befürwortet für diese Fälle 1 BGH v. 6.4.2005 – XII ZR 132/03, NJW 2005, 2225. 2 BGH v. 9.5.1996 – III ZR 209/95, NJW-RR 1996, 1009; BGH v. 22.2.2002 – V ZR 26/01, BB 2002, 1017; BGH v. 20.3.2003 – I ZR 225/00, NJW-RR 2003, 1056; BAG v. 21.12.2017 – 6 AZR 803/16, ZTR 2018, 205. 3 Schmidt in UBH, § 306 Rz. 42.
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IX. Gesamtunwirksamkeit des Vertrages nach § 306 Abs. 3 BGB | § 306
zwar eine Totalnichtigkeit des Vertragstorsos mit der Folge, dass § 306 BGB von vornherein nicht zur Anwendung kommt.1 Dem steht jedoch nicht nur der eindeutige Wortlaut der Bestimmung entgegen; dass sich die Unwirksamkeit auf die zu missbilligenden Klauseln beschränkt und eine Nichtigkeit des zunächst wirksamen Gesamtvertrages nur unter den Voraussetzungen des § 306 Abs. 3 BGB in Betracht kommt, entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung. § 306 BGB will die Risiken gerade in der Weise verteilen, dass der Verwender bis zur Grenze der Unzumutbarkeit an einen aus seiner Sicht lückenhaften Vertrag gebunden bleibt.2 Für die insoweit zum Teil3 befürwortete teleologische Reduktion des § 306 BGB besteht kein Bedürfnis. Bei der Beurteilung der Frage, ob einer der Vertragsparteien das Festhalten an 85 dem Vertrag unzumutbar ist, kommt es nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern auf den der Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Vertrag an.4 Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes, das vom „Festhalten“ spricht; im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Nichtgeltung von Klauseln oder Klauselteilen infolge der jeweiligen tatsächlichen Entwicklung für die Frage des Vertragsgleichgewichts ganz oder teilweise an Bedeutung verlieren kann.5 Nach ganz h.M. tritt die Gesamtunwirksamkeit nach § 306 Abs. 3 BGB nicht automatisch, sondern nur dann ein, wenn eine der Parteien sich darauf beruft.6
1 So Stoffels, AGB-Recht, Rz. 587; Basedow in MünchKommBGB, § 306 Rz. 8 unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 Halbs. 2 der Klausel-RL; Lindacher/Hau in WLP, § 306 Rz. 54. 2 BGH v. 7.11.1985 – IX ZR 40/85, NJW 1986, 928; BGH v. 16.10.1986 – III ZR 92/85, NJW 1987, 184; im Ergebnis auch BGH v. 8.5.2007 – KZR 14/04, NJW 2007, 3568; Roloff in Erman, § 306 Rz. 16; Schmidt in UBH, § 306 Rz. 22; vgl. auch Schlewing, RdA 2011, 92 (97). 3 Vgl. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 590. 4 Schmidt in Bamberger/Roth/Hau/Poseck, § 306 Rz. 26; Grüneberg in Palandt, § 306 Rz. 16; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 634; BGH v. 14.5.1996 – XI ZR 257/94, NJW 1996, 2092. 5 Schlosser in Staudinger, § 306 Rz. 30; Lindacher/Hau in WLP, § 306 Rz. 64. 6 Bonin in DBD, § 306 Rz. 29; Lindacher/Hau in UBH, § 306 Rz. 48 m.w.N.; vgl. auch BAG v. 26.1.2017 – 6 AZR 671/15, BAGE 158, 81 = NZA-RR 2017, 9 = AP BGB § 611 Lehrer Nr. 192.
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§ 306a Umgehungsverbot Die Vorschriften dieses Abschnitts finden auch Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden. I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsbereich . . . . . . . . III. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . IV. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . V. Darlegungs- und Beweislast . . .
__ ___ _ _ 1 3 7
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VI. Mögliche Umgehungsfälle . . . . 14 1. Wahl einer ausländischen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
2. „Erschleichen“ einer Individualabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Erschleichen“ des Ausnahmetatbestands des § 307 Abs. 3 BGB 4. Freiwilligkeitsvorbehalt als Umgehungstatbestand? . . . . . . . 5. Ersetzungsklauseln als Umgehungstatbestand? . . . . . . . . . . . 6. Interne Anweisungen als Umgehungstatbestand? . . . . . . .
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16 17 18 19
I. Einführung 1 Mit der Regelung des § 306a BGB, die nicht auf der Richtlinie 93/13/EWG des
Rates vom 5.4.1993 beruht, sondern vom deutschen Gesetzgeber eingeführt wurde, wird der ungeschriebene allgemeine Rechtsgrundsatz des Verbots der Gesetzesumgehung1 für das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gesetzlich fixiert. Sinn und Zweck des § 306a BGB ist es, eine Aushöhlung oder Umgehung der Schutzvorschriften der §§ 305–310 BGB durch Umgehungsgestaltungen zu verhindern. Eine entsprechende, lediglich sprachlich geringfügig anders gefasste Regelung war schon in § 7 AGBG enthalten. Ähnliche spezialgesetzliche Regelungen des Umgehungsverbots finden sich in § 312k Abs. 1 Satz 2, § 476 Abs. 1 Satz 2, § 487 Satz 2, § 512 Satz 2, § 651y Satz 2 und § 655e Abs. 1 Satz 2 BGB.
2 Schon vor der Ausdehnung der AGB-Regelungen auf das Arbeitsrecht haben die
Arbeitsgerichte den allgemeinen Rechtsgrundsatz des Umgehungsverbots für arbeitsrechtliche Sachverhalte herangezogen.2 Ob darüber hinaus im Arbeitsrecht ein nennenswerter eigenständiger Anwendungsbereich für § 306a BGB besteht, darf zumindest bezweifelt werden. Ausweislich der juristischen Online-Suchmaschinen Juris und Beck Online gibt es bislang nicht ein einziges BAG-Urteil
1 Vgl. grundlegend zur Gesetzesumgehung Teichmann, Die Gesetzesumgehung, S. 1 ff. sowie Benecke, Gesetzesumgehung im Zivilrecht, S. 1 ff. Spezifisch zur Gesetzesumgehung im Arbeitsrecht Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, S. 155 ff. 2 Vgl. z.B. BAG v. 9.3.1972 – 5 AZR 246/71, AP BGB § 622 Nr. 12 zur Unzulässigkeit einseitiger Kündigungserschwerungen wegen Umgehung von § 622 Abs. 6 BGB sowie BAG v. 14.1.2004 – 7 AZR 313/03, NZA 2004, 719 (721 f.) zur Unwirksamkeit der sachgrundlosen Befristung einzelner Arbeitsbedingungen wegen Umgehung des Änderungskündigungsschutzes.
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II. Anwendungsbereich | § 306a
und nur wenige LAG-Urteile, in denen § 306a BGB erwähnt wird, wobei § 306a BGB jeweils als nicht einschlägig bzw. nicht verletzt angesehen wird.1 Lediglich in einem Urteil des LAG München wird im Zusammenhang mit der Zusage, dass der Arbeitnehmer einen Leistungsbonus erhalten „kann“, von einer unzulässigen bedingten Zusage und einem Verstoß gegen das Umgehungsverbot des § 306a BGB ausgegangen.2 Dieses Ergebnis ergibt sich im Einklang mit der Rechtsprechung des BAG jedoch bereits aus § 307 BGB,3 so dass entgegen der Ansicht des LAG München § 306a BGB nicht einschlägig war.
II. Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich des § 306a BGB erstreckt sich auf den gesamten 2. Ab- 3 schnitt des 2. Buches des BGB, also auf sämtliche Regelungen der §§ 305–310 BGB.4 § 306a BGB findet sowohl für die Umgehung einer einzelnen Vorschrift des AGB-Rechts als auch für eine Umgehung des gesamten AGB-Rechts als solchem Anwendung.5 Im Arbeitsrecht erstreckt sich der Anwendungsbereich des § 306a BGB auf sämtli- 4 che vom Arbeitgeber für eine Vielzahl von Fällen vorformulierten Vertragsbedingungen, die dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber gestellt werden (Arbeitsverträge, Nebenvereinbarungen, allgemeine Arbeitsbedingungen, Aufhebungsvereinbarungen, usw.). Aufgrund der Einstufung von Arbeitnehmern als Verbraucher i.S.d. § 13 BGB durch das BAG6 gilt zudem gem. § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB die Vermutung, dass die vorformulierten Vertragsbedingungen vom Arbeitgeber gestellt worden sind, wenn sie nicht durch den Arbeitnehmer eingeführt wurden. § 306a BGB wird jedoch nicht von § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB erfasst. Bei Einmalbe- 5 dingungen in Verträgen mit Arbeitnehmern, also Bedingungen, die zwar vom Arbeitgeber vorformuliert sind, aber nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind, findet das Umgehungsverbot des § 306a BGB daher keine Anwendung. Ausgenommen von der Anwendung des § 306a BGB sind gem. § 310 Abs. 4 6 Satz 1 BGB Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen, und zwar 1 LAG München v. 25.7.2013 – 4 Sa 166/13; LAG München v. 14.11.2014 – 6 Sa 640/13; LAG Hessen v. 27.11.2015 – 3 Sa 287/15. 2 LAG München v. 7.5.2013 – 6 Sa 731/12. 3 BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81 (83 f.); BAG v. 3.8.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334 (1337). 4 BGH v. 8.3.2005 – XI ZR 154/04, NJW 2005, 1645 (1646). 5 Däubler in DBD, § 306a Rz. 5; Quink, Inhaltskontrolle von Freiwilligkeitsvorbehalten in Arbeitsverträgen, S. 82. 6 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111 (1115 f.); BAG v. 18.3.2008 – 9 AZR 186/07, NZA 2008, 1004 (1006); BAG v. 26.10.2017 – 6 AZR 158/16, NJW 2018, 891 (892).
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§ 306a | Umgehungsverbot auch dann, wenn sie durch eine formularmäßig verwendete Bezugnahmeklausel Gegenstand der individualvertraglichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geworden sind.
III. Voraussetzungen 7 Voraussetzung für eine Anwendung des § 306a BGB ist die objektive Umge-
hung einer Vorschrift der §§ 305–310 BGB. Mit Blick auf Verbotsregelungen, wie sie in den §§ 307–309 BGB enthalten sind, liegt eine objektive Umgehung vor, wenn die fragliche Gestaltung zwar nach Sinn und Zweck der jeweiligen Verbotsregelung von dieser erfasst werden soll, trotz teleologischer Auslegung aber nicht unter die Verbotsregelung subsumiert werden kann. Das Umgehungsverbot kommt bei Verbotsregelungen also zum Tragen, wenn eine Gesetzeslücke besteht, aufgrund derer ein Sachverhalt trotz extensiver teleologischer Auslegung nicht unter die Verbotsnorm gefasst werden kann, aber dennoch dem verbotenen Sachverhalt gleichgestellt sein soll.1 Zum Teil wird in diesem Zusammenhang davon gesprochen, § 306a BGB solle die Gerichte zu einer extensiven teleologischen Auslegung ermutigen und ihnen eine Auffangregelung zur Hand geben, um auch solche „Tricksereien“ erfolgreich verhindern zu können, die nicht mehr mit einer bloßen teleologischen Auslegung erfasst werden können.2
8 Geht es nicht um eine Verbotsregelung, sondern um die Anwendung einer be-
günstigenden Norm (je nach Einzelfall z.B. den Vorrang der Individualabrede gem. § 305b BGB), liegt ein Fall der Umgehung vor, wenn die Voraussetzungen der Norm rein künstlich geschaffen werden, obwohl sie an sich nicht vorliegen (sog. Tatbestandserschleichung).3 In diesen Fällen findet § 306a BGB Anwendung, wenn die Voraussetzungen der jeweiligen Norm – trotz restriktiver, teleologischer Auslegung – an sich gegeben sind, nach ihrem Sinn und Zweck aber keine Anwendung finden sollen.
9 Einer Umgehungsabsicht oder eines sonstigen subjektiven Elements bedarf es
für die Anwendung des § 306a BGB nicht.4 Es kommt allein darauf an, ob die fragliche Regelung in objektiver Hinsicht gegen Sinn und Zweck des Gesetzes verstößt. In der Praxis kann allerdings die erkennbare Umgehungsabsicht des Verwenders ein erhebliches Indiz für die Anwendung des § 306a BGB sein.5
1 2 3 4
H. Schmidt in UBH, § 306a Rz. 3. Däubler in DBD, § 306a Rz. 7; ähnlich H. Schmidt in UBH, § 306a Rz. 3. H. Schmidt in UBH, § 306a Rz. 3. Roloff in Erman, § 306a Rz. 2; Grüneberg in Palandt, § 306a Rz. 2; H. Schmidt in UBH, § 306a Rz. 4; Lindacher/Hau in WLP, § 306a Rz. 4. 5 Vgl. Rz. 15 zum „Erschleichen“ einer Individualabrede sowie Rz. 16 zum „Erschleichen“ des Ausnahmetatbestands des § 307 Abs. 3 BGB durch den Verwender.
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VI. Mögliche Umgehungsfälle | § 306a
Arbeitsrechtliche Besonderheiten i.S.v. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB, die bei der An- 10 wendung des § 306a BGB zu berücksichtigen wären, bestehen nicht.1
IV. Rechtsfolgen Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das Umgehungsverbot ist, dass die Regelung 11 aus den §§ 305–310 BGB, die umgangen worden ist, auf die streitgegenständlichen AGB anzuwenden ist.2 Die Konsequenzen für die jeweilige vertragliche Regelung ergeben sich aus der umgangenen Norm. Auf das Umgehungsverbot kann sich allein der Vertragspartner des Verwenders 12 berufen. Sollte eine Anwendung des Umgehungsverbotes ausnahmsweise zu einer Begünstigung des Verwenders führen, ist § 306a BGB nicht anzuwenden, sondern der Verwender der AGB muss sich an der von ihm verwendeten Regelung festhalten lassen.
V. Darlegungs- und Beweislast Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Umgehung i.S.d. § 306a 13 BGB trifft den Vertragspartner des Verwenders als die Vertragspartei, die sich auf die Umgehung berufen will.3 Steht fest, dass eine Umgehung i.S.d. § 306a BGB vorliegt, richtet sich die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen der umgangenen Norm nach dieser Norm.
VI. Mögliche Umgehungsfälle 1. Wahl einer ausländischen Rechtsordnung Der Versuch, eine Anwendung der §§ 305–310 BGB durch die Wahl einer aus- 14 ländischen Rechtsordnung zu umgehen, wird bereits durch Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO unterbunden, wonach die Rechtswahl nicht dazu führen darf, dass zuungunsten des Arbeitnehmers von zwingenden Schutzvorschriften abgewichen wird, die ohne die Rechtswahl auf das Arbeitsverhältnis Anwendung gefunden hätten. Die §§ 305–310 BGB stellen derartige zwingende Schutzvorschriften dar,4 so dass sie für gewöhnlich in Deutschland tätige Arbeitnehmer in 1 Däubler in DBD, § 306a Rz. 2. 2 Däubler in DBD, § 306a Rz. 8; Basedow in MünchKommBGB, § 306a Rz. 3; H. Schmidt in UBH, § 306a Rz. 12. 3 Roloff in Erman, § 306a Rz. 2. 4 Schlachter in ErfK, Art. 9 Rom I-VO Rz. 19; Staudinger in Hk-BGB, Art. 8 Rom I-VO Rz. 5; Magnus in Staudinger, Art. 8 Rom I-VO Rz. 80.
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§ 306a | Umgehungsverbot jedem Fall Anwendung finden. Einer Heranziehung des § 306a BGB bedarf es insofern nicht.1
2. „Erschleichen“ einer Individualabrede 15 Wird eine Individualabrede nur zum Schein getroffen, um gem. § 305b BGB
nicht der AGB-Prüfung zu unterfallen, bleibt es dennoch beim AGB-Charakter der Abrede und § 305b BGB findet keine Anwendung. Dasselbe gilt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer veranlasst, die eigentlich vom Arbeitgeber stammenden Vertragsbedingungen gegenüber dem Arbeitgeber zu stellen. Dieses Ergebnis lässt sich schon über eine entsprechende Auslegung des § 305b BGB erreichen, so dass es keines Rückgriffs auf § 306a BGB bedarf.2
3. „Erschleichen“ des Ausnahmetatbestands des § 307 Abs. 3 BGB 16 Ein Anwendungsfall des § 306a BGB ist gegeben, wenn der Arbeitgeber in sei-
nen AGB eine Leistung als kontrollfreie Hauptleistung i.S.d. § 307 Abs. 3 BGB ausgestaltet, obwohl es sich bei der Leistung an sich um eine der AGB-Kontrolle unterliegende Nebenleistung handelt.3 Eine solche Gestaltung, bei der dann gem. § 306a BGB ausnahmsweise auch die (vermeintliche) Hauptleistung der AGB-Kontrolle unterliegt, kann z.B. gegeben sein, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer beim Ausscheiden veranlasst, eine separate Erklärung zum Verzicht auf Ansprüche abzugeben, da der Verzicht bei isolierter Betrachtung eine Hauptleistung des Arbeitnehmers wäre.4
4. Freiwilligkeitsvorbehalt als Umgehungstatbestand? 17 Zum Teil wird vertreten, Freiwilligkeitsvorbehalte, durch die der Arbeitgeber
bestimmte Leistungen lediglich freiwillig ohne Begründung eines Anspruchs für die Zukunft erbringen will, stellten eine Umgehung im Sinne des § 306a BGB dar, da mit dem Freiwilligkeitsvorbehalt die Kontrollgrundsätze des AGB-Rechts 1 So auch Däubler in DBD, § 306a Rz. 3. Auch die dem AGB-Recht zu großen Teilen zugrunde liegende Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 sieht in Art. 6 Abs. 2 vor, dass der Schutz der Richtlinie nicht durch die Wahl einer ausländischen Rechtsordnung entzogen werden darf. 2 Däubler in DBD, § 306a Rz. 4; H. Schmidt in UBH, § 306a Rz. 5. Anders Kroll, CR 2009, 147 (149), der die Unwirksamkeit einer dem Vertragspartner „aufgezwungenen“ Individualabrede aus § 306a BGB ableitet. 3 Däubler in DBD, § 306a Rz. 11; Roloff in Erman, § 306a Rz. 4; H. Schmidt in UBH, § 306a Rz. 10. 4 Vgl. hierzu näher Preis/Bleser/Rauf, DB 2006, 2812 (2817).
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VI. Mögliche Umgehungsfälle | § 306a
für Änderungs- und Widerrufsvorbehalte umgangen würden.1 Diese Ansicht verkennt jedoch den wesentlichen, strukturellen Unterschied zwischen Änderungs- und Widerrufsvorbehalten einerseits und Freiwilligkeitsvorbehalten andererseits. Während Änderungs- und Widerrufsvorbehalte sich auf die Änderung oder Einstellung einer Leistung beziehen, auf die der Arbeitnehmer einen Anspruch hat, geht es bei einem Freiwilligkeitsvorbehalt darum, dass von vornherein geregelt wird, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine entsprechende Leistung in der Zukunft hat. Aufgrund dieses wesentlichen, strukturellen Unterschieds liegt in der Verwendung eines Freiwilligkeitsvorbehalts keine Umgehung der Kontrollgrundsätze des AGB-Rechts.2
5. Ersetzungsklauseln als Umgehungstatbestand? Zum Teil wird in der Literatur vertreten, Ersetzungsklauseln in Arbeitsverträgen 18 und anderen arbeitsrechtlichen Vereinbarungen, mit denen für den Fall der Unwirksamkeit einer Regelung vereinbart wird, dass eine Ersetzung der unwirksamen Regelung durch eine wirksame Regelung zu erfolgen hat, die dem mit der unwirksamen Regelung verfolgten wirtschaftlichen Zweck so nahe wie möglich kommt, seien wegen Verstoßes gegen das Umgehungsverbot des § 306a BGB unwirksam.3 Dieses Ergebnis ergibt sich jedoch bereits aus §§ 306, 307 BGB,4 so dass es einer Heranziehung des § 306a BGB nicht bedarf.
6. Interne Anweisungen als Umgehungstatbestand? Zum Teil wird in der Literatur in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH 19 zu bankinternen Anweisungen vertreten, eine gem. § 306a BGB unzulässige Umgehung liege vor, wenn der Arbeitgeber versuche, die Anwendung der §§ 305 ff. BGB durch interne Anweisungen an die Personalabteilung zu umgehen.5 Wie ein solcher Fall praktische Relevanz erlangen könnte, ist jedoch nicht erkennbar. 1 Lakies, AGB im Arbeitsrecht, Rz. 379 und Rz. 646; vgl. auch LAG München v. 7.5.2013 – 6 Sa 731/12 sowie Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 71. 2 So zutreffend auch Quink, Inhaltskontrolle von Freiwilligkeitsvorbehalten in Arbeitsverträgen, S. 82; ähnlich Maties, Anm. zu BAG AP BGB § 308 Nr. 7. Auch das BAG sieht in der Verwendung von Freiwilligkeitsvorbehalten keine Umgehung i.S.d. § 306a BGB, prüft die Wirksamkeit von Freiwilligkeitsvorbehalten jedoch zunehmend streng am Maßstab des § 307 Abs. 1 BGB, vgl. BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81 (83 f.); BAG v. 3.8.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334 (1337). 3 Reinecke, NZA-Sonderbeil. 18/2014, 27 (31); vgl. auch Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, II S 10, Rz. 15. 4 Vgl. BAG v. 24.8.2017 – 8 AZR 378/16, NZA 2018, 100 (103 f.). 5 Roloff in HWK, § 306a BGB Rz. 1.
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Vor § 307 I. Verhältnis zu anderen Kontrollinstrumenten . . . . . . . 1. Gesetzliche Verbote (§ 134 BGB) und zwingendes Recht . . . . . . . 2. Richterrecht . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kollektivverträge . . . . . . . . . . . 4. Sittenwidrigkeit, § 138 BGB . . . . 5. Treu und Glauben, § 242 BGB . . 6. Billigkeitskontrolle, § 315 BGB, § 106 GewO . . . . . . . . . . . . . . .
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7. Kontrolle von Vertragsstrafen, § 343 BGB . . . . . . . . . . . . . . 8. Kontrolle von Wettbewerbsverboten, § 74a HGB . . . . . . 9. Auslegung . . . . . . . . . . . . . . II. Kontrolle von Individualverträgen und Individualvereinbarungen . . . . . . . . . . III. Schadensersatzpflicht wegen Verwendung unwirksamer AGB-Klauseln . . . . . . . . . . .
.. .. .. .. ..
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I. Verhältnis zu anderen Kontrollinstrumenten 1 Die AGB-rechtliche Angemessenheitskontrolle ist von anderen Kontrollansät-
zen zu unterscheiden. Insoweit bedarf es nicht zuletzt für die praktische Rechtsanwendung zum einen der Klärung, ob diese Kontrollmechanismen von den §§ 307 ff. BGB verdrängt werden, neben diese Regelungen treten oder sogar den Vorrang genießen. Zum anderen ist zu beleuchten, in welcher Weise die Ausdehnung der AGB-Kontrolle auf Arbeitsverträge auf die Reichweite konkurrierender Kontrollansätze zurückwirkt. Dies gilt vor allem im Hinblick darauf, dass die ältere Rechtsprechung in der Zeit vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz mit verschiedenen rechtlichen Instrumenten versucht hat, unangemessenen Arbeitsbedingungen im Wege der Inhaltskontrolle zu Leibe zu rücken (dazu Einf. Rz. 14).
1. Gesetzliche Verbote (§ 134 BGB) und zwingendes Recht 2 Soweit es um das Verhältnis der §§ 307 ff. BGB zu § 134 BGB sowie zum zwin-
genden Recht geht, ist zunächst festzuhalten, dass nach richtiger Ansicht zwischen Verbotsgesetzen und privatrechtlich zwingenden Normen zu unterscheiden ist.1 So begrenzt zwingendes Recht von vornherein die Ausübung privatrechtlicher Gestaltungsmacht und regelt damit die zivilrechtlichen Folgen eines Verstoßes selbst. Demgegenüber erklären gesetzliche Verbote, bei denen es sich zumeist um Vorschriften des öffentlichen Rechts handelt, ein bestimmtes Verhalten für rechtswidrig, ohne sich zu den privatrechtlichen Folgen eines Ver1 Armbrüster in MünchKommBGB, § 134 Rz. 3; Deinert, Zwingendes Recht, 2002, Rz. 56 ff.; Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl. 1992, § 17, 2, S. 342 f.
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I. Verhältnis zu anderen Kontrollinstrumenten | Vor § 307
botsverstoßes zu äußern. Vielmehr wird die Nichtigkeit verbotswidriger Rechtsgeschäfte erst durch § 134 BGB angeordnet, wobei aber letztlich nach dem Sinn und Zweck der Verbotsnorm zu entscheiden ist, ob die Nichtigkeitsfolge tatsächlich eintreten soll. Hieraus ergibt sich, dass die §§ 307 ff. BGB selber nicht als Verbotsgesetze i.S.v. § 134 BGB qualifiziert werden können, weil die Unwirksamkeit widersprechender Klauseln unmittelbar aus dem AGB-Recht als zwingende Grenze einseitig ausgeübter Vertragsgestaltungsmacht folgt.1 Darüber hinaus sind privatrechtlich zwingende Vorschriften generell nicht als Verbotsgesetze aufzufassen, auch wenn dies in der Rechtsprechung zuweilen geschieht.2 Für das Konkurrenzverhältnis ist daraus Folgendes abzuleiten: Zwingendes Pri- 3 vatrecht führt automatisch zur Unwirksamkeit hiergegen verstoßender vertraglicher Abreden, ohne dass es darauf ankommt, ob es sich um vorformulierte Klauseln oder um echte Einzelvereinbarungen handelt. Dasselbe gilt bei gesetzlichen Verboten i.S.v. § 134 BGB, der durch die §§ 307 ff. BGB nicht verdrängt wird.3 Die zivilrechtliche Rechtsprechung geht sogar noch einen Schritt weiter und ordnet Verstöße gegen zwingendes Recht4 oder gegen Verbotsgesetze5 regelmäßig zugleich als unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 Nr. 1 BGB ein, wobei letzteres freilich nur für die Fälle gelten kann, in denen das Verbotsgesetz den Schutz des Klauselgegners bezweckt. Der mit dieser Judikatur verfolgte Zweck, den Anwendungsbereich des Verbandsklageverfahrens zu eröffnen,6 das gemäß § 1 UKlaG auf Verstöße gegen die §§ 307– 309 BGB beschränkt ist, spielt im Arbeitsrecht allerdings keine Rolle, weil dieses Gesetz nach § 15 UKlaG auf das Arbeitsrecht keine Anwendung findet (dazu 1 Coester in Staudinger, § 307 Rz. 31; Deinert in DBD, § 307 Rz. 39; Fuchs in UBH, Vorb. v. § 307 Rz. 55; Roloff in Erman, Vor §§ 307–309 Rz. 10. 2 So der Ansatz in BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, AP BGB § 310 Nr. 1 = NZA 2005, 1111 (unter III) und BAG v. 20.6.2013 – 8 AZR 280/12, AP BGB § 305 Nr. 14 = NZA 2013, 1265 (Rz. 20) (Prüfung eines Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB); ebenso BAG v. 24.8.2016 – 5 AZR 703/15, AP AEntG § 9 Nr. 1 = NZA 2016, 1539 (Rz. 22) (Prüfung eines Verstoßes gegen § 9 Satz 3 AEntG); ferner etwa BGH v. 25.9.2002 – VIII ZR 253/ 99, BGHZ 152, 121 (133) = NJW 2003, 290 (293); BGH v. 3.7.2003 – III ZR 248/02, BGHZ 155, 311 (314) = NJW 2003, 2906 f.; ohne einen Rekurs auf § 134 BGB aber der Ansatz in BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, AP TzBfG § 12 Nr. 4 = NZA 2006, 423 (Prüfung eines Verstoßes gegen § 12 TzBfG); ebenso etwa BGH v. 14.4.1983 – VII ZR 199/82, BGHZ 87, 191 (197) = NJW 1983, 1612 (1614); BGH v. 6.5.1992 – VIII ZR 129/91, BGH 118, 194 (198) = NJW 1992, 1759 (1760). 3 Fuchs in UBH, Vorb. v. § 307 Rz. 56; Wurmnest in MünchKommBGB, Vor § 307 Rz. 9. 4 Z.B. BGH v. 29.3.1995 – VIII ZR 102/94, NJW 1995, 1552 (1554) (insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 129, 186); BGH v. 20.11.2002 – VIII ZR 1467/01, BGHZ 153, 6 (12 ff.) = NJW 2003, 1241 (1242 f.); BGH v. 21.10.2009 – VIII ZR 286/07, NJW 2010, 298 – Rz. 26; BGH v. 9.4.2014 – VIII ZR 404/12, BGHZ 200, 362 = NJW 2014, 2269 (Rz. 20); BGH v. 27.1.2015 – XI ZR 174/13, NJW 2015, 1440 (Rz. 17). 5 Z.B. BGH v. 25.9.2002 – VIII ZR 253/99, BGHZ 152, 121 (133) = NJW 2003, 290 (293). 6 Grdl. BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 342/81, NJW 1983, 1320 (1322).
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Vor § 307 |
auch Einf. Rz. 132). Eine zusätzliche Heranziehung der AGB-rechtlichen Kontrollmechanismen ist daher entbehrlich.1 4 Vor diesem Hintergrund ist bei der Kontrolle der Wirksamkeit von arbeitsver-
traglichen Klauseln zunächst die Reichweite des zwingenden Rechts auszuloten, das im Arbeitsrecht eine deutlich größere Rolle spielt als im allgemeinen Zivilrecht. Denn mit dem zwingenden Arbeitsrecht werden die Grenzen des arbeitsvertraglich Regelbaren vergleichsweise präzise vorgegeben. Demgegenüber weist die allgemeine Angemessenheitskontrolle weniger scharfe Konturen auf und stützt sich zu großen Teilen auf Maßstäbe, die erst von der Rechtsprechung entwickelt werden müssen. Ein voreiliges Umschwenken auf die Angemessenheitskontrolle bringt daher die Gefahr mit sich, die durch die Schaffung zwingenden Arbeitsrechts intendierten Grenzziehungen aufzuweichen und unter Umständen sogar den Geltungsanspruch des zwingenden Arbeitsrechts auszuhöhlen, indem eine allgemeine Interessenabwägung an die Stelle der Auslegung arbeitsrechtlicher Vorschriften gesetzt wird. Spätestens bei der Kontrolle inhaltsgleicher Tarifverträge, die keiner Angemessenheitskontrolle unterliegen (§ 310 Abs. 4 Satz 1 BGB), kann indes der Frage nicht ausgewichen werden, ob eine Regelung gegen zwingendes Arbeitsrecht verstößt und deshalb auch die Tarifvertragsparteien bindet oder ob sie nur inhaltlich unangemessen ist. Hiervon unberührt bleibt die Befugnis der Gerichte, bei nicht ohne weiteres zu behebenden Zweifeln über den zwingenden Charakter einer Privatrechtsnorm, zu denen es im Arbeitsrecht freilich kaum kommen dürfte, aus Gründen der Prozessökonomie die Unwirksamkeit vorformulierter Klauseln jedenfalls aus den §§ 307 ff. BGB herzuleiten.2
5 Allerdings ist auch der umgekehrten Gefahr einer Überdehnung des zwingen-
den Arbeitsrechts entgegenzutreten. So hatte die frühere Rechtsprechung mangels einer besonderen Legitimation zur Angemessenheitskontrolle arbeitsvertraglicher Abreden vielfach mit dem methodischen Instrument einer Umgehung von zwingendem Kündigungsschutzrecht gearbeitet und mit diesem Ansatz eine deutlich über den Anwendungsbereich des Kündigungsschutzrechts hinausgehende Inhaltskontrolle durchgeführt.3 Diese Hilfskonstruktion ist mit der Erstreckung
1 Ebenso nunmehr BAG v. 12.2.2015 – 6 AZR 831/13, AP BBiG § 20 Nr. 1 = NZA 2015, 737 (Rz. 20); ferner bereits Coester in FS Löwisch (2007), S. 57 (64). Wenig befriedigend deshalb das Hineinschachteln von zwingendem Recht in die Angemessenheitskontrolle in BGH v. 23.3.2006 – III ZR 102/05, NZA 2006, 551 Rz. 15 ff. 2 Vgl. Coester in Staudinger, § 307 Rz. 19. 3 BAG v. 7.10.1982 – 2 AZR 455/80, AP BGB § 620 Teilkündigung Nr. 5; BAG v. 12.12.1984 – 7 AZR 509/83, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 6 = NZA 1985, 321; BAG v. 13.6.1986 – 7 AZR 650/84, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 19 = NZA 1987, 241; BAG v. 13.5.1987 – 5 AZR 125/86, AP BGB § 305 Billigkeitskontrolle Nr. 4 = NZA 1988, 95; BAG v. 21.4.1993 – 7 AZR 297/92, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 34 = NZA 1994, 476; ferner bereits BAG v. 12.10.1960 – GS 1/59, AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 16; BAG v. 11.3.1971 – 5 AZR
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I. Verhältnis zu anderen Kontrollinstrumenten | Vor § 307
des AGB-Rechts auf vorformulierte Arbeitsverträge entbehrlich geworden.1 Den Zusammenhang von zwingendem Recht und AGB-rechtlicher Angemessenheitskontrolle hat das BAG in seiner Entscheidung zur Abrufarbeit2 klar herausgestellt. Hierin hatte sich das BAG für eine vergleichsweise enge Auslegung von § 12 TzBfG a.F. ausgesprochen und dies nicht zuletzt damit begründet, dass eine großzügige Interpretation deshalb nicht erforderlich sei, weil etwaige Lücken durch die AGB-Kontrolle geschlossen würden. Auch wenn sich die gesetzliche Ausgangslage durch die Überführung der vom BAG entwickelten AGB-rechtlichen Grenzen in zwingendes Recht gemäß § 12 Abs. 2 TzBfG n.F. verändert hat, ist eine solche Argumentation im Grundansatz weiterhin zutreffend, soweit damit der früher im Übermaß bemühte Umgehungstopos zurückgewiesen werden soll. Dagegen kann die Reichweite des zwingenden Arbeitsrechts nicht deshalb beschränkt werden, weil mit der AGB-Kontrolle ein weiterer Schutzmechanismus zur Verfügung steht, zumal man wie erwähnt spätestens bei Tarifverträgen Farbe bekennen muss, wie weit der Geltungsanspruch des zwingenden Arbeitsrechts reicht. Ob vorformulierte Ausschlussfristen auch Ansprüche aus zwingendem Arbeitsrecht erfassen,3 kann jedenfalls nicht mit dem Argument bejaht werden, dass etwaige Schutzlücken durch das AGB-Recht aufgefangen werden. Von der Rechtsfigur der Umgehung zwingenden Rechts zu unterscheiden ist der 6 gedankliche Ansatz, dass nicht nur dem im Arbeitsrecht ohnehin seltenen dispositiven Recht, sondern auch dem zwingenden Recht Wertungen entnommen werden können, in denen ein gesetzliches Leitbild i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB als tauglicher Maßstab für eine AGB-rechtliche Angemessenheitskontrolle zum Ausdruck kommt. Hiervon ausgehend ist es grundsätzlich möglich, dass vorformulierte Vertragsbestimmungen zwar nicht unmittelbar gegen zwingendes Recht verstoßen und somit schon aus diesem Grunde unwirksam sind, wohl aber mit den im zwingenden Recht verkörperten Wertvorstellungen unvereinbar sind und daher eine unangemessene Benachteiligung darstellen.4 In diesem Sinne lassen sich die Ausführungen des BAG zur Bedeutung von § 622 Abs. 6 BGB für die Unzulässigkeit einseitiger Ausschlussfristen5 einordnen.
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349/70, AP BGB § 622 Nr. 9; BAG v. 9.3.1972 – 5 AZR 246/71, AP BGB § 622 Nr. 12; im Ansatz auch BAG v. 16.10.1965 – 5 AZR 55/65, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 20. So ausdrücklich BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, AP BGB § 307 Nr. 6 = NZA 2006, 40 (unter B II 1 d); BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, AP TzBfG § 12 Nr. 4 = NZA 2006, 423 (Rz. 33); ferner Lakies, Vertragsgestaltung und AGB im Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2011, Kap. 1 Rz. 12; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (83). BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, AP TzBfG § 12 Nr. 4 = NZA 2006, 423. Dafür etwa BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, AP BGB § 310 Nr. 1 = NZA 2005, 1111; ebenso Krause, RdA 2004, 36 (41) m.w.N.; dagegen Ulber, DB 2011, 1808 (1809 f.). Coester in Staudinger, § 307 Rz. 232 a.E.; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992, S. 284; Fuchs in UBH, § 307 Rz. 209; grds. ebenso BGH v. 27.5.2010 – VII ZR 165/09, NJW 2010, 2272 (Rz. 15). BAG v. 2.3.2004 – 1 AZR 271/03, AP TVG § 3 Nr. 31 = NZA 2004, 852 (unter B VI 2 b).
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7 Im Übrigen ist es durchaus denkbar, dass zwingendes Recht eine Thematik ab-
schließend regelt. Dies gilt für vorformulierte Befristungen des gesamten Arbeitsvertrags sowie insbesondere für Altersgrenzen, die nur am TzBfG bzw. am AGG sowie gegebenenfalls an § 41 SGB VI zu messen, nicht aber einer zusätzlichen Angemessenheitskontrolle zu unterziehen sind.1 Dagegen geht es zu weit, zwingenden Arbeitsschutzvorschriften generell die Wertung zu entnehmen, dass vertragliche Regelungen, die von ihnen nicht untersagt werden, auch dann keiner Inhaltskontrolle unterzogen werden dürfen, wenn es sich um AGB handelt, weil dies auf eine richterliche Gesetzeskorrektur hinauslaufe.2 8 Sofern im Einzelfall eine vorformulierte Vertragsbestimmung auf der einen Seite gegen ein Verbotsgesetz bzw. gegen zwingendes Recht verstößt, auf der anderen Seite aber auch als unangemessen einzustufen ist, stehen § 139 BGB, der im Zweifel eine Gesamtnichtigkeit des Rechtsgeschäfts vorsieht, und § 306 BGB, der den übrigen Vertrag grundsätzlich aufrecht erhält, in einem Spannungsverhältnis zueinander. In einer solchen Konstellation ist § 306 BGB der Vorrang einzuräumen, um den Arbeitgeber als Verwender von AGB, dessen Klauseln nicht nur gegen AGB-Recht, sondern zusätzlich gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen zwingendes Recht verstoßen, nicht zu privilegieren.3 Allerdings entspricht die Einschränkung von § 139 BGB bei Verstößen gegen arbeitnehmerschützende Verbotsgesetze in Arbeitsverträgen ohnehin gängiger Ansicht,4 so dass insoweit keine Änderungen eintreten. Zu Modifikationen kann es freilich – entsprechend zivilrechtlichen Vorbildern5 – in den Fällen kommen, in denen sich der Verstoß gegen ein Verbotsgesetz bzw. gegen zwingendes Recht durch geltungserhaltende Reduktion reparieren ließe. Da im AGB-rechtlichen Kontrollregime eine geltungserhaltende Reduktion ausgeschlossen ist (dazu § 306 Rz. 69 ff.), enthält das AGB-Recht in diesem Punkt eine strengere Rechtsfolge.6
2. Richterrecht 9 Mit diesen Überlegungen ist auch der Boden für die Bestimmung des Verhältnis-
ses von AGB-Kontrolle und Richterrecht bereitet. Wenn und soweit Richterrecht angesichts der Lückenhaftigkeit des Arbeitsrechts zwingendes Gesetzesrecht substituiert, sind hiergegen verstoßende arbeitsvertragliche Vereinbarungen unabhängig davon unwirksam, ob sie vorformuliert sind oder nicht.7 In diese Rubrik 1 BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 443/04, AP BGB § 620 Altersgrenze Nr. 27 = NZA 2006, 37 (Rz. 32); Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (85); krit. aber Coester in FS Löwisch (2007), S. 57 (59) Fn. 16. 2 In diesem Sinne Benedict, JZ 2012, 172 (177). 3 Deinert in DBD, § 307 Rz. 39; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (82). 4 Siehe nur Arnold in Erman, § 139 Rz. 6; Busche in MünchKommBGB, § 139 Rz. 3. 5 BGH v. 25.1.2006 – VIII ZR 3/05, NJW 2006, 1059 (Rz. 20 f.). 6 Deinert in DBD, § 307 Rz. 39; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (82 f.). 7 Insoweit zutr. LAG Brandenburg v. 24.6.2004 – 1 Sa 108/04, AuR 2004, 475.
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gehören allerdings nur wenige Fallgruppen, wie etwa die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die eingeschränkte Arbeitnehmerhaftung, die jedenfalls in ihrem Kern als zwingendes und nicht nur als dispositives Arbeitnehmerschutzrecht anzusehen sind.1 Sofern Richterrecht dagegen nur die Funktion hatte, die vor der Ausdehnung der AGB-rechtlichen Angemessenheitskontrolle auf vorformulierte Arbeitsverträge fehlende Grundlage für eine Inhaltskontrolle zu ersetzen und der Sache nach Klauselkataloge zu entwickeln,2 hat sich dieser Ansatz erledigt.3 Stattdessen gründet sich die Inhaltskontrolle insoweit nunmehr allein auf die §§ 307 ff. BGB,4 die nicht unter pauschalem Verweis auf angeblich zwingendes früheres Richterrecht beiseitegeschoben werden können.5 Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob ältere richterrechtliche Erkenntnisse bei der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle als dispositives Leitbild fungieren und/ oder als im Arbeitsrecht geltende Besonderheiten i.S.v. § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB zu berücksichtigen sind (dazu Einf. Rz. 68).
3. Kollektivverträge Bei Kollektivverträgen sind die geschilderten Ansätze und Unterscheidungen 10 nur von geringer Bedeutung. Soweit Tarifverträge sowie Betriebs- und Dienstvereinbarungen unmittelbar und zwingend gelten (§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG, § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG), werden mit diesen Regelungen nicht kompatible arbeitsvertragliche Vereinbarungen grundsätzlich nur überlagert und nicht vernichtet.6 Richten sich einzelvertragliche Klauseln diametral gegen die kollektivvertraglichen Vorgaben, sind sie darüber hinaus unwirksam, ohne dass man für diese Rechtsfolge zusätzlich § 134 BGB heranziehen muss,7 soweit die kollektiv1 Vgl. BAG v. 5.2.2004 – 8 AZR 91/03, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 126 = NZA 2004, 649; Henssler in MünchKommBGB, § 619a Rz. 13; Krause in HWK, § 619a BGB Rz. 46; Waltermann, RdA 2005, 98 (108 f.); a.A. Preis in ErfK, § 619a BGB Rz. 11. 2 Hierzu Lieb in FS Konzen (2006), S. 501 (509); gegen jede Vorstellung einer Verfestigung zu Richterrecht bei der früheren Kontrolle einzelner Klauseln Joost in FS 50 Jahre BAG (2004), S. 49 (53). 3 Ebenso Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rz. 36. 4 BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, AP BGB § 307 Nr. 6 = NZA 2006, 40 (Befristung einzelner Arbeitsbedingungen). 5 Ebenso ausdrücklich LAG Brandenburg v. 25.8.2004 – 7 Sa 91/04 – ZTR 2005, 271; nicht überzeugend daher LAG Brandenburg v. 24.6.2004 –1 Sa 108/04, AuR 2004, 475 (jeweils Befristung einzelner Arbeitsbedingungen). 6 Vgl. zu Tarifverträgen BAG v. 12.12.2007 – 4 AZR 998/06, AP TVG § 4 Nr. 28 = NZA 2008, 649; Jakobs in JKOS, Tarifvertragsrecht, 2. Aufl. 2013, § 7 Rz. 6; Wank in Wiedemann, TVG, 8. Aufl. 2019, § 4 Rz. 399; zu Betriebsvereinbarungen BAG v. 21.9.1989 – 1 AZR 454/88, AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 43 = NZA 1990, 351; Fitting, BetrVG, 29. Aufl. 2018, § 77 Rz. 197. 7 So aber Jakobs in JKOS, Tarifvertragsrecht, 2. Aufl. 2013, § 7 Rz. 6.
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vertragliche Regelung nicht ausnahmsweise ein Verbot bestimmter Verhaltensweisen enthält, bei dem sich die Frage nach den Auswirkungen auf entgegenstehende Vereinbarungen überhaupt erst stellt.1 Der konstruktive Ansatz einer „Umgehung von Kollektivrecht“ als Instrument einer Inhaltskontrolle außerhalb der unmittelbaren Reichweite des Kollektivrechts hat in der Judikatur des BAG in der Zeit vor der Ausdehnung des AGB-Rechts auf Arbeitsverträge soweit ersichtlich keine Rolle gespielt. Es besteht deshalb heutzutage erst recht kein Grund, eine solche Argumentationsfigur zu entwickeln. Hiervon zu unterscheiden ist die Funktion von Kollektivverträgen als Maßstab der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle, die freilich ebenfalls abzulehnen ist (näher dazu § 310 Rz. 80 f.).
4. Sittenwidrigkeit, § 138 BGB 11 Das Verhältnis der §§ 307 ff. BGB zu § 138 BGB ist im allgemeinen AGB-Recht
umstritten. Der BGH,2 das BAG3 und die überwiegende Ansicht im Schrifttum4 halten beide Regelungen für nebeneinander anwendbar. Demgegenüber qualifiziert ein Teil der Literatur die §§ 307 ff. BGB als leges speciales, die in ihrem Anwendungsbereich § 138 BGB verdrängen.5 Diese unterschiedlichen Grundansätze führen allerdings insbesondere im Arbeitsrecht nicht zu abweichenden Ergebnissen. Zum einen besteht Einigkeit darüber, dass § 138 BGB heranzuziehen ist, wenn sich die Sittenwidrigkeit aus Umständen ergibt, die bei der AGB-rechtlichen Kontrolle keine Rolle spielen, wie die Beeinträchtigung der Interessen Dritter oder das gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kontrollfreie Missverhältnis der Hauptleistungspflichten.6 So sind beispielsweise vorformulierte Mankoabreden, die dem Arbeitnehmer einen Anreiz geben, ein zwischenzeitlich aufgetretenes Manko durch Unregelmäßigkeiten zulasten von Kunden wieder auszugleichen, wegen Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 BGB unwirksam,7 während die Unangemessenheit i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB jedenfalls nicht auf die drohende Beeinträchtigung von Drittinteressen gestützt werden kann. Zum anderen spielt
1 Vgl. BGH v. 14.12.1999 – X ZR 34/98, BGHZ 143, 283 = NJW 2000, 1186 (zum Verbot der Annahme von Geschenken gemäß § 10 BAT = § 3 Abs. 2 TVöD bzw. § 3 Abs. 3 TV-L). 2 BGH v. 18.9.1997 – IX ZR 283/96, BGHZ 136, 347 = NJW 1997, 3372; ebenso im Grundansatz BGH v. 16.4.1996 – XI ZR 234/95, ZIP 1996, 957; BGH v. 25.4.2001 – VIII ZR 135/ 00, BGHZ 147, 279 = NJW 2001, 2331. 3 Vgl. BAG v. 15.3.2005 – 9 AZR 502/03, AP BGB § 781 Nr. 7 = NZA 2005, 682. 4 Coester in Staudinger, § 307 Rz. 34; Fuchs in UBH, Vorb. v. § 307 Rz. 60; Stoffels, AGBRecht, Rz. 384. 5 Grüneberg in Palandt, Überbl. v. § 305 Rz. 15; Roloff in Erman, Vor §§ 307–309 Rz. 11; Wurmnest in MünchKommBGB, Vor § 307 Rz. 10. 6 Vgl. BAG v. 17.10.2012 – 5 AZR 792/11, AP BGB § 138 Nr. 68 = NZA 2013, 266 (Rz. 14 ff.); Coester in Staudinger, § 307 Rz. 33; Wurmnest in MünchKommBGB, Vor § 307 Rz. 10. 7 So Stoffels, AR-Blattei, SD 870.2 Rz. 102.
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das zentrale Anliegen der h.M., eine an sich wegen Sittenverstoßes zu bejahende Gesamtnichtigkeit des Vertrags nicht dadurch auszuschalten, dass einzelne anstößige Klauseln zuvor nach den §§ 307 ff. BGB eliminiert werden,1 bei Arbeitsverträgen keine Rolle. Aus allgemeinen Gründen des Arbeitnehmerschutzes darf der Umstand, dass nicht nur einzelne Klauseln unwirksam sind, sondern der Arbeitsvertrag insgesamt auf eine Übervorteilung des Arbeitnehmers abzielt, nämlich ohnehin nicht dazu führen, dass nunmehr der gesamte Vertrag nichtig ist. Vielmehr bleibt es bei der allgemeinen Regel, dass der Arbeitsvertrag grundsätzlich aufrechtzuerhalten und durch dispositives Recht zu ergänzen ist.2 Von vornherein keine Konkurrenzprobleme treten auf, wenn eine Klausel als Individualabrede zu werten ist, weil dann als Kontrollmaßstab nur § 138 BGB heranzuziehen ist, nicht aber die §§ 307 ff. BGB.3 Diese Besonderheit bei den Rechtsfolgen kann im Übrigen auf den Tatbestand 12 zurückwirken. So kann zwar auch eine Vielzahl von unwirksamen Klauseln nicht dazu führen, dass sich die vom BAG aufgestellte Grenze von weniger als 2/ 4 3 einer üblichen Vergütung für das Sittenwidrigkeitsverdikt beim Lohnwucher automatisch nach oben verschiebt. Dagegen kann das für § 138 BGB an sich erforderliche subjektive Element der verwerflichen Gesinnung5 umso eher zu bejahen sein, wenn der Arbeitgeber nicht nur ein vergleichsweise niedriges Entgelt zahlt, sondern darüber hinaus unwirksame AGB verwendet (siehe in diesem Zusammenhang auch Rz. 34 ff.). Auf einem ganz anderen Blatt steht wiederum die Funktion von § 138 BGB als 13 Grundlage einer allgemeinen Angemessenheitskontrolle in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung aus der Zeit vor der Schuldrechtsmodernisierung.6 Mit 1 Vgl. BGH v. 12.3.1981 – III ZR 92/79, BGHZ 80, 153 (172) = NJW 1981, 1206 (1210); BGH v. 14.1.2003 – XI ZR 121/02, BGHZ 156, 302 (310 = NJW 2004, 161 (163); Coester in Staudinger, § 307 Rz. 34; Fuchs in UBH, Vorb. v. § 307 Rz. 60; ferner BGH v. 18.9.1997 – II ZR 283/96, BGHZ 136, 347 (355 f.) = NJW 1997, 3372 (3374) (Berücksichtigung überraschender Klauseln bei Sittenwidrigkeitskontrolle). 2 In diesem Sinne auch Deinert in DBD, § 307 Rz. 40. 3 Siehe BAG v. 25.4.2013 – 8 AZR 453/12, AP BGB § 611 Berufssport Nr. 23 = NZA 2013, 1206 (Rz. 19, 27 ff.). 4 BAG v. 22.4.2009 – 5 AZR 436/08, AP BGB § 138 Nr. 64 = NZA 2009, 837; BAG v. 18.4. 2012 – 5 AZR 630/10, AP BGB § 138 Nr. 65 = NZA 2012, 978 (Rz. 11); BAG v. 17.10.2012 – 5 AZR 792/11, AP BGB § 138 Nr. 68 = NZA 2013, 266 (Rz. 19). 5 BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 268/11, AP BGB § 138 Nr. 66 = NZA 2012, 974 Rz. 35 ff.; zur Problematik siehe auch Krause in MünchArbR, § 60 Rz. 99 ff. 6 Vgl. BAG v. 22.11.1973 – 2 AZR 580/72, AP BGB § 626 Nr. 67; BAG v. 7.11.1984 – 5 AZR 278/83; BAG v. 10.10.1990 – 5 AZR 404/89, AP BGB § 138 Nr. 47 = NZA 1991, 264; ebenso der Ansatz in BAG v. 26.1.1956 – 2 AZR 98/54, AP AZO § 15 Nr. 1; BAG v. 16.11.1961 – 5 AZR 483/60, AP BGB § 611 Mehrarbeitsvergütung Nr. 5; BAG v. 25.7. 1984 – 5 AZR 219/82; BAG v. 24.3.1988 – 2 AZR 630/87 – AP BGB § 241 Nr. 1 = NZA 1989, 101; BAG v. 27.2.2002 – 9 AZR 543/00, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 162 (insoweit Sittenwidrigkeit allerdings jeweils verneint).
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der Ausdehnung der §§ 307 ff. BGB auf vorformulierte Arbeitsverträge ist dieser Kontrollansatz in dem Sinne gegenstandslos geworden, dass neben der auf das AGB-Recht gestützten Inhaltskontrolle kein Raum mehr für eine wirkungsgleiche Angemessenheitskontrolle nach § 138 BGB bei Formulararbeitsverträgen ist.1
5. Treu und Glauben, § 242 BGB 14 Im Ausgangspunkt schließen die §§ 307–309 BGB als speziellere Regelungen
einen Rückgriff auf § 242 BGB aus. Dieser für das allgemeine AGB-Recht anerkannte Grundsatz2 gilt auch für das Arbeitsrecht.3 Soweit sich das BAG bei der Kontrolle (vorformulierter) Arbeitsbedingungen auf inhaltliche Angemessenheit früher auf § 242 BGB gestützt hat,4 ist dieser Prüfungsansatz daher nunmehr ebenfalls überholt.5 Damit ist nicht nur ein Austausch der Rechtsgrundlage der Wirksamkeitskontrolle verbunden. Vielmehr führt der AGB-rechtliche Ansatz zugleich zu einer gewissen, von den Besonderheiten des konkreten Falls absehenden Generalisierung der Umstände, die der Kontrolle zugrundezulegen sind.6 Zu einer Verdrängung von § 242 BGB kommt es freilich nur innerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 307–309 BGB. Dies spielt zwar im Hinblick auf die aus dem AGB-Recht ausgeklammerten arbeitsrechtlichen Kollektivverträge keine Rolle, weil Tarifverträge von vornherein keiner Angemessenheitskontrolle unterliegen und für Betriebsvereinbarungen mit § 75 BetrVG ein Prüfungsmaßstab vorhanden ist, der einem Rekurs auf § 242 BGB ebenfalls entgegensteht. § 242 BGB fungiert aber zum einen nach wie vor als Basis für die Kontrolle von 1 Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (81). 2 BGH v. 15.1.2013 – XI ZR 22/12, NJW 2013, 1519 (Rz. 18); Coester in Staudinger, § 307 Rz. 35; Fuchs in UBH, Vorb. v. § 307 BGB Rz. 62; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 389; Wurmnest in MünchKommBGB, Vor § 307 Rz. 11; a.A. Roussos, JZ 1988, 997 (1006). 3 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, AP BGB § 310 Nr. 1 = NZA 2005, 1111 (unter VI 2 a); Deinert in DBD, § 307 Rz. 41; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (81). 4 BAG v. 16.3.1994 – 5 AZR 339/92, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 18 = NZA 1994, 937; BAG v. 6.9.1995 – 5 AZR 241/94, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 23 = NZA 1996, 314; BAG v. 6.5.1998 – 5 AZR 535/97, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 28 = NZA 1999, 79 (unter zusätzlicher Nennung von § 138 BGB); BAG v. 13.12.2000 – 10 AZR 168/00, AP BGB § 241 Nr. 2 = NZA 2001, 723; BAG v. 21.7.2005 – 6 AZR 452/ 04, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 37 = NZA 2006, 542; grds. auch BAG v. 29.11. 1995 – 5 AZR 447/94, AP AGBG § 3 Nr. 1 = NZA 1996, 702; BAG v. 9.9.2003 – 9 AZR 574/02, AP BGB Sachbezüge § 611 Nr. 15 = NZA 2004, 484 (Hervorhebung von Treu und Glauben neben einer pauschalen Nennung von §§ 138, 242 und § 315 BGB); ferner BAG v. 27.4.2000 – 8 AZR 301/99, juris (Hervorhebung von Treu und Glauben neben einer pauschalen Nennung von § 138 und § 242 BGB). 5 Deinert in DBD, § 307 Rz. 43; Reinecke, JbArbR 43 (2006), 23 (24). 6 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, AP BGB § 307 Nr. 16 = NZA 2006, 1042 Rz. 28.
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echten Individualvereinbarungen bzw. von vorformulierten Einzelverträgen i.S.v. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB, bei denen eine fehlende Einflussmöglichkeit des Arbeitnehmers nicht festgestellt werden kann. Um den Abstand zum Maßstab des AGB-Rechts zu wahren, darf es sich bei dieser auf § 242 BGB gestützten Kontrolle aber nicht um eine umfassende Angemessenheitskontrolle handeln (dazu näher Rz. 31 ff.). Zum anderen dient § 242 BGB als Grundlage der von der Inhaltskontrolle 15 strikt zu unterscheidenden Ausübungskontrolle,1 sofern es sich nicht um einseitige Leistungsbestimmungsrechte des Arbeitgebers handelt, bei deren Ausübung § 106 GewO bzw. § 315 BGB als speziellere Vorschriften heranzuziehen sind (dazu Rz. 18 ff.). Diese Ausübungskontrolle ist der Inhaltskontrolle nachgelagert und zielt darauf ab, einen individuellen Rechtsmissbrauch des Verwenders zu dem Zeitpunkt zu verhindern, zu dem es in einem konkreten Rechtsstreit auf die fragliche Klausel ankommt.2 Ihrer Funktion entsprechend knüpfen Inhaltskontrolle und Ausübungskontrolle an klar voneinander zu unterscheidende Elemente des zu beurteilenden Sachverhalts an. Während es bei der Inhaltskontrolle um die Wirksamkeit einer Klausel als solche geht, für deren Beurteilung eine von den Umständen des Einzelfalls im Grundsatz absehende abstrakt-generalisierende Betrachtungsweise zugrunde zu legen ist (näher § 307 Rz. 45), soll mit der Ausübungskontrolle der Berufung des Verwenders auf eine wirksame Klausel deshalb entgegengetreten werden, weil dieser von einer Rechtsposition in zweckwidriger Weise Gebrauch macht oder weil sonstige Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen.3 Aus dieser verschiedenartigen Zielsetzung resultiert ein „Doppelverwertungsverbot“: Wenn eine Klausel die Inhaltskontrolle passiert hat, dürfen die auf dieser Prüfungsstufe berücksichtigten Umstände nicht nochmals herangezogen werden, um die Anwendung der Klausel nunmehr an der Ausübungskontrolle scheitern zu lassen. Vielmehr dürfen auf der Ebene der Ausübungskontrolle nur zusätzliche Momente herangezogen werden, die auf der Ebene der Inhaltskontrolle noch nicht gewürdigt worden sind. Als Beispiel seien Ausschlussfristen genannt. So kann die Berufung des Arbeitgebers auf eine Ausschlussfrist, die nach Maßgabe der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze wirksam ist (dazu im Einzelnen § 307 Rz. 112 ff.), deshalb im Einzelfall gegen § 242 BGB verstoßen, weil der Arbeitgeber den Arbeitnehmer etwa durch eine besondere Erklärung, die er im Zusammenhang mit einem umstrittenen Anspruch abgegeben hat, davon abge1 Coester in FS Löwisch (2007), S. 57 (60 f.); dazu eingehend Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992, S. 24 ff. 2 BGH v. 12.2.1985 – X ZR 31/84, BGHZ 93, 391 (399 f.) = NJW 1985, 1537 (1539); BGH v. 6.7.1988 – VIII ARZ 1/88, BGHZ 105, 71 (88) = NJW 1988, 2790 (2794); BGH v. 15.1. 2013 – XI ZR 22/12, NJW 2013, 1519 (Rz. 25). 3 Coester in Staudinger, § 307 Rz. 36; Fuchs in UBH, Vorb. v. § 307 BGB Rz. 63; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 389; Wurmnest in MünchKommBGB, Vor § 307 Rz. 11.
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halten hat, diesen Anspruch rechtzeitig geltend zu machen.1 Allerdings dient die Ausübungskontrolle nicht dem Schutz des Verwenders. So kann sich der Arbeitgeber als Verwender nicht auf die Unwirksamkeit einer von ihm selbst gestellten vorformulierten Ausschlussfrist berufen, um den Verfall eines eigenen Anspruchs gegen den Arbeitnehmer zu verhindern.2 16 Im Übrigen darf die Ausübungskontrolle nicht zu stark auf Kosten der Inhalts-
kontrolle ausgedehnt werden, indem zu weit gefasste Klauseln im Rahmen der Inhaltskontrolle durch den Verweis auf die Ausübungskontrolle vor dem Unwirksamkeitsverdikt bewahrt werden. Hierdurch würden sowohl das grundsätzliche Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (dazu Rz. 19) als auch die präventive Schutzfunktion der Inhaltskontrolle unterlaufen werden. Es bedarf daher einer an objektiven Kriterien orientierten Abgrenzung, welche Umstände des Sachverhalts welcher der beiden Prüfungsstufen zuzuordnen sind. Eine solche Abgrenzung kann zunächst danach erfolgen, ob die Umstände bereits im Zeitpunkt der Vereinbarung der AGB vorlagen oder erst später eingetreten sind. So sind Umstände, die schon ursprünglich vorhanden waren, regelmäßig bereits bei der Inhaltskontrolle und nicht erst bei der Ausübungskontrolle in Rechnung zu stellen. Dies gilt umso mehr, wenn man den Arbeitsvertrag als Verbrauchervertrag qualifiziert (dazu § 310 Rz. 14 ff.), weil die den Vertragsschluss begleitenden Umstände dann gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung ausdrücklich zu berücksichtigen sind. Auch nachträglich eintretende Umstände können indes die AGB-Kontrolle beeinflussen, sofern sie vorhersehbar sind. Letztlich muss es entsprechend dem allgemeinen AGB-Recht3 darauf ankommen, ob es um eine typisierbare Situation geht, so dass dem Arbeitgeber als Verwender deren Ausformung zu einem eigenen Tatbestand zugemutet werden kann. Sofern dies zutrifft, sind alle entsprechenden Anwendungsmöglichkeiten bereits bei der Inhaltskontrolle der Klausel zugrundezulegen und nicht erst der Ausübungskontrolle zuzuweisen. Geht es dagegen um fernliegende und nicht typisierbare Geschehensabläufe, so sind diese Umstände aus der Inhaltskontrolle auszuklammern und erst bei der Ausübungskontrolle zu berücksichtigen.
17 Ihrer Funktion als Instrument zur Verhinderung individuellen Rechtsmiss-
brauchs entsprechend kommt die Ausübungskontrolle gemäß § 242 BGB grundsätzlich erst dann zum Einsatz, wenn die Vertragsbedingung, auf die sich der Arbeitgeber stützt, rechtswirksam ist. Allerdings sind die Gerichte aus Gründen 1 Vgl. Krause, RdA 2004, 106 (118 ff.); siehe auch BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 44 = NZA 2012, 85 (Rz. 47); ferner BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, AP BGB § 310 Nr. 1 = NZA 2005, 1111 (obiter dictum im Zusammenhang mit der Inhaltskontrolle außerhalb des AGB-Rechts). 2 BAG v. 27.10.2005 – 8 AZR 3/05, AP BGB § 310 Nr. 5 = NZA 2006, 257; gleichsinnig bei Intransparenz einer Wettbewerbsabrede BAG v. 28.6.2006 – 10 AZR 405/05, AP HGB § 74 Nr. 80 = NZA 2006, 1157. 3 Coester in Staudinger, § 307 Rz. 37; Fuchs in UBH, Vorb. v. § 307 Rz. 64.
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der Prozessökonomie befugt, die Wirksamkeit einer Klausel dahinstehen zu lassen, wenn ein Rechtsmissbrauch unproblematisch bejaht werden kann.1
6. Billigkeitskontrolle, § 315 BGB, § 106 GewO Von der Inhaltskontrolle klar zu unterscheiden ist weiter die Billigkeitskontrol- 18 le, die bei allen einseitigen Leistungsbestimmungsrechten vorzunehmen ist.2 Zwar hat das BAG in seiner früheren Rechtsprechung auch die allgemeine Inhaltskontrolle arbeitsvertraglicher Abreden mehrfach als einen Fall des § 315 BGB angesehen und sie zudem mit einer Billigkeitskontrolle gleichgesetzt.3 Diese Sichtweise wurde nicht nur im arbeitsrechtlichen Schrifttum geteilt,4 sondern befand sich auch im Einklang mit einzelnen Stimmen aus dem älteren zivilrechtlichen Schrifttum, welche die AGB-Kontrolle vor dem Inkrafttreten des AGBG auf § 315 BGB stützen wollten.5 Die grundsätzlichen Unterschiede beider Kontrollansätze sind indes schon seit 19 langem herausgearbeitet worden.6 Sie betreffen die Voraussetzungen, den Maßstab sowie die Rechtsfolgen. Die Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB knüpft an die vertragliche Einräumung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts an.7 Anders als die Inhaltskontrolle zielt sie nicht auf eine Korrektur einer vertraglichen Vereinbarung ab, sondern auf die Begrenzung einer rechtsgeschäftlich übertragenen Gestaltungsmacht, an der es bei der einseitigen Aufstellung von AGB indes fehlt. Weiter ist Maßstab der Billigkeitskontrolle die Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, während im Rahmen der AGB-recht1 Vgl. BGH v. 12.2.1985 – X ZR 31/84, BGHZ 93, 391 (399 f.) = NJW 1985, 1537 (1539). 2 Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (85). 3 BAG v. 31.10.1969 – 3 AZR 119/69, AP BGB § 242 Ruhegehalt-Unterstützungskassen Nr. 1 (unter zusätzlicher Nennung von § 242 BGB); BAG v. 19.11.1992 – 10 AZR 264/91, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 147 = NZA 1993, 353; Nennung von § 315 BGB (neben § 138 und § 242 BGB) auch in BAG v. 21.11.2001 – 5 AZR 158/00, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 31 = NZA 2002, 551; BAG v. 9.9.2003 – 9 AZR 574/02, AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 15 = NZA 2004, 484. 4 Söllner, Einseitige Leistungsbestimmung im Arbeitsverhältnis, 1966, S. 22 ff. 5 Insbesondere Flume in FS 100 Jahre DJT, Bd. I (1960), S. 135 (169 f.); Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl. 1992, § 37, 2, S. 671; Lukes, NJW 1963, 1897 (1900); Weitnauer, Der Schutz des Schwächeren im Zivilrecht, 1975, S. 43; für eine Heranziehung von § 315 BGB (analog) als Grundlage einer Vertragskontrolle ferner Kramer, ZHR 146 (1982), 105 (111); Kronke, AcP 183 (1983), 113 (132). 6 Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, 2000, S. 306 ff.; von HoyningenHuene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, 1978, S. 128 ff.; ferner Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992, S. 14 ff.; Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, S. 187 ff.; Stütze, Die Kontrolle der Entgelthöhe im Arbeitsrecht, 2010, S. 65 ff. 7 BAG v. 12.10.2011 – 10 AZR 746/10, NZA 2012, 450.
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lichen Angemessenheitskontrolle ein generalisierender Maßstab anzulegen ist.1 Ihren Hintergrund findet diese Differenzierung nicht zuletzt darin, dass die Billigkeitskontrolle auch bei Hauptleistungspflichten zum Tragen kommen kann, die gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB grundsätzlich der Inhaltskontrolle entzogen sind, weil es bei Hauptleistungspflichten an generellen rechtlichen Kriterien zur Beurteilung der Angemessenheit der Leistungen fehlt.2 Dementsprechend zielt die Billigkeitskontrolle nicht einfach auf eine Entfaltung klar vorgegebener rechtlicher Maßstäbe ab, sondern fragt danach, ob der Bestimmungsberechtigte eine abgewogene Entscheidung getroffen hat. Soweit es schließlich um die Rechtsfolgen geht, führt die Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB gegebenenfalls zu einer gestaltenden richterlichen Entscheidung3 und damit zu einer Art Vertragshilfe,4 während bei der Inhaltskontrolle eine richterliche Feststellung über die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer bestimmten Klausel vorgenommen wird.5 Dies wirkt sich insbesondere bei überschießenden Regelungen aus. Während eine die Interessen des Arbeitnehmers zu stark beeinträchtigende Ausübung eines Bestimmungsrechts im konkreten Einzelfall gemäß § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB auf ein zulässiges Maß zurückgeschraubt werden kann, gilt im Bereich der Inhaltskontrolle vorformulierter Klauseln das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (vgl. § 306 Rz. 69 ff.). 20 Sind Billigkeitskontrolle und Inhaltskontrolle somit eindeutig voneinander ab-
zugrenzen, bedeutet dies, dass es zur Kontrolle der Ausübung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts erst dann kommen kann, wenn dieses Recht dem Arbeitgeber wirksam eingeräumt worden ist, was wiederum Gegenstand einer AGB-Kontrolle sein kann. Dasselbe gilt, wenn durch AGB der Maßstab der Ausübungskontrolle verändert werden soll. Damit ist die in der älteren Judikatur anzutreffende Tendenz überholt, die Frage der Wirksamkeit einer zu weit gefassten Vertragsklausel über den Widerruf von Leistungen zu übergehen und sich nur darauf zu konzentrieren, ob der Widerruf der Leistung im konkreten Einzelfall billigem Ermessen entsprochen hat.6 Vielmehr ist auf der ersten Stufe
1 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 390. 2 Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992, S. 17. 3 Vgl. BAG v. 3.8.2016 – 10 AZR 710/14, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 306 = NZA 2016, 1334 (Rz. 29 f.). 4 Beim Weisungsrecht des Arbeitgebers, das gemäß § 106 Satz 1 GewO (zwingend) nach billigem Ermessen auszuüben ist, scheidet eine richterliche Ersatzleistungsbestimmung allerdings aus, weil dies einen unzulässigen Eingriff in die Organisationshoheit des Arbeitgebers bedeuten würde und es dem Gericht zudem an einem hinreichenden Einblick in das betriebliche Geschehen mangelt; BAG v. 18.10.2017 – 10 AZR 330/16, AP GewO § 106 Nr. 38 = NZA 2017, 1452 (Rz. 75); Hromadka, NZA 2017, 601 (603); Preis/Wieg, AuR 2016, 313 (319); Rieble in Staudinger, § 315 Rz. 187; ebenso nunmehr Reichold in MünchArbR, § 40 Rz. 34; a.A. offenbar LAG Köln v. 3.1.2014 – 2 Sa 614/13. 5 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 391. 6 So etwa BAG v. 17.9.1998 – 8 AZR 791/96, AuR 1999, 111.
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die vorformulierte Bestimmungsbefugnis des Arbeitgebers als solche auf ihre Wirksamkeit zu untersuchen, während die hiervon zu trennende Ausübung des Bestimmungsrechts erst auf der zweiten Stufe zu kontrollieren ist.1 Da es zu den begrifflichen Notwendigkeiten eines Arbeitsverhältnisses gehört, 21 dass der Arbeitgeber ein Bestimmungsrecht im Hinblick auf die vom Arbeitnehmer konkret auszuübende Tätigkeit hat, während ein Bestimmungs- bzw. Änderungsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich des von ihm zu leistenden Entgelts nur aufgrund einer besonderen Klausel besteht, sind im Verhältnis von Inhaltskontrolle und Ausübungskontrolle im Einzelnen folgende Unterscheidungen zu treffen: Haben die Arbeitsvertragsparteien das allgemeine Weisungsrecht des Arbeitgebers, das ihm mit dem Abschluss des Arbeitsvertrags automatisch zusteht, nicht eigens geregelt, entfällt insoweit von vornherein eine AGB-Kontrolle. Vielmehr findet nur eine Billigkeitskontrolle der Ausübung des Direktionsrechts gemäß § 106 GewO statt. Haben die Parteien das allgemeine Weisungsrecht formularmäßig innerhalb des durch den Arbeitsvertrag aufgespannten Rahmens näher ausgestaltet (unechte Direktionsrechtserweiterung) oder aber auf Aspekte jenseits dieses Rahmens ausgedehnt (echte Direktionsrechtserweiterung),2 unterliegt diese vorformulierte Regelung stets einer Transparenzkontrolle, im zweiten Fall darüber hinaus einer Angemessenheitskontrolle, an die sich bei einer Wirksamkeit der Klausel eine Billigkeitskontrolle des später konkret ausgeübten Direktionsrechts anschließt (hierzu im Einzelnen § 307 Rz. 174 ff.).3 Behält sich der Arbeitgeber die einseitige Abänderung von Entgeltbestandteilen vor, erfolgt eine Inhaltskontrolle des Bestimmungsrechts anhand von § 308 Nr. 4 BGB sowie – bei einer Wirksamkeit der Klausel – wiederum eine Billigkeitskontrolle der späteren Leistungsbestimmung (dazu im Einzelnen § 308 Rz. 79 ff., 99 ff.).4 1 In diesem Sinne auch BAG v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 21 = NZA 2007, 809 (Rz. 27). 2 Zur Terminologie Preis/Genenger, NZA 2008, 969 (970 ff.). 3 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, AP BGB § 307 Nr. 17 = NZA 2006, 1149; BAG v. 9.5. 2006 – 9 AZR 424/05, AP BGB § 307 Nr. 21 = NZA 2007, 145; BAG v. 13.3.2007 – 9 AZR 433/06, AP BGB § 307 Nr. 26; BAG v. 13.6.2007 – 5 AZR 564/06, AP BGB § 611 Film Nr. 11 = NZA 2007, 974; BAG v. 3.12.2008 – 5 AZR 62/08, AP BGB § 307 Nr. 42; BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 36/09, AP BGB § 307 Nr. 45 = NZA 2011, 64; BAG v. 25.8. 2010 – 10 AZR 275/09, AP GewO § 106 Nr. 11 = NZA 2010, 1355; BAG v. 19.1.2011 – 10 AZR 738/09, AP BGB § 307 Nr. 50 = NZA 2011, 631; BAG v. 13.6.2012 – 10 AZR 296/11, AP GewO § 106 Nr. 15 = NZA 2012, 1154; BAG v. 26.9.2012 – 10 AZR 311/11, AP GewO § 106 Nr. 21 = NZA-RR 2013, 403; BAG v. 28.8.2013 – 10 AZR 569/12, AP GewO § 106 Nr. 26 = NZA-RR 2014, 181; BAG v. 30.11.2016 – 10 AZR 11/16, AP GewO § 106 Nr. 32 = NZA 2017, 1394; BAG v. 18.10.2017 – 10 AZR 330/16, AP GewO § 106 Nr. 38 = NZA 2017, 1452; Kort in FS Birk (2008), S. 459 (466); Preis/Genenger, NZA 2008, 969 (976). 4 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, AP BGB § 308 Nr. 1 = NZA 2005, 465; BAG v. 11.10. 2006 – 5 AZR 721/05, AP BGB § 308 Nr. 6 = NZA 2007, 87; BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, AP BGB § 308 Nr. 9 = NZA 2011, 796; BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 24 = NZA 2012, 616; BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 772/14, AP
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22 In beiden Gestaltungen ist auf das Zusammenspiel von Angemessenheitskon-
trolle und Ausübungskontrolle zu achten. So darf auf der einen Seite die Angemessenheit einer Klausel nicht damit begründet werden, dass durch die spätere Kontrolle der Ausübung des Bestimmungsrechts ein angemessenes Ergebnis gewährleistet wird.1 Dies führt freilich zur Folgefrage, welche Umstände bereits bei der Inhaltskontrolle und welche Umstände erst bei der Ausübungskontrolle in Rechnung zu stellen sind. Virulent wird dies bei Versetzungsklauseln, bei denen das BAG die Kriterien der Angemessenheit der Entfernung und der Ankündigungsfrist nicht schon zwingend bei der Inhaltskontrolle berücksichtigen will, sondern sie der Ausübungskontrolle zuordnet.2 Dies korrespondiert mit der Frage einer Auslauffrist für den Widerruf von Entgeltbestandteilen, die vom BAG der Ausübungskontrolle zugeschlagen wird,3 während im Schrifttum zumindest erwogen wird, eine Auslauffrist schon als ein für die Angemessenheit eines Widerrufsrechts erforderliches Element anzusehen.4 Auf der anderen Seite können die bereits bei der Inhaltskontrolle zu berücksichtigenden Umstände nicht erneut herangezogen werden, um die spätere Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts trotz Wirksamkeit der Klausel zu Fall zu bringen.5 So darf man – um im Beispiel zu bleiben – die Einhaltung einer bereits in einer Widerrufsklausel vorgesehenen und im Rahmen der Inhaltskontrolle als angemessen qualifizierten Auslauffrist nicht bei der Ausübungskontrolle als unbillig brandmarken und korrigieren. Sofern sich der Arbeitgeber nicht nur ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vorbehalten hat, sondern die AGB darüber hinaus den Maßstab für die spätere Kontrolle der Ausübung des Bestimmungsrechts zu seinen Gunsten verschieben, also etwa das durch § 315 BGB grundsätzlich vorgesehene billige Ermessen durch freies Ermessen oder gar durch freies Belieben ersetzen,6 ist auch diese vorformulierte Abrede einer AGB-Kontrolle zu unterziehen. Insoweit handelt es sich nämlich um eine Vorfrage der später vorzunehmenden Kontrolle der Ausübung des Bestimmungsrechts. Da eine Abweichung
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BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 151 = NZA 2017, 931; BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 774/14, AP BGB § 308 Nr. 10 = NZA 2017, 777. Deinert in DBD, § 307 Rz. 44; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (86); in diese Richtung aber Kort in FS Birk (2008), S. 459 (475), wenn er die von einer Versetzungsklausel nicht ausgeschlossene Möglichkeit der Zuweisung einer geringwertigeren Tätigkeit aus der Inhaltskontrolle ausklammern und in den Bereich der Ausübungskontrolle schieben will. BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 36/09, AP BGB § 307 Nr. 45 = NZA 2010, 64 Rz. 32. BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – AP BGB § 308 Nr. 1 = NZA 2005, 465 (unter B I 4 c cc); BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616 (Rz. 18); BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 772/14, AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 151 = NZA 2017, 931 (Rz. 22); BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 774/14, AP BGB § 308 Nr. 10 = NZA 2017, 777 (Rz. 27). Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (86). Zu undifferenziert daher Kort in FS Birk (2008), S. 459 (469): beiderseitige Interessen wie bei der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle „erneut“ gegeneinander abzuwägen. Vgl. BAG v. 13.5.1987 – 5 AZR 125/86, AP BGB § 305 Billigkeitskontrolle Nr. 4 = NZA 1988, 95.
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vom Beurteilungsmaßstab des billigen Ermessens durch AGB anerkanntermaßen unzulässig ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB), bleibt es in einem solchen Fall beim gesetzlichen Maßstab.1
7. Kontrolle von Vertragsstrafen, § 343 BGB § 343 BGB regelt die Möglichkeit der Herabsetzung einer unverhältnismäßig ho- 23 hen Vertragsstrafe. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt voraus, dass die Vertragsstrafe dem Grunde nach verwirkt worden ist, was wiederum ein wirksames Vertragsstrafenversprechen erfordert.2 Sofern eine Konventionalstrafe durch AGB geregelt ist, bedarf es daher zunächst einer AGB-Kontrolle der Vertragsstrafenvereinbarung. Dabei kann sich die Unwirksamkeit einer Vertragsstrafenabrede nach ständiger Rechtsprechung auch aus der Höhe der angedrohten Strafe ergeben.3 Eine solche zur Unwirksamkeit führende „Übersicherung“ kann nicht unter Berufung auf die ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit der Absenkung der konkret verwirkten Vertragsstrafe verneint werden.4 § 343 BGB hat nicht die Funktion, bei der Inhaltskontrolle von Vertragsstrafen insoweit eine geltungserhaltende Reduktion zu ermöglichen.5 Zwar ist es theoretisch denkbar, dass eine Vertragsstrafenvereinbarung als generell noch wirksam anzusehen ist und die verwirkte Konventionalstrafe nur aufgrund der Besonderheiten des Ein1 Würdinger in MünchKommBGB, § 315 Rz. 33; Hager in Erman, § 315 Rz. 21; Rieble in Staudinger, § 315 Rz. 267. 2 Vgl. BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, AP BGB § 309 Nr. 3 = NZA 2004, 727 (unter B III 2 c); BAG v. 25.9.2008 – 8 AZR 717/07, AP BGB § 307 Nr. 39 = NZA 2009, 370 (Rz. 75); BAG v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08, AP BGB § 309 Nr. 4 = NZA-RR 2009, 519 (Rz. 65); Deinert in DBD, § 307 Rz. 44a; Leder/Morgenroth, NZA 2002, 952 (956); Müller-Glöge in ErfK, §§ 339–345 Rz. 30. 3 Vgl. BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, AP BGB § 309 Nr. 3 = NZA 2004, 727; BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, AP BGB § 336 Nr. 1 = NZA 2006, 34; BAG v. 25.9.2008 – 8 AZR 717/07, AP BGB § 307 Nr. 39 = NZA 2009, 370; BAG v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08, AP BGB § 309 Nr. 4 = NZA-RR 2009, 519; BAG v. 19.8.2010 – 8 AZR 645/09, AP BGB § 307 Nr. 49 = NZA-RR 2011, 280; BAG v. 23.9.2010 – 8 AZR 897/08, AP BGB § 307 Nr. 48 = NZA 2011, 89; BAG v. 17.3.2016 – 8 AZR 665/14, AP BGB § 309 Nr. 6 = NZA 2016, 945; BAG v. 24.8.2017 – 8 AZR 378/16, AP BGB § 309 Nr. 7 = NZA 2018, 100; dazu auch Krause in FS Reuter (2010), S. 627 (638 ff.). 4 In diesem Sinne LAG Niedersachsen v. 23.1.2004 – 16 Sa 1400/03, NZA-RR 2005, 65; LAG Hamm v. 7.5.2004 – 7 Sa 85/05, NZA-RR 2005, 128. 5 BGH v. 18.11.1982 – VII ZR 305/81, BGHZ 85, 305 (314 f.) = NJW 1983, 385 (387 f.); Lingemann, NZA 2002, 181 (191); Kamanabrou, ZFA 2018, 92 (104 f.); Schaub in Erman, § 343 Rz. 1a; im Erg. auch BGH v. 23.1.2003 – VII ZR 210/01, BGHZ 153, 312 (324 f.) = NJW 2003, 1805 (1808); ebenso zu Art. 6 Abs. 1 RL 93/13/EWG EuGH v. 30.5.2013 – C-488/11, NJW 2013, 2579 (Rz. 54 ff.); a.A. von Hoyningen-Huene, SAE 2005, 155 (156 f.); ebenso für die nicht von § 309 Nr. 6 BGB erfassten Fälle LAG Hamm v. 14.4.2003 – 7 Sa 1881/02, NZA-RR 2003, 513.
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zelfalls als unverhältnismäßig hoch erscheint.1 Aufgrund der strengen Anforderungen, die das BAG an die Vermeidung einer „Übersicherung“ stellt, ist es indes noch in keinem vom BAG auf der Grundlage des AGB-Rechts entschiedenen Fall einer vorformulierten Vertragsstrafe dazu gekommen, dass die Klausel die Wirksamkeitskontrolle passiert hat und erst durch Anwendung von § 343 BGB die verwirkte Vertragsstrafe herabgesetzt worden ist.2
8. Kontrolle von Wettbewerbsverboten, § 74a HGB 24 Die §§ 74 ff. HGB enthalten Sondervorschriften für die Wirksamkeit von
Wettbewerbsverboten. Hervorzuheben ist vor allem § 74a Abs. 1 Satz 1 HGB, der einen speziellen Fall der Inhaltskontrolle regelt. Danach ist ein Wettbewerbsverbot unverbindlich, soweit es nicht dem Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers dient. Entsprechendes gilt für die unbillige Erschwerung des Fortkommens des Arbeitnehmers (§ 74a Abs. 1 Satz 2 HGB) sowie die Laufzeit von zwei Jahren seit Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§ 74a Abs. 1 Satz 3 HGB) als weitere Grenzen von Wettbewerbsverboten. Diese Vorschriften schließen einen Rückgriff auf die allgemeine Angemessenheitskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB aus.3 Darüber hinaus sieht § 74a Abs. 1 HGB bei einem Überschreiten dieser Grenzen eine geltungserhaltende Reduktion vor.4 Auch insoweit handelt es sich um eine Sonderregelung, die dem im allgemeinen AGB-Recht bestehenden Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (dazu § 306 Rz. 69 ff.) vorgeht.5 Dies lässt sich mit der Dynamik von Konkurrenzverboten rechtfertigen. Da es für das Vorhandensein eines berechtigten geschäftlichen Interesses nämlich auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Ausscheidens des Arbeitnehmers ankommt,6 ist es dem Arbeitgeber angesichts der Veränderungen, zu denen es im Laufe des Arbeitsverhältnisses kommen kann, vielfach kaum möglich, das Verbot von vornherein so abzufassen, 1 So insbesondere Wensing/Niemann, NJW 2007, 401 (402 ff.); ferner etwa Haas/Fuhlrott, NZA-RR 2010, 1 (6); Reichenbach, NZA 2003, 309 (313); Stoffels in WLP, ArbR, Rz. 210. 2 Anwendung von § 343 BGB ohne abschließende Kontrolle der Wirksamkeit der Vertragsstrafenklausel aber durch LAG Düsseldorf v. 8.1.2003 – 12 Sa 1301/02, NZA 2003, 382. 3 Diller, NZA 2005, 250 (251) (keine Abweichung i.S.v. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB); Weber in Staub, 2008, § 74a HGB Rz. 4; in diese Richtung auch v. Hoyningen-Huene in MünchKommHGB, § 74a Rz. 33; a.A. Koch, RdA 2006, 28 (30 ff.). 4 BAG v. 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, AP HGB § 74a Nr. 6 = NZA 2010, 1175; Oetker in ErfK, § 74a HGB Rz. 5. 5 LAG Hamm v. 14.4.2003 – 7 Sa 1881/02, NZA-RR 2003, 513; LAG Rheinland-Pfalz v. 3.8. 2012 – 9 SaGa 6/12, NZA-RR 2013, 15; Oetker in ErfK, § 74a HGB Rz. 5; Stoffels in WLP, ArbR, Rz. 213; Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rz. 458; Thüsing/Leder, BB 2004, 42 (47). 6 Vgl. BAG v. 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, AP HGB § 74a Nr. 6 = NZA 2010, 1175 (Rz. 16).
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dass es einerseits alle schutzwürdigen Situation erfasst, ohne andererseits über das Ziel hinauszuschießen.1 Dieser besonderen Interessenlage lässt sich nur durch eine Anwendung von § 74a Abs 1 HGB angemessen Rechnung tragen. Dagegen ist das AGB-Recht anwendbar, soweit es im Zusammenhang mit Wettbewerbsverboten um Rechtsfragen geht, die von den §§ 74 ff. HGB nicht thematisiert werden. Dies gilt etwa für die Ausklammerung überraschender Klauseln i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB2 und für die Unklarheitenregel i.S.v. § 305c Abs. 2 BGB,3 aber auch für die Transparenzkontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.4
9. Auslegung Von der Inhaltskontrolle ebenfalls klar zu unterscheiden ist die Auslegung der 25 Vertragsbedingungen. Während die Inhaltskontrolle auf die Feststellung des von der Rechtsordnung Gesollten abzielt, geht es bei der Auslegung um das von den Parteien Gewollte.5 Dementsprechend setzt die Inhaltskontrolle erst dann ein, wenn durch Auslegung ermittelt worden ist, welchen Inhalt eine konkrete Vertragsklausel hat.6 Um die Auslegung als gedanklich ersten Schritt von der nachfolgenden Inhaltskontrolle eindeutig abzuschichten, muss zweierlei vermieden werden:7 Auf der einen Seite dürfen vorformulierte Klauseln nicht von vornherein AGB-rechtskonform interpretiert werden, also in einer Weise, die den Anforderungen der Inhaltskontrolle gerade noch standhält. Hierdurch würde das auf der Rechtsfolgenseite aus Gründen der Prävention und der Transparenz entwickelte Verbot der geltungserhaltenden Reduktion (dazu § 306 Rz. 69 ff.) unterlaufen werden.8 Die von der Rechtsprechung früher zuweilen vorgenommene „verdeckte“ Inhaltskontrolle durch einschränkende Auslegung etwa von Widerrufsvorbehalten9 lässt sich damit nicht mehr halten. Auf der anderen Seite dürfen der Inhaltskontrolle aber auch nicht völlig fern liegende Interpretationsmöglichkeiten einer Vertragsbedingung zugrundegelegt werden, 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Kamanabrou, ZFA 2018, 92 (104 f.). BAG v. 13.7.2005 – 10 AZR 532/04, AP HGB § 74 Nr. 78 (unter II 1 b). Vgl. BAG v. 22.3.2017 – 10 AZR 448/15, AP HGB § 74 Nr. 88 = NZA 2017, 845 (Rz. 28). v. Hoyningen-Huene in MünchKommHGB, § 74a Rz. 33. Coester in Staudinger, § 307 Rz. 27; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht (1992), S. 21 ff. BGH v. 23.6.1993 – IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83 = NJW 1993, 2369; Fuchs in UBH, Vorb. v. § 307 Rz. 13; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (61). Zum Folgenden auch Coester in Staudinger, § 307 Rz. 28. BGH v. 25.3.1987 – VIII ZR 81/86, NJW 1987, 2506; BGH v. 22.6.1988 – VIII ZR 232/87, NJW 1988, 2664; Deinert in DBD, § 307 Rz. 45; Fuchs in UBH, Vorb. v. § 307 Rz. 13; Roloff in Erman, Vor §§ 307–309 Rz. 9. BAG v. 6.6.1967 – 3 AZR 352/66 – AP BGB § 611 Lohnzuschläge Nr. 5; BAG v. 7.1.1971 – 5 AZR 92/70, AP BGB § 315 Nr. 12; ähnl. BAG v. 30.8.1972 – 5 AZR 140/72, AP BGB § 611 Lohnzuschläge Nr. 6.
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um die Klausel auf diese Weise zu Fall zu bringen.1 Dementsprechend sind global formulierte Ausschlussfristen regelmäßig nicht dahin auszulegen, dass sie sich auch auf die selten vorkommenden Fälle einer vorsätzlichen Schädigung seitens des Verwenders (vgl. § 202 Abs 1 BGB) sowie von Ansprüchen der in § 309 Nr. 7 BGB genannten Art beziehen, wodurch ihre unter Umständen vollständige Unwirksamkeit vermieden wird (näher dazu § 309 Rz. 105 ff.; siehe aber auch Einführung Rz. 22).2 26 Bei der „arbeitnehmerfeindlichsten“ Auslegung als Grundlage der Kontrolle ei-
ner umstrittenen Klausel3 sollte man sich deshalb am Schutzzweck der AGBKontrolle orientieren. Sieht man diesen Zweck zumindest auch in der Kompensation einer Informationsasymmetrie, zu der es durch die einseitige Ausübung von Vertragsgestaltungsmacht durch den Arbeitgeber als Verwender von AGB kommt (dazu Einführung Rz. 33), ist somit darauf abzustellen, unter welchen Voraussetzungen von einem Informationsvorsprung des Arbeitgebers gesprochen werden kann. Hierfür sind zwei Umstände maßgeblich: Zum einen muss die durch Auslegung ermittelte hypothetische Gestaltung, deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung den Ausschlag für die Angemessenheit und damit die Wirksamkeit der Regelung geben kann, mit einiger Wahrscheinlichkeit zwar nicht unbedingt im konkreten Arbeitsverhältnis, wohl aber in den von den AGB erfassten Arbeitsverhältnissen auftreten. Zum anderen muss die fragliche Interpretationsvariante noch von den Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Arbeitnehmers, der sich die Klausel im Zusammenhang mit der Durchführung seines Arbeitsverhältnisses vor Augen hält, umfasst sein. Sofern beide Voraussetzungen vorliegen, spricht nämlich eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass die fragliche Interpretationsvariante dem Arbeitgeber als Verwender der Klausel auch tatsächlich zugutekommt. Das rechtfertigt es, diese Variante der Inhaltskontrolle zugrundezulegen, selbst wenn erst ihre Berücksichtigung das Pendel zugunsten einer Unwirksamkeit ausschlagen lässt.
II. Kontrolle von Individualverträgen und Individualvereinbarungen 27 Echte Individualverträge und Individualvereinbarungen unterliegen keiner
AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle. Dies betrifft im vorliegenden Zusammen-
1 BGH v. 10.5.1994 – XII 65/93, NJW 1994, 1798, 1799; Reinecke, JbArbR 43 (2006), 23 (27). 2 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, AP BGB § 310 Nr. 1 = NZA 2005, 1111 (unter III u. IV 6); BAG v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, AP BGB § 307 Nr. 7 = NZA 2006, 149 (unter II 4); BAG v. 20.6.2013 – 8 AZR 280/12, AP BGB § 305 Nr. 14 = NZA 2013, 1265 (Rz. 19 ff.); BAG v. 28.9.2017 – 8 AZR 67/15, AP BGB § 611 Arbeitgeberdarlehen Nr. 6 = NZA 2018, 589 (Rz. 64 ff.). 3 BAG v. 18.3.2008 – 9 AZR 186/07, AP BGB § 310 Nr. 12 = NZA 2008, 1004 Rz. 24; Reinecke, JbArbR 43 (2006), 23 (27 f.).
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II. Individualverträge und Individualvereinbarungen | Vor § 307
hang alle arbeitsvertraglichen Abreden, die entweder (Fall 1) vom Arbeitgeber überhaupt nicht vorformuliert sind (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder (Fall 2) nur für höchstens zwei Arbeitsverträge vorformuliert sind und bei denen es trotz der Vorformulierung nicht an einer Einflussnahmemöglichkeit des Arbeitnehmers auf ihren Inhalt fehlt (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB)1 oder (Fall 3) nicht vom Arbeitgeber gestellt worden sind (§ 305 Abs. 1 Satz 1, § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB) oder (Fall 4) trotz Erfüllung der allgemeinen AGB-rechtlichen Voraussetzungen im Einzelnen ausgehandelt wurden (§ 305 Abs. 1 Satz 3 BGB).2 Die §§ 307 ff. BGB sind auf solche echten Individualverträge und Individualvereinbarungen3 weder unmittelbar noch analog anwendbar,4 wobei es in allen Gestaltungen nur auf die jeweilige Klausel, nicht aber auf den Charakter des gesamten Arbeitsvertrags ankommt. Demgegenüber hatte die ältere Rechtsprechung des BAG bei der von ihr praktizierten Angemessenheitskontrolle häufig nicht danach differenziert, ob es sich um vorformulierte Arbeitsverträge im Sinne des AGB-Rechts oder um sonstige arbeitsvertragliche Vereinbarungen handelte.5 Die durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz bewirkte Ausdehnung der AGB-Kontrolle (nur) auf Standardarbeitsverträge einschließlich vorformulierter Einzelverträge i.S.v. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB wirft daher die Frage auf, ob bei sämtlichen Arbeitsverträgen an einer unterschiedslosen Inhaltskontrolle festgehalten werden kann, ob also mit anderen Worten auch die nicht vom AGB-Recht erfassten Individualklauseln einer wirkungsgleichen Kontrolle unterzogen werden können. Teile des Schrifttums plädieren dafür, auch bei echten Einzelvereinbarungen eine 28 Angemessenheitskontrolle vorzunehmen, die zwar nicht auf die §§ 307 ff. BGB, aber offenbar mit gleicher Intensität auf § 242 BGB gestützt werden soll. Zur Begründung beruft man sich regelmäßig auf das fehlende Verhandlungsgleichgewicht der Arbeitsvertragsparteien.6 Dabei geht diese Sichtweise teilweise mit der Auffassung einher, dass die eigentliche Legitimation für eine Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen ohnehin nicht in deren Vorformulierung durch den Arbeitgeber 1 Verneint man entgegen der h.M. die Verbrauchereigenschaft des Arbeitnehmers (zu dieser Problematik § 310 Rz. 14 ff.), liegt die zweite Fallgruppe schon dann vor, wenn die Klausel nicht für eine Vielzahl von Arbeitsverträgen (also für mindestens drei Verträge) vorformuliert worden ist. 2 Zur Deutung von § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB als Einschränkung der AGB-Definition BGH v. 15.12.1976 – IV ZR 197/75, NJW 1977, 624 (625); Roloff in Erman, § 305 Rz. 17; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 147; Ulmer/Habersack in UBH, § 305 Rz. 40 ff. 3 Zur uneinheitlichen Terminologie vgl. Miethaner, AGB-Kontrolle versus Individualvereinbarung, 2010, S. 4 f. 4 Thüsing, AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht, 2007, Rz. 43. 5 Umfassende Nachweise in Einf. Rz. 14. 6 Deinert in DBD, § 307 Rz. 46a; Hromadka, NJW 2002, 2523 (2525); Konzen in FS Hadding (2004), S. 145 (158, 165 f.); Maschmann, RdA 2005, 213 (217); so zum früheren Recht bereits Dieterich, RdA 1995, 129 (135); Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht (1992), S. 199 ff.; Fastrich, RdA 1997, 65 (77 f.); M. Wolf, RdA 1988, 270 (272).
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zu sehen ist, sondern in gesteigerten arbeitsrechtlichen Treubindungen1 bzw. darin, dass der Arbeitnehmer bei der Vereinbarung von Arbeitsvertragsbedingungen nicht in umfassender Freiheit handelt und von seinem Einverständnis daher nicht automatisch auf eine Angemessenheit des Vertragsinhalts geschlossen werden könne.2 Das BAG hat sich nach einem anfänglichen Schwanken3 demgegenüber klar für eine Zweiteilung des Prüfungsmaßstabs ausgesprochen. Danach sollen die §§ 305 ff. BGB eine abschließende Konkretisierung der auf Treu und Glauben zurückzuführenden allgemeinen Angemessenheitskontrolle darstellen. Wenn der Vertrag nicht durch den Einsatz vorformulierter AGB zustande kommt, sondern dadurch, dass die Vertragsparteien die Konditionen im Einzelnen aushandeln, dann könne grundsätzlich von einer angemessenen Interessenwahrung durch die Parteien selbst ausgegangen werden. Dementsprechend seien die Parteien regelmäßig bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit frei, ihre Regelungen selbst zu bestimmen.4 Auch bei einzelvertraglichen Vereinbarungen soll es aber im Falle einer strukturellen Störung der Vertragsparität zu einer im Vergleich zu § 138 Abs. 1 BGB verschärften inhaltlichen Kontrolle kommen. Das BAG übernimmt insoweit die vom BVerfG insbesondere in der Bürgschafts-Entscheidung5 herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Vorgaben, die unter bestimmten Voraussetzungen eine Pflicht der Gerichte zur Inhaltskontrolle von Verträgen vorsehen. Das überwiegende Schrifttum hat sich dieser Sichtweise angeschlossen.6 29 Dabei muss allerdings sorgfältiger zwischen den Voraussetzungen der Inhalts-
kontrolle von ausgehandelten Arbeitsvertragsbedingungen auf der eine Seite und den Maßstäben dieser Kontrolle auf der anderen Seite unterschieden werden. Nimmt man das BAG beim Wort, so soll es zu einer grundrechtlich gebotenen Inhaltskontrolle in diesen Fällen auf den ersten Blick offenbar nur dann kommen, wenn sowohl eine strukturell ungleiche Verhandlungsstärke7 vorgele1 Zöllner, RdA 1989, 152 (158) (aber mit deutlicher Kritik gegenüber einer zu weit reichenden Inhaltskontrolle). 2 Zöllner, ZfA 2010, 637 (644) (allerdings wiederum krit. gegenüber einer zu weit reichenden Inhaltskontrolle). 3 BAG v. 2.3.2004 – 1 AZR 271/03, AP TVG § 3 Nr. 31 = NZA 2004, 853 (unter VI 2). 4 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, AP BGB § 310 Nr. 1 = NZA 2005, 1111. 5 BVerfG v. 19.10.1993 – 1 BvR 567, 1044/89, BVerfGE 89, 214 (231 ff.); ebenso BVerfG v. 2.5.1996 – 1 BvR 696/96, NJW 1996, 2021; ähnlich BVerfG v. 6.2.2001 – 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89 (100 f.). 6 Annuß, BB 2006, 1333 (1335); Bayreuther, NZA 2005, 1337 (1338); Benecke in MünchArbR, § 37 Rz. 24; Junker in FS Buchner (2009), S. 369 (372 f.); Löwisch in FS Canaris, Bd. I (2007), S. 1403 (1405); Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 24; Rolfs, RdA 2006, 349 (351 ff.); Roloff in HWK, § 305 BGB Rz. 7; Stoffels in WLP, ArbR, Rz. 43; Thüsing, AGB-Recht im Arbeitsrecht, 2007, Rz. 44 f.; Thüsing/Leder, BB 2005, 938 (941); so bereits Hanau, NJW 2002, 1240 (1242); tendenziell auch I. Schmidt, NZA 2004, 1002 (1007); undeutlich Richardi, NZA 2002, 1057 (1060). 7 Das BAG spricht zwar von Vertragsparität. Gemeint ist insoweit aber offenbar nicht das Verhandlungsergebnis, sondern die Verhandlungssituation.
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II. Individualverträge und Individualvereinbarungen | Vor § 307
gen hat als auch der Inhalt des Vertrags eine Seite ungewöhnlich stark belastet, so dass der Vertrag offensichtlich keinen geeigneten Interessenausgleich mehr darstellt. In diesem Sinne hatte sich auch das BVerfG in seiner Bürgschaftsentscheidung eingelassen (siehe Rz. 28 Fn. 5). Tatsächlich werden hierdurch der Eingriffsgrund und der Kontrollmaßstab miteinander vermengt. Legitimer Grund einer richterlichen Intervention, die sich nicht auf die Feststellung der durch das zwingende Recht vorgegebenen Grenzen beschränkt, sondern darüber hinaus geht, kann nur die Einschränkung der Selbstbestimmung des einen Teils sein, die aus dem Vertrag bis zu einem gewissen Grade eine Form der Fremdbestimmung durch den anderen Teil macht. Dagegen kann eine ungewöhnlich starke Belastung eines Vertragsteils für sich genommen keine Inhaltskontrolle rechtfertigen, wenn sie in völliger Freiheit übernommen worden ist. Vielmehr kann eine solche Belastung nur ein Indiz dafür sein, dass bei Vertragsschluss eine strukturelle Unterlegenheit bestanden hat. Soweit es nun um den Eingriffsgrund geht, ist zunächst nach wie vor daran fest- 30 zuhalten, dass sich der Arbeitnehmer beim Aushandeln der Arbeitsbedingungen regelmäßig in einer Situation struktureller Unterlegenheit befindet, weil er typischerweise in einem stärkeren Maße auf die Begründung des Arbeitsverhältnisses angewiesen ist als der Arbeitgeber.1 Vergleichbares gilt bei einer Änderung des Arbeitsvertrags während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses, weil der Arbeitnehmer auch bei einem vorhandenen Bestandsschutz im Allgemeinen geneigt sein wird, das eigene Arbeitsverhältnis nicht zu belasten.2 Diese Typisierung der rechtstatsächlichen Situation schließt Abweichungen in Einzelfällen nicht aus, für die der Arbeitgeber dann aber als nachweispflichtig anzusehen ist. Dagegen kann es nicht überzeugen, wenn es das BAG in einer älteren Entscheidung für eine Inhaltskontrolle ausreichen ließ, dass eine gestörte Vertragsparität aufgrund struktureller Unterlegenheit des Arbeitnehmers (nur) „nahe liege“.3 1 Zur regelmäßig vorliegenden strukturellen Unterlegenheit des Arbeitnehmers beim Abschluss von Arbeitsverträgen siehe nur BVerfG v. 26.6.1991 – 1 BvR 779/85, BVerfGE 84, 212 (229); BVerfG v. 28.1.1992 – 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83 u. 10/91, BVerfGE 85, 191 (213); BVerfG v. 4.7.1995 – 1 BvF 2/86 u.a., BVerfGE 92, 365 (395); BVerfG v. 1.12.2010 – 1 BvR 2593/09, NZA 2011, 60 (Rz. 23); BVerfG v. 11.7.2017 – 1 BvR 1571/15 u.a., BVerfGE 146, 71 (Rz. 146); BVerfG v. 14.11.2018 – 1 BvR 1278/16, NZA 2019, 112 (Rz. 7); ferner BAG v. 16.3.1994 – 5 AZR 339/92, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 18 = NZA 1994, 937; zurückhaltend aber Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, S. 286 ff.; dazu auch Einf. Rz. 14 mit Fn. 2, S. 9; grds. gegen eine Verknüpfung von Ungleichgewichtslage und mangelnder Selbstbestimmung beim Abschluss von Schuldverträgen Zöllner, AcP 196 (1996), 1 (24 ff.). 2 BVerfG v. 23.11.2006 – 1 BvR 1909/06, AP BGB § 307 Nr. 22 = NZA 2007, 85; BAG v. 25.4. 2007 – 5 AZR 627/06, AP BGB § 308 Nr. 7 = NZA 2007, 853 (Rz. 22); Deinert in DBD, § 307 Rz. 33; in diese Richtung auch Maschmann, RdA 2005, 213 (217); tendenziell anders aber BAG v. 15.9.2009 – 8 AZR 896/07, AP BGB § 306 Nr. 6 = NZA 2009, 1337 (Rz. 49). 3 BAG v. 21.11.2001 – 5 AZR 158/00, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 31.
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31 Das grundsätzliche Vorliegen einer strukturellen Unterlegenheit des einzelnen
Arbeitnehmers legitimiert nun zwar eine über das zwingende Recht hinausgehende Wirksamkeitskontrolle, die man formal auf § 242 BGB1 oder doch auf das allgemeine Rechtsprinzip von Treu und Glauben2 stützen kann. Dies bedeutet aber nicht, dass auch bei echten Einzelvereinbarungen eine in ihrer Intensität den Maßstäben des AGB-Rechts gleichkommende Inhaltskontrolle vorzunehmen ist. Stattdessen ist die Entscheidung des Gesetzgebers ernst zu nehmen, eine allgemeine Angemessenheitskontrolle an das Vorhandensein einer vom Arbeitgeber vorformulierten Vereinbarung zu binden. Daher ist für die Inhaltskontrolle bei Einzelabreden ein gröberer Prüfungsmaßstab anzulegen und nur danach zu fragen, ob der Vertrag bzw. die konkrete Klausel als Instrument zum Ausgleich der beiderseitigen Interessen offensichtlich ungeeignet ist. Dementsprechend führt nur eine ungewöhnliche Belastung zur Unwirksamkeit der betreffenden vertraglichen Regelung, während eine lediglich „einfache“ Unangemessenheit nicht dem Unwirksamkeitsverdikt unterfällt.3 Damit steht den Parteien einer echten Individualabrede ein „Mehr an Vertragsfreiheit“ zu.4 Diese Abstufung der Kontrollmaßstäbe wird an der Grundsatzentscheidung des BAG zu zweistufigen Ausschlussfristen deutlich: Danach ist eine Frist von vier Wochen für die zweite Stufe der Ausschlussklausel bei Anwendung der Maßstäbe des AGB-Rechts unangemessen kurz, während dieselbe Frist aufgrund des bei der Kontrolle von ausgehandelten Einzelvereinbarungen anzulegenden Maßstabs noch keine ungewöhnliche Belastung darstellt.5
32 Dieser zweigeteilten Konzeption der herrschenden Meinung scheint entgegen-
zustehen, dass der Schuldrechtsreformgesetzgeber die Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen verschärfen, nicht aber absenken wollte.6 Allerdings kommt man nicht daran vorbei, dass der Gesetzgeber eine ausdrückliche Legitimation zur Inhaltskontrolle nur für AGB vorgesehen hat, nicht aber für sämtliche Arbeitsverträge. Zudem heisst es in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich, dass das Schutzniveau der Vertragsinhaltskontrolle im Arbeitsrecht nicht hinter demjenigen des Zivilrechts zurückbleiben solle.7 Von einem höheren Schutzniveau im Arbeitsrecht, zu dem es bei einer umfassenden Angemessenheitskontrolle auch von ausgehandelten Einzelvereinbarungen käme, ist nicht die Rede. Weiter zeigt eine exakte Analyse der Entscheidungen des BAG aus der Zeit vor der Schuld1 Vgl. Konzen in FS Hadding (2004), S. 145 (153 f., 165); I. Schmidt, NZA 2004, 1002 (1007); Zöllner, RdA 1989, 152 (158). 2 Vgl. Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1 (16). 3 In diesem Sinne auch Bayreuther, NZA 2005, 1337 (1338); Hoffmann, NZA-RR 2015, 337 (338); Thüsing, RdA 2005, 257 (262). 4 So ausdrücklich I. Schmidt, NZA 2004, 1002 (1007). 5 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, AP BGB § 310 Nr. 1 = NZA 2005, 1111. 6 So die Argumentation von Benecke, AuR 2006, 337 (341); Deinert in DBD, § 307 Rz. 46a. 7 BT-Drucks. 14/6847, S. 54.
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II. Individualverträge und Individualvereinbarungen | Vor § 307
rechtsmodernisierung, dass es schon damals zumeist um vorformulierte Klauseln – im früheren Jargon regelmäßig Einheitsregelungen genannt – ging,1 so dass die Angemessenheitskontrolle echter Individualabreden in der älteren Judikatur nicht ganz so breit abgesichert war, wie dies heute teilweise behauptet wird. Hinzu kommt die Überlegung, dass sich der Arbeitgeber bei der Verwendung von Formulararbeitsverträgen typischerweise gleich aus zwei Gründen in einer überlegenen Position befindet, nämlich einmal kraft situativer Überlegenheit als Folge eines Informationsvorsprungs und einmal kraft struktureller Überlegenheit als Folge eines Machtungleichgewichts. Wenn in solchen Fällen die AGB-rechtliche Angemessenheitskontrolle eingreift, ist es gerechtfertigt, beim eindeutigen Fehlen einer Informationsasymmetrie den Prüfungsmaßstab abzusenken und eine lediglich auf die Korrektur von ungewöhnlichen Belastungen begrenzte Inhaltskontrolle vorzunehmen.2 Die Intensität der Belastungen des Arbeitnehmers muss allerdings nicht stets so 33 groß sein wie etwa bei der mithaftenden Tochter im Bürgschaftsfall (vgl. Rz. 28 mit Fn. 5) und geradezu auf seinen wirtschaftlichen Ruin hinauslaufen.3 Denn das BVerfG hat nur das verfassungsrechtlich gebotene Minimum an Vertragskontrolle definiert, über das die Fachgerichtsbarkeit bei der Konkretisierung rechtlicher Prinzipien aber durchaus hinausgehen darf.4 Auf dieser Linie liegen auch die Entscheidungen des BAG, in denen es sich noch vor der Schuldrechtsreform auf die Judikatur des BVerfG gestützt hatte, ohne dass es stets um vergleichbar große Belastungen des Arbeitnehmers wie im Bürgschaftsfall ging.5 Gleichwohl muss ein deutlicher Abstand zur AGB-rechtlichen Angemessenheitskontrolle gewahrt werden, um die gesetzgeberische Entscheidung einer Beschränkung dieser Kontrolle auf vorformulierte Klauseln nicht zu unterlaufen.6 Jedenfalls können nicht alle nach Maßgabe der §§ 307 ff. BGB unzulässigen Klauseln schlicht als ungewöhnliche Belastungen des Arbeitnehmers deklariert 1 Das Vorliegen einer Einheitsregelung als Aufgreifkriterium für eine Inhaltskontrolle ausdrücklich hervorhebend etwa BAG v. 21.12.1970 – 3 AZR 510/69, AP BGB § 305 Billigkeitskontrolle Nr. 1; BAG v. 22.12.1970 – 3 AZR 52/70, AP BGB § 305 Billigkeitskontrolle Nr. 2; BAG v. 5.2.1986 – 5 AZR 564/84, AP BGB § 339 Nr. 12 = NZA 1986, 782; BAG v. 24.11.1993 – 5 AZR 153/93, AP BGB § 611 Mehrarbeitsvergütung Nr. 11 = NZA 1994, 759. 2 Im Erg. wohl auch Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (81 f.), die zwar von einem Fortbestehen der allgemeinen Inhaltskontrolle bei besonderer Rechtfertigung ausgehen, zugleich aber davon sprechen, dass es sich hierbei um eine Kontrolle „2. Klasse“ handeln soll. 3 Ebenso Wiedemann, JZ 1994, 411 (412 f.). 4 Anders wohl Rolfs, RdA 2006, 349 (351 ff.); Thüsing, RdA 2005, 257 (262). 5 Vgl. BAG v. 16.3.1994 – 5 AZR 339/92, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 18 = NZA 1994, 937; BAG v. 21.11.2001 – 5 AZR 158/00, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 31 = NZA 2002, 551; BAG v. 9.9.2003 – 9 AZR 574/02, AP BGB § 611 Sachbezüge Nr. 15 = NZA 2004, 484. 6 Anders aber Wiedemann, JZ 1994, 411 (413): Niveau des AGB-Rechts.
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werden, um auf diese Weise eine vergleichbare Kontrollintensität bei Individualverträgen und Individualvereinbarungen herbeizuführen. Die grundsätzliche Bedeutung dieser gegenüber den §§ 307 ff. BGB verminderten Kontrolldichte ist bei Arbeitsverträgen angesichts der vergleichsweise niedrigen Anforderungen an das Vorliegen von AGB wie auch umgekehrt der hohen Anforderungen an das Aushandeln i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB freilich gering.1 Vielmehr kommt es in der ganz überwiegenden Anzahl von Fällen zu einer Angemessenheitskontrolle anhand des AGB-rechtlichen Kontrollsystems. Gelingt dem Arbeitgeber dagegen umgekehrt der Nachweis, dass es sich um eine tatsächlich frei ausgehandelte Vereinbarung handelt, also weder eine informationelle noch eine auf die Verhandlungsmacht bezogene Unterlegenheit bestanden habe, weil beispielsweise der Arbeitnehmer ein gesuchter Spezialist ist, der aus mehreren Vertragsangeboten das für ihn günstigste herausgesucht hat, scheidet selbst eine abgeschwächte Inhaltskontrolle aus.2 Vielmehr bleibt es dann bei den allgemeinen Grenzen der Vertragsfreiheit, also bei den §§ 134, 138 BGB sowie beim zwingenden Recht.
III. Schadensersatzpflicht wegen Verwendung unwirksamer AGB-Klauseln 34 In der allgemeinen zivilrechtlichen Rechtsprechung3 und Literatur4 ist anerkannt,
dass sich der Klauselverwender durch den Einsatz unwirksamer AGB-Klauseln gegenüber dem Klauselgegner schadensersatzpflichtig machen kann. Grundlage einer solchen Schadenersatzpflicht ist die schuldhafte Verletzung der Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) durch den Klauselverwender gegenüber dem Klauselgegner. Zumeist wird es sich hierbei um die Verletzung einer vorvertraglichen Rücksichtnahmepflicht handeln, so dass sich die Haftung regelmäßig aus den § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB ergibt. Insoweit handelt es sich letztlich um einen Anwendungsfall des allgemeinen Grundsatzes, dass bei bei einem unwirksamen Vertrag diejenige Partei wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen schadensersatzpflichtig sein kann, die den Grund 1 Junker in FS Buchner (2009), S. 369 (373). 2 Lieb in FS Konzen (2006), S. 501 (504). 3 Grdl. BGH v. 28.5.1984 – III ZR 63/83, NJW 1984, 2816 (2817); ferner etwa BGH v. 8.10. 1987 – VII ZR 358/86, NJW 1988, 197 (198); BGH v. 27.5.2009 – VIII ZR 302/07, BGHZ 181, 188 (192) = NJW 2009, 2590; BGH v. 11.6.2010 – V ZR 85/09, NJW 2010, 2873 (2875). 4 Brandner in FS Oppenhoff (1985), S. 11 (18 ff.); Coester in Staudinger, § 307 Rz. 46; Emmerich in MünchKommBGB, § 311 Rz. 76; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992, S. 69; Fuchs in UBH, Vorb. v. § 307 Rz. 104; Roloff in Erman, Vor §§ 307–309 Rz. 19; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 636; Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 366; einschränkend aber Rummel in FS Canaris, Bd. I (2007), S. 1149 (1158 ff.).
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III. Schadensersatzpflicht | Vor § 307
der Unwirksamkeit zu vertreten hat.1 Denkbar ist aber auch, dass zwar nicht schon die Aufnahme einer unwirksamen Klausel in den Vertrag schuldhaft geschieht, weil die Unwirksamkeit der Vertragsbestimmung bei Anwendung der verkehrserforderlichen Sorgfalt ursprünglich nicht erkennbar war, der Klauselverwender aber zu einem späteren Zeitpunkt gegenüber dem Klauselgegner auf die Einhaltung der Abrede pocht, obwohl dem Verwender die Unwirksamkeit der Regelung mittlerweile erkennbar geworden ist.2 Da es in einem solchen Fall nicht um ein vorvertragliches, sondern um ein vertragliches Verschulden geht, folgt die Haftung dann aus den § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB. Im Arbeitsrecht haben diese zivilrechtlichen Grundsätze in der gerichtlichen 35 Praxis soweit ersichtlich noch keinen Niederschlag gefunden.3 Von Bedeutung sind sie, soweit die schutzwürdigen Interessen des Arbeitnehmers nicht schon durch die schlichte Feststellung der Unwirksamkeit einer vorformulierten Vertragsklausel gewahrt werden, sondern dem Arbeitnehmer durch das Vertrauen auf eine arbeitsvertragliche Klausel, deren Unwirksamkeit sich im Nachhinein herausstellt, ein eigenständiger Vermögensschaden entstanden ist. Dies gilt einmal für Rechtsberatungs- und Prozesskosten, die der Arbeitnehmer zur Bekämpfung der unwirksamen Klausel aufgewendet hat.4 Dies gilt zum anderen aber auch für Vermögenseinbußen, die durch die scheinbare Bindung an eine unwirksame Bestimmung entstanden sind. Insoweit ließe sich etwa an den Fall denken, dass ein Arbeitnehmer einer Versetzung, die ein Arbeitgeber auf der Grundlage einer unwirksamen Versetzungsklausel angeordnet hat, zunächst notgedrungen Folge leistet und ihm hierdurch zusätzliche Fahrtkosten entstehen, deren Erstattung der Arbeitnehmer verlangt, nachdem er von der Unwirksamkeit der Klausel erfahren hat. Ein entsprechender Schadensersatzanspruch setzt allerdings stets voraus, dass der Arbeitgeber die Unwirksamkeit der umstrittenen Klausel kannte oder ihm zumindest fahrlässige Unkenntnis zur Last gelegt werden kann. Ein solches Verschulden ist bei der Verwendung von AGB-Klauseln anzunehmen, die nach gefestigter Rechtsprechung des BAG eindeutig unwirksam sind, während es nicht als Verstoß gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt angesehen werden kann, wenn der Arbeitgeber Klauseln einsetzt, über deren Wirksamkeit man ernstlich geteilter Ansicht sein kann.5 Außerdem muss der Schaden vom Schutzzweck der verletzten Norm erfasst sein, 1 So bereits RG v. 5.4.1922 – I 307/21, RGZ 104, 265 (267 f.) für die schuldhafte Herbeiführung eines versteckten Dissenses; ferner etwa BGH v. 12.11.1986 – VIII ZR 280/85, BGHZ 99, 101 (106 f.) = NJW 1987, 639 (640); Stoffels, AGB-Recht, Rz. 636. 2 Vgl. KG v. 18.5.2009 – 8 U 190/08, NJW 2009, 2688. 3 Befürwortend aber nunmehr auch Greiner, AuR 2016, 92 (93 f.). 4 Vgl. Fuchs in UBH, Vorb. v. § 307 Rz. 104; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 638; Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 366. 5 In diesem Sinne auch Stoffels, AGB-Recht, Rz. 637. Zum Rechtsirrtum jüngst umfassend Damler/Zeyer, AcP 218 (2018), 905 ff.
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Vor § 307 |
also gerade auf denjenigen Umständen beruhen, welche die Unwirksamkeit der Klausel begründen.1 Schließlich kann ein etwaiger Schadensersatzanspruch durch ein Mitverschulden des Arbeitnehmers (§ 254 Abs. 1 BGB) gemindert sein, was dann der Fall ist, wenn auch der Arbeitnehmer Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit der betroffenen Klausel hat und es ihm ausnahmsweise zugemutet werden kann, sich dem Ansinnen des Arbeitgebers auf Einbeziehung bzw. Befolgung der Klausel zu widersetzen.2
1 Vgl. BGH v. 11.6.2010 – V ZR 85/09, NJW 2010, 2873 (2875). 2 Zum Einwand des Mitverschuldens Brandner in FS Oppenhoff (1985), S. 11 (23 f.); Fuchs in UBH, Vorb. v. § 307 Rz. 104; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 639.
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§ 307 Inhaltskontrolle (1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. (2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung 1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder 2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. (3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein. I. Norminhalt . . . . . . . . . . . . . . . II. Bedeutung für das Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auslegung vor Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Auffangtatbestand . . . . . . . . . . V. Schrankenregelung § 307 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Deklaratorische Klauseln . . . . . . a) Normwiederholende Klauseln b) Notwendig: Rechtslagenvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Hauptleistungen . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . b) Hauptleistungen und Nebenleistungen . . . . . . . . . . . . . . c) Besonders: Tarifvertrag als Kontrollmaßstab? . . . . . . . . VI. Unangemessene Benachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Generalklausel des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . a) Benachteiligung . . . . . . . . . . b) Unangemessenheit . . . . . . . .
_ _ __ __ _ __ _ _ _ _ __ _ 1 6
13 14 16 17 18 26 28 28 30 34 36 36 37 41
c) Grundparameter für die Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . aa) Generell-typisierende Betrachtung . . . . . . . . . . bb) Art des Vertrages . . . . . . cc) Grundrechtliches Schutzprogramm . . . . . . . . . . . dd) Partei- und Drittinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Risikoverteilung . . . . . . . ff) Klauselkontrolle und Gesamtvertrag . . . . . . . . 2. Sondertatbestände des § 307 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . b) § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB . . . . . aa) Gesetzliche Regelung . . . bb) Unvereinbares Abweichen von wesentlichen Grundgedanken . . . . . . . (1) Abweichen von wesentlichen Grundgedanken . . (2) Unvereinbarkeit . . . . . . . c) § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . .
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_ __ _ __ _ __ __ _ __ __ 45 45 48 49 50 52 53 56 56 59 60 69 69 71 72 72
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§ 307 | Inhaltskontrolle
3.
4. VII. 1. 2. 3.
4. 5. 6.
7. 8. 9.
bb) Einschränkung wesentlicher Rechte oder Pflichten aus der Natur des Vertrages . . . . . . . . . . . Transparenzgebot . . . . . . . . . . a) Allgemeines und Zweck . . . . b) Tatbestand . . . . . . . . . . . . . aa) Beurteilungsmaßstab . . . bb) Grundsätzliche Ausprägungen des Transparenzgebots . . . . . . . . . . . . . cc) Transparenz – im Bereich des Möglichen . . Darlegungs- und Beweislast . . . Ausgewählte einzelne Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . Abtretungs- und Pfändungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anrechnungsvorbehalt . . . . . . . Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . a) Abrufarbeit . . . . . . . . . . . . . b) Kurzarbeitsklauseln . . . . . . . c) Überstundenregelungen . . . . Aufrechnungsverbot . . . . . . . . Ausschlussfristen . . . . . . . . . . . Beendigungsvereinbarungen . . . a) Aufhebungs- und Abwicklungsverträge . . . . . . . . . . . b) Ausgleichsklausel . . . . . . . . c) Klageverzichtsvereinbarung . d) Rückkehrrecht . . . . . . . . . . e) Kündigungsfristen . . . . . . . . f) Dienstwagenübernahmevereinbarung . . . . . . . . . . . Befristung von Arbeitsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweislastvereinbarungen . . . . Bezugnahmeklauseln . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . b) Kontrolle der Bezugnahmeklausel . . . . . . . . . . . . . . . .
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10. 11. 12. 13. 14. 15. 16.
17. 18. 19. 20. 21. 22.
23. 24. 25. 26. 27. 28.
c) Kontrolle des in Bezug genommenen Regelwerkes . . aa) Tarifvertrag . . . . . . . . . . bb) Betriebs- und Dienstvereinbarung . . . . . . . . . cc) Richtlinien nach § 28 SprAuG . . . . . . . . . . . . dd) Kirchliche Arbeitsbedingungen . . . . . . . . . . . . . Dienstwagen . . . . . . . . . . . . . . Direktionsrechtsklauseln . . . . . . Freistellungsklauseln . . . . . . . . . Freiwilligkeitsvorbehalte . . . . . . Haftungsregelungen (Mankoabreden) . . . . . . . . . . . . . . . . . Nebentätigkeit . . . . . . . . . . . . . Rückzahlungsklauseln . . . . . . . . a) Aus- und Fortbildungskosten b) Umzugskosten . . . . . . . . . . . c) Überbezahltes Entgelt . . . . . . d) Kürzungsklauseln . . . . . . . . . e) Sonstige Rückzahlungsklauseln Salvatorische Klauseln . . . . . . . Schadenspauschalen . . . . . . . . . Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . Schuldanerkenntnis . . . . . . . . . Stichtagsregelung . . . . . . . . . . . Urlaubsklauseln . . . . . . . . . . . . a) BAG: Keine Inhaltskontrolle von Regelungen über Zusatzurlaub . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Trennungsklauseln . . . . . . . . c) Weitere Regelungen . . . . . . . Verschwiegenheits- und Erklärungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . Vertragsstrafen . . . . . . . . . . . . Wettbewerbsverbot . . . . . . . . . Widerrufsvorbehalt . . . . . . . . . Zielvereinbarungen . . . . . . . . . Zustimmungsfiktionen . . . . . . .
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165 165 173 176 177 178 182 190 193 204 206 215 215 227 230 231 232 233 238 239 244 245 251 251 252 253 261 267 278 280 281 282
I. Norminhalt 1 § 307 BGB in seiner heutigen Fassung wurde als Zentralnorm der Kontrolle All-
gemeiner Geschäftsbedingungen im Zuge der Schuldrechtsreform 2001 in das
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I. Norminhalt | § 307
BGB aufgenommen.1 Zuvor fand sich eine, bis auf das nunmehr in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB geregelte Transparenzgebot, inhaltsgleiche Regelung in den §§ 8, 9 AGBG. Damit wurde die Vorschrift (mit Ausnahme des Familien-, Erb- und Gesellschaftsrechts) die Grundlage für die Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen im Zivilrecht.2 § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist Leitnorm des gesamten Rechts der Kontrolle All- 2 gemeiner Geschäftsbedingungen,3 weil die Vorschrift Rechtsfolge und Maßstab für die Inhaltskontrolle setzt: Benachteiligt eine Klausel den Vertragspartner unangemessen, so ist sie unwirksam. Dabei wird im Zusammenspiel mit § 306 Abs. 1 BGB deutlich, dass es bei der Unwirksamkeit der unangemessen benachteiligenden Klausel verbleibt und nicht etwa der Gesamtvertrag nichtig ist. Zentraler Bewertungsmaßstab für die Feststellung der Unangemessenheit ist dabei der Grundsatz von Treu und Glauben, durch den sich der Gesetzgeber auch für einen grundsätzlich (zu § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB siehe Rz. 46 f.) generellen Maßstab für die Inhaltskontrolle entschieden hat.4 Insgesamt sind mit den im Rahmen des Grundsatzes von Treu und Glauben zu berücksichtigenden Interessen des Vertragspartners die Schutzrichtung der AGB-Kontrolle und mit der unangemessenen Benachteiligung auch ihre Eingriffsschwelle genannt.5 Weiter wurde mit § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB das (zuvor richterrechtlich heraus- 3 gebildete)6 Transparenzgebot kodifiziert, wonach eine unangemessene Benachteiligung auch dann vorliegen kann, wenn eine Vertragsklausel nicht klar und verständlich ist (dazu Rz. 77 ff.). § 307 Abs. 2 BGB enthält zwei Sondertatbestände der unangemessenen Benachteiligung: Dabei geben im Falle des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB das Gesetz, im Falle des § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB die wesentlichen Rechte und Pflichten des Vertrages den Bewertungsmaßstab für die Entscheidung über eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners vor (dazu Rz. 56 ff.). § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB wiederum zieht der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1, 4 2 BGB Schranken und ordnet sie nur für die Fälle an, in denen eine Klausel von Rechtsvorschriften abweicht oder aber Rechtsvorschriften ergänzt. Damit nimmt § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sowohl gesetzeswiederholende Klauseln als auch Regelungen über die Hauptleistungen des Vertrages von der Inhaltskontrolle aus (dazu Rz. 16 ff.). Für solche Klauseln wird aber in § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB (lediglich) die Transparenzkontrolle vorgesehen. 1 2 3 4 5 6
Zum Integrationsprozess insgesamt Ulmer/Habersack in UBH, Einl. Rz. 28 ff. Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 5. Coester in Staudinger, § 307 Rz. 1. Fuchs in UBH, § 307 BGB Rz. 1. Coester in Staudinger, § 307 Rz. 8. Etwa BGH v. 24.11.1988 – III ZR 188/87, BGHZ 106, 42, NJW 1989, 222.
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§ 307 | Inhaltskontrolle 5 Zweck der Inhaltskontrolle ist der Ausgleich der vom Klauselverwender einseitig
in Anspruch genommenen Vertragsgestaltungsmacht.1 Der durch die Inhaltskontrolle gegebene Eingriff in das Vertragsergebnis ist nur deshalb gerechtfertigt, weil im Gegensatz zu ausgehandelten Vereinbarungen bei AGB nicht von einer privatautonomen Entscheidung beider Vertragsparteien ausgegangen werden kann. Der Schutz von Verbrauchern ist zwar – insbesondere durch die Regelung des § 310 Abs. 3 BGB – Teilzweck der Inhaltskontrolle, kann diese aber alleine nicht erklären.
II. Bedeutung für das Arbeitsrecht 6 § 307 BGB ist damit seit der Schuldrechtsreform auch Grundlage für die Inhalts-
kontrolle Allgemeiner Arbeitsbedingungen: Deren Inhalts- und Transparenzkontrolle wurde durch Aufgabe der Bereichsausnahme des § 23 Abs. 1 AGBG durch § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB ausdrücklich in die allgemeine zivilrechtliche AGB-Kontrolle integriert. Ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien wurde so ein Gleichlauf der Kontrolle von Allgemeinen Arbeits- und sonstiger vertraglicher Geschäftsbedingungen angestrebt.2 Der Gesetzgeber hat sich so auch gegen einen arbeitsrechtlichen Sonderweg der Inhaltskontrolle entschieden.3 Für die Praxis bedeutet dies, dass – verstärkt durch die Einordnung des Arbeitsvertrages als Verbrauchervertrag – nahezu alle Arbeitsverträge der Inhaltskontrolle anhand der § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, §§ 308, 309 BGB, zumindest aber der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unterfallen, weil kaum ein Arbeitsvertrag individuell ausgehandelt sein dürfte.4 Damit sollte nicht zuletzt – jedenfalls im gesetzlichen Ausgangspunkt – insgesamt Rechtssicherheit geschaffen werden.5 Eine systematische Sonderrolle nimmt der Arbeitsvertrag im Rahmen der Inhaltskontrolle nur deshalb noch ein, weil § 310 Abs. 4 Satz 1, 3 BGB Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen von der Inhaltskontrolle ausnehmen, § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB im Rahmen der Inhaltskontrolle die Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten verlangt (dazu § 310
1 Pfeiffer in WLP, Einl. Rz. 3; Ulmer/Habersack in UBH, Einl. Rz. 48. 2 BT-Drucks. 14/6857, S. 53, wobei hier auch als Grund für die Streichung der alten Bereichsausnahme angeführt wurde, dass die Vertragskontrolle im Arbeitsrecht nicht hinter der im Zivilrecht zurückbleiben solle. Eine tiefere Analyse des scheinbaren Schutzdefizits wird freilich nicht vorgenommen. Zur Einbeziehungsgeschichte Däubler in DBD, Einl. Rz. 5 ff., § 307 Rz. 6. 3 Dazu Krause in Staudinger, 2019, Anh. zu § 310 Rz. 9 ff.; nach Preis, Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993, S. 245, verhinderte ohnehin nur die beabsichtige eigene Kodifikation des Arbeitsvertragsrechts die Aufnahme der Kontrolle Allgemeiner Arbeitsbedingungen in das AGBG: kritisch Benedict, JZ 2012, 172, 175. 4 Benedict, JZ 2012, 172, 177. 5 BT-Drucks. 14/6857, S. 53 f.; BT-Drucks. 14/7052, S. 189.
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II. Bedeutung für das Arbeitsrecht | § 307
Rz. 51 ff.) und schließlich die Verbandsklage nach dem UKlaG für Arbeitsvertragsklauseln verschlossen ist, § 15 UKlaG.1 Dabei geht es auch bei der Kontrolle Allgemeiner Arbeitsbedingungen um den 7 Ausgleich der vom Verwender (praktisch immer ist dies der Arbeitgeber) in Anspruch genommenen einseitigen Vertragsgestaltungsmacht. Einen spezifischen Auftrag, das strukturelle Ungleichgewicht speziell zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber auszugleichen, haben die §§ 307–309 BGB nicht.2 Freilich spielt das Schutzbedürfnis, das sich aus der speziellen Stellung des Arbeitnehmers ergibt, mittelbar auch in der Inhaltskontrolle dort eine Rolle, wo arbeitsrechtliche Schutzregelungen als Leitbild für eben diese Inhaltskontrolle dienen. Vor der Anwendung der Inhaltskontrolle der §§ 307–309 BGB auch auf Ar- 8 beitsverträge hatte sich in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung (wie im allgemeinen Privatrecht vor dem AGBG)3 auf der Grundlage der §§ 138, 242, 315 BGB eine umfassende Inhaltskontrolle einzelvertraglicher Regelungen gebildet.4 Mit §§ 307–309 BGB gibt es nun eine die Kontrolle Allgemeiner Arbeitsbedingungen ausdrücklich legitimierende5 Grundlage.6 Durch den gesetzlichen Gleichlauf zwischen der Inhaltskontrolle von Allgemei- 9 nen Arbeitsbedingungen mit der der anderen Vertragsarten wurde auch der Einfluss des Europäischen Rechts7 auf die arbeitsvertragliche Gestaltung gestärkt, weil die §§ 305 ff. BGB auch der Umsetzung der Verbrauchervertragsrichtlinie 93/13/EWG dienen.8 Dabei ist der Arbeitsvertrag nach herrschender Lesart zwar nach den §§ 13, 14 BGB Verbrauchervertrag, nicht jedoch nach den Vorgaben der Klauselrichtlinie 93/13/EWG.9 Dennoch wird im Rahmen einer überschießenden Umsetzung der Richtlinie auch der Arbeitsvertrag von der richtlinienkonformen Auslegung erfasst.10 Bedeutsam ist dies etwa im Rahmen der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1, 2 BGB, wenn nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB auch die konkreten Umstände der Klauselvereinbarung bei dieser Kontrolle zu berücksichtigen sind (dazu Rz. 46).11 1 Zum Grund Witt in UBH, § 15 UKlaG Rz. 1. 2 In diese Richtung freilich Deinert in DBD, § 307 Rz. 31 ff. 3 Siehe dazu Fuchs in UBH, Vorb. v. § 307 Rz. 15; grundlegend bereits L. Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935. 4 Dazu allgemein Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle im Privatrecht, 1992; von Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, 1979; siehe für die Entwicklung auch Krause in Staudinger, 2019, Anh zu § 310 Rz. 10 ff. 5 Auf diesen Aspekt weist Coester in FS Löwisch (2007), S. 57 (57) hin. 6 Sehr kritisch hierzu insgesamt Zöllner, ZfA 2010, 637 (645). 7 Dazu allgemein Coester in Staudinger, Vorbem zu §§ 307–309 Rz. 7. 8 Dazu Stoffels, AGB-Recht, Rz. 50. 9 Deinert in DBD, § 307 Rz. 7. 10 Deinert in DBD, § 307 Rz. 7. 11 Allgemein Pfeiffer in WLP, § 310 Rz. 4.
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§ 307 | Inhaltskontrolle 10 Die Inhaltskontrolle nach §§ 307–309 BGB ist von der Rechtskontrolle auf Ver-
stoß gegen zwingendes Recht oder Verbotsgesetze, § 134 BGB zu trennen. Die Prüfungen auf Verstoß gegen ein Verbotsgesetz und gegen sonstiges zwingendes Recht gehen der Inhaltskontrolle vor; bejaht man die Nichtigkeit einer Klausel nach § 134 BGB, so ist für die Inhaltskontrolle kein Raum mehr1 – insbesondere ist für die Rechtsfolgen einer nichtigen Vertragsklausel grundsätzlich § 139 BGB heranzuziehen und nicht § 306 BGB.2 Wenn es Bestrebungen gibt, bei Verstößen gegen zwingendes Recht oder gegen Verbotsgesetze auch einen Verstoß gegen § 307 Abs. 1, 2 BGB anzunehmen,3 dann4 ist dies für die arbeitsvertragliche Sicht nicht fruchtbringend: Weil eine solche Automatik letztlich (lediglich) die Folge hat, in solchen Fällen auch das Verbandsklageverfahren zu eröffnen, das für das Arbeitsrecht ohnehin obsolet ist.
10a Das Verhältnis der §§ 307 ff. BGB zu § 138 BGB ist schwieriger, allgemein wird
ein Nebeneinander5 oder ein Vorrang der §§ 307 ff. BGB6 angenommen. Hier freilich zielt dies auf die Rechtsfolge, weil § 138 BGB regelmäßig zur Gesamtnichtigkeit führt. Richtig wird aber gesehen, dass im Arbeitsrecht auch bei Sittenwidrigkeit einzelner arbeitsvertraglicher Regelungen nicht die Gesamtnichtigkeit, sondern lediglich die Teilnichtigkeit der einzelnen sittenwidrigen Regelung die Folge ist – damit ist diese Frage für das Arbeitsrecht letztlich nicht relevant (siehe insgesamt Vor § 307 Rz. 11).7
10b Im Gegensatz zu §§ 134, 138 BGB ist die Kontrolle der einseitig ausgeübten Ver-
tragsgestaltungsmacht mit der Überprüfung anhand des Grundsatzes von Treu und Glauben strenger. Es kommt so zu einer Angemessenheitskontrolle, die für ausgehandelte Vertragsregelungen nicht gerechtfertigt wäre.8 Für das Arbeitsverhältnis bedeutet dies wegen der alleinpraktischen Verwendung von Formularverträgen durch die Arbeitgeber, dass die Inhaltskontrolle nach §§ 307–309 BGB ein maßgeblicher Teil des Arbeitnehmerschutzes ist,9 obwohl die Schutzrichtung der Inhaltskontrolle keine spezifisch arbeitsrechtliche, ja nicht einmal eine spezifisch verbraucherrechtliche ist (zur Schutzzweckdiskussion siehe Vor § 307 Rz. 26).
11 Für den Rechtsanwender bringt die Klausel alle Vor- und Nachteile einer umfas-
senden Generalklausel, die letztlich nur durch Wertung der gegenseitigen Interessen von Klauselverwender und Vertragspartner ausgefüllt werden kann.10 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Siehe auch BAG v. 12.2.2015 – 6 AZR 831/13, NZA 2015, 737. Coester in FS Löwisch (2007), S. 57 (64). BGH v. 27.1.2015 – XI ZR 174/13, NJW 2015, 1440. Siehe Krause in Staudinger, 2019, Anh zu § 310 Rz. 23. Siehe Wendland in Staudinger, 2019, § 307 Rz. 34. Etwa Wurmnest in MünchKommBGB, Vor § 307 Rz. 10. Siehe Krause in Staudinger, 2019, Anh zu § 310 Rz. 31. Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 1. Siehe auch BT-Drucks. 14/6857, S. 53 f. Coester in Staudinger, § 307 Rz. 9.
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III. Auslegung vor Inhaltskontrolle | § 307
Wesentliche Bedeutung fällt hier dem Gericht als maßgeblich mit der Wertung beauftragter Instanz zu.1 Dabei wird der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung der Vorwurf gemacht, die Struktur des § 307 BGB nicht hinreichend ernst zu nehmen und § 307 BGB als Grundlage einer „methodisch unkonturierte(n) Billigkeitskontrolle“ heranzuziehen.2 Gerade im Arbeitsrecht gibt es Stimmen, die eine Inhaltskontrolle Allgemeiner Arbeitsbedingungen anhand der §§ 307–309 BGB kritisch begleiten.3 In der Tat begnügen sich die Gerichte regelmäßig mit einem Hinweis auf „§ 307 Abs. 1 BGB“4 und nehmen so die Struktur der Regelung des § 307 Abs. 1, 2 BGB nicht hinreichend auf5 – was im Ergebnis dazu führen kann, dass etwa das Flexibilitätserfordernis im Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis nicht hinreichende Berücksichtigung findet (dazu Rz. 89). Allein das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, das eine erhebliche Rolle bei der Kontrolle vorformulierter Arbeitsverträge spielt, wird regelmäßig genauer zitiert.6 Insgesamt freilich wird man den Einbezug der Kontrolle Allgemeiner Arbeitsbedingungen in die §§ 307–309 BGB als Fortschritt begreifen können.7 Besondere Probleme bestehen aber nach wie vor bei der Beurteilung von Änderungsvorbehalten – das Flexibilitätsinteresse des Arbeitgebers gegen das Stabilitätsinteresse des Arbeitnehmers abzuwägen fällt schwer und ist bis heute nicht widerspruchsfrei gelungen. So entzündet sich auch die meiste Kritik an der Rechtsprechung des BAG zur AGB-Kontrolle an der Beurteilung dieser Vorbehalte.8 § 307 BGB selbst ist zwingendes Recht, weder kann die Inhaltskontrolle abbe- 12 dungen werden, noch können die Maßstäbe der Inhaltskontrolle durch Vereinbarung geändert werden.9
III. Auslegung vor Inhaltskontrolle Die Auslegung einer Vertragsklausel hat der Inhaltskontrolle stets vorzugehen 13 (zur Auslegung von AGB siehe § 305c Rz. 41 ff.; Vor § 307 Rz. 25).10 Nur ein eindeutiger Inhalt einer Klausel kann grundsätzlich einer Inhaltskontrolle unterzogen werden. Im Rahmen der Transparenzkontrolle ist dieser Grundsatz frei1 Coester in Staudinger, § 307 Rz. 9. 2 Coester in FS Löwisch (2007), S. 57 (64); Benedict, JZ 2012, 172 (177): „Gestaltungsenthusiasmus“. 3 Zöllner, ZfA 2010, 637 ff.; Löwisch in FS Canaris Bd. I (2007), S. 1403 (1419 ff.). 4 Etwa BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, NZA 2006, 40. 5 Siehe auch Krause in Staudinger, 2019, Anh. zu § 310 BGB Rz. 177. 6 Dazu auch Krause in Staudinger, 2019, Anh. zu § 310 BGB Rz. 177. 7 Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (45). 8 Dazu Franzen in GS Zachert (2010), S. 386 ff. 9 Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 9. 10 BGH v. 10.2.1999 – IV ZR 324/97, NJW 1999, 1633; Coester in Staudinger, § 307 Rz. 27 ff.; Fuchs in UBH, Vorb. v. § 307 BGB Rz. 13; Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 7.
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§ 307 | Inhaltskontrolle lich oftmals in der Praxis nicht streng eingehalten, wenn auch für den Vertragspartner missverständliche und damit auch mehrdeutige Klauseln schlicht der Kontrolle an § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unterzogen werden (dazu Rz. 77 ff.).
IV. Auffangtatbestand 14 § 307 BGB ist Auffangtatbestand und „Herzstück“ des Rechts der AGB-Kon-
trolle zugleich.1 Systematisch greift die Generalklausel des § 307 Abs. 1, 2 BGB zwar erst ein, wenn die Katalogtatbestände der §§ 308, 309 BGB nicht einschlägig sind,2 allerdings sind auch im Rahmen der §§ 308, 309 BGB die Wertungen der Generalklausel zu berücksichtigen3 – ohne aber die Vorgaben der abgeschlossenen Regelungen der §§ 308, 309 BGB konterkarieren zu können: Eine Klausel, die etwa nach § 308 BGB für wirksam gehalten wird, wird keiner erneuten Prüfung anhand der Generalklausel zu unterziehen sein.4 Innerhalb des § 307 BGB sind ebenfalls die spezielleren Fallgruppen des § 307 Abs. 2 BGB vor der Generalklausel des § 307 Abs. 1 BGB zu prüfen.5
15 Weil der Gesetzgeber die Katalogtatbestände der §§ 308, 309 BGB nicht ab-
schließend gefasst hat, verbleibt für die Anwendung der Generalklausel ein weiter Raum. Deren Bedeutung wird für die Kontrolle Allgemeiner Arbeitsbedingungen verstärkt, weil hier die Anwendung spezieller Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit, § 309 BGB, wegen der nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB zu berücksichtigenden Besonderheiten des Arbeitsrechts ausgeschlossen sein kann, wie etwa im bekannten Fall formularmäßig vereinbarter Vertragsstrafenregelungen.6 Ist dies der Fall, ist die entsprechende Vereinbarung stets noch anhand der Generalklausel des § 307 Abs. 1, 2 BGB zu überprüfen.7
V. Schrankenregelung § 307 Abs. 3 BGB 16 § 307 Abs. 3 BGB eröffnet die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2
BGB nur für Klauseln, die von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen. Darunter fallen auch Vereinbarungen, die die Hauptleistungen des Vertra1 Fuchs in UBH, Vorb. v. § 307 BGB Rz. 8; Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 6; Stoffels, AGBRecht, Rz. 463, 464; Niemann in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 85: Kernstück. 2 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 465. 3 BAG v. 18.5.2017 – 2 AZR 721/16, NZW 2017, 1195; Coester in Staudinger, § 307 Rz. 10; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 463; Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 6. 4 Fuchs in UBH, Vorb. v. § 307 BGB Rz. 9. 5 Fuchs in UBH, Vorb. v. § 307 BGB Rz. 8. 6 Niemann in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 86. 7 BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727; BAG v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053; BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34.
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V. Schrankenregelung § 307 Abs. 3 BGB | § 307
ges betreffen. Auch sie sind damit einer Inhaltskontrolle nicht zugänglich.1 § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB entspricht damit den Vorgaben der Art. 1, 4 der Verbraucherschutzrichtlinie 93/13/EWG.2 Für Klauseln, für die nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB die Inhaltskontrolle ausgeschlossen ist, bleibt es aber nach § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB bei der Transparenzkontrolle, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, (und auch bei der Einbezugskontrolle der §§ 305 ff. BGB).3
1. Deklaratorische Klauseln Vereinbarungen, die nicht von (dispositiven) Rechtsvorschriften abweichen 17 oder diese nicht ergänzen, unterfallen nicht der Inhaltskontrolle anhand der § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, §§ 308, 309 BGB, geben doch solche deklaratorischen Klauseln lediglich das Gesetz wieder, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Die Gerichte sind aber nicht dazu aufgerufen, die Angemessenheit von Gesetzen zu beurteilen, vielmehr sind sie selbst an Recht und Gesetz gebunden.4 Die Verwerfung einer lediglich normwiederholenden Klausel wäre darüber hinaus mit Blick auf die Rechtsfolge der Klauselunwirksamkeit sinnlos – weil an die Stelle der verworfenen vertraglichen Regelungen grundsätzlich das dispositive Gesetz tritt.5 Die Frage nach der Entsprechung einer Klausel im Sinne einer deklaratorischen Normwiedergabe ist aber zu unterscheiden von der Frage nach der Vereinbarkeit einer Klausel mit den gesetzlichen Vorgaben.6 a) Normwiederholende Klauseln Aus diesem Zweck der Anwendungsschranke folgt auch die Bestimmung des 18 Begriffs der Rechtsvorschriften i.S.d. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB: Es kann sich hier nur um Rechtssätze handeln, die das Gericht als objektive gesetzliche Regelungen durch einen normativen Kontrollmaßstab binden,7 weil es letztlich um den Respekt der judikativen vor der legislativen Gewalt geht.8 Deshalb sind alle materiellen Gesetze Rechtsvorschriften nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB.9 Damit 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Wurmnest in MünchKommBGB, § 307 Rz. 1; Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 276. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 425 ff. Wurmnest in MünchKommBGB, § 307 Rz. 21. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 424; Niemann in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 141; bereits zu § 8 AGBG Stoffels, JZ 2001, 843. Roloff in HWK, § 307 BGB Rz. 7; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 35; freilich ist diese Feststellung lediglich und richtig als Hilfsargument heranzuziehen, Stoffels, AGB-Recht, Rz. 424. Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (50). Fuchs in UBH, § 307 Rz. 19. Siehe BAG v. 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, NZA 2015, 871; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 434; Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 275. Fuchs in UBH, § 307 Rz. 26; Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 281.
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§ 307 | Inhaltskontrolle unterfallen solche Klauseln nicht der Inhaltskontrolle, die das formelle Parlamentsgesetz, aber auch Rechtsverordnungen, Satzungen oder Gewohnheitsrecht wiedergeben.1 Das gilt auch für die Regelungen der AGB-Kontrolle selbst.2 In Arbeitsverträgen sind etwa Regelungen über das Weisungsrecht des Arbeitgebers wegen des weiten Tatbestandes des § 106 GewO oftmals lediglich normwiederholend und unterfallen deshalb nicht der Inhaltskontrolle, aber der Transparenzkontrolle.3 Gleiches gilt für Probezeitklauseln, die lediglich den gesetzlichen Stand (§ 1 Abs. 1 KSchG, § 622 Abs. 3 BGB) wiedergeben.4 19 Unter die Rechtsvorschriften des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB fällt nach h.M. auch
das (im Arbeitsrecht sehr bedeutsame) Richterrecht5 – und damit etwa auch die richterrechtlich entwickelten Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung.6 Daran ist Kritik geübt worden,7 die aber unbegründet ist: Denn letztlich sind die (de lege artis gefundenen) richterrechtlichen Rechtssätze ebenfalls bloße Anwendung des Gesetzes. Freilich sind die Grundsätze, die die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung vor Aufgabe der Bereichsausnahme aufgestellt hat, nunmehr obsolet, weil die §§ 307 ff. BGB die Grundlage für die Klauselkontrolle sind.8
20 Zweifel sind aber dort angebracht, wo über § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB auch „ver-
tragstypische Regelungen“ und solche, die sich aus der „Natur des Vertrages“ oder einer ergänzenden Vertragsauslegung ergeben, der Angemessenheitskontrolle entzogen werden sollen.9 Denn hier würde letztlich das Vertragsprogramm und damit die autonome Vereinbarung der Parteien zum Maßstab für die Eröffnung der Inhaltskontrolle – dabei geht es § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB (nur) darum, eine Angemessenheitskontrolle gesetzlicher Regelungen zu verhindern.10
1 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 433. 2 Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 281. 3 BAG v. 13.6.2007 – 5 AZR 564/06, NZA 2007, 974; BAG v. 25.4.2018 – 7 AZR 520/16, NZA 2018, 1061; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 38; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (50); Henssler/Moll, AGB-Kontrolle, S. 4; direktionsrechtserweiternde Klauseln unterfallen aber selbstredend der Angemessenheitskontrolle, Stoffels, ZfA 2009, 861 (866); Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 38. 4 BAG v. 24.1.2008 – 6 AZR 519/07, NZA 2008, 521; Stoffels in WLP, Anh. ArbR, Rz. 60b. 5 BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40; Roloff in HWK, § 307 BGB Rz. 7; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 34; Fuchs in UBH, § 307 Rz. 26; Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 282; Krause in Staudinger, 2019, Anh zu § 310 Rz. 29; Wurmnest in MünchKommBGB, § 307 Rz. 6. 6 Zu diesen Grundsätzen siehe etwa BAG v. 28.10.2010 – 8 AZR 418/09, NZA 2011, 345. 7 Stoffels, JZ 2001, 843 (846). 8 Krause in Staudinger, 2019, Anh zu § 310 Rz. 29. 9 So Roloff in HWK, § 307 BGB Rz. 7; Löwisch in Dornbusch/Fischermeier/Löwisch, § 307 BGB Rz. 25; Wurmnest in MünchKommBGB, § 307 Rz. 6. 10 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 434, der zu Recht darauf hinweist, dass im Ergebnis die Ausweitung des Begriffs der Rechtsvorschriften in § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB eine Verschärfung der Inhaltskontrolle zur Folge hätte.
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Vertragliche Festlegungen genießen aber die Dignität der Kontrollfreiheit gerade nicht.1 Tarifliche Normen, Betriebs- und Dienstvereinbarungen sind auch Rechtsvor- 21 schriften i.S.d. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Die Verweisung des § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB hat letztlich zum Ziel, dass diese kollektivrechtlichen Vereinbarungen auch bei schuldrechtlicher Inbezugnahme nicht auf ihre Angemessenheit überprüft werden.2 Für die durch Tarifbindung normativ geltenden Tarifverträge folgt dies bereits aus § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB. Durch den Verweis des § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB auf § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB soll eine unterschiedliche Tarifkontrolle je nach Geltungsgrund verhindert werden.3 Einigkeit herrscht darüber, dass jedenfalls bei einem ganz in Bezug genom- 22 menen Tarifvertrag (Globalverweisung) wegen § 310 Abs. 4 Satz 3, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB keine Angemessenheitskontrolle erfolgt;4 der Gesetzgeber geht von der tarifvertraglichen Richtigkeitsgewähr aus.5 Diese Richtigkeitsgewähr kann freilich zum einen aufgebrochen werden, wenn nur auf punktuelle Regelungen Bezug genommen wird, dann erfolgt auch eine Angemessenheitskontrolle. Richtigerweise wird man auch abgeschlossene Sachbereiche des Tarifvertrages als der Richtigkeitsgewähr unterfallend ansehen müssen – mit der Folge, dass sie bei vertraglicher Bezugnahme nicht kontrollfähig sind.6 Zum anderen besteht dort in Relation zum Bezug nehmenden Arbeitsvertrag 23 keine Richtigkeitsgewähr mehr, wo das betreffende Arbeitsverhältnis nicht in den Geltungsbereich des Tarifvertrags fällt (§ 310 Rz. 70).7 Dies gilt etwa auch für normwiederholende Regelungen von Tarifverträgen, die wegen eines fehlenden fachlichen Geltungsbereichs nicht einschlägig sind oder die zeitlich abgelaufen sind.8 Sie sind lediglich scheindeklaratorisch,9 weil sie selbst den Grund für die Geltung setzen und ein Hinwegdenken der Klausel im Rechtslagenvergleich eben nicht zur Geltung des Tarifvertrages führte. Zu unterscheiden ist die Frage, ob Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstverein- 24 barungen Rechtsvorschriften i.S.d. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind und deren bloße Wiederholung damit zur Kontrollfreiheit jenseits des Transparenzgebotes führt, von der Frage nach der Eignung dieser kollektiven Vereinbarungen als ge1 2 3 4 5 6 7 8 9
Wie hier Stoffels, AGB-Recht, Rz. 434; Coester in Staudinger, § 307 Rz. 295. BAG v. 6.5.2009 – 10 AZR 390/08, NZA-RR 2009, 593; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 433. Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 65. BAG v. 6.5.2009 – 10 AZR 390/08, NZA-RR 2009, 593; LAG Rh.-Pf. v. 31.1.2012 – 3 Sa 277/11. Dazu Löwisch/Rieble, § 1 TVG Rz. 1. BAG v. 6.5.2009 – 10 AZR 390/08, NZA-RR 2009, 593. Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 14. BAG v. 3.4.2007 – 9 AZR 867/06, NZA 2007, 1045. So Coester in Staudinger, § 307 Rz. 297.
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§ 307 | Inhaltskontrolle setzliche Regelungen i.S.d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Beide Begriffe sind nicht deckungsgleich. 25 Eine weitere Frage ist, inwieweit auch normausfüllende Klauseln, die den
durch Gesetz vorgegebenen Spielraum für die Vertragsgestaltung nutzen, der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB entzogen sind. Beispiel hierfür sind etwa § 202 Abs. 2, § 622 Abs. 5 BGB. Das BAG meinte zunächst im Hinblick auf eine Regelung, die eine Probezeit im Ausbildungsverhältnis von drei Monaten vorsah und sich so innerhalb der Vorgaben des § 20 Satz 2 BBiG hielt (mögliche Dauer der Probezeit zwischen einem Monat bis zu vier Monaten), dass der dort gegebene Rahmen nicht überschritten sei und deshalb keine Normabweichung vorliege.1 Die Literatur war hier stets kritischer und unterzog normausfüllende Klauseln grundsätzlich auch einer Inhaltskontrolle2 – wie jetzt auch die Rechtsprechung des BAG.3 Dies zu Recht, weil der Inhalt der Ausfüllung konstitutive Regelung der Parteien, wenn auch im gesetzlich vorgegebenen Rahmen, ist.4 Damit hat eine Inhaltskontrolle einer entsprechenden Klausel nichts mit der Angemessenheitskontrolle der gesetzlichen Regelung selbst zu tun. Nur dann, wenn sich aus der Norm ergibt, dass die Normausfüllung gerade auch für formularmäßige Vereinbarungen gelten soll (qualifizierte Erlaubnisnorm),5 liegt eine kontrollfreie Ergänzung vor. Das freilich ist, soweit ersichtlich, für das Arbeitsrecht nicht relevant.6 b) Notwendig: Rechtslagenvergleich
26 Für die Frage des Abweichens oder Ergänzens von Rechtsvorschriften ist not-
wendig ein Vergleich vorzunehmen, bei dem die Rechtslage unter Berücksichtigung der Formularklausel der Situation ohne diese Klausel und damit der dispositiven Gesetzeslage gegenüber gestellt wird.7 Streicht man die vereinbarte Klausel und ändert sich an der Rechtslage (wegen der dann geltenden Rechtsvorschrift) nichts, weicht die Klausel nicht ab und eine Inhaltskontrolle kommt nicht in Betracht. Vorher freilich ist aber der Bedeutungsgehalt der Klausel anhand der Auslegung zu bestimmen.8 1 BAG v. 16.12.2004 – 6 AZR 127/04, NZA 2005, 578; auch für § 622 Abs. 3 BGB BAG v. 24.1.2008 – 6 AZR 519/07, NZA 2008, 521. 2 Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (51); Däubler in DBD, § 307 Rz. 261a. 3 BAG v. 12.2.2015 – 6 AZR 831/13, NZA 2015, 737. Auch BAG v. 19.11.2015 – 6 AZR 844/14, NZA 2016, 228. 4 Fuchs in UBH, § 307 Rz. 32. 5 Wurmnest in MünchKommBGB, § 307 Rz. 11; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 436. 6 Als Beispiele werden angeführt § 52 BRAO, § 67a StBerG, siehe Fuchs in UBH, § 307 Rz. 33. 7 Fuchs in UBH, § 307 Rz. 25; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 432; Wurmnest in MünchKommBGB, § 307 Rz. 6. 8 Fuchs in UBH, § 307 Rz. 25.
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Eine Ergänzung von Rechtsvorschriften ist einmal dann gegeben, wenn die Klausel 27 eine positive Rechtsvorschrift im Hinblick auf darin nicht vorgesehene Interessen erweitert.1 Zum anderen ist das dann der Fall, wenn es überhaupt an rechtlichen Regelungen für die betreffende Situation mangelt, denn eine Ergänzung von Rechtsvorschriften setzt keine solchen voraus. Regelungen, die auf ein „normatives Vakuum“ (Stoffels) treffen, und nicht Hauptleistungen festlegen, sind kontrollfähig2 – weshalb die von der Rechtsprechung angenommene Kontrollfreiheit von Regelungen über den vertraglichen Zusatzurlaub bedenklich ist (siehe dazu Rz. 251).3
2. Hauptleistungen a) Allgemeines Aus § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB wird auch zu Recht geschlossen, dass Klauseln, die 28 die Hauptleistungen der Parteien regeln, nur der Transparenzkontrolle, nicht aber der Angemessenheitskontrolle unterfallen.4 Deren Festlegung und damit auch das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung ist vor dem Zugriff der Inhaltskontrolle geschützt,5 weshalb Vereinbarungen über die Arbeitsleistung (Inhalt, Art, Ort, Dauer) und das Arbeitsentgelt sowie deren Verhältnis nicht der Angemessenheitskontrolle unterfallen.6 Das hat einmal damit zu tun, dass es für die Hauptleistungen regelmäßig keinen gesetzlichen Maßstab zur Angemessenheitskontrolle gibt und der Richter nicht dazu aufgerufen ist, einen gerechten oder auch nur angemessenen Preis für eine bestimmte Leistung zu finden (das muss nach wie vor Aufgabe der privatautonomen Entscheidung und damit letztlich des Wettbewerbs sein).7 Zum anderen ergibt sich die Kontroll1 Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 287. 2 BAG v. 19.10.2011 – 7 AZR 33/11, AP BGB § 307 Nr. 60; BAG v. 9.2.2011 – 7 AZR 91/10, NZA-RR 2012, 232 für Rückkehrzusagen; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 432. 3 BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538. 4 BAG v. 26.1.2017 – 6 AZR 671/15, AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 192; BAG v. 24.5. 2018 – 6 AZR 308/17, MDR 2018 1067; BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, NZA 2006, 40; BAG v. 27.11.2003 – 2 AZR 135/03, NZA 2004, 597; Roloff in HWK, § 307 BGB Rz. 4; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 438; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 36; Wurmnest in MünchKommBGB, § 307 Rz. 1. 5 BGH v. 7.12.2010 – XI ZR 3/10, BGHZ 187, 360 = NJW 2011, 1801; BGH v. 9.5.2001 – IV ZR 138/99, BGHZ 147, 354 = NJW 2001, 2014; BAG v. 21.6.2011 – 9 AZR 203/10, NZA 2011, 1338; Wurmnest in MünchKommBGB, § 307 Rz. 13. 6 BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, NZA 2012, 908; BAG v. 27.8.2008 – 5 AZR 820/07, NZA 2009, 49; BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324; Däubler in DBD, § 307 Rz. 268. 7 BAG v. 17.10.2012 – 5 AZR 792/11, NZA 2013, 266; BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, NZA 2012, 908; BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324; Wurmnest in MünchKommBGB, § 307 Rz. 1; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (53): Einen gerechten Preis findet man auch nicht über die Inhaltskontrolle!
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§ 307 | Inhaltskontrolle freiheit der Hauptleistungen aus schutzzweckbezogenen Überlegungen: Es gilt hier, dass Vereinbarungen über die Hauptleistungen durch die Parteien regelmäßig aufmerksam zur Kenntnis genommen werden, weil sie im Mittelpunkt des Vertragsschlusses stehen. Es mag sich in diesen Fällen zwar um vom Verwender vorgegebene Klauseln handeln, trotzdem ist die Inhaltskontrolle der einseitig ausgeübten Vertragsgestaltungsmacht nicht notwendig, weil sie regelmäßig der Aufmerksamkeit des Vertragspartners nicht entgehen. Das unterscheidet sie typischerweise von Nebenregelungen. Solche Klauseln sind zwar nicht ausgehandelt, dennoch ist die auf der Transparenz der Regelung aufbauende privatautonome Entscheidung auch des Vertragspartners hier zu respektieren:1 Eine Inhaltsprüfung ohne entsprechendes gesetzliches Leitbild verkäme auch zur bloßen Billigkeitskontrolle.2 Freilich ist gerade bei Allgemeinen Arbeitsbedingungen die Abgrenzung von nicht inhaltskontrollfähigen Hauptleistungen und kontrollfähigen sonstigen Regelungen schwierig (dazu Rz. 30 ff.). 29 Eine Überprüfung der Hauptleistungen findet nach herrschender Meinung
ausnahmsweise nur dann statt, wenn diese Hauptleistungen selbst konkret gesetzlich geregelt sind.3 Das ist etwa in den Gebührenordnungen von freiberuflich Tätigen geschehen (etwa HOIA, GOÄ, GOZÄ). Für das Arbeitsrecht wird hier bisweilen auf § 6 Abs. 5 ArbZG verwiesen, der einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag fordert;4 ebenso für Abfindungsvereinbarungen auf § 1a KSchG. Beides greift allerdings nicht: § 6 Abs. 5 ArbZG lässt die Kontrolle auf Angemessenheit des Zuschlags unabhängig von § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB zu – sie ist auch bei Individualvereinbarungen vorzunehmen.5 § 1a KSchG setzt selbst keine Hauptleistung fest, sondern gibt lediglich den Arbeitsvertragsparteien die Möglichkeit zur eigenständigen Festsetzung einer Abfindung (dazu Rz. 132). Letztlich ist die Regelung überflüssig.6 Auch die in § 612 Abs. 2 BGB vorgesehene übliche Vergütung vermag keine Inhaltskontrolle der Vergütungshöhe im Formulararbeitsvertrag wegen einer aus ihr scheinbar hervorgehenden gesetzlichen Festlegung des Arbeitsentgelts zu rechtfertigen, weil sie nur dann einschlägig ist, wenn im Arbeitsvertrag gerade keine Vergütung vereinbart wurde.7 Als gesetzliche Vergütungsfestlegung (wie etwa die freiberuflichen Vergütungsordnungen) taugt die Vorschrift deshalb nicht. Zur Bedeutung eines Tarifvertrages in diesem Zusammenhang siehe Rz. 34 f.
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Stoffels, ZfA 2009, 861 (867); Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 37. Franzen in GS Zachert (2010), S. 386 (392). Däubler in DBD, § 307 Rz. 265. Däubler in DBD, § 307 Rz. 265. Wank in ErfK, § 6 ArbZG Rz. 14. Dazu Bader, NZA 2004, 65 (74). Roloff in HWK, § 307 BGB Rz. 5; zweifelnd Däubler in DBD, § 307 Rz. 266.
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b) Hauptleistungen und Nebenleistungen Damit ist freilich der problematische Unterschied zwischen dem kontrollfreien leis- 30 tungsbestimmenden Kern, wie ihn die Hauptleistung beschreibt, und der zu kontrollierenden Leistungsausgestaltung noch nicht festgelegt. Die Frage, wo dieser Unterschied liegt, hat im Arbeitsrecht eine erhebliche Bedeutung, etwa wenn es um die Befristung von Arbeitsbedingungen bei Erhöhung der Arbeitszeit (dazu Rz. 151) oder um Änderungsbestimmungen hinsichtlich der Arbeitszeit geht. Solche Klauseln haben erheblichen Einfluss auf die Hauptleistung des Arbeitnehmers. Nach der Rechtsprechung sind solche Klauseln dennoch nicht kontrollfrei i.S.d. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB, wenn sie die Hauptleistungsvereinbarung einschränken, verändern oder ausgestalten.1 Für die genannten Fälle der Befristung einer Arbeitszeiterhöhung2 oder einer Regelung zur Abrufarbeit soll genau dies gelten.3 Damit wird allerdings die Grenze zur kontrollfreien Hauptleistung weit hinausgeschoben.4 Allerdings bleiben die von der Rechtsprechung aufgestellten Abgrenzungskrite- 31 rien bisweilen wenig belastbar und führen zu problematischen Ergebnissen. Die Hauptgefahr besteht darin, dass an die Stelle einer bei der Inhaltskontrolle als unwirksam angesehenen Klausel mit Hauptleistungsbezug zunächst keine gesetzliche Regelung treten kann – eben weil das Gesetz Hauptleistungen selbst grundsätzlich nicht festlegt. Kommt es aber zur Ersetzung der Klausel durch richterlichen Akt (wie im Falle der Abrufarbeit),5 so kommt es auch zur Oktroyierung von Hauptleistung(-spflichten); die ist aber erst recht nicht gesetzliches Programm, wenn schon die Angemessenheitskontrolle als solche ausgeschlossen ist.6 Deshalb ist vor einer schematischen Abgrenzungslösung zu warnen. Die Maßgabe der Rechtsprechung, dass solche Klauseln zu kontrollieren sind, die Hauptleistungen einschränken, verändern oder ausgestalten, ist jedenfalls dahingehend zu präzisieren, dass – genauer als die Rechtsprechung das gemeinhin durchführt –, zu prüfen ist, ob die entsprechende Klausel nicht selbst unmittelbare Regelung der Hauptleistung ist. Dies ist etwa im Falle einer Vergütungsregelung für Überstunden der Fall, nicht aber für eine Regelung, die diese mit einer einseitigen Anordnungsbefugnis des Arbeitgebers für Überstunden kombiniert.7 Mit heranzuziehen ist für diese Abgrenzungsfrage ein von der neueren Lehre 32 und insbesondere von Stoffels entwickelter Aspekt: Mitmaßgeblich für die Frage, 1 BGH v. 15.5.2013 – IV ZR 33/11, VersR 2013, 888; BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, NZA 2006, 40. 2 BAG v. 18.1.2006 – 7 AZR 191/05, AP Nr. 8 zu § 305 BGB; BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, NZA 2006, 40; kritisch dazu Junker in FS Buchner (2009), S. 369 (374). 3 BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423. 4 Däubler in DBD, § 307 Rz. 269 ff. 5 BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423. 6 Löwisch in FS Canaris Bd. I (2007), S. 1403 (1411) macht hier zu Recht einen Eingriff in den Kern der Vertragsfreiheit aus. 7 Offengelassen von BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, NZA 2012, 908.
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§ 307 | Inhaltskontrolle ob eine kontrollfreie Hauptleistung vorliegt, ist die Prüfung des Umstandes, ob der Vertragspartner eine bewusste Abschlussentscheidung im Hinblick auf eine Hauptleistung treffen konnte. Denn ist dies der Fall, wird er die entsprechende Regelung nur treffen, wenn er damit einverstanden ist. Das bedeutet zwar kein Aushandeln i.S.d. § 305b BGB, das eine Regelung der Inhaltskontrolle ohnehin entziehen würde, aber gleichwohl eine Zustimmung auf der Grundlage einer transparenten Regelung – gerade deshalb ist eine solche Klausel dem Transparenzgebot zu unterwerfen, § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB. Deshalb sind Klauseln, die etwa die Befristung von Hauptleistungen betreffen, nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kontrollfrei.1 33 Kontrollfreie Hauptleistungen können nicht nur Leistungspflichten umfassen,
sondern sie können auch etwa in der Beendigung des Arbeitsvertrages bestehen. Deshalb fällt die Aufhebung des Arbeitsvertrages als solche nicht unter die Angemessenheitskontrolle,2 wenn in diesen Fällen überhaupt eine formularmäßige und keine individuelle Vereinbarung vorliegt.3 Werden allerdings im Aufhebungsvertrag noch andere Regelungen formularmäßig zusätzlich getroffen, können diese einer Angemessenheitskontrolle unterfallen (dazu Rz. 133). c) Besonders: Tarifvertrag als Kontrollmaßstab?
34 Es widerspricht diesen Überlegungen nicht, sondern bestätigt sie, wenn eine An-
gemessenheitskontrolle dort durchgeführt wird, wo eine gesetzliche Regelung über die Hauptleistungen ausnahmsweise besteht.4 Deshalb wird vertreten, dass auch Tarifverträge als gesetzlicher Kontrollmaßstab heranzuziehen und damit etwa auch Entgeltvereinbarungen an diesen Tarifverträgen zu messen sind.5 Man will dann etwa ein Unterschreiten des Tariflohns um mehr als 20 % für unangemessen halten.6
35 Die herrschende Meinung lehnt dies zu Recht ab.7 Zwar verweist § 310 Abs. 4
Satz 3 BGB auf § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB und stellt damit Tarifverträge, Betriebs-
1 Stoffels, Gesetzlich nicht geregelte Schuldverträge, 2001, S. 385 ff.; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 448 ff.; Stoffels, JZ 2001, 843 (847 ff.); Preis in FS Richardi (2007), S. 339 (351); Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (54). 2 Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (53); Stoffels, ZfA 2009, 861 (868); Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 38. 3 Stoffels, ZfA 2009, 861 (868). 4 BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324; etwa bei freiberuflichen Honorarordnungen, so BGH v. 9.7.1981 – VII ZR 139/80AZ, NJW 1981, 2351 für die HOAI; BGH v. 30.10.1991 – VIII ZR 51/91AZ, NJW 1992, 746 für die GOÄ. 5 Däubler in DBD, § 307 Rz. 279 ff.; Oetker in FS Wiedemann (2002), S. 383 (394); Däubler, NZA 2001, 1329. 6 Däubler in DBD, § 307 Rz. 288. 7 Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 494; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 39; Roloff in HWK, § 307 BGB Rz. 5; Henssler/Moll, S. 5.
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VI. Unangemessene Benachteiligung | § 307
und Dienstvereinbarungen den Rechtsvorschriften des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB gleich – allerdings wollte der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien damit (lediglich) erreichen, dass bei schuldrechtlicher Bezugnahme keine Kontrolle des Tarifvertrages stattfindet, nicht aber Tarifverträge zum Kontrollmaßstab der Inhaltskontrolle erheben (dazu Rz. 66). So beschränkt sich die Verweisung in § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB auch auf § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB; § 307 Abs. 1, 2 BGB bleiben unerwähnt – eine solche Einschränkung wäre aber überflüssig, wenn eine Angemessenheitskontrolle am Maßstab des Tarifvertrages durchzuführen wäre: Denn dass Tarifverträge für die Normunterworfenen Rechtsvorschriften sind, wäre auch ohne die Verweisung in § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB klar.1 Stärker ins Gewicht fallen die Argumente, die auf die Wirkung eines solchen tariflichen Kontrollmaßstabs auf nichttarifgebundene Arbeitsvertragsparteien abstellen.2 Eine Erstreckung des Tarifvertrags als Kontrollmaßstab für arbeitsvertragliche (auch formularmäßige) Vereinbarungen bedeutete eine (mittelbare) Bindung an den Tarifvertrag, damit steht nach richtiger Lesart3 die negative Koalitionsfreiheit der tarifungebundenen Arbeitsvertragsparteien in Rede. Es handelte sich um eine kalte Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrages, die der Gesetzgeber aber nur unter den Voraussetzungen des § 5 TVG wollte.4
VI. Unangemessene Benachteiligung 1. Generalklausel des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB Eine Klausel ist unwirksam, wenn der Vertragspartner des Klauselverwenders 36 durch sie unangemessen benachteiligt wird, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Das ist der Fall, wenn der Verwender seine Interessen einseitig auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne dessen Interessen ausreichend zu berücksichtigen und ohne ihm unter Umständen einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen.5 Deshalb ist die Interessenanalyse und -abwägung der zentrale Bestandteil der Inhaltskontrolle.6 Das Prüfungskonzept des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist somit zweistufig:7 Es verlangt zuerst eine Benachteiligung des Vertragspartners, 1 Roloff in HWK, § 307 BGB Rz. 8; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 39; Henssler/Moll, S. 5; a.A. Däubler in DBD, § 307 Rz. 279 ff. 2 Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 39; Jacobs in BeckOK, § 307 BGB Rz. 15. 3 Dazu auch Bayreuther, RdA 2003, 81 (82). 4 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 180; Henssler, RdA 2002, 129 (136); Hromadka, NJW 2002 2523 (2527). 5 BAG v. 26.10.2017 – 6 AZR 158/16, NZA 2018, 297; BAG v. 4.3.2010 – III ZR 79/09, NJW 2010, 1449; BGH v. 3.11.1999 – VIII ZR 269/98, NJW 2000, 1110; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 468; Fuchs in UBH, § 307 Rz. 96; Coester in Staudinger, § 307 Rz. 97. 6 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149; BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34. 7 Fuchs in UBH, § 307 Rz. 98.
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§ 307 | Inhaltskontrolle ist diese festgestellt, muss sie daraufhin überprüft werden, ob sie unangemessen ist. Prüfungsgegenstand ist die einzelne Vertragsklausel, nicht der Gesamtvertrag (zur Frage der Stellung der Klausel im Kontext des Gesamtvertrages siehe Rz. 53 ff.).1 Geschützt wird durch die Inhaltskontrolle der Vertragspartner des Klauselverwenders,2 eine (faktische) Belastung des Verwenders ist irrelevant – er kann sich auch nicht auf die Unwirksamkeit der Klausel berufen.3 a) Benachteiligung 37 Die Benachteiligung des Vertragspartners durch eine Klausel in AGB ist im Rah-
men eines Vergleiches zwischen der Rechtslage, wie sie vereinbart wurde, und der Rechtslage, wie sie ohne diese Vereinbarung bestehen würde, festzustellen.4 Deshalb ist in einem ersten Schritt der Vergleichsmaßstab zu bilden, der sich aus den entsprechenden Rechtsvorschriften ergibt (siehe die Ausführungen zu § 307 Abs. 3 BGB, § 307 Rz. 26 f.).
38 Ergibt dieser Vergleich eine rechtlich schlechtere Position des Vertragspartners
gegenüber einer Nichtregelung, so liegt eine Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB vor.5 Eines (spiegelbildlichen) Vorteils für den Verwender bedarf es nicht.6 Ebenso ist eine Benachteiligung des Verwenders irrelevant.7
39 Die Benachteiligung des Vertragspartners kann in dessen Verhältnis zum Ver-
wender der Klausel selbst oder aber auch zu einem Dritten bestehen.8 So wird bisweilen Abtretungsverbotsklauseln (dazu siehe Rz. 92 ff.) die Wirksamkeit versagt, weil ein Abtretungs- und Verpfändungsverbot des Arbeitsentgeltanspruchs den Arbeitnehmer gegenüber möglichen Kreditgebern wegen fehlender Sicherungsmöglichkeiten schlechter stellt.
40 Richtigerweise wird man bereits auf dieser Stufe der Prüfung Überlegungen über
die Erheblichkeit der Benachteiligung anstellen müssen.9 Allgemein wird angenommen, dass eine unangemessene Benachteiligung nur dann vorliegt, wenn eine Benachteiligung von erheblichem Gewicht gegeben ist.10 Diese Erheblich1 Fuchs in UBH, § 307 Rz. 94. 2 Fuchs in UBH, § 307 Rz. 108. 3 BAG v. 28.3.2007 – 10 AZR 261/06, NZA 2007, 687; Coester in Staudinger, § 307 Rz. 94; Deinert in DBD, § 307 Rz. 60a; dazu Tiedemann/Triebel, BB 2011, 1723. 4 Coester in Staudinger, § 307 Rz. 90 ff.; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 467. 5 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 467. 6 Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 165. 7 Coester in Staudinger, § 307 Rz. 94. 8 Siehe BAG v. 21.2.2017 – 3 AZR 297/15, NZA 2017, 723; Fuchs in UBH, § 307 Rz. 108; Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 165. 9 Fuchs in UBH, § 307 Rz. 101. 10 Fuchs in UBH, § 307 Rz. 101; Coester in Staudinger, § 307 Rz. 91; Deinert in DBD, § 307 Rz. 55; a.A. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 471.
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VI. Unangemessene Benachteiligung | § 307
keitsschwelle wird regelmäßig bei der Frage der Unangemessenheit einer bereits festgestellten Benachteiligung geprüft.1 Es sprechen vor allem Gründe der Anwendungsklarheit dafür, die Erheblichkeitsprüfung bereits bei der Benachteiligung zu prüfen, ohne in die Interessenabwägung eintreten zu müssen.2 Insofern ist die erste Prüfungsstufe nicht gänzlich wertneutral.3 b) Unangemessenheit Ob die festgestellte Benachteiligung unangemessen ist, ist in einer zweiten Stufe 41 zu prüfen, die unter dem Ziel des umfassenden Interessenausgleichs im Rahmen des Grundsatzes von Treu und Glauben steht.4 Dabei kommt dem Hinweis auf den Grundsatz von Treu und Glauben keine eigenständige Bedeutung zu, er ist kein zusätzliches Tatbestandsmerkmal, sondern Teil der Unangemessenheitsprüfung.5 Der Interessenausgleich setzt die Interessenklärung voraus, wobei es auf die Interessen der Vertragspartner und (eingeschränkt) auf unmittelbare Drittinteressen ankommt, Allgemeininteressen bleiben außen vor (siehe dazu Rz. 50 f.). Die eigentliche Bewertung folgt dann in der Interessenabwägung.6 Hier kommt 42 es nicht zuletzt darauf an, wie weit sich die Interessen des Verwenders der AGB gegenüber denen des Vertragspartners durchgesetzt haben – man kann an das System kommunizierender Röhren denken: Je stärker die Verwenderinteressen sich durchgesetzt haben, desto schwerwiegendere Gründe müssen vorliegen, um dies gegenüber einem entgegenstehenden Interesse des Vertragspartners zu rechtfertigen.7 Letztlich geht es um die Umsetzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und dabei um die Frage, ob eine Klausel vor den zu berücksichtigenden Interessen des Klauselverwenders erforderlich und verhältnismäßig ist.8 Dabei hilft bei der Wertung der Vergleich mit dem gesetzlich vorgegeben Leitbild als Kontrollmaßstab.9 Für das Arbeitsrecht mag hier als Beispiel der Hinweis auf die Inhaltskontrolle von Vertragsstrafenregelungen dienen, bei denen die Frage nach der Strafhöhe von der Schwere der Pflichtverletzung abhängig zu machen ist (dazu Rz. 273). Im Rahmen des Grundsatzes von Treu und Glauben, § 242 BGB, ist auch die 43 Verkehrssitte zu berücksichtigen.10 Diese spielt – als Frage der Üblichkeit – be1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Deinert in DBD, § 307 Rz. 55. Fuchs in UBH, § 307 Rz. 101. So aber Stoffels, Rz. 467. Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 174 f.; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 468. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 468; Coester in Staudinger, § 307 Rz. 97; offengelassen Fuchs in UBH, § 307 Rz. 97. Wurmnest in MünchKommBGB, § 307 Rz. 35. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 470. Fuchs in UBH, § 307 Rz. 105. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 471. Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 178.
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§ 307 | Inhaltskontrolle reits beim Ausschluss überraschender Klauseln, § 305 Abs. 1 BGB, eine Rolle, aber auch als Negativmerkmal bei der Inhaltskontrolle,1 weil ein negatives Abweichen von der Verkehrssitte grundsätzlich zu Lasten des Vertragspartners zu werten ist.2 Allerdings ist die Üblichkeit einer Regelung nur dann relevant, wenn sie ihrerseits dem Grundsatz von Treu und Glauben entspricht.3 44 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung ist der Zeitpunkt des Vertrags-
schlusses.4 Das ergibt sich für Verbraucherverträge (und damit nach herrschender Meinung auch für den Arbeitsvertrag) auch aus Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG. Deshalb führt eine Änderung der tatsächlichen Umstände nach Vertragsschluss nicht zu einer geänderten Bewertung.5 Geänderte Umstände können aber im Rahmen einer Ausübungskontrolle berücksichtigt werden.6 Für Änderungen der gesetzlichen Grundlagen der Inhaltskontrolle ist die Rückwirkungsproblematik zu berücksichtigen – dies gilt auch für die Änderung der Rechtsprechung.7
c) Grundparameter für die Inhaltskontrolle aa) Generell-typisierende Betrachtung 45 Für die Inhaltskontrolle ist nach der h.M. eine generell-typisierende und so
überindividuelle Betrachtung anzustellen:8 Es kommt also grundsätzlich nicht auf die konkreten Umstände an, sondern auf die Durchschnittsbeteiligten9 und auf die Frage, ob eine Klausel unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung zur Folge hat.10 Das heißt freilich ebenso, dass es unerheblich ist, ob sich eine unwirksame Klausel unter Berücksichtigung des konkreten Handelns der Beteiligten auch negativ auswirkt.11 Es ist bei der Frage der zu bildenden „Durchschnittsgruppen“ aber durchaus auch innerhalb der Beteiligten eine weitere Differenzierung mög1 2 3 4 5 6 7 8
9 10 11
Coester in Staudinger, § 307 Rz. 153. Weitergehend Coester in Staudinger, § 307 Rz. 153: Unangemessenheit wird indiziert. BAG v. 21.6.2011 – 9 AZR 203/10, NZA 2011, 1338; Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 210. Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 64; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 472; Fuchs in UBH, § 307 Rz. 117. Fuchs in UBH, § 307 Rz. 117. Fuchs in UBH, § 307 Rz. 117; Deinert in DBD, § 307 Rz. 67. Stoffels, ZfA 2009, 861 (864); a.A. Deinert in DBD, § 307 Rz. 71. BGH v. 17.4.2012 – X ZR 76/11, NJW 2012, 2107; BGH v. 9.2.1990 – V ZR 200/88, NJW 1990, 1601; BAG v. 21.4.2016 – 8 AZR 474/14, NZA 2016, 1409; BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 612/10, NZA 2012, 561; BAG v. 10.1.2007 – 5 AZR 84/06, NZA 2007, 384; BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, BB 2006, 2195; BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40; Thüsing, AGB-Kontrolle, S. 36; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 69. Stoffels, AGB-Recht Rz. 473. Fuchs in UBH, § 307 Rz. 103. Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 42; Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 95.
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VI. Unangemessene Benachteiligung | § 307
lich,1 das betrifft etwa die (auch im Gesetz nachvollzogene) Unterscheidung zwischen leitenden Angestellten und sonstigen Arbeitnehmern.2 Darüber hinaus wird auch ein Unterschied nach bestimmten Tätigkeiten gemacht werden können. Ob auch ein Unterschied zwischen Vollzeit- und Teilzeitarbeitskräften zu machen ist, wird im Hinblick auf § 4 TzBfG zu Recht kritisch gesehen.3 Relativiert wird diese generell-typisierende Betrachtung durch § 310 Abs. 3 46 Nr. 3 BGB.4 Wenn man, wie die h.M.,5 den Arbeitsvertrag als Verbrauchervertrag begreift, ist das auf der Grundlage der typisierenden Betrachtung gefundene Ergebnis nochmals an den konkreten Umständen des Vertragsschlusses zu messen.6 Darunter sind die persönlichen Eigenschaften des Vertragspartners (Unerfahrenheit, Abhängigkeit von der Leistung, intellektuelle Gegebenheiten), die konkrete Vertragsschlusssituation (etwa Überrumpelung, Verschleierung, Belehrung, etc.) und untypische Interessen des Verbrauchers zu fassen.7 Dabei ergänzt § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB die generell-typisierende Betrachtung, ersetzt sie aber nicht,8 beide Betrachtungsweisen sind zu kombinieren.9 Freilich ist auch die Betrachtung an den konkreten Umständen des Vertragsschlusses ergebnisoffen zu führen10 – sie kann sowohl zur Unwirksamkeit einer Klausel führen als auch zu deren Rechtmäßigkeit.11 Weil § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB die konkreten Umstände des Vertragsschlusses in 47 die Angemessenheitskontrolle einbezieht, können etwa Verletzungen von Aufklärungspflichten des Klauselverwenders nicht nur zu (potentiellen) Schadensersatzansprüchen führen, sondern auch zur Unwirksamkeit einer Vertragsklausel.12 Die konkreten Umstände können sich auch aus vorhergegangenen Verträgen ergeben – und somit bei der Frage einer vermeintlich intransparenten 1 Allgemein Coester in Staudinger, § 307 Rz. 111 ff. 2 BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 63; Hromadka, NJW 2002, 2523 (2528); Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 99. 3 Stoffels in WLP, Anh. ArbR Rz. 63. 4 BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, NZA 2008, 170; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 64; Wurmnest in MünchKommBGB, § 307 Rz. 41. 5 Siehe nur BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; dagegen richtig Jacobs in BeckOK ArbR, § 307 BGB Rz. 32. 6 Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 42; Preis in FS 50 Jahre BAG (2004), S. 123 (137). 7 BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, NZA 2006, 40; BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324; Henssler/Moll, S. 13; Niemann in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 47; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 478; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 42. 8 Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 42. 9 Stoffels in WLP, Anh. ArbR Rz. 64. 10 Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 64; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 481;. 11 BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, NZA 2008, 170; BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324; BAG v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08, NZA-RR 2009, 519; zur a.A. siehe unten Kreft, § 310 Rz. 39. 12 Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 96.
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§ 307 | Inhaltskontrolle Vertragsklausel eine Rolle spielen, wenn diese erst im Zusammenspiel mit vorherigen Informationen für den Vertragspartner eindeutig und klar wird.1 bb) Art des Vertrages 48 Zu berücksichtigen ist die Art des Vertrages, auch im Hinblick auf die Tätigkeit
des Arbeitnehmers. In den Arbeitsbeziehungen kann danach differenziert werden, ob ein Arbeitsvertrag mit leitenden Angestellten, einem außertariflich Angestellten oder einem tariflichen Mitarbeiter geschlossen wurde.2 Ebenso wird die Frage relevant sein, ob der Arbeitsvertrag von einem Kleinunternehmer geschlossen wurde.3 Außerdem kann die Frage nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen Umfang gestellt werden.4
cc) Grundrechtliches Schutzprogramm 49 Bei der anzustellenden Interessenabwägung sind auch die sich aus dem Grund-
gesetz ergebenden Schutzpflichten zu berücksichtigen.5 Die Angemessenheitskontrolle ist damit der methodische Ausgangspunkt, durch mittelbare Drittwirkung den Grundrechten zur Geltung zu verhelfen.6 Dies gilt etwa für die Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG, oder die Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG, des Arbeitnehmers, die etwa bei der Beurteilung von Freistellungs-,7 Nebentätigkeitverbotsklauseln8 oder der Länge von Kündigungsfristen9 von Bedeutung sind. Gleiches gilt für Rückzahlungsregelungen, wo die grundrechtlich geschützte Beendigungsfreiheit des Arbeitnehmers in Rede steht.10 Auf der anderen Seite ist stets auch die Berufsfreiheit des Arbeitgebers in die Betrachtung einzubeziehen.11
1 Siehe etwa BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, NZA 2006, 40. 2 Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 99; Deinert in DBD, § 307 Rz. 77; Stoffels, ZfA 2009, 861 (875). 3 Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 99. 4 Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 46; allgemein Coester in Staudinger, § 307 Rz. 112; Fuchs in UBH, § 307 Rz. 111. 5 Siehe BAG v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053; Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 176; Niemann in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 113; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 48; Deinert in DBD, § 307 Rz. 63; Wurmnest in MünchKommBGB, § 307 Rz. 55. 6 Krause in Staudinger (2019) Anh zu § 310 Rz. 208 ff. 7 LAG München v. 7.5.2003 – 5 Sa 297/03, LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 2. 8 BAG v. 18.11.1988 – 8 AZR 12/86, NZA 1989, 389; BAG v. 26.8.1976 – 2 AZR 377/75, AP BGB § 626 Nr. 68. 9 BAG v. 26.10.2017 – 6 AZR 158/16, NZA 2018, 297. 10 Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 50. 11 Siehe etwa LAG München v. 7.5.2003 – 5 Sa 297/03, LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 2.
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VI. Unangemessene Benachteiligung | § 307
dd) Partei- und Drittinteressen Die Interessenabwägung setzt zunächst die Analyse der relevanten Interessen 50 voraus. Hierbei sind in jedem Falle die Interessen der Vertragsparteien zu berücksichtigen, Drittinteressen, die sich nicht unmittelbar aus dem Vertrag ableiten, (nicht zu verwechseln mit Interessen des Vertragspartners gegenüber Dritten) nicht.1 Einzubeziehen sind aber Interessen von Dritten, die sich unmittelbar aus dem Vertrag ableiten lassen, etwa bei Verträgen zu Gunsten Dritter.2 Allgemeininteressen sind nicht in die Abwägung einzubringen, weil es bei der Inhaltskontrolle um die Kontrolle der einseitigen Vertragsgestaltungsmacht wegen einer potentiellen Übervorteilung des Vertragspartner geht, nicht aber um die Kontrolle im gesellschaftlichen Interesse.3 Zu berücksichtigen sind alle Interessen der Vertragsparteien, deren Verfolgung 51 nicht rechtswidrig ist.4 So spielen etwa auf der Seite des Arbeitgebers regelmäßig das Interesse an einer schnellen Klärung der Rechtslage,5 das Flexibilisierungsinteresse6 und das Interesse an einer wirksamen Sanktionierung von Vertragsbruch7 eine Rolle. Auf der Seite des Arbeitnehmers spielen etwa das Interesse an einer stabilen Erwerbsaussicht,8 an einer angemessenen finanziellen Belastung9 und das Interesse an einer ausreichend langen Zeit zur Prüfung vermeintlicher Ansprüche10 eine Rolle. Nicht zu berücksichtigen ist dagegen etwa im Rahmen der Inhaltskontrolle einer Vertragsstrafenklausel das Interesse des Arbeitnehmers an einer möglichst sanktionsfreien Pflichtverletzung (dazu Rz. 270). ee) Risikoverteilung Weiterer Gesichtspunkt für die Unangemessenheitsprüfung ist die Frage nach 52 einer durch die Klausel geänderten gesetzlich vorgegebenen Risikoverteilung. Dies gilt im Arbeitsrecht etwa und vor allem für die Frage des Wirtschafts- oder Beschäftigungsrisikos, § 615 BGB (das unter anderem durch Haftungs- oder 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Coester in Staudinger, § 307 Rz. 145. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 469; Fuchs in UBH, § 307 Rz. 103. Ebenso Coester in Staudinger, § 307 Rz. 151; Fuchs in UBH, § 307 Rz. 109. Deinert in DBD, § 307 Rz. 56. BAG v. 12.3.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699; BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; BAG v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149. BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, NZA-RR 2010, 457. BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727; BAG v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053. BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, NZA-RR 2010, 457. BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727; BAG v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053; BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34; BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666; BAG v. 21.7.2005 – 6 AZR 452/04, NZA 2006, 542. BAG v. 12.3.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699; BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; BAG v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149.
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§ 307 | Inhaltskontrolle Freistellungsregelungen verschoben werden kann),1 aber auch für das Haftungsrisiko (dazu Rz. 204 f.). Die Verteilung der Risiken ist durch die Analyse der maßgeblichen gesetzlichen Leitbilder zu ermitteln. ff) Klauselkontrolle und Gesamtvertrag 53 Zwar sind stets Einzelklauseln zu prüfen, weil diese aber Bestandteil eines Ver-
trages sind, darf nach der allgemeinen Ansicht bei der Wertung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB auch der Gesamtvertrag nicht aus den Augen gelassen werden.2 Dabei ist aber deshalb Vorsicht geboten, weil es auch auf der Grundlage einer solchen Gesamtschau nicht zu einer Überprüfung und Bewertung des Gesamtvertrages und seiner Hauptleistungen kommen darf – dies verbietet schon § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB.3 Allerdings sind im Hinblick auf andere Vertragsregelungen jedenfalls Summierungs- und Kompensationseffekte bei der Beurteilung einer Klausel zu berücksichtigen.4
54 Die Benachteiligung, die durch eine isolierte Vertragsklausel gegeben sein kann,
kann durch einen anderweitigen Vorteil für den Vertragspartner ausgeglichen werden, so dass insgesamt eine nicht unangemessen benachteiligende und damit wirksame Regelung besteht (Kompensation).5 Dabei ist es allerdings insbesondere wegen § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB wesentlich, dass zwischen der isolierten Klausel und dem zugestandenen Vorteil ein sachlicher Zusammenhang besteht6 und dass der Vorteil zu einem angemessenen Ausgleich führt.7 Ein Fall der möglichen Kompensation einer benachteiligenden Klausel ist etwa die Berücksichtigung eines zugesprochenen Mankogeldes bei Vereinbarung einer Mankohaftung des Arbeitnehmers.8 Ebenso kann hier eine Verzichtsregelung gegen Abfindung genannt werden sowie Rückzahlungsklauseln von Aus- oder Fortbildungskosten.9 Eine Kompensation einer benachteiligenden Regelung durch ein höheres Arbeitsentgelt kann aber nach richtiger und herrschender Meinung nicht erfolgen – weil dies wiederum eine Bewertung der Hauptleistung voraussetzte.10 1 Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 49. 2 BAG v. 2.12.1992 – VIII ARZ 5/92, NJW 1993, 532; Coester in Staudinger, § 307 Rz. 124 ff.; Wurmnest in MünchKommBGB, § 307 Rz. 36. 3 Coester in Staudinger, § 307 Rz. 124. 4 BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727; BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 486, 487; Henssler/Moll, S. 12; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 66. 5 Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 215. 6 BGH v. 21.9.2016 – VIII ZR 27/16, NJW 2017, 325; Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 219. 7 BAG v. 24.10.2015 – 2 AZR 347/14, NZA 2016, 351; Coester in Staudinger, § 307 Rz. 125. 8 BAG v. 2.12.1999 – 8 AZR 386/98, NZA 2000, 715; BAG v. 17.9.1998 – 8 AZR 175/97, NZA 1999, 141. 9 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149. 10 Deinert in DBD, § 307 Rz. 96; allgemein Coester in Staudinger, § 307 Rz. 129 ff.
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VI. Unangemessene Benachteiligung | § 307
Ob eine Kompensation angemessen ist, ist durch entsprechende Abwägung von Nachteil und Vorteil zu ermitteln.1 Allerdings kann sich auch eine isoliert zulässige Klausel im Zusammenspiel mit 55 anderen Klauseln zur unangemessenen Benachteiligung verstärken (Verstärkereffekt; Summierung).2 Auch hier bedarf es aber eines sachlichen Zusammenhangs der betreffenden Regelungen.3
2. Sondertatbestände des § 307 Abs. 2 BGB a) Allgemeines § 307 Abs. 2 BGB – als eher untechnische Zweifelsregelung4 – soll für die Frage, 56 ob eine Klausel den Vertragspartner unangemessen benachteiligt, Orientierung durch gesetzliche Fallgruppenbildung bieten.5 So stehen die Absätze 1 und 2 des § 307 BGB in einem Stufenverhältnis: Die Fallgruppen des § 307 Abs. 2 BGB sind vor der Grundregel des § 307 Abs. 1 BGB zu prüfen.6 Damit dient die Fallgruppenbildung der Anwendungsklarheit im Rahmen der Inhaltskontrolle. Unklar aber ist, wie die Fallgruppen des § 307 Abs. 2 BGB systematisch zu quali- 57 fizieren sind. Sie werden verschiedentlich als Beweislastregelungen,7 Vermutungstatbestände,8 Regelbeispiele9 oder auch abgeschlossene Sondertatbestände10 begriffen. Gegen die Einordnung als Beweislast-, aber auch Vermutungstatbestände spricht, dass es bei der Inhaltskontrolle vornehmlich um Wertungen geht, aber nicht um dem Beweis zugängliche Tatsachen.11 Zwar sprechen der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte durchaus für die Qualifikation als Regelbeispiele,12 vor dem Hintergrund systematischer Überlegungen ist jedoch die Einordnung als selbständige Sondertatbestände richtig – denn die für § 307 Abs. 2 BGB notwendigen Wertungen enthalten bereits die in § 307 Abs. 1 BGB festgelegten. Absatz 1 der Vorschrift ist deshalb nicht weitergehend als die Fallgruppen des § 307 Abs. 2 BGB.13 Deshalb sind § 307 Abs. 2 Nr. 1, 2 BGB ab1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
BAG v. 24.10.2015 – 2 AZR 347/14, NZA 2016, 351. Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 213 ff. Coester in Staudinger, § 307 Rz. 139; Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 212. Jacobs in BeckOK ArbR, § 307 BGB Rz. 42. BT-Drucks. 7/3919, S. 23; Wurmnest in MünchKommBGB, § 307 Rz. 65. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 496. Löwe in Löwe/von Westphalen/Trinkner, § 9 AGBG Rz. 20. BAG v. 19.10.2011 – 7 AZR 743/10, GWR 2012, 162; Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 96; Bonin in DBD, § 307 Rz. 215. Fuchs in UBH, § 307 Rz. 193. Coester in Staudinger, § 307 Rz. 226; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 500. Coester in Staudinger, § 307 Rz. 222. Fuchs in UBH, § 307 Rz. 196; BT-Drucks. 7/3919, S. 23. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 500.
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§ 307 | Inhaltskontrolle schließend, sind sie erfüllt, liegt eine unangemessene Benachteiligung vor.1 Nur das dient dem Zweck der Anwendungsklarheit. Die praktische Bedeutung des Streits ist freilich deswegen nicht durchschlagend, weil die Rechtsprechung ohnehin regelmäßig indifferenten Gebrauch von den Tatbeständen der § 307 Abs. 1, 2 BGB macht.2 Im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast siehe Rz. 91. 58 Die beiden Fallgruppen des § 307 Abs. 2 BGB selbst stehen in keinem Exklu-
sivverhältnis, vielmehr können sie auch nebeneinander zur Anwendung kommen.3 § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB hilft vor allem bei gesetzlich nicht geregelten Verträgen.4 Im gesetzlich stark geregelten Arbeitsrecht wird (wenn nicht ohnehin von zwingendem Recht auszugehen ist), auch häufig auf § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zurückzugreifen sein. Freilich kann (etwa im Hinblick auf die Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers, dazu Rz. 190 f.) auch eine Aushöhlung der Kardinalpflichten zu besorgen sein. b) § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB
59 Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung in AGB
in Zweifel anzunehmen, wenn eine Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der sie abweicht, nicht zu vereinbaren ist. Damit wird den genannten gesetzlichen Regelungen für die Inhaltskontrolle eine Leitbildfunktion zuerkannt.5 Das ist deshalb richtig, weil dem gesetzten Recht bereits ein angemessener Ausgleich der Interessen der Beteiligten zu unterstellen ist, und eine Abweichung hiervon zu hinterfragen ist.6
aa) Gesetzliche Regelung 60 Der Begriff der Rechtsvorschriften i.S.d. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB und der ge-
setzlichen Regelung nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB überschneiden sich zwar häufig, sind aber nicht deckungsgleich. Das ergibt sich aus ihrer unterschiedlichen Funktion, nämlich einmal die Inhaltskontrolle erst zu eröffnen, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB, und zum anderen Maßstab für diese Inhaltskontrolle selbst zu sein, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.7 Im Arbeitsrecht wirkt sich dieser Unterschied
1 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 500; kritisch Canaris FS Ulmer (2003), S. 1073. 2 In der Tat stimmt der Hinweis Niemann in von Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 88, dass das BAG „überhaupt keine ‚Binnendifferenzierung‘“ mehr vornehme. Das freilich ist auch in der allgemein zivilgerichtlichen Rechtsprechung so, dazu Coester in Staudinger, § 307 Rz. 225; Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 97. 3 Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 97; Fuchs in UBH, § 307 Rz. 197: überlappen und ergänzen. 4 Fuchs in UBH, § 307 Rz. 199. 5 Wurmnest in MünchKommBGB, § 307 Rz. 67. 6 Fuchs in UBH, § 307 Rz. 221; Coester in Staudinger, § 307 Rz. 229; Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 104. 7 Fuchs in UBH, § 307 Rz. 206.
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VI. Unangemessene Benachteiligung | § 307
bei der Frage aus, ob auch Tarifverträge als Maßstab für die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB heranzuziehen sind (dazu Rz. 66). Gesetzliche Regelung i.S.d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB sind zunächst alle formellen 61 und materiellen Gesetze.1 Auch die §§ 305 ff. BGB sind gesetzliche Regelungen in diesem Sinne.2 Für den Arbeitsvertrag gelten folglich die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren gesetzlichen Regelungen grundsätzlich als gesetzliches Leitbild i.S.d. § 307 BGB.3 Richtigerweise wird man freilich für die im Arbeitsrecht häufigen zwingenden gesetzlichen Regelungen auf § 134 BGB verweisen müssen4 – liegt ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot vor, so bedarf es einer Angemessenheitskontrolle zum einen nicht mehr, zum anderen gilt mit Blick auf die Rechtsfolgen der (im Arbeitsrecht freilich eingeschränkte5) Grundsatz des § 139 BGB, nach dem die Nichtigkeit des Gesamtvertrages in Rede steht und nicht nur – wie in § 306 BGB – die Unwirksamkeit einer betreffenden Klausel. Zwingende Regelungen in diesem Sinne sind auch die §§ 305 ff. BGB selbst.6 Die h.M. fasst den Bereich der als Leitbild tauglichen gesetzlichen Regelungen 62 weit: neben den formellen und materiellen Gesetzen werden auch Richterrecht und allgemein anerkannte Rechtsgrundsätze anerkannt,7 ebenso die sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung und aus der Natur des Schuldverhältnisses ergebenden Rechte und Pflichten.8 Bedeutsam für die Kontrolle Allgemeiner Arbeitsbedingungen ist die Frage, ob 63 auch das Richterrecht unter die gesetzlichen Regelungen des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB fällt.9 Die ganz herrschende Meinung bejaht das.10 Das wird jedenfalls dort 1 2 3 4
5 6 7
8
9 10
Stoffels AGB-Recht, Rz. 506. Preis/Roloff, ZfA 2007, 43, 66. Niemann in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 90. BAG v. 12.2.2015 – 6 AZR 831/13, NZA 2015, 737; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 507; Thüsing, AGB-Kontrolle, S. 38; Coester in Staudinger, § 307 Rz. 232; Bonin in DBD, § 307 Rz. 218; Fuchs in UBH, § 307 Rz. 208; eine Angemessenheitsprüfung hält Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 111 für möglich. Etwa BAG v. 22.4.2009 – 5 AZR 436/08, NZA 2009, 837. Fuchs in UBH, § 307 Rz. 210. BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 612/10, NZA 2012, 561; BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 535; BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; Roloff in HWK, § 307 BGB Rz. 9; Coester in Staudinger, § 307 Rz. 235; Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 108; Bonin in DBD, § 307 Rz. 220; Wurmnest in MünchKommBGB, § 307 Rz. 68 f. BGH v. 25.2.1998 – VIII ZR 276/96, VersR 1998, 898 (900); BGH v. 10.12.1992 – I ZR 186/90, NJW 1993, 721; BGH v. 30.5.2001 – XII ZR 273/98, NJW 2001, 3480; BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40; BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 535. Dafür Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 43; Thüsing, AGB-Kontrolle, S. 38 dagegen; einschränkend Stoffels, AGB-Recht, Rz. 511 ff. Coester in Staudinger, § 307 Rz. 236 f.
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§ 307 | Inhaltskontrolle zu unterstützen sein, wo sich dieses Richterrecht aus dem positiven Recht entwickelte und hinreichend konkrete Rechtssätze hervorgebracht hat.1 Außerdem wird richtig darauf hingewiesen, dass es bei § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB um wesentliche Grundgedanken von Rechtsvorschriften geht – und dass auch diese ihre Ausformung letztlich im Richterrecht finden.2 Dies gilt aber nicht für die Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle bis zur Schuldrechtsreform selbst, denn hier hat der Gesetzgeber mit dem Einbezug der Allgemeinen Arbeitsbedingungen in die AGB-Kontrolle eine neue Ausgangsposition geschaffen.3 64 Schwieriger ist die Einordnung allgemeiner Rechtsgrundsätze (etwa Äquiva-
lenzprinzip,4 Verschuldensgrundsatz,5 Verhältnismäßigkeitsprinzip,6 Grundsatz des pacta sunt servanda7), insbesondere weil deren Abstraktheit einer Leitbildfunktion im konkreten Fall bisweilen nur schwer genügen kann. Die Schwierigkeiten zeigen sich etwa am angeführten Grundsatz des pacta sunt servanda.8 Diesen nimmt die Rechtsprechung des BAG zur Wirksamkeit von Freiwilligkeitsvorbehalten als Ausgangspunkt der Bewertung (dazu Rz. 195 ff.). Freilich ist gerade bei diesem Grundsatz Vorsicht geboten, will man sich nicht in einen Zirkelschluss begeben.9 Dies zeigt sich ebenfalls bei Freiwilligkeitsvorbehalten, bei denen es ja gerade darum geht, dass eben kein „pactum“ im Sinne einer Verpflichtung des Arbeitgebers begründet werden soll (dazu ausführlich Rz. 193 ff.). Deshalb bergen allgemeine Rechtsgrundsätze bisweilen die Gefahr, dass ihre Voraussetzungen selbst erst belegt werden müssen. Allerdings ist der Grundsatz des pacta sunt servanda da heranzuziehen, wo es um die Erfüllung von bestehenden Pflichten geht.10 Ein schlichter Verweis auf „den Arbeitsvertrag“ als Leitbild ohne weitere Konkretisierung verbietet sich in jedem Falle.11
65 Die aus einer ergänzenden Vertragsauslegung gewonnenen Regelungen sind
richtig keine gesetzliche Regelung i.S.d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.12 Die auf dieser Grundlage ermittelten Rechte und Pflichten können aber richtigerweise bei § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB eine Rolle spielen.
1 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 512; die Vorschläge hier gehen bis zur Forderung der Subsumtionsfähigkeit. 2 Bonin in DBD, § 307 Rz. 220. 3 Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (68). 4 BGH v. 12.6.2001 – XI ZR 274/00, NJW 2001, 2635. 5 BGH v. 5.10.2005 – VIII ZR 16/05, NJW 2006, 47. 6 BGH v. 6.2.1985 – VIII ZR 61/84, NJW 1985, 3013. 7 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465. 8 BAG v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853. 9 Sehr kritisch auch Zöllner, ZfA 2010, 637 (645); Stoffels, ZfA 2009, 861 (866). 10 Fuchs in UBH, § 307 Rz. 217. 11 Fuchs in UBH, § 307 Rz. 213. 12 Niemann in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 92.
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VI. Unangemessene Benachteiligung | § 307
Tarifverträge taugen als gesetzliches Leitbild nicht,1 wenngleich die Recht- 66 sprechung bisweilen darauf zurückgreift.2 Das Gegenteil wird zwar aus der normativen Tarifwirkung und aus dem Verweis des § 310 Abs. 4 Satz 4 BGB auf § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB geschlossen,3 diese Überlegungen tragen aber nicht. Das liegt zum einen daran, dass das Gesetz mit der Gleichstellung des § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB lediglich die Inhaltskontrolle des Tarifvertrages bei Bezugnahme regeln und den in Bezug genommenen Tarifvertrag aus der Inhaltskontrolle heraushalten wollte (dazu Rz. 165), zum anderen kommt einem Tarifvertrag Richtigkeitsgewähr und normative Wirkung und damit gesetzliche Wirkung lediglich gegenüber den Tarifgebundenen zu.4 Grund für die Leitbildfunktion der gesetzlichen Regelungen ist aber der dort unterstellte angemessene Interessenausgleich.5 Etwas anderes mag nur für den Ausnahmefall gelten, dass ein normativ geltender Tarifvertrag selbst für die Parteien abänderbares Recht setzt.6 Betriebs- und Dienstvereinbarungen (§ 77 BetrVG, § 73 BPersVG) sind eben- 67 falls keine gesetzlichen Regelungen i.S.d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB (wohl aber Rechtsvorschriften nach §§ 310 Abs. 4 Satz 3, 307 Abs. 3 Satz 1 BGB) – sie können ihre (normative) Geltung lediglich in ihrem Geltungsbereich beanspruchen. Weil das Arbeitsrecht zu großen Teilen durch einseitig zwingendes Arbeitneh- 68 merschutzrecht geprägt wird, wird der Fallgruppe des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Arbeitsrecht keine zu große Bedeutung beigemessen.7 Allerdings wird mit Recht darauf hingewiesen, dass durch die weite Ausdehnung des Begriffs der Rechtsvorschriften etwa und gerade auch auf das Richterrecht durchaus eine Bedeutung der Vorschrift gegeben ist.8 Das zeigt sich etwa bei Freistellungsklauseln, die sich an den Vorgaben des richterrechtlich entwickelten Beschäftigungsanspruches messen lassen müssen.9 Außerdem ist die Inhaltskontrolle für normausfüllende Regelungen eröffnet (dazu Rz. 25).
1 Ebenso Bayreuther, RdA 2003, 81 (82 ff.); Jacobs in BeckOK ArbR, § 307 BGB Rz. 48; siehe auch BT-Drucks. 14/6857, S. 54. 2 Siehe hier etwa die Rechtsprechung zur Länge von Ausschlussfristen, BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; BAG v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149. 3 Däubler in DBD, § 307 Rz. 279 ff. 4 Zur normativen Wirkung Löwisch/Rieble, § 1 TVG Rz. 83 ff. 5 Coester in Staudinger, § 307 Rz. 229; Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 104. 6 Preis/Roloff, ZfA 2007, 68 für Tarifverträge in ihrem Geltungsbereich. 7 Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 43; Thüsing, AGB-Kontrolle, S. 38. 8 Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 43. 9 LAG München v. 7.5.2003 – 5 Sa 297/03, LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 2.
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§ 307 | Inhaltskontrolle bb) Unvereinbares Abweichen von wesentlichen Grundgedanken (1) Abweichen von wesentlichen Grundgedanken 69 Mit der (pleonastischen)1 Vorgabe, dass Abweichungen von einer gesetzlichen
Regelung nicht unvereinbar mit deren wesentlichen Grundgedanken sein dürfen, zeigt das Gesetz zunächst, dass auch in AGB vom (dispositiven) Recht abgewichen werden darf, es mithin einen durchaus weiten formularvertraglichen Gestaltungsspielraum gibt. Außerdem wird deutlich, dass es um die Festlegung des Kerns leitbildfähiger Vorschriften geht.2 Darüber hinaus ist es nicht immer leicht, diese gesetzlichen Grundgedanken zu ermitteln. Die Rechtsprechung unterscheidet hier zwischen bloßen Zweckmäßigkeitsnormen und Gerechtigkeitsgeboten.3 Nur bei letzteren könnten wesentliche Grundgedanken ausgemacht werden. Diese Einteilung wird von weiten Teilen der Literatur als impraktikabel kritisiert4 und etwa vorgeschlagen, das Tatbestandsmerkmal der wesentlichen Grundgedanken als unselbständig zu begreifen und im Rahmen einer Gesamtbetrachtung die Unvereinbarkeit einer Regelung festzustellen.5 Freilich wird durch diese Einebnung die Ausschlussfunktion des Terminus der Grundgedanken obsolet.6 Jedenfalls wird für die Frage der Isolierung von Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung auf die in der Vorschrift geschützten berechtigten Interessen des Vertragspartners zu achten sein,7 denn dessen Position soll durch die Inhaltskontrolle geschützt werden. Letztlich wird die – durch die Gesetzgebungsgeschichte dokumentierte8 – Feststellung des Gerechtigkeitsgehalts einer gesetzlichen Regelung durchaus richtig und notwendig sein.9 Zu berücksichtigende Grundgedanken im Arbeitsrecht sind etwa bei § 615 BGB die Zuordnung des Wirtschafts- und Beschäftigungsrisikos auf den Arbeitgeber.10 Gleiches gilt für das Verschuldensprinzip bei der Vertragsstrafe11 oder wurde für eine Abweichung von 1 So zu Recht Coester in Staudinger, § 307 Rz. 247, der darauf hinweist, dass es unwesentliche Grundgedanken nicht gibt. 2 Fuchs in UBH, § 307 Rz. 221 f. 3 BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 612/10, NZA 2012, 561; BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 535; BGH v. 20.8.2009 – VII ZR 212/07, NJW 2009, 3717; BGH v. 9.5.1996 – III ZR 209/95, NJW-RR 1996, 1009; auch Niemann in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 93; dagegen Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 117. 4 Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 117; Coester in Staudinger, § 307 Rz. 249; Fuchs in UBH, § 307 Rz. 222; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 503. 5 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 504. 6 Die etwa Stoffels, AGB-Recht, Rz. 503, konsequent auch nicht gegeben sieht. 7 Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 115; Coester in Staudinger, § 307 Rz. 248; Fuchs in UBH, § 307 Rz. 223. 8 BT-Drucks. 7/5422, S. 6. 9 Coester in Staudinger, § 307 Rz. 249. 10 Bonin in DBD, § 307 Rz. 221. 11 BAG v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053.
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VI. Unangemessene Benachteiligung | § 307
§ 818 Abs. 3 BGB bei Rückzahlungsklauseln für überbezahltes Arbeitsentgelt festgestellt.1 Sind diese Grundgedanken isoliert, ist auch im Rahmen des § 307 Abs. 2 Nr. 1 70 BGB ein Rechtslagenvergleich herbeizuführen: es geht um den Unterscheid der Rechtslagen mit der fraglichen Klausel und der Rechtslage ohne sie.2 Wird eine Abweichung festgestellt, ist die Unvereinbarkeit mit den wesentlichen gesetzlichen Grundgedanken wertend zu prüfen.3 Dabei ist es richtig, bereits die Abweichung als solche als gewichtig für die Unvereinbarkeit zu nehmen – das heißt, die Interessen des AGB-Verwenders können eine entsprechende Klausel nur rechtfertigen, wenn sie ihrerseits von größerem Gewicht sind.4 (2) Unvereinbarkeit Aus der Regelung des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB folgt auch, dass nicht jedes (auch 71 nicht jedes für den Vertragspartner negative) Abweichen von der gesetzlichen Regelung zur Unangemessenheit führt, sondern eben nur das unvereinbare Abweichen von deren Grundgedanken. Das ist jedenfalls bei den Abweichungen der Fall, die ein wesentliches Schutzdefizit des Vertragspartners zu Folge haben5 oder die den Kernbereich einer gesetzlichen Regelung missachten.6 Das folgt richtigerweise schon daraus, dass auch die gesetzliche Regelung als solche nur Ausdruck einer möglichen und anzuerkennenden Interessenausgleichsmöglichkeit ist.7 Richtigerweise kann eine Abweichung durch andere Vereinbarungen kompensiert werden.8 Im Merkmal der Unvereinbarkeit liegt eine weitere Erheblichkeitsschwelle, weil geringfügige Abweichungen von Grundgedanken einer Regelung durchaus noch mit diesen vereinbar sein können.9 Freilich ist der Frage nach der Unvereinbarkeit auch eine Interessenabwägung immanent: Gewichtigere Verwenderinteressen können sich hier gegen weniger gewichtige Interessen des Vertragspartners durchsetzen.10
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Bonin in DBD, § 307 Rz. 235a. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 516; Niemann in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 91. Niemann in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 94. Stoffels, AGB-Recht Rz. 518, 519; Bonin in DBD, § 307 Rz. 227. Fuchs in UBH, § 307 Rz. 227. Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 125. Coester in Staudinger, § 307 Rz. 230. Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 127. Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 128. Deinert in DBD, § 307 Rz. 226.
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§ 307 | Inhaltskontrolle c) § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB aa) Allgemeines 72 Nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB benachteiligen AGB dann unangemessen, wenn
sie wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränken, dass das Erreichen des Vertragszwecks gefährdet ist. Die Vorschrift weist in ihrer Struktur eine große Parallelität zu § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB auf, bezieht sich aber auf vertraglich vorgegebene Leitbilder.1 Dabei kann man § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB als Auffangvorschrift für Nr. 1 begreifen, weil die Inhaltskontrolle nicht vom Vorliegen einer gesetzlichen Regelung abhängig sein soll.2 Nach Stoffels3 handelt es sich um eine besondere Ausprägung des Verbots widersprüchlichen Verhaltens. Dem ist zwar entgegenzuhalten, dass sich diese Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben auf die Rechtsausübung bezieht, nicht auf die Vertragsgestaltung.4 Immerhin aber steht der Zweck des § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB, eine „Aushöhlung von Kardinalpflichten“ durch konterkarierende Nebenregelungen zu verhindern,5 dem Missbrauchsgedanken nah. Dabei ist zwar der Begriff der Kardinalpflichten diffus, richtig ist aber, dass es nicht zu einer Aushöhlung zumindest des wirtschaftlich gewünschten Vertragsergebnisses kommen darf.6
73 Dabei geht es aber auch bei § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB um eine generell-typisie-
rende Betrachtung und damit um die typischen Regelungsinteressen der Vertragsparteien.7
74 Die Anwendung des § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB im Arbeitsrecht hängt wesentlich
davon ab, ob man das das Arbeitsrecht prägende Richterrecht nicht bereits den gesetzlichen Regelungen des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zurechnet.8
bb) Einschränkung wesentlicher Rechte oder Pflichten aus der Natur des Vertrages 75 Was wesentliche Pflichten aus der Natur des Vertrags sind, bestimmt sich aus
der Sicht des durchschnittlichen9 Vertragspartners – es ist zu fragen, auf welche
1 Coester in Staudinger, § 307 Rz. 261; Bonin in DBD, § 307 Rz. 229; Fuchs in UBH, § 307 Rz. 243. 2 Coester in Staudinger, § 307 Rz. 261; kritisch Wurmnest in MünchKommBGB, § 307 Rz. 72: Unterschied zwischen Nr. 2 und Nr. 1 des § 307 Abs. 2 BGB sei „mit der Lupe zu suchen“. 3 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 523 ff. 4 Fuchs in UBH, § 307 Rz. 242. 5 Coester in Staudinger, § 307 Rz. 262. 6 Bonin in DBD, § 307 Rz. 233. 7 Fuchs in UBH, § 307 Rz. 239. 8 Bonin in DBD, § 307 Rz. 228. 9 BGH v. 5.5.1986 – II ZR 150/85, NJW 1986, 2428.
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Rechte oder Pflichten dieser vertraut hat und vertrauen durfte.1 Letztlich schlägt sich auch hier das Aufmerksamkeitsargument nieder (siehe dazu Rz. 28). Dies gilt deshalb vor allem für die von den Parteien ausgehandelten Hauptleistungen des Vertrages und die wesentlichen Risikoverteilungen.2 Dabei ist auch auf die nach der Verkehrssitte (§ 242 BGB) gebildeten Erwartungen abzustellen.3 Deshalb ist es richtig, stets abstrakt den Vertragstypus als Kontrollmaßstab heranzuziehen – und nicht den konkret von den Parteien ausgehandelten Vertrag.4 Eine Einschränkung liegt dann vor, wenn es zur Enttäuschung des gebildeten 76 Vertrauens kommt.5 Diese Einschränkung muss den Vertragszweck gefährden – das stellt eine gewisse Hürde auf, führt aber nicht dazu, dass der Vertragszweck zwangsläufig vereitelt werden müsste.6 In den Blick zu nehmen sind hier vor allem die Hauptleistungspflichten, aber auch für den Vertragspartner bedeutende Nebenpflichten.7
3. Transparenzgebot a) Allgemeines und Zweck Das Transparenzgebot wurde durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz 77 2001 mit § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB in das Gesetz aufgenommen.8 Die Kodifizierung des zuvor durch Richterrecht gebildeten Transparenzgebots9 ist richtlinienumsetzend.10 Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB müssen AGB klar und verständlich sein, sind sie es nicht, kann daraus die Unangemessenheit der Klausel folgen. Das Transparenzgebot ist eine zentrale Anforderung an alle formularmäßigen Vereinbarungen.11 Dies nicht zuletzt deshalb, weil auch Klauseln, die wegen § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht auf ihre Angemessenheit zu überprüfen sind,12 dennoch am Transparenzgebot gemessen werden, § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB. Insofern besteht die Möglichkeit – oder auch die Gefahr13 –, dass auch Leistungs1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
Stoffels, AGB-Recht, Rz. 530; Fuchs in UBH, § 307 Rz. 245. Niemann in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 98. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 538 ff.; Fuchs in UBH, § 307 Rz. 242. Niemann in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 97; dazu auch Stoffels, JZ 2001, 842. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 545. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 548; Niemann in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 100. Fuchs in UBH, § 307 Rz. 248, 249. Zur Entstehungsgeschichte auch Bonin in DBD, § 307 Rz. 140. BGH v. 24.11.1988 – III ZR 188/87, BGHZ 106, 42 = NJW 1989, 222; BGH v. 17.1.1989 – XI ZR 54/88, NJW 1989, 582. Art. 5 Satz 1 RL 93/13/EWG; EuGH v. 10.5.2001 – C-144/99, NJW 2001, 2244. Zu einseitigen Rechtsgeschäften BAG v. 20.1.2016 – 6 AZR 782/14, NZA 2016, 485. Krause in Staudinger, 2019, Anh. zu § 310 Rz. 238. Dazu Zöllner, ZfA 2010, 637 ff.
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§ 307 | Inhaltskontrolle vereinbarungen, die wegen § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Angemessenheitskontrolle nicht unterfallen, über das anzuwendende Transparenzgebot dennoch einem Kontrollzugriff unterliegen.1 78 Dass AGB transparent zu gestalten sind, ist Ausdruck nicht nur des § 307 Abs. 1
Satz 2 BGB, sondern ist übergreifendes Prinzip der Klauselkontrolle.2 Die §§ 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB, 305c Abs. 1, 2 BGB sind ebenfalls von diesem Prinzip geprägt, gehen als Einbeziehungs- und Auslegungsregelungen aber der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB vor.3 Auch in den speziellen Klauselverboten der §§ 308 Nr. 1–3, 309 Nr. 11a BGB findet das Transparenzgebot seinen Ausdruck.
79 Eine klare und verständliche Regelung ermöglicht zweierlei:4 Zum einen die
Entscheidung darüber, ob überhaupt ein Vertrag mit dem entsprechenden Inhalt geschlossen wird (Abschlusstransparenz),5 zum anderen die Entscheidung, ob vertragliche Rechte überhaupt geltend gemacht werden (Abwicklungstransparenz)6. Damit dient das Transparenzgebot sowohl der Erleichterung des Konditionenwettbewerbs7 wie auch der Vertragsdurchführung.8 In beiden Fällen wird die Rechtsposition des Vertragspartners potentiell verkürzt. Entweder dadurch, dass er keine besseren Regelungen erreichen kann, oder dadurch, dass er seine Rechtsposition nicht erkennt und deshalb auf das Geltendmachen dieser Positionen verzichtet. In dieser Gefahr liegt auch die spezifische Benachteiligung, die intransparenten Regelungen innewohnt.9 Im Arbeitsrecht spielen beide Gesichtspunkte eine Rolle: Der Arbeitnehmer muss bei Vertragsschluss wissen, „was auf ihn zukommt“ – wie etwa bei der Frage, inwieweit geleistete Überstunden vom Grundentgelt umfasst sein sollen.10 Eine solche Klausel wirkt sich direkt auf den Wert der Arbeitsleistung im Falle von Überstunden aus – und ist mithin maßgeblich für die Abschlussentscheidung des Arbeitnehmers. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 68. Bonin in DBD, § 307 Rz. 142. Wurmnest in MünchKommBGB, § 307 BGB Rz. 55. BAG v. 24.5.2018 – 6 AZR 308/17, MDR 2018 1067 Rz 34; Fuchs in UBH, § 307 Rz. 326; Stoffels, ZfA 2009, 861 (878). BAG v. 26.1.2017 – 6 AZR 671/15, AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 192. BAG v. 24.5.2018 – 6 AZR 308/17, MDR 2018 1067; BAG v. 26.1.2017 – 6 AZR 671/15, AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 192. Siehe BAG v. 15.12.2016 – 6 AZR 478/15, NZA-RR 2017, 305. Bonin in DBD, § 307 Rz. 146 ff.; kritisch zur Belastbarkeit der Abschlusstransparenz Krause in Staudinger, Anh. zu § 310 Rz. 241. BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538; BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173. BAG v. 24.8 2017 – 8 AZR 378/16, NZA 2018, 100; BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, NZA 2012, 908; BAG v. 22.2.2012 – 5 AZR 765/10, NZA 2012, 861; BAG v. 1.9.2010 – 5 AZR 517/09, NZA 2011, 575. Für den Fall der Vertragsstrafe BAG v. 24.8 2017 – 8 AZR 378/16, NZA 2018, 100.
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VI. Unangemessene Benachteiligung | § 307
Die Frage der durch eine intransparente Klausel gefährdeten Inanspruchnahme von Rechten des Arbeitnehmers wird etwa dort aufgenommen, wo es um die bestimmte Formulierung von Ausschlussfristen geht.1 Eine Klausel kann – wie sich schon aus dem Wortlaut ergibt – allein wegen ihrer 80 Intransparenz unwirksam sein.2 Freilich ist hier die Gefahr nicht zu übersehen, dass allzu leicht auf das Transparenzprinzip abgehoben wird.3 b) Tatbestand Wie sich aus dem Wortlaut ergibt, ist eine intransparente Klausel für sich nicht 81 automatisch unangemessen,4 die herrschende Meinung liest aber in die Regelung eine unwiderlegliche Vermutung für die Unangemessenheit hinein.5 Deshalb aber kann zwar zur Unwirksamkeit führende Intransparenz nur angenommen werden, wenn dadurch die Interessen des Vertragspartners erheblich zurückgesetzt werden – dies ist aber dann gegeben, wenn er durch eine Regelung über die rechtliche oder wirtschaftliche Bedeutung einer Klausel im Unklaren gelassen wird und so die Gefahr besteht, dass er auf die Geltendmachung seiner Rechtsposition verzichtet. Die Anforderungen, die das Transparenzgebot an den Klauselverwender stellt, 82 sind bisweilen schwer zu fassen, wenngleich auch das BAG richtig feststellt, dass der Verwender von AGB durch das Transparenzgebot auch nicht überfordert werden darf.6 Dabei ist etwa gerade bei komplizierten Klauseln der Ausgleich zwischen genauer und ausführlicher Darstellung und der sich aus dieser Darstellung wiederum ergebenden Gefahr der Intransparenz durch ein Zuviel an Information zu finden.7 aa) Beurteilungsmaßstab Ob eine Klausel klar und verständlich ist, richtet sich nach der Sicht des durch- 83 schnittlichen Kundenkreises des Verwenders,8 im Arbeitsverhältnis also regel1 Etwa BAG v. 12.3.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699. 2 Wurmnest in MünchKommBGB, § 307 Rz. 56. 3 Zöllner, ZfA 2010, 637 (647): Transparenzgebot als Zuflucht, wenn eine sachliche Begründung für Unangemessenheit schwer fällt. 4 Krause in Staudinger, Anh. zu § 310 Rz. 243; dazu auch Wurmnest in MünchKommBGB, § 307 Rz. 58. 5 Roloff in HWK, § 307 BGB Rz. 12. 6 BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324. 7 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 573. 8 BGH v. 23.2.2011 – XII ZR 101/09, NJW-RR 2011, 1144; BGH v. 15.10.1991 – XI ZR 192/ 90, BGHZ 116, 1 = NJW 1992, 179; BGH v. 24.11.1988 – III ZR 188/87, BGHZ 106, 42 = NJW 1989, 222; Wurmnest in MünchKommBGB, § 307 Rz. 64.
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§ 307 | Inhaltskontrolle mäßig nach dem durchschnittlichen, verständigen Arbeitnehmer.1 Dabei wird jedoch auch hier zwischen besonderen Arbeitnehmergruppen zu unterscheiden sein: etwa leitende Angestellte und sonstige Arbeitnehmer.2 Das entspricht der generalisierenden-typisierenden Betrachtung im Hinblick auf die Angemessenheitsprüfung.3 Wenn die Rechtsprechung annimmt, das etwa aus der Bezeichnung eines Lohnbestandteils als übertariflich bereits die Anrechnungsmöglichkeit auf den (gestiegenen) Tariflohn4 oder aus der Bezeichnung „Ausschlussfrist“ deren anspruchsvernichtende Potenz5 für den einzelnen Arbeitnehmer erkennbar ist, dann stützt sich das letztlich auf die objektiv festgestellten Gepflogenheiten. Dass der nach h.M. auch im Arbeitsverhältnis anwendbare § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB die konkreten Umstände des Vertragsschlusses beachtet wissen will, führt aber nicht zu einer Berücksichtigung des Verständnishorizontes des konkreten Arbeitnehmers.6 Nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB ist es aber etwa möglich, dass eine isoliert betrachtet intransparente Klausel etwa durch die Berücksichtigung einer bei Vertragsschluss gegebenen mündlichen Erklärung eindeutig wird.7 bb) Grundsätzliche Ausprägungen des Transparenzgebots 84 Das Transparenzgebot kennt verschiedene Ausprägungen.8 Unmittelbar aus
§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB lässt sich ableiten, dass AGB klar und verständlich sein müssen.9 Das bezieht sich auf die äußere Gestaltung der Regelungen10 – wie etwa dem „Verstecken“ im Vertrag – als auch auf den Inhalt. Die Forderung nach Klarheit und Verständlichkeit gilt für die einzelne Klausel ebenso wie für mehrere, zusammenwirkende Klauseln,11 was vor allem die mit der Klausel ver-
1 BAG v. 22.3.2018 – 6 AZR 835/16, ZMV 2018, 208; BAG v. 20.8.2014 – 10 AZR 453/13, NZA 2014, 1333; BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81; BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 540/05, NZA 2006, 688; Preis/ Roloff, ZfA 2007, 43 (74); Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 68. 2 BAG v. 20.8.2014 – 10 AZR 453/13, NZA 2014, 1333; BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 540/05, NZA 2006, 688; Stoffels, ZfA 2009, 861, 879; Krause in Staudinger, Anh. zu § 310 Rz. 244. 3 Jacobs in BeckOK, § 307 Rz. 60. 4 BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 540/05, NZA 2006, 688. 5 BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324. 6 So aber Bonin in DBD, § 307 Rz. 160; wie hier Krause in Staudinger, Anh. zu § 310 Rz. 244. 7 BAG v. 25.4.2007 – 6 AZR 622/06, AP InsO § 113 Nr. 23. 8 Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 253 ff. 9 BAG v. 23.3.2017 – 6 AZR 705/15, NZA 2017, 773; BAG v. 19.6.2012 – 9 AZR 736/10, AP BGB § 307 Nr. 66; BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538; Fuchs in UBH, § 307 Rz. 335. 10 Wurmnest in MünchKommBGB, § 307 Rz. 60. 11 BGH v. 10.7.1990 – XI ZR 275/89, BGHZ 112, 115 = NJW 1990, 2383; Wurmnest in MünchKommBGB, § 307 Rz. 58.
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VI. Unangemessene Benachteiligung | § 307
bundenen Nachteile für den Vertragspartner betrifft.1 Dem Vertragspartner muss deutlich werden, welche (auch wirtschaftlichen) Belastungen die entsprechende Klausel nach sich zieht.2 Deshalb ist die Rechtsprechung des BAG zu den Ausschlussfristen zumindest fragwürdig, weil dort der Arbeitnehmer die Rechtsfolge des Erlöschens der betroffenen Ansprüche allein aus dem Begriff der „Ausschlussfrist“ ableiten können soll.3 Gleiches gilt für die Rechtsprechung des BAG, wonach es für die Transparenz eines Anrechnungsvorbehalts ausreichen soll, wenn der Begriff „übertariflich“ gebraucht wird.4 Unklar, weil widersprüchlich sind für die Rechtsprechung auch Klauseln, die eine Leistungszusage mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt verbinden.5 Auch vor dem Hintergrund des durchschnittlichen Arbeitnehmers als Maßstab für die Transparenz einer Regelung, ist diese Rechtsprechung aber zu Recht als zu weit gehend kritisiert worden.6 Dies gilt auch für die Kombination von Freiwilligkeit und Widerruf in Bezug auf eine Leistung.7 Weiter gilt das Bestimmtheitsgebot: Der Vertragspartner muss möglichst kon- 85 kret wissen, welche Rechtsfolgen unter welchen Umständen eintreten, er muss Gewissheit über Inhalt und Umfang seiner Rechte und Pflichten haben, um diese auch entsprechend geltend machen bzw. erfüllen zu können.8 Deshalb hat der Verwender seine Klauseln entsprechend konkret zu gestalten.9 Das meint zum einen Bestimmtheit der Rechteinanspruchnahme durch den Verwender. Für das Arbeitsrecht als Dauerschuldverhältnis ist diese Ausprägung des Transparenzgebots von besonderer Bedeutung.10 Eine solche Bestimmtheit ist etwa nicht gegeben, wenn der Verwender in seinen Klauseln zunächst auf ein Regelwerk, im Falle von dessen Unwirksamkeit aber auf ein anderes verweist.11 Auf der anderen Seite sind etwa Kettenverweisungen aber nicht gänzlich ausgeschlossen, sofern die Regelungswerke, auf die weiterverwiesen wird, klar be1 BAG v. 23.3 2017 – 6 AZR 705/15, NZA 2017, 773; BAG v. 19.6.2012 – 9 AZR 736/10, AP BGB § 307 Nr. 66; BAG v. 21.7.2010 – XII ZR 189/08, NJW 2010, 3152. 2 BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, NZA 2008, 170; BAG v. 3.4.2007 – 9 AZR 867/06, NZA 2007, 1045. 3 BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324. 4 BAG v. 27.8.2008 – 5 AZR 820/07, NZA 2009, 49; kritisch dazu auch Bonin in DBD, § 307 Rz. 155a. 5 BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81; BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40; BAG v. 8.12.2010 – 10 AZR 671/09, NZA 2011, 628. 6 Sehr pointiert Zöllner, ZfA 2010, 637. 7 BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 1/08, NZA-RR 2009, 576. 8 BAG v. 23.7.2014 – 7 AZR 771/12, NZA 2014, 1341; BGH v. 22.1.2004 – VII ZR 419/02, NJW 2004, 1597; Wurmnest in MünchKommBGB, § 307 Rz. 59; Fuchs in UBH, § 307 Rz. 338. 9 BAG v. 30.9.2014 – 3 AZR 930/23, NZA 2015, 231; BAG v. 19.6.2012 – 9 AZR 736/10, AP BGB § 307 Nr. 66. 10 Bonin in DBD, § 307 Rz. 144. 11 Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 551.
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§ 307 | Inhaltskontrolle stimmbar sind.1 Dabei muss aber die Auslegung der Bezugnahmeklausel die Reichweite der Kettenverweisung decken. So wird etwa zu Recht bei kirchlichen Arbeitsverträgen mit Bezugnahme auf die Arbeitsvertragsrichtlinien des sog. Dritten Weges (AVR) stets auch ein Verweis auf die diesen zu Grunde liegenden Regelungswerken über das jeweilige Verfahren des Dritten Wege zu sehen sein.2 85a Weiter sind Änderungsvorbehalte, die etwa einen Widerruf einer Leistung nicht
an klare Voraussetzungen binden, wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam.3 Der Vertragspartner muss wissen, unter welchen Umständen und Voraussetzungen mit der Rechtsausübung durch den Verwender zu rechnen ist. Auf der anderen Seite bedeutet dies aber nicht, dass der Verwender keine unbestimmten Rechtsbegriffe verwenden dürfte, auch ist dem Transparenzgebot keine Pflicht des Klauselverwenders zur Rechtsbelehrung immanent.
85b Eng verbunden mit dem Bestimmtheitsgebot ist das Verbot widersprüchlicher
Klauseln. Oft zitiertes Beispiel ist hier die Verbindung von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt über eine Arbeitgeberleistung in einer Klausel.4 Diese Rechtsprechung will der Gefahr begegnen, dass der Arbeitnehmer in der gefestigten Aussicht auf eine Leistung seine vorgegebenen Leistungen erbringt, dann aber diese Leistung entzogen wird.5
86 Weiter dürfen die Klauseln den Vertragspartner nicht täuschen, sie dürfen nicht
eine rechtliche Situation suggerieren, die es nicht gibt (Täuschungsverbot).6 Das gilt im Arbeitsrecht etwa für eine Schriftformklausel, die über die Möglichkeit täuscht, dass dennoch eine mündliche Individualabrede getroffen werden kann.7 Ebenfalls wird die Unwirksamkeit einer Ausschlussfrist, die gesetzliche Mindestentgeltansprüche nicht hinreichend deutlich ausschließt, am Täuschungsverbot festgemacht.8 Andererseits soll es nicht notwendig sein, einer Vertragsstrafenregelung beizufügen, dass nur bei einer schuldhaften Pflichtverletzung die Vertragsstrafe verwirkt ist.9 1 BAG v. 22.3.2018 – 6 AZR 835/16, NZA 2018, 1350. Siehe für die Verweisung auf mitarbeitervertretungsrechtliche Dienstvereinbrungen im katholischen Bereich etwa der mögliche „Umweg“ über Art. 8 der katholischen Grundordnung, dazu insgesamt Klumpp/Holler, KuR 2018, 205 (217f). 2 BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 217/11, NZA 2012, 1440. 3 BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, NZA-RR 2010, 457. 4 BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81; BAG v. 8.12.2010 – 10 AZR 671/09, NZA 2011, 628. 5 Krause in Staudinger (2019) Anh. zu § 310 Rz. 246. 6 BAG v. 24.8.2016 – 5 AZR 703/15, NZA 2016, 1539; BGH v. 27.9.2000 – VIII ZR 155/99, BGHZ 145, 203 = NJW 2001, 292; BGH v. 5.10.2005 – VIII ZR 382/04, NJW 2006, 211; Wurmnest in MünchKommBGB, § 307 BGB Rz. 31; Fuchs in UBH, § 307 Rz. 342. 7 BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, NZA 2008, 1233. 8 BAG v. 24.8.2016 – 5 AZR 703/15, NZA 2016, 1539. 9 BAG v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08, NZA-RR 2009, 519; zweifelnd auch Bonin in DBD, § 307 Rz. 156.
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cc) Transparenz – im Bereich des Möglichen Auch das Transparenzgebot kennt Grenzen. So muss der Verwender im Rahmen 87 des Bestimmtheitsgebotes nicht jeden denkbaren Fall einer Regelung aufnehmen und muss auf der anderen Seite auch keine Selbstverständlichkeiten wiedergeben.1 Dies ist dem Interesse des Verwenders an möglichst flexibler Vertragsgestaltung geschuldet – und der Übersichtlichkeit der Vertragsregelungen selbst.2 Die (bloße) Auslegungsbedürftigkeit eines Begriffs allein führt deshalb auch 88 noch nicht zur Intransparenz,3 auch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe ist deshalb möglich,4 lediglich ungerechtfertigte Beurteilungsspielräume dürfen nicht bestehen.5 Hieraus folgt das Bestimmtheitsgebot für AGB: die Klausel muss so präzise wie möglich gehalten werden – das heißt richtig im Umkehrschluss, dass vermeidbare Unklarheiten zur Intransparenz führen.6 Weitmögliche Klarheit muss sich der Vertragspartner über die wirtschaftliche Bedeutung einer Regelung aus dieser verschaffen können.7 Unklar ist eine Regelung auch, wenn sie über die Rechtslage täuscht.8 Daraus folgt, dass die Frage nach der Transparenz stets am Normzweck auszurichten ist: Wenn der Arbeitnehmer durch eine Klausel vermeidbar daran gehindert wird, seine Rechte wahrzunehmen, spricht dies für Intransparenz.9 Weiter fordert das Transparenzgebot keine Rechtsbelehrungspflicht,10 der Verwender muss den Vertragspartner also nicht explizit auf seine Rechte und deren Geltendmachung hinweisen. Werden die Transparenzanforderungen zu streng gehalten, so kann dies auch 89 die entgegengesetzte Wirkung haben. Dies wird gerade im Arbeitsrecht etwa anhand der Rechtsprechung zu Widerrufsklauseln für Arbeitgeberleistungen deutlich.11 Der Arbeitgeber, der eine Leistung unter einen Widerruf stellen möchte, muss in den Klauseltext auch die Widerrufsgründe aufnehmen. Geschieht dies nicht, ist der Widerruf einer Leistung nicht möglich, sie wird dadurch gleichsam perpetuiert. Erhöhte Anforderungen etwa an die Formulierung der Widerrufsgründe und die daraus resultierende Rechtsunsicherheit bergen deshalb die Gefahr, dass der Arbeitgeber ganz von einer entsprechenden Leistung absieht, oder 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
BGH v. 26.11.1984 – VIII ZR 214/83, NJW 1985, 623; Fuchs in UBH, § 307 Rz. 341. Fuchs in UBH, § 307 Rz. 341. Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 44. Roloff in HWK, § 307 BGB Rz. 13. BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324. BAG v. 30.9.2014 – 3 AZR 930/12, NZA 2015, 231; BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 569. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 572. BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81. Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 44; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 68. Siehe etwa BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81; BAG v. 8.12.2010 – 10 AZR 671/09, NZA 2011, 628; BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40.
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§ 307 | Inhaltskontrolle aber sogleich eine nicht unter Widerrufsvorbehalt stehende, aber geringere Leistung festsetzt.1 Gerade im Hinblick auf das Flexibilisierungsbedürfnis im Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis sind zu hohe Anforderungen an das Transparenzgebot – wie etwa gerade bei Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten – durchaus kritisch zu sehen.2 Auf der anderen Seite überrascht die Rechtsprechung mit sehr mäßigen Anforderungen an die Transparenz einer Klausel, etwa wenn zum Hinweis auf die Rechtsfolge einer Ausschlussfrist der Begriff der „Ausschlussfrist“ an sich ausreichen soll.3 Für die Verdeutlichung der Folgen einer Anrechnungsklausel soll ebenfalls dieser Begriff ausreichen.4 90 Grundsätzlich keine Rolle im Rahmen des Transparenzgebots spielt der Ein-
wand eines Arbeitnehmers, er sei der deutschen Sprache nicht mächtig und könne deshalb eine Klausel nicht verstehen.5 Dies gilt jedenfalls für den typischen Sachverhalt, dass sich der Arbeitgeber lediglich an den deutschen Arbeitsmarkt wendet. Anders kann der Fall liegen, wenn der Arbeitgeber gezielt um ausländische Arbeitskräfte wirbt, wobei dann die Einbeziehungskontrolle im Vordergrund der Prüfung steht. Anderes ergibt sich grundsätzlich auch nicht aus § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB – weil das Sprachrisiko jedenfalls dann, wenn Vertragssprache und Landesprache zusammenfallen, beim Arbeitnehmer liegt.6 Freilich kann es hier eine Rolle spielen, wenn der Arbeitgeber den sprachkundigen Arbeitnehmer übervorteilen will.7 Verwendet der Arbeitgeber einzelne, fachsprachliche, fremdsprachige Begriffe (was unter Umständen etwa zum unschönen „Denglisch“ führen kann), so ist auf den Adressatenkreis abzustellen – so hat das BAG die Verwendung entsprechender Begriffe gegenüber Mitarbeitern im IT-Bereich zu Recht nicht am Transparenzgebot scheitern lassen.8
4. Darlegungs- und Beweislast 91 Die Frage nach der unangemessenen Benachteiligung ist vor allem Wertungs-
frage – Wertungen aber sind keinem Beweis zugänglich. Darüber hinaus erfolgt im Rahmen der Wertung eine generell-typisierte Betrachtung, deren Tatsachen-
1 So auch Bayreuther, ZfA 2011, 45 (54). 2 Selbst BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149; kritisch auch Coester in FS Löwisch (2007), S. 57 (68), der die Hoffnungslosigkeit des Versuchs sieht, den aufgestellten Anforderungen zu genügen. 3 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; anders BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324. 4 BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 540/05, NZA 2006, 688. 5 BAG v. 19.3.2014 – 5 AZR 252/12 (B), NZA 2014, 1076. 6 Dazu Rieble in FS Löwisch (2007), S. 229 (240). 7 BAG v. 19.3.2014 – 5 AZR 252/12 (B), NZA 2014, 1076; Krause in Staudinger, 2019, Anh. zu § 310 Rz. 244. 8 BAG v. 20.8.2014 – 10 AZR 453/13, NZA 2014, 1333.
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grundlagen regelmäßig unstrittig sein dürften. Insgesamt verbleibt es für die Darlegungs- und Beweislast bei den allgemeinen Grundsätzen, wonach die Partei, die die Unwirksamkeit einer Klausel geltend macht, deren tatsächlichen Grundlagen darzutun und zu beweisen hat.1 Wegen der Einordnung der Tatbestände des § 307 Abs. 2 BGB als abgeschlossene Sonderregelungen und nicht als Vermutungsregeln oder Regelbeispiele (siehe Rz. 57), gilt auch hier nichts anderes: Auch hier hat der Vertragspartner die Tatsachen vorzutragen, die Grundlage für eine negative Wertung einer Klausel sind – und umgekehrt.2
VII. Ausgewählte einzelne Klauseln 1. Abtretungs- und Pfändungsverbote Lohnabtretungs- und Verpfändungsverbote unterfallen der Inhaltskontrolle, 92 weil sie § 399 Alt. 2 BGB ergänzen.3 Sie werden nach der Rechtsprechung des BGH sowohl als Abtretungs- oder Verpfändungsverbot als auch als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt für grundsätzlich zulässig gehalten.4 Dafür streitet allgemein das Interesse des Schuldners an der Klarheit und Übersichtlichkeit der Vertragsabwicklung.5 Auch der Arbeitgeber hat als Schuldner des Lohnanspruchs ein Interesse daran, 93 die Abtretung und Verpfändung des pfändbaren Arbeitsentgelts auszuschließen oder zumindest von seiner Zustimmung abhängig zu machen. Dieses Interesse speist sich daraus, dass zum einen durch die Verpfändung zusätzliche (organisatorische) Kosten auf den Arbeitgeber zukommen6 und dass zum anderen eine befreiende Wirkung der Leistung an den Arbeitnehmer nach Anzeige einer Abtretung (§ 407 BGB) nicht möglich ist.7 Der Arbeitgeber trägt also bei einer Abtretung ein erhöhtes Tilgungsrisiko, das insbesondere in einer größeren, arbeitsteiligen Unternehmensorganisation verstärkt bestehen kann. Deshalb werden formularmäßig vereinbarte Abtretungs- und Verpfändungsverbote in Arbeitsverträgen allgemein als zulässig erachtet.8 Dass der Arbeitnehmer damit die 1 BAG v. 24.2.2016 – 5 AZR 258/14, NZA 2016, 762; Coester in Staudinger, § 307 Rz. 104. 2 Coester in Staudinger, § 307 Rz. 228; anders die Vertreter der Vermutungs- oder Regelbeispielsthese, etwa Wurmnest in MünchKommBGB, § 307 Rz. 63; Pfeiffer in WLP, § 307 Rz. 100 ff. 3 Coester in Staudinger, § 307 BGB Rz. 350. 4 BGH v. 17.4.2012 – X ZR 76/11, NJW 2012, 2107; BGH v. 12.10.2011 – IV ZR 163/10, VersR 2012, 230; BGH v. 9.2.1990 – V ZR 200/88, NJW 1990, 1601; BGH v. 3.12.1987 – VII ZR 374/86, NJW 1988, 1210. 5 BGH v. 17.4.2012 – X ZR 76/11, NJW 2012, 2107. 6 BAG v. 18.7.2006 – 1 AZR 578/05, NZA 2007, 462; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 84. 7 Siehe auch BGH v. 9.2.1990 – V ZR 200/88, NJW 1990, 1601. 8 Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 84; Preis in ErfK, § 611a BGB Rz. 462.
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§ 307 | Inhaltskontrolle Möglichkeit verliert, sein pfändbares Arbeitseinkommen als Sicherheit einzusetzen, wird demgegenüber mit Hinweis auf Rechtstatsachen zu Recht als nicht durchschlagend erachtet.1 94 Im Rahmen der Transparenzkontrolle ist zwischen dinglichen und schuldrecht-
lichen Abtretungsverboten zu unterscheiden. Eine Klausel, die den Arbeitnehmer lediglich verpflichtet, seine Ansprüche nicht abzutreten, kann wegen der unklaren Rechtsfolgen als missverständlich und damit intransparent eingeordnet werden.2
95 Formularmäßige Vereinbarungen über die Kosten von Lohnpfändungen
oder Abtretungen können sich auf die konkreten Kosten beziehen oder aber dem Arbeitgeber den Anspruch auf eine Kostenpauschale zuerkennen. Hier wird aber die Möglichkeit einer relativen Pauschale, die sich auf einen bestimmten Prozentsatz der Abtretungsforderung bezieht, abgelehnt.3
2. Anrechnungsvorbehalt 96 Tariflich gebundene Arbeitnehmer erhalten oftmals eine übertarifliche Zulage.
Bei Erhöhung des Tariflohns stellt sich dann die Frage, ob es zu einer Anrechnung dieser Erhöhung auf die übertarifliche Zulage kommt und so das Gesamteinkommen für den Arbeitnehmer auch nach einer Tariferhöhung stabil bleibt oder ob keine Anrechnung erfolgt und sich das Gesamteinkommen entsprechend erhöht. Der Arbeitgeber wird regelmäßig ein Interesse an der Anrechnung haben. Dieses kann durch Vereinbarung auf zwei Wegen umgesetzt werden: Einmal durch die Vereinbarung der Anrechnung selbst (Anrechnungsklausel) und zum anderen durch Vereinbarung der Möglichkeit für den Arbeitgeber, die Tariflohnerhöhung anzurechnen (Anrechnungsvorbehalt). Solche Vereinbarungen über die Anrechnung einer Erhöhung des Tarifentgelts auf die übertariflichen Zulagen sind seit langem fester Bestandteil der Arbeitsverträge.4 Sie sind regelmäßig Teil einer Bruttolohnvereinbarung und unterfallen wegen § 307 Abs. 3 Satz 1, 2 BGB lediglich der Transparenzkontrolle des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.5
97 Ob lediglich die Bezeichnung einer Zulage als „übertariflich“ bereits zu einem
transparenten Anrechnungsvorbehalt führt, ist fraglich Die Rechtsprechung
1 Preis in Preis, II A 10 Rz. 8; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 84.; a.A. Lakies, Inhaltskontrolle, Rz. 501. 2 In diese Richtung Preis in Preis, II A 10 Rz. 30. 3 Skeptisch auch Lakies, Inhaltsnormen, Rz. 505. 4 BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, NZA 2006, 746. 5 BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, NZA 2006, 746; BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 540/05, NZA 2006, 688; Lakies, Inhaltskontrolle, Rz. 526; Krause in Staudinger, 2013, Anhang zu § 310 Rz. 207.
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hatte dies bis zur Schuldrechtsreform als ausreichend zugelassen1 und judiziert auch seitdem entsprechend.2 Aus der Sicht eines durchschnittlichen Arbeitnehmers wird man aber allein aus dem Wort „übertariflich“ nicht schließen können, dass es im Falle einer Tariflohnerhöhung zu einer Anrechnung kommt.3 Außerdem ist es dem Arbeitgeber als Verwender der Klausel zuzumuten, eine eindeutigere Formulierung zu verwenden.4 Deshalb ist eine ausdrückliche Regelung der Anrechnung zu fordern.5 Zu unterscheiden sind Anrechnungsvorbehalte im Hinblick auf übertarifliche 98 Zulagen aber von solchen Vorbehalten, die sich auf vereinbarte selbständige Lohnbestandteile beziehen, wie etwa Leistungszulagen, Familienzulagen oder Erschwerniszulagen. Hier greift ein Anrechnungsvorbehalt in bereits zugesagte Leistungen ein, weshalb eine Inhaltskontrolle anhand § 308 Nr. 4 BGB vorzunehmen ist.6 Siehe dazu § 308 Rz. 61.
3. Arbeitszeit Die Länge der Arbeitszeit setzt maßgeblich die Hauptleistung des Arbeitneh- 99 mers fest, deshalb sind entsprechende formularmäßige Vereinbarungen (grundsätzlich) der Inhaltskontrolle entzogen, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Allerdings hat sich im Hinblick auf Flexibilisierungsregelungen eine eher enge Anwendung dieses Grundsatzes durchgesetzt – für Klauseln über Abrufarbeit, Kurzarbeit oder Überstunden wird durch die Rechtsprechung eine Inhaltskontrolle anhand der §§ 307 ff. BGB durchgeführt.7 Das Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers wird dabei anerkannt und gegen das Interesse des Arbeitnehmers an einer stabilen Arbeitszeitregelung – und einer entsprechenden Lohnerwartung – gesetzt. Die Inhaltskontrolle anhand der §§ 307 ff. BGB hat hier im Ergebnis zur älteren 1 BAG v. 8.12.1982 – 4 AZR 481/80, NJW 1984, 1708; BAG v. 11.8.1992 – 1 AZR 100/88, AP BetrVG § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 53. 2 BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 540/05, NZA 2006, 688; BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, NZA 2006, 746; BAG v. 27.8.2008 – 5 AZR 820/07, NZA 2009, 49; BAG v. 23.9.2009 – 5 AZR 973/08, AP TVG § 4 Übertarifl. Lohn und Tariflohnerhöhung Nr. 4; BAG v. 18.5.2011 – 10 AZR 206/10, NZA 2011, 1289; LAG Baden-Württemberg v. 21.6.2013 – 9 Sa 10/13. 3 Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 86; Ebenso Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 65; Suckow in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 289: „überraschend“; Thüsing, AGBKontrolle, Rz. 287; Franke, NZA 2009, 245 (247). 4 Franke, NZA 2009, 245 (247). 5 So auch Bonin in DBD, § 308 Rz. 48; offener Krause in Staudinger, 2019, Anh. zu § 310 Rz. 244. 6 BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, NZA 2006, 746; BAG v. 30.5.2006 – 1 AZR 111/05, NZA 2006, 1170; Franzen, GS Zachert (2010), S. 386 (398); Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 87; dazu auch die Kommentierung zu § 308 Nr. 4 BGB Rz. 60. 7 BAG v. 14.8.2007 – 9 AZR 18/07, NZA 2008, 1194; BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423; BAG v. 21.6.2011 – 9 AZR 238/10, EzA § 306 BGB 2002 Nr. 5.
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§ 307 | Inhaltskontrolle Rechtsprechung ein höheres Maß an Flexibilisierungspotential gebracht: Bedeutete doch zuvor eine einseitige Zugriffsmöglichkeit des Arbeitgebers auf die Länge der Arbeitszeit eine Umgehung des Kündigungsschutzes und war damit nichtig.1 Hauptproblem bei der Kontrolle formularmäßiger Arbeitszeitregelungen ist nunmehr, wann die Regelung einer inhaltskontrollfreien Hauptleistung vorliegt und wann eine kontrollfähige Nebenbestimmung gegeben ist. a) Abrufarbeit 100 Durch eine Abrufklausel ist der Arbeitgeber berechtigt, ausgehend von einem
vereinbarten festen Arbeitszeitsockel weitere Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nach Bedarf abzurufen. Dabei unterscheidet sich die Vereinbarung über die Abrufarbeit von einer Überstundenvereinbarung dadurch, dass die Erhöhung der Arbeitszeit nicht nur vorübergehend und in Einzelfällen erfolgen soll, sondern das konkrete Arbeitszeitvolumen ausgehend von einem Sockel sowohl „nach unten“ als auch „nach oben“ vom Arbeitgeber abgerufen werden kann.2 Gesetzlich geregelt ist die Abrufarbeit zwar in § 12 TzBfG, die Vorschrift setzt aber ein Teilzeitarbeitsverhältnis voraus, auf ein Vollzeitarbeitsverhältnis ist sie nicht anwendbar.3 Sie wird gleichwohl als gesetzliches Leitbild für die interessengerechte Gestaltung der Abrufarbeit herangezogen – allerdings setzt die Vorschrift nur Voraussetzungen dem Grunde nach und nicht etwa im Hinblick auf den Umfang der abrufbaren Arbeitszeit (siehe Vor § 307 Rz. 5).
101 Der 5. Senat des BAG unterzieht Abrufklauseln einer Inhaltskontrolle anhand
§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.4 In der Vereinbarung einer Abrufklausel liegt richtig eine Abweichung vom Grundsatz, dass der Arbeitgeber das sich in § 615 BGB manifestierende Wirtschaftsrisiko zu tragen hat.5 Deshalb – und auch im Hinblick auf das Leitbild des § 12 Abs. 1 TzBfG – bedarf es zunächst in jedem Falle der Vereinbarung einer Sockelarbeitszeit.6 Wird diese nicht vereinbart, so gilt nunmehr nach § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG eine Sockelarbeitszeit von 20 Stunden in der Woche als vereinbart. In einer Entscheidung vom 21.6.20117 hat der 9. Senat des BAG einer Klausel, die eine „durchschnittliche Arbeitszeit vom 150 Stunden“ (mit Verpflichtung zur weiteren Abrufarbeit) vorsah, die Wirksamkeit wegen Verstoßes gegen des Transparenzprinzip, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, ver1 BAG v. 12.12.1984 – 7 AZR 509/83, NZA 1985, 321. 2 BAG v. 14.8.2007 – 9 AZR 18/07, NZA 2008, 1194; BAG v. 24.9.2014 – 5 AZR 1024/12, NZA 2014, 1328; Fuchs/Bieder in UBH, Anh. Zu § 310 Rz. 63. 3 Preis in ErfK, § 12 TzBfG Rz. 8. 4 BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423. 5 BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 89. 6 Striegel in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 302. 7 BAG v. 21.6.2011 – 9 AZR 238/10, EzA § 306 BGB 2002 Nr. 5.
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weigert.1 Eine Inhaltskontrolle hat das Gericht in diesem Falle nicht vorgenommen. Das ist insofern richtig, als die Vereinbarung einer durchschnittlichen Arbeitszeit ohne einen entsprechenden Bezugsrahmen für den Arbeitnehmer unklar ist. Freilich hätte das Gericht im konkreten Fall auf die zwingende Regelung des § 12 Abs. 1 TzBfG zurückgreifen müssen.2 Für den Ausgleich zwischen dem Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers und 102 dem Stabilitätsinteresse des Arbeitnehmers orientierte sich die Entscheidung an der Rechtsprechung zu den Widerrufsvorbehalten (dazu § 308 Rz. 107 ff.) und kam zu dem (freilich nicht näher hinterfragten) Ergebnis, dass die flexible, vom Arbeitgeber abrufbare Arbeitszeit nicht über 25 % der wöchentlichen Arbeitszeit hinausgehen darf.3 Diese Grenze konnte nach einer späteren Entscheidung auch übertroffen werden, wenn besondere Gründe dafür sprachen – im konkreten Fall ging es um eine Überschreitung der Mindestarbeitszeit um 75 %, allerdings wurde dieses weitgehende Abrufrecht unter anderem durch den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen kompensiert.4 Das Gericht hatte hier die (auch tatsächlichen) Besonderheiten des Arbeitsrechts herangezogen.5 Später benannte das BAG gar keine Grenzen mehr.6 Nunmehr zieht § 12 Abs. 2 TzBfG diese Grenzen zwingend:7 Bei einer vereinbarten Mindestarbeitszeit dürfen nicht mehr als 25 %, bei einer vereinbarten Höchstarbeitszeit nur bis zu 20 % weniger abgerufen werden, § 12 Abs. 2 TzBfG ist – im Gegensatz zu den Absätzen 1 und 3 – nicht tarifdispositiv. Einer Angabe konkreter Gründe für die Inanspruchnahme von Abrufarbeit hat 103 das BAG zu Recht eine Absage erteilt,8 weil eine Festlegung der Abrufgründe zum Vereinbarungszeitpunkt nicht möglich ist und dem Flexibilisierungsinteresse des Arbeitgebers widerspricht.9 Freilich wird man im Hinblick auf das Transparenzgebot eine grundsätzliche Beschreibung der Abrufgründe verlangen müssen, die Rechtsprechung lässt hierfür als Terminus „bedarfsbedingte Gründe“ aber ausreichen.10 Der 5. Senat schließt die sich durch die Unwirksamkeit einer Abrufklausel er- 104 gebende Lücke durch eine ergänzende Vertragsauslegung,11 weil wegen des en1 Sehr kritisch dazu Preis, RdA 2012, 101. 2 Ebenso Preis, RdA 2012, 101 (104). 3 BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423; siehe auch Jacobs in BeckOKArbR, § 307 BGB Rz. 33a. 4 BAG v. 14.8.2007 – 9 AZR 18/07, NZA 2008, 1194. 5 BAG v. 14.8.2007 – 9 AZR 18/07, NZA 2008, 1194. 6 BAG v. 24.9. 2014 – 5 AZR 1024/12, NZA 2014, 1328. 7 Siehe dazu Bayreuther, NZA 2018, 1577 (1581). 8 BAG v. 14.8.2007 – 9 AZR 18/07, NZA 2008, 1194. 9 BAG v. 14.8.2007 – 9 AZR 18/07, NZA 2008, 1194. 10 BAG v. 14.8.2007 – 9 AZR 18/07, NZA 2008, 1194. 11 BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423.
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§ 307 | Inhaltskontrolle gen Zusammenhangs der (isolierten) Abrufregelung und der vereinbarten Sockelarbeitszeit die Arbeitszeitregelung insgesamt unwirksam ist.1 105 Freilich ist an dem Einbezug einer Abrufklausel in die Inhaltskontrolle mit dem
Hinweis Kritik geübt worden, dass eine Vereinbarung wie die der „Arbeit auf Abruf“ eine Vereinbarung über die Hauptleistungen des Arbeitsvertrages und damit inhaltskontrollfrei sei.2 Das zeige sich nicht zuletzt daran, dass bei Unwirksamkeit einer Klausel zur Arbeit auf Abruf eine ergänzende Vertragsauslegung herangezogen wird, die letztlich genau diese Hauptleistungen (nämlich die Arbeitszeit) festsetzen müsse. Dieser Kritik ist nicht beizupflichten: Zwar ist die Grenze zwischen Regelungen, die selbst Festlegung der Hauptleistung sind, und solchen, die diese ergänzen, einschränken oder abändern, schwer zu greifen – wie gerade das Beispiel der Abrufarbeit zeigt. Allerdings lässt sich bei Abrufklauseln sehr wohl zwischen der Festsetzung der Arbeitszeit und der einseitigen Abrufbefugnis des Arbeitgebers trennen. Außerdem wird der Arbeitnehmer einer Abrufbefugnis – im Gegensatz zur Festlegung der Sockelarbeitszeit – weniger Aufmerksamkeit schenken (zur Abgrenzung zwischen Hauptleistungen und zu kontrollierenden Nebenleistungen siehe Rz. 30 ff.). Deshalb sind Abrufarbeitsklauseln der Inhaltskontrolle zu unterziehen. b) Kurzarbeitsklauseln
106 Kurzarbeitsklauseln geben dem Arbeitgeber das Recht, durch einseitige Bestim-
mung die Arbeitszeit abzusenken. Ohne Vereinbarung ist die Anordnung von Kurzarbeit durch den Arbeitgeber nicht möglich.3 Entgegen der Rechtsprechung vor der Schuldrechtsreform4 werden Kurzarbeitsklauseln als grundsätzlich zulässig angesehen, aber einer Inhaltskontrolle unterzogen.5 Weil durch die Anordnung der Kurzarbeit in das arbeitsvertragliche Synallagma eingegriffen wird und damit der arbeitsrechtliche Bestandsschutz gefährdet ist, sind formularmäßige Kurzarbeitsvereinbarungen nur unter Einschränkungen angemessen. Damit liegt eine Abweichung vom Leitbild der § 611a BGB, § 2 KSchG vor. Solche Klauseln, die voraussetzungslos den Arbeitgeber zur Anordnung von Kurzarbeit berechtigen, sind deshalb unwirksam.6 Kurzarbeitsklauseln sind zunächst nur dann zulässig, wenn sie eine konkrete und angemessene Ankündigungsfrist enthalten, damit sich der Arbeitnehmer auf die Absenkung der Arbeitszeit (und 1 2 3 4 5
BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423. Junker in FS Buchner (2009), S. 369 (375). Henssler/Moll, S. 77. BAG v. 18.10.1994 – 1 AZR 503/93, NZA 1995, 1064. Roloff in HWK, Anh. zu §§ 305–310 BGB Rz. 7; Preis/Lindemann in Preis, II A 90 Rz. 79; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 BGB Rz. 90; wohl auch Henssler/Moll, S. 77; LAG Berlin-Brandenburg v. 7.10.2010 – 2 Sa 1230/10, NZA-RR 2011, 65. 6 Roloff in HWK, Anh. zu §§ 305–310 BGB Rz. 7.
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damit die Verringerung des Arbeitsentgelts) einstellen kann.1 Außerdem werden die Angabe des möglichen Umfangs und der möglichen Zeitdauer der Kurzarbeit zu fordern sein.2 Im Hinblick auf die Gründe zur Anordnung von Kurzarbeit wird eine Verknüpfung mit den Voraussetzungen des Kurzarbeitergeldanspruches nach §§ 95 ff. SGB III richtig als interessengerecht angesehen.3 Im Hinblick auf den Umfang der Absenkung und unter Rekurs auf Bestands- 107 schutzgesichtspunkte wird vertreten, dass eine Absenkung unter 80 % oder 75 %4 der regelmäßigen Arbeitszeit durch formularmäßige Vereinbarung nicht möglich sei.5 Allerdings übersieht eine solch starre Grenze, dass im Rahmen der Interessenabwägung auch der Anspruch des Arbeitnehmers auf Kurzarbeitergeld nach §§ 95 ff. SGB III zu berücksichtigen ist, so dass finanzielle Einbußen abgefedert werden können.6 Da eine Kurzarbeitsklausel richtigerweise nur zulässig ist, wenn für die Kurzarbeitsanordnung die Voraussetzungen der §§ 95 ff. SGB III vorliegen, sind die Interessen des Arbeitnehmers auch ohne Festlegung einer Untergrenze der Absenkung gewahrt. c) Überstundenregelungen Auch die Vereinbarung des Rechts für den Arbeitgeber, Überstunden anzuord- 108 nen, betrifft eine Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers, ist aber nach h.M. einer Inhaltskontrolle zugänglich, weil der Arbeitgeber einseitig die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers anordnen darf.7 Dabei ist den Interessen des Arbeitnehmers insbesondere durch die Vereinbarung einer angemessenen Ankündigungsfrist Rechnung zu tragen.8 Von der Möglichkeit des Arbeitgebers, Überstunden anzuordnen, zu unterschei- 109 den sind solche Regelungen, die die (zusätzliche) Vergütung von Überstunden betreffen. Solche Vereinbarungen sind nach der Rechtsprechung inhaltskontrollfrei, weil sie mit der Vergütung eine Hauptleistung aus dem Arbeitsverhältnis festlegen.9 Den Forderungen des Transparenzgebots des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ist entsprochen, wenn für den Arbeitnehmer klar und verständlich ist, welche Überstunden vom vereinbarten Bruttolohn (noch) umfasst sind und er so den Gegenwert für seine Arbeitsleistung ausmachen kann.10 Eine unklare Klau1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
LAG Berlin-Brandenburg v. 7.10.2010 – 2 Sa 1230/10, NZA-RR 2011, 65. Roloff in HWK, Anh. zu §§ 305–310 BGB Rz. 7. Däubler in DBD, § 307 BGB Rz. 181; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 90. Bauer/Günther, BB 2009, 662. Däubler in DBD, § 307 BGB Rz. 181. Roloff in HWK, Anh. zu §§ 305–310 BGB Rz. 7. Däubler in DBD, § 307 BGB Rz. 182. Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 136. BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, NZA 2012, 908. BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, NZA 2012, 908; BAG v. 1.9.2010 – 5 AZR 517/09, NZA 2011, 575; BAG v. 17.8.2011 – 5 AZR 406/10, NZA 2011, 1335.
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§ 307 | Inhaltskontrolle sel birgt die Gefahr, dass der Arbeitnehmer nicht erkennt, ab wann er eine zusätzliche Vergütung für die geleisteten Überstunden verlangen kann.1 Das gilt etwa für eine Klausel, nach der sich das Bruttogehalt auf die „erforderlichen Überstunden“ beziehe.2 Transparent dagegen ist eine Vereinbarung, nach der im vereinbarten Lohn die ersten zwanzig Überstunden „mit drin“ sind.3 110 Diese Rechtsprechung bedarf allerdings der Korrektur, wenn es dem Arbeit-
geber obliegt, einseitig Überstunden anzuordnen, denn dann besteht für den Arbeitgeber ein Recht, über die Anordnung von Überstunden auch auf die Höhe des Arbeitsentgelts einseitig Einfluss zu nehmen.4 Eine solche Regelung unterliegt der Inhaltskontrolle, weil die einseitige Preisbestimmung eine Nebenregelung zur Hauptleistung ist, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB.5 Hier wurde eine Grenze für den unzulässigen Eingriff in das Äquivalenzverhältnis von Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt bei 10 % der wöchentlichen Arbeitszeit gesehen.6 Das BAG hat die Frage freilich offengelassen.7
111 Regelungen über die Lage der vereinbarten Arbeitszeit weichen regelmäßig nicht
von den Vorgaben des § 106 GewO ab und werden damit keiner Inhaltskontrolle unterzogen.8 Der Arbeitnehmer ist hier über die Ausübungskontrolle und über das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG geschützt.
4. Aufrechnungsverbot 112 Siehe dazu die Ausführungen zu § 309 Nr. 3 BGB (§ 309 Rz. 27 ff.).
5. Ausschlussfristen 113 Vor allem aus Gründen der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens9 werden im
Arbeitsverhältnis Ausschlussfristen (auch: Verfallklauseln) vereinbart. Sie gehören zu den hergebrachten Regelungen in Arbeits- wie in Tarifverträgen, aber
1 BAG v. 22.2.2012 – 5 AZR 765/10, NZA 2012, 861; BAG v. 1.9.2010 – 5 AZR 517/09, NZA 2011, 575. 2 BAG v. 22.2.2012 – 5 AZR 765/10, NZA 2012, 861; BAG v. 1.9.2010 – 5 AZR 517/09, NZA 2011, 575. 3 BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, NZA 2012, 908. 4 Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 91. 5 LAG Hamm v. 11.7.2007 – 6 Sa 410/07, AE 2007, 312. 6 Roloff in HWK, 5. Aufl., Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 34. 7 BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 331/11, NZA 2012, 908. 8 Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 91. 9 Husemann, NZA-RR 2011, 337 (337); zu den weiteren (vermeintlichen) Zwecken der Ausschlussfristen siehe Krause, RdA 2004, 106 (106).
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auch in Betriebsvereinbarungen.1 Wird innerhalb der Ausschlussfrist ein Anspruch nicht geltend gemacht, so führt dies zum Erlöschen des Anspruchs.2 Ausschlussfristen werden als einstufige (dann ist lediglich die Geltendmachung des Anspruchs gegenüber dem Schuldner notwendig) und (häufiger) als zweistufige vereinbart, dann wird nach Ablehnung durch den Schuldner auch die gerichtliche Geltendmachung gefordert. Einzelvertraglich sind Ausschlussfristen keine über die allgemeine Rechtskontrolle hinausgehenden Grenzen gesetzt. Ausschlussfristen sind als solche nicht materiell überraschend i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB.3 Formularmäßig vereinbarte und damit einzelvertragliche Ausschlussfristen un- 114 terfallen – im Gegensatz zu tariflichen Ausschlussfristen4 – der AGB-Kontrolle. Sie sind grundsätzlich zulässig.5 Rückwirkende Ausschlussfristen freilich sind grundsätzlich unwirksam.6 Die Ausschlussklauseln weichen von dem Grundsatz ab, dass Ansprüche – jenseits einer möglichen Verwirkung – nicht durch Zeitablauf erlöschen, weshalb nach § 307 Abs. Satz 1 BGB die Inhaltskontrolle eröffnet ist.7 Sie sind aber nicht wegen eines Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB stets unwirksam – weil das Gesetz in § 202 BGB auch eine Abweichung von den gesetzlichen Verjährungsregeln zulässt.8 Gesetzliches Leitbild für die Inhaltskontrolle sind – cum grano salis – mit der herrschenden Meinung die Verjährungsregelungen der §§ 194 ff. BGB.9 Zwar gibt es Unterschiede zwischen der Verjährung und der Wirkung einer Ausschlussfrist, von denen der wichtigste ist, dass die Erhebung der Verjährungseinrede nur die Durchsetzbarkeit eines Anspruches hindert, der Ablauf einer Ausschlussfrist aber zum Erlöschen des Anspruches führt. Gleichwohl greift gerade das Verjährungsrecht die auch im Rahmen der Vereinbarung einer Ausschlussfrist relevanten Interessen im Hinblick auf das Herbeiführen von Rechtsfrieden und Rechtsklarheit auf der einen Seite und einer angemessenen Möglichkeit zur Geltendmachung eines Anspruches auf der anderen Seite auf. 1 Dazu Husemann, NZA-RR 2011, 337 (338). 2 Preis in ErfK, §§ 214–218 BGB Rz. 33. 3 BAG v. 28.11.2017 – 8 AZR 67/15, NZA 2018, 589; BAG v. 19.3.2014 – 5 AZR 252/12, NZA 2014, 1076, BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324. 4 Punktuell in Bezug genommene Ausschlussfristen unterliegen dann als arbeitsvertragliche Bedingung der AGB-Kontrolle, Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 100. 5 BAG v. 12.3.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699; BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; BAG v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149. 6 BAG v. 24.11.2014 – 5 AZR 254/13 AP Nr 46 zu § 10 AÜG; BAG v. 19.2.2014 – 5 AZR 920/12, AP Nr 39 zu § 10 AÜG. 7 BAG v. 28.11.2017 – 8 AZR 67/15- NZA 2018, 589; BAG v. 12.3.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699. 8 Krause, RdA 2004, 106 (111). 9 BAG v. 20.6.2018 – 5 AZR 262/17, NZA 2018, 1402; ausführlich BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (66); Lakies, S. 330; differenzierend Preis in ErfK, §§ 214–218 BGB Rz. 32.
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§ 307 | Inhaltskontrolle 115 § 309 Nr. 13 BGB ist bei Ausgleichsfristen dann nicht tatbestandlich,1 wenn mit
der einfachen und (zweite Stufe) gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche keine zusätzlichen Formerfordernisse geschaffen werden.2 Anderes gilt für Ausschlussfristen, die seit dem 1.10.2016 vereinbart werden, wenn die Geltendmachung innerhalb der ersten Frist schriftlich und damit verschärft gegenüber der in § 309 Nr. 13 lit. b BGB vorgesehenen Textform erfolgen soll.3 Zu § 309 Nr. 14 siehe § 309 Rz. 153 ff.
116 Wesentlich für die Angemessenheit einer Ausschlussfrist ist deren Länge. Das
Interesse des Arbeitnehmers, (vermeintliche) Ansprüche prüfen zu können und nicht zu einer voreiligen (und dann erfolglosen) Geltendmachung gedrängt zu werden, ist dabei maßgeblich gegen das Interesse des Arbeitgebers an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu setzen.4 Dabei muss zunächst einmal eine gesetzliche Leitregelung gefunden werden, anhand derer eine Abweichung auf ihre Angemessenheit hin beurteilt werden kann. Tarifliche Ausschlussfristen scheiden wie gezeigt als Kontrollmaßstab aus,5 obwohl die Rechtsprechung (auch) auf sie Bezug nimmt.6 Zwar wird insgesamt als gesetzliches Leitbild auf die Verjährungsregelungen verwiesen,7 vor dem Hintergrund der im Vergleich mit den regelmäßigen Ausschlussfristen aber sehr langen Regelverjährung von drei Jahren, § 195 BGB, verweist auch die Rechtsprechung auf andere, speziell arbeitsrechtliche Fristen zur Geltendmachung von Ansprüchen.8 Dies gilt etwa für die Zwei-Monats-Frist des § 15 Abs. 4 AGG für Ansprüche aus § 15 Abs. 1 und 2 AGG. Hier hat man es gleichsam mit einer gesetzlichen zweistufigen Ausschlussfrist zu tun, weil § 61b Abs. 1 ArbGG eine gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG innerhalb von drei Monaten vorsieht.9 Weiter wird auch auf die Fristen nach § 4 KSchG, § 17 TzBfG verwiesen.10
1 Preis in ErfK, §§ 214–218 BGB Rz. 45; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 101; Preis/Roloff, RdA 2005, 144 (147); Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 160. 2 Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 101; BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111, will dagegen § 309 Nr. 13 BGB wegen der Besonderheiten des Arbeitsrechts nicht angewendet wissen. 3 Krause in Staudinger, Anh. zu § 310 Rz. 224; Lipinsik/Kandl, BB 2016, 2487 (2488). 4 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; Preis in ErfK, §§ 194–218 BGB Rz. 46; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 102. 5 Speziell zu Ausschlussfristen Jacobs/Naber, RdA 2006, 181 (186). 6 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111. 7 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; BAG v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 99; Krause in Staudinger, Anh. § 310 BGB Rz. 224. 8 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111. 9 Roloff in HWK, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 12. 10 BAG v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149.
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Im Ergebnis als angemessen werden in Judikatur und Literatur Fristen von einer 117 Länge von drei Monaten für beide Stufen angesehen.1 Eine geringere Fristdauer ist danach nicht zulässig.2 Damit hat sich nach der Aufgabe der Bereichsausnahme eine Verschärfung der Wirksamkeitsvoraussetzungen ergeben, weil zuvor das BAG noch Fristen mit der Länge von einem Monat goutiert hatte.3 Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung weicht so von der strengeren Praxis des BGH ab, der eine Fristdauer von mindestens sechs Monaten verlangt.4 Allerdings kann diese Rechtsprechung nicht auf den Arbeitsvertrag übertragen werden.5 Stützte man sich freilich auf § 15 Abs. 4 AGG, könnte man anhand der gesetzli- 118 chen Vorgaben auch eine kürzere Frist zumindest für die erste Stufe zulassen. Allerdings ist zu konstatieren, dass § 15 Abs. 4 AGG lediglich die Ansprüche aus § 15 Abs. 1 und 2 AGG umfasst und so eine enge Sonderregelung ist – was auch auf § 9 Satz 3 AEntG (Frist: sechs Monate) zutrifft und den vormaligen § 8 Abs. 3 Satz 1 MiArbG zutraf. Deshalb können und konnten diese Regelungen nicht als Leitbild für die Angemessenheitskontrolle dienen.6 Dies gilt auch für die Frist des § 61b Abs. 1 ArbGG. Deshalb sind die angemessenen Fristen in einer Gesamtschau zu bestimmen und nicht lediglich auf eine gesetzliche Leitentscheidung zu beziehen. Immerhin sieht das Gesetz etwa in den § 4 KSchG, § 17 TzBfG auch kürzere Fristen für eine gerichtliche Geltendmachung wenn nicht von Ansprüchen, so doch (oder erst recht) im Hinblick auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses vor.7 Im Ergebnis – und im Hinblick auf die hier vertretene Auffassung vom Beginn der Frist (dazu Rz. 120 f.) – scheint für die erste Stufe eine Frist von drei Monaten nicht unangemessen zu sein. 1 BAG v. 28.11.2017 – 8 AZR 67/15, NZA 2018, 589; BAG v. 14.6.2016 – 9 AZR 181/15, NZA-RR 2016, 565; BAG v. 7.1.2016 – 5 AZR 277/14, NZA 2016, 679; BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 251/11, NJW 2012, 2905; BAG v. 12.3.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699; BAG v. 28.11.2007 – 5 AZR 992/06, NZA 2008, 293; BAG v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149; BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; Roloff in HWK, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 12; Krause, RdA 2004, 106 (111); Preis in ErfK, §§ 214–218 BGB Rz. 46; kritisch Lakies, S. 332. 2 BAG v. 27.1.2016 – 5 AZR 277/14, NZA 2016, 679; BAG v. 14.6.2016 – 9 AZR 181/15, NZA-RR 2016, 565; BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 251/11, NJW 2012, 2905; BAG v. 22.2. 2012 – 5 AZR 765/10, EzA-SD 2012, Nr. 13, 7–9; BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 200/10, NZA 2011, 917; so auch Roloff in HWK, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 12 und Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 102 m.w.N. 3 BAG v. 13.12.2000 – 10 AZR 168/00, NZA 2001, 723; BAG v. 27.2.2002 – 9 AZR 543/00, DB 2002, 1720. 4 BGH v. 24.9.1979 – II ZR 38/78, DB 1980, 82; BGH v. 19.5.1988 – I ZR 147/86, BGHZ 104, 292 (294) ff. 5 Striegel in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 429. 6 Dazu Kortstock, NZA 2010, 311 (313). 7 Weshalb Löwisch in FS Canaris Bd. I (2007), S. 1403 (1417), sich auch daran orientieren und Ein-Monats-Fristen zulassen will.
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§ 307 | Inhaltskontrolle 119 Denn maßgeblich für die Länge der Ausschlussfrist ist das zu berücksichtigende
Interesse des Arbeitnehmers, Ansprüche vor der Geltendmachung hinreichend prüfen zu können. Schwer wiegt aber die Überlegung, dass die zweite Stufe der gerichtlichen Geltendmachung nicht zwangsläufig ebenso lang bemessen sein muss wie die erste Stufe. Dies folgt schon daraus, dass der Gläubiger sich bereits für die Geltendmachung gegenüber dem Schuldner seines Anspruches vergewissern muss – und er so gleichsam bereits „Vorarbeiten“ für eine gerichtliche Geltendmachung tätigt. Hernach wird er (lediglich) zu entscheiden haben, ob er (auch unter Heranziehung eines Rechtsbeistandes) gerichtlich vorgeht. Deshalb kann die zweite Stufe kürzer bemessen sein. Hierfür dürften zwei Monate genügen.1
120 Wird für den Fristbeginn der ersten Stufe auf die Fälligkeit des Anspruchs abge-
stellt, so ist dies nicht unangemessen benachteiligend.2 Unklarheiten gehen hier aber zu Lasten des Arbeitgebers.3 Allerdings setzt das BAG für die Fälligkeit voraus, dass der Gläubiger des Anspruches diesen zumindest annähernd beziffern kann.4 Das ist der Fall, wenn dem Arbeitnehmer die zur Geltendmachung des Anspruches notwendigen Tatsachen bekannt oder grob fahrlässig unbekannt geblieben sind.5 Dabei wird zu Recht auf die Wertung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB verwiesen.6 Auf objektive Zeitpunkte, wie etwa die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, darf nach der Rechtsprechung dagegen nicht abgestellt werden.7 Dies wird zu Recht mit Hinweis auf §§ 199 Abs. 2–4 BGB kritisiert,8 weshalb auch objektive Tatbestände wie die Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Beginn für den Fristlauf vereinbart werden können. Allerdings muss wegen des Transparenzgebots, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, in der Klausel deutlich werden, an welchen Zeitpunkt der Lauf der Ausschlussfrist anknüpft.9
121 Die Rechtsprechung des BGH zum Hinausschieben des Fristbeginns der Verjäh-
rung bei Amtshaftungsansprüchen wegen unübersichtlicher Rechtslage10 kann nicht auf den Beginn arbeitsvertraglicher Ausschlussfristen übertragen werden,11 weil die genannte Rechtsprechung gerade auf die Unübersichtlichkeit im Hin1 Für eine kürzere Frist auf der zweiten Stufe von einem Monat Jacobs/Naber, RdA 2006, 181 (186). 2 BAG v. 28.9.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111. 3 BAG v. 19.2.2014 – 5 AZR 700/12, NZA 2014, 1097. 4 BAG v. 27.10.2005 – 8 AZR 3/05, NZA 2006, 257. 5 BAG v. 28.9.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111. 6 Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 103. 7 BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 511/05, NZA 2006, 783; Roloff in HWK, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 11. 8 Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (67); Preis/Roloff, RdA 2005, 144 (156). 9 LAG Hamm v. 1.6.2012 – 13 Sa 1850/11. 10 BGH v. 25.2.1999 – IX ZR 30/98, NJW 1999, 2041. 11 So aber LAG Berlin-Brandenburg v. 20.9.2011 – 7 Sa 1318/11, DB 2012, 119; BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, NZA 2013, 680.
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blick auf die Person des Schuldners abstellte. Das aber ist eine Situation, die sich im Arbeitsrecht bei der notwendigen generell-abstrakten Betrachtung nicht ohne weiteres ergibt.1 Relevant wurde diese Frage aber in jüngerer Zeit vor allem im Zusammenhang mit der Tarifunfähigkeit der CGZP2 im Hinblick auf die Geltendmachung eines Anspruches auf der Grundlage des Equal-pay-Grundsatzes, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Nr. 2, § 10 Abs. 4 AÜG a.F, nunmehr § 8 Abs. 1 AÜG.3 Hier ging es darum, ob die Fälligkeit eines Anspruches und damit der Lauf der Ausschlussfrist erst mit Bekanntgabe der Entscheidung zur Tarifunfähigkeit der CGZP begann. Allerdings bleiben Rechtsirrtümer bei der Frage der Fälligkeit von Ansprüchen grundsätzlich unbeachtlich,4 und darunter ist auch der Irrtum über die Tariffähigkeit einer Tarifvertragspartei zu fassen, zumal die Tariffähigkeit gerade der CGZP stark umstritten war.5 Überträgt man allerdings die Rechtsprechung des BVerfG6 auf die genannte Problemlage, so wird man die gerichtliche Geltendmachung der Equal-Pay-Ansprüche nicht vor Abschluss des Verfahrens über die Tariffähigkeit annehmen können. Zur Problematik einer Ausschlussklausel, die auch Ansprüche aus unerlaubter 122 Handlung im Hinblick auf die Verletzung von Leib und Leben umfasst, § 309 Nr. 7 lit. a BGB siehe § 309 Rz. 96 ff. Solche Ansprüche können nicht durch eine Ausschlussfrist erfasst werden7 – freilich wird die praktische Bedeutung im Arbeitsverhältnis wegen §§ 104 ff. SGB VII nur begrenzt sein. Die Rechtsprechung hält jedenfalls bei einer dem Wortlaut nach alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis umfassenden Klausel die Klausel dann aufrecht, wenn die Auslegung der Klausel ergibt, dass sie gerade nicht Ansprüche i.S.d. § 309 Nr. 7 BGB umfassen soll. Sie verfährt hier sehr großzügig und meint, dass die Vertragsparteien grundsätzlich keinen Einbezug solcher Ansprüche wollten, die durch gesetzliche Verbote geschützt werden.8 Klauseln über den Haftungsausschluss für sonstige Schäden bei grober Pflichtverletzung scheitern nicht an § 309 Nr. 7 lit. b BGB, sondern sind an den Vorgaben des § 307 BGB zu messen, weil § 309 Nr. 7 lit. b BGB wegen der Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung als arbeitsrechtlicher Besonderheit keine Anwendung finden soll.9 1 So auch Bayreuther, DB 2011, 2267 (2268 f.). 2 BAG v. 14.12.2010 – 1 ABR 19/10, NZA 2011, 289. 3 Dazu LAG Berlin-Brandenburg v. 20.9.2011 – 7 Sa 1318/11, DB 2012, 119; LAG Sachsen v. 23.8.2011 – 1 Sa 322/11, BB 2011, 2943, BAG v. 19.2.2014 – 5 AZR 920/12, AP AÜG § 10 Nr. 39. 4 Siehe BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, NZA 2013, 680; BAG v. 25.3.2015 – 5 AZR 368/13, NZA 2015, 877. 5 LAG Sachsen v. 23.8.2011 – 1 Sa 322/11 – BB 2011, 2943. 6 BVerfG v. 1.12.2010 – 1 BvR 1682/07, NZA 2011, 354. 7 Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 106. 8 BAG v. 20.6.2013 – 8 AZR 280/12, NZA 2013, 1265; BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111. 9 BAG v. 28.11.2017 – 8 AZR 67/15, NZA 2018, 589.
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§ 307 | Inhaltskontrolle 123 Wird die Ausschlussfrist lediglich für Ansprüche des Arbeitnehmers verein-
bart, so benachteiligt sie diesen unangemessen, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.1 Im Gegensatz zu einseitigen tariflichen Ausschlussfristen sind formularmäßige einzelvertragliche Ausschlussfristen deshalb unwirksam. Sie verstoßen erheblich gegen das aus § 622 Abs. 6 BGB und den Verjährungsregelungen vorgegebene Leitbild.2 Dies wird allenfalls dann zu verneinen sein, wenn dem Arbeitnehmer eine angemessene Kompensation zugestanden wird.3
124 Unangemessen ist es, wenn eine Ausschlussklausel die gerichtliche Geltendma-
chung eines Anspruches vorsieht, ohne dass für diesen wesentliche rechtliche Vorfragen geklärt sind und geklärt sein können. Dies ist etwa der Fall, wenn die gerichtliche Geltendmachung von Annahmeverzugsansprüchen gefordert wird, bevor über den Bestand des Arbeitsverhältnisses im Wege des Kündigungsschutzprozesses entschieden wurde.4 Verlangt die Ausschlussklausel ausdrücklich für diese Fälle die gerichtliche Geltendmachung, ist sie unwirksam.5 Dies ist auch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BVerfG zu tariflichen Ausschlussklauseln richtig, die einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG bejaht, wenn durch Ausschlussklauseln der Zugang zu den Gerichten faktisch vereitelt wird, was das BVerfG auch dann annimmt, wenn der Arbeitnehmer durch die notwendige Klageerhebung einem hohen Kostenrisiko ausgesetzt wird.6
125 Für nicht ausdrückliche formularmäßige Ausschlussfristen lässt die Rechtspre-
chung auch die rechtzeitige Erhebung der Kündigungsschutzklage als gerichtliche Geltendmachung genügen und kommt so zu einer Lösung des Problems.7
126 Die Ausschlussklausel muss transparent nicht nur im Hinblick auf die Länge
der Frist und den Fristbeginn, sondern auch im Hinblick auf die von der Ausschlussfrist umfassten Ansprüche sein.8 Allerdings liest die Ausschlussfristenregelungen grundsätzlich so, dass die Haftung für Vorsatz nicht umfasst werden soll.9 Gleichfalls muss deutlich aus der Klausel hervorgehen, dass die Rechtsfolge 1 BAG v. 21.6.2011 – 9 AZR 203/10, NZA 2011, 1338; BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324; BAG v. 2.3.2004 – 1 AZR 271/03, NZA 2004, 852; Roloff in HWK, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 10; Preis in ErfK, §§ 214–218 BGB Rz. 47; Jacobs in BeckOKArbR, § 307 BGB Rz. 35. 2 BAG v. 2.3.2004 – 1 AZR 271/03, NZA 2004, 852. 3 BAG v. 21.6.2011 – 9 AZR 203/10, NZA 2011, 1338; BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324. 4 Roloff in HWK, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 10. 5 Roloff in HWK, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 10. 6 BVerfG v. 1.12.2010 – 1 BvR 1682/07, NZA 2011, 354. 7 BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939; BAG v. 19.3.2008 – 5 AZR 429/07, NZA 2008, 757; für tarifliche Ausschlussklauseln infolge verfassungskonformer Auslegung BAG v. 24.8.2016 – 5 AZR 853/15, AP BGB § 615 Nr. 149. 8 BAG v. 12.3.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699. 9 BAG v. 20.6.2013 – 8 AZR 280/12, NZA 2013, 1265; ablehnend Lakies, S. 328.
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des Ablaufs der Ausschlussfrist der Verfall des Anspruches ist1 – wobei diese Rechtsprechung nicht unproblematisch hier bereits einen Begriff „Ausschlussfrist“ als hinreichend deutlich genügen lässt.2 Transparenz muss auch gegenüber anderen im Vertrag vorgesehenen Geltendmachungsfristen hergestellt werden.3 Eine gegen § 307 Abs. 1 BGB verstoßende Ausschlussfrist ist unwirksam, eine 127 geltungserhaltende Reduktion kommt (auch hier) nicht in Betracht.4 Ist bei der zweistufigen Ausschlussfrist allerdings die zweite Frist zu kurz bemessen und damit unwirksam, so kann die Frist der ersten Stufe dennoch bestehen bleiben – weil sie als solche nach der Doktrin des blue pencil test eine sinnvolle Regelung ist.5 Umgekehrt gilt dies wegen der dann fehlenden Anknüpfungsmöglichkeit nicht.6 Diese Überlegungen gelten auch innerhalb einer Stufe der Ausschlussfrist, so hat das BAG etwa eine Trennung von Ansprüchen Zuschlägen und allen anderen beiderseitigen Ansprüchen goutiert.7 Die Möglichkeit der vertraglichen Vereinbarung von Ausschlussfristen wird 128 durch die gesetzlichen Mindestlohnregelungen begrenzt, so sieht etwa § 3 Abs. 1 MiLoG vor, dass Ausschlussfristen, die den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn ausschließen oder seine Geltendmachung beschränken, insoweit unwirksam sind. Diese Begrenzung durch das zwingende MiLoG ist zwar keine, die sich nur auf formularmäßige Vereinbarungen einer Ausschlussfrist bezieht, allerdings steht gerade in diesen Fällen zum einen das Schicksal der über den Mindestlohnanspruch hinausgehenden Ansprüche in Rede. In der Literatur wird überwiegend und richtig darauf verwiesen, dass das MiLoG in § 3 Abs. 1 MiLoG selbst die Unwirksamkeit einer Ausschlussfrist nur „insoweit“ anordnet, wodurch andere Ansprüche von der Ausschlussfrist erfasst werden können.8 Das BAG hat die Frage offengelassen.9 Zum anderen aber – und im Ergebnis wirkmächtiger - ist umstritten, ob solche 129 umfassenden Ausschlussklauseln zumindest nach dem Transparenzgebot zu verwerfen sind, wenn sie nicht ausdrücklich die Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn ausnehmen, Die Instanz-Rechtsprechung war gespalten, Das LAG 1 BAG v. 12.3.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 100. 2 BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, NZA 2006, 324. 3 BAG v. 12.3.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699 zu einer vierwöchigen Reklamationsfrist bei Prämienzahlungen. 4 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111. 5 BAG v. 27.1.2016 – 5 AZR 277/14, NZA 2016, 679; BAG v. 12.3.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699; BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; Preis/Roloff, RdA 2005, 144 (158); einschränkend BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 251/11, NZA 2012, 971. 6 BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 251/11, NZA 2012, 971. 7 BAG v. 27.1.2016 – 5 AZR 277/14, NZA 2016, 679. 8 Etwa Bayreuther, NZA 2015, 385, 387. 9 BAG v. 24.8.2016 – 5 AZR 703/15, NZA 2016, 1539.
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§ 307 | Inhaltskontrolle Nürnberg verneint unter Hinweis auf das für den Arbeitnehmer erkennbare gesetzliche Verbot des § 3 Abs. 1 MiLoG einen Verstoß gegen das Transparenzgebot;1 das LAG Hamburg bejahte jedenfalls für Verträge, die nach Inkrafttreten des MiLoG am 16.8.2014 geschlossen wurden.2 Das folgte der Rechtsprechung des BAG zu den durch die Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (PflegeArbbV) zwingenden Mindestlöhnen.3 Nunmehr hat das BAG entschieden, dass eine Ausschlussfrist, die den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht klar und deutlich ausnimmt, die Rechtslage irreführend darstellt und deshalb intransparent ist.4
6. Beendigungsvereinbarungen 130 Vereinbarungen, die das Ende des Arbeitsverhältnisses regeln, orientieren sich
am jeweiligen konkreten Beendigungstatbestand. Zu unterscheiden sind der Aufhebungsvertrag, der das Arbeitsverhältnis selbst beendet, und der Abwicklungsvertrag, der selbst keinen Beendigungstatbestand setzt, aber die Folgen der Beendigung (die dann meist durch Arbeitgeberkündigung erfolgt) regelt. Abwicklungsverträge werden nochmals unterschieden in echte, die nach der erfolgten Kündigung geschlossen werden, und unechte, die vor der Kündigung geschlossen werden. Regelmäßig wird bei der Inhaltskontrolle von Beendigungsvereinbarungen hervorgehoben, dass der Arbeitnehmer in einer anderen Situation sei als beim Abschluss des Arbeitsvertrages, weil er aus der gesicherten Situation des arbeitsrechtlichen Bestandsschutzes heraus agieren könne.5 Das ist zwar richtig, spielt aber für die Frage, ob solche Vereinbarungen einer Inhaltskontrolle unterliegen, nur insofern eine mittelbare Rolle, als häufig gerade wegen dieser Situation entweder eine die AGB-Kontrolle insgesamt ausschließende Individualvereinbarung oder aber eine zumindest die Inhaltskontrolle ausschließende Vereinbarung über Hauptleistungen, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB, vorliegen wird. Denn der Grund für die AGB-Kontrolle liegt nicht in einem strukturellen Ungleichgewicht der Vertragsparteien, sondern in der von einer Vertragspartei in Anspruch genommenen Vertragsgestaltungsmacht (dazu Rz. 5). Der Arbeitnehmer wird im Hinblick auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die arbeitsrechtlichen Bestandsschutzregelungen geschützt, die ihm einen entsprechend gute Verhandlungsposition gibt, sowie bei Willensmängeln durch die allgemeinen rechtsgeschäftlichen Regelungen.6 Der Verweis auf § 307 Abs. 3 Satz 1 1 LAG Nürnberg v. 9.7.2017 – 7 Sa 560/16; in der anschließenden Revision hat sich das BAG zu der Frage nicht verhalten, BAG v. 20.6.2018 – 5 AZR 262/17. 2 LAG Hamburg v. 20.2.2018 – 4 Sa 69/17; so auch Franzen in ErfK, § 3 MiLoG Rz. 3a. 3 BAG v. 24.8.2016 – 5 AZR 703/14, NZA 2016, 1539. 4 BAG v. 18.9.2018 – 9 AZR 162/18, NZA 2018, 1619. 5 BAG v. 16.5.2012 – 5 AZR 251/11, NZA 2012, 971; Bauer, Aufhebungsverträge, Rz. 217. 6 BAG v. 15.12.2005 – 6 AZR 197/05, NZA 2006, 841 (842); BAG v. 19.4.2007 – 2 AZR 208/06, NZA 2007, 1227.
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BGB verfängt bei formularmäßigen Vereinbarungen freilich nicht für jenseits der Hauptleistungen getroffene Annexregelungen – wie Ausgleichs- oder Verzichtsregelungen1 und Klageverzichte.2 a) Aufhebungs- und Abwicklungsverträge Formularmäßige Aufhebungs- wie Abwicklungsverträge unterliegen grundsätz- 131 lich der AGB-Kontrolle, für sie gelten auch die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nach § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB.3 Gerade bei Aufhebungsverträgen wird man aber zunächst genau zu prüfen haben, ob nicht eine Individualvereinbarung vorliegt, die einer AGB-Kontrolle von vornherein nicht zugänglich ist.4 Das wird – wie bereits angedeutet – schon deshalb oft anzunehmen sein, weil der Arbeitnehmer selbst im Hinblick auf die Wahl des Auflösungstatbestandes wegen des starken arbeitsrechtlichen Bestandsschutzes eine starke Verhandlungsposition hat.5 Darüber hinaus ist im Falle des formularmäßigen Aufhebungsvertrages die Be- 132 endigung des Vertrages selbst als Hauptleistung wegen § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht auf ihre Angemessenheit zu prüfen6 – zumal es einen gesetzlichen Kontrollmaßstab für Aufhebungsvereinbarungen, von dem durch die Parteivereinbarung abgewichen werden könnte, nicht gibt.7 Dies gilt auch im Hinblick auf die Vereinbarung einer Abfindung im Rahmen des Aufhebungsvertrages. Es ist vorgebracht worden, dass der Gesetzgeber mit § 1a KSchG die Höhe einer angemessenen Abfindung festgelegt hätte, an der entsprechende Regelungen in Abfindungsverträgen zu messen seien.8 Das ist aber abzulehnen, weil § 1a KSchG gerade kein gesetzliches Leitbild für Abfindungsregelungen abgibt.9 1 BAG v. 21.6.2011 – 9 AZR 203/10, NZA 2011, 1338. 2 BAG v. 24.11.2015 – 2 AZR 347/14, NZA 2016, 351. 3 Müller-Glöge in ErfK, § 620 BGB Rz. 15; BGB; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 95; Bauer, Aufhebungsverträge, Rz. 218a. 4 Rolfs in FS Reuter (2010), S. 825 (829); Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 94; Henssler/Moll, S. 152. 5 Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 94. 6 BAG v. 21.6.2011 – 9 AZR 203/10, NZA 2011, 1338; BAG v. 8.5.2008 – 6 AZR 517/07, NZA 2008, 1148; BAG v. 27.11.2003 – 2 AZR 135/03, NZA 2004, 597; BAG v. 22.4.2004 – 2 AZR 281/03, AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 27; Roloff in HWK, §§ 305–310 BGB Rz. 8; richtig Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 94: Die Aufhebung sei als solche „weder gut noch böse“; Coester in FS Löwisch (2007), S. 57 (62). 7 BAG v. 22.4.2004 – 2 AZR 281/03, AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 27; Rolfs in FS Reuter (2010), S. 825 (832). 8 Rolfs in BeckOK, § 1a KSchG Rz. 64; Preis, DB 2004, 70 (73); BAG v. 13.12.2007 – 2 AZR 807/06, AP KSchG 1969 § 1a Nr. 6. 9 BAG v. 12.3.2015 – 6 AZR 82/14, NZA 2015, 676 Roloff in HWK, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 8.
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§ 307 | Inhaltskontrolle 133 Dem nach § 307 Abs. 3 Satz 3 BGB auch für Hauptleistungen geltenden Trans-
parenzgebot ist entsprochen, wenn der Arbeitnehmer erkennen kann, dass die Vereinbarung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt1 – wobei andernfalls ohnehin zu klären ist, ob nicht zur Anfechtung berechtigende Willensmängel vorliegen oder ob es überhaupt zum Vertragsschluss gekommen ist. Werden formularmäßig ergänzende Regelungen im Aufhebungsvertrag getroffen, wie etwa eine Freistellung des Arbeitnehmers, Klageverzicht gegen einen anfechtbaren Aufhebungsvertrag oder so genannte Ausgleichsquittungen, so sind diese Klauseln der AGB-Kontrolle unterworfen (dazu Rz. 135; Rz. 190 ff.).2 b) Ausgleichsklausel
134 (Wirksame) Ausgleichsklauseln führen zum Erlöschen noch bestehender An-
sprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Sie werden regelmäßig am Ende des Arbeitsverhältnisses im Rahmen eines Aufhebungsvertrages oder eines Abfindungsvergleichs geschlossen. Es handelt sich dabei um einen Erlassvertrag, wenn eine konkrete Forderung betroffen ist, § 397 Abs. 1 BGB, oder – in den Arbeitsbeziehungen häufiger – um konstitutive negative Schuldanerkenntnisse, wenn eine Gruppe von bekannten und unbekannten Ansprüchen oder alle Ansprüche erlöschen sollen, § 397 Abs. 1, 2 BGB.3
135 So genannte Ausgleichsquittungen sind regelmäßig zweifach ausgestaltet: Zum
einen enthalten sie eine Bestätigung des Arbeitnehmers, dass er bei Ende des Arbeitsverhältnisses seine Arbeitspapiere zurückerhalten hat. Als weiteres – problematischeres – Element enthalten sie allerdings auch eine Erklärung des Arbeitnehmers, dass ihm aus dem Arbeitsverhältnis keine Ansprüche mehr zustünden. Damit liegt ein negatives Schuldanerkenntnis vor.4 Während der Quittungsteil (lediglich) an § 309 Nr. 12 BGB zu messen ist (siehe § 309 Rz. 144, 151), unterliegt der Verzichtsteil nach der Rechtsprechung der Angemessenheitskontrolle.5 Dabei wird die Angemessenheit jedenfalls bei fehlender Kompensation durch den Arbeitgeber verneint.6 Das gilt in jedem Falle für einen einseitigen Verzicht des Arbeitnehmers.7 Auch ein beiderseitiger Forderungsverzicht schließt aber
1 Rolfs in FS Reuter (2010), S. 825 (832). 2 BAG v. 24.2.2016 – 5 AZR 258/14, NZA 2016, 762; BAG v. 12.3.2015 – 6 AZR 82/14, NZA 2015, 676; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 95. 3 Allgemein Rieble in Staudinger, § 397 Rz. 252 ff.; BAG v. 21.6.2011 – 9 AZR 203/10, NZA 2011, 1338. 4 BAG v. 23.2.2005 – 4 AZR 139/04, NZA 2005, 1193. 5 BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 722/06, NZA 2008, 219. 6 BAG v. 25.9.2014 – 2 AZR 788/13, NZA 2015, 350; BAG v. 21.6.2011 – 9 AZR 203/10, NZA 2011, 1338; BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 722/06, NZA 2008, 219; Preis in ErfK, §§ 305– 310 BGB Rz. 77a; Krause in Staudinger, 2019, Anh. zu § 310 Rz. 225. 7 BAG v. 27.5.2015 – 5 AZR 137/14, NZA 2015, 1125; BAG v. 19.2.2014 – 5 AZR 920/12, AP Nr 39 zu § 10 AÜG.
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VII. Ausgewählte einzelne Klauseln | § 307
nicht von vornherein eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB aus, wenn der Arbeitgeber die Situation entgegen den Geboten von Treu und Glauben zur Durchsetzung eigener Interessen ausgenutzt hat.1 Eine Kontrollfähigkeit der isolierten Ausgleichsregelung wird allerdings mit 136 guten Gründen bestritten, weil es sich bei dem Verzicht dann um eine (nicht kontrollfähige) Hauptleistung handelt2 – was durch die Gewährung einer Kompensation noch unterstrichen wird.3 Dann bleibt (lediglich) die Transparenzkontrolle. Hier bereitet dann aber bei einem umfassenden Verzicht auf alle Ansprüche Schwierigkeiten, dass der Arbeitnehmer zur Annahme verleitet werden könnte, er könne auch unverzichtbare Rechte (§ 4 Abs. 4 Satz 1 TVG, § 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG) nicht mehr geltend machen. Ein solcher Verzicht ist im Rahmen einer Ausgleichsquittung nicht möglich.4 Geholfen werden kann hier freilich über die einschränkende Auslegung einer entsprechenden Klausel.5 Anders ist es dagegen, wenn – wie häufig – der Anspruchsverzicht als Neben- 137 bestimmung eines Aufhebungsvertrages vereinbart wird. Dann unterliegt die Klausel einer Inhaltskontrolle.6 Das ist deshalb richtig, weil der Arbeitnehmer einer Verzichtsklausel etwa in einem Aufhebungsvertrag keine entsprechende Aufmerksamkeit widmen wird wie einer isolierten Verzichtsvereinbarung.7 Hier wird eine Angemessenheit nur zu bejahen sein, wenn der Verzicht beide Vertragsparteien treffen soll oder dem Arbeitnehmer für den Verzicht eine entsprechende Kompensation zugesagt wird.8 Das ergibt sich aus dem Äquivalenzprinzip, von dem kompensationslose Ausgleichsklauseln abweichen: Der Arbeitnehmer verzichtet auf Ansprüche, bekommt dafür aber keine Gegenleistung.9 Außerdem sieht das Verjährungsrecht vor, dass der (faktische) Verlust von Ansprüchen erst nach einer gewissen Zeit eintritt, das konstitutive negative Schuldanerkenntnis aber sofort Wirkung entfaltet.10 Die Rechtsprechung kommt durch einen Erst-Recht-Schluss von den Über- 138 legungen zur Ausschlussfrist zu dem Kompensationserfordernis: Der Arbeit1 BAG v. 24.2.2016 – 5 AZR 258/14, NZA 2016, 762; abl. Jacobs in BeckOKArbR, § 307 BGB Rz. 34. 2 Stoffels, NJW 2012, 107 (108); Jacobs in BeckOKArbR, § 307 BGB Rz. 34; Roloff in HWK, §§ 305–310 Rz 55. 3 Jacobs in BeckOKArbR, § 307 BGB Rz. 34. 4 Löwisch/Rieble, § 4 Rz. 612. 5 So Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 97. 6 BAG v. 12.3.2015 – 6 AZR 82/14, NZA 2015, 676; BAG v. 24.2.2016 – 5 AZR 258/14, NZA 2016, 762; BAG v. 21.6.2011 – 9 AZR 203/10, NZA 2011, 1338; Stoffels, NJW 2012, 107 (108); Krause in Staudinger, 2013, Anhang zu § 310 BGB Rz. 225. 7 Stoffels, NJW 2012, 107 (108). 8 Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 97; Stoffels, NJW 2012, 107 (108). 9 BAG v. 21.6.2011 – 9 AZR 203/10, NZA 2011, 1338. 10 BAG v. 21.6.2011 – 9 AZR 203/10, NZA 2011, 1338.
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§ 307 | Inhaltskontrolle geber dürfe sein Interesse an schneller Rechtssicherheit nicht einseitig gegen den Arbeitnehmer durchsetzen.1 Beim Verzicht auf konkrete Ansprüche wird von der neueren Rechtsprechung eine einseitige Ausgleichsklausel für möglich gehalten.2 Eine Kompensation kann auch eine im Aufhebungsvertrag festgesetzte Abfindung sein – auch wenn diese den Hauptzweck hat, den Arbeitsplatzverlust des Arbeitnehmers auszugleichen. Die Höhe der Kompensation ist allerdings schwer greifbar – in der Literatur wird eine lediglich symbolische Kompensation zu Recht abgelehnt.3 Eine (überdurchschnittliche) Leistungs- und Führungsbeurteilung reicht jedenfalls nicht als angemessene Kompensation.4 Auch bei nicht isolierten Ausgleichsklauseln wird man den pauschalen Forderungsverzicht nicht als transparent ansehen können, weil dem Arbeitnehmer suggeriert wird, dass er auch unverzichtbare Rechte nicht mehr geltend machen könne. c) Klageverzichtvereinbarung 139 Ein Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage ist zwar wegen der
zwingenden Wirkung des KSchG nicht während des Arbeitsverhältnisses möglich, nach Ausspruch der Kündigung aber durchaus.5 Ein solcher Klageverzicht des Arbeitnehmers bringt für den Arbeitgeber den Vorteil der Rechtssicherheit: Eine Kündigungsschutzklage, die trotz eines wirksamen Verzichts vom Arbeitnehmer erhoben wird, führt bereits vor Ablauf der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG zur Unbegründetheit der Klage.6 Wenn der Arbeitgeber nach einem Klageverzicht des Arbeitnehmers nicht mehr dem „Lotteriespiel“7 des Kündigungsschutzprozesses ausgesetzt ist, so stellt der Klageverzicht auf Seiten des Arbeitnehmers die Gegenleistung für den Erhalt einer Abfindung durch den Arbeitgeber dar.8
140 Eine Vereinbarung, nach der der Arbeitnehmer nach einer Arbeitgeberkündi-
gung auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichtet und damit die Kündigung nach §§ 4, 7 KSchG gleichsam wirksam werden lässt (Klageverzichtsvereinbarung), hat das BAG einer Inhaltskontrolle unterzogen,9 weil es sich le1 BAG v. 21.6.2011 – 9 AZR 203/10, NZA 2011, 1338; BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 722/06, NZA 2008, 219. 2 BAG v. 21.6.2011 – 9 AZR 203/10, NZA 2011, 1338. 3 Stoffels, NJW 2012, 107 (108). 4 BAG v. 24.11.2015 – 2 AZR 347/14, NZA 2016, 351. 5 BAG v. 3.5.1979 – 2 AZR 679/77, NJW 1979, 2267; BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 722/06, NZA 2008, 219; Krets in FS Bauer (2010), S. 601 (604 m.w.N.). 6 Friedrich in KR, § 4 KSchG Rz. 314. 7 So Rüthers, NJW 2002, 1601 (1608). 8 BAG v. 12.3.2015 – 6 AZR 82/14, NZA 2015, 676; BAG v. 24.2.2016 – 5 AZR 258/14, NZA 2016, 762; BAG v. 21.6.2011 – 9 AZR 203/10, NZA 2011, 1338 (1341). 9 BAG v. 24.2.2016 – 5 AZR 258/14, NZA 2016, 762; BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 347/14, NZA 2015, 350; BAG v. 25.9.2014 – 2 AZR 788/13, NZA 2015, 350; BAG v. 6.9.2007 –
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diglich um eine Nebenabrede zum Arbeitsvertrag handelte.1 Ein solcher Klageverzicht wurde an § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB gemessen und dann als unangemessen angesehen, wenn dem Arbeitnehmer für seinen Verzicht auf die Kündigungsschutzklagekeine oder keine angemessene Entschädigung versprochen wurde.2 Eine Klageverzichtsvereinbarung weicht nach der Rechtsprechung vom gesetzlichen Leitbild der §§ 4, 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG ab.3 Mit dem Verzicht begebe sich der Arbeitnehmer jeder Möglichkeit, sich gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu wehren. Die Frage, wann eine Kompensation angemessen ist, ließ das BAG offen, hat als 141 Parameter aber den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die Art der Beendigung, die Zahlung einer Abfindung und den Verzicht auf Ansprüche des Arbeitgebers genannt.4 Zu einer Höhe einer angemessenen Kompensation äußert sich die Rechtsprechung nicht – vorgeschlagen wird eine Orientierung an den gesetzlichen Vorgaben des § 1a KSchG,5 die aber gerade keine gesetzlich festgelegte Abfindungshöhe ist6 und zudem nur für die betriebsbedingte Kündigung gilt.7 Eine lediglich symbolische Kompensation wird in jedem Falle unmaßgeblich sein,8 ebenfalls Leistungen des Arbeitgebers, auf die ohne hin ein Anspruch besteht, wie etwa die Ausstellung eines Arbeitszeugnisses.9 Der Verzicht des Arbeitgebers auf eine außerordentliche Kündigung, § 626 BGB, ist jedenfalls dann nicht kompensatorisch, wenn eine verständiger Arbeitgeber eine Kündigung nicht ernsthaft in Betracht hätte ziehen dürfen.10 Was ein Klageverzicht „wert“ ist, wann eine Kompensation damit angemessen ist, lässt sich nicht pauschal erkennen, es liegt in der privatautonomen Entscheidung von Arbeitnehmer und Arbeitgeber – schon die Schwierigkeiten, eine angemessene (oder jedenfalls nicht unangemessene) Kompensation zu finden, zeigt, dass beim isolierten Klageverzicht eine Vereinbarung von Hauptleistungen vorliegt und gerade keine Kontrollfähigkeit gegeben ist.11
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2 AZR 722/06, NZA 2008, 219; zustimmend auch Striegel in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 628; das BAG hat damit gemeinsam mit der Entscheidung v. 19.4.2007 – 2 AZR 208/ 06, NZA 2007, 1227, in der für die Klageverzichtsvereinbarung die Schriftform, § 623 BGB, verlangt wurde, die Möglichkeit einer Klageverzichtsvereinbarung insgesamt an enge Grenzen gebunden. BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 722/06, NZA 2008, 219; BAG v. 27.11.2003 – 2 AZR 135/03, NZA 2004, 597. BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 347/14, NZA 2016, 351. BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 347/14, NZA 2016, 351; BAG v. 25.9.2014 – 2 AZR 788/13, NZA 2015, 350; BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 722/06, NZA 2008, 219. BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 722/06, NZA 2008, 219. Müller, BB 2011, 1653 (1655); Rolfs in FS Reuter (2010), S. 825 (836 ff.). Rolfs in FS Reuter (2010), S. 825 (836 ff.). So zu Recht auch Krets in FS Bauer (2010), S. 601 (608). Müller, BB 2011, 1653 (1655). BAG v. 24.11.2015 – 2 AZR 347/14, NZA 2016, 351. BAG v. 12.3.2015 – 6 AZR 82/14, NZA 2015, 676. Krets in FS Bauer (2010), S. 601 (608); Worzalla, SAE 2009, 31 (34).
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§ 307 | Inhaltskontrolle 142 Dieser Rechtsprechung kann deshalb nicht gefolgt werden, weil isolierte Kla-
geverzichtsvereinbarungen ebenso wie Aufhebungsvereinbarungen als Hauptleistungen nur der Transparenz-, nicht aber der Inhaltskontrolle unterliegen.1 Das BAG hat die Klageverzichtsvereinbarung als bloße Nebenvereinbarung zum Arbeitsvertrag angesehen und ist so zur Angemessenheitskontrolle gekommen.2 Richtigerweise wird man aber den isolierten Klageverzicht (und im Falle einer Kompensation auch diese)3 als eigenständige Hauptleistung der Vereinbarung begreifen müssen, insofern gilt nichts anderes als beim Aufhebungsvertrag (siehe Rz. 132).4 Richtig ist, dass der Klageverzicht keine Ergänzung zum Arbeitsvertrag ist, sondern gerade nach dessen Beendigung durch die Arbeitgeberkündigung geschlossen wird, mithin keine arbeitsvertragliche Nebenbestimmung sein kann, sondern selbständige Vereinbarung ist.5 Eine Unterscheidung zwischen einem Klageverzicht mit Kompensation, der zu keiner Angemessenheitskontrolle führen soll, und einem solchen ohne Kompensation, der regelmäßig eine unangemessene Benachteiligung sein soll,6 überzeugt aus diesen Gründen nicht.7 Durch einen Klageverzicht liegt keine Abweichung von den §§ 4, 13 KSchG vor – weil von diesen zwingenden Regelungen gar nicht abgewichen werden kann und weil die Zielrichtungen verschieden sind: Bei Klageverzicht wird eine Klage unzulässig, bei Versäumen der Klagefrist wird sie unbegründet.8 Mit einem Klageverzicht wird die Frist des § 4 KSchG auch nicht verkürzt, sie wird davon gar nicht betroffen.9 Klageverzicht und §§ 4, 7 KSchG stehen gleichsam nebeneinander, eine Abweichung vom Gesetz liegt nicht vor. Das hatte das BAG auch in einer früheren Entscheidung so gesehen.10 Wie beim Aufhebungsvertrag ist der Arbeitnehmer auch bei der Klageverzichtsvereinbarung in einer bereits durch das KSchG geschützten Position, hier wie dort handelt es sich um eine eigenständige, nicht lediglich um eine Nebenbestimmung zum Arbeitsvertrag.11 Das zeigt sich schon daran, dass eine Verzichtserklärung vor Beendigung durch Kündi-
1 Stoffels, RdA 2016, 304 (305 f.); Rolfs in FS Reuter (2010), S. 825 (837); Krets in FS Bauer (2010), S. 601 (608); Bauer/Günther, NJW 2008, 1617 (1620). 2 BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 722/06, NZA 2008, 219. 3 Bauer/Günther, NJW 2008, 1617 (1620). 4 Stoffels, RdA 2016, 304 (306); Rolfs in FS Reuter (2010), S. 825 (833); Lakies, Inhaltskontrolle, Rz. 592; Krets in FS Bauer (2010), S. 601 (606); Bauer/Günther, NJW 2008, 1617 (1620); kritisch auch Junker in FS Buchner (2009), S. 369 (377). 5 Krets in FS Bauer (2010), S. 601 (606). 6 So aber Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 77a. 7 Rolfs in FS Reuter (2010), S. 825 (833); Krets in FS Bauer (2010), S. 601 (608); einschränkend Stoffels, RdA 2016, 304 (306). 8 So auch Rolfs in FS Reuter (2010), S. 825 (834); Müller, BB 2011, 1653 (1654). 9 Krets in FS Bauer (2010), S. 601 (607). 10 BAG v. 27.11.2003 – 2 AZR 135/03, NZA 2004, 597. 11 So aber BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 722/06, NZA 2008, 219.
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VII. Ausgewählte einzelne Klauseln | § 307
gung grundsätzlich wegen der zwingenden Wirkung des KSchG nicht möglich ist.1 Damit sind formularmäßige isolierte Klageverzichtsvereinbarungen nur am 143 Transparenzgebot zu messen, § 307 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 BGB. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot kann insbesondere dann vorliegen, wenn nicht nur eine isolierte Klageverzichtsvereinbarung getroffen wird, sondern der Klageverzicht im Rahmen einer Ausgleichsquittung erklärt werden soll (dazu Rz. 135).2 Letztlich ist dies aber eine Frage der Auslegung der Klausel. Bezieht sich diese darauf, dass dem Arbeitnehmer keine Ansprüche mehr zustehen sollen, so kann nicht auf einen Klageverzicht geschlossen werden. In jedem Falle ist ein Klageverzicht nur transparent, wenn er als solcher eindeutig zu erkennen ist,3 was in einer Formel, die sich lediglich auf den Verzicht von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis bezieht, nicht der Fall ist.4 d) Rückkehrrecht Sind in einem Aufhebungsvertrag Rückkehrrechte des Arbeitnehmers etwa bei 144 Kündigung eines Anschlussarbeitsverhältnisses vereinbart, so können Regelungen, die dieses Rückkehrrecht ausgestalten, einer Inhaltskontrolle unterzogen werden.5 Dabei sind solche Regelungen unangemessen benachteiligend, die das Rückkehrrecht selbst erheblich gefährden können, § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Das ist etwa dann der Fall, wenn ein Rückkehrrecht davon abhängig gemacht wird, dass eine von einem späteren Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung als betriebsbedingte Kündigung i.S.d. § 1 Abs. 2 ff. KSchG wirksam ist. Denn der Arbeitnehmer wird hier gleichsam zur Kündigungsschutzklage gezwungen, mit der er wiederum nachweisen muss, dass gerade eine wirksame Kündigung vorliegt – ansonsten tritt nach §§ 4, 7 KSchG die Unwirksamkeitsfiktion ein, die nicht spezifisch nach Kündigungsgründen unterscheidet. Hier kommt es – neben der zeitlich langwierigen Prüfung, die dann einer schnellen Wiedereinstellung entgegensteht – auch zu einer unangemessenen Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast.6 Eine entsprechende Klausel ist aber nur im Hinblick auf den Nachweis einer betriebsbedingten Kündigung unwirksam, ansonsten bleibt das Rückkehrecht bestehen.7 1 BAG v. 19.12.1974 – 2 AZR 565/73, NJW 1975, 1531; großzügiger für eine konkret bevorstehende Kündigung Bauer/Günther, NJW 2008, 1617. 2 Dazu Striegel in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 628. 3 Siehe BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 722/06, NZA 2008, 219. 4 Müller, BB 2011, 1653 (1656). 5 BAG v. 19.10.2011 – 7 AZR 743/10, GWR 2012, 162. 6 BAG v. 19.10.2011 – 7 AZR 743/10, GWR 2012, 162; BAG v. 9.2.2011 – 7 AZR 91/10, NZA-RR 2012, 232; LAG Niedersachsen v. 30.6.2011 – 16 Sa 663/10; Roloff in HWK, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 36. 7 BAG v. 9.2.2011 – 7 AZR 91/10, NZA-RR 2012, 232, BAG v. 16.5.2012 – 10 AZR 252/11, AP BAT § 22, 23 Zulagen Nr. 49.
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§ 307 | Inhaltskontrolle e) Kündigungsfristen 145 Arbeitsvertragliche Vereinbarungen der Kündigungsfristen erlaubt § 622 BGB
nur eingeschränkt. So können die gesetzlichen Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 BGB zwar durch Tarifvertrag, aber nicht durch Arbeitsvertrag gekürzt werden. Allerdings haben die Arbeitsvertragsparteien Zugriff auf die Verlängerung der Kündigungsfristen, § 622 Abs. 6 BGB, und auf die Kündigungsfrist während einer Probezeit, § 622 Abs. 3 BGB. Allerdings ist hier zunächst das Transparenzprinzip zu beachten: Eine nicht klare Trennung mehrerer im Arbeitsvertrag festgelegter Fristen (wie einer für die Probezeit und eine weitere für die Zeit hernach) kann zur Intransparenz der Regelung führen.1 Die Verlängerung der Kündigungsfrist entspricht dem Programm des § 622 Abs. 6 BGB, ist deshalb auch regelmäßig nicht unangemessen.2 Anderes gilt aber bei überlangen Kündigungsfristen, so hat das BAG eine Kündigungsfrist von 3 Jahren zum Monatsende nicht goutiert.3 f) Dienstwagenübernahmevereinbarung
146 Zur Dienstwagenübernahmevereinbarung im Zusammenhang mit der Beendi-
gungsvereinbarung siehe Rz. 181.
7. Befristung von Arbeitsbedingungen 147 Die Befristung des Arbeitsvertrages als solche ist als Hauptleistung der Inhalts-
kontrolle nicht zugänglich und wird durch § 14 TzBfG geregelt. Eine entsprechend Befristungsabrede ist also lediglich anhand des Transparenzgebotes zu messen.4 Neben der durch §§ 14 ff. TzBfG geregelten Befristung des ganzen Arbeitsvertrages ist anerkannt, dass auch einzelne Arbeitsbedingungen – etwa über die Arbeitszeit5 oder die auszuübende Tätigkeit6 - vertraglich befristet oder unter einen Bedingungseintritt gestellt werden können,7 Sofern sie nicht ohnehin vom Direktionsrecht nach § 106 GewO gedeckt sind.8 Befristungen von Arbeitsbedingungen bieten dabei den Vorteil der Rechtssicherheit. Dies gilt vor allem 1 BAG v. 23.3.2017 – 6 AZR 705/15, NZA 2017, 773; kritisch hierzu freilich Jacobs in BeckOKArbR, § 307 BGB Rz. 72a. 2 Lakies, S. 382. 3 BAG v. 26.10.2017 – 6 AZR 158/16, NZA 2018, 891. 4 Siehe BAG v. 14.6.2017 – 7 AZR 608/15, NZA 2018, 385. 5 Dazu BAG v. 25.4.2018 – 7 AZR 520/16, NZA 2018, 1061; BAG v. 10.12.2014 – 7 AZR 1009/12, NZA 2015, 811. 6 Dazu BAG v. 24.2.2016 – 7 AZR 253/14, NZA 2016, 814. 7 BAG v. 25.4.2018 – 7 AZR 520/16, NZA 2018, 1061; BAG v. 18.5.2011 – 10 AZR 206/10, NZA 2011, 1289; BAG v. 16.5.2012 – 10 AZR 252/11, NZA 2013, 56; Lakies, Inhaltskontrolle, Rz. 645. 8 Siehe dazu BAG v. 27.1.2016 – 4 AZR 468/14, NZA 2016, 903.
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VII. Ausgewählte einzelne Klauseln | § 307
im Vergleich mit anderen vertraglichen Flexibilisierungsinstrumenten wie etwa dem Widerrufsrecht einer Arbeitgeberleistung, das für den Arbeitgeber stets mit einer Ausübungskontrolle verbunden ist, für den Arbeitnehmer aber mit einer erheblichen Unsicherheit, ob und in welchem Umfang auf die Arbeitgeberleistung vertraut werden kann (§ 308 Rz. 29 ff., 31). Die Regelungen des (zwingenden) TzBfG sind aber weder direkt noch analog 148 auf die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen anzuwenden.1 Sie sind – wie etwa § 17 TzBfG zeigt – auf die Befristung des Arbeitsverhältnisses als Ganzes zugeschnitten. Die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen und die des gesamten Arbeitsverhältnisses sind qualitativ zu trennen. Es liegt ein aliud vor, kein (bloßes) minus.2 Deshalb unterfällt auch die Kontrolle von formularmäßig vereinbarten Befristungen einzelner Arbeitsbedingungen lediglich der Kontrolle anhand der §§ 305 ff. BGB.3 Die Rechtsprechung trennt zwischen der materialen Änderung der Arbeitsbedingungen sowie deren Befristung und unterzieht die Befristung einer Inhaltskontrolle anhand des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, bei der jedoch die Wertungen des § 14 Abs. 1 TzBfG eine maßgebliche Rolle spielen:4 Wenn nämlich Gründe wie in § 14 Abs. 1 TzBfG die Befristung des gesamten Arbeitsvertrages zu rechtfertigen vermögen, so sind sie auch im Rahmen der Interessenabwägung des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zu berücksichtigen.5 Diese „Leitbilder“ des § 14 Abs. 1 TzBfG führen zu einem Interesse des Arbeitgebers an der Befristung, gegen die sich die Interessen des Arbeitnehmers nur ausnahmsweise durchzusetzen vermögen.6 Eine striktere Grenze setzt das BAG bei befristeten Arbeitszeiterhöhungen, wenn diese Erhöhung erheblich ist.7 In diesem Falle kann nur ein Sachgrund i.S.d. § 14 Abs. 1 TzBfG eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers ausschließen.8 1 BAG v. 25.4.2018 – 7 AZR 520/16, NZA 2018, 1061; BAG v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674; BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; Preis/Bender, NZARR 2005, 337 (339). 2 Preis/Bender, NZA-RR 2005, 337 (341). 3 BAG v. 25.4.2018 – 7 AZR 520/16, NZA 2018, 1061; BAG v. 18.5.2011 – 10 AZR 206/10, NZA 2011, 1289; BAG v. 2.9.2009 – 7 AZR 233/08, NZA 2009, 1253; BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, NZA 2006, 40. 4 BAG v. 24.2.2016 – 7 AZR 253/14, NZA 2016, 814; so auch Preis/Bender, NZA-RR 2005, 337 (339); Roloff in HWK, Anh §§ 305–310 Rz. 18. 5 BAG v. 24.2.2016 – 7 AZR 253/14, NZA 2016, 814; BAG v. 24.2.2016 – 7 AZR 253/14, NZA 2016, 814; BAG v. 7.10.2015 – 7 AZR 945/13, NZA 2016, 441; BAG v. 10.12.2014 – 7 AZR 1009/12, NZA 2015, 811; BAG v. 8.8.2007 – 7 AZR 855/06, NZA 2008, 229; letztlich ist die eine Weiterführung der Rechtsprechung vor der Schuldrechtsreform, BAG v. 23.1.2002 – 7 AZR 563/00, NZA 2003, 104; siehe zu dieser Rechtsprechung auch Wolf, RdA 1988, 270 ff. 6 Etwa BAG v. 24.2.2016 – 7 AZR 253/14, NZA 2016, 814. 7 BAG v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674. 8 BAG v. 25.4.2018 – 7 AZR 520/16, NZA 2018, 1061; BAG v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674.
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§ 307 | Inhaltskontrolle 149 Den Befristungsgründen des § 14 Abs. 1 TzBfG kommt nach dieser Rechtspre-
chung damit eine Indiz- bzw. Ausschlussfunktion zu, deren Trennlinie anhand des problematischen Begriffs der Erheblichkeit zu ziehen ist. Unterhalb der Erheblichkeitsschwelle führt das Vorliegen eines Sachgrundes i.S.d. § 14 Abs. 1 TzBfG zu einem starken Arbeitgeberinteresse an der Befristung der Arbeitsbedingung, freilich wird man auch andere Interessen des Arbeitgebers zulassen können. Oberhalb dieser Grenze muss ein Sachgrund i.S.d. § 14 Abs. 1 TzBfG gegeben sein. Dabei wird man davon ausgehen müssen, dass alle Sachgründe des § 14 Abs. 1 TzBfG geeignet sind, ein im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigendes berechtigtes Arbeitgeberinteresse abzubilden. Wenn ein Grund für die Befristung des ganzen Arbeitsvertrages gegeben ist, so kann dieser auch für die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen tragend sein. Liegt ein solcher Befristungsgrund vor, so muss auf der Seite des Arbeitnehmers ein „außergewöhnlicher Umstand“ – verwiesen wird etwa auf eine anderweitig für den Arbeitnehmer bestehenden Möglichkeit des § 9 TzBfG – vorliegen, um die Befristung als unangemessen benachteiligend qualifizieren zu können.1 Ob darüber hinaus auch die Wertungen des § 14 Abs. 2 TzBfG heranzuziehen sind und damit grundsätzlich eine bis zu zweijährige Befristung ohne jeden Sachgrund zulässig ist, ist umstritten.2 Zwar spricht dafür, dass im Rahmen eines Erst-RechtSchlusses darauf verwiesen werden kann, dass auch das gesamte Arbeitsverhältnis einer (bloßen) Zeitbefristung unterliegen kann.3 Dagegen spricht aber, dass die Befristungsgründe des § 14 Abs. 1 TzBfG nicht als solche auf die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen anzuwenden sind, sondern letztlich einem konkreten Arbeitgeberinteresse an der Befristung Ausdruck verleihen. Ein solches konkretes Arbeitgeberinteresse spiegelt aber § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht wider. Dies wird jedenfalls oberhalb der genannten Erheblichkeitsschwelle gelten.
150 Unklar ist allerdings, wann eine Befristung in erheblichem Umfang überhaupt
vorliegt. Das BAG sah dies jedenfalls bei einer Erhöhung der Arbeitszeit von der Hälfte einer Vollzeitstelle als gegeben an.4 Nunmehr meint der 7. Senat, eine erhebliche Arbeitszeiterhöhung liege dann vor, wenn das Aufstockungsvolumen mindestens 25 % einer entsprechenden Vollbeschäftigung umfasse, wobei ausnahmsweise auch eine geringfügige Unterschreitung dieses Umfangs ausreichen könne.5 Eine Orientierung an der Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Widerrufsvorbehalten (25 % der Gesamtarbeitszeit) ist aber nicht angezeigt – weder für die Frage nach der Erheblichkeit noch für die Frage nach einer zulässigen 1 BAG v. 10.12.2014 – 7 AZR 1009/12, NZA 2015, 811; BAG v. 2.9.2009 – 7 AZR 233/08, NZA 2009, 1253. 2 Dagegen Preis/Bender, NZA-RR 2005, 337 (341); Maschmann, RdA 2005, 212 (215); dafür Hanau/Hromadka, NZA 2005, 73 (77); Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 281. 3 Roloff in HWK, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 18. 4 BAG v. 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674. 5 BAG v. 25.4.2018 – 7 AZR 520/16, NZA 2018, 1061 im dort entschiedenen Fall: 24,67 %; BAG v. 23.3.2016 – 7 AZR 828/13, NZA 2016, 881.
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Höchstbefristung.1 Denn die Situation ist nicht vergleichbar: Der Grund für die Begrenzung des Widerrufsrechts liegt ja gerade an der für den Arbeitnehmer dort gegebenen Rechtsunsicherheit. Diese besteht bei Befristungen aber nicht. Weiter wird vorgeschlagen, die bei § 99 Abs. 1 BetrVG angewandten Grundsätze zur Einordnung einer Arbeitszeiterhöhung als Einstellung heranzuziehen.2 Allerdings kann der Bezugspunkt nicht die betriebsverfassungsrechtliche Einstellung sein,3 denn es geht bei der Befristung von Arbeitsbedingungen um rein arbeitsvertragliche Fragen, deren mitbestimmungsrechtliche Folgen bloßer Reflex sind. Vielmehr ist der Begriff der Erheblichkeit als Notwendigkeitskriterium für die Sachgründe des § 14 Abs. 1 TzBfG insgesamt unergiebig und daher abzulehnen: Diese Sachgründe greifen als solche nur ein, wenn der Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages vorliegt – dann aber direkt. Ansonsten können die Sachgründe des § 14 Abs. 1 TzBfG zwar Arbeitgeberinteressen an einer Bedingungsbefristung vermitteln, dies aber nicht ausschließlich. Alles andere würde das auch von der Rechtsprechung selbst aufgestellte Diktum, dass die Regelungen des TzBfG nicht auf die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen anwendbar sind, leer laufen lassen. Allerdings ist der These, dass Befristungen von Arbeitsbedingungen grundsätzlich 151 einer Inhaltskontrolle anhand § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unterliegen, entgegenzutreten. Befristungen, die vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt sind, sind als deklaratorische Klauseln ohnehin kontrollfrei.4 Dies gilt in jedem Falle auch für die Befristung von Hauptleistungen. Deshalb ist die vorgestellte Rechtsprechung wegen § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht kritiklos geblieben.5 So ist etwa die vom BAG6 vorgenommene Trennung zwischen einer nicht überprüfbaren Heraufsetzung der Arbeitszeit und deren kontrollfähiger Befristung gekünstelt und trifft nicht zu.7 Denn zwischen der Änderung der Arbeitszeit und deren Befristung besteht ein enger Zusammenhang. Vor dem Hintergrund des Schutzzweckes der AGB-Kontrolle verdeutlicht sich dies: Die Frage, wie lange eine Hauptleistung befristet ist, wird regelmäßig für beide Parteien wichtig sein, so dass sie eine besondere Aufmerksamkeit auf deren Vereinbarung legen (dazu Rz. 28).8 1 2 3 4 5 6 7 8
So aber Bayreuther, ZfA 2011, 45 (57). Raif, GWR 2012, 307. Dazu Thüsing in Richardi, § 99 BetrVG Rz. 26 ff. Dazu etwa Maschmann, RdA 2005, 212, 222 f.; siehe deshalb auch für die vorübergehende Übertragung höherwertigerer Dienste BAG v. 27.1.2016 – 4 AZR 468/14, NZA 2016, 903. Junker in FS Buchner (2009), S. 369 (376); Löwisch in FS Canaris Bd. I (2007), S. 1403 (1412). Siehe etwa BAG v. 25.4.2018 – 7 AZR 520/16, NZA 2018, 1061; BAG v. 24.2.2016 – 7 AZR 253/14, NZA 2016, 814. Anders sehen dies Preis/Bender, NZA-RR 2005, 337 (340). Siehe zur Bedeutung dieser Befristung aus Sicht des Arbeitnehemrs BAG v. 23.3.2016 – 7 AZR 828/13, NZA 2016, 881.
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§ 307 | Inhaltskontrolle Dies gilt vor allem auch bei Befristungen von Arbeitsbedingungen, die im laufenden Arbeitsverhältnis vereinbart werden: Wird hier nicht sogar regelmäßig eine Individualvereinbarung anzunehmen sein, so agiert der Arbeitnehmer doch vor dem Hintergrund eines bestehenden und bestandsgeschützten Arbeitsverhältnisses.1 Das unterscheidet Befristungsregelungen auch von anderen Flexibilisierungsregelungen wie etwa Vereinbarungen zur Abrufarbeit oder anderen arbeitgeberbezogenen Leistungsbestimmungsrechten, denn hier geht es auch um die Frage, wie und ob der Arbeitgeber ein entsprechendes einseitiges Eingriffsrecht überhaupt hat.2 Im Rahmen einer Befristung ist aber dem Arbeitgeber der Zugriff auf eine vereinbarte Leistung nach Vertragsschluss entzogen. 152 Deshalb unterfallen richtigerweise Befristungsregelungen, die Hauptleistungen
betreffen, lediglich dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, weshalb die Befristung eindeutig und unmissverständlich sein muss.3 Hier ist es nach der h.M. nicht notwendig, den Grund für die Befristung in den Klauseltext aufzunehmen.4 Dies wird unter Hinweis auf das Transparenzgebot zwar bestritten,5 ist aber gleichwohl richtig: Wenn aus der Klausel für den Arbeitnehmer die Befristung als solche klar und eindeutig hervorgeht, so kann sich der Arbeitnehmer auf die Frist einstellen. Dies unterscheidet eine Befristungsregelung etwa auch von einer Widerrufsregelung.6 Die Frage nach dem Grund für die Befristung spielt letztlich lediglich für deren Angemessenheit eine Rolle. Wesentlicher aber erscheint der Erst-Recht-Schluss aus § 14 Abs. 4 TzBfG: Wenn bereits für die Befristung des ganzen Arbeitsvertrages keine Niederschrift im Vertrag vorausgesetzt wird, so muss dies auch für die Befristung von einzelnen Arbeitsbedingungen gelten. Dies gilt dann, wenn eine kalendermäßige Befristung vereinbart wird, aber auch, wenn eine Zweckbefristung beabsichtigt ist.7
8. Beweislastvereinbarungen 153 Siehe § 309 Nr. 12 BGB (§ 309 Rz. 138 ff.).
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Ebenso Preis/Bender, NZA-RR 2005, 337 (344). A.A. Preis/Bender, NZA-RR 2005, 337 (340). Stoffels, ZfA 2009, 861 (883); Willemsen/Grau, NZA 2005, 1137 (1142). Bayreuther, ZfA 2011, 45 (56). Preis/Bender, NZA-RR 2005, 337 (341); Lakies, S. 350. Dies verneinend Preis/Bender, NZA-RR 2005, 337 (341). BAG v. 2.9.2009 – 7 AZR 233/08, NZA 2009, 1253; a.A. Roloff in HWK, Anh. §§ 305–310 Rz. 17.
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VII. Ausgewählte einzelne Klauseln | § 307
9. Bezugnahmeklauseln a) Allgemeines Oftmals vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien die Bezugnahme auf ein ande- 154 res, externes Regelwerk, dabei kann es sich um kollektive Vereinbarungen wie Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung handeln, aber ebenso um sonstige Regelwerke wie kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien oder einseitig vom Arbeitgeber gesetzte Arbeitsordnungen. Solche Bezugnahmen kommen als Globalverweisungen oder aber als Teilverweisung vor. Ein Zweck der schuldrechtlichen Bezugnahme auf ein externes Klauselwerk 155 liegt in der Auslagerung der Vertragsgestaltung: Die Vertragsgestaltungslast wird dann von den jeweiligen Regelungsgebern wahrgenommen. Außerdem kann durch Bezugnahme an der dynamischen Entwicklung eines externen Regelungswerkes partizipiert werden – die Arbeitsvertragsparteien ersparen sich so die eigene Vertragspflege. Dies wird im Falle der tariflichen Bezugnahme dadurch noch attraktiver, als dass wegen § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB eine Angemessenheitskontrolle des Tarifvertrages nicht erfolgt – damit also kontrollsicheres Vertragsrecht geschaffen wird.1 Nicht nur deshalb sind Bezugnahmen auf einen Tarifvertrag am häufigsten anzutreffen. Hier kommt es darüber hinaus bei eigener Tarifbindung des Arbeitgebers zu einer Gleichstellung von tarifgebundenen und nichttarifgebundenen Arbeitnehmern.2 Der Arbeitgeber, der vor Abschluss des Arbeitsvertrages nicht nach der Gewerkschaftszugehörigkeit fragen darf,3 kommt so zu einer Gleichbehandlung der Arbeitnehmer und nimmt den Nichtorganisierten die Motivation zum Gewerkschaftsbeitritt, weil sie durch die Bezugnahme am Tarifergebnis profitieren. Außerdem hat die Bezugnahme auf den Tarifvertrag dort Vorteile, wo das Gesetz (etwa § 13 BUrlG) lediglich tarifdispositiv ist.4 Bezugnahmeklauseln treten in verschiedener Intensität auf. Statische Bezugnah- 156 meklauseln verweisen nur auf einen Tarifvertrag in einer bestimmten zeitlichen Fassung;5 dynamische Bezugnahmeklauseln können zum einen auf die jeweilige Fassung eines Tarifvertrages abstellen (kleine Dynamik) oder auf den jeweils geltenden Tarifvertrag (große Dynamik), was auch zum Tarifwechsel führen kann. Es ist im Hinblick auf die AGB-Kontrolle streng zwischen der Bezugnahmeklau- 157 sel als solcher und dem in Bezug genommenen Regelwerk zu trennen.6
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Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 535. Zum Gleichstellungszweck ausführlich Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 511 ff. Dazu Rieble, GS Heinze (2005), S. 687 ff. Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 535. Henssler/Moll, S. 113. Krause in Staudinger, 2019, Anh. zu § 310 BGB Rz. 94; Giesen, ZfA 2010, 657 (663).
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§ 307 | Inhaltskontrolle b) Kontrolle der Bezugnahmeklausel 158 Die Bezugnahmeklausel auf externe Regelwerke unterliegt der AGB-Kontrolle, al-
lerdings führt sie selbst nicht zur Abweichung oder Änderung von Rechtsvorschriften und ist deshalb (lediglich) am Transparenzgebot zu messen, § 307 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, 2 BGB.1 Zu einer Abweichung i.S.d. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kommt es erst durch die in Bezug genommenen Regelungen selbst.2 Eine Inhaltskontrolle etwa nach § 308 Nr. 4 BGB scheidet aus, weil die Bezugnahme selbst kein Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers enthält.3 Dies gilt grundsätzlich auch für dynamische Verweisungsklauseln4 – es sei denn, der Arbeitgeber erhält durch sie ein einseitiges Änderungsrecht (siehe dazu Rz. 164). Im Übrigen wird zu Recht darauf hingewiesen, dass bei der dynamischen Verweisung vor allem auf Tarifverträge die Interessen des nicht tarifgebundenen Arbeitnehmers gewahrt sind – weil er gerade durch die Dynamik an der Tarifentwicklung teilnehmen kann.5 Zum wirksamen Einbezug eines Tarifvertrages bedarf es keiner Kenntnisnahmemöglichkeit, weil § 310 Abs. 4 Satz 3 auch § 305 Abs. 2, 3 BGB ausnimmt.6
159 Wegen der Gleichstellungsmotivation des tarifgebundenen Arbeitgebers hatten
Rechtsprechung und Lehre eine dynamische Verweisung regelmäßig so ausgelegt, dass diese Dynamik entfalle, wenn sie wegen eines Verlustes der Tarifbindung des Arbeitgebers (etwa im Falle eines Betriebsübergangs)7 nicht mehr zur Gewährleistung der Gleichstellung der tarifgebundenen und der nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer notwendig sei.8 Folge war, dass mit dem Zeitpunkt der Tarifbindung des Arbeitgebers die Dynamik der Bezugnahme endete und (lediglich) eine statische Bezugnahme blieb.9 Diese Rechtsprechung wurde nach der Schuldrechtsreform und damit nach der Streichung des § 23 AGBG aufgegeben.10 Nunmehr wird auf der Grundlage des § 305c Abs. 2 BGB zu Recht verlangt, dass sich die Gleichstellungsabsicht des Arbeitgebers auch in der jeweiligen Bezugnahmeklausel niederschlägt.11 Wird lediglich eine dynamische Bezug1 BAG v. 16.2.2010 – 3 AZR 181/08, NZA 2011, 42; BAG v. 18.11.2009 – 4 AZR 493/08, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 54. 2 BAG v. 18.11.2009 – 4 AZR 493/08, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 54. 3 BAG v. 21.11.2012 – 4 AZR 85/11, NZA 2013, 512; Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 708. 4 Schlewing, NZA-Beilage 2012, 33 (39). 5 Schlewing, NZA-Beilage 2012, 33 (39). 6 Dazu Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 705; Giesen, ZfA 2010, 657 (664). 7 Siehe hierzu vor allem die unionsrechtliche Diskussion, als deren vorläufiges Ergebnis man freilich festhalten kann, dass die Dynamik der Bezugnahme bei nicht ausdrücklicher Gleichstellungsabrede weiter erhalten bleibt, EuGH v. 18.7.2013 – C-426/11, NZA 2013, 835 (Alemo Heron); EuGH v. 27.4.2017 – C-680/15, C-681/15 (Asklepios), NZA 2017, 571; BAG v. 30.8.2017 – 4 AZR 95/14, NZA 2018, 255. 8 BAG v. 26.9.2001 – 4 AZR 544/00, NZA 2002, 634 ff. 9 BAG v. 19.3.2003 – 4 AZR 331/02, NZA 2003, 1207 ff. 10 Zuerst angekündigt durch BAG v. 14.12.2005 – 4 AZR 536/04, NZA 2006, 607. 11 Dazu bereits Klebeck, NZA 2006, 15 ff.
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nahme auf einen Tarifvertrag vereinbart, so verbleibt es auch bei dem Verlust der Tarifbindung des Arbeitgebers bei der Dynamik.1 Dies wird noch dadurch verstärkt, dass die Rechtsprechung eine dynamische Bezugnahme bereits annimmt, wenn nicht eine konkrete Fassung eines Tarifvertrages in Bezug genommen wird2 oder wenn im Hinblick auf die zu gewährende Vergütung ein Verweis auf das maßgebliche „Tarifentgelt“ vertraglich grundgelegt ist.3 Für Alt-Verträge, die vor dem 1.1.2002 geschlossen wurden, soll es aus Vertrauensschutzgründen allerdings bei der alten Gleichstellungsregelung bleiben.4 Dem wird mit überzeugenden Argumenten entgegengehalten, dass der für den Vertrauensschutz maßgebliche Zeitpunkt der der Rechtsprechungsänderung und mithin der 14.12.2005 ist.5 Aus der Rechtsprechung folgt, dass die Arbeitsverhältnisse, wenn sie nicht einvernehmlich geändert werden, eine Ewigkeitsklausel im Hinblick auf die Tarifgeltung enthalten. Dieser Gefahr zu begegnen liegt in der Vertragsverantwortung des Verwenders, der eine Bezugnahmeklausel, die von einer Dynamik in die statische Geltung umschlagen soll, entsprechend formulieren muss.6 Bezugnahmeklauseln müssen dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 160 BGB entsprechend eindeutig und klar formuliert sein. Allerdings heißt dies nicht, dass eine solche Bezugnahme bereits deshalb unangemessen wäre, weil der Arbeitnehmer nicht den Inhalt des in Bezug genommenen Regelungswerkes sogleich erkennen kann. Vielmehr reicht dessen Bestimmbarkeit aus.7 Dies gilt auch für dynamische Verweisungen,8 die auch zu einer Änderung zum Nachteil des Arbeitnehmers führen können.9 Sie sind im Arbeitsrecht weit verbreitet, entsprechen einer üblichen Regelungstechnik und dienen den Interessen beider Parteien eines auf die Zukunft gerichteten Arbeitsverhältnisses.10 Auch wird hier zu Recht darauf verwiesen, dass der Arbeitnehmer (wie auch gesetzlich vo1 BAG v. 30.8.2017 – 4 AZR 95/14, NZA 2018, 255; EuGH v. 27.4.2017 – C-680/15, C-681/15, NZA 2017, 571; Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 460. 2 BAG v. 17.1.2006 – 9 AZR 41/05, NZA 2006, 923. 3 BAG v. 25.1.2017 – 4 AZR 517/15, NZA 2017, 1623; BAG v. 13.2.2013 – 5 AZR 2/12, NZA 2013, 1024. 4 BAG v. 18.4.2007 – 4 AZR 652/05, NZA 2007, 965 ff.; BAG v. 15.6.2016 – 4 AZR 485/14, NZA 2017, 593. 5 Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 601; Höpfner, NZA 2008, 91; Höpfner, NZA 2009, 420. 6 Vorschläge hierzu zuerst von Klebeck, NZA 2006, 15 ff.; BAG v. 5.7.2017 – 4 AZR 867/16, NZA 2018, 47. 7 BAG v. 23.7.2014 – 7 AZR 771/12, NZA 2014, 1341; BAG v. 21.11.2012 – 4 AZR 85/11, NZA 2013, 512; BAG v. 16.2.2010 – 3 AZR 181/08, NZA 2011, 42; BAG v. 18.11.2009 – 4 AZR 493/08, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 54; BAG v. 24.9.2008 – 6 AZR 76/07, NZA 2009, 154; Striegel in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 476. 8 BAG v. 21.11.2012 – 4 AZR 85/11, NZA 2013, 512; BAG v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, NZA 2011, 634; BAG v. 24.9.2008 – 6 AZR 76/07, NZA 2009, 154; Striegel in Suckow/ Striegel/Niemann, Rz. 477; Henssler/Moll, S. 123. 9 Henssler/Moll, S. 123. 10 BAG v. 8.12.2015 – 3 AZR 267/14, AP Nr 57 zu § 1 BetrAVG Auslegung.
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§ 307 | Inhaltskontrolle rausgesetzt, § 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 10 NachwG) mit einer künftigen auch negativen Tarifentwicklung rechnen muss.1 Weil der in Bezug genommene Tarifvertrag grundsätzlich nicht der Kontrolle anhand der §§ 307 ff. BGB unterfällt, schadet es agb-rechtlich auch nicht, wenn eine Tarifentwicklung „schlechterdings nicht vorhersehbar ist“. Eine solche Entwicklung kann sich nur dann auswirken, wenn ausnahmsweise der Tarifvertrag doch kontrolliert wird (etwa weil nur teilweise in Bezug genommen) oder auf der anderen Seite, wenn die Auslegung der Bezugnahmeklausel selbst solche Änderungen nicht umfassen sollen.2 Bezugnahmen auf einen nicht einschlägigen Tarifvertrag können a § 305c BGB scheitern.3 Doppelverweisungen (zuerst auf den einen Tarifvertrag, dann hilfsweise auf einen anderen) können aber mit dem Transparenzgebot in Konflikt geraten.4 Anderes gilt für den Bezug auf mehrgliedrige Tarifverträge – wie etwa nunmehr in der Leiharbeitsbranche häufig vorkommend: Hier wird die Transparenz einer entsprechenden Klausel deshalb zu bejahen sein, weil zwar auf den ersten Blick mehrere Tarifverträge nebeneinander stehen, der jeweils anwendbare Tarifverträge aber bestimmbar ist.5 Dies steht jedenfalls bei inhaltsidentischen Tarifverträgen außer Frage.6 Freilich ist diese Bestimmbarkeit, die vertraglich auch durch eine Kollisionsregelung hergestellt werden kann, auch notwendige Wirksamkeitsvoraussetzung.7 Kettenverweisungen sind grundsätzlich möglich, müssen allerdings ebenfalls transparent sein.8 161 Bei Tarifkollision, § 4a TVG, ist bei einer Verweisung auf den jeweils geltenden
Tarifvertrag das Transparenzgebot nur dann berührt, wenn die durchzuführende Auslegung nicht ohnehin erkennen lässt, welcher Tarifvertrag anzuwenden ist.9 Maßgeblich ist hier die Bestimmbarkeit zum jeweiligen Anwendungszeitpunkt.10 Dies dürfte regelmäßig der Majoritätstarifvertrag sein. Freilich ist auch der Minderheitstarifvertrag weiterhin taugliches Bezugsobjekt, freilich wird man für dessen schuldrechtliche Geltung eine eindeutige Bezugnahme fordern müssen. 1 Jacobs in BeckOKArbR, § 307 BGB Rz. 66. 2 Siehe dazu auch Stoffels in WLP, Anh § 310 ArbR, Rz. 119; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 80a; dagegen Roloff in HWK, Anh. §§305–310 Rz. 23. 3 Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 80a. 4 BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, NZA 2013, 680; BAG v. 21.11.2012 – 4 AZR 85/11, NZA 2013, 512; Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 713. 5 LAG Rheinland-Pfalz v. 1.6.2012 – 9 Sa 24/12; Stoffels/Bieder, RdA 2012, 27 (32 ff.); Bayreuther, NZA 2012, 14 (17); a.A. LAG Niedersachsen v. 19.4.2012 – 5 Sa 1607/11, ArbR 2012, 329. 6 Stoffels/Bieder, RdA 2012, 27 (32 ff.). 7 BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, NZA 2013, 680. 8 BAG v. 21.11.2012 – 4 AZR 85/11, NZA 2013, 512; BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 217/11, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 71. 9 Dazu Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 636. 10 Preis in ErfK, §§ 305–310 Rz. 80a.
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Eine Bezugnahme auf ein (als solches) unwirksames Regelwerk ist möglich,1 162 praktisch wird dies vor allem bei einem von einer tarifunfähigen Partei geschlossenen Tarifvertrag. Allerdings ist hier die Bezugnahmeklausel entsprechend auszulegen. Bisweilen wird in Arbeitsverträgen auch auf Allgemeine Arbeitsbedingungen 163 verwiesen, die vom Arbeitgeber aufgestellt wurden.2 Diese Klauseln werfen bei einer statischen Bezugnahme keine Probleme auf, denn sie inkorporieren das externe Klauselwerk in den Arbeitsvertrag.3 Damit sind die in Bezug genommenen Regelungen ebenfalls anhand der §§ 305 ff. BGB zu kontrollieren. Die Bezugnahmeklauseln selbst unterfallen dem Transparenzgebot – genügen sie diesem nicht, kommt es bereits nicht zum Einbezug des externen Regelwerkes. Dynamische Verweisungen auf solche externe Regelwerke sind AGB-rechtlich 164 problematischer. Dies gilt zunächst augenscheinlich in Fällen, in denen der Arbeitgeber auf eine von ihm geschaffene (und einseitig zu ändernde) Arbeitsordnung verweist.4 Sie enthalten in ihrer Dynamik letztlich einen pauschalen Änderungsvorbehalt zugunsten des Arbeitgebers.5 Deshalb weichen sie vom Grundsatz des pacta sunt servanda ab und sind einer Inhaltskontrolle zu unterziehen.6 Aus dieser ergibt sich, dass bereits die Bezugnahmeklausel unangemessen ist, weil sie dem Arbeitgeber das Recht gibt, einseitig die Arbeitsbedingungen zu gestalten.7 Das verstößt für Arbeitgeberleistungen gegen § 308 Nr. 4 BGB.8 Um eine solche Klausel zu halten, ist es notwendig, die Voraussetzungen, die an Änderungen und Widerrufsrechte gestellt werden, zu beachten (dazu § 308 Rz. 29 ff.). Eine pauschale dynamische Verweisung ist deshalb stets unwirksam.9 Auch unter dem Gesichtspunkt des Transparenzgebotes ist eine dynamische Verweisung auf eine Arbeitsordnung kritisch zu sehen: Der Arbeitnehmer muss aus der Formulierung jedenfalls erkennen können, welches Regelwerk in Bezug genommen wird und wie die Voraussetzungen für deren Änderungen sind.10
1 BAG v. 22.1.2002 – 9 AZR 601/00, NZA 2002, 1041; BAG v. 14.12.2011 – 4 AZR 26/10, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 59. 2 Dazu Preis, NZA 2010, 361. 3 Striegel in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 469. 4 BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428; BAG v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, NZA 2011, 634. 5 Preis, NZA 2010, 361 (362): „Mega-Widerrufsvorbehalt“. 6 BAG v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, NZA 2011, 634. 7 Preis, NZA 2010, 361 (362). 8 Preis, NZA 2010, 361 (362). 9 Preis, NZA 2010, 361 (362). 10 Preis, NZA 2010, 361 (362).
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§ 307 | Inhaltskontrolle c) Kontrolle des in Bezug genommenen Regelwerkes aa) Tarifvertrag 165 Nach § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB stehen Tarifverträge Rechtsvorschriften i.S.d.
§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB gleich und unterfallen deshalb keiner Angemessenheitskontrolle.1 Als Grund hierfür wird einmal angegeben, dass im Falle einer schuldrechtlichen Bezugnahme die Arbeitnehmer nicht besser stehen sollen als dann, wenn der Tarifvertrag normativ gilt und keine Tarifkontrolle auf Angemessenheit erfolgt.2 Es solle also nicht zu einer „Zweiklassenkontrolle“ zwischen tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen kommen.3 Dahinter steckt aber ebenso die vom Gesetzgeber grundsätzlich zu respektierende Richtigkeitsgewähr des Tarifvertrages mit seiner grundrechtlichen Dignität, Art. 9 Abs. 3 GG:4 Diese kann unmittelbar zwar nur im Hinblick auf die unmittelbar Tarifgebundenen reklamiert werden,5 soll aber auch nicht mittelbar über eine Angemessenheitskontrolle ausgehöhlt werden.6 Wird auf einen Tarifvertrag Bezug genommen, in dessen Geltungsbereich das Arbeitsverhältnis fällt, so greift die Richtigkeitsgewähr des Tarifvertrages und es findet keine Angemessenheitskontrolle statt.7
166 Fraglich ist das Verbot der Tarifvertragskontrolle anhand der §§ 305 ff. BGB
aber dann, wenn die Richtigkeitsgewähr des Tarifvertrages in Rede steht. So nimmt eine Verweisung auf schlicht schuldrechtliche Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien am Kontrollprivileg nicht teil, maßgeblich ist hier, dass die entsprechende Regelung noch umgesetzt werden muss.8 Offengelassen hat das BAG dies für schuldrechtliche Vereinbarungen zugunsten Dritter, § 328 BGB.9 Allerdings wird jedenfalls für schuldrechtliche Koalitionsvereinbarungen und Tarifverträge in ihrem Anwendungsbereich die analoge Anwendung des § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB befürwortet.10
167 Umstritten sind die Fälle, in denen nicht auf einen ganzen, abgeschlossenen Ta-
rifvertrag Bezug genommen wird, sondern lediglich auf einzelne Sachbereiche
1 Krause in Staudinger, 2019, Anh. zu § 310 BGB Rz. 90. 2 Kritisch zu der Gestaltung der Regelung Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (55). 3 Auch Löwisch in FS Canaris Bd. I (2007), S. 1403 (1404) mit dem Hinweis, dass eine solche „Zweiklassenkontrolle“ eine Art. 9 Abs. 3 GG zuwiderlaufende Diskriminierung der organisierten Arbeitnehmer sei. 4 Giesen, ZfA 2010, 657 (663). 5 Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 551; Giesen, ZfA 2010, 657 (661). 6 Schlewing, NZA-Beilage 2012, 33 (40). 7 Jacobs in BeckOKArbR, § 307 BGB Rz. 21. 8 BAG v. 9.2.2011 – 7 AZR 91/10, NZA-RR 2012, 232; BAG v. 19.10.2011 – 7 AZR 743/10, GWR 2012, 162. 9 BAG v. 13.6.2012 – 7 AZR 672/10, AP BGB § 307 Nr. 65; BAG v. 19.10.2011 – 7 AZR 743/10, GWR 2012, 162. 10 Krause in Staudinger, 2019, Anh. zu § 310 BGB Rz. 91.
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(etwa Urlaubsregelungen) oder einzelne punktuelle Regelungen (etwa eine Ausschlussfrist) verwiesen wird.1 Bei punktuellen Verweisungen (Einzelverweisungen) sind die in Bezug genommenen Regelungen eines Tarifvertrages voll überprüfbar – an der Richtigkeitsgewähr des Tarifvertrages können diese nicht teilhaben, weil sie durch die Bezugnahme aus ihrem tariflichen Zusammenhang genommen sind.2 Für die Verweisung auf Teilbereiche eines Tarifvertrages muss man trennen: 168 Sind diese Teilbereiche in sich abgeschlossene Regelungen, so ist davon auszugehen, dass sie an der Richtigkeitsgewähr des Tarifvertrages teilnehmen. Ist dies nicht der Fall, sind sie kontrollfähig.3 Teilverwiesene Tarifverträge immer einer Angemessenheitskontrolle zu unterwerfen hieße, die Tarifautonomie der Tarifvertragsparteien nicht zu respektieren. Die Frage, wann ein abgeschlossener Sachbereich vorliegt, ist freilich in der Tat schwer zu beantworten und entzieht sich einer abstrakten Festlegung. Man wird in diesem Sinne auf die Erfahrungen aus dem Günstigkeitsvergleich, § 4 Abs. 3 TVG, verweisen können.4 Ein ganzes, aus mehreren Tarifverträgen bestehendes Tarifwerk muss nicht in Bezug genommen werden, um die Kontrollprivilegierung zu erreichen.5 Fällt das Arbeitsverhältnis nicht in den Geltungsbereich des Tarifvertrages, so 169 könnte dieser auch normativ keine Geltung beanspruchen und ist damit kontrollfähig.6 Dies gilt nicht nur für einen fehlenden sachlichen,7 sondern ebenfalls für den örtlichen Geltungsbereich.8 Dies folgt daraus, dass wegen § 310 Abs. 4 Satz 3, § 307 Abs. 3 BGB deshalb eine Kontrolle des Tarifvertrages unterbleibt, weil ansonsten eine Zweiteilung der Belegschaft erfolgte – was auch bei einem örtlich nicht einschlägigen Tarifvertrag nicht geschehen kann.9 Ein anderer Fall ist hier der zeitlich nicht mehr geltende Tarifvertrag: Hier kann 170 es zu einem Auseinanderfallen der Belegschaft kommen, weil die tarifgebundenen Arbeitsverhältnisse nach § 4 Abs. 5 TVG an der Nachwirkung teilnehmen.10 Deshalb verbieten § 310 Abs. 4 Satz 3, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB in diesem Fall 1 Löwisch in FS Canaris Bd. I (2007), S. 1403 (1404). 2 BAG v. 6.5.2009 – 10 AZR 390/08, NZA-RR 2009, 593; Jacobs in BeckOKArbR, § 307 BGB Rz. 25. 3 Jacobs in BeckOKArbR, § 307 BGB Rz. 26; a.A. Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 561 ff.; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (56): Dies begünstige das Rosinenpicken. Nur insgesamt in Bezug genommener Tarifvertrag! 4 Jacobs in BeckOKArbR, § 307 BGB Rz. 26. 5 Giesen, ZfA 2010, 657 (663); Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 563. 6 Diehn, NZA 2004, 129 (131); Jacobs in BeckOKArbR, § 307 BGB Rz. 23. 7 Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 556; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 14. 8 Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 557; Krause in Staudinger, 2019, Anh zu § 310 Rz. 94: a.A. BAG v. 21.8.2002 – 4 AZR 263/01, NZA 2003, 442. 9 Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 557. 10 BAG v. 18.9.2012 – 9 AZR 1/11, NZA 2013, 216; Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 558.
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§ 307 | Inhaltskontrolle die Angemessenheitskontrolle (a.A. Kreft, § 310 Rz. 71).1 Anders liegt der Fall, wenn von vornherein auf den nachwirkenden Tarifvertrag Bezug genommen wird.2 171 Diskutiert wird die Frage, ob an der Privilegierung des Tarifvertrages nicht dann
etwas geändert werden muss, wenn der Tarifvertrag dem Arbeitnehmer ein besonderes Opfer abverlangt und etwa den Vertragsinhalt erheblich verändert. In Rede stehen hier vor allem Sanierungstarifverträge, die das Entgelt nicht selten erheblich absenken. Vorgeschlagen wird hier eine Inhaltskontrolle, die sich daraus rechtfertigen soll, dass der nicht tarifgebundene Arbeitnehmer diesen Tarifvertrag nicht durch seine Mitgliedschaft legitimiert habe und so im Hinblick auf die staatliche Schutzpflicht aus Art. 12 Abs. 1 GG eine Kontrolle des Tarifvertragsinhalts geboten sei.3 Das freilich ist verfehlt: Es geht in solchen Fällen nicht um die Frage, ob ein Tarifvertrag einer Inhaltskontrolle unterworfen werden soll, sondern um die Prüfung, ob eine entsprechende Tarifentwicklung nicht so unvorhersehbar ist, dass von einer überraschenden Änderung für den Arbeitnehmer ausgegangen werden muss.4
172 Ein in Bezug genommener Tarifvertrag, der nicht der Inhaltskontrolle unterfällt,
ist auch nicht anhand des Transparenzgebots des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu messen.5 Dies gilt nicht nur dann, wenn der Arbeitgeber tarifgebunden ist,6 sondern auch darüber hinaus. Denn auch eine Transparenzkontrolle liefe auf eine Tarifzensur anhand des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB hinaus.7
bb) Betriebs- und Dienstvereinbarung 173 Auch Betriebsvereinbarungen und personalvertretungsrechtliche Dienstverein-
barungen können arbeitsvertraglich in Bezug genommen werden.8 Allerdings gelten Betriebsvereinbarungen für die Arbeitnehmer des betreffenden Betriebs bereits normativ, § 77 Abs. 4 BetrVG, so dass zunächst durch Auslegung zu klären ist, ob eine Bezugnahmeklausel nicht lediglich deklaratorischen Charakter hat, was regelmäßig anzunehmen sein wird:9 Denn der Gleichstellungzweck, wie er der Bezugnahme auf Tarifverträge regelmäßig eigen ist, entfällt bei der Be-
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Krause in Staudinger, 2019, Anh. zu § 310 BGB Rz. 95. Krause in Staudinger, 2019, Anh. zu § 310 BGB Rz. 95. Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 558. Löwisch/Rieble, § 3 TVG Rz. 558. BAG v. 28.6.2007 – 6 AZR 750/06, NZA 2007, 1049; Schlewing, NZA-Beilage 2012, 33 (40); Krause in Staudinger, 2019, Anh. zu § 310 BGB Rz. 97; a.A. Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 15; Stoffels, ZfA 2009, 861 (889). So BAG v. 13.12.2007 – 6 AZR 222/07, NZA 2008, 478; BAG v. 28.6.2007 – 6 AZR 750/06, NZA 2007, 1049. Schlewing, NZA-Beilage 2012, 33 (40). Krause in Staudinger, 2019, Anh. zu § 310 BGB Rz. 99; Preis, NZA 2010, 361 (364 ff.). BAG v. 18.11.2003 – 1 AZR 604/02, NZA 2004, 803.
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triebsvereinbarung.1 Die Betriebsvereinbarung selbst ist wegen § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB der Angemessenheitskontrolle entzogen – sie ist an § 75 BetrVG zu messen.2 Die Frage nach der deklaratorischen und der konstitutiven Bezugnahme ist dann bedeutsam, wenn es um die Wahrung von Besitzständen geht: Bei deklaratorischem Verweis kommt es (nur) zur normativen Geltung der Betriebsvereinbarung; bei konstitutivem wird der Inhalt der Betriebsvereinbarung (zugleich) arbeitsvertragliche Regelung – die sich im Falle einer nach dem Ablöseprinzip zulässigen verschlechternden normativ geltenden Betriebsvereinbarung wegen des Günstigkeitsprinzips gegen die Betriebsvereinbarung durchzusetzen vermag. Eine solche deklaratorische Bezugnahme ist für den Arbeitnehmer auch nicht unklar, § 305c Abs. 2 BGB, jedenfalls dann, wenn auf die geltenden Betriebsvereinbarungen Bezug genommen wird.3 Soll die Bezugnahme auf die Betriebsvereinbarung dagegen ausnahmsweise 174 konstitutiv – etwa, weil in Arbeitsverträgen im betriebsratslosen Betrieb auf Betriebsvereinbarungen eines anderes Betriebs verweisen wird – wirken, so unterliegt die Betriebsvereinbarung (unabhängig davon, ob als Ganze oder in Teilen in Bezug genommen) der AGB-Kontrolle, sie nimmt nicht am Privileg des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB teil.4 Ob eine konstitutive Bezugnahme vorliegt, kann vom Zweck der Bezugnahme her erschlossen werden. Rieble und Schul5 haben drei mögliche Zwecke herausgearbeitet: die Geltungserstreckung auf Arbeitsverhältnisse, die von der Betriebsvereinbarung (doch) nicht betroffen sind, wie etwa bei Arbeitnehmern betriebsratsloser (Neben-)Betriebe;6 die Heilung unwirksamer Betriebsvereinbarungen und die einzelvertragliche Festsetzung des aktuellen Inhalts der Betriebsvereinbarung – als Entkoppelung der Dynamik. Hier ist bei der Kontrolle anhand der §§ 307 ff. BGB aber § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB und damit die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten zu berücksichtigen.7 Zulässig ist auch die betriebsvereinbarungsoffene Verweisung (dynamische 175 Verweisung), nach der etwa arbeitsvertragliche Regelungen durch Betriebsvereinbarungen auch verschlechternd abgeändert werden können.8 Damit wird letztlich (lediglich) das auch zwischen Arbeitsvertrag und Betriebsvereinbarung bestehende Günstigkeitsprinzip9 ausgehebelt.10 Dass jedoch allein durch die 1 Rieble/Schul, RdA 2006, 339. 2 BAG v. 7.6.2011 – 1 AZR 807/09, NZA 2011, 1234; BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, NZA-RR 2010, 457; Preis, NZA 2010, 361 (365). 3 Rieble/Schul, RdA 2006, 339 (344). 4 Preis, NZA 2010, 361 (365). 5 Rieble/Schul, RdA 2006, 339 (340). 6 Weitere Beispiele zur Geltungserstreckung siehe Rieble/Schul, RdA 2006, 339 (341). 7 Krause in Staudinger, 2019, Anh. zu § 310 BGB Rz. 102, 103. 8 So BAG v. 21.11.2012 – 4 AZR 85/11, NZA 2013, 512; Preis, NZA 2010, 361; Rieble/ Schul, RdA 2006, 339 (340). 9 BAG v. 27.1.2004 – 1 AZR 148/03, NZA 2004, 667. 10 Rieble/Schul, RdA 2006, 339 (340).
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§ 307 | Inhaltskontrolle Vereinbarung von AGB bereits konkludent eine Öffnung für eine spätere (vor allem: verschlechternde) Betriebsvereinbarung liegen soll, lässt sich nicht begründen. Das BAG befürwortet dies letztlich mit dem Hinweis auf die durch die AGB hergestellte Einheitlichkeit der Arbeitsbedingungen im Betrieb.1 Allerdings trägt dieser Gedanke schon rechtsgeschäftlich nicht, agb-rechtlich scheitert er spätestens am Transparenzgebot.2 Für die Bezugnahme auf Regelungsabreden wird die analoge Anwendung des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB befürwortet.3 Liegt keine Bezugnahme auf eine für den Betrieb geltende Betriebsvereinbarung oder Regelungsabrede, aber eine auf eine sonstige Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vor, so greift § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht, cc) Richtlinien nach § 28 SprAuG 176 Richtlinien nach § 28 SprAuG unterfallen der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB.4
Das wird mit dem Hinweis anders gesehen, dass auch sie normativ wirken und damit durch den Gesetzgeber mit einer Richtigkeitsgewähr ausgestattet sind.5 Jenseits der Frage, ob diese Richtigkeitsgewähr wegen des eingeschränkten Bestandsschutzes der Arbeitsverhältnisses leitender Angestellter und des Fehlens einer schlichtenden Einigungsstelle verneint werden muss,6 war dem Gesetzgeber der Schuldrechtsreform jedenfalls auch das Regelungsinstrument der Richtlinie nach § 28 SprAuG bekannt, allerdings wurde auf eine Aufnahme in § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB verzichtet.7 Helfen kann hier aber § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB. dd) Kirchliche Arbeitsbedingungen
177 Auf dem sog. Dritten Weg zustande gekommene kirchliche Arbeitsvertrags-
richtlinien (AVR) unterfallen nach herrschender Meinung nicht § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB und sind somit grundsätzlich anhand der §§ 307 ff. BGB zu kontrollieren.8 Weil sie nicht normativ wirken,9 kann ihre Geltung für das einzelne Arbeitsverhältnis nur über eine Bezugnahmeklausel erreicht werden. Solche Klauseln, die die AVR in ihrer jeweiligen Fassung in Bezug nehmen, sind regelmäßig
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BAG v. 5.3.2013 – 1 AZR 417/12, NZA 2013, 916. So aiuch Creutzfeld, NZA 2018, 1111 (1119). Krause in Staudinger, 2019, Anh. zu § 310 BGB Rz. 102. Preis in ErK, §§ 305–310 BGB Rz. 9. Krause in Staudinger, 2019, Anh. zu § 310 BGB Rz. 105; Löwisch in FS Canaris Bd. I (2007), S. 1403 (1404). So Däubler in DBD, § 310 Rz. 36. Hromadka/Sieg, § 28 SprAuG Rz. 17. BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 217/11, NZA 2012, 1440; a.A. Richardi, NZA 2002, 1057 (1062); Thüsing, ZTR 2005, 507. BAG v. 23.11.2017 – 6 AZR 739/25, NZA 2018, 301.
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dahingehend auszulegen, dass das einschlägige kirchliche System der Arbeitsrechtsetzung insgesamt erfassen werden sollen.1Anders entscheiden führte dazu, dass letztlich der kirchliche Autonomieraum zur kollektivrechtlichen Selbstgestaltung kaum genutzt werden könnte. Das infolge des den Kirchen verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstbestimmungsrechts, Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 3 WRV, von den Kirchen erlassene Regelungsfindungssystem des Dritten Weges ist im Arbeitsrecht geltende Besonderheit, § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB, zu berücksichtigen. Dieser Gedanke zieht auch bei der Frage des Kontrollumfangs der AVR selbst. 177a Weil der Dritte Weg dem Tarifvertragssystem im Sinne einer „Richtigkeitsanalyse“ gleichwertig ist,2 sind AVR im Ergebnis auch nur wie Tarifverträge auf Verfassungs-, Gesetzes- und Sittenverstoß hin zu überprüfen.3 Auch nach einem Betriebsübergang von einem kirchlichen Rechtsträger auf einen weltlichen Arbeitgeber gelten die dynamisch in Bezug genommenen AVR weiter.4
10. Dienstwagen Wird dem Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber ein Dienstwagen zur privaten 178 Nutzung zur Verfügung gestellt, handelt es sich regelmäßig um einen Entgeltbestandteil.5 Deshalb sind bei der Kontrolle von außerhalb des Arbeitsvertrages geschlossenen Dienstwagenvereinbarungen auch die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten, § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB, zu berücksichtigen.6 Gesetzlicher Maßstab für die Inhaltskontrolle sind deshalb die Regelungen über das Arbeitsentgelt. Ein formularmäßig vereinbartes Widerrufsrecht muss wegen des Entgeltcharak- 179 ters den Vorgaben des § 308 Nr. 4 BGB entsprechen.7 Im Rahmen der Bestimmung der für die Wirksamkeit des Widerrufsrechts maßgeblichen 25 %-Grenze bietet es sich an, für den Dienstwagen 1 % des Listenpreises zum Zeitpunkt der Erstzulassung in Ansatz zu bringen. Als Widerrufsgründe für den Entzug des Dienstwagens kommen dabei der Entfall der Notwendigkeit einer dienstlichen Nutzung des Wagens durch den Arbeitnehmer (insbesondere während der Freistellungsphase nach ausgesprochener Kündigung) oder anderweitige Nutzungs1 BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 217/11, NZA 2012, 1440. 2 So auch BAG v. 20.11.2012 – 1 AZR 179/11, NZA 2013, 448; insgesamt Klumpp, KuR 2012, 176 ff. 3 BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 217/11, NZA 2012, 1440; BAG v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, ZMV 2010, 331; BAG v. 24.3.2011 – 6 AZR 796/09, ZMV 2011, 279; Preis in ErfK, §§ 305–310 Rz. 11; Krause in Staudinger, 2019, Anh. zu § 310 BGB Rz. 108. 4 BAG v. 23.11.2017 – 6 AZR 683/16, NZA 2018, 311; dazu auch Klumpp, ZMV 2017, 239. 5 BAG v. 5.9.2002 – 8 AZR 702/01, NZA 2003, 973. 6 BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616; BAG v. 14.12.2010 – 9 AZR 631/09, NZA 2011, 569; BAG v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, NZA 2007, 809. 7 Dazu BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, NZA-RR 2010, 457; Lakies, S. 362 f.
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§ 307 | Inhaltskontrolle notwendigkeiten im Zeitraum der Entgeltfortzahlung in Betracht.1 Der Widerrufsgrund der „wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens“ wurde von der Rechtsprechung aus Transparenzgründen aber nicht goutiert.2 Für den Entzug des Dienstwagens muss in diesen Fällen keine Ankündigungsfrist vorgesehen werden, vielmehr spielt diese Frage im Rahmen der Ausübungskontrolle nach § 315 BGB eine Rolle.3 180 Klauseln, die die Haftung des Arbeitnehmers für Schäden am Dienstwagen
während des dienstlichen Gebrauchs entgegen den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung erweitern, scheitern nach h.M. (dazu Rz. 204) bereits daran, dass diese Grundsätze als zwingend angesehen werden. Anderes gilt für Schäden, die während des privaten Gebrauchs entstehen, hier haftet der Arbeitnehmer aber ohnehin nach den allgemeinen Grundsätzen.4
181 Dienstwagenübernahmeklauseln, bei denen am Ende des Arbeitsverhältnisses
bestimmt wird, dass der Arbeitnehmer entweder in den Leasingvertrag des Dienstwagens einzutreten oder aber (auch anteilig) die Ablösekosten gegenüber dem Leasinggeber zu übernehmen hat, sind jedenfalls dann unangemessen, wenn der Dienstwagen auch zum betrieblichen Gebrauch zur Verfügung gestellt wurde.5 Durch die drohenden Übernahmekosten wird die Kündigungsfreiheit des Arbeitnehmers eingeschränkt und das wirtschaftliche Risiko an der Beschaffung des Wagens auf den Arbeitnehmer übergewälzt.6 Dies gilt umso mehr, wenn der Arbeitgeber den Wagen anderweitig einsetzen kann.7 Ist der Dienstwagen – wie meist – Teil des Arbeitsentgelts und damit auch zur privaten Nutzung überlassen, so fällt eine Regelung, wonach der Arbeitgeber den Wagen zurückverlangen darf, unter die Voraussetzungen für das Widerrufsrecht bei Arbeitgeberleistungen (dazu § 308 Rz. 48).8
11. Direktionsrechtsklauseln 182 Versetzungsklauseln dienen der Flexibilisierung des Arbeitsverhältnisses. Zwar
gibt dem Arbeitgeber bereits § 106 GewO das Weisungsrecht an die Hand, das
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BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616; Lindemann in Preis, II D 20 Rz. 15. LArbG Hannover v. 28.3.2018 – 13 Sa 304/17, juris (Revision unter 5 AZR 256/18). BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616. Lindemann in Preis, II D 20 Rz. 15. BAG v. 9.9.2003 – 9 AZR 574/02, NZA 2004, 484; LAG Köln v. 19.6.2009 – 4 Sa 901/08; für den Fall eines ohne betriebliche Notwendigkeit auf Wunsch des Arbeitnehmers beschafften Wagens LAG Hessen v. 14.10.2005 – 12 Sa 2008/04; Preis in ErfK, § 611 BGB Rz. 523; Roloff in HWK, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 25; Thüsing, AGB-Recht, Rz. 231. 6 Dazu Chwalisz, ArbRAktuell 2011, 627. 7 Lindemann in Preis, II D 20 Rz. 16. 8 Dazu BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616; BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, NZA-RR 2010, 457; Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 227.
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aber an die dort beschriebenen Grenzen der gesetzlichen und kollektivvertraglichen Regelungen, aber auch an die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen selbst gebunden ist. Weil vor allem aufgrund der wirtschaftlichen Veränderungen ein Flexibilitätsdruck auf dem Arbeitsverhältnis liegt, hat der Arbeitgeber ein Interesse an einem (noch) über § 106 GewO hinausgehenden Direktionsrecht.1 Hier geht es also um die Erweiterung der „eigentlich“ vereinbarten vertraglichen Festlegungen. Der Arbeitnehmer hat von einer solchen vertraglichen Direktionsrechtserweiterung auch Vorteile, denn je weiter seine Einsatzmöglichkeit beim Arbeitgeber ist, desto geringer kann durch den Einbezug einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern in eine Sozialauswahl sein Kündigungsrisiko sein.2 Auf der anderen Seite stehen weite Direktionsrechtsklauseln mit dem zwingenden gesetzlichen Bestandsschutz in einem Spannungsverhältnis. Auf die Direktionsrechtsklauseln findet § 308 Nr. 4 BGB keine Anwendung, weil es nicht um die Leistungsbestimmung für Arbeitgeberleistungen geht, sondern um die Arbeitnehmerleistung (§ 308 Rz. 37).3 Für die AGB-Kontrolle wichtig ist die Einordnung einer Direktionsrechtsklau- 182a sel: Handelt es sich (lediglich) um eine Klausel, die den Rahmen des § 106 GewO wiedergibt, so kommt es wegen § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht zur Angemessenheitskontrolle, sondern (lediglich) zur Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.4 Solche Klauseln weichen nicht von der maßgeblichen Rechtsvorschrift des § 106 GewO ab. Diese „unechten“ Direktionsrechtserweiterungen5 liegen immer dann vor, wenn es vertraglich zunächst zu einer (scheinbaren) Einschränkung der Tätigkeit hinsichtlich Art oder Ort kommt, diese Einschränkung dann aber im Rahmen der Vorgaben des § 106 GewO wieder erweitert wird.6 Es hilft die Überlegung, ob die durch die scheinbare Erweiterung geschaffene Direktionsrechtslage auch bei Nichtregelung durch die Parteien lediglich auf der Grundlage des § 106 GewO gölte. Das wird im Hinblick auf die dann – gerade bei der Festlegung des Arbeitsortes - kritisiert, weil so keine ausreichende Inhaltskontrolle möglich wäre.7 Freilich handelt s sich letztlich um eine Auslegungsfrage über die „originäre“ Reichweite des Direktionsrechts und in diese Auslegung muss auch die Versetzungsregelung einbezogen werden. 1 2 3 4
Dazu Hunold, NZA 2007, 19 (20). Auch Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 120. Suckow in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 806. Dazu BAG v. 20.3.2013 – 10 AZR 636/11, AP BGB § 315 Nr. 109; Krause in Staudinger, 2019, Anh. zu § 310 BGB Rz. 197. 5 Preis/Genenger, NZA 2008, 969 (970). 6 BAG v. 30.11.2016 – 10 AZR 11/16, NZA 2017, 1394; BAG v. 13.6.2012 – 10 AZR 296/11, NZA 2012, 1154; BAG v. 19.1.2011 – 10 AZR 738/09, NZA 2011, 631; BAG v. 25.8.2010 – 10 AZR 275/09, NZA 2010, 1355; BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 36/09, DB 2010, 2805; BAG v. 13.6.2007 – 5 AZR 564/06, NZA 2007, 974. 7 Krause in Staudinger, 2019, Anh. zu § 310 BGB Rz. 197 m.w.N.
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§ 307 | Inhaltskontrolle 182b Die Transparenzkontrolle solcher gesetzwiederholenden Regelungen verlangt
nicht, dass die Gründe für die Ausübung des Direktionsrechts genannt werden.1
183 Eine echte, konstitutive Direktionsrechtserweiterung liegt dagegen vor, wenn
über § 106 GewO hinaus gegangen wird und eine Tätigkeit zugewiesen werden kann, die nicht von der ursprünglich vereinbarten Tätigkeit gedeckt wird.2 Das gilt etwa für geringwertigere, aber auch für höherwertige Tätigkeiten oder solche, die nicht der Qualifikation des Arbeitnehmers entsprechen. Die Folge ist hier die Kontrolle anhand der Generalklausel des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB auf Angemessenheit.3
184 Regelungen über den Arbeitsort sind regelmäßig lediglich am Transparenzgebot
des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu messen,4 denn zum einen wiederholen sie lediglich das dem Arbeitgeber ohnehin aus § 106 GewO zustehende Weisungsrecht und zum anderen geht es um die Hauptleistung des Arbeitnehmers.5 Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien also einen bestimmten Einsatzort, darüber hinaus aber eine Versetzungsbefugnis des Arbeitgebers, so ist dies nichts anderes als die Wiedergabe des ortsbezogenen Weisungsrechts des Arbeitgebers. Eine Konkretisierung auf den genannten (primären) Einsatzort findet nicht statt.6 Die Versetzungsregelung ist auch nicht deswegen intransparent, weil sie etwa keine Gründe, keine alternativen Einsatzorte oder keine maximalen Entfernungen nennt.7 Das folgt schon daraus, dass der Arbeitgeber eine konkrete Bindung nicht eingehen kann, weil beim Abschluss des Arbeitsverhältnisses sichere Prognosen über spätere Einsatznotwendigkeiten nicht getroffen werden können.8 Außerdem ist das weite Direktionsrecht für das Arbeitsverhältnis gerade konstitutiv und somit eine im Arbeitsrecht geltende Besonderheit.9 Eine Angemessenheitskontrolle hat nicht zu erfolgen, weshalb der Arbeitnehmer durch die Ausübungskontrolle geschützt wird – der Arbeitgeber hat sein Weisungsrecht nach billigem Ermessen auszuüben.10 1 BAG v. 25.8.2010 – 10 AZR 275/09, NZA 2010, 1355; BAG v. 13.3.2007 – 9 AZR 433/06, AP BGB § 307 Nr. 26. 2 Preis/Genenger, NZA 2008, 969 (970). 3 BAG v. 24.2.2016 – 7 AZR 253/14, NZA 2016, 814. 4 BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 36/09, DB 2010, 2805; Suckow in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 810. 5 BAG v. 19.1.2011 – 10 AZR 738/09, NZA 2011, 631. 6 BAG v. 13.6.2012 – 10 AZR 296/11, NZA 2012, 1154. 7 BAG v. 13.3.2007 – 9 AZR 433/06, AP BGB § 307 Nr. 26; BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 36/ 09, DB 2010, 2805; Suckow in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 812; Jacobs in BeckOKArbR, § 307 BGB Rz. 75; abweichend Zundel, NJW 2006, 1237 (1238), zum fehlenden Entfernungsradius kritischer auch Hromadka, NZA 2012, 233 (238). 8 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149. 9 Preis/Genenger, NZA 2008, 969 (973); Roloff in HWK, Anh §§ 305–310 Rz. 46. 10 Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 55; Roloff in HWK, Anh §§ 305–310 Rz. 47.
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Wegen einer Abweichung von § 106 GewO unterliegen Versetzungsregelungen, 185 die dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnen, dem Arbeitnehmer über den Bereich des bestehenden Direktionsrechts hinaus ein gleichwertiges anderes Arbeitsgebiet (unter Beibehaltung des Arbeitsentgelts) zuzuweisen,1 einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Sie sind aber nach der Rechtsprechung regelmäßig nicht benachteiligend. Das Transparenzgebot verlangt freilich, dass aus der Klausel nicht auch folgen kann, dass dem Arbeitnehmer eine geringwertigere Tätigkeit zugewiesen werden kann.2 Gründe für die Zuweisung des neuen Tätigkeitsbereichs müssen in der Klausel nicht genannt werden, weil es zu keiner Abweichung von § 106 GewO kommt.3 Diese Rechtsprechung ist deshalb abzulehnen, weil der Arbeitgeber damit berechtigt ist, einseitig andere als die vereinbarte Tätigkeit zuzuweisen und damit in den Kernbereich der Leistungspflichten des Arbeitsverhältnisses einzugreifen.4 Anderes mag nur dann gelten, wenn lediglich Gründe i.S.d. § 2 KSchG zur Änderung der Tätigkeit berechtigen sollen. Eine Klausel, die dem Arbeitgeber das Recht zuweist, dem Arbeitnehmer einsei- 186 tig eine geringwertigere als die vertraglich festgelegte Tätigkeit zuzuweisen, ist eine echte Direktionsrechtserweiterung und an § 307 Abs. 1, 2 BGB zu messen.5 Sie ist jedenfalls dann unangemessen nach § 307 Abs. 2 Nr. 1, 2 BGB, wenn mit der Zuweisung einer geringwertigeren Tätigkeit auch das Arbeitsentgelt entsprechend abgesenkt wird, weil es hier zum Eingriff in das ursprüngliche Synallagma des Arbeitsvertrages kommt und die kündigungsschutzrechtlichen Regelungen, insbesondere § 2 KSchG, unterlaufen werden.6 Das BAG sieht darin eine Abweichung vom gesetzlichen Inhaltsschutz des Arbeitsrechts und wendet § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB an.7 Wenn mit dem Hinweis auf die Rechtsprechung zur Arbeit auf Abruf (siehe dazu Rz. 101 ff.) hier eine Absenkung von maximal 20 % für zulässig gehalten wird,8 so geht dies aber deshalb fehl, weil es bei der Abrufarbeit lediglich um eine zeitliche Änderung mit entsprechendem Entgeltausfall geht, bei der Zuweisung geringwertigerer Tätigkeiten aber um eine qualitative Änderung der Tätigkeit. Diese trifft den Arbeitnehmer dann mit der Absenkung des Arbeitsentgelts doppelt negativ. Die Rechtsprechung ist freilich dann groß1 BAG v. 9.5.2006 – 9 AZR 424/05, NZA 2007, 145; BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149. 2 BAG v. 9.5.2006 – 9 AZR 424/05, NZA 2007, 145. 3 BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 36/09, NZA 2011, 64; BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149; BAG v. 25.8.2010 – 10 AZR 275/09, NZA 2010, 1355. 4 Junker, BB 2007, 1274 (1275). 5 BAG v. 9.5.2006 – 9 AZR 424/05, NZA 2007, 145; Preis/Genenger, NZA 2008, 969 (974). 6 BAG v. 25.8.2010 – 10 AZR 275/09, NZA 2010, 1355; BAG v. 9.5.2006 – 9 AZR 424/05, NZA 2007, 145; Fuchs/Bieder in UBH, Anh. § 310 Rz. 62; Roloff in HWK, Anh. §§ 305– 310 Rz. 27, 49. 7 BAG v. 9.5.2006 – 9 AZR 424/05, NZA 2007, 145. 8 Preis/Genenger, NZA 2008, 969 (973).
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§ 307 | Inhaltskontrolle zügig und lässt entsprechende Klauseln zu, wenn sachliche Änderungsgründe vorgesehen sind und das Arbeitsentgelt nicht gesenkt wird.1 Freilich bestehen Bedenken, eine Zuweisungsmöglichkeit geringwertigerer Tätigkeiten auch ohne Absenkung des Arbeitsentgelts zu goutieren,2 denn es kommt auch hier bei einer Änderung durch Zuweisung einer geringwertigeren Tätigkeit zu einem Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses. Richtig ist die Rechtsprechung nur, wenn diese Gründe, die zur Zuweisung der geringwertigeren Tätigkeit berechtigen sollen, den Vorgaben des § 2 KSchG entsprechen und so keine Abweichung vom zwingenden Bestandsschutz erfolgt.3 Dabei dürfte es aber nicht ausreichen, wenn lediglich mit abstrakten Erfordernissen gearbeitet wird. Dies führte darüber hinaus auch zur Intransparenz der Regelung, weil der Arbeitnehmer nicht erkennen kann, wann die Direktionsrechtserweiterung greift.4 Auch der Vorschlag, eine Grenze bei solchen Tätigkeiten zu setzen, deren Vergütungsniveau höchstens 25 % unter dem Niveau der bisherigen Tätigkeit liegt,5 geht fehl, weil er die Vorgaben des Bestandsschutzes nicht beachtet. 187 Die Zuweisung einer höherwertigen Tätigkeit ist nur dann angemessen, wenn
es zugleich zu einer entsprechenden Anhebung des Entgelts kommt.6 Eine anderweitige Regelung widerspricht dem gesetzlichen Inhaltsschutz und dem Zweck des Arbeitsvertrages.7 Denn der Arbeitgeber könnte dann einseitig zu tief in das Vertragsgefüge eingreifen.8
188 Bei sog. Konzernversetzungsklauseln sind zwei Typen zu unterscheiden: Zum
einen die (bloßen) Entsendungs- oder Abordnungsklauseln, die eine Übertragung des Weisungsrechts auf ein anderes Konzernunternehmen vorsehen, und zum anderen die (echten) Konzernversetzungsklauseln, bei denen es zum Arbeitgeberwechsel zu einem anderen Konzernunternehmen (auch im Ausland) kommen soll. Während Entsendungsklauseln als weithin unproblematisch angesehen werden,9 und allenfalls eine entsprechende Berücksichtigung der wirtschaftlichen Einbußen des Arbeitnehmers gefordert wird,10 kommt es bei echten Konzernversetzungsklauseln wegen des Arbeitgeberwechsels zu einer Kollision 1 BAG v. 9.5.2006 – 9 AZR 424/05, NZA 2007, 145. 2 Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 123; Bonin in DBD, § 307 Rz. 185; Preis in Preis, II D 30 Rz. 131, 149. 3 Preis/Genenger, NZA 2008, 969 (975); Preis in Preis, II D 30 Rz. 149; vgl. auch BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87. 4 Preis/Genenger, NZA 2008, 969 (976). 5 Henssler/Moll, S. 65; für 20 % Krause in Staudinger, 2019, Anh. zu § 310 BGB Rz. 198. 6 Henssler/Moll, S. 65; Bonin in DBD, § 307 Rz. 191; Preis in Preis, II D 30 Rz. 173. 7 BAG v. 9.5.2006 – 9 AZR 424/05, NZA 2007, 145. 8 Preis in Preis, II D 30 Rz. 180. 9 Hromadka, NZA 2012, 233 (238); Henssler/Moll, S. 68, Preis in Preis, II D 30 Rz. 220 m.w.N. 10 Hromadka, NZA 2012, 233 (238); Krause in Staudinger, 2019, Anh. zu § 310 BGB Rz. 198.
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mit den Bestandsschutzvorschriften und der Vertragspartnerwahlfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Deshalb steht das Schrifttum diesen Klauseln zu Recht sehr reserviert gegenüber.1 Echte Konzernversetzungsklauseln unterfallen wegen der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nicht § 309 Nr. 10 BGB, sondern sind an § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zu messen (siehe § 309 Rz. 125).2 Hier begegnen sie freilich Bedenken, zunächst vor allem im Hinblick auf das Transparenzprinzip des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB: Weil es für den Arbeitnehmer wesentlich ist zu erfahren, welchen Arbeitgeber er zugewiesen bekommen kann, reicht eine Formulierung, die sich nur abstrakt auf den Konzern bezieht, nicht aus. Dies gilt schon deshalb, weil zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht absehbar ist, wie sich die Konzernstruktur zukünftig entwickeln wird. Diskutiert wird hier vor allem die Notwendigkeit, dem Arbeitnehmer ein Rückkehrrecht (dazu auch Rz. 144) zum ursprünglichen Arbeitgeber einzuräumen. Eine echte Konzernversetzungsklausel, die ein solches Rückkehrrecht nicht enthält, ist stets unwirksam: Sie verstößt ohne weiteres gegen die negative Vertragsfreiheit des Arbeitnehmers. Ist die Direktionsrechtserweiterung unwirksam, kommt es zur Anwendung der 189 gesetzlichen Regelung des § 106 GewO. Dabei kann allerdings zwischen den verschiedenen Bereichen des Direktionsrechts getrennt werden, so dass etwa eine unwirksame Konzernversetzungsklausel nicht dazu führt, dass auch eine Versetzungsklausel hinsichtlich des Arbeitsortes unwirksam wird.3
12. Freistellungsklauseln Bisweilen hat der Arbeitgeber ein Interesse daran, den Arbeitnehmer unter Fort- 190 zahlung des Arbeitsentgelts von seiner Arbeitspflicht zu entbinden. Eine solche Freistellung ist ohne weitere Vereinbarung dann möglich, wenn das Freistellungsinteresse des Arbeitgebers das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers übersteigt. Dies ist aber nur in besonderen Fällen so, etwa wenn ein bereits gekündigter Arbeitnehmer in einer leitenden Funktion während der Kündigungsfrist freigestellt wird, weil zu besorgen ist, dass Geschäftsgeheimnisse gefährdet sind. Grundsätzlich hat – wie das BAG bereits früh judiziert hat – der Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf Beschäftigung,4 Dem sich der Arbeitgeber regelmäßig nicht entziehen kann. Eine Vereinbarung über die Freistellungsmöglichkeit des Arbeitsgebers ist aber durch Individualvereinbarung unproblematisch möglich.5 1 Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 127; Bonin in DBD, § 307 Rz. 192a; Krause in Staudinger, 2019, Anh. zu § 310 BGB Rz. 197. 2 Str., Preis in ErfK, §§ 305–310 Rz. 86; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 127. 3 BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 36/09, NZA 2011, 64. 4 BAG v. 10.11.1955 – 2 AZR 591/54, AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 2; siehe auch BAG v. 27.2.1985 – GS 1/84, NZA 1985, 702. 5 LAG Hamm v. 3.2.2004 – 19 Sa 120/04, NZA-RR 2005, 358; Preis in Preis, II F 10 Rz. 7.
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§ 307 | Inhaltskontrolle 191 Formularmäßige Vereinbarungen über die Freistellungsmöglichkeit müssen –
nach dem Leitbild des aus § 611a Abs. 1 BGB i.V.m. Artt. 2, 12 GG folgenden Beschäftigungsanspruches – das Freistellungsinteresse des Arbeitgebers und das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers aufnehmen. Der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers besteht bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit auch im gekündigten Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Eine Freistellungsmöglichkeit ohne sachliche Begründung weicht vom gesetzlichen Leitbild des allgemeinen Beschäftigungsanspruches jedenfalls ab und benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.1 Sachliche Gründe sind jedoch ausreichend, wichtige Gründe i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB sind nicht notwendig.2 Dabei darf sich dieser Grund nicht abstrakt, etwa auf das gekündigte Arbeitsverhältnis beziehen, sondern muss ein konkretes Freistellungsinteresse des Arbeitgebers wiedergeben – wie z.B. die Besorgnis des Verrats von Geschäftsgeheimnissen.3 Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB fordert zusätzlich, dass die zur Freistellung berechtigenden Gründe konkret in der Vereinbarung benannt werden.4 Im Gegensatz zum gekündigten Arbeitsverhältnis steht das ungekündigte Arbeitsverhältnis nicht (kurz) vor der Beendigung. Hier ist ein Freistellungsrecht des Arbeitgebers eine schwer zu rechtfertigende Abweichung vom Leitbild des Beschäftigungsanspruches. Will der Arbeitgeber für diese Situation eine Freistellungsregelung treffen, so ist dies – entsprechend dem Leitbild des Beschäftigungsanspruches – nur möglich, wenn die Freistellungsmöglichkeit nur in besonderen Fällen – wie etwa bei einem drohenden Geheimnisverrat – erfolgen soll.5
192 Eine ähnliche Wirkung wie Freistellungsvereinbarungen haben Ruhensverein-
barungen, bei denen das Arbeitsverhältnis ruhend gestellt wird, es also zur Aussetzung der Hauptleistungspflichten kommen soll. Weil durch das Ruhen des Arbeitsverhältnisses vom gesetzlichen Leitbild des Beschäftigungsanspruches, aber ebenso von der Verteilung des wirtschaftlichen Risikos, wie es sich etwa aus § 615 Satz 3 BGB ergibt, abgewichen wird, ist eine entsprechende Klausel nur unter sehr restriktiven Bedingungen angemessen, die aber regelmäßig auch die Zurückweisung der Arbeitsleistung aus § 242 BGB rechtfertigen werden.6
1 LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 5.4.2016 – 2 SaGa 1/16; LAG München v. 7.3.2003 – 5 Sa 297/03, LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 2; Jacobs in BeckOKArbR, § 307 BGB Rz. 39; Richter/Lange, NZA-RR 2012, 57 (58); Meyer, NZA 2011, 1249 (1253); Bauer, NZA 2007, 409 (412); Lakies, S. 367. 2 Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 307. 3 Striegel in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 530. 4 Roloff in HWK, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 30. 5 Dafür Preis in Preis, II F 10 Rz. 15 ff.; Däubler in DBD, AGB-Kontrolle, § 307 Rz. 45; dagegen Fischer, NZA 2004, 233. 6 Siehe Krause in Staudinger, Anh. zu § 310 BGB Rz. 209.
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VII. Ausgewählte einzelne Klauseln | § 307
13. Freiwilligkeitsvorbehalte Freiwilligkeitsvorbehalte sind einer der problematischsten Bereiche der AGB- 193 Kontrolle im Arbeitsvertrag. Im Gegensatz zum Widerrufsvorbehalt, der dem Arbeitgeber des Recht gibt, einen (zunächst) zugesagten Anspruch entfallen zu lassen (und der deshalb einer Ausübungskontrolle zu unterziehen ist), sollen Freiwilligkeitsvorbehalte verhindern, dass für den Arbeitnehmer ein Rechtsanspruch auf die unter den Vorbehalt gestellten Leistungen überhaupt entsteht – und so der Arbeitgeber auch künftig gebunden ist. Maßgeblich sollen Freiwilligkeitsvorbehalte dazu beitragen, dass aus wiederkehrenden Leistungen des Arbeitgebers (etwa bei Weihnachtsgratifikationen) keine betriebliche Übung resultiert. Das durch einen Freiwilligkeitsvorbehalt umgesetzte praktische Bedürfnis des Arbeitgebers nach Flexibilität und das Stabilitätsinteresse des Arbeitnehmers im Hinblick auf zu erwartende Arbeitgeberleistungen in eine auch dogmatisch belastbare Struktur zu bringen, ist bislang freilich nicht hinreichend gelungen.1 Dabei wird vor allem das durch den Freiwilligkeitsvorbehalt gesteigerte Opportunismuspotential durch den Arbeitgeber als problematisch angesehen, weil der Arbeitgeber Leistungen, die unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit stehen, nach Gutdünken entziehen könne.2 Bedeutung hat ein Freiwilligkeitsvorbehalt vor allem für wiederkehrende Leis- 194 tungen des Arbeitgebers. Hier kann es im Zuge einer betrieblichen Übung durch bloße Leistungsgewährung zu einem auch auf zukünftige Leistungen gerichteten Rechtsanspruch des Arbeitnehmers kommen.3 Diesen kann der Arbeitgeber nach der richtigen rechtsgeschäftlichen Lösung4 ausschließen, wenn sich für den Arbeitnehmer deutlich ergibt, dass der Arbeitgeber eine Leistung nur freiwillig erbringt und er sich für die Zukunft gerade nicht binden will, er mithin keinen entsprechenden Rechtsbindungswillen hat. Unproblematisch ist dies, wenn jede einzelne Leistung unter einem konkreten Freiwilligkeitsvorbehalt steht.5 Allein der Begriff „freiwillig“ führt hier aber noch nicht zur Annahme eines Freiwilligkeitsvorbehalts, sondern bringt lediglich zum Ausdruck, dass der Arbeitgeber nicht bereits durch Gesetz, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung zur Zahlung verpflichtet ist.6 Solche Freiwilligkeitsvorbehalte, die sich auf eine konkrete, einzelne Leistung beziehen, sind nicht der Inhaltskontrolle zu unterwerfen – sie sind Teil der Hauptleistung, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB.7 1 Bayreuther, ZfA 2011, 45 (58) spricht von der „Quadratur des Kreises“. Zu den einzelnen Interessen siehe Krause in FS Bauer (2010), S. 577 (578). 2 Krause in FS Bauer (2010), S. 577 (578); Preis, NZA 2009, 281 (282): Dem Arbeitnehmer würde „die Wurst vor die Nase gehalten“. 3 BAG v. 24.3.2010 – 10 AZR 43/09, NZA 2010, 759. 4 Siehe zum Ganzen Chr. Picker, Jb JZivRWiss 2010, 205 (209 ff.). 5 Preis/Sagan, NZA 2012, 697 (698). 6 BAG v. 17.4.2013 – 10 AZR 281/12, NZA 2013, 787; BAG v. 20.2.2013 – 10 AZR 177/12, NZA 2013, 1015. 7 Preis/Sagan, NZA 2012, 697 (698).
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§ 307 | Inhaltskontrolle 195 Ob dagegen pauschale Freiwilligkeitsvorbehalte, die auch zukünftige Leistun-
gen umfassen sollen, der AGB-Kontrolle unterfallen und ihr standhalten, ist strittig. Die Rechtsprechung bejaht die Kontrolle anhand des § 307 BGB mit dem Hinweis, solche Klauseln, jedenfalls wenn sie laufende Arbeitgeberleistungen beträfen, wichen vom Grundsatz des pacta sunt servanda ab.1 In der Literatur wird vertreten, dass Freiwilligkeitsvorbehalte jedenfalls dann nicht der Inhaltskontrolle (sondern nur der Transparenzkontrolle) unterfielen, wenn sie klar und eindeutig formuliert seien.2 Von vornherein jede Anwendung der §§ 305 ff. BGB ablehnend wird darüber hinaus darauf hingewiesen, wegen der intendierten Freiwilligkeit handele es sich nicht um Vertragsabreden (es fehle das pactum), so dass eine AGB-Kontrolle von vornherein entfiele.3 Allerdings verfängt diese Kritik nicht, denn richtigerweise unterfallen Freiwilligkeitsklauseln der Inhaltskontrolle – weil sie eine Auslegungsregel für das (künftige) Arbeitgeberverhalten setzen und damit letztlich von den §§ 133, 157 BGB abweichen:4 Ob eine Leistung des Arbeitgebers rechtsgeschäftliche Verbindlichkeit in sich trägt, ist danach zu beurteilen, ob ein Rechtsbindungswille des Arbeitgebers feststellbar ist; ein Freiwilligkeitsvorbehalt soll verhindern, dass der Arbeitnehmer diesen Rechtsbindungswillen annehmen kann.
196 Die Rechtsprechung des BAG hält pauschale Freiwilligkeitsvorbehalte grund-
sätzlich für möglich, hat aber in der jüngeren Zeit immer größere Wirksamkeitshindernisse aufgestellt.5 Zunächst werden Freiwilligkeitsvorbehalte, die sich auf laufende Zahlungen des Arbeitgebers beziehen, als unwirksam angesehen.6 Ein solcher Vorbehalt verstoße gegen den Grundsatz des pacta sunt servanda, der Arbeitgeber greife durch den Freiwilligkeitsvorbehalt in das durch die laufenden (im konkreten Fall monatlichen) Zahlungen konstituierte vertragliche Synal-
1 BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81; siehe auch BAG v. 3.8.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334. 2 Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 144. 3 So Ricken, DB 2006, 1372 (1374); Hromadka/Schmitt-Rolfes, NJW 2007, 1777 (1780); Willemsen/Grau, NZA 2005, 1137 (1140); Zweifel noch bei BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173. 4 Richtig und zuletzt Preis/Sagan, NZA 2012, 697 (700); Mikosch in FS Düwell (2011), S. 115 (124 f.); jetzt auch ausdrücklich BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595. 5 BAG v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; BAG v. 8.12.2010 – 10 AZR 671/09, NZA 2011, 628; BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81 BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595; BAG v. 3.8.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334; die Literatur spricht bisweilen martialisch vom schleichenden Tod des Freiwilligkeitsvorbehalts bis zum Gnadenschuss, Preis/ Sagan, NZA 2012, 697; Preis, NZA 2009, 281. 6 BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368; BAG v. 15.4.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; BAG v. 8.12.2010 – 10 AZR 671/09, NZA 2011, 628; BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173.
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lagma ein.1 Das hat für den 5. Senat zur Folge, dass einmal die Kontrollfähigkeit der Regelung wegen Abweichens von einer Rechtsvorschrift gegeben ist. Im Rahmen der nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB durchgeführten Inhaltskontrolle wird eine Gefährdung des Vertragszwecks angenommen: Das Flexibilitätsinteresse des Arbeitgebers könne sich gegen das Stabilitäts- und Lohnerwartungsinteresse des Arbeitnehmers nicht durchsetzen. Entscheidend sei dabei, dass es sich bei laufenden Zahlungen um Leistungspflichten im Synallagma handele. Stehe deren Gewährung unter einem Freiwilligkeitsvorbehalt und somit in der alleinigen Entscheidung des Arbeitgebers, so liege eine Gefährdung des Vertragszwecks von.2 Für einmalige Zahlungen (etwa Weihnachtsgratifikationen) hat die Rechtsprechung bislang die Wirksamkeit des pauschalen Freiwilligkeitsvorbehalts an- und eine Prüfung lediglich anhand der Transparenzgebots vorgenommen.3 Auch hieran äußert der 10. Senat aber Zweifel,4 die er mit grundsätzlich zutreffenden rechtsgeschäftlichen Erwägungen begründet, jedenfalls wenn der Arbeitgeber über eine lange Zeit (konkret: 20 Jahre) eine jährliche Leistung gewährt. Konsequenz aus dieser Rechtsprechung ist, dass Freiwilligkeitsklauseln, die pau- 197 schal alle zusätzlichen Arbeitgeberleistungen ausschließen (also sowohl laufende als auch einmalige Leistungen betreffen), bereits wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam sind:5 Weil sie dem Arbeitnehmer vermitteln, dass etwa auch individual ausgehandelte Leistungen und laufende Leistungen umfasst werden. Die Folge eines solchen Globalvorbehaltes ist die Unwirksamkeit der gesamten Klausel, weil sie nicht teilbar ist.6 Als prägend für die Diskussion um die Zulässigkeit von Freiwilligkeitsvorbehal- 198 ten hat sich einmal die von der Rechtsprechung vertretene Aufteilung zwischen laufenden und einmaligen Zahlungen herausgestellt. Diese Aufteilung wird aber zu Recht kritisiert. Zwar ist eine solche Trennung in § 4a EFZG aufgenommen, dennoch ist nicht klar, wo genau die Grenze zwischen laufenden und einmaligen Leistungen des Arbeitgebers überhaupt zu ziehen ist.7 Letztlich ist die Vorgabe, 1 BAG v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; auf diesen Zirkelschluss hinweisend auch Stoffels, ZfA 2009, 861 (871); Junker in FS Buchner (2009), S. 369 (382); P. Hanau, ZIP 2005, 1661 (1666). 2 BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81. 3 BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 8.12.2010 – 10 AZR 671/09, NZA 2011, 628; Roloff in HWK, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 32. 4 BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81. 5 BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, NZA 2014, 595; BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368; BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81. 6 BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81. 7 Eine abstrakte Abgrenzung hält auch BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173 nicht für möglich; zu diesem Problem auch Bayreuther, ZfA 2011, 45 (48); Stoffels, ZfA 2009, 861 (870); so auch Franzen, GS Zachert (2010), S. 386 (399), der aber die Wertungen des § 4a EFZG übernehmen will.
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§ 307 | Inhaltskontrolle dass etwa monatliche Zahlungen laufende Leistungen sein sollen,1 lediglich formale Abgrenzung, die nur eine scheinbare Klarheit vorgibt,2 weil nicht auf den Zweck und die Höhe der Zahlungen abgestellt wird.3 Aus Sicht des Arbeitnehmers jedenfalls leuchtet die Unterscheidung nicht ein – denn dieser wird sowohl in (vermeintlich) zugesagte monatliche als auch in jährliche Zahlungen Vertrauen setzen.4 Und dieses Vertrauen ist als Stabilitäts- und Erwartungsinteresse in die Abwägung einzubringen. 199 In der Literatur wird das Abgrenzungsproblem aufgenommen und jenseits ein-
deutiger, nicht synallagmatischer Leistungen (wie etwa einer Jubiläumszahlung) auf die Anwendung der Grundsätze verwiesen, die zum Widerrufsvorbehalt aufgestellt wurden.5 Folgte man dem, wären Freiwilligkeitsvorbehalte unabhängig von einer Abgrenzung zwischen einmaligen oder laufenden Leistungen bis zu 25 % der Arbeitgeberleistungen möglich.6 Eine solche Regelung ist aber schon deshalb abzulehnen, weil ein Rechtsanspruch (den die Möglichkeit des Widerrufs ja voraussetzt) gerade ausgeschlossen ist, es geht nicht um die Einschränkung eines Anspruches, sondern um das Verhindern seiner Entstehung.7 Dem kann auch nicht mit dem Hinweis entgegengetreten werden, der Unterschied zwischen Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalt sei „wenig trennscharf“:8 Das gilt jedenfalls dann, wenn der Freiwilligkeitsvorbehalt als Vereinbarung über die Änderung der Auslegungsregel der §§ 133, 157 BGB aufgefasst wird. Konsequenter ist hier der Ansatz, der bei Leistungen, die dem Leistungssynallagma unterliegen und in deren Erhalt der Arbeitnehmer ein berechtigtes Vertrauen setzt, stets eine Unwirksamkeit des Freiwilligkeitsvorbehalts annimmt.9 Dem ist im Ergebnis zuzustimmen: Durch den pauschalen Freiwilligkeitsvorbehalt setzt der Arbeitgeber sein Flexibilitätsinteresse gegenüber dem Erwartungsinteresse des Arbeitnehmers unangemessen durch. Dieses Erwartungsinteresse ist vor allem bei Arbeitgeberleistungen, die im Zusammenhang mit der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers stehen, besonders zu schützen, weil es der Arbeitnehmer als durch die Arbeitsleistung erdient ansehen darf. Der Arbeitgeber darf hier seine einseitige Vertragsgestaltungsmacht nicht nutzen, um dem berechtigten Vertrauen des Arbeitnehmers durch eine Auslegungsregel, wie es der Freiwilligkeitsvorbehalt ist, den Boden zu entziehen. Das heißt, eine Verbindung zwi1 2 3 4 5
6 7 8 9
BAG v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853. Suckow in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 551: tautologischer Abgrund. BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 535. Annuß in FS Picker (2010), S. 861 (865). Suckow in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 551; Däubler in DBD, § 307 Rz. 200b; zum Widerrufsvorbehalt BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777. Roloff in HWK, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 33. In diese Richtung auch Preis/Sagan, NZA 2012, 697 (699). So etwa Franzen, GS Zachert (2010), S. 686 (693); Jacobs in BeckOKArbR, § 307 BGB Rz. 68. Annuß in FS Picker (2010), S. 861 (869, 870).
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VII. Ausgewählte einzelne Klauseln | § 307
schen einer in Aussicht gestellten Leistung und einem Freiwilligkeitsvorbehalt ist stets unzulässig. Darüber hinaus bleibt für Freiwilligkeitsvorbehalte wenig Raum. Sie sind nur für Leistungen möglich, die außerhalb des Synallagmas stehen, hier kann ein Freiwilligkeitsvorbehalt grundsätzlich eine zukünftige Bindung des Arbeitgebers infolge einer betrieblichen Übung verhindern – wenn man nicht ohnehin annimmt, dass eine solche Auslegungsregel ihre Kraft dadurch erheblich einbüßt, dass im Rahmen der Feststellung des Rechtsbindungswillens des Arbeitgebers ohnehin alle Umstände zu berücksichtigen sind (§§ 133, 157 BGB).1 Auch das Transparenzgebot setzt der Vereinbarung von Freiwilligkeitsvor- 200 behalten Grenzen. Ein Freiwilligkeitsvorbehalt, der vorsieht, eine Leistung werde „freiwillig“ oder „ohne rechtliche Verpflichtung“ zuerkannt, ist intransparent weil missverständlich, wenn er sich nicht auch auf zukünftige Leistungen bezieht, und die Klausel nicht deutlich macht, dass auch bei mehrmaliger Leistungsgewährung kein Rechtsanspruch gegeben sein soll.2 Auch eine Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt ist nach 201 der Rechtsprechung intransparent.3 Das folgt daraus, dass sich ein Widerrufsvorbehalt auf einen bereits bestehenden Anspruch bezöge (der dann widerrufen werden könnte), der Freiwilligkeitsvorbehalt aber einen solchen Anspruch gerade verhindern solle.4 An dieser Rechtsprechung sind aber Zweifel angebracht. Zum einen ist es aus Sicht des durchschnittlichen Arbeitnehmers nicht zwangsläufig, dass dieser den Sinn der Regelung nicht zu erkennen vermag, wenn der Arbeitgeber Leistungen unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt stellt. Zum anderen führte die von der Rechtsprechung angenommene Widersprüchlichkeit in diesen Fällen zu einer perplexen Erklärung des Arbeitgebers – die aber nach rechtsgeschäftlichen Grundsätzen die Nichtigkeit der Regelung zur Folge hat, so dass es zu einer Kontrolle anhand der §§ 305 ff. BGB gar nicht kommen kann.5 Außerdem argumentiert der Senat zirkelschlüssig, wenn er meint, dass durch die widersprüchliche Klausel für den Arbeitnehmer die Gefahr bestehe, dass er seine Rechte nicht geltend mache:6 Denn wenn der Arbeitnehmer auf der Grundlage eines solchen Freiwilligkeitsvorbehalts keine Rechte geltend mache, dann interpretiert er die Klausel ja genau in der Weise, wie sie der Arbeitgeber gemeint hat. 1 In diese Richtung BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81. 2 BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992; BAG v. 17.4.2013 – 10 AZR 281/12, NZA 2013, 787; BAG v. 8.12.2010 – 10 AZR 671/09, NZA 2011, 628; BAG v. 21.1.2009 – 10 AZR 219/08, ZA 2009, 310; BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 535; BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, NZA 2006, 746. 3 BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81; BAG v. 8.12.2010 – 10 AZR 671/09, NZA 2011, 628; BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40. 4 BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81. 5 Krause in FS Bauer (2010), S. 577 (587). 6 BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81.
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§ 307 | Inhaltskontrolle 202 Intransparent ist nach der Rechtsprechung auch die Angabe eines genau um-
schriebenen Anspruches, der dann unter den Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt wird. Auch hier wird die Widersprüchlichkeit der Klausel hervorgehoben, die sich aus einer fest zugesagten, aber doch unter Vorbehalt gestellten Leistung ergibt.1
203 Von den Freiwilligkeitsvorbehalten zu scheiden sind so genannte Leistungs-
bestimmungsvorbehalte. Hier freilich ist § 315 BGB gesetzliches Leitbild. Eine formularmäßige Herabsetzung des Bestimmungsmaßstabs des billigen Ermessens i.S.d. § 315 Abs. 1 BGB ist deshalb benachteiligend, mag aber durch entsprechende Kompensation zu halten sein. Eine Klausel, die es dem Arbeitgeber erlaubt, nach Ablauf eines Geschäftsjahres die versprochene Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen zu unterlassen, einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht Stand.2
14. Haftungsregelungen (Mankoabreden) 204 Für die Haftung des Arbeitnehmers haben sich die Grundsätze der Arbeitneh-
merhaftung herausgebildet, deren dogmatisches Fundament zwar nicht hinreichend geklärt ist,3 die im Ergebnis aber dazu führt, dass die Haftung des Arbeitnehmers an den Verschuldensgrad gebunden wird.4 Die h.M. sieht die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung als zwingendes Recht, von dem durch Vereinbarung nicht abgewichen werden kann.5 Das wird zu Recht kritisiert und darauf hingewiesen, dass auch die Rechtsprechung nicht jede Abweichung von den gesetzlichen Regelungen als unzulässig ansieht, sondern (wie im Falle der Mankohaftung) durchaus danach fragt, ob für eine Haftungserweiterung des Arbeitnehmers eine entsprechende Kompensation des Arbeitgebers zugesprochen wird. Insofern soll im Hinblick auf Abweichungen von den richterrechtlichen Haftungsgrundsätzen einer ergebnisbezogenen wirtschaftlichen Betrachtung der Vorzug zu geben sein, so dass etwa die Frage nach einem für die Haftungsverschärfung für den Arbeitnehmer gewährten wirtschaftlichen Ausgleich zu stellen ist.6 Dem ist beizupflichten.
1 BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 1/08, NZA-RR 2009, 576; BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40. 2 BAG v. 3.8.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334. 3 Dazu Krause- NZA 2003, 577 (578 f.). 4 BAG v. 13.12.2012 – 8 AZR 432/11, NZA 2013, 622; BAG v. 28.10.2010 – 8 AZR 418/09, NZA 2011, 345; BAG v. 12.11.1998 – 8 AZR 221/97, NZA 1999, 263. 5 BAG v. 5.2.2004 – 8 AZR 91/03, NZA 2004, 649; BAG v. 2.12.1999 – 8 AZR 386/98, NZA 2000, 715; BAG v. 17.9.1998 – 8 AZR 175/97, NZA 1999, 141; Waltermann, RdA 2005, 98 (108); anders Preis in ErfK, §§ 305–310 Rz. 85. 6 Preis in ErfK, §§ 305–310 Rz. 85; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 155; Krause, Anm. AP Nr. 3 zu § 611 BGB Mankohaftung.
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Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an einer anderen Haftungsregelung 205 besteht auch nach der Rechtsprechung aber dort, wo der Arbeitnehmer alleine den Zugriff auf Sachen und Bestände des Arbeitgebers hat (dieser selbst also keine Einflussmöglichkeit hat) und wo der Arbeitgeber auch für Eigenschäden des Arbeitnehmers haftet.1 Mankoabreden betreffen deshalb die Haftung des Arbeitnehmers für Fehlbestände hinsichtlich ihm anvertrauter Kassen oder Warenbestände. Klauseln über die Haftung des Arbeitnehmers in diesen Fällen sind nur dann zulässig, wenn dem Arbeitnehmer im Gegenzug für die Haftung ein finanzieller Ausgleich (so genanntes Mankogeld) gezahlt wird und die Haftung nicht über dieses Mankogeld hinaus reichen soll.2 Maßgeblich ist bei der Frage der Höhe des Mankogeldes das abzusichernde Risiko.3 Auch eine verschuldensunabhängige Haftung ist hier möglich – insofern kommt es (zunächst) zu einer verschärfenden Abweichung von den zwingenden Regelungen der Arbeitnehmerhaftung.4 Das berechtigte Arbeitgeberinteresse besteht hier darin, Fehlbeträge in Kassen- oder Warenbeständen zu vermeiden. Insofern geht es jedoch weniger um Schadensersatz als um Schadensprävention.5 Freilich kann sich dieses Interesse nur dann gegen das Interesse des Arbeitnehmers an einer Nichthaftung durchsetzen, wenn der Arbeitnehmer selbst (und ausschließlich) Zugriff auf den betreffenden Bestand hat oder zumindest den Zugang Dritter kontrollieren kann6 – nur dann kann die Steuerungswirkung der Mankoabrede greifen.7 Der Arbeitnehmer muss letztlich die Möglichkeit haben, durch eine fehlerfreie Führung des Kassen- oder Warenbestandes eine zusätzliche Vergütung zu erhalten. Damit tritt auch insgesamt keine Verschärfung der Haftung des Arbeitnehmers ein.8 Hier greift der beschriebene Kompensationseffekt, weil Mankohaftung und Mankogeld in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen (dazu Rz. 54 f.). Für zulässig erachtet werden auch längere Ausgleichszeiträume bis zu einem Jahr;9 Höchstgrenze für die Zahlungspflicht des Arbeitnehmers ist aber immer der eingetretene Schaden. Für Beweislasterschwerungen gilt § 309 Nr. 12 BGB, siehe § 309 Rz. 149 f.
1 Dazu Walker in FS Canaris Bd. I (2007), S. 1504 (1505). 2 BAG v. 2.12.1999 – 8 AZR 386/98, NZA 2000, 715; BAG v. 17.9.1998 – 8 AZR 175/97, NZA 1999, 141. 3 BAG v. 2.12.1999 – 8 AZR 386/98, NZA 2000, 715. 4 Krause, Anm. zu BAG v. 2.12.1999 – 8 AZR 386/98, AP BGB § 611 Mankohaftung Nr. 3 unter I 1b. 5 Dies kritisierend Schwirtzek, NZA 2005, 437, 438. 6 BAG v. 17.9.1998 – 8 AZR 175/97, NZA 1999, 141; BAG v. 2.12.1999 – 8 AZR 386/98, NZA 2000, 715. 7 Krause, Anm. zu BAG v. 2.12.1999 – 8 AZR 386/98, NZA 2000, 715. 8 BAG v. 5.2.2004 – 8 AZR 91/03, NZA 2004, 649; BAG v. 2.12.1999 – 8 AZR 386/98, NZA 2000, 715. 9 BAG v. 17.9.1998 – 8 AZR 175/97, NZA 1999, 141.
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§ 307 | Inhaltskontrolle 15. Nebentätigkeit 206 Nebentätigkeiten sind alle Tätigkeiten, die nicht dem Arbeitsverhältnis zuge-
rechnet werden können und bei denen der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt.1 Dabei ist der Arbeitnehmer durch die grundrechtlich gewährleistete Berufsfreiheit, Art. 12 GG, für berufliches und die allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 GG, für nichtberufliches Tun, geschützt.2 Dem Arbeitgeber, der ein Interesse daran hat, dass die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers durch dessen Nebentätigkeit nicht leidet, steht ebenfalls Art. 12 GG zur Seite. Gesetzlich geregelt ist die Frage nach der Zulässigkeit einer Nebentätigkeit nur mittelbar: Wesentliche Grenze ist hier zum einen das Arbeitszeitrecht, das durch die Vorgabe von Höchstarbeitszeiten letztlich auch Nebentätigkeiten einschränkt. Unter die nebentätigkeitsbegrenzenden arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften zählen etwa auch die Lenkzeiten für Kraftfahrer.3 Außerdem zeigt § 8 BUrlG, dass während des Erholungsurlaubs solche Tätigkeiten nicht zulässig sind, die den Urlaubszweck gefährden.
207 Jenseits dieser Sonderregelungen folgen Begrenzungen für die Zulässigkeit einer
Nebentätigkeit aus dem Rücksichtnahmegebot des § 241 Abs. 2 BGB.4 In Abwägung der grundrechtlich geschützten Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber folgt für den Arbeitnehmer die Pflicht, alle Nebentätigkeiten zu unterlassen, die die Durchführung der arbeitsvertraglichen Pflichten gefährden.5 Richtigerweise dürfen nur berechtigte Interessen des Arbeitgebers und die grundrechtliche Freiheit des Arbeitnehmers bei der durchzuführenden Abwägung eine Rolle spielen, nicht aber Allgemeinwohlinteressen.6
208 Nebentätigkeitsklauseln finden sich regelmäßig in Formulararbeitsverträgen. Sie
werden einer Inhaltskontrolle unterzogen. Absolute Nebentätigkeitsverbote, die dem Arbeitnehmer jede Tätigkeit außerhalb des Arbeitsverhältnisses pauschal verbieten, sind nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unzulässig.7 Sie weichen von der gesetzlichen Ausgangslage erheblich ab und berücksichtigen das grundrechtlich geschützte Interesse des Arbeitnehmers nicht. Ausnahmen sollen aber dort gemacht werden, wo der Arbeitnehmer ohnehin seine gesamte Arbeitskraft in
1 Müller-Glöge in MünchKommBGB, § 611 Rz. 1095; Reichold in MünchArbR, § 49 Rz. 50. 2 Thüsing, AGB-Recht, S. 125, Rz. 317; Preis in ErfK, § 611a BGB Rz. 724. 3 BAG v. 26.6.2001 – 9 AZR 343/00, NZA 2002, 98. 4 Reichold in MünchArbR, § 49 Rz. 51. 5 Joussen in BeckOKArbR, § 611 BGB Rz. 396; Thüsing, AGB-Recht, Rz. 317; Preis in ErfK, § 611a BGB Rz. 725. 6 Preis in ErfK, § 611a BGB Rz. 726; Reichold in MünchArbR, § 49 Rz. 50 für die Vermeidung weiterer geringfügiger Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 SGB IV; dazu auch BAG v. 6.9.1990 – 2 AZR 165/90, NZA 1991, 221. 7 BAG v. 6.9.1990 – 2 AZR 165/90, NZA 1991, 221; Preis in ErfK, § 611a BGB Rz. 728; Niemann in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 647; Reichold in MünchArbR, § 49 Rz. 57.
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den Dienst des Arbeitgebers zu stellen hat. Das kann aber nur für wenige Ausnahmen, etwa Arbeitnehmer in hohen Führungspositionen, gelten.1 Grundsätzlich zulässig sind dagegen relative Nebentätigkeitsverbote.2 Diese neh- 209 men ohnehin regelmäßig die gesetzliche Ausgangslage und damit die Arbeitgeberinteressen auf und sind deshalb meist deklaratorisch.3 Sind sie es nicht, so sind sie dann wirksam, wenn sie das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an der Unterlassung der Nebentätigkeit abbilden. Das ist etwa nicht der Fall, wenn ein Nebentätigkeitsverbot die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers nicht schützt.4 Umstritten ist insbesondere die Reichweite von formularmäßig vorgegebenen 210 Anzeigepflichten. Aus § 241 Abs. 2 BGB folgt, dass der Arbeitnehmer eine Tätigkeit dann anzeigen muss, wenn die Interessen des Arbeitgebers betroffen sind.5 Während eine großzügige Meinung die vereinbarte Pflicht zur Anzeige jeder Nebentätigkeit als wirksam ansieht,6 wird dies von einer restriktiveren Meinung verneint.7 Immerhin hat die weite Auffassung für sich, dass der Arbeitgeber nur dann darüber urteilen kann, ob eine Beeinträchtigung seiner Interessen vorliegt, wenn er über die Nebentätigkeit überhaupt informiert ist. Auf der anderen Seite ist bereits die Pflicht zur Anzeige einer Nebentätigkeit ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers. Beides ist in Ausgleich zu bringen. Deshalb ist im Rahmen der AGB-Kontrolle davon auszugehen, dass nur solche Tätigkeiten angezeigt werden müssen, die die Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigen können.8 Das ist in die Klausel auch aufzunehmen. Absolute Erlaubnisvorbehalte für jede Nebentätigkeit des Arbeitnehmers sind 211 unwirksam.9 Dies gilt sowohl für Klauseln mit einem Erteilungsanspruch wie für solche ohne. Zwar soll auch hier dem Arbeitgeber die Möglichkeit gegeben werden, überhaupt über die Beeinträchtigung seiner Interessen zu befinden.10 Richtigerweise scheitert der Erlaubnisvorbehalt in diesen Fällen aber bereits da1 Reichold in MünchArbR, § 49 Rz. 58. 2 Niemann in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 645; Reinfeld in MünchAnwHdbAbrR, § 33 Rz. 102. 3 Reichold in MünchArbR, § 49 Rz. 58. 4 Jacobs in BeckOKArbR, § 307 BGB Rz. 73. 5 BAG v. 18.11.1988 – 8 AZR 12/86, NZA 1989, 389; BAG v. 26.8.1976 – 2 AZR 377/75, AP BGB § 626 Nr. 68; BAG v. 18.1.1996 – 6 AZR 314/95, NZA 1997, 41 (42); Preis in ErfK, § 611a BGB Rz. 728, ohne § 241 BGB explizit zu nennen; Reichold in MünchArbR, § 49 Rz. 56. 6 Rolfs in Preis, II N 10 Rz. 45 mit Beispiel. 7 Siehe auch BAG v. 11.12.2001 – 9 AZR 464/00, NZA 2002, 965; Niemann in Suckow/ Striegel/Niemann, Rz. 654. 8 Joussen in BeckOK ArbR, § 611 BGB Rz. 398; Niemann in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 654. 9 Däubler in DBD, Anhang, Rz. 355; Niemann in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 655. 10 Thüsing, AGB-Recht, Rz. 320.
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§ 307 | Inhaltskontrolle ran, dass es dem Arbeitnehmer bis zur Erteilung der Erlaubnis nicht möglich sein soll, eine Nebentätigkeit auszuüben.1 Eingeschränkte Erlaubnisvorbehalte, die sich (lediglich) auf Nebentätigkeiten beziehen, die die berechtigten Interessen des Arbeitgebers verletzen, sind dagegen zulässig.2 212 Im Rahmen des Transparenzgebots des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ist zu beachten,
dass der Arbeitnehmer durch eine Klausel nicht dahin getäuscht werden darf, der Arbeitgeber dürfe jeder Nebentätigkeit die Zustimmung verweigern.3
213 Klauseln, die eine Abführung des durch die Nebentätigkeit Erworbenen an den
Arbeitgeber vorsehen, sind unwirksam. Dagegen hat das BAG entschieden, dass Angestellte im öffentlichen Dienst verpflichtet sein können, Vergütungen für Nebentätigkeiten, die sie für andere Arbeitgeber im öffentlichen Dienst ausüben, abzuliefern haben.4 Eine derartige (tarifliche) Regelung verstößt laut BAG weder gegen Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen Art. 12 Abs. 1 GG.
214 Nach § 8 BUrlG hat sich der Arbeitnehmer während des Erholungsurlaubs jeder
Erwerbstätigkeit zu enthalten, die den Urlaubszweck gefährdet. Klauseln, die den Inhalt dieser Norm wiederholen, sind deklaratorisch und nur dem Transparenzgebot unterworfen. Klauseln, die für den Fall der zweckwidrigen Erwerbstätigkeit eine Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers im Hinblick auf das Urlaubsentgelt vorsehen, scheitern bereits an §§ 11, 13 Abs. 1 BUrlG, nicht an § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.5 Da auch § 8 BUrlG unabdingbar ist, scheitert hier ein pauschales Verbot jeder Tätigkeit an § 8 BUrlG selbst.6 § 8 BUrlG gilt allerdings nicht im Falle des über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehenden Zusatzurlaubs. Hier ist freilich für Nebentätigkeitsverbote oder Erlaubnisvorbehalte ebenso zu entscheiden, wie oben angeführt.
16. Rückzahlungsklauseln a) Aus- und Fortbildungskosten 215 Weil Arbeitgeber ein Interesse an einer Weiterqualifikation ihrer Arbeitnehmer
haben, übernehmen sie oft die Kosten für vom Arbeitnehmer wahrgenommene Aus- oder Fortbildungsmaßnahmen. Diese Kostenübernahme wird regelmäßig mit einer Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers verbunden, wenn dieser vor einem bestimmten Zeitpunkt aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet 1 BAG v. 11.12.2001 – 9 AZR 464/00, RdA 2003, 175. 2 Rolfs in Preis, II N 10 Rz. 32; einschränkend Niemann in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 658. 3 Reichold in MünchArbR, § 49 Rz. 57; Rolfs in Preis, II N 10 Rz. 31. 4 BAG v. 25.7.1996 – 6 AZR 683/95, NZA 1997, 320. 5 Stoffels in Preis, II U 20 Rz. 38; s.a. BAG v. 25.2.1988 – 8 AZR 596/85, NZA 1988, 607 für eine entsprechende tarifliche Regelung, die das BAG für unwirksam hielt. 6 Stoffels in Preis, II U 20 Rz. 33.
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VII. Ausgewählte einzelne Klauseln | § 307
– weil der Arbeitgeber ein Interesse daran hat, dass sich die von ihm aufgebrachten Kosten der Ausbildung amortisieren und der Arbeitnehmer seine neue erworbene Qualifikation seine Tätigkeit einbringt.1 Demgegenüber steht das Interesse des Arbeitnehmers, nicht durch eine Rückzahlungsklausel (zu lange) an den Arbeitgeber gebunden zu sein, das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt wird.2 Rückzahlungsvereinbarungen sind grundsätzlich zulässig.3 Dies gilt allerdings 216 wegen § 12 Abs. 1 und 2 BBiG nicht im Ausbildungsverhältnis, wobei es hier auf die Abgrenzung zu einer nicht von § 12 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BBiG erfassten Fortbildung ankommt.4 Ebenfalls keiner Rückzahlungsvereinbarung unterfallen können Fortbildungskosten, die der Arbeitgeber anderweitig von Gesetzes wegen oder aufgrund einer Kollektivvereinbarung zu tragen hat, etwa § 37 BetrVG für die Betriebsratsschulung.5 Bereits vor der Aufgabe der Bereichsausnahme des § 23 AGBG hat die Rechtsprechung auf der Grundlage von §§ 138 Abs. 1, 242 BGB Grundsätze entwickelt,6 die sich auch auf die AGB-Kontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB übertragen lassen.7 Dabei unterfallen Rückzahlungsklauseln zunächst der Inhaltskontrolle, weil sie ergänzende Regelungen i.S.d. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind.8 Eine Rückzahlungsklausel hält der Inhaltskontrolle nur stand, wenn der Arbeit- 217 nehmer zunächst aus der Aus- oder Fortbildungsmaßnahme einen eigenen geldwerten Vorteil gezogen hat.9 Das ist der Fall, wenn eine höhere Qualifikation 1 Roloff in HWK, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 37; Kamanabrou, Arbeitsrecht, Rz. 420; Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 334. 2 BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738; Deinert in DBD, § 307 BGB Rz. 101. 3 BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738; BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08 – DB 2011, 1338; BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042; Graf von Westphalen/Thüsing, AGB-Recht, Teil Klauselwerke, Arbeitsverträge E. XIV. 2. b) aa) Rz. 340 ff.; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 163. 4 Dazu Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 337; G Graf von Westphalen/Thüsing, AGB-Recht, Teil Klauselwerke, Arbeitsverträge E. XIV. 2. a) Rz. 337; Glaser in MünchAnwHdb ArbR, § 26 Rz. 7 ff. 5 Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 337 m.w.N; Dorth, RdA 2013, 287 (290 f.). 6 BAG v. 6.5.1998 – 5 AZR 535/97, NZA 1999, 79. 7 BAG v. 28.5.2013 – 3 AZR 103/12, NZA 2013, 1419; BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738; BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042; BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, DB 2011, 1338. 8 BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738; BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666; BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 173/08, NZA 2010, 342; anders Jacobs in BeckOKArbR, § 307 BGB Rz. 40: Anwendung des § 308 Nr. 7 BGB. 9 BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666; BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 173/08, NZA 2010, 342; BAG v. 21.7.2005 – 6 AZR 452/04, NZA 2006, 542; Roloff in HWK, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 37; Dorth, RdA 2013, 287 (292 f.); Stoffels in WLP, § 310 BGB Rz. 165.
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§ 307 | Inhaltskontrolle vermittelt wird,1 eine höhere Vergütung erreicht wird2 oder die erworbenen Kenntnisse anderweitig nutzbar sind.3 Mit einem geldwerten Vorteil gehen regelmäßig bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt einher.4 Damit scheiden reine Vertiefungs- oder Auffrischungsmaßnahmen aus, weil sie keinen geldwerten Vorteil für den Arbeitnehmer mit sich bringen, wenn der Arbeitnehmer lediglich seine bisherige Tätigkeit besser durchführen kann.5 218 Die Dauer der Rückzahlungsverpflichtung übt auf den Arbeitnehmer einen Blei-
bedruck aus, wodurch er in seiner durch Art. 12 GG geschützten Kündigungsfreiheit betroffen wird.6 Dieser Bleibedruck ist gegen das Interesse des Arbeitgebers an einer möglichst weitgehenden Nutzung der erworbenen Qualifikation des Arbeitnehmers abzuwägen. Deshalb kann die Bindungsdauer, die über Rückzahlungsklauseln ausgeübt wird, umso länger sein, je größer der geldwerte Vorteil des Arbeitnehmers ist.7 Von der Rechtsprechung wird vor allem die Dauer der Aus- oder Fortbildungsmaßnahme als Parameter für die zulässige Bindungsintensität herangezogen.8 Hier ist die zulässige Bindungsdauer bei Maßnahmen bis zu einem Monat auf sechs Monate festgesetzt worden.9 Bei einer Dauer der Maßnahme bis zu zwei Monaten ist eine Bindungswirkung bis zu einem Jahr,10 bei einer Maßnahmendauer bis zu vier Monaten eine Bindungsdauer bis zu zwei Jahre11 nicht beanstandet worden. Drei Jahre Bindungsdauer sind bei einer bis zu 12-monatigen Maßnahme möglich.12 Bei einer Fortbildungsdauer von mehr als zwei Jahren kann die Bindung bis zu fünf Jahre anhalten.13 Bei nur stundenweiser oder tageweiser Fortbildung ist die tatsächliche 1 BAG v. 24.7.1991 – 5 AZR 430/90, NZA 1992, 211. 2 BAG v. 21.7.2005 – 6 AZR 452/04, NZA 2006, 542; BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85. 3 BAG v. 5.12.2002 – 6 AZR 539/01, NZA 2003, 559; BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85. 4 BAG v. 11.4.1990 – 5 AZR 308/89, NZA 1991, 178; BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85; Preis in ErfK, § 611a BGB Rz. 438; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 BGB Rz. 165. 5 BAG v. 18.11.2008 – 3 AZR 192/07, NZA 2009, 435; Deinert in DBD, § 307 BGB Rz. 113; Preis in ErfK, § 611a BGB Rz. 439; Fuchs/Bieder in UBH, Anh. § 310 BGB Rz. 110. 6 Fuchs/Bieder in UBH, Anh. § 310 BGB Rz. 109. 7 BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666. 8 BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08, NZA 2012, 85; BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666; BAG v. 21.7.2005 – 6 AZR 452/04, NZA 2006, 542; BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666 Rz. 18; Deinert in DBD, § 307 BGB Rz. 116; Kamanabrou, ArbR, Rz. 423. 9 BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 173/08, NZA 2010, 342; BAG v. 5.12.2002 – 6 AZR 539/01, NZA 2003, 559. 10 BAG v. 15.12.1993 – 5 AZR 279/93, NZA 1994, 835. 11 BAG v. 6.9.1995 – 5 AZR 241/94, NZA 1996, 314. 12 BAG v. 23.4.1986 – 5 AZR 159/85, NZA 1986, 741. 13 BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666.
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VII. Ausgewählte einzelne Klauseln | § 307
Zeit ins Verhältnis zur Gesamtarbeitszeit zu setzen.1 Einen gesetzlichen Anhaltspunkt für die von der Rechtsprechung vorgenommenen Abstufungen gibt es allerdings nicht. Diese Vorgaben sind aber nur grundsätzlich – eine schematische Lösung verbie- 219 tet sich, insbesondere wenn Faktoren wie die Art der Qualifikation2 oder die Höhe der Mittelaufwendung3 anderes gebieten. Das BAG zog auch eine Berücksichtigung der Finanzkraft des Arbeitgebers als Kleinunternehmer in Betracht.4 Außerdem wird vorgeschlagen, das Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers als Parameter heranzuziehen, weil es dessen Wertschöpfung abbilde.5 Die Höhe der Rückzahlungspflicht ist zum einen auf die tatsächlichen Aufwen- 220 dungen des Arbeitsgebers begrenzt (was Zinszahlungen ausschließt),6 zum anderen hat sie gestaffelt mit dem Zeitablauf zu erfolgen.7 Diese Staffelung ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die formularmäßige Vereinbarung der Rückzahlungsverpflichtung,8 eine Staffelung von einem Drittel der Kosten pro Jahr hielt die Rechtsprechung dabei für angemessen.9 Auch wenn die Kosten für den Arbeitgeber höher sind, kann nur der vereinbarte Betrag gefordert werden.10 Sodann ist eine Rückzahlungspflicht ist nur angemessen, wenn der Arbeitneh- 221 mer durch eigene Betriebstreue der Rückzahlung entgehen kann.11 Er muss den Beendigungstatbestand beeinflussen können.12 Eine Arbeitgeberkündigung als auslösendes Moment (gerade die betriebsbedingte,13 aber auch die personen-
1 BAG v. 21.7.2005 – 6 AZR 452/04, NZA 2006, 542. 2 BAG v. 19.2.2004 – 6 AZR 552/02 – AP Nr. 33 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe; BAG v. 21.7.2005 – 6 AZR 452/04, NZA 2006, 542. 3 BAG v. 21.7.2005 – 6 AZR 452/04, NZA 2006, 542; BAG v. 6.9.1995 – 5 AZR 241/94, NZA 1996, 314. 4 So Suckow in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 596; offen: BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666. 5 Jesgarzewski, BB 2011, 1594 (1597). 6 BAG v. 10.5.2016 – 9 AZR 434/15; BAG v. 21.7.2005 – 6 AZR 452/04, NZA 2006, 542 (544); Deinert in DBD, § 307 BGB Rz. 118. 7 BAG v. 23.4.1986 – 5 AZR 159/85, NZA 1986, 741; offengelassen, ob monatsweise Reduzierung erforderlich ist BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 173/08, NZA 2010, 342; Deinert in DBD, § 307 BGB Rz. 118. 8 Schon BAG v. 29.6.1962 – 1 AZR 343/61, AP Nr. 25 zu Art. 12 GG. 9 BAG v. 23.4.1986 – 5 AZR 159/85, NZA 1986, 741BGB. 10 BAG v. 21.7.2005 – 6 AZR 452/04, NZA 2006, 542; BAG v. 16.3.1994 – 5 AZR 339/92AZ, NZA 1994, 937. 11 BAG v. 18.3.2014 – 9 AZR 545/12, NZA 2014, 957; BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738; BAG v. 6.5.1998 – 5 AZR 535/97, NZA 1999, 79. 12 Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 168. 13 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042; BAG v. 6.5.1998 – 5 AZR 535/97, NZA 1999, 79.
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§ 307 | Inhaltskontrolle bedingte1) hier zuzulassen hieße im Ergebnis, das Investitionsrisiko im Hinblick auf die Aus- oder Fortbildung auf den Arbeitnehmer abzuwälzen.2 Man kann also anhand der Kündigungsgründe des KSchG unterscheiden: bei betriebs- und personenbedingter Kündigung geht es um eine enttäuschte Investitionsentscheidung des Arbeitgebers, bei verhaltensbedingter Kündigung um einen Lösenstatbestand, den der Arbeitnehmer setzt. Gilt das KSchG nicht, so soll es darauf ankommen, ob ein verständiger Arbeitgeber, dem an einer Investition in die Fortbildung des Arbeitnehmers gelegen ist, aufgrund des Verhaltens des Arbeitnehmers zu einer Kündigung geschritten wäre.3 Ausnahme ist ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers, das zur Arbeitgeberkündigung führt.4 Umgekehrtes gilt für die vom Arbeitgeber veranlasste Arbeitnehmerkündigung, auch sie kommt als auslösendes Moment nicht in Frage.5 Beim Aufhebungsvertrag wird es darauf ankommen, ob dieser auf Aufforderung des Arbeitnehmers geschlossen wurde.6 Eine Rückzahlungsklausel, die nicht nach dem Auslösungsgrund für die Zahlungsverpflichtung differenziert (und etwa pauschal die Eigenkündigung des Arbeitnehmers als Auslösungsgrund anführt), ist deshalb unwirksam.7 222 Das Nichterreichen des Ausbildungsziels vermag nur dann eine Rückzahlungs-
pflicht auszulösen, wenn der Arbeitnehmer dieses Ziel verschuldet nicht erreicht hat (etwa durch Nichtbesuch oder Faulheit).8 Hier werden sich in der Praxis vor allem Nachweisfragen stellen.
223 Unangemessen ist eine Rückzahlungsverpflichtung für den Fall, dass der Arbeitneh-
mer auch dann die Kosten für eine Ausbildung (etwa bei einem dualen Studium) zurückzuzahlen hat, wenn der Arbeitgeber ihm keinen Arbeitsvertrag anbietet.9
224 Der Zeitpunkt der Rückzahlungsvereinbarung kann als konkreter Umstand des
Vertragsschlusses i.S.v. § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB herangezogen werden. Allerdings geht die Folgerung zu weit, eine während des Laufs der Bildungsmaßnahme geschlossene Klausel sei stets deshalb unangemessen, weil sie den Arbeit1 LAG v. 18.5.2018 – 1 S 49/18, NZA-RR 2018, 404; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 168. 2 BAG v. 18.3.2014 – 9 AZR 545/12, NZA 2014, 957; BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042; BAG v. 18.11.2008 – 3 AZR 192/07, NZA 2009, 435. 3 BAG v. 24.6.2004 – 6 AZR 383/03, NZA 2004, 1035; Vogelsang in Schaub, § 176 Rz. 26. 4 BAG v. 24.6.2004 – 6 AZR 383/03, NZA 2004, 1035. 5 BAG v. 18.3.2014 – 9 AZR 545/12, NZA 2014, 957; BAG v. 28.5.2013 – 3 AZR 103/12, NZA 2013, 1419; BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738; BAG v. 18.11.2008 – 3 AZR 192/07, NZA 2009, 435. 6 Vogelsang in Schaub, § 176 Rz. 26; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 168. 7 BAG v. 18.3.2014 – 9 AZR 545/12, NZA 2014, 957; BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738; BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042; BAG v. 23.1.2007 – 9 AZR 482/06, NZA 2007, 748. 8 Deinert in DBD, § 307 BGB Rz. 125; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 168; Preis in ErfK, § 611a BGB Rz. 439. 9 BAG v. 18.11.2008 – 3 AZR 192/07, NZA 2009, 435; Preis in ErfK, § 611a BGB Rz. 439.
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VII. Ausgewählte einzelne Klauseln | § 307
nehmer in einer schwachen Position treffe und er die bereits begonnene Maßnahme regelmäßig nicht abbrechen wolle.1 Das ist deshalb in dieser Pauschalität abzulehnen, weil auch im Hinblick auf § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB der Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung nur ein, aber nicht der maßgebliche Faktor für die Inhaltskontrolle ist.2 Die inhaltlichen Vorgaben der Rückzahlungsklausel müssen transparent sein. 225 Freilich wird die Forderung, dass der Rückzahlungsbetrag genau beziffert werden müsse, zu weit gehen.3 Richtig ist, dass der Arbeitnehmer wissen muss, welche Rückzahlungsverpflichtungen auf ihn zukommen können, das ist aber auch dann der Fall, wenn in der Rückzahlungsklauseln die Art und die Berechnungsgrundlagen der zu erstattenden Kosten enthält.4 Der Arbeitnehmer muss abwägen können, ob die Rückzahlungsverpflichtung für ihn vor dem Hintergrund der Vertragsbindung und der erworbenen Qualifikation angemessen ist.5 Deutlich werden müssen auch die Staffelung des Betrages6 und die Gründe, die die Rückzahlungsverpflichtung auslösen.7 Ist die Rückzahlungsklausel unwirksam, so ist eine – früher propagierte8 – gel- 226 tungserhaltende Reduktion nicht möglich.9 Dann besteht keine Rückzahlungspflicht für den Arbeitnehmer.10 b) Umzugskosten Klauseln über die Rückzahlung von vom Arbeitgeber verauslagten Umzugskos- 227 ten sind grundsätzlich zulässig. An zwingendem Recht scheitern sie dann, wenn 1 Offengelassen von BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738; Deinert in DBD, § 307 BGB Rz. 126; anders BAG v. 9.12.1992 – 5 AZR 158/92, EzA BGB § 611 Aus- und Weiterbildungskosten Nr. 43; Suckow in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 581; Preis in ErfK, § 611a BGB Rz. 436, explizit nur für unter Druck während der Ausbildung erzwungene Rückzahlungsklausel.; Stoffels in Preis, Arbeitsvertrag, II A 120 Rz. 9, empfiehlt zumindest, die Rückzahlungsabrede vor Beginn der Fortbildung zu vereinbaren. 2 Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 350. 3 Preis in ErfK, § 611a Rz. 436; Suckow in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 584. 4 So BAG v. 6.8.2013 – 9 AZR 442/12, NZA 2013, 1361 offengelassen noch von BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 173/08, NZA 2010, 342. 5 BAG v. 21.11.2002 – 6 AZR 77/01, EzA § 611 BGB 2002 Ausbildungsbeihilfe Nr. 2. 6 Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 167. 7 Deinert in DBD, § 307 BGB Rz. 119; Roloff in HWK, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 38; Suckow in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 587. 8 BAG v. 5.12.2002 – 6 AZR 539/01, NZA 2003, 559; BAG v. 15.5.1985 – 5 AZR 161/84, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 9. 9 BAG v. 10.5.2016 – 9 AZR 434/15; BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738; für die Möglichkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung siehe BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666; Stoffels in WLP, Anh. ArbRzu § 310 Rz. 171. 10 Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 94.
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§ 307 | Inhaltskontrolle der Arbeitgeber etwa wegen einer Versetzung des Arbeitnehmers im Rahmen des § 670 BGB zum Aufwendungsersatz verpflichtet ist.1 Ansonsten besteht gesetzlich keine Verpflichtung des Arbeitgebers, Umzugskosten zu übernehmen.2 Geschieht dies dennoch, besteht auch Raum für eine Rückzahlungsvereinbarung. Wie im Falle der Rückzahlungsvereinbarung für Aus- und Fortbildungskosten (siehe Rz. 215 ff.) hat der Arbeitgeber ein Interesse, dass sich seine Ausgaben durch eine Tätigkeit des Arbeitnehmers am Umzugsort amortisieren. Auf der anderen Seite wird der Arbeitnehmer durch die Verpflichtung zur Rückzahlung im Falle des Ausscheidens in seiner Kündigungsfreiheit, Art. 12 GG, getroffen.3 228 Formularmäßig vereinbarte Rückzahlungsklauseln sind einer Inhaltskontrolle
nach § 307 Abs. 1 BGB zu unterziehen. Die Rechtsprechung orientiert sich bei der Inhaltskontrolle dieser Klauseln ebenfalls primär an der Bindungsdauer, die durch die drohende Rückzahlungsverpflichtung konstituiert wird.4 Hier wurde eine dreijährige Dauer der Rückzahlungsverpflichtung als angemessen angesehen.5 Eine fünfjährige Frist ist nach der Rechtsprechung dagegen unangemessen.6 Eine ratierliche Rückzahlungsverpflichtung wird jedenfalls dann nicht gefordert, wenn die Umzugskosten ein Monatsgehalt nicht überschreiten.7 Für den Auslösungsgrund gilt das zur Rückzahlung von Aus- und Fortbildungskosten Geschriebene (siehe Rz. 221): die Klausel darf nicht eingreifen, wenn das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber aus betriebsbedingten Gründen oder vom Arbeitnehmer aus vom Arbeitgeber zu verantwortenden Gründen gekündigt wird.8 Auch hier darf die Rückzahlungsverpflichtung den durch den Arbeitgeber tatsächlich aufgewendeten Betrag nicht überschreiten.9
229 Eine unwirksame Klausel kann nicht geltungserhaltend reduziert werden.10
1 BAG v. 21.3.1973 – 4 AZR 187/72, AP BAT § 44 Nr. 4; Stoffels in Preis, II U 10 Rz. 2; Preis in ErfK, § 611a BGB Rz. 429. 2 Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 176. 3 Glaser in MünchAnwHdbAbrR, § 26 Rz. 103; Stoffels in Preis, II U 10 Rz. 16. 4 BAG v. 22.8.1990 – 5 AZR 556/89 – n.v.; BAG v. 24.2.1975 – 5 AZR 235/74, AP GG Art. 12 Nr. 50. 5 BAG v. 22.8.1990 – 5 AZR 556/89 – n.v.; BAG v. 24.2.1975 – 5 AZR 235/74, AP GG Art. 12 Nr. 50. 6 LAG Düsseldorf v. 3.12.1971 – 8 Sa 418/71, EzA Art. 12 GG Nr. 6; LAG Düsseldorf v. 3.12.1971 – 9 Sa 785/71, DB 1972, 1587. 7 BAG v. 24.2.1975 – 5 AZR 235/74, AP GG Art. 12 Nr. 50; Preis in ErfK, § 611a BGB Rz. 432; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 BGB Rz. 179. 8 Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 BGB Rz. 177BGB; Preis in ErfK, § 611a BGB Rz. 433. 9 Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 BGB Rz. 179. 10 Preis in ErfK, § 611a BGB Rz. 434; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 BGB Rz. 180.
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VII. Ausgewählte einzelne Klauseln | § 307
c) Überbezahltes Entgelt Zahlt der Arbeitgeber zu viel Arbeitsentgelt, so hat er gegen den Arbeitnehmer 230 einen Anspruch auf Rückzahlung. Dieser folgt aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Im Gegensatz zu den rücktrittsrechtlichen Regelungen kann sich der Arbeitnehmer im Falle eines Anspruchs des Arbeitgebers aus ungerechtfertigter Bereicherung auf den Entreicherungseinwand des § 818 Abs. 3 BGB berufen.1 Klauseln, die diesen Entreicherungseinwand ausschließen, sind unwirksam nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.2 d) Kürzungsklauseln Kürzungen des bereits geschuldeten Entgelts durch den Arbeitgeber sind nicht 231 möglich, Auf der anderen Seite aber entstehen Entgeltansprüche bei synallagmatischer Verknüpfung auch grundsätzlich nur dann, wenn die Arbeitsleistung erbracht wurde. Hier bedarf es also keiner Kürzungsvereinbarung. Im Bereich der nicht synallagmatischen Leistungen, die wie etwa bei Sonderzahlungen die Betriebstreue des Arbeitnehmers honorieren und fördern sollen, kann eine arbeitsvertragliche Kürzungsklausel vereinbart werden. Diese Kürzung wird jedenfalls innerhalb der Grenzen, die § 4a EFZG vorgibt, wirksam sein.3 Eine solche Kürzungsmöglichkeit ist schon deshalb notwendig, weil ansonsten bei dauernder Arbeitsunfähigkeit und unabsehbarer Rückkehr der Zweck der Honorierung von Betriebstreue nicht erreicht werden kann.4 Erfolgt aber keine entsprechende Vereinbarung, so kann eine Sonderzahlung nicht automatisch gekürzt werden. e) Sonstige Rückzahlungsklauseln Zu Rückzahlungsklauseln im Zusammenhang mit anderen Arbeitgeberleistungen 232 siehe die Kommentierung zu den besonderen Vergütungssystemen Anh. Vergü Rz. 15 ff., 31 f., 41 f.
17. Salvatorische Klauseln Salvatorische Klauseln, die lediglich anordnen, dass die Unwirksamkeit einer 233 Klausel die Wirksamkeit des Vertrages in Ausnahme von § 139 BGB unangetastet lassen soll (Teilnichtigkeitsklauseln), wiederholen letztlich das Gesetz (vgl. § 306 Abs. 1 BGB) und den Grundsatz, dass § 139 BGB im Arbeitsvertragsrecht 1 Dazu BAG v. 18.1.1995 – 5 AZR 817/93, NZA 1996, 27; Preis in ErfK, § 611a BGB Rz. 408. 2 Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 181; Preis in Preis, II A 80 Rz. 8 ff.; Bieder, DB 2006, 1318 (1320); skepitsch Preis in ErfK, §§ 305–310 Rz. 93. 3 BAG v. 26.1.2005 – 10 AZR 215/04 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 260. 4 Anders Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, Teil II S 40, Rz. 84.
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§ 307 | Inhaltskontrolle ohnehin regelmäßig nicht anzuwenden ist.1 Sie sind schon deshalb unproblematisch, weil sie überflüssig sind.2 234 Formularmäßig vereinbarte salvatorische Klauseln, die darüber hinaus anordnen,
dass eine unwirksame Regelung durch eine andere zu ersetzen ist (und die damit auch das Eingreifen des dispositiven Rechts verhindern, (Ersetzungsklauseln)3 oder dass eine unwirksame Klausel auf das zulässige Mindestmaß zurückzuführen ist (Reduktionsklauseln), benachteiligen den Vertragspartner unangemessen.4 Beide verhindern die Anwendung dispositiven Rechts im Falle der Unwirksamkeit einer Klausel und konterkarieren damit das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion,5 das wegen § 15 UKlaG gerade im Arbeitsrecht als wesentliche Sanktion für die Formulierung unangemessener Klauseln angesehen wird.6 Das gilt auch dann, wenn eine solche Klausel auf eine konkrete Ersatzklausel verweist.7 Ausnahmen sollen auch nicht im Hinblick auf die regelmäßig eingeschränkte Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers (und das deshalb gegebene Bedürfnis nach einer möglichst weitgehenden Aufrechterhaltung einer Regelung) gelten.8
235 Außerdem ist eine Formulierung, eine Klausel sei auf das „(noch) wirksame
Maß“ zurückzuführen, intransparent.9 Das gilt auch für konkrete Ersetzungsklauseln, die eine unwirksame (primäre) Regelung durch eine konkrete Ersatzregelung ersetzen wollen.10 Sowohl Ersetzungsklauseln, die die Parteien ver-
1 Preis in ErfK, §§ 305–310 Rz. 91. 2 Bonin in DBD, § 306 BGB Rz. 26; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 95; Preis in Preis, II S 10 Rz. 10; anders LAG Niedersachsen v. 12.3.2007 – 17 Sa 1705/06 – n.v. 3 BAG v. 28.5.2013 – 3 AZR 103/12, NZA 2013, 1419; BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; Bonin in DBD, § 306 BGB Rz. 26. 4 BAG v. 22.3.2017 – 10 AZR 448/15, NZA 2017, 845; BAG v. 28.5.2013 – 3 AZR 103/12 – NZA 2013, 1419; BGH v. 4.2.2015 – VIII ZR 26/14, NJW-RR 2015, 738; BGH v. 24.9. 1985 – VI ZR 4/84, NJW 1986, 1610; Schmidt in UBH, § 306 Rz. 14; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 95; Bonin in DBD, § 306 Rz. 26. 5 BAG v. 28.5.2013 – 3 AZR 103/12, NZA 2013, 1419; BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738; BGH v. 22.11.2001 – VII ZR 208/00, NJW 2002, 894; Bonin in DBD, § 306 Rz. 18, 26; Preis in ErfK, § 310 BGB Rz. 95; Schmidt in UBH, § 306 Rz. 14. 6 Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 95; Henssler/Moll, S. 145. 7 Preis in ErfK, §§ 305–310 Rz. 95. 8 Noch offengelassen von BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727; inzwischen freilich wird das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion auch vom BAG anerkannt, etwa BAG v. 28.5.2013 – 3 AZR 103/12, NZA 2013, 1419; BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/ 09, NZA 2012, 738; BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428; BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111. Kritisch noch Bayreuther- NZA 2004, 953 (954 ff.). 9 BGH v. 4.2.2015 – VIII ZR 26/14, NJW-RR 2015, 738; BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738; BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; Preis in ErfK, § 310 BGB Rz. 95; Schmidt in UBH, § 306 BGB Rz. 14. 10 BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738; BGH v. 29.11.1989 – VIII ZR 228/88, NJW 1990, 716; Bonin in DBD, § 306 BGB Rz. 26; Preis in Preis, II S 10 Rz. 19 m.w.N; Schmidt in UBH, § 306 BGB Rz. 40.
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VII. Ausgewählte einzelne Klauseln | § 307
pflichten, eine dem wirtschaftlichen Ergebnis der unwirksamen Klauseln möglichst nahe kommende neue Vereinbarung zu treffen, als auch einseitige Ersetzungsklauseln, die dem Arbeitgeber das Recht zur ersetzenden Gestaltung zusprechen, sind vor diesem Hintergrund unwirksam.1 Einseitige Ersetzungsklauseln fallen, wenn sie, was regelmäßig der Fall sein dürfte, auch unwirksame Leistungsbestimmungen betreffen, zudem unter § 308 Nr. 4 BGB.2 Klauseln, die eine Regelung unter dem Hinweis auf die (fragliche) gesetzliche 236 Zulässigkeit treffen (gesetzesverweisende Klauseln), verstoßen ebenfalls gegen das Transparenzprinzip und sind deshalb unwirksam.3 Hier ist aber fraglich, ob dies auch dann gilt, wenn der Verwender objektive Zweifel an der Wirksamkeit einer Klausel haben kann, er aber dennoch eine entsprechende Regelung (eben mit dem salvatorischen Hinweis) treffen will, diese aber aufgrund der rechtlichen Lage nicht genauer treffen kann.4 Hier kann zwar für den AGB-Verwender durchaus ein berechtigtes Interesse an einer entsprechenden salvatorischen Klausel bestehen, für den durch die AGB-Kontrolle zu schützenden Vertragspartner ändert dies aber nichts an der Intransparenz der Regelung, weshalb auch eine solche gesetzesverweisende Klausel abzulehnen ist.5 Anderes soll dann gelten, wenn eine unwirksame Klausel durch eine am hypo- 237 thetischen Parteiwillen ausgerichtete Klausel ersetzt werden soll.6 Damit wird die ergänzende Vertragsauslegung gleichsam formularmäßig vereinbart. Im Hinblick auf das Transparenzgebot wird man gegenüber einer solchen Klausel zwar kritisch sein müssen. Außerdem wird man auch hier dazu kommen, dass sich die Klausel § 306 BGB widersetzt – indem die (der ergänzenden Vertragsauslegung vorgestellte) Anwendung dispositiven Rechts ausgeschaltet wird.7 Sind allerdings die Voraussetzungen für die ergänzende Vertragsauslegung gegeben, so ist die darauf gerichtete Klausel letztlich inhaltslos.8
18. Schadenspauschalen Zu Schadenspauschalen siehe § 309 Rz. 51 ff.
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1 Preis in Preis, II S 10 Rz. 14 ff.; Schmidt in UBH, § 306 BGB Rz. 39 f. 2 Preis in Preis, II S 10 Rz. 16. 3 BAG v. 28.5.2013 – 3 AZR 103/12, NZA 2013, 1419; Preis in Preis, II S 10 Rz. 26 ff.; Ulmer/Habersack in UBH, § 305 BGB Rz. 153; Striegel in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 774. 4 Dafür Preis in Preis, II S 10 Rz. 32; Lindacher/Hau in WLP, § 306 BGB Rz. 46. 5 Habersack in UBH, § 305 Rz. 153; Basedow in MünchKommBGB, § 305 BGB Rz. 75. 6 Henssler/Moll, S. 146. 7 Dazu Bonin in DBD, § 306 Rz. 26a; Preis in Preis, II S 10 Rz. 14 f. 8 Junker, BB 2007, 1274 (1281); ähnlich Bonin in DBD, § 306 BGB Rz. 26a.
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§ 307 | Inhaltskontrolle 19. Schriftform 239 Zu unterscheiden ist zwischen einfachen Schriftformklauseln, nach denen Ände-
rungen des Vertrages der Schriftform bedürfen, und qualifizierten oder doppelten Schriftformklauseln, nach denen darüber hinaus auch die Aufhebung des Schriftformerfordernisses selbst der Schriftform bedarf. Für die Inhaltskontrolle ist nicht § 309 Nr. 13 BGB, sondern die Generalklausel des § 307 Abs. 1 BGB einschlägig.1 Der Arbeitgeber will durch die Schriftformklausel sein Interesse an Dokumentation und Standardisierung wahren, vor allem aber die „schleichende“ Vertragsänderung (vor allem durch betriebliche Übung) verhindern.2 Deshalb sind Schriftformklauseln oft auf das gleiche Ziel gerichtet wie Freiwilligkeits- oder Widerrufsvorbehalte (siehe dazu Rz. 193). Schriftformklauseln sind regelmäßig nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, so ist insbesondere das Interesse des Arbeitgebers an der Verhinderung einer betrieblichen Übung anzuerkennen,3 allerdings geraten Schriftformklauseln oftmals in Konflikt mit dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
240 Die Wirkung von einfachen Schriftformklauseln wird allgemein als gering an-
genommen, weil diese nach Meinung der Rechtsprechung auch mündlich oder konkludent wieder aufgehoben werden können.4 Dies wird noch dadurch vereinfacht, dass den Vertragsparteien hierzu die Aufhebung des Schriftformbedürfnisses nicht einmal bewusst sein muss.5 Das ist jedenfalls insoweit richtig, als Individualregelungen Allgemeinen Geschäftsbedingungen und den in diesen enthaltenen Schriftformregelungen stets vorgehen.6 Allerdings vermögen solche Klauseln auch zu verhindern, dass Rechte des Arbeitnehmers mit Hinweis auf die Schriftformklausel vereitelt werden können, schon deshalb sind auch einfache Schriftformklauseln intransparent nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn sie nicht klar zum Ausdruck bringen, dass Individualvereinbarungen davon nicht betroffen sind.7 Wenn darüber hinaus vorgebracht wird, eine unangemessene Benachteiligung folge daraus, dass der Arbeitgeber durch eine Schriftform1 BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, NZA 2008, 1233; Franzen, SAE 2009, 89 (91); Melms in MünchAnwHdbArbR, § 10 Rz. 211; Jacobs in BeckOKArbR, § 307 Rz. 40a; Lunk/ Leder, NJW 2016, 1292 (1294). 2 Siehe dazu Franzen, SAE 2009, 89 (91); Basedow in MünchKommBGB, § 305b BGB Rz. 13. 3 Siehe dazu Lingemann/Gotham, NJW 2009, 269 (270). 4 BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81; BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, NZA 2008, 1233; BAG v. 17.7.2007 – 9 AZR 819/06, NZA 2008, 118; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 189; Lakies, Inhaltskontrolle, Rz. 94. 5 BGH v. 25.1.2017 – XII ZR 69/16, NJW 2017, 1017; BAG v. 15. 5.2012 – 3 AZR 610/11, NZA 2012, 1279; BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81. 6 BGH v. 21.9.2005 – XII ZR 312/02, NJW 2006, 138; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 189. 7 BGH v. 27.9.2000 – VIII ZR 155/99, NJW 2001, 292; BGH NJW 1991, 1750; BAG v. 20.5. 2008 – 9 AZR 382/07, NZA 2008, 1233 Rz. 39; OLG Rostock NJW 2009, 3376.
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VII. Ausgewählte einzelne Klauseln | § 307
klausel nicht die Vertretungsberechtigung seiner Vertreter beschränken könne,1 so ist daran (lediglich) richtig, dass auch für Vertreter die Schriftform für Individualvereinbarungen nicht formularmäßig begründet werden kann. Doppelte (oder qualifizierte) Schriftformklauseln sollen eine Vertragsände- 241 rung erschweren, indem sie auch die Aufhebung des Formerfordernisses an die Schriftform binden.2 Allerdings ist auch hier der Vorrang der Individualabrede zu beachten, so dass auch dieses Formgebot durch die Parteien durch eben solche Individualvereinbarung wieder aufgehoben werden kann.3 Weil es sich bei der Begründung einer betrieblichen Übung aber gerade um keine Individualvereinbarung handelt, sind doppelte Schriftformklauseln grundsätzlich geeignet, eine solche betriebliche Übung zu verhindern.4 Allerdings ist zunächst zu fragen, ob die Klausel in dieser Hinsicht (überhaupt) konstitutiv gemeint ist und so bei Verstoß gegen die Schriftform die Rechtsfolge des § 125 Satz 2 BGB und damit Nichtigkeit eintreten soll oder ob sie (lediglich) deklaratorischen Zwecken dient.5 Ist die Klausel lediglich deklaratorisch, vermag sie eine nichtschriftliche Vertragsänderung ohnehin nicht zu hindern. Darüber hinaus ist auch eine doppelte Schriftformklausel unangemessen, wenn 242 sie nicht deutlich macht, dass formlose Individualabreden (§ 305b BGB) durch sie nicht betroffen sind.6 Sie ist dann intransparent, weil der Arbeitnehmer nicht erkennen kann, dass eine formlose Individualabrede jederzeit geschlossen werden kann.7 Für möglich gehalten wird aus diesen Gründen eine Schriftformklausel, die sich 243 lediglich auf das Hindern einer betrieblichen Übung bezieht und Individualabreden so ausdrücklich vom Schriftformerfordernis ausnimmt,8 denn diese ist nicht als Individualvereinbarung i.S.d. § 305b BGB zu sehen.9 Dagegen wird frei1 LAG Düsseldorf v. 13.4.2007 – 9 Sa 143/07, NZA-RR 2007, 455; Jacobs in BeckOKArbR, § 307 BGB Rz. 40a. 2 BGH v. 2.6.1976 – VIII 92/74, NJW 1976, 1395; BAG v. 24.6.2003 – 9 AZR 302/02, NZA 2003, 1145. 3 Preis in ErfK, §§ 125–127 BGB Rz. 41a. 4 BAG v. 24.6.2003 – 9 AZR 302/02, NZA 2003, 1143; BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, NZA 2008, 1233; LAG Rheinland-Pfalz v. 29.10.2015 – 2 Sa 203/15; Basedow in MünchKommBGB, § 305b BGB Rz. 5. 5 BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, NZA 2008, 1233. 6 BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, NZA 2008, 1233; LAG Hamm v. 13.5.2016 – 16 Sa 1652/15; LAG Schleswig-Holstein v. 28.1.2016 – 5 Sa 207/15; LAG Schleswig-Holstein v. 23.5.2013 – 5 Sa 375/12; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 96; Däubler in DBD, § 305b Rz. 12; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 354; insgesamt strenger Lakies, Inhaltsontrolle, Rz. 98. 7 LAG Köln v. 21.8.2013 – 11 Sa 171/13; Benecke in MHB, § 36 Rz. 46. 8 Franzen, SAE 2009, 89 (92); Däubler in DBD, § 305b Rz. 14; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 96; Hromadka, DB 2004, 1261 (1265); Basedow in MünchKommBGB, § 307 BGB Rz. 13. 9 Roloff in HWK, § 305b BGB Rz. 1; Fischinger in MHBArbR, § 10 Rz. 21.
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§ 307 | Inhaltskontrolle lich eingewandt, dass dies zum gänzlichen Ausschluss der betrieblichen Übung führen würde.1 Da allerdings die betriebliche Übung richtigerweise lediglich eine besondere Art der rechtsgeschäftlichen Gestaltung des Arbeitsvertrages ist und kein eigenes Rechtsinstitut, gehen diese Bedenken ins Leere. Was bleibt ist jedenfalls eine erhöhte Formulierungsverantwortung des AGB-Verwenders.2 Dagegen kann nicht eingewendet werden, dass eine Schriftformklausel zur Verhinderung einer betrieblichen Übung wegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist, weil vom Grundsatz der Formfreiheit der betrieblichen Übung abgewichen werde.3 Denn die betriebliche Übung selbst ist kein eigenes Rechtsinstitut, sondern unterliegt den allgemeinen rechtsgeschäftlichen Vertragsschlussregelungen – bei denen nach § 125 Satz 2 BGB die gewillkürte Schriftform ausdrücklich zugelassen ist. Ob solche Klauseln aber auch für laufende Arbeitgeberleistungen wirksam sind, ist im Hinblick auf die Rechtsprechung des BAG zu Freiwilligkeitsvorbehalten durchaus zweifelhaft:4 denn wie bei den Freiwilligkeitsvorbehalten sollen Schriftformklauseln verhindern, dass aus einer kontinuierlichen Zahlung ein verbindlicher Anspruch des Arbeitnehmers entsteht. Freilich wird man hier die Schriftformklauseln für wirksam erachten können, weil im Falle einer regelmäßigen Zahlung einer Berufung des Arbeitgebers auf die fehlende Schriftform der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegengehalten werden kann.
20. Schuldanerkenntnis 244 Ein konstitutives positives Schuldanerkenntnis des Arbeitnehmers fällt nicht un-
ter § 309 Nr. 12 BGB, sondern ist anhand der Generalklausel des § 307 BGB zu prüfen (siehe § 309 Rz. 141).5 Das Schuldanerkenntnis als solches weicht nicht von gesetzlichen Regelungen ab, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB, und ist deshalb, wenn es formularmäßig vereinbart wird, lediglich am Transparenzgebot zu überprüfen.6 Kommt es aber zu einem Ausschluss aller Einwendungen und Einreden gegen den fraglichen Anspruch, so liegt nach der Rechtsprechung eine Abweichung von den §§ 812, 821 BGB7 vor, die nicht durch entgegenstehende Interessen des Arbeitgebers aufgefangen werden.8 Eine Beweisnot des Arbeitgebers vermag an der Unwirksamkeitsfolge nichts zu ändern.9 Dagegen kann nicht eingewandt
1 Däubler in DBD, § 305b Rz. 14; LAG Düsseldorf v. 13.4.2007 – 9 Sa 143/07, NZA-RR 2007, 455. 2 Bayreuther, ZfA 2011, 45 (57), spricht kritisch von Schriftformklauseln als „Formulierungsungetümen“. 3 So aber Jensen, NZA-RR 2011, 225 (229). 4 So auch Leder, RdA 2010, 93 (100). 5 BAG v. 15.3.2005 – 9 AZR 502/03, NZA 2005, 682; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 1041. 6 Offengelassen BAG v. 21.4.2016 – 8 AZR 474/14, NZA 2016, 1409. 7 BAG v. 15.3.2005 – 9 AZR 502/03, NZA 2005, 682. 8 BAG v. 15.3.2005 – 9 AZR 502/03, NZA 2005, 682. 9 BAG v. 15.3.2005 – 9 AZR 502/03, NZA 2005, 682.
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VII. Ausgewählte einzelne Klauseln | § 307
werden, dass die Vertragsparteien von gesetzlich vorgegebenen Regelungsmöglichkeiten Gebrauch machen, denn dies gilt zwar für das Schuldanerkenntnis als solches, nicht aber für den Ausschluss von Einreden und Einwendungen.1
21. Stichtagsregelung Stichtagsklauseln (auch: Bestandsklauseln) stellen eine Arbeitgeberleistung unter 245 die Bedingung, dass das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Termin noch (ungekündigt) besteht. Sie haben im Arbeitsrecht eine lange Tradition und dienen regelmäßig dazu, den Arbeitnehmer zur (weiteren) Betriebstreue anzuhalten. Stichtagsklauseln werden von der Rechtsprechung einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unterzogen, weil sie den Arbeitnehmer in dessen Berufsfreiheit einschränken – indem sie den Arbeitnehmer durch den drohenden Verlust der Zahlung bei Aufgabe des Arbeitsverhältnisses an den Arbeitgeber binden.2 Im Hinblick auf die Inhaltskontrolle ist zunächst nach der Art der Arbeitgeber- 246 leistung zu unterscheiden: Für Arbeitgeberleistungen, die auch als Vergütung zu begreifen sind und somit der Arbeitnehmerleistung im Synallagma stehen, benachteiligen Stichtagsregelungen die Arbeitnehmer unangemessen, weil sie die Zahlungspflicht des Arbeitgebers nicht nur an die Leistungserbringung durch den Arbeitnehmer knüpfen, sondern auch an das (ungekündigte) Bestehen des Arbeitsverhältnisses zum Stichtag. Damit verstoßen sie gegen den Grundsatz des § 611a Abs. 2 BGB, der die Zahlungspflicht des Arbeitgebers für Arbeitsentgelt (nur) an die erbrachte Arbeitnehmerleistung bindet,3 und schränken die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers durch ihre Bindungswirkung ein.4 Eine solche Stichtagsregelung ist deshalb unwirksam, das Arbeitgeberinteresse an einer Betriebstreue des Arbeitnehmers kann sich gegen Grundsatz des § 611a Abs. 2 BGB und das Lösungsinteresse des Arbeitnehmers nicht durchsetzen.5 Die Stichtagsregelung selbst kann dann isoliert regelmäßig als unwirksam gestrichen werden, ohne dass die restliche Klausel betroffen wird.6 Das BAG hatte dies zunächst für einen 1 Anders aber Löwisch in FS Canaris Bd. I (2007), S. 1403 (1418). 2 BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368; BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 612/10, NZA 2012, 561; BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40; Lembke, NJW 2010, 321 (323). 3 BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992; BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368; BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 612/10, NZA 2012, 561; BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 670/10, NZA 2012, 499; BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620; Linck in Schaub, § 77 Rz. 5; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 1191. 4 BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 612/10, NZA 2012, 561; BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40. 5 BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 612/10, NZA 2012, 561. 6 BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 670/10, NZA 2012, 499; grds. zum „Blue-Pencil-Test“ Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 103.
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§ 307 | Inhaltskontrolle Stichtag außerhalb des Bezugszeitraumes der Entgeltleistung entschieden, die Argumentation ist jedoch auch auf Stichtage übertragbar, die innerhalb des Bezugszeitraums liegen.1 Dem folgt die Rechtsprechung nunmehr ebenfalls.2 247 Dabei wird der Bereich der Vergütungsleistungen von der Rechtsprechung weit
gezogen: so fallen auch Zahlungen, die an den Unternehmenserfolg anknüpfen, darunter3 oder Zahlungen, die einen Mischcharakter zwischen Arbeitsentgelt und Treuprämie aufweisen.4 Das ist eine folgerichtige Verschärfung der Rechtsprechung, nachdem es früher für die Zulässigkeit einer Stichtagsklausel ausgereicht hatte, wenn zumindest ein Zweck der Arbeitgeberleistung die Motivation zur Betriebstreue war.5 Insgesamt fällt freilich eine Abgrenzung schwer, weshalb die Rechtsprechung dem Klauselverwender eine erhöhte Formulierungsverantwortung auferlegt: Eine Sonderzuwendung im Sinne der genannten Rechtsprechung liegt danach nur dann vor, wenn sich der Gratifikationscharakter und damit die „Arbeitsentgeltferne“ deutlich aus der Vereinbarung ergibt.6 Die bloße Bezeichnung als „Weihnachtsgratifikation“ soll dafür jedenfalls nicht ausreichen.7 Eine Vergütungsleistung soll dann vorliegen, wenn sie einen wesentlichen Teil der Gesamtzahlungen an den Arbeitnehmer ausmacht oder wenn die Leistung an das Erreichen von (persönlichen wie unternehmensbezogenen) Zielen gebunden ist.8
248 Diese Abgrenzung ist allerdings insbesondere in den Fällen nicht unproblema-
tisch, wenn ein Arbeitnehmer unterjährig ausscheidet und die versprochene Leistung an die Erreichung von Unternehmenszielen gekoppelt ist. Wegen des Wegfalls der Stichtagsregelung kommt es dann zum ratierlichen Anspruch, der aber im Falle der Feststellung von Unternehmenszielen unterjährig nur schwer feststellbar sein dürfte.9 Deshalb hat der Arbeitgeber in diesen Fällen durchaus ein berechtigtes Interesse, eine Stichtagsregelung (meist: das Bezugsraumende) zu vereinbaren.10 Denn jedenfalls dann, wenn die Unternehmensziele auf das 1 So richtig auch Baeck/Winzer, NZG 2012, 657 (659); anders noch BAG v. 6.5.2009 – 10 AZR 443/08, NZA 2009, 783. 2 BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992; BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/1, NZA 2014, 368. 3 BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368; BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620. 4 BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620. 5 BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40. 6 BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 304; BAG v. 18.1. 2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 1192. 7 BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620. 8 BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992: 15 %, jedoch zusätzlich zu Weihnachtsgeld; BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620; BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 612/10, NZA 2012, 561: 25 %, freilich auf die Branche abstellend. 9 So auch Baeck/Winzer, NZG 2012, 657 (659). 10 Siehe auch BAG v. 13.11.2013 – 10AZR 848/12, NZA 2014, 368.
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VII. Ausgewählte einzelne Klauseln | § 307
Geschäftsjahr bezogen werden, kommt es für deren Erreichen auf das ganze Geschäftsjahr an – die Berechnung einer Leistung auf der Grundlage der Zeit bis zum Ausscheiden des Arbeitnehmers ist nicht interessengerecht, weil sich etwa gute unternehmerische Zahlen in der ersten Jahreshälfte durch schlechte in der zweiten Jahreshälfte wieder verändern können. Helfen könnte hier nur die Fälligkeit des Anspruches zum Ablauf des Geschäftsjahres und dann die ratierliche Berechnung der Leistung. Nicht unter die genannte Rechtsprechung fällt eine Sonderzahlung nur dann, 249 wenn sie ausschließlich der Honorierung erwiesener Betriebstreue oder der Motivation zu weiterer Betriebstreue dient, wenn somit eine Treue- oder Halteprämie gegeben ist, oder aber wenn eine bloße Aufwendungsbeteiligung des Arbeitgebers vorliegt (wie bei der „klassischen“ Weihnachtsgratifikation).1 Ist dies der Fall, so kann der Arbeitgeber die Zahlung von dem Bestehen eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses zu einem Stichtag abhängig machen.2 Der Stichtag kann dann innerhalb oder außerhalb des Bezugszeitraums liegen. Liegt der Stichtag außerhalb des Bezugszeitraums, ist freilich für die Wirksamkeit der Klausel zu beachten, dass eine Bindung des Arbeitnehmers auch durch ihre Dauer zur Unwirksamkeit der Klausel führen kann.3 Zwar hat die Rechtsprechung die Grundsätze für Rückzahlungsklauseln (siehe dazu Rz. 215 f.) für Stichtagsregelungen nicht ausdrücklich übernommen,4 sondern stellt auf die Zumutbarkeit der Bindungsfrist ab,5 allerdings wird sich – jedenfalls bei Stichtagsklauseln außerhalb des Bezugszeitraums und bereits erfolgter Auszahlung – keine andere Interessenlage des Arbeitnehmers im Vergleich zu einer „echten“ Rückzahlungsklausel feststellen lassen – weshalb die dort gefundenen Grundsätze sehr wohl übertragbar sind.6 Knüpft die Stichtagsklausel eine Treue- oder Halteprämie an ein ungekündigtes 250 Arbeitsverhältnis, so ist die Klausel auch wirksam, wenn Fälle umfasst sind, in denen der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis löst.7 Eine Abweichung von § 162 Abs. 2 BGB verneint die Rechtsprechung zu Recht.8 1 BAG v. 22.7.2014 – 9 AZR 981/12, NZA 2014, 1136; BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 1190. 2 BAG v. 22.7.2014 – 9 AZR 981/12, NZA 2014, 1136; BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620. 3 BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150; BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40. 4 BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40. 5 BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40; BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620. 6 Für diesen Fall auch Leder, RdA 2010, 93 (99). 7 BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620; BAG v. 28.3.2007 – 10 AZR 261/06, NZA 2007, 687; BAG v. 19.11.1992 – 10 AZR 264/91, NZA 1993, 353; für ein Urlaubsgeld BAG v. 22.7.2014 – 9 AZR 981/12, NZA 2014, 1136. 8 BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620; Leder, RdA 2010, 93 (99).
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§ 307 | Inhaltskontrolle 22. Urlaubsklauseln a) BAG: Keine Inhaltskontrolle von Regelungen über Zusatzurlaub 251 Die Regelungen über den gesetzlichen Mindesturlaub des BUrlG sind weit-
gehend zwingend, allenfalls tarifdispositiv, § 13 BUrlG.1 Deshalb besteht hier nur sehr begrenzter Regelungsspielraum für die Arbeitsvertragsparteien. Dies gilt freilich nicht für den darüber hinausgehenden zusätzlich vertraglich vereinbarten Urlaub. Die Vereinbarung eines zusätzlichen Urlaubs an sich ist kontrollfrei, weil nicht von gesetzlichen Regelungen abweichend.2 Umstritten ist jedoch, ob auch jenseits der Festsetzung des Zusatzurlaubs getroffene Regelungen – etwa über die Urlaubsabgeltung oder den Urlaubsverfall – wegen § 307 Abs. 3 BGB lediglich auf Transparenz zu kontrollieren sind. Die Rechtsprechung bejaht dies,3 weil auch durch diese Vereinbarungen nicht vom gesetzlichen Urlaubsrecht abgewichen werde, das sich nur auf den Mindesturlaub beziehe. In der Literatur wird freilich das Gegenteil vertreten und zwar die Vereinbarung des Zusatzurlaubs als solche kontrollfrei gesehen, nicht aber weitere, den Urlaubsanspruch ausgestaltende Klauseln.4 Richtig daran ist, dass die Zurückhaltung des BAG in Bezug auf die Inhaltskontrolle beim Zusatzurlaub in einem starken Kontrast zu anderen Bereichen der Vertragskontrolle, die sich auch im „gesetzlichen Vakuum“ abspielen (wie etwa bei der Rückzahlung einer Weihnachtsgratifikation), steht.5 Eine Inhaltskontrolle mag man – freilich etwas unscharf – aus der Erwägung heraus begründen, dass Mindesturlaub und Zusatzurlaub grundsätzlich den gleichen Regelungen unterworfen werden sollen – und eine Formularregelung von diesem Grundsatz abweicht. In jedem Falle ist auch nach der Rechtsprechung des BAG das Transparenzprinzip, § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, zu beachten.6 b) Trennungsklauseln
252 Der vertraglich vereinbarte Zusatzurlaub kann von den Vertragsparteien grund-
sätzlich ohne Rücksicht auf die Regelungen des BUrlG geregelt werden.7 Auch die europarechtlichen Vorgaben betreffen nur den gesetzlichen Mindesturlaub,
1 Dazu Gallner in ErfK, § 13 BUrlG Rz. 7. 2 BAG v. 7.8.2012 – 9 AZR 760/10, NZA 2013, 104; BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538. 3 BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538. 4 So Stoffels in Preis, II U 20 Rz. 19; Krieger/Arnold, NZA 2009, 530 (533 ff.); Powietzka/ Fallenstein, NZA 2010, 673 (675); Bauer/Arnold, NJW 2009, 631 (634), die freilich eine Inhaltskontrolle ohne weitere Argumente annehmen; krit. auch Däubler in DBD, Anh. Rz. 385; Fuchs/Bieder in UBH, Anh. § 310 BGB Rz. 102. 5 Darauf weist Stoffels in Preis, II U 20 Rz. 19, hin. 6 BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538. 7 BAG v. 16.12.2014 – 9 AZR 295/13, NZA 2015, 827; BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538.
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VII. Ausgewählte einzelne Klauseln | § 307
nicht aber den Zusatzurlaub.1 Allerdings gilt der Grundsatz, dass ohne weitere Klarstellung der Wille der Vertragsparteien dahin geht, gesetzliche und zusätzliche Urlaubsansprüche gleich zu behandeln – und mithin auch auf die vertraglichen Ansprüche die Regelungen des BUrlG anzuwenden.2 Dies hat Folgen für die Klauselgestaltung, weil Regelungen, die für den Zusatzurlaub von den gesetzlichen Vorgaben abweichen sollen, klar und eindeutig sein müssen:3 Es muss deutlich aus der Klausel hervorgehen, dass für den Zusatzurlaub von den Grundsätzen des BUrlG abweichende Regelungen getroffen werden.4 Geschieht dies nicht, gelten die Regelungen des BUrlG auch für den vertraglichen Zusatzurlaub. c) Weitere Regelungen Die Literatur nimmt für Klauseln, die den Zusatzurlaub ausgestalten, eine Inhalts- 253 kontrolle vor – mit den Regelungen des BUrlG als Leitbild.5 Allerdings wiegt das Arbeitnehmerinteresse an einer möglichst engen Orientierung an den gesetzlichen Regelungen hier regelmäßig gering – weil das Erholungsbedürfnis des Arbeitnehmers ja bereits durch den Mindesturlaubsanspruch abgedeckt ist. Deshalb sieht auch die Literatur kaum Regelungen, die einer Inhaltskontrolle nicht genügten.6 Quotenregelungen etwa sehen vor, dass der Zusatzurlaubanspruch entsprechend 254 der Beschäftigungszeit im Eintritts- oder Austrittsjahr zu bestimmen ist und daher regelmäßig 1/12 des Urlaubsanspruches pro Beschäftigungsmonat beträgt. Bei unterjähriger Beschäftigung kommt es so nicht zum Gesamt-, sondern im Vergleich zum Mehrurlaubsanspruch zu einem Teilanspruch. Eine solche Quotenregelung weicht zwar von dem Grundsatz des § 4 BUrlG ab, dass nach der Wartezeit von sechs Monaten der gesamte Jahresurlaubsanspruch entsteht,7 dies ist aber insofern für den Mehrurlaub angemessen, als der Arbeitgeber ein Interesse daran hat, Urlaub anteilig lediglich für die Beschäftigungsdauer gewähren zu müssen. Allerdings ist bei der Formulierung der Klausel die Trennung zwischen dem gesetzlichen Urlaubsanspruch, der eine Quotelung nach dem Ablauf der Wartezeit nicht kennt, und dem Mehrurlaub zu beachten.8 1 EuGH v. 6.11.2018 – C-569/16, NZA 2018, 1467; EuGH v. 3.5.2012 – C-337/10, ZTR 2012, 365. 2 BAG v. 4.5.2010 – 9 AZR 183/09, NZA 2010, 1011; BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538. 3 Stoffels, AGB-Recht Rz. 1194; Fuchs/Bieder in UBH, Anh. § 310 BGB Rz. 102. 4 BAG v. 4.5.2010 – 9 AZR 183/09, NZA 2010, 1011; LAG Hamm v. 14.4.2011 – 16 Sa 488/ 10 – n.v.; Däubler in DBD, Anh. Rz. 384; Gaul/Bonanni/Ludwig, DB 2009, 1013 (1017). 5 Däubler in DBD, Anh. Rz. 385; Stoffels in Preis, II U 20 Rz. 19; Krieger/Arnold, NZA 2009, 530 (533 ff.); Powietzka/Fallenstein, NZA 2010, 673 (675); Bauer/Arnold, NJW 2009, 631 (634). 6 Insgesamt Stoffels in Preis, II U 20; Däubler in DBD, Anh. Rz. 385. 7 BAG v. 24.10.2006 – 9 AZR 669/05, NZA 2007, 330. 8 Stoffels in Preis, II U 20 Rz. 25.
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§ 307 | Inhaltskontrolle 255 Im Gegensatz zum gesetzlichen Mindesturlaub, bei dem § 4 BUrlG eine nicht zu
Ungunsten des Arbeitnehmers veränderbare sechsmonatige Wartezeit vorgibt, kann eine längere Wartezeit beim Zusatzurlaub auch formularmäßig nach h.M. problemlos vereinbart werden.1 Der Arbeitgeber hat ein schützenswertes und über eine entsprechende Klausel sicherbares Interesse daran, Arbeitnehmer für ihre Betriebstreue zu belohnen.2 Im Gegenzug hat der Arbeitnehmer kein schützenswertes Interesse an einem schnellen Urlaubsanspruch, weil er den Mehrurlaub insgesamt nicht fordern kann. Freilich ist die Klausel transparent zu gestalten. Der Arbeitnehmer muss also erkennen können, ab wann er einen Anspruch auf Zusatzurlaub hat.
256 Kürzungen des Zusatzurlaubs wegen Fehlzeiten (etwa wegen Krankheit des Arbeit-
nehmers) werden von der h.M. als wirksam angesehen.3 Es besteht hier zwar ein Abweichen von dem vor allem europarechtlich geprägten Grundsatz, dass Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit nicht zur Kürzung des Urlaubs führen kann, auch hier aber setzt sich beim Zusatzurlaub das Interesse des Arbeitgebers nicht unangemessen durch, dem Arbeitnehmer nur für den Fall Zusatzurlaub zu gewähren, dass er auch seine Beschäftigung ausgeübt hat. Eine Anwendung von § 308 Nr. 4 BGB und § 4a EFZG wird zu Recht abgelehnt.4 Eine Verquickung mit dem Anspruch auf gesetzlichen Erholungsurlaub führt auch hier zur Intransparenz der Regelung.5
257 Zu Urlaub und Nebentätigkeitsverbot siehe Rz. 214 ff. 258 Maßgeblich ist der Einfluss des EuGH auf das deutsche Urlaubsrecht. Der
EuGH hat aus Art. 7 der Arbeitzeit-RL 2003/88/EG abgeleitet, dass es im Falle krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht zu einem Verfall des Urlaubsanspruches kommen kann, wie ihn § 7 Abs. 3 BUrlG spätestens zum 31.3. des auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres vorsieht.6 Damit freilich kam es zu der Möglichkeit einer Summierung von Urlaubsansprüchen und bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses von Abgeltungsansprüchen nach § 7 Abs. 4 BUrlG. In weiteren Entscheidungen hat der EuGH eine Begrenzung des Übertragungszeitraumes möglich gesehen und eine tarifliche Begrenzung von 15 Monaten7 goutiert. Dem hat sich das BAG mittlerweile angeschlossen und entsprechende Verfallgrenzen auch ohne tarifliche Regelung im Wege der richtlinienkonformen Auslegung von § 7 Abs. 3 BUrlG angenommen.8 Die Frage nach der Zulässigkeit
1 BAG v. 19.4.1994 – 9 AZR 478/92, NZA 1995, 86; Däubler in DBD, Anh. Rz. 385; Stoffels in Preis, II U 20 Rz. 43. 2 Stoffels in Preis, II U 20 Rz. 43. 3 LAG Hamm v. 14.4.2011 – 16 Sa 488/10 – n.v.; Stoffels in Preis, II U 20 Rz. 26. 4 Stoffels in Preis, II U 20 Rz. 26. 5 LAG Hamm v. 14.4.2011 – 16 Sa 488/10 n.v. 6 EuGH v. 20.1.2009 – C-350/06, NZA 2009, 135; EuGH v. 3.5.2012 – C-337/10, ZTR 2012, 365. 7 EuGH v. 22.11.2011 – C-214/10, NZA 2011, 1333. 8 BAG v. 7.8.2012 – 9 AZR 353/10, NZA 2012, 1216.
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der Begrenzung des Übertragungszeitraums ist keine der Inhaltskontrolle, denn ein Verstoß gegen die europarechtlichen Vorgaben ist ein Gesetzesverstoß, weil § 7 Abs. 3 BUrlG richtlinienkonform auszulegen ist.1 Im Gegensatz zum gesetzlichen Mindesturlaub können die Arbeitsvertragspar- 259 teien den Mehrurlaub auch jenseits der Übertragungsregelungen des § 7 Abs. 3 BUrlG regeln. Dies gilt auch für eine Regelung, die den Verfall des Anspruchs auf Mehrurlaub zu einem bestimmten Zeitpunkt anordnet, wenn der Arbeitnehmer wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit seinen Mehrurlaub nicht in Anspruch nehmen kann.2 Hier tritt das Interesse des Arbeitgebers an einer rechtssicheren Regelung und daran hervor, dass der Arbeitnehmer nicht eine erhebliche Anzahl von Ansprüchen summiert. Auch hier freilich ist wegen des Transparenzprinzips auf eine entsprechende Trennung zwischen gesetzlichem und zusätzlichem Urlaubsanspruch zu achten. Ebenfalls zulässig sind Regelungen, die eine Verwirkung des Zusatzurlaubs- 260 anspruches für den Fall vorsehen, dass der Arbeitnehmer sich vertragsbrüchig verhält. Ein Interesse des Arbeitnehmers am vertragswidrigen Verhalten ist nicht schützenswert.
23. Verschwiegenheits- und Erklärungsklauseln Die Pflicht des Arbeitnehmers, über bestimmte Vorgänge beim Arbeitgeber zu 261 schweigen, wird bereits gesetzlich gefasst:3 Wer etwa Geschäftsgeheimnisse zum Zwecke des Wettbewerbs verrät, macht sich nach § 17 UWG strafbar und begeht eine Vertragspflichtverletzung; für Dienstgeheimnisse gilt § 24 Abs. 2 ArbNErfG; für datenschutzrechtlich Relevantes etwa Art. 29 DSGVO. Für weitere Betriebsgeheimnisse folgt die Verschwiegenheitspflicht bereits aus § 241 Abs. 2 BGB.4 Diese Pflichten können als gesetzliches Leitbild dienen. Klauseln, die auf die Verschwiegenheit im Hinblick auf Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse hinweisen, sind deshalb deklaratorisch und unterfallen keiner Inhaltskontrolle, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Für eine Inhaltskontrolle ist deshalb nur dort Raum, wo die gesetzlich ohnehin festgelegte Pflicht zur Verschwiegenheit vertraglich verschärft wird.5 Dies gilt etwa für Regelungen, die den Arbeitnehmer verpflichten, über „alle 262 während des Arbeitsverhältnisses bekannt gewordenen Geschäftsvorgänge“ Stillschweigen zu bewahren (All-Klauseln). Sie sind nicht nur intransparent, weil sie sich auf einen zu weiten Bereich beziehen und der Terminus des „Geschäfts1 Gallner in ErfK, § 7 BUrlG, Rz. 50. 2 Stoffels in Preis, II U 20 Rz. 44. 3 Vgl. auch § 79 Abs. 1, § 76 Abs. 8, § 86 BetrVG, § 179 Abs. 7 SGB IX, § 10 BPersVG; für Auszubildende gilt § 13 Satz 2 Nr. 6 BBiG. 4 Dazu Reichold in MünchArbR, § 48 Rz. 38. 5 Dazu auch Freckmann/Schmoll, BB 2017, 1780.
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§ 307 | Inhaltskontrolle vorganges“ unklar bleibt, sondern benachteiligen den Arbeitnehmer auch materiell unangemessen, weil sie auch bei alltäglichen Vorgängen, an deren Verschweigen der Arbeitgeber kein berechtigtes Interesse hat, greifen sollen.1 263 Für die Frage nach der Zulässigkeit von Klauseln, die dem Arbeitnehmer ein
Schweigen über die Höhe seines Arbeitseinkommens gegenüber Arbeitskollegen wie Dritten auferlegen, kommt es zunächst darauf an, ob die Höhe des Arbeitsentgelts nicht an sich als Geschäftsgeheimnis anzusehen ist.2 Ist dies nicht der Fall, ist für die Inhaltskontrolle das Geheimhaltungsinteresse des Arbeitgebers gegen das Verlautbarungsinteresse des Arbeitnehmers zu setzen. Für das Verlautbarungsinteresse wurde judiziert, dass der Arbeitnehmer gerade durch den Vergleich mit dem Entgelt anderer Arbeitnehmer die Einhaltung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes geltend machen könne, was einen Austausch über die persönliche Lohnhöhe voraussetze.3 Das gerät deshalb schief, weil der Arbeitnehmer für diesen Zweck ohnehin einen (auf die abstrakten Kriterien bezogenen) Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber hat.4 Allerdings hat der Arbeitnehmer bei Vertragsverhandlungen mit anderen (potentiellen) Arbeitgebern ein Interesse daran, die Höhe des (bisherigen) Arbeitsentgelts zu offenbaren. Hiergegen vermag sich das Arbeitgeberinteresse an der Verschwiegenheit des Arbeitnehmers regelmäßig nicht durchzusetzen – gerade weil bereits ein relativ weiter Schutz über die gesetzlichen Regelungen zur Geheimniswahrung besteht. Deshalb sind solche Klauseln nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Besondere Situationen können über § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB abgefangen werden.
264 Klauseln, die dem Arbeitnehmer (auch) verbieten, über rechtswidrige Tat-
bestände zu sprechen (externes Whistleblowing), sind nicht mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung, Art. 5 GG, und (für Tatsachen) der allgemeinen Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG, in Einklang zu bringen.5 Freilich ist dabei auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten: Der Arbeitnehmer muss sich grundsätzlich, bevor er sich an Dritte oder die Öffentlichkeit wendet, gegenüber dem Arbeitgeber um Abstellung der Missstände bemüht haben.6 Deshalb darf eine entsprechende Pflicht, sich zunächst innerbetrieblich um Abhilfe der festgestellten Umstände zu bemühen, grundsätzlich vereinbart und das Verfahren entsprechend ausgestaltet werden (etwa über so genannte „Whistleblower-Hotlines“). Dies gilt aber nicht, wenn ein innerbetriebliches Vorgehen für den Ar-
1 Preis in ErfK, § 611a BGB Rz. 714; Rolfs in Preis, II V 20 Rz. 34; Striegel in Suckow/Striegel/Niemann, Rz. 794. 2 Ebeling, Anm. zu LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 21.10.2009 – 2 Sa 183/09, jurisPRArbR 28/2010 Anm. 2 mit Hinweis auf BAG v. 26.2.1987 – 6 ABR 46/84, NZA 1988, 63. 3 LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 21.10.2009 – 2 Sa 183/09, ArbuR 2010, 343; Däubler in DBD, Anh. Rz. 385; Preis in ErfK, § 611a BGB Rz. 714; dazu auch BAG v. 26.2.1987 – 6 ABR 46/84, NZA 1988, 63. 4 Preis in ErfK, § 611a BGB Rz. 633. 5 Dazu Däubler in DBD, Anh. Rz. 159; Klasen/Schaefer, BB 2012, 641 (643). 6 BAG v. 3.7.2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427.
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beitnehmer nicht zumutbar ist.1 Eine Klausel, die dies dem Arbeitnehmer aber in jedem Falle auferlegt, ist deshalb unangemessen. Klauseln, die eine nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht begründen, sind 265 nur dann wirksam, wenn der Arbeitgeber ein überwiegendes Interesse am Schweigen des Arbeitnehmers hat. Dies trifft auf konkrete Geschäftsgeheimnisse zu, aber nicht auf nachvertragliche All-Klauseln.2 Um die Regeleinhaltung im Unternehmen zu überwachen, ist dem Arbeitgeber 266 daran gelegen, über Regelverstöße durch die Arbeitnehmer unterrichtet zu werden (internes Whistleblowing). Auch hier besteht bereits eine weitreichende Pflicht, die aus § 241 Abs. 2 BGB folgt und nach der der Arbeitnehmer alle Vorgänge zu melden hat, die zu einer Schädigung des Arbeitgebers führen können oder bereits geführt haben. Entsprechende Klauseln (insbesondere im Rahmen der Implementierung so genannter „Whistleblower-Hotlines“) sind gesetzeswiederholend und unterfallen deshalb nicht der Inhaltskontrolle, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Regelungen, die darüber hinaus vom Arbeitnehmer verlangen, etwa auch alltägliche oder private Vorkommnisse über Arbeitskollegen zu berichten und dem Arbeitnehmer insofern eine Pflicht zur Berichterstattung auferlegen, scheitern dagegen an § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB – wenn sie nicht ohnehin nach § 138 BGB nichtig sind.
24. Vertragsstrafen Vertragsstrafenregelungen kommen in Arbeitsverträgen häufig vor. Sie sind (au- 267 ßer in Ausbildungsverträgen, § 12 Abs. 2 Nr. 2 BBiG) grundsätzlich wirksam. Die Rechtsprechung hält wegen der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten § 309 Nr. 6 BGB für in Arbeitsverträgen formularmäßig vereinbarte Vertragsstrafen zu Recht für nicht anwendbar (siehe dazu § 309 Rz. 79 ff.).3 Deshalb sind solche Vereinbarungen an der Generalklausel des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zu messen.4 Die Rechtsprechung will dann aber zum Schutz des Arbeitnehmers einen „strengen Maßstab“ anlegen.5 1 Klasen/Schaefer, BB 2012, 641 (644). 2 BAG v. 19.5.1998 – 9 AZR 394/97, NZA 1999, 200; Rolfs in Preis, II V 20 Rz. 58. 3 BAG v. 24.8.2017 – 8 AZR 378/16, NZA 2018, 100; BAG v. 28.5.2009 – 8 AZR 896/07, AP BGB § 306 Nr. 6; BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727; BAG v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053; BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34; Rieble in Staudinger, 2015, § 339 Rz. 179 ff. 4 BAG v. 24.8.2017 – 8 AZR 378/16, NZA 2018, 100; BAG v. 17.3.2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 945; BAG v. 23.1.2014 – 8 AZR 130/13, NZA 2014, 777; BAG v. 28.5.2009 – 8 AZR 896/07, AP BGB § 306 Nr. 6; BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34; BAG v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053; Müller-Glöge in ErfK, § 345 BGB Rz. 8; Preis in ErfK, § 310 BGB Rz. 98; Roloff in HWK, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 50; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 BGB Rz. 204; a.A. Däubler in DBD, § 306 Rz. 6. 5 BAG v. 24.8.2017 – 8 AZR 378/16, NZA 2018, 100; BAG v. 17.3.2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 945.
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§ 307 | Inhaltskontrolle 268 Dabei ist die Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Arbeitnehmer nicht als
solche unangemessen: Der Arbeitgeber hat im Hinblick auf die erheblichen Schäden, die durch eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers eintreten können, und wegen des schwierigen Schadensnachweises ein Interesse daran, sich durch eine Vertragsstrafe abzusichern.1 Dies greift den Zweck der Vertragsstrafe auf, zum einen dem Schadensausgleichsinteresse des Arbeitgebers zu dienen (Ausgleichsinteresse),2 auf der anderen Seite aber auch dem Schadenverhinderungsinteresse und so der Schadensprävention (Präventionsinteresse).3 Diese Interessen des Arbeitgebers können auch formularmäßig abgesichert werden; wo sie aber nicht betroffen sind, ist regelmäßig auch eine formularmäßige Vertragsstrafe unangemessen. Dies gilt etwa dann, wenn durch die Vertragsstrafe eine neue, von den genannten Risiken gänzlich losgelöste Forderung des Arbeitgebers begründet werden soll4 und so gerade kein Bezug zu einem (möglichen) Schadensersatzanspruch besteht.5 Ebenso gilt dies, wo ein Schadensnachweis für den Arbeitgeber unschwer zu führen ist.6
269 Deshalb sind für die Wirksamkeit einer formularmäßigen Vertragsstrafenver-
einbarung eine abzusichernde (potentielle) schadensträchtige Pflichtverletzung ebenso wie ein schwieriger Schadensnachweis wesentlicher Faktor.7 Dies ist insbesondere im Falle des Vertragsbruchs des Arbeitnehmers, also der vorsätzlichen Nichterfüllung der Arbeitspflicht, so. Die durch den Arbeitnehmer veranlasste außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber allein soll dabei als Verwirkungsgrund aber nicht ausreichen, weil hier als Sanktionsinstrument eben die außerordentliche Kündigung in Frage komme und der Arbeitgeber durch eine (zusätzliche) Vertragsstrafe übersichert wäre.8 Dem ist zuzustimmen, weil gerade ein schwerer Schadensnachweis das Interesse des Arbeitgebers an einer formularmäßig vereinbarten Vertragsstrafe zu stützen vermag – diese Situation aber nicht auf jede schuldhafte Pflichtverletzung und nicht einmal auf jede zur außerordentlichen Kündigung berechtigende Pflichtverletzung zutrifft.9 Allerdings ist die Zulässigkeit einer in Allgemeinen Arbeitsbedingungen vereinbarten Vertragsstrafe nicht auf den Vertragsbruch beschränkt, es können auch 1 BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/93, NZA 2004, 727; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 203. 2 Allgemein Rieble in Staudinger, 2015, Vorbemerkung zu §§ 339 ff. Rz. 41 ff. 3 Dazu allgemein Rieble in Staudinger, 2015, Vorbemerkung zu §§ 339 ff. Rz. 18 ff. 4 BAG v. 19.8.2010 – 8 AZR 645/09 – AP BGB § 307 Nr. 49; BAG v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08, NZA-RR 2009, 519; BAG v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053. 5 Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 204. 6 Müller-Glöge in ErfK, § 345 Rz. 10a; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 206 für die Schlechtleistung. 7 Preis in ErfK, §§ 339–345 BGB Rz. 10a; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 BGB Rz. 205. 8 BAG v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053. 9 BAG v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053.
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Nebenpflichten über Vertragsstrafen abgesichert werden, wie etwa ein Wettbewerbsverbot oder der Pflicht zur Wahrung von Betriebsgeheimnissen, bei dem ein Schadensnachweis für den Arbeitgeber ebenso schwer möglich ist.1 Ob daneben auch die (bloße) Nichteinhaltung von Vertragstreue eine Vertrags- 270 strafe rechtfertigen kann, ist umstritten.2 Dass der Arbeitnehmer kein berechtigtes Interesse an einer sanktionslosen (schuldhaften) Pflichtverletzung hat, der Arbeitgeber aber sehr wohl ein berechtigtes Interesse an der Vertragstreue des Arbeitnehmers, spricht in der Tat dafür, zunächst jede Pflichtverletzung als möglichen Verwirkungsgrund ausreichen zu lassen. Auf der anderen Seite geht es aber um die Kontrolle einseitig ausgeübter Vertragsgestaltungsmacht, die die Formularvereinbarung von der Individualvereinbarung abhebt. Hier aber spielt die Gewichtung der Interessen des Verwenders auch vor dem Hintergrund etwa der Schwere der Pflichtverletzung und der anderweitigen Sanktionsmöglichkeit eine Rolle.3 Eine grundsätzliche Beschränkung auf schadensbezogene Pflichten ist deshalb zu bevorzugen. Ausnahmen können sich etwa aus dem Gesichtspunkt des § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB ergeben. Verwirkungsgrund muss stets eine schuldhafte Pflichtverletzung sein, ansonsten 271 ist sie für den Arbeitnehmer nicht beinflussbar, der Präventionszweck geht ins Leere.4 Aus dem Steuerungsinteresse des Arbeitgebers folgt, dass eine Regelung, die eine Strafverwirkung für sämtliche schuldhaften Pflichtverletzungen vorsieht, unzulässig ist: der Arbeitnehmer wird nämlich regelmäßig nicht jede schuldhafte Pflichtverletzung vermeiden können, weshalb die Steuerungswirkung der Vertragsstrafe hier überschießend ist. So sind etwa Formulierungen, die eine Vertragsstrafe für einen „gravierenden Vertragsverstoß“5 oder für „schuldhaft vertragswidriges Verhalten“6 vorsehen, nicht geeignet, die Steuerungswirkung der Vertragsstrafe zur Geltung zu bringen: Der Arbeitnehmer muss wissen, wann er eine Vertragsstrafe verwirkt hat.7 Eine solche „Globalvertragsstrafe“ für alle Pflichtverletzungen setzt die Interessen des Arbeitgebers unangemessen über die des Arbeitnehmers – und ist damit auch nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
1 BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34; LAG Niedersachsen v. 15.9.2011 – 7 Sa 1908/10 – ArbR 2011, 620; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 BGB Rz. 206; typische Anwendungsfälle bei Müller-Glöge in ErfK, §§ 339–345 BGB Rz. 15 ff. 2 Dafür Rieble in Staudinger (2015), Vorbemerkung zu §§ 339 ff. Rz. 96 ff.; dagegen Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 BGB Rz. 206. 3 Krause in FS Reuter (2010), S. 627 (636). 4 Müller-Glöge in ErfK, § 345 Rz. 10a. 5 BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34. 6 BAG v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053. 7 BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34; Däubler in DBD, § 309 Nr. 6 BGB Rz. 13.
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§ 307 | Inhaltskontrolle 272 Aus dem Transparenzgebot folgt deshalb auch, dass die zur Verwirkung der
Vertragsstrafe führende Pflichtverletzung möglichst präzise zu beschreiben ist.1 So muss in der Vertragsstrafenklausel auf einzelne Pflichtverletzungen, wie etwa den Vertragsbruch, abgestellt werden. Das BAG hält hier einen Klammerzusatz mit konkreten Beschreibungen im Anschluss an die allgemeine Beschreibung der Pflichtverletzung („etwa …“) für ausreichend.2 Ebenso sei aus der Bezeichnung „Vertragsstrafe“ ersichtlich, dass (lediglich) eine schuldhafte Pflichtverletzung zur Verwirkung führen soll;3 dem Arbeitnehmer wird hier allerdings eine doch tiefere Kenntnis des Rechts der Vertragsstrafe unterstellt.4 Dieser recht rigiden Rechtsprechung kann freilich nicht entgegengehalten werden, dass es dem Arbeitgeber erlaubt sein müsse, unbestimmte Rechtsbegriffe wie etwa den des wichtigen Grundes nach § 626 BGB zu verwenden,5 denn bei der Vertragsstrafe geht es stets um eine (neben etwaigen den Bestand des Arbeitsverhältnisses betreffenden Folgen) zusätzliche Sanktion.6 Allerdings können schwere, sanktionierbare Pflichtverletzungen wie etwa der Vertragsbruch und andere, nicht formularmäßig sanktionierbare getrennt werden – eine entsprechende Klausel kann also aufrechterhalten werden.7
273 Die Unangemessenheit der Vertragsstrafe kann auch aus der Höhe der verwirk-
ten Strafe folgen.8 Dabei verbietet sich aber vor allem im Hinblick auf die durch die Vertragsstrafe gesicherte Pflichtverletzung eine pauschale Beurteilung, vielmehr sind die Interessen der Vertragsparteien im Hinblick auf den Vertragsstrafengrund gegeneinander abzuwägen.9 In der Rechtsprechung hat sich für die Fälle des durch Vertragsstrafe sanktionierten Vertragsbruches eine Orientierung 1 BAG v. 24.8.2017 – 8 AZR 378/16, NZA 2018, 100; BAG v. 23.1.2014 – 8 AZR 130/13, NZA 2014, 777; BAG v. 19.8.2010 – 8 AZR 645/09, AP BGB § 307 Nr. 49; BAG v. 18.8. 2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34; BAG v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053; Däubler in DBD, § 309 Nr. 6 Rz. 13. 2 BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34; „Insbesondere“-Aufzählungen lehnen aber etwa ab Henssler/Moll, S. 81. 3 BAG v. 19.8.2010 – 8 AZR 645/09 – AP BGB § 307 Nr. 49 BGB. 4 Siehe dazu die Ausführungen in BAG v. 19.8.2010 – 8 AZR 645/09 – AP BGB § 307 Nr. 49. 5 Bauer/Krieger, SAE 2006, 11 (13); in diese Richtung auch Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 207. 6 Krause in FS Reuter (2010), S. 627 (633). 7 BAG v. 21.5.2005 – 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053; Däubler in DBD, § 309 Nr. 6 Rz. 13. 8 BAG v. 24.8.2017 – 8 AZR 378/16, NZA 2018, 100; BAG v. 28.5.2009 – 8 AZR 896/07, NZA 2009, 1337; BAG v. 25.9.2008 – 8 AZR 717/07 – AP BGB § 307 Nr. 39; BAG v. 18.8. 2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34; BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727; Däubler in DBD, § 309 Nr. 6 BGB Rz. 14; Müller-Glöge in ErfK, §§ 339–345 BGB Rz. 14 ff. 9 BAG v. 25.9.2008 – 8 AZR 717/07, NZA 2009, 370; Däubler in DBD, § 309 Nr. 6 BGB Rz. 14; Henssler/Moll, S. 83.
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anhand des Einkommens des Arbeitnehmers herausgebildet: die Höhe eines Bruttomonatsgehaltes als Grenze gilt hier als „Faustregel“,1 weil die Vertragsstrafe dem Schadensvermeidungsinteresse des Arbeitgebers dient und der Verdienst des Arbeitnehmers Indiz für die Werthaltigkeit seiner Arbeitsleistung ist. Dieses ist dann aber an der Mindestdauer des Arbeitsverhältnisses, wie es sich aus den Mindestkündigungsfristen ergibt, zu messen,2 weil im Falle einer kürzeren Kündigungsfrist die Strafhöhe eines Bruttomonatsgehalts zur Übersicherung des Arbeitgebers führt.3 Weil die Angemessenheitskontrolle zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses durchzuführen ist (siehe Rz. 44), spielt dieser Gesichtspunkt dort eine Rolle, wo Probezeitkündigungen unterhalb der Monatsfrist möglich sind.4 Ist die Vertragsstrafe für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitnehmers vorgesehen, ohne dass dieser einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 I BGB hat, so darf die verwirkte Vertragsstrafe grundsätzlich die Vergütung, die bis zum Ablauf der eigentlich einzuhaltenden Kündigungsfrist hätte beansprucht werden können, grundsätzlich nicht überschreiten.5 Auch für die formularmäßige Vereinbarung von Vertragsstrafen gibt es keine 274 absolute Höchstgrenze.6 Ausnahmen von der Begrenzung auf ein Bruttomonatsgehalt sind deshalb möglich, wenn das Sanktionsinteresse des Arbeitgebers den Wert der Arbeitsleistung typischerweise und generell übersteigt7 – wegen § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB sind aber auch konkrete Umstände bei der Beurteilung der Höhe einer Vertragsstrafe zu berücksichtigen.8 Das ist etwa anerkannt, wenn der Arbeitgeber besondere Schwierigkeiten hat, einen Ersatz für den vertragsbrüchigen Arbeitnehmer zu finden oder die Einarbeitung eben durch den vertragsbrüchigen Arbeitnehmer nötig ist.9 Wegen § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB sind aber auch konkrete Umstände bei der Beurteilung der Höhe einer Vertragsstrafe zu berücksichtigen. 1 BAG v. 17.3.2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 945; BAG v. 21.5.2005 – 8 AZR 196/04, NZA 2005, 1053; BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727; Müller-Glöge in ErfK, §§ 339–345 BGB Rz. 14a; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 BGB Rz. 208. 2 Däubler in DBD, § 309 Nr. 6 BGB Rz. 14; Müller-Glöge in ErfK, §§ 339–345 BGB Rz. 14a; Löwisch in FS Canaris Bd. I (2007), S. 1403 (1414); Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 BGB Rz. 208. 3 BAG v. 23.9.2010 – 8 AZR 897/10, NZA 2011, 89. 4 BAG v. 23.9.2010 – 8 AZR 897/10, NZA 2011, 89. 5 BAG v. 24.8.2017 – 8 AZR 378/16, NZA 2018, 100; BAG v. 17.3.2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 945; Müller-Glöge in ErfK, § 345 BGB Rz. 14a. 6 BAG v. 25.9.2008 – 8 AZR 717/07, NZA 2009, 370. 7 BAG v. 24.8.2017 – 8 AZR 378/16, NZA 2018, 100; BAG v. 23.9.2010 – 8 AZR 897/08, NZA 2011, 89; BAG v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08, NZA-RR 2009, 519; BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 BGB Rz. 208; Günther/Nolde, NZA 2012, 62 (66). 8 BAG v. 25.9.2008 – 8 AZR 717/07, NZA 2009, 370. 9 LAG Schleswig-Holstein v. 28.2.2012 – 1 Sa 235 b/11, EzA-SD 2012, Nr. 12, 13; s.a. Günther/Nolde, NZA 2012, 62 (66); Müller-Glöge in ErfK, § 345 BGB Rz. 14b.
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§ 307 | Inhaltskontrolle 275 Soll die Vertragsstrafe im Falle der Verletzung von Nebenpflichten, wie ins-
besondere eines Wettbewerbsverbotes, verwirkt sein, ist der Bezugspunkt für die eintretenden Schäden und damit auch für die Vertragsstrafenhöhe nicht das Bruttomonatsgehalt.1 Auch hier kommt es auf die gesicherte konkrete Vertragspflichtverletzung an, als Obergrenze wird hier ein Jahresgehalt vorgeschlagen.2
276 Die Festlegung der Höhe der Vertragsstrafe unterliegt dem Transparenzgebot,3
auch hier soll der Arbeitnehmer erkennen können, was auf ihn im Falle einer Verwirkung „zukommt“. So ist eine Klausel, die bei einem Vertragsverstoß eine Vertragsstrafe von „einem bis drei Monatsgehältern“ vorsieht, zu Recht als intransparent und damit unangemessen benachteiligend angesehen worden.4 Ebenso ist eine mehrfache Vertragsstrafenregelung intransparent, wenn das Verhältnis der verschiedenen Klauseln – eigenständige Grundlagen oder aufeinander bezogene Auslegungsregeln – nicht erkennbar ist.5
277 Eine unwirksame Vertragsstrafe kann nicht verwirkt werden, eine Reduktion auf
das (noch) Zulässige erfolgt (auch unter Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten) nicht.6 Auch § 343 BGB ist (hier) nicht anzuwenden, weil dieser ein wirksames Vertragsstrafenversprechen voraussetzt.7 Im Rahmen des so genannten blue pencil test lässt die Rechtsprechung eine Trennung zwischen Vertragsbruch und anderem schuldhaftem Tun zu.8 Dogmatisch möglich – wenn auch unwahrscheinlich – ist die Anwendung des § 343 BGB aber im Rahmen der Ausübungskontrolle.9
25. Wettbewerbsverbot 278 Während des Arbeitsverhältnisses hat sich der Arbeitnehmer des Wettbewerbs
gegen seinen Arbeitgeber bereits wegen § 241 Abs. 2 BGB zu enthalten.10 Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot muss dagegen vereinbart werden, weil es tief in die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers eingreift, machen die §§ 74 ff. HGB 1 Krause in FS Reuter (2010), S. 627 (641). 2 Henssler/Moll, S. 83; Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 BGB Rz. 209. 3 BAG v. 24.8.2017 – 8 AZR 378/16, NZA 2018, 100; BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, NZA 2008, 170; BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34; Jacobs in BeckOKArbR, § 307 BGB Rz. 77; Müller-Glöge in ErfK, § 345 BGB Rz. 10a. 4 BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34. 5 BAG v. 24.8.2017 – 8 AZR 378/16, NZA 2018, 100. 6 BAG v. 23.9.2010 – 8 AZR 897/10, NZA 2011, 89. 7 BAG v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08, NZA-RR 2009, 519; Roloff in HWK, Anh. §§ 305– 310 BGB Rz. 53. 8 BAG v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053; zustimmend Löwisch in FS Canaris Bd. I (2007), S. 1403 (1415). 9 Krause in Staudinger, 2019, Anh. zu § 310 BGB Rz. 44. 10 Dazu Laskawy, NZA 2012, 1011.
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VII. Ausgewählte einzelne Klauseln | § 307
detaillierte Vorgaben für nachvertragliche Wettbewerbsverbote. Das gilt wegen § 110 Satz 2 GewO entsprechend auch für alle Arbeitsverhältnisse.1 Nach § 74 Abs. 1 HGB ist das Wettbewerbsverbot schriftlich zu vereinbaren. Wesentlich ist die Vereinbarung einer Karenzentschädigung, § 74 Abs. 2 HGB. Das Wettbewerbsverbot ist nur insoweit wirksam, als es den berechtigten geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers dient und nach Ort, Zeit oder Gegenstand keine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Arbeitnehmers enthält, § 74a Abs. 1 HGB. Als zeitliche Grenze für das Wettbewerbsverbot sieht § 74a Abs. 1 HGB zwei Jahre vor. Von Bedeutung ist das Verhältnis der §§ 74 ff. HGB zu den §§ 305 ff. BGB. Ei- 279 nigkeit besteht darin, dass bei Verwendung von AGB und damit der formularmäßigen Vereinbarung von Wettbewerbsverboten deren Einbeziehung, Auslegung und Tarnsparenzkontrolle den AGB-rechtlichen Grundsätzen unterliegt.2 Umstritten ist hingegen das Verhältnis der §§ 74 ff. HGB zur Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Von der herrschenden Meinung wird jedenfalls im Ergebnis angenommen, dass im Falle eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes keine Inhaltskontrolle durchzuführen ist, sondern eine Überprüfung anhand der §§ 74 ff. HGB stattfindet.3 Die Frage ist deshalb wesentlich, weil § 74a Abs. 1 HGB bei Unverbindlichkeit des vereinbarten Wettbewerbsverbotes von einer geltungserhaltenden Reduktion ausgeht („soweit“), die dem Recht der AGBKontrolle fremd ist. Um insofern Missbräuche zu vermeiden, soll eine Inhaltskontrolle nach § 307 BGB durchzuführen sein.4 Richtig ist, die hier wesentliche Vorschrift des § 74a HGB als lex specialis gegenüber den §§ 306, 307 ff. BGB anzusehen – weil der Gesetzgeber hier (auch für formularmäßige Vereinbarungen) die geltungserhaltende Reduktion ausdrücklich zugelassen hat5 und wegen der notwendigen Beurteilung der Interessen des Arbeitgebers zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Arbeitnehmers die AGB-Kontrolle zum Zeitpunkt des Ver1 BAG v. 22.3.2017 – 10 AZR 448/15, NZA 2017, 845; LAG Nürnberg v. 21.7.1994 – 5 Sa 391/9, LAGE § 74 HGB Nr. 11; Oetker in ErfK, § 74 HGB Rz. 2. 2 BAG v. 22.3.2017 – 10 AZR 448/15, NZA 2017, 845; BAG v. 7.7.2015 – 10 AZR 260/14, NZA 2015, 1253. 3 BAG v. 22.3.2017 – 10 AZR 448/15, NZA 2017, 845; BAG v. 7.7.2015 – 10 AZR 260/14, MZA 2015, 1253; Stoffels in WLP, Anh. ArbR Rz. 212; Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 458; Laskawy, NZA 2012, 1011 (1014); Diller, NZA 2005, 250 (251); LAG Hamm v. 14.4.2003 – 7 Sa 1881/02, NZA-RR 2003, 513; LAG Baden-Württemberg v. 30.1.2008 – 10 Sa 60/07, NZA-RR 2008, 508; offen: LAG Hamm v. 4.11.2008 – 14 Sa 818/08; ohne Problembewusstsein LAG Niedersachsen v. 8.12.2005 – 7 Sa 1871/05, NZA-RR 2006, 426; auf § 307 Abs. 3 BGB verweisend Oetker in ErfK, § 74 HGB Rz. 10; ebenso Hagen in BeckOKArbR, § 74 HGB Rz. 7. 4 Koch, RdA 2006, 28 ff. 5 Stoffels in WLP, Anh. ArbR zu § 310 Rz. 213; anders Koch, RdA 2006, 28 (30), der darauf hinweist, dass die §§ 305 ff. BGB jüngeres und damit verdrängendes Gesetz seien. Das freilich kann an einer Einordnung als speziellerer Regelung nichts ändern, weil alle Tatbestandsmerkmale enthalten sind.
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§ 307 | Inhaltskontrolle tragsschlusses dysfunktional wäre.1 Im Hinblick auf die Höhe der Karenzentschädigung ist das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu beachten, wobei hier die Bezugnahme auf die gesetzlichen Regelungen genügen kann2
26. Widerrufsvorbehalt 280 Siehe dazu die Kommentierung bei § 308 Rz. 29 ff.
27. Zielvereinbarungen 281 Siehe bei der Kommentierung zu besonderen Vergütungsbestandteilen Rz. 19 ff.
28. Zustimmungsfiktionen 282 Siehe dazu § 308 Rz. 117 ff.
1 Krause in Staudinger, 2019, Anh. zu § 310 BGB Rz. 45. 2 BAG v. 22.3.2017 – 10 AZR 448/15, NZA 2017, 845; BAG v. 7.7.2015 – 10 AZR 260/14, NZA 2015, 1253; LAG Hamm v. 4.11.2008 – 14 Sa 818/08; Oetker in ErfK, § 74HGB Rz. 10; Hagen in BeckOKArbR, § 74 HGB Rz. 7; Laskawy, NZA 2012, 1001 (1014); dazu auch BAG v. 28.6.2006 – 10 AZR 407/05, NZA 2006, 1157.
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§ 308 Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit In Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist insbesondere unwirksam 1. (Annahme- und Leistungsfrist) eine Bestimmung, durch die sich der Verwender unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Fristen für die Annahme oder Ablehnung eines Angebots oder die Erbringung einer Leistung vorbehält; ausgenommen hiervon ist der Vorbehalt, erst nach Ablauf der Widerrufsfrist nach § 355 Abs. 1 und 2 zu leisten; 1a. (Zahlungsfrist) eine Bestimmung, durch die sich der Verwender eine unangemessen lange Zeit für die Erfüllung einer Entgeltforderung des Vertragspartners vorbehält; ist der Verwender kein Verbraucher, ist im Zweifel anzunehmen, dass eine Zeit von mehr als 30 Tagen nach Empfang der Gegenleistung oder, wenn dem Schuldner nach Empfang der Gegenleistung eine Rechnung oder gleichwertige Zahlungsaufstellung zugeht, von mehr als 30 Tagen nach Zugang dieser Rechnung oder Zahlungsaufstellung unangemessen lang ist; 1b. (Überprüfungs- und Abnahmefrist) eine Bestimmung, durch die sich der Verwender vorbehält, eine Entgeltforderung des Vertragspartners erst nach unangemessen langer Zeit für die Überprüfung oder Abnahme der Gegenleistung zu erfüllen; ist der Verwender kein Verbraucher, ist im Zweifel anzunehmen, dass eine Zeit von mehr als 15 Tagen nach Empfang der Gegenleistung unangemessen lang ist; 2. (Nachfrist) eine Bestimmung, durch die sich der Verwender für die von ihm zu bewirkende Leistung abweichend von Rechtsvorschriften eine unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Nachfrist vorbehält; 3. (Rücktrittsvorbehalt) die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, sich ohne sachlich gerechtfertigten und im Vertrag angegebenen Grund von seiner Leistungspflicht zu lösen; dies gilt nicht für Dauerschuldverhältnisse; 4. (Änderungsvorbehalt) die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist; 5. (Fingierte Erklärungen) eine Bestimmung, wonach eine Erklärung des Vertragspartners des Verwenders bei Vornahme oder Unterlassung einer bestimmten Handlung als von ihm abgegeben oder nicht abgegeben gilt, es sei denn, dass Roloff
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit a) dem Vertragspartner eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt ist und b) der Verwender sich verpflichtet, den Vertragspartner bei Beginn der Frist auf die vorgesehene Bedeutung seines Verhaltens besonders hinzuweisen; 6. (Fiktion des Zugangs) eine Bestimmung, die vorsieht, dass eine Erklärung des Verwenders von besonderer Bedeutung dem anderen Vertragsteil als zugegangen gilt; 7. (Abwicklung von Verträgen) eine Bestimmung, nach der der Verwender für den Fall, dass eine Vertragspartei vom Vertrag zurücktritt oder den Vertrag kündigt, a) eine unangemessen hohe Vergütung für die Nutzung oder den Gebrauch einer Sache oder eines Rechts oder für erbrachte Leistungen oder b) einen unangemessen hohen Ersatz von Aufwendungen verlangen kann; 8. (Nichtverfügbarkeit der Leistung) die nach Nummer 3 zulässige Vereinbarung eines Vorbehalts des Verwenders, sich von der Verpflichtung zur Erfüllung des Vertrags bei Nichtverfügbarkeit der Leistung zu lösen, wenn sich der Verwender nicht verpflichtet, a) den Vertragspartner unverzüglich über die Nichtverfügbarkeit zu informieren und b) Gegenleistungen des Vertragspartners unverzüglich zu erstatten. I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . II. Praktische Bedeutung des § 308 BGB für das Arbeitsrecht III. Die einzelnen Klauselverbote des § 308 BGB . . . . . . . . . . . . . 1. § 308 Nr. 1 BGB (Annahmeund Leistungsfrist) . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . b) Annahmefrist . . . . . . . . . . . aa) Annahmefrist bei Begründung des Arbeitsverhältnisses . . . . . . . . . bb) Annahmefrist während des Arbeitsverhältnisses . c) Leistungszeit . . . . . . . . . . . . 2. § 308 Nr. 1a BGB (Zahlungsfrist) a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . .
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_ _ _ __ _ _ __ __ 1 5 7 7 7 8 9
10 11 12 12
b) Zahlungsfrist . . . . . . . . . . . . aa) Leistungszeit bei der Zahlung des Arbeitsentgelts . . . . . . . . . . . . . bb) Leistungszeit bei Arbeitszeitmodellen . . . . . . . . . (1) Kurzzeitkonten . . . . . . . (2) Langzeitkonten . . . . . . . 3. § 308 Nr. 1b BGB (Überprüfungs- und Abnahmefrist) . . . . . 4. § 308 Nr. 2 BGB (Nachfrist) . . . a) Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendungsbereich . . . . . . . 5. § 308 Nr. 3 BGB (Rücktrittsvorbehalt) . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz und Ausnahme für Dauerschuldverhältnisse .
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Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit | § 308 b) Anwendungsbereich im Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . aa) Rücktrittsvorbehalt des Arbeitgebers im Vorvertrag . . . . . . . . . . . . . bb) Anforderungen an das Lösungsrecht des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . 6. § 308 Nr. 4 BGB (Änderungsvorbehalt) . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines und Abgrenzung aa) Änderung und flexible Gestaltung der Arbeitsbedingungen . . . . . . . . . bb) Änderungsvorbehalt und Direktionsrecht . . . . . . . cc) Änderungsvorbehalt und Änderungskündigung . . . b) Grundzüge der Inhaltskontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB . aa) Kontrolle der Klausel . . . bb) Vertragsinhaltsschutz . . . (1) Rechtslage vor der Schuldrechtsreform . . . . . . . . . (2) Neue Rechtslage – § 308 Nr. 4 BGB . . . . . . . . . . . c) Versprochene Leistung des Arbeitgebers i.S.v. § 308 Nr. 4 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsätze . . . . . . . . . . bb) Art der Leistung . . . . . . . cc) Höhe der Leistung . . . . . dd) Widerruf und tarifliche Leistungen – „Tarifniveau“ als Untergrenze? ee) Übertarifliche Leistungen ff) Leistungsversprechen des Arbeitgebers . . . . . . . . . (1) Unter Vorbehalt versprochene Leistung . . . . . . . . (2) Freiwillige Leistung bzw. Freiwilligkeitsvorbehalt . . . . . . . . . . . . d) Recht zur einseitigen Leistungsänderung . . . . . . . . . . . aa) Abänderung oder Abweichung von Leistungen – Anrechnungsvorbehalt . .
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bb) Dynamische Bezugnahme auf Arbeitsvertragsordnung cc) Dynamische Bezugnahme auf Tarifverträge . . . . . . (1) Kleine dynamische Bezugnahme auf Tarifverträge . (2) Große dynamische Bezugnahme bzw. Tarifwechselklausel . . . . . . . . . . . . . dd) Betriebsvereinbarungsoffenheit . . . . . . . . . . . . ee) Dynamische Bezugnahme auf kirchliche Arbeitsvertragsregelungen . . . . . (1) Bedeutung . . . . . . . . . . . (2) Kontrolle der Bezugnahmeklausel . . . . . . . . (3) Maßstab der Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . (4) Eingeschränkte Kontrolle der Leistungsänderung . . (5) Bezugnahme auf kirchliche Dienstvereinbarung ff) Leistung nach billigem Ermessen . . . . . . . . . . . gg) Teilkündigung einer Pauschalierungsabrede . . hh) Verrechnung mit Vorschuss . . . . . . . . . . . . . . e) Inhalts- und Transparenzkontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB . aa) Formelle Anforderungen an die Änderungsbefugnis in der Klausel . . . . . . (1) Kalkulierbarkeit der Änderung . . . . . . . . . . . (2) Angabe von Gründen . . . (3) Wirtschaftliche Gründe . (4) Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers . . . . . (5) Wegfall des Leistungszwecks . . . . . . . . . . . . . (6) Konkrete Bezeichnung des Umfangs der Änderungsbefugnis . . . . . . . . (7) Zeitlicher Umfang der Änderung . . . . . . . . . . . (8) Ankündigungsfrist . . . . .
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_ _ _ _ _ __ _ _ _ _ _ _ _ _ _ __ _ _ _ _ __ 62 64 64 66 67 68 68 69 72 74 75 76 77 78
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit bb) Materielle Anforderungen an die Änderungsbefugnis (1) Erforderlichkeit der Anpassung . . . . . . . . . . (2) Beurteilung der Zumutbarkeit . . . . . . . . . . . . . (3) Synallagmatische Leistungen . . . . . . . . . . . . . (4) Nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Leistungen . . . . . . . . . . . . . f) Ausübungskontrolle . . . . . . . aa) Voraussetzungen . . . . . . bb) Bedeutung . . . . . . . . . . . cc) Gegenstand der Kontrolle dd) Interessenabwägung . . . . ee) Ankündigungsfrist . . . . . g) Widerrufsvorbehalt bei Sondervergütungen . . . . . . . aa) Praktische Bedeutung . . . bb) Transparente Fassung der Widerrufsklausel . . . cc) Angemessenheits- und Ausübungskontrolle . . . . h) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . i) Folgen der Klauselunwirksamkeit – ergänzende Vertragsauslegung §§ 133, 157 BGB? . 7. § 308 Nr. 5 BGB (Fingierte Erklärungen) . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . b) Anwendungsbereich . . . . . . . aa) Erklärungen des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . .
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bb) Schweigen als Willenserklärung . . . . . . . . . . cc) Widerspruchslose Fortsetzung der Tätigkeit . . c) Anforderungen an Erklärungsfiktionen . . . . . . . . . . aa) Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung . . . . . . . . . . . . . . bb) Hinweispflicht . . . . . . . cc) Verwenderinteresse . . . 8. § 308 Nr. 6 BGB (Fiktion des Zugangs) . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . b) Anwendungsfälle . . . . . . . . c) Erklärungen von besonderer Bedeutung . . . . . . . . . . . . . d) Unwirksamkeit . . . . . . . . . 9. § 308 Nr. 7 BGB (Abwicklung von Verträgen) . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . b) Anwendungsbereich . . . . . . aa) Ansprüche des Arbeitgebers bei Kündigung . . bb) Arten der Abwicklungsansprüche . . . . . . . . . . (1) Vergütungsansprüche . . (2) Aufwendungsersatzansprüche des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . 10. § 308 Nr. 8 BGB (Nichtverfügbarkeit der Leistung) . . . . . . . .
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. 119 . 121 . 122 . 122 . 124 . 125 . 126 . 126 . 128 . 129 . 131 . 132 . 132 . 135 . 135 . 137 . 137 . 138 . 139
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I. Einführung 1 Die besonderen Klauselverbote des § 308 BGB entsprechen im Wesentlichen dem
früheren – im Arbeitsrecht allerdings nie anwendbaren – § 10 AGBG. Sie enthalten weitgehend dieselben unbestimmten Rechtsbegriffe (z.B. „unangemessen lange“, „nicht hinreichend bestimmt“, „ohne sachlichen Grund“, „Erklärung von besonderer Bedeutung“) und eröffnen damit einen richterlichen Bewertungsspielraum.1 Dies wird bereits aus der Überschrift des § 308 BGB „Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit“ deutlich. Da das Unwerturteil einzelner 1 Roloff in HWK, § 308 BGB Rz. 1.
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I. Einführung | § 308
Klauseln im Rahmen des § 308 BGB von den Umständen im Einzelfall abhängt, muss zur Umschreibung der Unwirksamkeitsvoraussetzungen auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurückgegriffen werden.1 Die Feststellung der Unwirksamkeit einer Klausel bedarf damit einer einzelfallbezogenen richterlichen Wertung in Bezug auf die Rechtsbegriffe des § 308 BGB. Der Wertungsspielraum führt auch nicht zu einem Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanzen. Die Ausfüllung der Rechtsbegriffe unterliegt einer vollen Revisibilität, da eine Rechtsfrage auf der Grundlage typisierter Interessen zu beantworten ist.2 Sind die Begriffe der Beispiele des § 308 BGB erfüllt, ist die Unwirksamkeit der Klausel die zwingende Folge des § 308 BGB. Der Wertungsspielraum bezieht sich nicht auf die Rechtsfolge. Nach § 308 BGB ist die Klausel „unwirksam“. Für die Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe, z.B. der in § 308 2 Nr. 4 BGB genannten Zumutbarkeit, hat sich die Rechtsprechung des BAG3 an der des BGH orientiert (Einf. Rz. 21). Die Orientierung an der Rechtsprechung des BGH bedingt, § 308 BGB und die hierzu ergehende Rechtsprechung der Zivilgerichte im Lichte der Klausel-RL zu sehen und zu verstehen.4 Der BGH führt aus, dass die Bestimmungen der §§ 307 und 308 BGB ihre unionsrechtliche Grundlage in der Generalklausel des Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 93/13/EWG finden. Nach Art. 3 Abs. 3 dieser Richtlinie enthält der Anhang eine als Hinweis dienende und nicht erschöpfende Liste der Klauseln, die für missbräuchlich erklärt werden können.5 So bestimmen etwa die Buchstaben j) und k) des Anhangs mit engem Bezug zu § 308 Nr. 4 BGB, dass Klauseln missbräuchlich sind, wenn der Gewerbetreibende die Vertragsklauseln einseitig ohne triftigen und im Vertrag aufgeführten Grund ändern kann oder der Gewerbetreibende die Merkmale des zu liefernden Erzeugnisses oder der zu erbringenden Dienstleistung einseitig ohne triftigen Grund ändern kann. Es bleibt allerdings dabei, dass arbeitsvertragliche AGB nicht in den Anwendungsbereich der Klausel-RL fallen, da sie dort ausdrücklich von einer Anwendung ausgenommen sind, wie der Erwägungsgrund Nr. 10 der Richtlinie zeigt (ausführlich § 310 Rz. 18). Bei der Anwendung des § 308 BGB auf arbeitsvertragliche AGB sind allerdings 3 – wie bei der Anwendung aller AGB-rechtlichen Grundsätze auch – die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen, § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB. Dazu zählt auch die Beachtung des Umstands, dass die Klausel-RL Arbeitsverhältnisse nicht erfasst und die Übertragung der Wertungen des BGH insoweit nicht unbesehen erfolgen darf. Wegen der von § 308 BGB eröffneten Wertungsspielräume bei den einzelnen Tatbestandsmerkmalen 1 Wurmnest in MünchKommBGB, § 308 Rz. 2. 2 BGH v. 4.7.1997 – V ZR 405/96, NJW 1997, 3022. 3 Vgl. zur „Zumutbarkeit“ i.S.v. § 308 Nr. 4 BGB, BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465 unter Verweis auf BGH v. 19.10.1999 – XI ZR 8/99, NJW 2000, 651. 4 Vgl. H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 4 Rz. 3a. 5 BGH v. 31.5.2012 – I ZR 45/11, NJW 2012, 3577; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 581.
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit der Klauselverbote gelingt es darüber hinaus aber unschwer, die arbeitsrechtlichen Wertungen einfließen zu lassen, sie darf jedoch nicht unterlassen werden. Denn § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 BGB eröffnet den Gerichten nicht nur die Möglichkeit, im Arbeitsrecht geltende Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen, sondern auch eine Pflicht: Die arbeitsrechtlichen Besonderheiten „sind“ angemessen zu berücksichtigen. 4 Der Wertungsspielraum im Rahmen des § 308 BGB darf nicht dahin missverstan-
den werden, dass die Klausel nach der erfolgreichen Überprüfung ihrer Zumutbarkeit auf der Grundlage des § 308 BGB in jedem Fall wirksam wäre. Trotz des Wertungsspielraums im Rahmen der besonderen Klauselverbote in § 308 BGB müssen nicht sämtliche Wertungsgesichtspunkte der Transparenz- oder Angemessenheitskontrolle des § 307 Abs. 1 BGB dem besonderen Klauselverbot entsprechen. Insoweit sind die besonderen Klauselverbote Ausformung einer regelmäßigen typisierten Unwirksamkeit, aber nicht ihrer Wirksamkeit anzusehen. Da die Klauselverbote des § 308 BGB jedoch oft formelle und materielle Aspekte der Zumutbarkeit einer Klausel verbinden, bedarf es besonderer Anhaltspunkte in § 308 BGB oder in der Klausel, um eine Inhaltskontrolle auf weitergehender Grundlage insbesondere nach § 307 Abs. 1 BGB durchzuführen (vgl. etwa Rz. 125).
II. Praktische Bedeutung des § 308 BGB für das Arbeitsrecht 5 Für das Arbeitsrecht ist vor allem der in § 308 Nr. 4 BGB geregelte Änderungs-
vorbehalt von Bedeutung. Dies beruht auf dem Charakter des Arbeitsverhältnisses als Dauerschuldverhältnis und der auf längere Zeit angelegten Austauschbeziehung. Diese Zukunftsgerichtetheit kann es erfordern, die arbeitsvertraglichen Konditionen veränderten Rahmenbedingungen anzupassen, wobei die Änderungskündigung als Änderungsinstrument in der Realität häufig nicht in Betracht kommt (Einf. Rz. 70). Nicht selten werden deshalb in Formulararbeitsverträgen Leistungen des Arbeitgebers mit einem Widerrufsvorbehalt verbunden.
6 Im Übrigen haben die Klauselverbote, soweit sie auf Dauerschuldverhältnisse
überhaupt Anwendung finden, eher geringe Bedeutung. Unter die von § 308 Nr. 1a BGB erfasste Zahlungsfrist kann zwar die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung der Vergütung fallen. Der Auszahlungstermin ist jedoch vielfach durch Kollektivvereinbarungen festgelegt. Deshalb wird auch § 308 Nr. 2 BGB (Nachfrist) im Arbeitsrecht selten relevant werden.1 Dies gilt aufgrund der Ausnahme für Dauerschuldverhältnisse auch für § 308 Nr. 3 BGB und § 308 Nr. 8 BGB.2 Da in Arbeitsverträgen Schriftformklauseln wesentlich verbreiteter sind als Erklärungsfiktionen, hat auch § 308 Nr. 5 BGB in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung bisher keine große Rolle gespielt. Ebenso verhält es sich bei § 308 1 Fuchs/Bieder in UBH, Anh. § 310 BGB Rz. 56. 2 Fuchs/Bieder in UBH, Anh. § 310 BGB Rz. 56.
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III. Die einzelnen Klauselverbote des § 308 BGB | § 308
Nr. 6 BGB, der die Fiktion des Zugangs einer für den Arbeitnehmer nachteiligen Erklärung des Arbeitgebers verhindern will. Auch die Bedeutung des § 308 Nr. 7 BGB für Arbeitsverhältnisse ist gering, da die Rechtsprechung Rückzahlungsklauseln von Ausbildungskosten an § 307 Abs. 1 BGB misst.1
III. Die einzelnen Klauselverbote des § 308 BGB 1. § 308 Nr. 1 BGB (Annahme- und Leistungsfrist) a) Allgemeines § 308 Nr. 1 BGB soll verhindern, dass die Dispositionsfreiheit des Verwen- 7 dungsgegners in unangemessener Weise eingeschränkt wird.2 Die Vorschrift erfasst auch Arbeitsverträge. Klauseln, die zu Gunsten des Arbeitgebers die Annahmefrist abweichend von § 147 Abs. 2 BGB oder die Leistungszeit für eine dem Arbeitgeber obliegende Leistung abweichend von § 271 BGB verlängern, dürften jedoch selten sein.3 b) Annahmefrist Die erste Alternative des § 308 Nr. 1 BGB enthält das Verbot einer unangemes- 8 sen langen oder nicht hinreichend bestimmten Antragsbindungsdauer des Vertragspartners des Verwenders. Fristen, die der Arbeitgeber als Verwender dem Arbeitnehmer zur Annahme seiner eigenen Angebote setzt, sind nicht an § 308 Nr. 1 BGB, sondern an § 308 Nr. 3 BGB oder § 307 Abs. 1 BGB zu messen.4 aa) Annahmefrist bei Begründung des Arbeitsverhältnisses Klauseln, die den Abschluss des Arbeitsvertrags betreffen, sind an sich keine 9 Vertragsbedingungen, weil ein Vertrag noch nicht zustande gekommen ist. Ob eine solche Klausel an § 308 Nr. 1 BGB zu messen ist, ist deshalb fraglich.5 Gleichwohl werden Vertragsabschlussklauseln zu Recht Vertragsbedingungen gleichgestellt und einer Inhaltskontrolle nach § 308 Nr. 1 BGB unterzogen.6 Bindet eine Klausel den Arbeitnehmer unangemessen lang an sein Angebot auf 1 2 3 4 5 6
Fuchs/Bieder in UBH, Anh. § 310 BGB Rz. 56. BGH v. 11.6.2010 – V ZR 85/09, NJW 2010, 2873. Bonin in DBD, § 308 Nr. 1 Rz. 4; Coester-Waltjen in Staudinger, § 308 Nr. 1 Rz. 11. Coester-Waltjen in Staudinger, § 308 Nr. 1 Rz. 8; H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 1 Rz. 10. Zweifelnd Bonin in DBD, § 308 Nr. 1 Rz. 2. Becker in Bamberger/Roth, § 308 Nr. 1 Rz. 4; Wurmnest in MünchKommBGB, § 308 Nr. 1 Rz. 3; Dammann in WLP, § 308 Nr. 1 Rz. 8; H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 1 Rz. 8; Coester-Waltjen in Staudinger, § 308 Nr. 1 Rz. 6; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 695; BGH v. 11.6.2010 – V ZR 85/09, NJW 2010, 2873; zur im Wesentlichen inhaltsgleichen Regelung in § 11 Nr. 1 AGBG vgl. BGH v. 23.3.1988 – VIII ZR 175/87, NJW 1988, 1908.
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit Abschluss eines Arbeitsvertrags, ist sie unwirksam.1 Richtlinie für die Beurteilung der Unangemessenheit ist der Zeitraum des § 147 Abs. 2 BGB von vier Wochen.2 Geht die Bindungsfrist wesentlich über diesen in § 147 Abs. 2 BGB bestimmten Zeitraum hinaus, stellt dies nur dann keine unangemessene Benachteiligung dar, wenn der Verwender hierfür ein schutzwürdiges Interesse geltend machen kann, hinter dem das Interesse des Kunden an baldigem Wegfall seiner Bindung zurückstehen muss.3 bb) Annahmefrist während des Arbeitsverhältnisses 10 Die Annahme oder Ablehnung eines Änderungsangebots des Arbeitnehmers in-
nerhalb bestimmter Fristen während des Arbeitsverhältnisses dürfte in aller Regel keine Regelung in arbeitsvertraglichen AGB erfahren. Trägt der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber eine Änderung des Arbeitsvertrags an, will er i.d.R. günstigere Arbeitsbedingungen erreichen. Er wird häufig den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses davon abhängig machen. Möchte der Arbeitgeber am Arbeitsverhältnis festhalten, liegt es in seinem Interesse, sich innerhalb angemessener Zeit zum Änderungsantrag des Arbeitnehmers zu äußern.
c) Leistungszeit 11 Die zweite Alternative der Norm gilt für Sach- und Dienstleistungspflichten aller
Art, insbesondere auch Geldleistungspflichten.4 Allerdings sind wegen § 308 Nr. 1a BGB Zahlungsfristen für Entgeltforderungen nicht mehr von § 308 Nr. 1 BGB erfasst, soweit es nicht um ihre hinreichende Bestimmtheit geht.5 Selbst wenn man davon ausginge, § 308 Nr. 1a BGB erfasste den Lohnanspruch des Arbeitnehmers nicht als „Entgeltforderung“, bliebe es bei der Wertung des § 308 Nr. 1 BGB, der sich allerdings an den Wertungen des § 308 Nr. 1a BGB orientieren müsste.
2. § 308 Nr. 1a BGB (Zahlungsfrist) a) Allgemeines 12 § 308 Nr. 1a BGB findet grundsätzlich im Arbeitsrecht Anwendung.6 Da der Ar-
beitgeber grundsätzlich kein Verbraucher i.S.d. Norm ist,7 kommt auch § 308
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Eckert/Wallstein, Das neue Arbeitsvertragsrecht, 2002, S. 146. BGH v. 17.1.2014 – V ZR 5/12, NJW 2014, 857; H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 1 Rz. 11. BGH v. 26.2.2016 – V ZR 208/14, NJW 2016, 2173. Becker in Bamberger/Roth, § 308 Nr. 1 Rz. 19. H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 1 Rz. 17. Roloff in HWK, § 308 BGB Rz. 2; H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 1a Rz. 1; Fuchs/Bieder in UBH, Anh. § 310 BGB Rz. 57. 7 Roloff in HWK, § 308 BGB Rz. 2.
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III. Die einzelnen Klauselverbote des § 308 BGB | § 308
Nr. 1a Halbs. 2 BGB vom Wortlaut her zur Anwendung, wonach eine Zahlungsfrist im Zweifel unangemessen lang ist, wenn eine Zeit von mehr als 30 Tagen nach Empfang der Gegenleistung bestimmt ist. Die Norm könnte für das Arbeitsrecht übersetzt wie folgt lauten: „Eine Bestimmung ist unwirksam, durch die sich der Arbeitgeber eine unangemessen lange Zeit für die Erfüllung einer Entgeltforderung des Vertragspartners vorbehält. Dies ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Zeit von mehr als 30 Tagen nach Empfang der Arbeitsleistung als Zahlungsfrist vereinbart ist.“ Allerdings gilt es bei der Anwendung des § 308 Nr. 1a BGB eine Vielzahl von ar- 13 beitsrechtlichen Besonderheiten zu berücksichtigen, die den Zeitpunkt der Entgeltzahlung normativ regeln, § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB.1 Der Grundsatz in § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB ist spezieller als die Bemühung des allgemeinen normativen Spezialitätsgrundsatzes2 sonstiger Bestimmungen – etwa des MiLoG – gegenüber § 308 Nr. 1a BGB, da § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB das Verhältnis des AGB-Rechts zum Arbeitsvertragsrecht vorrangig regelt. Es sind häufig Fälligkeitstermine des Entgelts in Tarifverträgen bestimmt, die auch wegen § 310 Abs. 4 Satz 1 und Satz 3 BGB nicht mit § 308 Nr. 1a BGB kollidieren können. Sie prägen damit den Begriff „unangemessen lange“ und die Zweifelsregel des § 308 Nr. 1a BGB. Zudem bestimmt § 614 BGB, dass die Vergütung nach der Leistung der Dienste zu entrichten ist. Ist die Vergütung nach Zeitabschnitten bemessen, so ist sie nach dem Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten. Außerdem sind die gesetzlichen Wertungen des § 2 MiLoG zu beachten,3 der die gesetzliche Fälligkeit in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MiLoG definiert.4 Danach ist der Mindestlohn spätestens am letzten Bankarbeitstag (Frankfurt am Main) des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde, zu zahlen. Dieser Zeitpunkt ist nicht abdingbar.5 Allerdings betrifft er nur den Anspruch auf den Mindestlohn und nicht darüber hinausgehende Ansprüche, so dass allenfalls eine Teilunwirksamkeit nach § 3 Satz 1 MiLoG in Betracht kommt.6 Daraus folgt allerdings die gesetzgeberische Wertung, die den Begriff der „Unangemessenheit“ in § 308 Nr. 1a BGB ausformt, so dass die Fälligkeit der Mindestlohns und erst recht des darüber hinausgehenden Lohnanspruchs nicht bereits nach 30 Tagen unangemessen lang sein kann, sondern lediglich Klauseln, die die gesetzliche Fälligkeitsbestimmung des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MiLoG missachten. Diese gesetzgeberische Wertung ist Ausdruck der Angemessenheit in § 308 Nr. 1a BGB. Eine gespaltene Lösung,7 die den 1 Roloff in HWK, § 308 BGB Rz. 2. 2 Vgl. aber Stoffels, AGB-Recht, Rz. 768a. 3 Roloff in HWK, § 308 BGB Rz. 2 sowie Roloff in HWK, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 29; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 768a. 4 Riechert/Nimmerjahn, § 2 MiLoG Rz. 5. 5 Riechert/Nimmerjahn, § 2 MiLoG Rz. 7. 6 Riechert/Nimmerjahn, § 2 MiLoG Rz. 11. 7 So aber Riechert/Nimmerjahn, § 2 MiLoG Rz. 7 m.w.N.
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit Nichtmindestlohn früher fällig werden lässt und entsprechende AGB für unwirksam hält, würde nicht nur die gesetzliche Regelung des § 2 MiLoG, sondern auch die des § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB überspielen.1 b) Zahlungsfrist aa) Leistungszeit bei der Zahlung des Arbeitsentgelts 14 Klauseln, die es dem Arbeitgeber erlauben, die Vergütung mit erheblicher Ver-
spätung zu zahlen, sind denkbar, aber selten und nach der Wertung des § 308 Nr. 1a BGB unwirksam.2 So ist es zutreffend, eine Regelung in AGB als unwirksam anzusehen, nach der eine als Gratifikation bezeichnete Gewinnbeteiligung des Arbeitnehmers, die auch Entgeltcharakter hat, erst 25 Jahre nach Abschluss der Vereinbarung in zehn jährlichen Raten auszubezahlen ist, wenn eine Insolvenzsicherung und eine Verpflichtung zur angemessenen Verzinsung fehlen.3 bb) Leistungszeit bei Arbeitszeitmodellen
15 Die Vereinbarung über die Führung eines Arbeitszeitkontos stellt regelmäßig
eine abweichende Regelung der Leistungszeit i.S.v. § 308 Nr. 1a BGB dar.4 Der in § 614 BGB vorgesehene Zeitpunkt für die Zahlung der Vergütung kann weit in die Zukunft verschoben werden.5 § 308 Nr. 1a BGB steht jedoch einer Vereinbarung über die Führung eines Arbeitszeitkontos i.d.R. nicht entgegen, sofern wiederum die Vorgaben des § 2 Abs. 2, 3 MiLoG gewahrt werden (vgl. Rz. 13).6
(1) Kurzzeitkonten 16 Kurzzeit- oder Gleitzeitkonten, die eine Anpassung der Arbeitszeit an den tägli-
chen Arbeitsbedarf ermöglichen, dienen der Flexibilisierung der Arbeitszeit.7 Sie erfassen Zeitdifferenzen zur individual- oder tarifvertraglich festgelegten Regelarbeitszeit.8 Da sie den Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen verfolgen, sind sie gemäß § 7b Nr. 2 SGB IV keine Wertguthaben. Aus den §§ 7b ff. SGB IV kann die Zulässigkeit von Kurzzeitkonten deshalb nicht abgeleitet werden. Jedoch ist bereits fraglich, ob die Führung eines Kurzzeitkontos überhaupt unangemessen i.S.v. § 308 Nr. 1a BGB sein kann.9 Ein Kurzzeitkonto
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Vgl. auch die Wertung bei BAG v. 20.6.2018 – 5 AZR 377/17, NZA 2018, 3472 (3475). Vgl. LAG Berlin-Brandenburg v. 13.9.2013 – 6 Sa 182/13. LAG Baden-Württemberg v. 26.9.2014 – 17 Sa 20/14. Müller-Glöge in MünchKommBGB, § 611 Rz. 1056. Hofmann, Die Kontrolle von Arbeitsverträgen nach der Schuldrechtsreform, 2005, S. 147. Müller-Glöge in MünchKommBGB, § 611 Rz. 1056. Wolf in FS Buchner (2009), S. 996. Heide, Lebensarbeitszeitkonten aus arbeitsrechtlicher Sicht, 2007, S. 27. Verneinend Kriebitzsch, S. 165; Hofmann, S. 148.
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liegt oft auch im Interesse des Arbeitnehmers, z.B. dann, wenn es einen verstärkten Kündigungsschutz bewirkt.1 Hinzu kommt die Wertung des § 2 Abs. 2 MiLoG, wonach die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehenden und auf einem schriftlich vereinbarten Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden spätestens innerhalb von zwölf Kalendermonaten nach ihrer monatlichen Erfassung durch bezahlte Freizeitgewährung oder Zahlung des Mindestlohns auszugleichen sind, soweit der Anspruch auf den Mindestlohn für die geleisteten Arbeitsstunden nach § 1 Abs. 1 MiLoG nicht bereits durch Zahlung des verstetigten Arbeitsentgelts erfüllt ist. Im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber nicht ausgeglichene Arbeitsstunden spätestens in dem auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Kalendermonat auszugleichen. Die auf das Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden dürfen monatlich jeweils 50 % der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht übersteigen. Diese Wertung ist allerdings auch für den nicht mindestlohnrelevanten, im Arbeitszeitkonto eingestellten Vergütungsanteil als im Arbeitsrecht geltende Besonderheit angemessen zu berücksichtigen. (2) Langzeitkonten Wird die Führung eines Langzeitkontos zum Aufbau eines Wertguthabens 17 i.S.v. § 7b Nr. 1 SGB IV vereinbart, gehen die arbeitsrechtlichen Besonderheiten dem § 308 Nr. 1a BGB ebenfalls vor.2 Alles andere würde den Grundgedanken der §§ 7b ff. SGB IV, die ebenfalls in § 2 Abs. 3 MiLoG ihren Niederschlag gefunden haben, widersprechen.3 Da nach § 7e SGB IV die Verpflichtung besteht, das Wertguthaben gegen das Risiko der Insolvenz des Arbeitgebers abzusichern, ist der Arbeitnehmer trotz der hinausgeschobenen Leistungspflicht des Arbeitgebers weitgehend vor einem Verlust seines Wertguthabens geschützt.4
3. § 308 Nr. 1b BGB (Überprüfungs- und Abnahmefrist) Da es im Arbeitsverhältnis in aller Regel nicht zur Vereinbarung von Überprü- 18 fungs- und Abnahmefristen der Leistungen des Arbeitnehmers kommt, dürfte § 308 Nr. 1b BGB in AGB in Arbeitsverträgen keine erhebliche Rolle spielen. Im Übrigen bliebe es bei den Wertungen des § 308 Nr. 1a BGB und denen des MiLoG (Rz. 13).
1 2 3 4
Müller-Glöge in MünchKommBGB, § 611 Rz. 1056. Roloff in HWK, § 308 BGB Rz. 2 mit Vorgaben zur Transparenz. Bonin in DBD, § 308 Nr. 1 Rz. 4; a.A. Bratz, S. 327. Vgl. zur Insolvenzsicherung von Wertguthaben Wolf in FS Buchner (2009), S. 996 (1005 ff.); Cisch/Ulbrich, BB 2009, 550 (553 ff.); Ars/Blümke/Scheithauer, BB 2009, 2252 (2255 ff.).
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit 4. § 308 Nr. 2 BGB (Nachfrist) a) Bedeutung 19 Nach § 308 Nr. 2 BGB sind Klauseln unwirksam, durch die sich der Verwender
für die von ihm zu bewirkende Leistung abweichend von Rechtsvorschriften eine unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Nachfrist vorbehält. Die Vorschrift sichert die Verbote des § 308 Nr. 1, 1a, 1b BGB gegen eine Umgehung.1 Sie knüpft an die bereits fällige Leistung an. Ihr Zweck ist es, den Verwendungsgegner als Gläubiger davor zu schützen, dass sich der Verwender eine unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Nachfrist vorbehält. Sie will sicherstellen, dass der Gläubiger gemäß §§ 281, 323 BGB nach fruchtlosem Ablauf einer von ihm bestimmten angemessenen Nachfrist Schadensersatz statt der Leistung verlangen oder vom Vertrag zurücktreten kann.2 b) Anwendungsbereich
20 Im Arbeitsrecht wird die Vorschrift nur in seltenen Ausnahmefällen relevant
werden. Denkbar ist dies, wenn der Arbeitgeber Sachleistungen schuldet. Hat sich der Arbeitgeber eine Nachfrist vorbehalten, sind seine und die Interessen des Arbeitnehmers abzuwägen und zu bestimmen, ob die vorbehaltene Nachfrist noch angemessen ist.3 Zahlt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die fällige Vergütung nicht, für deren Leistung i.d.R. eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, wird der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber regelmäßig keine Nachfrist setzen, sondern gemäß § 288 Abs. 1 BGB Verzugszinsen beanspruchen. Klauseln jedoch, die den Verzug erst zu einem späteren Zeitpunkt als nach dem Gesetz eintreten lassen sollen, sind als sog. „unechte Nachfristsetzungen“ bereits von § 308 Nr. 1, 1a BGB erfasst.4
5. § 308 Nr. 3 BGB (Rücktrittsvorbehalt) a) Grundsatz und Ausnahme für Dauerschuldverhältnisse 21 Die Vorschrift verbietet Klauseln, die dem Verwender ein Lösungsrecht von sei-
ner Leistungspflicht einräumen, ohne dass dafür ein sachlich gerechtfertigter und im Vertrag angegebener Grund vorliegt. Sie gilt ausdrücklich nicht für Dauerschuldverhältnisse. Die Ausnahme gilt jedoch nicht für Dauerschuldverhältnisse von kurzer Dauer.5 § 308 Nr. 3 BGB ergänzt damit den Schutz des § 309 Nr. 7
1 2 3 4 5
Wurmnest in MünchKommBGB, § 308 Nr. 2 Rz. 1. H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 2 Rz. 1. Bonin in DBD, § 308 Nr. 2 Rz. 2. H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 2 Rz. 5. BGH v. 10.12.1986 – VIII ZR 349/85, BGHZ 99, 182; H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 3 Rz. 17 Fn. 83 m.w.N.; a.A. Dammann in WLP, § 308 Nr. 3 Rz. 6.
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III. Die einzelnen Klauselverbote des § 308 BGB | § 308
Buchst. b, Nr. 8 Buchst. a BGB, da sich der Verwender nach der Nr. 3 nicht ganz und nicht ohne sachlichen Grund seiner Verbindlichkeit entziehen darf (vgl. § 309 Rz. 89 ff.). § 308 Nr. 3 BGB wird seinerseits durch § 308 Nr. 8 BGB ergänzt, der mit der unverzüglichen Informationspflicht ein zusätzliches Wirksamkeitserfordernis für das Lösungsrecht bei Nichtverfügbarkeit der Leistung enthält.1 § 308 Nr. 3 BGB nimmt ausdrücklich Dauerschuldverhältnisse von der Anwen- 22 dung aus. Dauerschuldverhältnisse sind nicht bereits von dem Verbot ausgenommen, weil sie nicht durch Rücktritt, sondern durch Kündigung beendet werden. Eine solche Förmelei wäre § 308 Nr. 3 BGB fremd. Über den Rücktrittsvorbehalt hinaus erfasst sie alle rechtstechnisch möglichen Lösungsmöglichkeiten.2 Allerdings liegt es bei Dauerschuldverhältnissen in der Natur des Vertrags, dass sie durch Kündigung auch ohne besonderen sachlichen Grund beendet werden können.3 In einem solchen Fall greift der Sinn und Zweck des Klauselverbots nicht. Zwar findet § 308 Nr. 3 BGB keine Anwendung auf Dauerschuldverhältnisse, 23 die Wertungen der Richtlinie und ihres Anhangs können freilich im Rahmen des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Geltung kommen.4 Die auch für die Auslegung und das Verständnis des § 308 Nr. 3 BGB nicht ganz unerheblichen Bestimmungen5 im Anhang der Klausel-RL lauten wie folgt: Klauseln, die darauf abzielen oder zur Folge haben, dass f) es dem Gewerbetreibenden gestattet wird, nach freiem Ermessen den Vertrag zu kündigen, wenn das gleiche Recht nicht auch dem Verbraucher eingeräumt wird, und es dem Gewerbetreibenden für den Fall, dass er selbst den Vertrag kündigt, gestattet wird, die Beträge einzubehalten, die für von ihm noch nicht erbrachte Leistungen gezahlt wurden; g) es dem Gewerbetreibenden – außer bei Vorliegen schwerwiegender Gründe – gestattet ist, einen unbefristeten Vertrag ohne angemessene Frist zu kündigen. b) Anwendungsbereich im Arbeitsrecht Als Dauerschuldverhältnis fällt das Arbeitsverhältnis – jedenfalls, wenn es kein 24 Tagesarbeitsverhältnis ist (Rz. 21) – nicht in den Anwendungsbereich des § 308 Nr. 3 BGB. Will der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis beenden, muss er ohnehin gesetzliche Kündigungsfristen einhalten sowie § 626 BGB und Kündigungsschutzvorschriften beachten. Will er diese Anforderungen an seine Lösung vom Arbeitsvertrag absenken, gerät die Klausel regelmäßig in Konflikt mit § 134 BGB und § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB6. Aufgrund der Ausnahmerege1 H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 3 Rz. 1a. 2 BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 488/04, NZA 2006, 539; Becker in Bamberger/Roth, § 308 Nr. 3 Rz. 3; Coester-Waltjen in Staudinger, § 308 Nr. 3 Rz. 2; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 773. 3 Coester-Waltjen in Staudinger, § 308 Nr. 3 Rz. 29; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 785. 4 H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 3 Rz. 2c. 5 H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 3 Rz. 2b. 6 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 785.
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit lung für Dauerschuldverhältnisse hat die Vorschrift im Arbeitsrecht keine große praktische Bedeutung. Sie ist allerdings anwendbar, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Waren verkauft.1 Außerdem findet die Vorschrift Anwendung, wenn das Lösungsrecht für die Zeit vor Beginn der Vertragsabwicklung – etwa in einem Vorvertrag – vorbehalten ist.2 aa) Rücktrittsvorbehalt des Arbeitgebers im Vorvertrag 25 Bei einem auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichteten Vorvertrag wird
noch kein Dauerschuldverhältnis begründet.3 Das Lösungsrecht des Arbeitgebers richtet sich deshalb bei einem Vorvertrag, der die Parteien zum späteren Abschluss eines Arbeitsvertrags verpflichtet, nach § 308 Nr. 3 BGB als der gegenüber § 307 BGB spezielleren Norm. Der Vorbehalt des Arbeitgebers, dass über die endgültige Einstellung des Arbeitnehmers erst nach Prüfung seiner Nachweise und Qualifikation entschieden werden soll, ist ein Rücktrittsvorbehalt i.S.d. § 308 Nr. 3 BGB.4
bb) Anforderungen an das Lösungsrecht des Arbeitgebers 26 Bei § 308 Nr. 3 BGB handelt es sich um einen besonders geregelten Unterfall
des Bestimmtheitsgrundsatzes, der im Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB seinen Ausdruck gefunden hat. § 308 Nr. 3 BGB gestaltet dieses Gebot aus.5 Ein Rücktrittsvorbehalt in einem Vorvertrag über den Abschluss eines Arbeitsvertrags ist deshalb nur wirksam, wenn ein sachlich gerechtfertigter Grund für das Lösungsrecht vorliegt und dieser Grund mit hinreichender Deutlichkeit angegeben ist.6 Voraussetzung ist freilich stets, dass der Vertragsschluss nicht unter einer aufschiebenden Bedingung steht. Es kommt dann nicht zu einem nachträglichen Wegfall der Bindung.7 Dasselbe gilt, wenn der Abschluss des Vertrags durch die Nichtabgabe eines Angebots („freibleibend“) – einer invitatio ad offerendum gleich – zunächst verhindert werden soll.8
27 Findet § 308 Nr. 3 BGB auf den arbeitsvertraglichen Vorvertrag Anwendung,
muss der Grund für die Lösung des Vertrags in den AGB so konkret angegeben werden, dass der Durchschnittsarbeitnehmer ohne Schwierigkeiten feststellen
1 Eckert/Wallstein, S. 147. 2 BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 488/04, NZA 2006, 539; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 785; zur Anwendung von § 10 Nr. 3 AGBG vor Überlassung der Mietsache vgl. BGH v. 10.12.1986 – VIII ZR 349/85, NJW 1987, 831. 3 Dammann in WLP, § 308 Nr. 3 Rz. 3; Roloff in HWK, § 308 BGB Rz. 3. 4 BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 488/04, NZA 2006, 539; Roloff in HWK, § 308 BGB Rz. 3. 5 Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (63). 6 Roloff in HWK, § 308 BGB Rz. 3. 7 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 773. 8 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 774.
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III. Die einzelnen Klauselverbote des § 308 BGB | § 308
kann, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber den Vorbehalt ausüben darf.1 Fehlt es daran, besteht kein Lösungsrecht. Die materielle Angemessenheit einer Klausel erfordert einen sachlich gerechtfer- 28 tigten Grund für das Lösungsrecht. Ob ein sachlich gerechtfertigter Grund vorliegt, ist anhand einer Abwägung der beiderseitigen Interessen zu ermitteln.2 Dabei sind nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen.3 § 308 Nr. 3 BGB bindet die sachliche Rechtfertigung an ein überwiegendes oder zumindest anerkennenswertes Interesse des Arbeitgebers an der Lösungsmöglichkeit.4 An der sachlichen Rechtfertigung einer in AGB enthaltenen Lösungsmöglichkeit fehlt es, wenn sie sich auch auf Umstände erstreckt, deren Vorliegen der Verwender bei gebotener Sorgfalt schon vor dem Vertragsschluss hätte erkennen und deshalb den Abschluss hätte ablehnen können. In diesem Fall ist das Interesse des Verwenders an einer Lösung von dem abgeschlossenen Vertrag nicht schutzwürdig.5
6. § 308 Nr. 4 BGB (Änderungsvorbehalt) a) Allgemeines und Abgrenzung Nach § 308 Nr. 4 BGB ist die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die 29 versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist, unwirksam. Die Vorschrift ist als explizite Regelung für die Zulässigkeit von Änderungsvorbehalten im Arbeitsrecht, insbesondere Widerrufsvorbehalten, gegenüber § 307 Abs. 1 BGB vorrangig, aber nicht abschließend.6 Daher sind in ihrem Anwendungsbereich selbstverständlich auch die Wertungen des § 307 BGB heranzuziehen.7 Die Norm bindet die Wirksamkeit einseitiger Leistungsbestimmungsrechte des Verwenders an die Zumutbarkeit für den Verwendungsgegner. Im Arbeitsverhältnis schränkt sie vor allem die Zulässigkeit von auf die Vergütung des Arbeitnehmers bezogenen Widerrufsvorbehalten erheblich ein, die zum ty1 BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 488/04, NZA 2006, 539; Becker in Bamberger/Roth, § 308 Nr. 3 Rz. 5; Roloff in HWK, § 308 BGB Rz. 3. 2 Dammann in WLP, § 308 Nr. 3 Rz. 24. 3 BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 488/04, NZA 2006, 539. 4 BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 488/04, NZA 2006, 539; Becker in Bamberger/Roth, § 308 Nr. 3 Rz. 7. 5 BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 488/04, NZA 2006, 539. 6 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428; BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943; Franzen in GS Zachert (2010), S. 386 (392). 7 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; Roloff in HWK, § 308 BGB Rz. 4.
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit pischen Erscheinungsbild in Arbeitsverträgen gehören.1 Während § 308 Nr. 4 BGB die Leistung des Verwenders betrifft, regelt § 309 Nr. 1 BGB die Leistung des Kunden. Allerdings haben die beiden Regelungen wegen des Leistungsbezugs eine erhebliche Verwandtschaft. Beide Klauselverbote stellen zudem Anforderungen an die Transparenz und materielle Angemessenheit.2 Bislang haben Rechtsprechung und Literatur noch keine wechselseitigen Anleihen genommen. 30 Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten hindern die Anwendung der
Vorschrift auf Widerrufsvorbehalte nicht. Gegen das Verständnis, die Norm sei auf einmalige Warenaustauschverträge zugeschnitten, während Arbeitsverhältnisse auf Dauer angelegt seien und daher nicht denselben Anforderungen unterworfen werden dürften,3 spricht schon, dass § 308 Nr. 4 BGB Dauerschuldverhältnisse im Gegensatz zu § 308 Nr. 3 BGB nicht ausdrücklich ausnimmt,4 sondern diese Bestimmung konkretisiert und ergänzt.5 Der Grundsatz, dass Verträge einzuhalten sind („pacta sunt servanda“), gilt auch und gerade für Dauerschuldverhältnisse und damit auch für Arbeitsverhältnisse.6 Freilich sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen, § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB.
31 Dazu zählt auch, dass das Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis der An-
passung an veränderte Rahmenbedingungen bedarf.7 Die Arbeitgeber sind aufgrund des durch die Internationalisierung der Märkte verstärkten Wettbewerbsdrucks an flexiblen Arbeitsbedingungen interessiert.8 Flexible Arbeitsbedingungen können auch im Interesse des Arbeitnehmers liegen. Eine interne Flexibilität stabilisiert das Arbeitsverhältnis.9 Sein Fortbestand wird bei der Ausübung eines vorbehaltenen Leistungsänderungsrechts anders als beim Ausspruch einer Änderungskündigung nicht gefährdet. Die Anpassung der Vertragsbedingungen an geänderte Umstände ist im Rahmen eines Dauerschuldver-
1 Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, I B Rz. 38; Franzen in GS Zachert (2010), S. 386. 2 Vgl. ausf. zu § 309 Nr. 1 BGB mit unionsrechtlichen Bezügen: Gutkin, Die Europäisierung der AGB-Kontrolle von Preisänderungsklauseln. 3 Vgl. Hromadka in FS Dieterich (1999), S. 251 (266 f.); Lingemann, NZA 2002, 181 (190); Hanau/Hromadka, NZA 2005, 73 (75); Willemsen/Grau, RdA 2003, 321 (327); Söllner, ZfA 2003, 145 (158 f.). 4 Kriebitzsch, S. 169; Bergwitz, Anm. zu BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – AP BGB § 308 Nr. 1. 5 Graf von Westphalen in FS Schlosser (2005), S. 1103 (1116). 6 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, ZTR 2010, 658; zu den historischen Wurzeln dieses Grundsatzes eingehend Raab in FS Birk (2008), S. 659 (662 ff.). 7 Stoffels in Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 25 Rz. 1; Raab in FS Birk (2008), S. 659; BAG v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, NZA 2011, 634. 8 Junker in FS Buchner (2009), S. 369 (380). 9 Isenhardt in FS Hanau (1999), S. 221 (222); BAG v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, NZA 2011, 634.
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III. Die einzelnen Klauselverbote des § 308 BGB | § 308
hältnisses kein Widerspruch zur Vertragstreue, weil das Vertragsversprechen keine Ewigkeitsgarantie beinhaltet und der Widerrufsvorbehalt Teil der Parteivereinbarung ist.1 Allerdings ist das Interesse des Arbeitnehmers, einmal zugesagte Leistungsversprechen weiter zu erhalten, in den Blick zu nehmen. Dieses berechtigte Vertrauen muss erst aufgrund einer vor dem Hintergrund des § 308 Nr. 4 BGB angemessenen Klausel und einer wirksamen Ausübung des Widerrufsvorbehalts nach § 315 Abs. 1 BGB zurückstehen. aa) Änderung und flexible Gestaltung der Arbeitsbedingungen Der Gesetzgeber hat das Interesse des Arbeitnehmers an einer zu verändernden 32 Dauer und Lage der Arbeitszeit in den §§ 8, 9 TzBfG, in § 15 BEEG und in § 3 PflegeZG ausdrücklich anerkannt. Mit der in § 12 TzBfG n.F.2 geregelten Arbeit auf Abruf will er Arbeitnehmer vor übermäßiger Flexibilisierung der Arbeitszeit schützen.3 Die Änderung oder flexible Gestaltung der Arbeitszeit führt bei der Anwendung des in § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG normierten Pro-rata-temporis-Grundsatzes zwar nicht zu einer Änderung des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung. Allerdings sind die Vorgaben für die Flexibilisierungsmöglichkeiten des Arbeitgebers arbeitsrechtliche Besonderheiten, die auch an anderer Stelle und damit auch bei § 308 Nr. 4 BGB Berücksichtigung finden können. So enthält § 12 TzBfG seit dem 1.1.2019 für das Abrufarbeitsverhältnis eine Fiktion von 20 vereinbarten Wochenstunden. Wird für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit eine Mindestarbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber nur bis zu 25 % der wöchentlichen Arbeitszeit zusätzlich abrufen, § 12 Abs. 2 Satz 1 TzBfG. Wird für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit eine Höchstarbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber nur bis zu 20 % der wöchentlichen Arbeitszeit weniger abrufen – § 12 Abs. 2 Satz 2 TzBfG. Dabei nimmt die Gesetzesbegründung ausdrücklich auf die Rechtsprechung des 5. Senats des BAG zu Abrufarbeit Bezug, die ihrerseits auf § 308 Nr. 4 BGB beruht.4 Um den Arbeitnehmern mehr Planungssicherheit bei Arbeit auf Abruf zu geben, wird die mögliche abrufbare Zusatzarbeit beschränkt.5 Der Anteil der bei dieser Arbeitsform einseitig vom Arbeitgeber abrufbaren zusätzlichen Arbeit darf nicht mehr als 25 % der vereinbarten wöchentlichen Mindestarbeitszeit betragen. Bei einer Vereinbarung über die Verringerung der vereinbarten Höchstarbeitszeit beträgt das Volumen entsprechend 20 % der vereinbarten Arbeitszeit. Damit soll die Rechtsprechung des BAG kodifiziert werden.6 1 2 3 4
Raab in FS Birk (2008), S. 559 (677). Eingeführt durch Gesetz v. 11.12.2018, BGBl. I 2018, 2384 m.W.z. 1.1.2019. BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423. BT-Drucks. 19/3452 S. 20; BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423; BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465. 5 BT-Drucks. 19/3452, S. 20. 6 BT-Drucks. 19/3452, S. 20 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423.
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit Die hier herangezogene Rechtsprechung stützt sich im Kern auf die Rechtsprechung zu den Widerrufsvorbehalten und § 308 Nr. 4 BGB. Bei der Angemessenheitsprüfung sind das Interesse des Arbeitgebers an einer Flexibilisierung der Arbeitszeitdauer und das Interesse des Arbeitnehmers an einer festen Regelung der Dauer der Arbeitszeit und der sich daraus ergebenden Arbeitsvergütung angemessen zum Ausgleich zu bringen. Hierzu kann auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, die der 5. Senat des BAG im Urteil vom 12.1.2005 entwickelt hatte.1 Der Gesetzgeber hat damit die 25 %-Rechtsprechung kodifiziert. 33 Auf die Vergütung des Arbeitnehmers bezogene Flexibilisierungsklauseln
verändern das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung zulasten der Beschäftigten. Macht der Arbeitgeber von einem Widerrufs- oder Freiwilligkeitsvorbehalt Gebrauch, verringert sich die Vergütung des Arbeitnehmers, seine Verpflichtung zur Arbeitsleistung ändert sich jedoch nicht. Das praktische Bedürfnis für Änderungsvorbehalte beim Arbeitsentgelt ist erheblich. Ohne die Vereinbarung eines solchen Vorbehalts ist es dem Arbeitgeber kaum möglich, einseitig das Entgelt an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen.2 Eine Änderungskündigung zur Absenkung des Entgelts ist oft nicht zulässig oder führt aufgrund ihrer hohen Anforderungen häufig nicht zum Ziel.3
34 Eine klare Aussage des Gesetzgebers – sieht man von der Neufassung des § 12
Abs. 2 TzBfG ab – zur Entgeltflexibilisierung fehlt.4 Das BAG hat das Bedürfnis, den Inhalt des Arbeitsverhältnisses auch ohne Änderungskündigung veränderten Umständen anpassen zu können, im Grundsatz aber stets anerkannt. Nach seiner Rechtsprechung sind Flexibilisierungsinstrumente wie die Befristung von Arbeitsbedingungen,5 Widerrufsvorbehalte bei Entgeltabreden6 und Freiwilligkeitsvorbehalte bei Sondervergütungen7 – wohl auch und gerade wegen der vorgeschilderten arbeitsrechtlichen Besonderheiten und ihrer angemessenen Berücksichtigung – grundsätzlich zulässig. Allein bei sog. Risikoträgern, die bei bestimmten Banken beschäftigt sind, hat der Gesetzgeber eine gesetzliche Regelung für sog. Clawback-Klauseln in § 20 Abs. 6 InstitutsVergV vorgesehen, die zum Widerruf und zur Rückforderung von Boni berechtigen8 können (s. auch Anh. Vergü
1 BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, NZA 2006, 423 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465. 2 Lunk/Leder, NZA 2008, 504. 3 Reiserer, NZA 2007, 1249; Stoffels in Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 25 Rz. 1. 4 Waas, RdA 2007, 76 (80). 5 BAG v. 8.8.2007 – 7 AZR 855/06, NZA 2008, 229; BAG v. 14.1.2004 – 7 AZR 213/03, NZA 2004, 719. 6 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943. 7 BAG v. 20.1.2010 – 10 AZR 914/08, NZA 2010, 445; BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 535; BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 1/08, NZA-RR 2009, 576; BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 11.4.2000 – 9 AZR 255/99, NZA 2001, 24. 8 BGBl I 2013, 4270.
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III. Die einzelnen Klauselverbote des § 308 BGB | § 308
Rz. 59). Im Anwendungsbereich der Norm unterliegen die nach dem Gesetz erforderlichen Vereinbarungen wegen § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB keiner materiellen Inhaltskontrolle. Für die gesetzliche Privilegierung und die erforderliche Transparenz (§ 307 Abs. 3 Satz 2 BGB i.V.m. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) empfiehlt sich eine Bezugnahme bei der Bonusregel auf die entsprechende gesetzliche Regelung. Auf eine bestehende Widerrufsklausel allgemeiner Art kann sich der Arbeitgeber hier nicht berufen, sie regelt diesen speziellen Fall regelmäßig nicht.1 Greift § 20 Abs. 6 InstitutsVergV nicht, etwa weil der Arbeitnehmer kein Risikoträger i.S.d. Gesetzes ist, kann sich eine entsprechend qualifizierte Widerrufsklausel im Bankensektor bei der Inhaltskontrolle auf im Arbeitsrecht geltende Besonderheiten berufen, § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB. bb) Änderungsvorbehalt und Direktionsrecht § 308 Nr. 4 BGB erfasst grundsätzlich nicht die Ausübung des Direktionsrechts 35 des Arbeitgebers nach § 106 GewO, § 315 BGB.2 Der Wortlaut des § 308 Nr. 4 BGB ist insoweit recht eindeutig.3 Die Vorschrift spricht von der Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen. Es ist damit nur von „der versprochenen“ Leistung die Rede. Hätte auch die dem Verwender zustehende Gegenleistung dem Anwendungsbereich der Bestimmung unterfallen sollen, hätte es – auch vor dem systematischen Hintergrund des § 309 Nr. 1 BGB – nahe gelegen, auf „eine der versprochenen Leistungen“ oder auf „die vom Verwender oder dem anderen Vertragsteil versprochene Leistung“ abzustellen. Hinzu kommt, dass die Norm inhaltlich der Regelung in § 10 Nr. 4 AGBG a.F. entspricht und die Gesetzesmaterialien zum AGB-Gesetz4 ausschließlich Beispiele für Änderungen der Leistungen des Klauselverwenders nennen.5 Der Schutzzweck der Norm fordert kein anderes Ergebnis. Wenn die Vor- 36 schrift als lex specialis zu § 307 BGB nur Änderungsvorbehalte bezüglich der vom Verwender versprochenen Leistung erfasst, hat dies nicht zur Folge, dass Änderungsvorbehalte bezüglich der Leistungspflicht des Arbeitnehmers, die das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stören, keiner Kontrolle unterliegen. Die Inhaltskontrolle erfolgt in diesem Fall nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. In der Praxis werden die Prüfungsmaßstäbe nicht zu grundsätzlich unterschiedlichen Ergebnissen führen, zumal im Anwendungsbereich des § 308 Nr. 4 BGB die Wertungen des § 307 BGB heranzuziehen sind (vgl. Rz. 29). 1 A.A. Reufels/Volmari, ArbRB 2019, 26 (27). 2 Roloff in HWK, § 308 BGB Rz. 4. 3 Vgl. hierzu Benecke, Anm. zu BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, AP BGB § 307 Nr. 17; Ebeling, S. 134; Schnitker/Grau, BB 2002, 2120 (2124). 4 BT-Drucks. 7/3919 S. 15. 5 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149.
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit 37 § 308 Nr. 4 BGB findet damit grundsätzlich keine Anwendung auf das in § 106
GewO, § 315 Abs. 1 BGB geregelte oder vertraglich vereinbarte Weisungsrecht des Arbeitgebers.1 Auch Klauseln, die dieses Direktionsrecht erweitern, erfasst die Vorschrift nicht.2 Behält sich der Arbeitgeber vor, den Inhalt, den Ort oder die zeitliche Lage der Arbeitsleistung zu ändern, betrifft der Vorbehalt nicht die Änderung der von ihm versprochenen Leistung, sondern die Gegenleistung des Arbeitnehmers. An § 308 Nr. 4 BGB sind daher nur Änderungsvorbehalte des Arbeitgebers zu messen, die sich auf die mit dem Arbeitnehmer vereinbarte Arbeitsvergütung beziehen. Wenn das BAG die Norm nicht auf Versetzungsklauseln anwendet,3 folgt daraus nicht, dass solche Klauseln keiner Inhaltskontrolle unterliegen. Das BAG überprüft sie am Maßstab des § 307 Abs. 1 BGB (vgl. ausf. § 307 Rz. 182 ff.).4
38 Wenn sich allerdings die Versetzung oder die Ausübung des Direktionsrechts
durch den Arbeitgeber auf die Vergütung auswirkt oder eine Einwirkung des Arbeitgebers auf die Vergütung ermöglicht, kommt eine Anwendung des § 308 Nr. 4 BGB in Betracht. Dafür spricht auch der gesetzgeberische Wille bei der Einführung des § 12 Abs. 2 TzBfG,5 der sich auf derartige Änderungen bezieht. Zudem hat der 2. Senat des BAG eine Versetzungsklausel mit dem weiteren Inhalt, dass nach einer Versetzung die dort ortsübliche Vergütung gezahlt werde, als gegen § 308 Nr. 4 BGB verstoßend angesehen:6 Es handele sich um eine einheitliche, nicht teilbare Bestimmung.7 Die klaren Grundsätze zur Ausübung des Direktionsrechts und zur Nichtanwendung des § 308 Nr. 4 BGB können daher im Einzelfall durchbrochen werden. Die Bestimmung der ortsüblichen Vergütung begründet wohl neben dem Direktionsrecht ein weiteres Leistungsbestimmungsrecht. Auch die vereinbarte Anpassung der Vergütung an die neue Tätigkeit in einer Versetzungsklausel stellt eine eigenständige Vereinbarung dar, die ihrerseits an § 308 Nr. 4 oder § 307 Abs. 1 BGB zu messen sein kann. Die Klauselinhalte dürften sprachlich und inhaltlich teilbar sein i.S.d. § 306 BGB (vgl. § 306 Rz. 24 ff.). Diese Trennung ist auch bei Freistellungs-, Suspendierungs- oder Kurzarbeitsklauseln zu beachten. Zwar entfällt ohne Arbeitsleistung der Vergütungsanspruch, § 326 Abs. 1 Satz 1, § 275 Abs. 1 BGB, allerdings befindet sich der Arbeitgeber im Annahmeverzug, § 615 Satz 1 BGB, und schuldet die Vergütung im Annahmeverzug. Soll hier der Vergütungsanspruch nicht nur nach 1 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149; BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 36/09, DB 2010, 2805; BAG v. 25.8.2010 – 10 AZR 275/09, NZA 2010, 1355; Roloff in HWK, § 308 BGB Rz. 4; Stoffels, ZfA 2009, 861 (866). 2 Annuß, BB 2002, 458 (462); a.A. Däubler, NZA 2001, 1329 (1336). 3 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149; BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 36/09, DB 2010, 2805; BAG v. 25.8.2010 – 10 AZR 275/09, NZA 2010, 1355. 4 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149. 5 BT-Drucks. 19/3452 S. 20. 6 BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 3/14, NZA 2015, 1457. 7 BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 3/14, NZA 2015, 1457.
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III. Die einzelnen Klauselverbote des § 308 BGB | § 308
dem Gesetz entfallen oder abgesenkt werden, greift wohl auch § 308 Nr. 4 BGB oder § 307 Abs. 1 BGB in Bezug auf die Veränderung der Vergütungsabrede. cc) Änderungsvorbehalt und Änderungskündigung § 308 Nr. 4 BGB findet keine Anwendung auf die Änderungskündigung, ins- 39 besondere nicht auf das Angebot der geänderten Arbeitsbedingungen. Zwar steht bei den Vorgaben für eine Änderungskündigung nach § 2 KSchG – wie bei § 308 Nr. 4 BGB – der Vertragsinhaltsschutz im Vordergrund.1 Und obwohl eine Änderungskündigung auf die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen zielt, enthält sie doch eine „echte“ Beendigungskündigung und nicht nur den (isolierten) Widerruf eines Vertrags- oder Vergütungsbestandteils. Die Änderungskündigung kann zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen, wenn der Arbeitnehmer unter den geänderten Arbeitsbedingungen nicht weiterarbeiten will und gegen die Beendigungskündigung nicht oder ohne Annahme unter Vorbehalt ohne Erfolg vorgeht. Demgegenüber wird der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht in Frage gestellt, wenn der Arbeitgeber von einem vereinbarten Recht i.S.v. § 308 Nr. 4 BGB Gebrauch macht. b) Grundzüge der Inhaltskontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB § 308 Nr. 4 BGB enthält kein generelles Verbot, Vergütungsbestandteile unter 40 dem Vorbehalt der Änderung zu versprechen. Ein bestimmter Teil der Vergütung darf grundsätzlich widerruflich vereinbart werden. Insoweit erkennt die Vorschrift das Interesse des Verwenders und damit des Arbeitgebers an, die von ihm zu erbringende Leistung flexibel auszugestalten.2 Der zu den Grundelementen des Vertragsrechts gehörende Satz, dass Verträge bindend sind („pacta sunt servanda“), würde jedoch ausgehöhlt, wenn Widerrufsvorbehalte unbegrenzt zulässig wären und der Arbeitgeber sein Wirtschaftsrisiko weitgehend auf den Arbeitnehmer verlagern dürfte. § 308 Nr. 4 BGB will daher die Vertragsbindung grundsätzlich erhalten und nur in Ausnahmefällen eine Abweichung zulassen.3 Der Arbeitnehmer muss die zugesagten Dienste nur dann weiterhin leisten, ohne die ihm ursprünglich versprochene Vergütung in voller Höhe beanspruchen zu können, wenn ihm das zumutbar ist. Wird dem Arbeitgeber das Recht eingeräumt, einseitig einen Anspruch des Arbeitnehmers auf eine höhere Vergütung endgültig zu begründen, fällt dieser Vorbehalt der Erhöhung der eigenen Leistung erkennbar nicht in den Schutzbereich des § 308 Nr. 4 BGB.4 Die Klausel benachteiligt den Arbeitnehmer nicht. Das kann anders sein, wenn die Zusage nur befristet oder mit einem eigenständigen Widerrufsvorbehalt erfolgt (§ 307 Rz. 147 ff.). 1 2 3 4
Kreft in KR, § 2 KSchG Rz. 6. BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465. Dammann in WLP, § 308 Nr. 4 Rz. 1. BAG v. 9.11.2005 – 5 AZR 351/05, DB 2006, 1061.
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit 41 Buchstaben j) und k) des Anhangs der Klausel-RL mit engem Bezug zu § 308
Nr. 4 BGB bestimmen, dass Klauseln missbräuchlich sind, wenn der Gewerbetreibende die Vertragsklauseln einseitig ohne triftigen und im Vertrag aufgeführten Grund ändern oder der Gewerbetreibende die Merkmale des zu liefernden Erzeugnisses oder der zu erbringenden Dienstleistung einseitig ohne triftigen Grund ändern kann. Hieraus folgt, dass die Klausel in zweierlei Hinsicht kontrolliert wird: die hinreichend konkrete formale Angabe der Gründe für die Änderung in der Klausel1 und die inhaltliche Zumutbarkeit der Änderung der Leistung2.
aa) Kontrolle der Klausel 42 § 308 Nr. 4 BGB bezweckt und gewährleistet, dass bereits die Vorbehaltsklausel
im Rahmen einer Angemessenheitskontrolle und nicht erst die Ausübung des Vorbehalts inhaltlich überprüft werden.3 Bei dieser Kontrolle ist grundsätzlich auf die Möglichkeiten abzustellen, die der Änderungsvorbehalt dem Arbeitgeber einräumt.4 Das Klauselverbot in § 308 Nr. 4 BGB missbilligt bereits das Stellen eines inhaltlich zu weit gehenden Vorbehalts und nicht erst den unangemessenen Gebrauch der Vorbehaltsklausel im konkreten Einzelfall. Rechtsunwirksam sind auch solche Änderungsvorbehalte, die in ihrem Übermaßteil in zu beanstandender Weise ein Risiko regeln, das sich im konkreten Einzelfall nicht realisiert hat.5 Ist eine Widerrufsklausel zu weit gefasst, kommt es deshalb grundsätzlich nicht darauf an, ob durch den Widerruf die Austauschbeziehung grundlegend gestört wird und dies für den Arbeitnehmer unzumutbar ist (zu denkbaren Ausnahmen vgl. Rz. 71). Kann sich allerdings ein bestimmter Regelungsgehalt der Klausel von Anfang an nicht realisieren, scheidet eine Unangemessenheit regelmäßig aus. bb) Vertragsinhaltsschutz (1) Rechtslage vor der Schuldrechtsreform
43 Schon vor der Geltung des AGB-Rechts6 für Arbeitsverträge war anerkannt,
dass der Arbeitgeber eine versprochene Leistung nicht nach freiem Ermessen oder gar nach Belieben widerrufen darf.7 Kontrolliert wurde, ob die Ausübung
1 2 3 4
Roloff in Erman, § 308 Rz. 34. Roloff in Erman, § 308 Rz. 33. Coester-Waltjen in Staudinger, § 308 Nr. 4 Rz. 1. BAG v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, NZA 2011, 634; BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428. 5 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042. 6 Zu Änderungsvorbehalten vor der Schuldrechtsreform vgl. Franzen in GS Zachert (2010), S. 386 (387 f.). 7 BAG v. 13.5.1987 – 5 AZR 125/86, NZA 1988, 95.
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III. Die einzelnen Klauselverbote des § 308 BGB | § 308
des Änderungsvorbehalts sich als Umgehung des Vertragsinhaltsschutzes nach § 2 KSchG darstellte. Auch durften die Grenzen der Billigkeit nach § 315 BGB nicht überschritten werden.1 Damit waren Widerrufsvorbehalte grundsätzlich zulässig. Das BAG hatte in dem Widerruf einer übertariflichen Leistungszulage i.H.v. knapp 25 % des Tarifstundenlohns noch keine Umgehung des Kündigungsschutzes gesehen.2 Auch den Widerruf einer tätigkeitsgebundenen Zulage i.H.v. 15 % der Gesamtbezüge hat es nicht beanstandet.3 Eine Umgehung des Inhaltsschutzes wurde angenommen, wenn wesentliche Elemente des Arbeitsvertrags einer einseitigen Änderung durch den Arbeitgeber unterliegen sollten, das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung grundlegend gestört wurde und somit der Kernbereich des Arbeitsverhältnisses betroffen war. Bei Arbeitnehmern in Spitzenpositionen mit entsprechenden Verdiensten konnte ein größerer Teil der Vergütung unter einen Widerrufsvorbehalt gestellt werden als bei Durchschnittsverdienern.4 Verlässliche Grundsätze dafür, unter welchen Voraussetzungen ein Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses vorliegt, hatte die Rechtsprechung nicht aufgestellt.5 Darauf, ob die Änderungsmöglichkeit die vom Arbeitgeber versprochene Vergütung oder die vom Arbeitnehmer geschuldete Arbeitsleistung betraf, kam es nicht an. (2) Neue Rechtslage – § 308 Nr. 4 BGB § 308 Nr. 4 BGB bezweckt, dass der Verwender der AGB sich der eingegangenen 44 Verpflichtung nicht entzieht, wenn dies für seinen Vertragspartner nicht zumutbar ist.6 Da dies vor der Schuldrechtsreform auch die auf die Umgehung des Kündigungsschutzes bezogene Kontrolle verhindern wollte, konnte der 5. Senat des BAG in seinem Urteil vom 12.1.20057 an diese Überprüfung anknüpfen.8 Der Vertragsinhaltsschutz nach § 2 KSchG ist insofern weiterhin für die Zulässigkeit des Eingriffs in den Arbeitsvertrag von Bedeutung. Allerdings kommt es bei der Kontrolle am Maßstab des § 308 Nr. 4 BGB nicht auf die Anwendbarkeit des KSchG und damit nicht auf eine Umgehung des Vertragsinhaltsschutzes nach § 2 KSchG an.9 Diese Wertung wird seit dem 1.1.2019 durch die Regelung in § 12 Abs. 2 TzBfG nachhaltig bestärkt (vgl. Rz. 32).10 In der Literatur wird 1 BAG v. 15.11.1995 – 2 AZR 521/95, NZA 1996, 603; BAG v. 7.10.1982 – 2 AZR 455/80, DB 1983, 1368. 2 BAG v. 13.5.1987 – 5 AZR 125/86, NZA 1988, 95. 3 BAG v. 15.11.1995 – 2 AZR 521/95, NZA 1996, 603. 4 BAG v. 28.5.1997 – 5 AZR 125/96, NZA 1997, 1160. 5 Kriebitzsch, S. 167. 6 Coester-Waltjen in Staudinger, § 308 Nr. 4 Rz. 2. 7 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465. 8 Zur Bedeutung dieses Urteils vgl. Hümmerich, BB 2007, 1498 f. 9 Roloff in HWK, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 27. 10 Vgl. BT-Drucks. 19/3452, S. 20.
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit teilweise die Auffassung vertreten, eine Inhaltskontrolle gemäß § 308 Nr. 4 BGB dürfe nur erfolgen, wenn eine Kündigung durch den Arbeitgeber den Beschränkungen der §§ 1, 2 KSchG unterliege, weil es ein erheblicher Widerspruch wäre, wenn der Arbeitgeber in der Möglichkeit, einen Widerrufsvorbehalt zu vereinbaren, eingeschränkt wäre, andererseits aber das Arbeitsverhältnis jederzeit kündigen könnte, wenn der Arbeitnehmer sich weigere, einem Änderungsvertrag zuzustimmen.1 § 308 Nr. 4 BGB bindet die Inhaltskontrolle jedoch nicht daran, dass der Klauselverwender sich nur unter bestimmten Voraussetzungen vom Vertrag lösen kann. Mit Recht hat der 5. Senat des BAG deshalb für die Inhaltskontrolle nicht darauf abgestellt, ob im Laufe des Arbeitsverhältnisses schon oder noch Kündigungsschutz besteht. 45 Bezüglich des von § 308 Nr. 4 BGB verfolgten Vertragsinhaltsschutzes hat der
5. Senat des BAG2 in Bezug auf Widerrufsvorbehalte des Arbeitgebers konkrete Vorgaben dazu gemacht, unter welchen Voraussetzungen ein Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses vorliegt. Allerdings sind die aufgezählten Widerrufsgründe noch entwicklungsfähig (vgl. Rz. 82 ff.).3 Die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts ist nur zulässig, wenn der widerrufliche Anteil am Gesamtverdienst unter 25–30 % liegt und der Tariflohn nicht unterschritten wird – sog. widerrufsfester Kernbereich4. Im Urteil vom 11.10.20065 ist der Grundsatz bestätigt und klargestellt worden, dass der widerrufliche Teil der Vergütung, sofern er im Gegenseitigkeitsverhältnis steht, unter 25 % des Gesamtverdienstes liegen muss. Sind darüber hinaus Zahlungen des Arbeitgebers widerruflich, die keine unmittelbare Gegenleistung für die Arbeitsleistung darstellen, sondern Ersatz für Aufwendungen, die an sich der Arbeitnehmer selbst tragen muss, erhöht sich der widerrufliche Teil der Arbeitsvergütung auf bis zu 30 % des Gesamtverdienstes.6 Man wird zur Berechnung der Prozentangaben auf den Gesamtverdienst und damit auf sämtliche Vergütungsbestandteile abstellen müssen.7 c) Versprochene Leistung des Arbeitgebers i.S.v. § 308 Nr. 4 BGB aa) Grundsätze
46 § 308 Nr. 4 BGB erfasst Leistungsänderungs- und Leistungsabweichungsvor-
behalte des Verwenders und damit nur Vorbehalte des Arbeitgebers, die sich auf eine Änderung oder Abweichung, nicht aber eine bloße Konkretisierung der
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So Raab in FS Birk (2008), S. 559 (679). BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465. Hümmerich, BB 2007, 1498 (1499). Roloff in HWK, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 57. BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87. BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; Roloff in HWK, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 57. 7 Roloff in HWK, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 57.
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III. Die einzelnen Klauselverbote des § 308 BGB | § 308
Leistung beziehen. Da nach § 107 Abs. 1 GewO das Arbeitsentgelt in Euro zu berechnen und auszuzahlen ist, bedarf es in der Regel keiner Konkretisierung der vom Arbeitgeber zugesagten Arbeitsvergütung. Um eine bloße Konkretisierung der versprochenen Leistung des Arbeitgebers kann es sich allerdings handeln, wenn Sachbezüge i.S.v. § 107 Abs. 2 Satz 1 GewO als Teil der Vergütung des Arbeitnehmers vereinbart sind, z.B. die Überlassung eines Fahrzeugs einer bestimmten Klasse. Zur versprochenen Leistung zählen nicht nur die Art und die Höhe der Leistung. Auch Leistungsmodalitäten werden erfasst, nicht jedoch die Unterwerfung unter fremde Gestaltungsmacht. So beinhaltet eine Verweisungsklausel nur dann ein Vertragsänderungsrecht des Arbeitgebers, wenn sie externe Regelungen in ihrer jeweiligen Fassung in Bezug nimmt, die der Arbeitgeber als solcher einseitig aufstellen oder ändern kann.1 Ob dem Anwendungsbereich des § 308 Nr. 4 BGB nur die vom Verwender ver- 47 sprochene Leistung unterfällt2 oder auch auf die vom Verwendungsgegner geschuldete Gegenleistung,3 ist differenziert zu lösen. Das BAG hält die Vorschrift nur hinsichtlich der vom Arbeitgeber zugesagten Vergütung, nicht jedoch für Änderungen der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, für anwendbar (vgl. Rz. 35 ff.). bb) Art der Leistung § 308 Nr. 4 BGB beschränkt die Inhaltskontrolle nicht auf bestimmte Leistungs- 48 vorbehalte. Die Vorschrift erfasst damit alle Änderungs- und Abweichungsvorbehalte, die sich auf Haupt- oder Nebenleistungen des Verwenders beziehen. Im Arbeitsverhältnis begrenzt sie damit die Möglichkeit des Arbeitgebers, sich einseitig der Verpflichtung zur Zahlung der vereinbarten Vergütung zu entziehen. Sie greift nicht nur bei in Euro zu berechnendem und auszuzahlendem Arbeitsentgelt ein. Änderungs- und Abweichungsvorbehalte unterfallen dem Anwendungsbereich der Norm auch dann, wenn sie sich auf vom Arbeitgeber versprochene Naturalleistungen beziehen. In der Praxis ist dies vor allem bei der Dienstwagenüberlassung der Fall.4 Auch die Gewährung weiterer Urlaubstage zusätzlich zum gesetzlichen Urlaub kann grundsätzlich unter Widerrufsvorbehalt gestellt werden.5 1 BAG v. 14.12.2011 – 5 AZR 457/10, NZA 2012, 663. 2 So H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 4 Rz. 4; Ebeling, S. 133 ff.; Hofmann, S. 149; Dammann in WLP § 308 Nr. 4 Rz. 6; Benecke, Anm. zu BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, AP BGB § 307 Nr. 17; Lindemann, ArbuR 2004, 201 (204); Annuß, BB 2002, 458 (462); Schnitker/ Grau, BB 2002, 2120 (2124). 3 So Coester-Waltjen in Staudinger, § 308 Nr. 4 Rz. 5; Däubler, NZA 2001, 1329 (1336); Kriebitzsch, S. 170 f. 4 Vgl. BAG v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, NZA 2007, 809; BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943; BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 1756. 5 Linck/Schütz in FS Leinemann (2006), S. 171 (179 f.).
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit cc) Höhe der Leistung 49 Das Ausmaß der unter Vorbehalt gestellten Leistungen ist nicht für die An-
wendung des § 308 Nr. 4 BGB, sondern für die Beurteilung von Bedeutung, ob die Änderung oder Abweichung für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf die absolute Höhe der Leistungen an, auf die sich der Änderungsvorbehalt bezieht. Maßgebend für die Frage der Zumutbarkeit ist vielmehr, inwieweit sich die vorbehaltene Änderung oder Abweichung auf die Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung auswirkt. Dies hat zur Folge, dass bei hohen Vergütungen grundsätzlich ein dem absoluten Betrag nach höherer Teil der Arbeitsvergütung mit einem Änderungsvorbehalt verbunden werden kann (vgl. Rz. 45). dd) Widerruf und tarifliche Leistungen – „Tarifniveau“ als Untergrenze?
50 Der 5. Senat des BAG1 bindet die Zulässigkeit eines Widerrufsvorbehalts daran,
dass der Tariflohn nicht unterschritten wird. Der Arbeitgeber ist danach nur dann bis zur Grenze der Willkür frei, die Voraussetzungen des Anspruchs festzulegen und dementsprechend auch den Widerruf zu erklären, wenn er dem Arbeitnehmer zusätzlich zum „üblichen Entgelt“ eine Leistung verspricht. Der 1. Senat des BAG hat diese Formulierung in seiner neueren Rechtsprechung ausdrücklich aufgegriffen und festgestellt, dass dem Arbeitnehmer nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nach dem Widerruf eine „tarifliche Vergütungshöhe“ verbleibt.2 Allerdings blieb mangels Tarifbindung des Arbeitgebers in dem betroffenen Verfahren unklar, auf welcher Tatsachengrundlage diese Annahme der Vorinstanzen und des 1. Senats bejaht werden konnte und damit, worauf sich die tarifliche Vergütungshöge bezog. Ob hieraus abgeleitet werden kann,3 die Tarifgrenze im Sinne dieser Rechtsprechung betreffe nur die Ausübung des Widerrufsrechts, ist offen.
51 Diese Voraussetzung ist im Schrifttum unterschiedlich verstanden worden.4
Dass alle Vergütungsbestandteile oberhalb des Tarifniveaus frei widerruflich sind, kann aus den Entscheidungen des 1. und 5. Senats des BAG jedenfalls nicht gefolgert werden.5 Dieser Annahme steht bereits entgegen, dass der 1. und 5. Senat des BAG die Zulässigkeit eines Widerrufs nicht ausschließlich an die Einhaltung des Tarifniveaus als Untergrenze, sondern auch daran geknüpft haben, dass der widerrufliche Anteil am Gesamtverdienst unter 25–30 % liegt.6 Die Urteilsbegründung lässt zwar offen, ob die Tarifgrenze auch für nicht tarif1 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87. 2 BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777. 3 So Stoffels, NZA 2017, 1217 (1219). 4 Ausführlich zuletzt Stoffels, NZA 2017, 1217 m.w.N. 5 So aber wohl Preis/Lindemann, AuR 2005, 227 (230). 6 Bayreuther, ZIP 2007, 2009 (2010).
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gebundene Parteien gelten soll. Davon ist jedoch auszugehen.1 Es kann nicht angenommen werden, dass der 1. und der 5. Senat des BAG mit der Bindung der Zulässigkeit des Widerrufs an das Tarifniveau als Untergrenze nur die Selbstverständlichkeit zum Ausdruck bringen wollten, dass Rechtsnormen, die den Inhalt des Arbeitsverhältnisses ordnen, nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG zwischen den beiderseits Tarifgebundenen unmittelbar und zwingend gelten. Gegen ein solches Verständnis spricht auch, dass der 5. Senat des BAG auf eine vom Arbeitgeber zusätzlich zum „üblichen Entgelt“ versprochene Leistung abgestellt hat. Der Schutzzweck des § 308 Nr. 4 BGB erfordert es allerdings nicht, dass bei der 52 Ausübung des Vorbehalts der – nicht zwingend geltende – Tariflohn nicht unterschritten wird. Für den Grundsatz, dass bei der Flexibilisierung von Entgeltbestandteilen dem Arbeitnehmer stets eine tariflich vorgesehene Vergütung verbleiben muss,2 gibt es keine ausreichende rechtliche Grundlage, wenn ein tarifliches Vergütungssystem mangels beiderseitiger Tarifgebundenheit, Allgemeinverbindlichkeit oder gesetzlicher Erstreckung keine Anwendung findet.3 Selbst wenn keine „kalte“, mit Art. 9 Abs. 3 GG unvereinbare Tarifbindung angenommen wird,4 liegt die Tarifgrenze doch auch nicht ausschließlich im Interesse von Arbeitnehmern. Sie hindert einen Arbeitgeber, untertarifliches Entgelt unter dem Vorbehalt des Widerrufs über das Tarifniveau anzuheben. Auch ist es nicht ausgeschlossen, dass in einem Betrieb nicht nur ein tarifliches Vergütungssystem Anwendung findet und angesichts der Vielzahl möglicher Fallgestaltungen die Feststellung, ob „das“ Tarifniveau unterschritten wird, jedenfalls mit Schwierigkeiten verbunden ist. Die pauschale Einschränkung, dass das Tarifniveau oder das „übliche Entgelt“ nicht unterschritten werden darf, sollte aufgegeben werden, jedenfalls soweit einschlägige Tarifverträge im konkreten Fall fehlen oder nicht angewandt werden.5 ee) Übertarifliche Leistungen Ein nicht zulässiger Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses kann 53 auch vorliegen, wenn das Tarifniveau gewahrt bleibt.6 Dies ist grundsätzlich dann der Fall, wenn der widerrufliche, im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Teil des Gesamtverdienstes über 25 % liegt.7 Für „Spitzenverdiener“ gelten keine anderen Grundsätze,8 insbesondere kann nicht anhand des Tarifniveaus defi1 2 3 4 5 6 7 8
Benecke, AuR 2006, 337 (339). So aber Preis/Lindemann, NZA 2006, 632 (635). Abl. auch Bayreuther, ZfA 2011, 45 (53); Stoffels, NZA 2017, 1217 (1219). Bayreuther, ZIP 2007, 2009 (2010). Franzen in GS Zachert (2010), S. 386 (394). Bergwitz, Anm. zu BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, AP BGB § 308 Nr. 1. BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87. Willemsen/Grau, NZA 2005, 1137 (1139); a.A. Thüsing/Mengel, Flexibilisierung von Arbeitsbedingungen und Entgelt, 2005, S. 22.
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit niert werden, wann ein Spitzenverdienst vorliegt. Maßgebend ist, dass die Arbeitsvertragsparteien, wenn sie übertarifliche Leistungen des Arbeitgebers vereinbaren, die gesamte Vergütung einschließlich ihrer übertariflichen Bestandteile als marktgerechte Vergütung auffassen.1 ff) Leistungsversprechen des Arbeitgebers 54 Große Bedeutung für den Anwendungsbereich des § 308 Nr. 4 BGB hat der
Begriff der „versprochenen Leistung“. Im Zusammenhang mit dem Abschluss von Verträgen hat das Wort „versprechen“ die Bedeutung von „verbindlich erklären“, „zusagen“, „zusichern“. Beim Abschluss eines Arbeitsvertrags verspricht der Arbeitgeber die Zahlung der vereinbarten Vergütung. (1) Unter Vorbehalt versprochene Leistung
55 Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien bestimmte Vergütungsbestandteile un-
ter einem Änderungs- oder Widerrufsvorbehalt, fehlt es regelmäßig nicht an einer versprochenen Leistung des Arbeitgebers. Die Klausel ist aus der Sicht des verständigen Vertragspartners dahin auszulegen, dass ein Leistungsversprechen vorliegt. Der Vorbehalt des Widerrufs hindert dann nämlich nicht die Entstehung eines Anspruchs des Arbeitnehmers auf die ihm zugesagten Vergütungsbestandteile, sondern ermöglicht allein dessen Wegfall aufgrund Widerrufs oder Änderungserklärung. Der Widerruf setzt damit sprachlich und logisch das Versprechen einer Leistung voraus, die widerrufen werden kann.
(2) Freiwillige Leistung bzw. Freiwilligkeitsvorbehalt 56 Ein Freiwilligkeitsvorbehalt ist kein Änderungsvorbehalt i.S.v. § 308 Nr. 4 BGB,2
da er zunächst kein verbindliches Leistungsversprechen enthält. Mit einem klar und verständlich formulierten Vorbehalt, der jeden Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf künftige Leistungen ausschließt, artikuliert der Arbeitgeber seinen fehlenden Rechtsfolgewillen.3 Es fehlt deshalb für die Zukunft an einem Leistungsversprechen. Freiwilligkeitsvorbehalte zeichnen sich damit im Gegensatz zu Widerrufsvorbehalten dadurch aus, dass es eine geschuldete Leistung des Arbeitgebers von vornherein nicht gibt.4 Mangels Anspruchs des Arbeitnehmers ist kein Raum für eine Kontrolle der Einstellung oder Änderung einer Leistung.5 1 Bergwitz, Anm. zu BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, AP BGB § 308 Nr. 1; Preis in FS BAG (2004), S. 123 (142). 2 Zu Freiwilligkeitsvorbehalten im Lichte von allgemeiner Rechtsgeschäftslehre und AGBKontrolle eingehend Krause in FS Bauer (2010), S. 577 ff. 3 Krause in FS Bauer (2010), S. 577 (584); Sprenger, BB 2007, 1902 (1903); Hümmerich, BB 2007, 1498 (1501). 4 Franzen in GS Zachert, S. 386 (395); Wank, NZA-Beilage 2/2012, 41 (44). 5 Vgl. Leder, RdA 2010, 93 (96); Schrader/Müller, RdA 2007, 145 (149).
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Wenn ohne Rechtspflicht gezahlt wurde, kann der Arbeitnehmer nicht auf Einhaltung einer Rechtspflicht klagen.1 Der 10. Senat des BAG2 kontrolliert auf Sonderzahlungen bezogene Freiwilligkeitsvorbehalte des Arbeitgebers deshalb nicht am Maßstab des § 308 Nr. 4 BGB und hält sie grundsätzlich für zulässig. Nach der Rechtsprechung des 5. Senats des BAG3 sind Freiwilligkeitsvorbehalte bei laufenden Zahlungen des Arbeitgebers indes unwirksam. Er hat die Grundwertung des § 308 Nr. 4 BGB im Rahmen der Inhaltskontrolle eines Freiwilligkeitsvorbehalts bei einer monatlich zu zahlenden Leistungszulage gemäß § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB herangezogen und darauf hingewiesen, dass ein arbeitsvertraglicher Widerrufsvorbehalt, wonach freiwillige Leistungen „jederzeit unbeschränkt“ widerrufen werden können, gemäß § 308 Nr. 4 BGB unwirksam ist.4 Mangels Leistungsversprechens scheidet ein Verstoß gegen den Grundsatz 57 „pacta sunt servanda“ (Verträge sind einzuhalten) bei Freiwilligkeitsvorbehalten aus.5 Die Erklärung des Arbeitgebers, dass die Leistung freiwillig erfolgt und mit ihr kein Rechtsanspruch auf künftige Leistungen begründet wird, kann als einheitlicher Erklärungstatbestand nicht in ein unbedingtes Vertragsangebot einerseits und eine Rechtsbindungsausschlussklausel andererseits aufgespalten werden.6 Nach allen Gesetzen der Logik kann es keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Vertragsbindung darstellen, wenn der Erklärende lediglich den Umfang seines Bindungswillens klarstellen und damit die Entstehung vertraglicher Bindungen infolge einer Fehlinterpretation seines tatsächlichen Verhaltens verhindern will.7 Allerdings sind Leistungsversprechen und Freiwilligkeitsklauseln typisierend aus der Sicht eines verständigen Vertragspartners insgesamt auszulegen, ggf. sind Unklarheiten zulasten des Verwenders nach § 305c Abs. 2 BGB aufzulösen. Eine Formulierung, nach der vom Arbeitgeber ein bestimmter Bonus oder eine Gratifikation gezahlt wird oder der Arbeitnehmer einen Bonus oder eine Gratifikation erhält, ist typisch für die Begründung eines Entgelt1 Thüsing/Mengel, S. 19. 2 BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 10.1.2008 – 10 AZR 1/08, DB 2009, 684; BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 535; BAG v. 20.1.2010 – 10 AZR 914/08, NZA 2010, 445. 3 BAG v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853. 4 BAG v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853; Roloff in HWK, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 31. 5 BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; so auch ein Großteil des Schrifttums, vgl. Gaul in FS Hromadka (2008), S. 99 (100); Hanau, ZIP 2005, S. 1661 (1666); Hanau/Hromadka, NZA 2005, S. 73; Hümmerich, BB 2007, 1498 (1501); Junker in FS Buchner (2009), S. 369 (382); Krause in FS Bauer (2010), S. 577 (584); Kriebitzsch, S. 169; Ricken, DB 2006, 1372 (1373); Sprenger, BB 2007, 1902 (1903); Schmitt-Rolfes, AuA 2008, 71; Thüsing, Rz. 268; Thüsing/Leder, BB 2005, 1563 (1567 f.); Ulrici, BB 2005, 1902 (1903); Brühler, JbArbR, Bd. 46, S. 23 (29 f.). 6 Krause in FS Bauer (2010), S. 577 (584). 7 Raab in FS Birk (2008), S. 659 (684).
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit anspruchs.1 Ein solches Leistungsversprechen kann dann nicht mehr unter den Vorbehalt der Freiwilligkeit gestellt werden. Die Klausel wird nicht besser, wenn die konkrete Leistung nicht nur freiwillig, sondern auch widerruflich zugesagt wird.2 Man sollte allerdings erwägen, diese Auslegung kritisch zu hinterfragen, da die Freiwilligkeit das konkretisierte Leistungsversprechen auch aus der Sicht des verständigen Arbeitnehmers hinreichend deutlich aufheben kann. 58 Das Argument, die Flexibilisierungsinstrumente Widerrufs- und Freiwilligkeits-
vorbehalt müssten zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen harmonisiert werden – Freiwilligkeitsvorbehalte seien daher hinsichtlich der Inhaltskontrolle wie Widerrufsvorbehalte zu behandeln,3 vermag die von § 308 Nr. 4 BGB geforderte versprochene Leistung des Arbeitgebers nicht zu ersetzen. Für eine Angemessenheitskontrolle von Freiwilligkeitsvorbehalten anhand dieser Vorschrift gibt es keine rechtliche Grundlage. Widerrufsvorbehalte bei zugesagten Leistungen und Freiwilligkeitsvorbehalte, die jeden Rechtsanspruch des Arbeitnehmers für künftige Bezugszeiträume ausschließen, sind unterschiedliche, auch rechtsdogmatisch nicht vergleichbare Flexibilisierungsinstrumente.4 Wenn die Kontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB, ob dem Arbeitnehmer der Widerruf einer ihm vom Arbeitgeber versprochenen Leistung zumutbar ist, einen Widerruf der Leistung nach freiem Ermessen des Arbeitgebers ausschließt, kann daraus nicht abgeleitet werden, dass auch die Einstellung einer nicht versprochenen Leistung nach dieser Norm auf Angemessenheit überprüft werden muss. Dies würde nicht nur eine Überdehnung des AGB-Rechts bedeuten, sondern auch den Grundsätzen der Privatautonomie zuwiderlaufen.5
59 Nach der Entscheidung des 10. Senats des BAG vom 14.9.20116 benachteiligt ein
vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt, der alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund erfasst, den Arbeitnehmer regelmäßig unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB und ist deshalb unwirksam. Damit hat der 10. Senat des BAG die Anforderungen an einen Freiwilligkeitsvorbehalt erheblich verschärft und letztlich den vertraglichen Freiwilligkeitsvorbehalt insgesamt in Frage gestellt.7 Jedoch hat der 10. Senat des
1 BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NAZ 2008, 1173. 2 BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81. 3 Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 70 Rz. 47; Bonin in DBD, § 307 Rz. 198; Greiner in JbArbR, Bd. 45, S. 97 (106); wohl auch Singer, Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen, 2006, S. 22 f.; Singer, RdA 2008, 246 (247 f.); Strick, NZA 2005, 723 (725); Wiedemann, RdA 2009, 186 (189). 4 Maties, DB 2005, 2689 (2694). 5 Hanau/Hromadka, NZA 2005, 73 (75); Maties, Anm. zu BAG v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/06, AP BGB § 308 Nr. 7. 6 BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 10; zust. Preis/Sagan, NZA 2012, 697 (701 f.). 7 Hromadka, DB 2012, 1037; Crisolli/Zaumseil, BB 2012, 1281; Schmitt-Rolfes, AuA 2012, 199.
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BAG im Urteil vom 14.9.2011 ausdrücklich daran festgehalten, dass es an einer versprochenen Leistung i.S.v. § 308 Nr. 4 BGB fehlt und der Arbeitgeber grundsätzlich in seiner Entscheidung frei bleibt, ob und unter welchen Voraussetzungen er zum laufenden Arbeitsentgelt eine zusätzliche Leistung erbringen will, wenn es einen klar und verständlich formulierten Freiwilligkeitsvorbehalt gibt.1 Allerdings muss nach der neuen Rechtsprechung des 10. Senats des BAG zusätzlich auf den Vorrang einer Individualabrede gemäß § 305b BGB hingewiesen werden.2 Dem liegt das Verständnis zugrunde, dass mit wiederholten Leistungen des Arbeitgebers auch die konkludente Erklärung verbunden sein kann, sich auch für die Zukunft verpflichten zu wollen.3 Für die Annahme eines solchen stillschweigenden, in die Zukunft gerichteten Verpflichtungswillens des Arbeitgebers fehlt freilich auch aus der Sicht des Arbeitnehmers eine ausreichende Grundlage, wenn der Arbeitgeber diesem ausdrücklich erklärt hat, dass auch wiederholte Leistungen keinen Rechtsanspruch begründen.4 Der Hinweis auf den Vorrang der Individualabrede nach § 305b BGB überzeugt in diesem Zusammenhang, da auch ausdrückliche Vereinbarungen von der Klausel erfasst werden – wie bei Schriftformklauseln, auf die der Senat zutreffend hinweist. Der Vorrang der Individualabrede ist keine „Allzweckwaffe“ gegen unliebsame Klauseln,5 sondern ein Grundgedanke des AGB-Rechts.6 Der Arbeitgeber sollte es daher nicht bei einem globalen Freiwilligkeitsvorbehalt im Arbeitsvertrag belassen, sondern entweder den Arbeitnehmer vor jeder Sonderzahlung erneut auf die Einmaligkeit der Leistung oder den fehlenden Bindungswillen so hinweisen, dass er den Freiwilligkeitsvorbehalt auch beweisen kann, oder den Freiwilligkeitsvorbehalt allein auf bestimmte Leistungen beschränken oder auf solche Ansprüche beziehen, die durch betriebliche Übung entstehen könnten.7 d) Recht zur einseitigen Leistungsänderung aa) Abänderung oder Abweichung von Leistungen – Anrechnungsvorbehalt Wird mit der Rechtsprechung des BAG (vgl. Rz. 35) angenommen, dass § 308 60 Nr. 4 BGB nur vom Arbeitgeber versprochene Leistungen erfasst, hat die Unterscheidung zwischen dem Vorbehalt der Abänderung und dem Vorbehalt der Abweichung im Arbeitsverhältnis keine große Bedeutung. Unter einer Leistungsänderung wird eine andere Beschaffenheit oder Menge der versprochenen 1 BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 10. 2 Vgl. zur berechtigten Kritik an diesem Erfordernis Crisolli/Zaumseil, BB 2012, 1281 (1282). 3 So auch Preis/Sagan, NZA 2012, 697 (701). 4 Bayreuther, ZfA 2011, 45 (47). 5 Crisolli/Zaumseil, BB 2012, 1281 (1282). 6 Roloff, NZA 2004, 1191 (1195 f.). 7 Vgl. zu Schriftformklauseln BAG v. 20.5.2008 – 9 AZR 382/07, NZA 2008, 1233.
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit Leistung verstanden, unter einer Abweichung von der versprochenen Leistung eine andere Leistung überhaupt.1 In aller Regel wird sich der Vorbehalt des Arbeitgebers auf den Umfang und das Ausmaß seiner Vergütungspflicht und damit auf bestimmte Bestandteile der Vergütung beziehen. In diesem Fall handelt es sich um einen Änderungsvorbehalt. Allerdings ist auch denkbar, dass sich ein Arbeitgeber im Wege des Abweichungsvorbehalts das Recht einräumen lässt, statt einer vereinbarten Naturalvergütung als Teil des Arbeitsentgelts eine höhere oder geringere Arbeitsvergütung in Euro zu gewähren. 61 Ein Anrechnungsvorbehalt, der dem Arbeitgeber das Recht gibt, eine Leistung,
z.B. eine Zulage, bei einer Erhöhung des Tarifentgelts maximal im Umfang der Anhebung der tariflichen Vergütung zu kürzen, führt nicht zu einer Änderung der vom Arbeitgeber versprochenen Leistung. Es verschiebt sich nur das Verhältnis der tariflichen zu den übertariflichen Entgeltbestandteilen.2 Gewährt der Arbeitgeber eine Leistung unter dem Vorbehalt der Anrechnung, ohne dass Anrechnungsgründe näher bestimmt sind, kann die Anrechnungsklausel deshalb nicht gemäß § 308 Nr. 4 BGB unwirksam sein.3 Hiergegen lässt sich einwenden, dass sich die zusätzliche Leistung durch die Anrechnung isoliert verringert. Verfolgt sie etwa einen anderen Leistungszweck oder hängt sie von anderen Voraussetzungen als der von der Tariflohnerhöhung betroffene Entgeltbestandteil ab,4 kann sich mit der Anrechnung auch die Leistung selbst verändern. Ein Anrechnungsvorbehalt gewährt dem Arbeitgeber damit u.U. das Recht, die versprochene übertarifliche Zulage zu ändern.5 In diesen Fällen ist die Anwendung des § 308 Nr. 4 BGB zu erwägen. Es ist daher jedenfalls auf besonders transparente Vertragsgestaltung zu achten.6 bb) Dynamische Bezugnahme auf Arbeitsvertragsordnung
62 Wird im Arbeitsvertrag dynamisch auf einseitig vom Arbeitgeber ausgestaltete Ar-
beitsordnungen als AGB verwiesen und dem Arbeitgeber durch eine solche Jeweiligkeitsklausel eine umfassende Kompetenz zur Vertragsänderung eingeräumt, greift § 308 Nr. 4 BGB.7 Das BAG8 hat einen solchen „Megawiderrufsvorbehalt“9
1 H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 4 Rz. 4. 2 BAG v. 25.1.2017 – 4 AZR 517/15, NZA 2017, 1623; BAG v. 24.10.2017 – 1 AZR 346/16, NZA 2018, 957; BAG v. 19.4.2012 – 6 AZR 691/10, NZA-RR 2012, 525; BAG v. 16.5.2012 – 10 AZR 729/10; BAG v. 30.5.2006 – 1 AZR 111/05, NZA 2006, 1170. 3 BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, NZA 2006, 688. 4 Fuchs/Bieder in UBH, Anh. § 310 Rz. 70. 5 Bonin in DBD, § 308 Nr. 4 Rz. 49; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 65, 66: billiges Ermessen; Münder, jurisPR-ArbR 9/2018 Anm. 6. 6 Fuchs/Bieder in UBH, Anh. § 310 Rz. 70. 7 Roloff in HWK, § 308 BGB Rz. 4; Gaul/Ludwig, BB 2010, 55 (56 ff.). 8 BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428. 9 So Preis, NZA 2010, 361 (362).
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an § 308 Nr. 4 BGB gemessen und angenommen, dieser sei unwirksam. Darauf, dass nach der Berechnung des beklagten Arbeitgebers die geänderten vergütungsrelevanten Leistungen das Maß von 25 % der Gesamtvergütung nicht erreichten, kam es aufgrund der zu weit gefassten Änderungsklausel nicht an. Eine Verweisung auf die jeweils geltenden Regelungen für die betriebliche Al- 63 tersversorgung des Arbeitgebers hält nach Auffassung des 3. Senats des BAG nur dann einer Inhaltskontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB stand, wenn die in Bezug genommenen Änderungen den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Nur in diesem Fall ist der in der Jeweiligkeitsklausel liegende Änderungsvorbehalt für den Arbeitnehmer als Vertragspartner des Verwenders zumutbar. Dies beruht darauf, dass der Arbeitnehmer erwarten kann, für die durch seine Betriebszugehörigkeit bereits erbrachten Vorleistungen auch die ihm versprochene Gegenleistung zu erhalten, soweit dem nicht Gründe auf Seiten des Arbeitgebers entgegenstehen, die seine schützenswerten Interessen überwiegen.1 Diese Rechtsprechung vermengt die formalen Anforderungen an eine Klausel nach § 308 Nr. 4 BGB mit ihrer materiellen Inhaltskontrolle und nimmt eine ergänzende Vertragsauslegung, die im entschiedenen Fall wegen der im kirchlichen Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten hätte erwogen werden können, vorweg. Die Abänderungsmöglichkeit unter Beachtung der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit ist gerade nicht integraler Bestandteil der Jeweiligkeitsklausel. Einer ausdrücklichen Angabe von Änderungsgründen in der Jeweiligkeitsklausel selbst bedarf es regelmäßig.2 cc) Dynamische Bezugnahme auf Tarifverträge (1) Kleine dynamische Bezugnahme auf Tarifverträge Wird im Arbeitsvertrag im Wege der Globalverweisung dynamisch auf ein ge- 64 samtes einschlägiges Tarifwerk und damit auch auf das tarifliche Vergütungssystem verwiesen, kann dies dazu führen, dass sich die Vergütung des Arbeitnehmers verringert. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit angeschlagener Unternehmen Kosten reduziert werden sollen und dazu Sanierungstarifverträge abgeschlossen werden, die eine Verringerung oder Aussetzung bestimmter Leistungen vorsehen. Da nach § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB Tarifverträge Rechtsvorschriften i.S.v. § 307 Abs. 3 BGB gleichstehen, findet keine Inhaltskontrolle der Tarifvorschriften statt.3 Auch die Bezugnahmeklausel4 im Arbeitsvertrag unterliegt grundsätzlich keiner Kontrolle nach 1 BAG v. 14.7.2015 – 3 AZR 517/13, AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 71. 2 A.A. BAG v. 18.9.2012 – 3 AZR 415/10, AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 57. 3 BAG v. 23.9.2004 – 6 AZR 442/03, NZA 2005, 475; BAG v. 25.4.2007 – 10 AZR 634/06, NZA 2007, 875; Reinecke, BB 2006, 2637 (2643). 4 Zur AGB-Kontrolle von Tarifwechselklauseln vgl. Rz. 66; Bayreuther in FS Kreutz (2010), S. 29 ff.
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit § 308 Nr. 4 BGB.1 Die Bezugnahme bedeutet eine Unterwerfung unter fremde Gestaltungsmacht, die von § 308 Nr. 4 BGB nicht erfasst wird. Eine Verweisungsklausel beinhaltet nur dann ein Vertragsänderungsrecht des Arbeitgebers, wenn sie externe Regelungen in ihrer jeweiligen Fassung in Bezug nimmt, die der Arbeitgeber als solcher einseitig aufstellen oder ändern kann.2 65 Der Ausschluss jeder Inhaltskontrolle des Tarifvertrags setzt allerdings voraus,
dass auf einen einschlägigen und keinen branchenfremden Tarifvertrag verwiesen wird. Ausreichend ist die Bezugnahme auf jeden Tarifvertrag, der bei Tarifbindung anwendbar wäre.3 Weitere Voraussetzung ist grundsätzlich, dass der einschlägige Tarifvertrag insgesamt und auf Dauer in Bezug genommen wird.4 Zweifelhaft ist die Rechtslage bei einer Verweisung auf Teile eines Tarifvertrags.5 (2) Große dynamische Bezugnahme bzw. Tarifwechselklausel
66 Eine sog. Tarifwechselklausel ist nach der Rechtsprechung de 4. Senats des BAG
grundsätzlich nicht am Maßstab des § 308 Nr. 4 BGB zu messen.6 Die dynamische Verweisung auf ein anderes tarifliches Regelungswerk enthält keinen Änderungsvorbehalt i.S.d. § 308 Nr. 4 BGB. Es handelt sich nicht um die Möglichkeit des Verwenders allein auf das Leistungsversprechen ändernd einzuwirken. Dem Arbeitgeber ist kein Recht vorbehalten, diesen Vereinbarungsinhalt einseitig abzuändern. Eine Änderung des Inhalts des Arbeitsvertrages kann sich ohne Zustimmung des Klägers nur durch eine Änderung der in Bezug genommenen Tarifregelungen ergeben, für die wiederum eine Einigung mit der zuständigen Gewerkschaft erforderlich ist.7 Für bestimmte Fälle sind an dieser Annahme Zweifel angebracht. So kann in Konzernkonstellationen eine nahezu einseitig vom Arbeitgeber zu vollziehende umwandlungsrechtliche Abspaltung oder ein Betriebsübergang auf eine konzernangehörige Gesellschaft zum Eingreifen der Tarifwechselklausel führen. Der Klauselsteller wirkt dann einseitig mit der tatsächlichen oder rechtlichen Veränderung auf die Bezugnahmeklausel ein. Anders als bei der dynamischen Bezugnahmeklausel, die bestimmte Tarifverträge – nur dynamisch – in Bezug nimmt, führt die Tarifwechselklausel zu erheblichen Veränderungen und Einschnitten in den Inhalt von Arbeitsverhältnissen. Anderes mag gelten, wenn der Arbeitgeber aufgrund einer langjährigen Entwicklung mit der Tarifwechselklausel aus einer Tarifzuständigkeit heraus-
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Roloff in HWK, § 308 BGB Rz. 4. BAG v. 14.12.2011 – 5 AZR 457/10, NZA 2012, 663. Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 14. BAG v. 25.4.2007 – 10 AZR 634/06, NZA 2007, 875; Reinecke, BB 2006, 2637 (2643). Schaub, PersV 2010, 95 (99). Vgl. BAG v. 21.11.2012 – 4 AZR 85/11, NZA 2013, 512 Rz. 43; BAG v. 26.1.2005 – 4 AZR 509/03; BAG v. 10.12.2008 – 4 AZR 801/07, NZA-RR 2010, 7. 7 Vgl. BAG v. 21.11.2012 – 4 AZR 85/11, NZA 2013, 512 Rz. 43; BAG v. 26.1.2005 – 4 AZR 509/03; BAG v. 10.12.2008 – 4 AZR 801/07, NZA-RR 2010, 7.
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wächst. Hier wird er nicht eindeutig einseitig tätig. Anderes dürfte freilich gelten, wenn der Arbeitgeber einseitig aus dem Verband austritt.1 Allerdings dürfte es dann wegen § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB genügen, Anlass und Folge des Tarifwechsels in der Klausel hinreichend konkret zu bezeichnen, um die Vorgaben des § 308 Nr. 4 BGB zu erfüllen. In Fällen des Betriebsübergangs müsste wohl die tarifrechtliche Situation des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB zumindest angedeutet und inhaltlich angemessen umgesetzt werden. dd) Betriebsvereinbarungsoffenheit Bei AGB, die bestimmte Klauseln und Inhalte der Disposition der Betriebspar- 67 teien öffnen oder unterwerfen, sog. Betriebsvereinbarungsoffenheit, wird ganz überwiegend unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BAG zu Bezugnahmeklauseln auf Tarifverträge eine Anwendung des § 308 Nr. 4 BGB verneint. Danach enthält eine Öffnungsklausel nur dann ein einseitiges Vertragsänderungsrecht des Arbeitgebers i.S.d. § 308 Nr. 4 BGB, wenn sie andere Regelungen in ihrer jeweiligen Fassung in Bezug nimmt, die der Arbeitgeber als solcher einseitig aufstellen oder ändern kann.2 Allerdings liegt es wegen der Dynamik betrieblicher Regelungen aufgrund § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nahe, dass die Betriebsvereinbarungsoffenheit gesondert und transparent vereinbart werden muss.3 ee) Dynamische Bezugnahme auf kirchliche Arbeitsvertragsregelungen (1) Bedeutung Aufgrund der fehlenden Tarifverträge und der großen Zahl der in den Einrich- 68 tungen des Caritasverbands und des Diakonischen Werks Beschäftigten kommt die Bezugnahme auf kirchliche Arbeitsvertragsregelungen des Dritten Wegs oft vor. Dies liegt auch daran, dass der Arbeitgeber i.d.R. kirchenrechtlich verpflichtet ist, im Arbeitsvertrag dynamisch auf die einschlägigen Arbeitsvertragsregelungen zu verweisen.4 Angesichts der veränderten Wettbewerbssituation im Markt der Wohlfahrtspflege und des Zwangs der kirchlichen Einrichtungen zur Kostensenkung haben sich die Arbeitsgerichte häufig mit den von Arbeitsrechtlichen Kommissionen beschlossenen Entgeltreduzierungen zu befassen.5 1 Greiner in Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 40, Rz. 104 für die Anwendung des § 308 Nr. 4 BGB. 2 BAG v. 17.2.2015 – 1 AZR 599/13; BAG v. 14.12.2011 – 5 AZR 457/10, NZA 2012, 663; BAG v. 15.10.2013 – 3 AZR 294/11, NZA 2014, 1203 Rz. 39; BAG v. 21.11.2012 – 4 AZR 85/11, NZA 2013, 512; BAG v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, NZA 2011, 634. 3 Vgl. ausf. Roloff in HWK, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 20. 4 Vgl. zu etwaigen Abweichungen hiervon und ihren Folgen: BAG v. 24.5.2018 – 6 AZR 308/17, NZA 2019, 166. 5 Vgl. BAG v. 22.3.2018 – 6 AZR 835/16, NZA 2018, 1350; BAG v. 26.1.2005 – 4 AZR 171/03, NZA 2005, 1059; BAG v. 10.12.2008 – 4 AZR 801/07, ZTR 2009, 375; BAG v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, NZA 2011, 634.
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit (2) Kontrolle der Bezugnahmeklausel 69 Der 4. Senat des BAG1 hat die dynamische Bezugnahme auf kirchliche Arbeits-
vertragsregelungen nur einer Einbeziehungs- und Transparenzkontrolle unterzogen. Demgegenüber hat der 10. Senat des BAG2 eine dynamische Bezugnahmeklausel, die nicht auf Rechtsvorschriften oder auf Rechtsvorschriften gleichstehende kollektive Regelungen verweist, als Änderungsvorbehalt verstanden und die Klausel einer uneingeschränkten Inhaltskontrolle unterzogen. Auch der 6. Senat des BAG, der seit 2010 generell für Arbeitsrechtsregelungen der Religionsgemeinschaften und ihrer Einrichtungen zuständig ist, nimmt eine Vertragskontrolle der Verweisungsklausel nach den §§ 305 ff. BGB vor.3 Kirchliche Arbeitsvertragsregelungen sind AGB, die vom jeweiligen Arbeitgeber gestellt werden.4 Der Gesetzgeber hat bei der Neuregelung des Rechts der AGB in Kenntnis der Rechtsprechung zur Rechtsqualität kirchlicher Arbeitsvertragsregelungen diese nicht in die Formulierung des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB aufgenommen.5
70 Allerdings hat der Gesetzgeber das kirchliche Arbeitsrecht als Fall der im Ar-
beitsrecht geltenden Besonderheiten genannt,6 die gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB bei der Anwendung der §§ 305 ff. BGB zu berücksichtigen sind. Nach der Rechtsprechung des 6. Senats des BAG7 bewirkt dies bei einer dynamischen arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf kirchliche Arbeitsvertragsregelungen, die auf dem Dritten Weg von einer paritätisch mit weisungsunabhängigen Mitgliedern besetzten Arbeitsrechtlichen Kommission beschlossen werden, dass die Verweisungsklausel den formellen Anforderungen des § 308 Nr. 4 BGB nicht genügen muss.8 Eine solche Verweisung gewährleistet ebenso wie die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf einen einschlägigen Tarifvertrag eine Anpassung der Arbeitsbedingungen an veränderte Umstände und liegt nicht nur im Interesse des Arbeitgebers, sondern auch in dem des Arbeitnehmers. Nur so kann die notwendige Anpassung der Arbeitsbedingungen an veränderte Umstände auch ohne Änderungskündigung erreicht werden.9
71 Ist allerdings ein Letztentscheidungsrecht des Bischofs zum Inkraftsetzen der
Regelung vorgesehen, auf das die Deutsche Bischofskonferenz auf der Frühjahrs-
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BAG v. 10.12.2008 – 4 AZR 801/07, ZTR 2009, 375. BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428. BAG v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, NZA 2011, 634. St. Rspr., vgl. BAG v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, NZA 2011, 634; BAG v. 10.12.2008 – 4 AZR 801/07, ZTR 2009, 375. Eingehend zur AGB-Kontrolle kirchlicher Arbeitsvertragsregelungen Fischermeier in FS Bepler (2012), S. 159 ff. BT-Drucks. 14/7052, S. 189. BAG v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, NZA 2011, 634. BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 217/11, NZA 2012, 1440. BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 217/11, NZA 2012, 1440.
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Vollversammlung 2012 verzichtet hat,1 könnte die Verweisungsklausel wegen § 308 Nr. 4 BGB zu weit gefasst und damit insgesamt unwirksam sein, wenn sie sprachlich nicht teilbar ist und deshalb nicht im Wege des sog. blue-pencil-Tests auf einen zulässigen Inhalt zurückgeführt werden kann.2 Eine einfache Auslegung der dynamischen Verweisungsklausel dahin, dass nur ohne Ausübung des Letztentscheidungsrechts des Bischofs zustande gekommene Arbeitsvertragsregelungen erfasst sein sollen, kommt nicht in Betracht. Die Klauseln differenzieren regelmäßig nicht danach, wie die Änderung der AVR zustande gekommen ist. Zudem wäre die Klausel bei einer solchen Auslegung zumindest intransparent i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.3 Die Vertragsparteien hätten aber bei Kenntnis der Unwirksamkeit der Dynamik der Bezugnahmeklausel infolge des bischöflichen Letztentscheidungsrechts eine Verweisung ohne Bezug auf ein solches Letztentscheidungsrecht vorgenommen. Das Interesse der Arbeitgeberin bestand darin, Arbeitsbedingungen ohne Änderungskündigung an veränderte Umstände anpassen zu können. Dasselbe Interesse bestand beim Arbeitnehmer, der mit der Dynamisierung an positiven Änderungen, etwa Entgelterhöhungen, teilnimmt.4 (3) Maßstab der Inhaltskontrolle Der 4. Senat des BAG5 hat kirchliche Arbeitsvertragsregelungen im Falle ihrer 72 Änderung auch nach der Schuldrechtsreform am Maßstab des § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB gemessen und nur daraufhin überprüft, ob die Änderung offenbar unbillig ist. Demgegenüber unterzieht der 6. Senat des BAG kirchliche Arbeitsvertragsregelungen im Falle ihrer Änderung6 ebenso wie bei ihrer Einbeziehung in den Arbeitsvertrag7 grundsätzlich einer AGB-Kontrolle.8 Dieser steht nicht entgegen, dass in aller Regel nicht der Arbeitgeber, sondern eine Arbeitsrechtliche Kommission die Änderung beschlossen hat.9 Das paritätische Rechtsetzungsverfahren stellt die Qualität kirchlicher Arbeitsvertragsregelungen als AGB nicht in Frage.10 Eine AGB-Kontrolle wird auch der Funktion kirchlicher Arbeitsvertragsregelungen besser gerecht, die einheitliche Arbeitsbedingungen bezwecken. 1 Statement Nr. 10 des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, beim Pressegespräch zum Kirchlichen Arbeitsrecht am 28.2.2012 in Regensburg anlässlich der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz. 2 Vgl. BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428; Fischermeier in FS Bepler (2012), S. 159 (165). 3 BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 217/11, NZA 2012, 1440. 4 BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 217/11, NZA 2012, 1440. 5 BAG v. 10.12.2008 – 4 AZR 801/07, ZTR 2009, 375. 6 BAG v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, NZA 2011, 634. 7 BAG v. 17.11.2005 – 6 AZR 160/05, NZA 2006, 872. 8 BAG v. 22.3.2018 – 6 AZR 835/16, NZA 2018, 1350. 9 Reichold, NZA 2009, 1377; Reichold, Anm. zu BAG v. 10.12.2008 – 4 AZR 801/07, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 52. 10 Deinert, ZTR 2005, 461 (474).
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit 73 Die Frage, an Hand welchen Maßstabs die Kontrolle erfolgt, ist für die Praxis
von erheblicher Relevanz. Eine fallbezogene Abwägung der Umstände und Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen gemäß § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB zielt auf die individuelle Situation der Arbeitsvertragsparteien. Demgegenüber kommt es bei der Angemessenheitskontrolle nach §§ 307 ff. BGB auf die individuellen Verhältnisse beim jeweiligen Arbeitgeber und seinen Arbeitnehmern grundsätzlich nicht an.1 Die Arbeitsrechtliche Kommission steht außerhalb der konkreten Vertragsbeziehung der Parteien. Sie regelt für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen den Inhalt und die Änderung von Arbeitsbedingungen, die erst über die Verweisungsklausel für das konkrete Arbeitsverhältnis wirksam werden. Dieser Regelungsmechanismus unterscheidet sich grundlegend von den Sachverhalten, auf die eine Billigkeitskontrolle zugeschnitten ist.2 Allerdings handelt es sich hierbei im Kern nicht um eine im Arbeitsrecht geltende Besonderheit. Vielmehr sind bei der AGB-Kontrolle auch verfassungsrechtliche Erwägungen anzustellen. So nehmen kirchliche Arbeitsrechtsregelungen des Dritten Wegs am grundrechtlichen Schutz der verfassten Kirche aus Art. 4 Abs. 1 GG sowie aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 ff. WRV teil,3 dessen Schutz durch eine unmittelbare AGB-Inhaltskontrolle beeinträchtigt würde. (4) Eingeschränkte Kontrolle der Leistungsänderung
74 Von einer paritätisch mit weisungsunabhängigen Mitgliedern besetzten Ar-
beitsrechtlichen Kommission beschlossene Änderungen kirchlicher Arbeitsvertragsregelungen werden nach der Rechtsprechung des 6. Senats des BAG unabhängig davon, ob einschlägige tarifvertragliche Regelungen des öffentlichen Dienstes ganz oder mit im Wesentlichen gleichen Inhalten übernommen werden, wie Tarifregelungen nur einer eingeschränkten gerichtlichen Inhaltskontrolle unterzogen.4 Sie werden auch dann, wenn sie die Verminderung oder den Wegfall von Vergütungsbestandteilen regeln, nur daraufhin untersucht, ob sie gegen die Verfassung, gegen anderes höherrangiges zwingendes Recht oder die guten Sitten verstoßen.5 (5) Bezugnahme auf kirchliche Dienstvereinbarung
75 Die Bezugnahme auf kirchliche Dienstvereinbarungen unterliegt denselben
Grundsätzen wie die Bezugnahme auf Regelungen des Dritten Wegs.6 § 308 Nr. 4
1 Deinert, ZTR 2005, 461 (477). 2 Vgl. Thüsing, Anm. zu BAG v. 17.4.1996 – 10 AZR 558/95 – AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 24. 3 Vgl. grundlegend BAG v. 20.11.2012 – 1 AZR 179/11, NZA 2013, 448; zur ergänzenden Vertragsauslegung: BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 217/11, NZA 2012, 1440. 4 BAG v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, NZA 2011, 634. 5 BAG v. 22.3.2018 – 6 AZR 835/16, NZA 2018, 1350. 6 Vgl. BAG v. 22.3.2018 – 6 AZR 835/16, NZA 2018, 1350.
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III. Die einzelnen Klauselverbote des § 308 BGB | § 308
BGB findet keine Anwendung. Die Geltung des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts und der nach dessen Maßgaben abgeschlossenen Dienstvereinbarungen wäre zudem auch bei einer fehlenden konkludenten Inbezugnahme anzunehmen.1 Der Arbeitsvertrag wäre dann bezogen auf das kollektive kirchliche Arbeitsrecht lückenhaft und im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung wäre die Lücke dahingehend zu schließen, dass die Geltung des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts im Sinne einer Bezugnahme als vereinbart anzusehen wäre.2 ff) Leistung nach billigem Ermessen Einseitige Leistungsbestimmungsrechte nach §§ 315 ff. BGB sollen nach Auffas- 76 sung des 10. Senats des BAG nicht unter § 308 Nr. 4 BGB fallen, wenn sie darauf beschränkt sind, dem Verwender die erstmalige Festlegung seiner Leistung zu ermöglichen.3 Das soll etwa gelten bei Klauseln des Inhalts: „Sie erhalten darüber hinaus einen Leistungsbonus. Dieser richtet sich nach der individuellen Zielerreichung, dem Teamverhalten sowie dem Erfolg der Bank. Er wird jedes Jahr neu für das abgelaufene Jahr festgesetzt.“ Diese Annahme wendet der 10. Senat auch an, wenn der Arbeitgeber sein Ermessen in der Vergangenheit bereits ausgeübt hat.4 Die jährlich erneute Ausübung billigen Ermessens ist nach dieser Annahme stets eine erstmalige. Der Annahme des BAG könnte entgegengehalten werden, dass der BGH § 308 Nr. 4 BGB anwendet, wenn der bei Vertragsbeginn geltende Zinssatz im Vertragsformular eingetragen wird, die Klausel indes dazu dient, dem Verwender spätere Änderungen der in den einzelnen Verträgen jeweils festgelegten Anfangszinssätze zu ermöglichen. Auf solche Folgeänderungen ist § 308 Nr. 4 BGB anwendbar.5 Allerdings war in den Fällen des BAG die Leistung von Anfang an als solche unter dem Vorbehalt billigen Ermessens versprochen. Freilich ist § 308 Nr. 4 BGB auch anwendbar, wenn die Klausel nicht nur die erstmalige Leistungsbestimmung, sondern auch eine spätere nochmalige Änderung erlaubt.6 Es dürfte damit im Ergebnis wohl eher darauf ankommen, ob durch die formularmäßige Einräumung eines Leistungsbestimmungsrechts Abweichungen vom Vereinbarten ermöglicht werden sollen.7 Wenn das der Fall ist, etwa weil die Höhe des Bonus feststeht und der Bonus als solcher auch Entgeltcharakter hat, spricht einiges für die Anwendung 1 BAG v. 22.3.2018 – 6 AZR 835/16, NZA 2018, 1350. 2 BAG v. 22.3.2018 – 6 AZR 835/16, NZA 2018, 1350. 3 BAG v. 15.5.2013 – 10 AZR 679/12, Rz. 27; BAG v. 29.8.2012 – 10 AZR 385/11, NZA 2013, 148; BGH v. 17.2.2004 – XI ZR 140/03, BGHZ 158, 149; Roloff in HWK, § 308 BGB Rz. 4. 4 Vgl. BAG v. 15.5.2013 – 10 AZR 679/12; BAG v. 23.3.2012 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970; im Erg. ebenfalls BAG v. 24.10.2018 – 10 AZR 285/16. 5 BGH v. 17.2.2004 – XI ZR 140/03, BGHZ 158, 149. 6 Weiler in BeckOGK/BGB, § 308 Nr. 4 Rz. 7. 7 Coester-Waltjen in Staudinger, § 308 Nr. 4 Rz. 5.
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit des § 308 Nr. 4 BGB. Diesen Zusammenhang hat der 10. Senat auch schon selbst offengelegt, wenn er ausführt, immerhin erhalte der Arbeitnehmer auf diese Weise einen klagbaren Anspruch. Die Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts durch den Arbeitgeber könne er vom Gericht überprüfen lassen. Die mit der Regelung verbundene Ungewissheit sei regelmäßig hinnehmbar, insbesondere in den Fällen, in denen eine Sonderzahlung nicht von der Erbringung der Gegenleistung abhängig ist.1 In diesen Fällen könnte allerdings § 308 Nr. 4 BGB einen geeigneten Prüfungsrahmen vorgeben, wenn die Leistungshöhe, die das auszuübende Ermessen maximal erreichen kann, und die Ausübung des Ermessens nach § 315 BGB versprochen sind. § 308 Nr. 4 BGB ermöglicht dann eine differenzierte Inhaltskontrolle vor der Ausübungskontrolle nach § 315 BGB.2 Dass die Leistung nach billigem Ermessen jedes Jahr oder in anderen Rhythmen ausgeübt wird, unterscheidet die Ermessensentscheidung zwar vom Widerrufsvorbehalt, der zum (endgültigen) Untergang des Leistungsversprechens insoweit führt.3 Allerdings steht dem Widerruf die (wiederholte) Nichtgewährung der Leistung nach billigem Ermessen wertungsmäßig gleich. Außerdem kann ein Widerruf auch nur für einen bestimmten Zeitraum vereinbart und ausgeübt werden (vgl. Rz. 93). Die Unwirksamkeit der Leistungsbestimmung führte auch nicht zum Wegfall der Leistung, sondern würde zum Anspruch auf die volle Leistung führen, da allein der Leistungsbestimmungsvorbehalt unwirksam wäre.4 gg) Teilkündigung einer Pauschalierungsabrede 77 Die Abrede über eine gesonderte Kündbarkeit der Pauschalierungsvereinbarung
von Entgeltbestandteilen ist keine Klausel i.S.v. § 308 Nr. 4 BGB. Die Pauschalierungsvereinbarung und ihre Kündbarkeit betreffen nur die Erfüllungsmodalität der geschuldeten Leistung. Die „versprochene Leistung“ i.S.v. § 308 Nr. 4 BGB umfasst zwar auch die Modalitäten ihrer Erfüllung, also etwa Zeit und Ort der Leistung, allerdings nicht die Pauschalierungsabrede.5 Bei der mit einer Kündigungsmöglichkeit versehenen Pauschalierungsabrede wird nicht die versprochene Leistung abgeändert, sie wird vielmehr anders berechnet.6 Die vereinbarte Kündbarkeit dieser Abrede gibt hier dem Verwender gerade nicht das Recht, die Erfüllungsmodalität über Zeit und Ort zu ändern, sondern nur von der pauschalierten Leistung zur genauen Leistung zurückzukehren.7 Wendet man § 308 Nr. 4 BGB an, erscheint es dennoch schwierig, die Anforderungen an die hinreichende Konkretisierung mit dem Argument abzusenken, dem „Ver1 2 3 4 5 6 7
BAG v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013. Vgl. im Ergebnis Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, II S 5 Rz. 19e, 19 f. Stoffels, NZA 2017, 1217 (1224). Kritisch zur Annahme des 10. Senats auch Fuchs/Bieder in UBH, Anh. § 310 Rz. 78. A.A. BAG v. 18.5.2017 – 2 AZR 721/16, NZA 2017, 1195 Rz. 25. A.A. Groeger, ArbRB 2017, 301 (302). A.A. BAG v. 18.5.2017 – 2 AZR 721/16, NZA 2017, 1195 Rz. 25.
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tragszweck“ einer Pauschalierungsabrede entspreche es daher, jeder Seite die Möglichkeit zu geben, sich von ihr durch Kündigung wieder lösen zu können.1 Dass die Kündbarkeit beidseitig vorgesehen sein muss, um interessengerecht zu sein, und die Kündbarkeitsklausel den jeweils maßgeblichen Abrechnungszeiträumen Rechnung tragen muss, ergibt sich im Ergebnis zutreffend aus § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, allerdings weniger aus § 308 Nr. 4 BGB.2 hh) Verrechnung mit Vorschuss § 308 Nr. 4 BGB findet keine Anwendung auf die Vereinbarung von Vorschuss- 78 zahlungen auf noch nicht verdiente Provisionen und der damit ggf. verbundenen Rückzahlungspflicht. Ob eine solche Abrede keine Abweichung von Rechtsvorschriften i.S.v. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB enthält, zu denen neben den förmlichen Gesetzen auch ungeschriebene Rechtsgrundsätze und das Richterrecht gehören und ob eine solche Regelung allgemeinen Rechtsgrundsätzen entspricht, wäre bereits zu erörtern. Es handelt sich allerdings jedenfalls um eine Hauptabrede, § 307 Abs. 3 BGB, die als solche der Inhaltskontrolle entzogen ist. Damit scheidet eine Inhaltskontrolle ua. nach § 308 Nr. 4 BGB aus. Der Arbeitnehmer erhält durch den Vorschuss eine Geldleistung zu seiner Verfügung, die ihm zu diesem Zeitpunkt als Vorschuss nach der gesetzlichen Regelung noch nicht zusteht. e) Inhalts- und Transparenzkontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB Welche Voraussetzungen für einen nach AGB-Recht wirksamen Änderungs- 79 vorbehalt erfüllt sein müssen, ist durch Entscheidungen des BAG3 weitgehend geklärt. Der Vorbehalt muss zunächst einer Inhalts- oder Angemessenheitskontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB standhalten. Dabei sind nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen.4 aa) Formelle Anforderungen an die Änderungsbefugnis in der Klausel Im Rahmen der Angemessenheitskontrolle wird der Inhalt des Vorbehalts an 80 § 308 Nr. 4 BGB gemessen. Diese Überprüfung ist nicht auf die Kontrolle beschränkt, ob der Umfang der vorbehaltenen Änderung seiner Vergütung dem Arbeitnehmer zuzumuten ist. Auch die durch den Änderungsvorbehalt geschaf1 A.A. BAG v. 18.5.2017 – 2 AZR 721/16, NZA 2017, 1195 Rz. 30. 2 A.A. BAG v. 18.5.2017 – 2 AZR 721/16, NZA 2017, 1195 Rz. 30. 3 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87; BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, NZA 2011, 796; BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 1756. 4 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465.
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit fene Ungewissheit muss ihm zumutbar sein.1 Dies ist nach der Rechtsprechung nur dann der Fall, wenn der Vorbehalt den vom BAG genannten formellen Anforderungen genügt.2 (1) Kalkulierbarkeit der Änderung 81 Die Vorbehaltsklausel muss transparent gefasst, also klar und verständlich sein,
und die Angemessenheit und Zumutbarkeit der Änderung erkennen lassen. Ein vorbehaltener Widerruf darf nicht grundlos erfolgen.3 Für den Arbeitnehmer muss ein gewisses Mindestmaß an Kalkulierbarkeit der möglichen Leistungsänderung bestehen.4 In dieser Anwendung des Transparenzgebots liegt die entscheidende Rechtsänderung gegenüber dem früheren Rechtszustand.5 Bereits die Vorbehaltsklausel muss dem Arbeitnehmer deutlich machen, was unter welchen Voraussetzungen auf ihn zukommen kann. Erforderlich ist deshalb, dass die Klausel präzise die unter dem Vorbehalt des Widerrufs versprochenen Vergütungsbestandteile beschreibt und damit den Umfang der vorbehaltenen Änderung konkretisiert.6 Eine Klausel, die sich nur an den Text des § 308 Nr. 4 BGB anlehnt, ist unzureichend. Unerheblich ist, ob objektiv betrachtet Widerrufsgründe in Betracht kommen, die für den Arbeitnehmer nicht unzumutbar sind. Entscheidend ist allein, was der Arbeitgeber im Text der ausgelegten Klausel zum Ausdruck gebracht hat.7 Der 1. Senat des BAG verlangt daher, dass ein Widerrufsvorbehalt den formellen Anforderungen von § 308 Nr. 4 BGB gerecht werden muss.8 Bei den Widerrufsgründen muss zumindest die Richtung angegeben werden, aus der der Widerruf möglich sein soll, z.B. wirtschaftliche Gründe, Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers. Dabei sei zu beachten, dass der Verwender vorgibt, was ihn zum Widerruf berechtigen soll.9
82 Diese vom 5. und 1. Senat des BAG eingeführte Konkretisierungspflicht der Wi-
derrufsgründe ist aus Transparenzgesichtspunkten zu begrüßen.10 Allerdings folgt sie zwingend weder aus § 308 Nr. 4 BGB noch aus der Rechtsprechung des
1 Bergwitz, Anm. zu BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, AP BGB § 308 Nr. 1; CoesterWaltjen in Staudinger, § 308 Nr. 4 Rz. 6. 2 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465. 3 So auch BGH v. 17.2.2004 – XI ZR 140/03, NJW 2004, 1588. 4 BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777; BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943; BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, NZA 2011, 796. 5 Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 70 Rz. 20. 6 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428; BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943. 7 BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943. 8 BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777. 9 BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777. 10 So auch Stoffels, NZA 2017, 1217.
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BGH und auch nicht aus der Klausel-RL. § 308 Nr. 4 BGB unterscheidet sich bereits von Wortlaut und Systematik erheblich von § 308 Nr. 3 BGB, der im Vertrag angegebene Gründe verlangt. Der BGH verlangt daher nur „im Allgemeinen auch, dass für den anderen Vertragsteil zumindest ein gewisses Maß an Kalkulierbarkeit der möglichen Leistungsänderungen besteht“.1 Auch die vom 5. Senat des BAG in Bezug genommene Entscheidung des BGH bezieht sich eher auf eine inhaltliche Konkretisierbarkeit und weniger auf die Änderungsgründe, wenn dort eine ausdrückliche Begrenzung der in Anspruch genommenen Befugnis, den Zinssatz zu ändern, vermisst wird. Auch die den BGH maßgeblich leitende Klausel-RL verlangt nur beim Buchstaben j) des Anhangs, wenn der Gewerbetreibende die Vertragsklauseln einseitig ohne triftigen und im Vertrag aufgeführten Grund ändern kann, im Vertrag aufgeführte Gründe. Wenn beim Buchstaben k) des Anhangs jedoch untersagt ist, dass der Gewerbetreibende die Merkmale des zu liefernden Erzeugnisses oder der zu erbringenden Dienstleistung einseitig ohne triftigen Grund ändern kann, fehlt es dort an der besonderen Vertragstransparenz. § 308 Nr. 4 BGB hat einen sehr viel engeren Bezug zum Buchstaben k) des Anhangs der Klausel-RL, da keine Klausel des Vertrags, sondern die Leistung des Verwenders verändert wird. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die vom Arbeitgeber versprochene Leistung stets eine geldwerte sein wird. Die dem Arbeitnehmer geschuldete Gegenleistung wird durch den Widerrufsvorbehalt weder in ihrer Art, sondern nur in ihrer Höhe einer Flexibilisierung unterworfen. Auch das allgemeine Transparenzgebot § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verlangt nicht die ausdrückliche Angabe des Widerrufsgrunds oder seiner Richtung. Die hinreichende Bestimmtheit der Klausel kann folglich regelmäßig nicht nur durch die Angabe einer Richtung des Widerrufsgrundes erreicht werden, sondern auch durch die konkrete Angabe und den Umfang des zu flexibilisierenden Entgeltbestandteils. Damit lässt sich ein gewisses Konkretisierungserfordernis aus der Klausel-RL und ihrem Anhang ableiten. Zudem sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu be- 83 rücksichtigen, § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB: Die Widerrufsgründe lassen sich in einem Dauerschuldverhältnis und einem sich verändernden Arbeitsverhältnis nicht auf Jahre vorweg – und auch nur schwer in ihrer Richtung – angeben. Wenn die Höhe des änderungsfähigen Vergütungsbestandteils präzise bestimmt wird und dessen Höhe dem Arbeitnehmer zumutbar ist, dient dem Arbeitnehmer ein Hinweis auf einen Widerruf aus wirtschaftlichen bzw. betrieblichen, verhaltensbedingten oder personenbedingten Gründe wenig. Dieser Widerruf konkretisiert im Allgemeinen nur wenig und begründet kein (gewisses) Maß an Kalkulierbarkeit. Die maßgebliche Konkretisierung wird sich vielmehr auf die zu widerrufende Leistung beziehen: Je konkreter die zu widerrufende Leistung benannt ist, um so weniger konkret müssten die Gründe angegeben sein. Je we1 BGH v. 17.2.2004 – XI ZR 140/03, BGHZ 158, 149; Roloff in Erman, § 308 Rz. 34.
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit niger konkret die zu widerrufende Leistung, um so konkreter müssen die Gründe angegeben sein. Da die zu widerrufende Leistung im Arbeitsvertrag regelmäßig klar bestimmt ist (z.B. Weihnachtsgeld oder Urlaubsgeld), könnten die Anforderungen an die Angabe des Widerrufsgrunds in diesen Fällen abgesenkt werden. § 308 Nr. 4 BGB scheint eher von einer insgesamt erforderlichen Kalkulierbarkeit der Leistungsänderung auszugehen, die entweder an den Änderungsgründen, oder auch am Änderungsumfang ansetzen kann. Diese Annahme entspricht auch der Rechtsprechung des 10. Senats zu § 315 BGB (Rz. 76). Wenn dort der Hinweis auf billiges Ermessen für die Leistungsgewährung AGB-rechtlichen Grundsätzen genügt und auch bei der Ausübung des Widerrufs diese Vorgaben beachtet werden müssen (Rz. 99 ff.), könnte dies der Transparenz genügen. 84 Der BGH formuliert in diese Richtung zu einer Klausel eines Reisevertrags: Ob
Änderungen des vertraglichen Leistungsbilds für den Kunden zumutbar sind, ist aufgrund einer Abwägung der Interessen der Vertragsparteien zu beurteilen.1 Aus dem Erfordernis der Zumutbarkeit ergeben sich nicht nur sachliche Grenzen möglicher Änderungen; Zumutbarkeit erfordert vielmehr auch, dass die Voraussetzungen eines Eingriffs in das vertraglich vereinbarte Leistungsspektrum in der Klausel hinreichend konkretisiert werden.2 Unzulässig sei es, wenn die Klausel keinerlei sachliche Grenzen für Leistungsänderungen enthalte, da nach ihrem Wortlaut jede Reiseleistung durch eine „vergleichbare“ andere ersetzt werden könne.3 Dabei bewertet der BGH auch die sonstigen gesetzlichen und vertraglichen Möglichkeiten, die versprochene Leistung zu ändern.4 Die fehlende Angabe des Anlasses der Leistungsänderung scheint den BGH hier weniger zu stören. (2) Angabe von Gründen
85 Die Kalkulierbarkeit der Leistungsänderung setzt nach der bisherigen Recht-
sprechung voraus, dass der Arbeitnehmer weiß, an welche konkreten Voraussetzungen die Änderung gebunden ist. Die Anforderungen an den Widerrufsgrund sind allerdings noch nicht abschließend geklärt.5 Der 5. und der 1. Senat des BAG halten es grundsätzlich für ausreichend, dass die Vorbehaltsklausel die Richtung angibt, aus der der Widerruf möglich sein soll.6 Dies legt nahe, dass je-
1 2 3 4 5 6
BGH v. 16.1.2018 – X ZR 44/17, NJW 2018, 1534. BGH v. 16.1.2018 – X ZR 44/17, NJW 2018, 1534. BGH v. 16.1.2018 – X ZR 44/17, NJW 2018, 1534. BGH v. 16.1.2018 – X ZR 44/17, NJW 2018, 1534. Franzen in GS Zachert (2010), S. 386 (394). BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, NZA 2011, 796; BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 1756; BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777; gegen eine Überdehnung der Anforderungen an die Widerrufsgründe auch Bayreuther, ZfA 2011, 45 (55).
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der einigermaßen nachvollziehbare Grund ausreicht und der Verweis auf allgemeine wirtschaftliche Gründe genügt.1 Freilich darf der Arbeitgeber wohl auch nach der Rechtsprechung des BAG keine Formulierung wählen, die zur Folge hat, dass er selbst bestimmen kann, was als „wirtschaftlicher Grund“ angesehen wird.2 Der 9. Senat des BAG hat einen anzuerkennenden Sachgrund verlangt.3 Danach muss die Vorbehaltsklausel (typisierte) Sachgründe für die Leistungsänderung nennen.4 Die in der Änderungsklausel beschriebenen Gründe können durch die Aufzählung von Beispielen so weit wie möglich erläutert und konkretisiert werden.5 Dies empfiehlt sich, wenn die Änderung der Vergütung des Arbeitnehmers an wirtschaftliche Gründe geknüpft wird. Da nicht jeder Grund, der wirtschaftliche Aspekte betrifft, nach der Rechtsprechung des 9. Senats des BAG6 ein anzuerkennender sachlicher Grund für die Änderung einer vom Arbeitgeber versprochenen Leistung ist, sollte auch der Grad der Störung näher beschrieben werden, zumal auch der 5. Senat des BAG die Anforderungen an den Widerrufsgrund zum Umfang der widerruflichen Leistung ins Verhältnis zu setzen scheint.7 Der 5. Senat des BAG wird sich in einem anhängigen Revisionsverfahren mit der Frage befassen können, ob die formellen Anforderungen in einem Fall erfüllt sind, wenn die Klausel für den Widerruf des auch privat überlassenen Dienstwagens an die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens anknüpft. Das LAG Niedersachsen hielt den Widerrufsgrund für zu unpräzise und verwarf den Widerrufsvorbehalt.8 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Höhe des geldwerten Vergütungsvorteils bei der Überlassung des Dienstwagens auch zur privaten Nutzung genau feststeht (vgl. hierzu Rz. 82 ff.). Er ergibt sich spätestens aus der Gehaltsabrechnung, auf der der geldwerte Vorteil ausgewiesen ist. Der mögliche Widerruf ist insoweit also genau kalkulierbar. Es scheint dann zu förmlich darauf abzustellen, dass sich hinter dem Begriff „wirtschaftliche Entwicklung“ auch eine „wirtschaftliche Entwicklung“ verbergen könne, die den Entzug gerade nicht erforderlich mache.9 Mit diesem Widerrufsgrund wird der Widerruf auch nicht ins Belieben des Arbeitgebers gestellt. Eine Richtung lässt ein solcher Widerrufsgrund jedenfalls erkennen. Da auch die zu widerrufende Leistung genau feststeht, könnte auch nach dem neueren Lösungsansatz (vgl. Rz. 82 ff.) eine hinreichende Konkretisierung angenommen werden. 1 2 3 4 5
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Franzen in GS Zachert (2010), S. 386 (394). Gaul/Kaul, BB 2011, 181 (183). BAG v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, NZA 2007, 809. BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943; abl. Hunold, NZA 2010, 1276 (1277). Ebenso Bergwitz, Anm. zu BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, AP BGB § 308 Nr. 1; Hanau/Hromadka, NZA 2005, 73 (77); Hümmerich, BB 2007, 1498 (1499); Günther/ Günther, ArbR 2011, 107 (108); Polloczek/Pruksch, DStR 2011, 1764 (1765); a.A. Bayreuther, SAE 2011, 81 (83). BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943. Franzen in GS Zachert (2010), S. 386 (395). LAG Niedersachsen v. 28.3.2018 – 13 Sa 304/17 (anhängig BAG – 5 AZR 256/18). LAG Niedersachsen v. 28.3.2018 – 13 Sa 304/17.
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit 86 § 308 Nr. 4 BGB bindet die Zumutbarkeit der Änderung der versprochenen
Leistung nicht an bestimmte Gründe. Außer wirtschaftlichen Gründen kommen auch Gründe in Betracht, die in der Leistung oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Ein Widerruf kann auch an den Wegfall des Zwecks einer versprochen Leistung geknüpft werden.1
(3) Wirtschaftliche Gründe 87 Nennt die Vertragsklausel allgemein wirtschaftliche Gründe als Voraussetzung
für den Widerruf, kann der Arbeitnehmer angesichts der Vielzahl möglicher wirtschaftlicher Entwicklungen in der Regel nach Auffassung der Rechtsprechung nicht unmittelbar erkennen, aus welchem Anlass etwas auf ihn zukommen kann. Dies wird bereits aus den vom BAG2 genannten Beispielen für wirtschaftliche Gründe deutlich. Der 1. Senat des BAG hat daher eine Klausel als den formellen Anforderungen von § 308 Nr. 4 BGB ausreichend angesehen, wenn sie den Grad der wirtschaftlichen Störung, die einen Widerruf ermöglichen soll, dahin konkretisiert, dass der Arbeitnehmer im Fall der wirtschaftlichen Notlage mit dem Widerruf der zugesagten Zahlung eines Weihnachtsgelds rechnen muss.3 Die Klausel sei nicht deshalb unklar oder unverständlich, weil nicht ausdrücklich angegeben sei, auf wen sich die „wirtschaftliche Notlage“ beziehe.4 Der Annahme, damit könne auch eine allgemeine wirtschaftliche Notlage, die eines Gesellschafters oder die eines Betriebs oder des gesamten Konzerns gemeint sein, stehe schon entgegen, dass „der Arbeitgeber“ sich den Widerruf „im Fall der wirtschaftlichen Notlage“ vorbehalten habe. Damit sei klargestellt, dass die wirtschaftliche Notlage beim Unternehmen der Beklagten als Arbeitgeberin vorliegen muss.5 Danach zählen zu den wirtschaftlichen Gründen u.a. eine wirtschaftliche Notlage des Unternehmens, ein negatives wirtschaftliches Ergebnis des Arbeitgebers oder einer bestimmten Betriebsabteilung, ein nicht ausreichender Gewinn, ein verstärktes Gewinnstreben und Kostensenkungsmaßnahmen.
88 Die Anforderungen, die von der Rechtsprechung an die Konkretisierung der
Widerrufsgründe gestellt werden, werden teilweise als zu großzügig oder als mit dem Transparenzgebot nicht vereinbar angesehen.6 Würde die Angabe typisierter Sachgründe jedoch nicht ausreichen und wäre eine noch weitergehende Konkretisierung erforderlich, wäre ein Widerruf von Vergütungsbestandteilen nicht mehr oder nur noch in seltenen Ausnahmefällen wirksam. Es kommt vielmehr auf eine Relation des zu widerrufenden Entgeltbestandteils, seines Leistungs1 Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 70 Rz. 21. 2 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943. 3 BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777. 4 BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777. 5 BAG v. 24.1.2017 – 1 AZR 774/14, NZA 2017, 777. 6 Bonin in DBD, § 308 Nr. 4 Rz. 32.
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III. Die einzelnen Klauselverbote des § 308 BGB | § 308
zwecks und des für den Widerruf vorgesehenen Grundes an (siehe Rz. 82 ff.). Wenn der Arbeitgeber bis zu 25 % des im Synallagma geschuldeten Entgelts widerrufen will, muss er hierfür gute Gründe im Vertrag angeben. Geht es indes nur um einen sonstigen geringeren Vergütungsbestandteil, der ggf. nur geldwert ist, sollten die formalen Anforderungen nicht überspannt oder mit schlichten Floskeln erfüllt werden. Die Vorbehaltsklausel wäre sonst kein taugliches Flexibilisierungsinstrument mehr. Aufgrund der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse, die der Vorbehalt voraussetzt, dürfen deshalb auch im Hinblick auf das Transparenzgebot keine zu hohen Anforderungen an die Konkretisierung der Sachgründe gestellt werden. Die Vorbehaltsklausel muss den Grund für die Leistungsänderung nicht so konkret bezeichnen, dass dieser als Grund für eine Änderungskündigung bestehen könnte1 – jedenfalls wenn der zu flexibilisierende Entgeltbestandteil hinreichend konkret feststeht (vgl. Rz. 82 ff.). (4) Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers Auch hier reicht es regelmäßig aus, wenn die Vorbehaltsklausel die Richtung an- 89 gibt, z.B. unterdurchschnittliche Leistungen oder schwerwiegende Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers als Voraussetzung für die Ausübung des Vorbehalts nennt.2 Eine präzise Beschreibung der Leistung oder des Verhaltens des Arbeitnehmers, das den Arbeitgeber zur Ausübung des Widerrufsvorbehalts berechtigen soll, ist dem Arbeitgeber in aller Regel nicht möglich. Die Differenzierung zwischen der Leistung und dem Verhalten des Arbeitnehmers3 legt nahe, dass eine unterdurchschnittliche Leistung grundsätzlich auch dann als Grund für den Widerruf in Betracht kommt, wenn diese nicht auf dem Verhalten des Arbeitnehmers beruht, sondern auf Gründe in seiner Person zurückzuführen ist. Zwischen der vom Arbeitgeber versprochenen Vergütung und dem Grund für 90 die Änderung dieser Vergütung muss ein Zusammenhang bestehen.4 Ein Verhalten des Arbeitnehmers, das sich nicht auf seine Arbeitsleistung auswirkt, berechtigt den Arbeitgeber daher grundsätzlich nicht zum Widerruf einer Leistungszulage. Da der Arbeitgeber eine Schlechtleistung des Arbeitnehmers häufig nicht nachweisen kann, besteht für ihn auch bei einer widerruflichen Leistungszulage die Gefahr, die Zulage weiter gewähren zu müssen.5 Aufgrund der erforderlichen Korrelation zwischen der versprochenen Leistung und dem Widerrufsgrund kann eine zugesagte leistungsunabhängige Arbeitsmarktzulage nicht wegen Schlechtleistung des Arbeitnehmers widerrufen werden.6 1 2 3 4 5 6
Etwas strenger Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 70 Rz. 22. BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465. BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465. Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 70 Rz. 21. Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 70 Rz. 24. BAG v. 16.12.1982 – 2 AZR 147/81.
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit (5) Wegfall des Leistungszwecks 91 Wird in der Widerrufsklausel der Zweck der versprochenen Leistung konkret
und transparent genannt und fällt dieser Zweck weg, ergibt sich i.d.R. schon aus dieser Zweckbestimmung, unter welchen Voraussetzungen ein Widerruf zulässig ist. Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer z.B. eine Zulage für eine besondere Erschwernis unter dem Vorbehalt des Widerrufs zugesagt, kann vereinbart werden, dass die Zahlung der Zulage vom Arbeitgeber widerrufen werden kann, wenn die besondere Erschwernis wegfällt. So bestehen gegen den Widerruf einer Wechselschichtzulage grundsätzlich dann keine Bedenken, wenn der Arbeitnehmer nicht mehr in Wechselschicht arbeitet.1 Ein ausdrücklicher Widerrufsvorbehalt muss wohl nicht vereinbart werden, wenn der Leistungszweck klar formuliert ist. Die Auslegung einer solchen Gewährung lässt für den Beschäftigten bei einer typisierten Auslegung hinreichend deutlich erkennen, dass die Leistung beim Entfallen des Zwecks nicht mehr verlangt werden kann. Ansonsten müsste der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer wegen § 308 Nr. 4 BGB unter Umständen erklären, dass der Anspruch auf sein Entgelt ohne Arbeitsleistung entfallen kann. (6) Konkrete Bezeichnung des Umfangs der Änderungsbefugnis
92 Aus dem Wortlaut der Klausel muss deutlich werden, welcher Änderungs-
umfang aufgrund des Widerrufs besteht. Die konkrete Bezeichnung des Umfangs der Änderung hat nach der hier vorgeschlagenen Lösung erhebliche Auswirkungen auf die Pflicht zur Angabe der Widerrufsgründe (vgl. Rz. 82 ff.). Die übertariflichen Vergütungsbestandteile, auf die sich der Änderungsvorbehalt nur erstrecken darf (zur Kritik an diesem Erfordernis vgl. Rz. 52), müssen präzise bezeichnet und so abgegrenzt werden, dass sie weniger als 25 % des Gesamtverdienstes ausmachen (Rz. 44 f.). Die 25 %-Grenze hat durch § 12 Abs. 2 TzBfG n.F. erhebliches Gewicht und erhebliche Bedeutung gewonnen (vgl. Rz. 32). An dieser Grenze als feste Grenze sollte so wenig wie möglich gearbeitet werden. Besondere Rechtfertigungserfordernisse für befristete Arbeitszeiterhöhungen in AGB bereits ab 24,67 % durch den 7. Senat des BAG2 haben Ausnahmecharakter und können nicht auf die Widerruflichkeit von Leistungen i.R.d. § 308 Nr. 4 BGB übertragen werden. Sollen darüber hinaus Leistungen widerruflich sein, die keine unmittelbare Gegenleistung für die Arbeitsleistung darstellen, müssen auch diese so konkret beschrieben werden, dass kein Zweifel bleibt, dass der widerrufliche Teil der Arbeitsvergütung insgesamt nicht mehr als 30 % des Gesamtverdienstes beträgt. Allerdings muss der im Einzelfall zur Disposition stehende Leistungsumfang nicht bereits im Vorfeld bestimmt sein. Es genügt daher wohl auch, wenn bis zu 10 % des Gehalts widerrufen werden können. Auch 1 Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 70 Rz. 23. 2 Vgl. BAG v. 25.4.2018 – 7 AZR 520/16, NJW 2018, 2815.
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beim zu konkretisierenden, zu verändernden Leistungsumfang genügt die Angabe der Richtung und der Grenze. Wie bereits dargelegt (Rz. 82 ff.) sind die Angabe des Widerrufsgrunds und des Widerrufsumfangs insgesamt zu betrachten, um die hinreichende Konkretisierung des Widerrufsvorbehalts zu beurteilen. (7) Zeitlicher Umfang der Änderung § 308 Nr. 4 BGB bindet dem Wortlaut nach die Zumutbarkeit der Änderung der 93 versprochenen Leistung nicht an die Dauer der Änderung. Dies schließt es jedoch nicht aus, die Wirksamkeit der Änderung daran zu knüpfen. Regelt z.B. eine Klausel, dass eine bestimmte Zulage für eine besondere Erschwernis gewährt wird und die Zulage bei einem Wegfall der Erschwernis widerrufen werden kann, kann der vereinbarte Wegfall der Zulage auf Dauer dem Arbeitnehmer nicht zumutbar sein, wenn absehbar ist, dass die Erschwernis nur vorübergehend wegfällt. Auch wirtschaftliche Schwierigkeiten begründen nicht stets das Erfordernis für einen dauerhaften Widerruf der Leistung. Eine zeitlich unbegrenzte oder unbefristete Widerrufbefugnis geht daher bei wirtschaftlichen Gründen ggf. über das Erforderliche hinaus und ist unter Umständen zu umfassend.1 (8) Ankündigungsfrist Eine Ankündigungsfrist für die Wirkung des Widerrufs muss die Vertrags- 94 klausel nicht vorsehen. Für eine solche Frist gibt es keinen Ansatz.2 Allenfalls bei der Ausübungskontrolle kommt die Einräumung einer Auslauffrist in Betracht.3 Allerdings kann sich der Arbeitnehmer auf die verminderte Vergütung besser einstellen, wenn der Widerruf von Vergütungsbestandteilen an eine Frist gebunden wird.4 Dass die Vertragsklausel keine Ankündigungsfrist enthalten muss, bedeutet nicht, dass vom Arbeitgeber versprochene Vergütungsbestandteile auch wirksam mit Rückwirkung widerrufen werden können. bb) Materielle Anforderungen an die Änderungsbefugnis (1) Erforderlichkeit der Anpassung Ausgangspunkt der Inhaltskontrolle ist, dass eine Befugnis des Arbeitgebers 95 zur Verminderung der versprochenen Vergütung nur in Betracht kommt, wenn dieses Recht als Instrument der Anpassung notwendig ist.5 Stellt die Vorbehalts1 Vgl. Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 70 Rz. 22. 2 BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 1756. 3 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 1756. 4 Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 70 Rz. 22. 5 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943; BGH v. 19.10.1999 – XI ZR 8/99, NJW 2000, 651.
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit klausel nicht auf ungewisse Entwicklungen, sondern auf bekannte Tatbestände ab, die konkret geregelt werden können, ist die Vereinbarung eines Änderungsvorbehalts i.S.v. § 308 Nr. 4 BGB nicht zumutbar.1 (2) Beurteilung der Zumutbarkeit 96 Maßgebend für die Berücksichtigung der Interessen des Arbeitgebers ist eine ty-
pische Betrachtungsweise.2 Bei der Beurteilung, ob der Änderungsvorbehalt für den Arbeitnehmer zumutbar ist, ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Der generalisierende, überindividuelle Maßstab zielt darauf, diejenigen Klauseln herauszufiltern, die dem Arbeitgeber ein Leistungsbestimmungsrecht gewähren, das unabhängig von der Interessenlage im konkreten Einzelfall als ein für den Arbeitnehmer nicht hinnehmbarer Eingriff in das Vertragsgefüge und das von den Parteien bei Vertragsschluss bestimmte Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung anzusehen ist.3 Es kommt auf die Art und Höhe der Leistung an, die widerrufen werden soll, auf die Höhe des verbleibenden Verdienstes und die Stellung des Arbeitnehmers im Unternehmen.4 Unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte muss der angegebene Änderungsgrund die Änderung der Vergütung des Arbeitnehmers typischerweise rechtfertigen. Ein Widerrufsvorbehalt darf das Wirtschaftsrisiko des Arbeitgebers nicht auf den Arbeitnehmer verlagern.5 Dies ist bei einem Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsvertrags der Fall.6 (3) Synallagmatische Leistungen
97 Ob ein Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsvertrags vorliegt, hängt nach
der Rechtsprechung des BAG7 auch davon ab, ob die Vorbehaltsklausel eine im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Leistungspflicht erfasst oder eine nicht synallagmatische Leistung. Der im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende widerrufliche Teil des Gesamtverdienstes muss unter 25 % liegen und der Tariflohn darf nicht unterschritten werden (zur Kritik an letzterem Erfordernis vgl. Rz. 45). (4) Nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Leistungen
98 Sind darüber hinaus Zahlungen des Arbeitgebers widerruflich, die keine unmit-
telbare Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers darstellen,
1 2 3 4 5 6 7
BGH v. 19.10.1999 – XI ZR 8/99, NJW 2000, 651. H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 4 Rz. 9. Raab in FS Birk (2008), S. 559 (681). BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465. Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 70 Rz. 22. BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465. BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09 – DB 2010, 1943.
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III. Die einzelnen Klauselverbote des § 308 BGB | § 308
sondern Ersatz für Aufwendungen, die an sich der Arbeitnehmer selbst tragen muss, erhöht sich der widerrufliche Teil der Arbeitsvergütung auf bis zu 30 % des Gesamtverdienstes.1 Dieser Differenzierung liegt die Erwägung zugrunde, dass im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Leistungspflichten einen höheren Vertrauens- und Bestandsschutz verdienen2 und dass Aufwendungsersatz wegen tatsächlicher Aufwendungen gewährt wird. Allerdings kann die Klärung der Frage, ob eine übertarifliche Leistung des Arbeitgebers mit der Leistung des Arbeitnehmers im Gegenseitigkeitsverhältnis steht, mit Schwierigkeiten verbunden sein.3 In aller Regel erbringt ein Arbeitgeber jede Leistung im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis und die Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Leistung der versprochenen Dienste.4 Auch aus der Sicht des Arbeitnehmers dürfte es wirtschaftlich keinen großen Unterschied machen, ob eine übertarifliche Zulage oder ein Fahrtkostenzuschuss in gleicher Höhe wegfällt. Bei jedem geldwerten Vorteil, den der Arbeitgeber im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis versprochen hat, handelt es sich letztlich um Arbeitsentgelt.5 f) Ausübungskontrolle aa) Voraussetzungen Die Überprüfung, ob die Ausübung des vorbehaltenen Rechts, die Vergütung 99 des Arbeitnehmers zu ändern, im Einzelfall billigem Ermessen i.S.v. § 315 BGB entsprochen hat, setzt voraus, dass der Änderungsvorbehalt wirksam vereinbart wurde.6 Ist dies nicht der Fall, wird nicht kontrolliert, ob das Handeln des Arbeitgebers im konkreten Einzelfall Treu und Glauben gemäß § 242 BGB beachtet und billiges Ermessen i.S.v. § 315 BGB gewahrt hat.7 bb) Bedeutung Das Ergebnis der Ausübungskontrolle ist für die endgültige Beurteilung der 100 Zumutbarkeit der Änderung der versprochenen Leistung maßgebend. Die Ausübungskontrolle hat allerdings erheblich an Bedeutung verloren, weil bereits im Rahmen der Inhaltskontrolle eine Interessenabwägung stattfindet.8 Ob die Ausübung des Änderungsvorbehalts wirksam ist, wird jedoch nicht abschließend durch objektive Beurteilungsmaßstäbe festgelegt. Neben der Angemessen1 2 3 4 5 6 7 8
BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87. So auch Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 70 Rz. 25. Bergwitz, Anm. zu BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, AP BGB § 308 Nr. 1. Vgl. Brühler, JbArbR, Bd. 46, S. 23 (31). Bonin in DBD, § 308 Nr. 4 Rz. 41. BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465. BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943. Bergwitz, Anm. zu BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, AP BGB § 308 Nr. 1.
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit heitskontrolle steht weiterhin die auf den Einzelfall bezogene Ausübungskontrolle.1 cc) Gegenstand der Kontrolle 101 Im Rahmen der Ausübungskontrolle ist zu prüfen, ob die in der Klausel genann-
ten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, also zum Zeitpunkt der Ausübung des Vorbehalts der in der Klausel beschriebene Grund tatsächlich vorlag. Hauptanwendungsfall einer unbilligen Ausübung des Vorbehalts ist die Missachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes.2 Der Arbeitgeber darf sich grundsätzlich nicht einzelne Arbeitnehmer herausgreifen und ihnen ein Sonderopfer abverlangen.3 dd) Interessenabwägung
102 Die mit der Ausübung des Vorbehalts verbundene Änderung der Vergütung des
Arbeitnehmers muss billigem Ermessen i.S.v. § 315 Abs. 1 BGB entsprechen. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitgeber die wesentlichen Umstände und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt hat.4 In seine Ermessensentscheidung darf er grundsätzlich alle sachlichen Gründe einstellen. Der Begriff des billigen Ermessens muss nach Ansicht des 10. Senats des BAG zu den weiten unbestimmten Rechtsbegriffen gezählt werden. Daher sind die tatrichterlichen Ausführungen zur Anwendung von § 315 BGB nur eingeschränkt in der Revision überprüfbar.5
103 Aus der Formulierung „unter Berücksichtigung der Interessen des Verwen-
ders“ wird deutlich, dass das Interesse des Arbeitnehmers an der Weiterzahlung der ihm vom Arbeitgeber versprochenen Vergütung grundsätzlich Vorrang vor dem Änderungsinteresse des Arbeitgebers hat. Der Wegfall oder die Verminderung dem Arbeitnehmer versprochener Vergütungsbestandteile ist diesem deshalb nur dann zumutbar, wenn das Interesse des Arbeitgebers an der Änderung das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers überwiegt.6
104 Nennt die Vorbehaltsklausel wirtschaftliche Gründe für die Änderung, dient
sie der Anpassung des Arbeitsentgelts an veränderte Rahmenbedingungen, insbesondere an eine verminderte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Arbeit-
1 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87. 2 Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 70 Rz. 27; Bergwitz, Anm. zu BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, AP BGB § 308 Nr. 1. 3 Thüsing/Mengel, S. 23. 4 St. Rspr., vgl. BAG v. 25.8.2010 – 10 AZR 275/09, NZA 2010, 1355. 5 BAG v. 24.10.2018 – 10 AZR 285/16. 6 Bergwitz, Anm. zu BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, AP BGB § 308 Nr. 1.
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gebers. Das Interesse des Arbeitgebers geht dann dahin, durch die Kürzung oder Streichung von tariflich nicht vorgesehenen Leistungen auf die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens flexibel reagieren zu können. Soll der Widerruf dazu dienen, den Gewinn des wirtschaftlich gesunden Unternehmens weiter zu steigern, wird ein anzuerkennendes Leistungsänderungsinteresse des Arbeitgebers regelmäßig fehlen.1 Auch ein pauschaler Hinweis des Arbeitgebers auf eine allgemein schlechte Wirtschaftslage reicht zur Darlegung eines Leistungsänderungsinteresses nicht aus. Änderungen der Kalkulationsgrundlage und Kostensteigerungen scheiden dagegen nicht von vornherein aus, um ein Interesse des Arbeitgebers an der Leistungsänderung zu begründen, es sei denn, sie waren bereits bei Vertragsschluss absehbar.2 Dies gilt jedenfalls dann, wenn bei einer auftretenden wirtschaftlichen Notlage der Arbeitgeber plausibel darlegt, dass der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers gefährdet ist und durch die Leistungsänderung gerettet werden kann. Im Interesse des Arbeitnehmers liegt die Weiterzahlung der vereinbarten Ver- 105 gütung. Der Arbeitnehmer darf in dem als Dauerschuldverhältnis ausgestalteten Arbeitsverhältnis trotz des Widerrufsvorbehalts grundsätzlich auf die Beständigkeit der ihm vom Arbeitgeber versprochenen Arbeitsvergütung vertrauen, wenn diese nicht an besondere Voraussetzungen, z.B. das Erreichen bestimmter Ziele, geknüpft ist. Er erbringt im Hinblick auf die zugesagte Vergütung seine Arbeitsleistung und stellt auch regelmäßig sein Leben darauf ein.3 Allerdings kann bei einer Existenzgefährdung des Unternehmens auch der Arbeitnehmer am Widerruf von Leistungen des Arbeitgebers ein Interesse haben, wenn der Arbeitgeber sein Widerrufsrecht auch gegenüber anderen Arbeitnehmern ausübt und aufgrund der Entgeltsenkung die Arbeitsplätze der vom Widerruf Betroffenen nicht verloren gehen. ee) Ankündigungsfrist Zwar muss die Vorbehaltsklausel keine Frist für die Wirkung des Widerrufs 106 vorsehen (vgl. Rz. 94). Bei der Ausübungskontrolle kommt die Erklärung unter Einräumung einer Auslauffrist der bisherigen Leistung jedoch in Betracht und kann das billige Ermessen beeinflussen.4 Wird die Ausübung des Vorbehalts vom Arbeitgeber angekündigt, kann sich der Arbeitnehmer auf die verminderte Vergütung besser einstellen. Die Einräumung einer angemessenen Ankündigungs- oder Auslauffrist kann deshalb aus Gründen der Billigkeit geboten sein.5 1 2 3 4
Bergwitz, Anm. zu BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, AP BGB § 308 Nr. 1. H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 4 Rz. 9. BAG v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2007, 853. BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 1756. 5 Zum Vertrag Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 70 Rz. 22; Bonin in DBD, § 308 Nr. 4 Rz. 46; Preis/Roloff, ZfA 2007, 43 (86).
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit So kann die Interessenabwägung im Einzelfall dazu führen, dass ein Arbeitgeber, der einem Arbeitnehmer die Nutzung eines Dienstwagens auch zu Privatzwecken ermöglicht hat, den Dienstwagen nur unter Einräumung einer Auslauffrist zurückfordern darf.1 g) Widerrufsvorbehalt bei Sondervergütungen aa) Praktische Bedeutung 107 Viele Arbeitnehmer erhalten neben dem laufenden monatlichen Arbeitsentgelt
in jährlichen oder anderen Abständen Zahlungen, mit denen der Arbeitgeber Betriebstreue honorieren oder die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers während eines bestimmten Zeitraums zusätzlich vergüten will. Oft verfolgt der Arbeitgeber mit Sonderzahlungen auch mehrere Zwecke. Häufig werden solche Zahlungen in einem Formulararbeitsvertrag zugesagt, jedoch mit einem Freiwilligkeits- und/oder Widerrufsvorbehalt verbunden. Die in einer Vielzahl vorformulierter Arbeitsverträge im Zusammenhang mit Sonderzahlungen verwendete Klausel, dass es sich um eine „freiwillige, stets widerrufliche Leistung des Arbeitgebers handelt“, war wiederholt Gegenstand der Rechtsprechung.2 bb) Transparente Fassung der Widerrufsklausel
108 Die Auslegung der Formulierung „freiwillige, stets widerrufliche Leistung, auf
die – auch künftig – kein Rechtsanspruch besteht“ als ein auf die Sonderzahlung bezogener Freiwilligkeitsvorbehalt lässt das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zu. Auch eine Auslegung als Widerrufsvorbehalt ist ausgeschlossen.3 Der Widerruf einer Leistung durch den Arbeitgeber setzt einen Anspruch des Arbeitnehmers auf die Leistung voraus, den der Arbeitgeber gerade ausschließen wollte. Der 10. Senat des BAG4 hat diese Klausel für widersprüchlich und deshalb unwirksam gehalten.5 Will der Arbeitgeber sich vorbehalten, eine versprochene Sonderzahlung einzuschränken oder einzustellen, muss die Klausel ebenso wie bei einer laufenden Leistung präzise die unter dem Vorbehalt der Änderung versprochenen Vergütungsbestandteile beschreiben und den Grund für die Änderung hinreichend konkret nennen.
1 BAG v. 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 1756. 2 Vgl. BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 10; BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 26.3.1997 – 10 AZR 612/96, NZA 1997, 1007. 3 Bayreuther, BB 2009, 102 (103). 4 BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 10; BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173. 5 So auch Waltermann, SAE 2009, 98; a.A. Zöllner, ZfA 2010, 637 (647 f.).
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cc) Angemessenheits- und Ausübungskontrolle Bezüglich der Kontrolle der Klausel, die dem Arbeitgeber das Recht einräumt, 109 die Leistung zu kürzen oder ganz einzustellen, gelten bei Sonderzahlungen keine anderen Grundsätze als bei laufenden Leistungen. § 308 Nr. 4 BGB stellt nur darauf ab, ob der Arbeitgeber eine Leistung versprochen hat, nicht darauf, ob es sich um eine laufende Zahlung oder eine Sonderzahlung handelt. Dies hat zur Folge, dass Widerrufsvorbehalte bei Sonderzahlungen denselben formellen und materiellen Anforderungen genügen und einer einzelfallbezogenen Ausübungskontrolle standhalten müssen. Die entsprechende Anwendung der von der Rechtsprechung des BAG1 zu laufenden Zahlungen aufgestellten Grundsätze führt dazu, dass der Arbeitgeber nur übertarifliche Sondervergütungen mit einem Widerrufsvorbehalt verbinden darf und dies auch nur dann, wenn die vom Vorbehalt erfassten Sondervergütungen weniger als 25 % des Gesamtverdienstes ausmachen. Bei einem Widerrufsvorbehalt ist die Differenzierung zwischen Sondervergütungen und laufendem Arbeitsentgelt anders als beim Freiwilligkeitsvorbehalt2 deshalb von wesentlich geringerer Bedeutung. Allerdings kann sich aus dem Leistungszweck eine Absenkung der Transparenzerfordernisse ergeben (Rz. 82 ff.). h) Beweislast Die AGB-Kontrolle erfolgt – wenn die Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 BGB 110 vorliegen – durch die Gerichte von Amts wegen. Liegen die Voraussetzungen des § 308 Nr. 4 BGB vor, muss der Arbeitnehmer nicht darlegen und beweisen, dass die Vereinbarung der Änderungsklausel für ihn unzumutbar ist. Aus der Fassung des § 308 Nr. 4 BGB sowie aus dem das Vertragsrecht beherrschenden Grundsatz der Bindung beider Vertragspartner an eine von ihnen getroffene Vereinbarung ergibt sich, dass es sich beim Änderungsvorbehalt um einen Ausnahmetatbestand handelt und gegen die Vereinbarung der Änderung die Vermutung der Unwirksamkeit spricht.3 Es ist dann Sache des Arbeitgebers, diese Vermutung zu entkräften. Ihm obliegt 111 es, darzulegen und gegebenenfalls nachzuweisen, dass die Klausel zumutbar ist und die formellen und materiellen Voraussetzungen, an die seine Änderungsbefugnis geknüpft ist, vorliegen. Insoweit obliegt dem Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für die Zumutbarkeit des Änderungsvorbehalts.4 Schließlich muss er die Ausübung nach billigem Ermessen darlegen, wenn der Arbeitnehmer sich auch insoweit auf eine Unzumutbarkeit beruft. 1 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465. 2 Vgl. BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; Brühler, JbArbR, Bd. 46, S. 23, (31 f.). 3 BGH v. 17.2.2004 – XI ZR 140/03, NJW 2004, 1588. 4 Vgl. Dammann in WLP, § 308 Nr. 4 Rz. 32.
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit i) Folgen der Klauselunwirksamkeit – ergänzende Vertragsauslegung §§ 133, 157 BGB? 112 Ist der Änderungsvorbehalt unwirksam, fällt die Änderungsklausel grundsätz-
lich gemäß § 306 Abs. 2 BGB ersatzlos weg, wenn sie sich nicht aufteilen lässt. Die Aufrechterhaltung einer unwirksamen Änderungsklausel mit einer auf das materielle Schutzniveau beschränkten Geltung kommt grundsätzlich nicht in Betracht,1 so dass der Arbeitnehmer weiterhin Anspruch auf die ihm vom Arbeitgeber versprochene Leistung hat. Bei der dynamischen Bezugnahme auf kirchliche Arbeitsvertragsregelungen (vgl. Rz. 71) können Ausnahmen von diesem Grundsatz gerechtfertigt sein. Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion gilt es auch bei der ergänzenden Vertragsauslegung sorgfältig zu beachten. Nach den ausführlichen Untersuchungen Graf von Westphalens scheint sie nach der neueren Rechtsprechung des EuGH für Verbraucherverträge ausgeschlossen zu sein.2 Ausnahmen von diesen Grundsätzen für Arbeitsverträge auf der Grundlage des § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB erscheinen nicht zwingend, da arbeitsrechtliche Besonderheiten insoweit nicht bestehen.
113 Auf bis zum 31.12.2001 begründete Arbeitsverhältnisse, sog. Altfälle, findet
§ 308 Nr. 4 BGB gemäß Art. 229 § 5 EGBGB seit dem 1.1.2003 Anwendung. Vertrauensschutz hat das Gesetz für Altfälle damit nur bis zum 31.12.2002 eingeräumt. Gleichwohl hat der 5. Senat des BAG3 für Altfälle angenommen, dass ein unwirksamer Änderungsvorbehalt nicht stets ersatzlos wegfällt. Er hat den Vertrauensschutz bei Altfällen daran geknüpft, dass eine Bindung des Arbeitgebers an die vereinbarte Leistung ohne Widerrufsmöglichkeit unverhältnismäßig in die Privatautonomie eingreifen würde und der Änderungsvorbehalt nur deshalb unwirksam ist, weil er in formeller Hinsicht den neuen Anforderungen nicht genügt. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist nach der Rechtsprechung des 5. Senats des BAG eine verfassungskonforme Abmilderung der Rückwirkung durch eine ergänzende Vertragsauslegung geboten. Eine den formellen Anforderungen nicht gerecht werdende Widerrufsklausel ist danach mit dem Inhalt aufrechtzuerhalten, den die Arbeitsvertragsparteien bei Kenntnis der neuen gesetzlichen Anforderungen vereinbart hätten. Eine Bindung der ergänzenden Vertragsauslegung in Altfällen an die Einhaltung einer Verhandlungsobliegenheit lehnt der 5. Senat des BAG4 ausdrücklich ab.5
114 Ein Altfall liegt allerdings nicht schon dann vor, wenn der Arbeitsvertrag vor
dem 1.1.2002 abgeschlossen wurde. Haben die Arbeitsvertragsparteien nach die-
1 BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428. 2 Graf von Westphalen, BB 2019, 67 m.w.N.; Graf von Westphalen, MDR 2019, 76 m.w.N. 3 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, NZA 2011, 796. 4 BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, NZA 2011, 796. 5 Zust. Uffmann, Anm. zu BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, AP BGB § 308 Nr. 9 und Schlewing, NZA-Beilage 2/2012, 33 (37); abl. Bieder, RdA 2011, 142 (153).
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sem Tag andere Abmachungen getroffen, z.B. über die Vergütung des Arbeitnehmers, und im Übrigen vereinbart, dass alle anderen Abreden unberührt bleiben, hindert dies die Annahme eines Altfalls und eine Rechtsfolgenkorrektur unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes.1 Dem Vertrauensschutz des Arbeitgebers hat der Gesetzgeber nach der Recht- 115 sprechung des 9. Senats des BAG2 und wohl auch nach der Ansicht des 10. Senats des BAG3 durch die Einräumung der Übergangsfrist bis zum 31.12.2002 genügt.4 Bei Altfällen soll danach eine ergänzende Vertragsauslegung nur dann zu Gunsten des Arbeitgebers in Betracht kommen, wenn dieser versucht hat, die nicht mehr den formellen Anforderungen des § 308 Nr. 4 BGB entsprechende Vertragsklausel der neuen Gesetzeslage anzupassen, und dies am Widerstand des Arbeitnehmers gescheitert ist.5 Der Auffassung, auch Neuregelungen seien grundsätzlich einer ergänzenden Vertragsauslegung zugänglich, es sei kein Grund ersichtlich, gerade bei Altfällen strengere Maßstäbe anzulegen,6 hat der 9. Senat des BAG7 entgegengehalten, eine ergänzende Vertragsauslegung würde dem Arbeitgeber das Risiko einer unzulässig zu weit gefassten Klausel vollständig nehmen und wäre eine Vertragshilfe allein zu seinen Gunsten.8 Der 5. Senat hat dem seinerseits entgegengehalten, dass der jeweils ausführlich begründete Hinweis auf die einjährige Übergangsfrist mit der Anpassungsobliegenheit lediglich ein weiteres Begründungselement innerhalb der bei der ergänzenden Vertragsauslegung anzustellenden Gesamtinteressenabwägung darstellte.9 Die Grundsatzfrage, ob in Altfällen eine ergänzende Vertragsauslegung voraus- 116 setzt, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor dem 1.1.2003 eine Anpassung der Klausel an den strengeren Rechtszustand angetragen hat, ist angesichts der wohl weiterhin divergierenden Rechtsprechung des 5. und des 9. Senats des BAG offen. Auch im Schrifttum besteht keine Einigkeit.10 Allerdings wird sich das Problem durch Zeitablauf von selbst lösen.
1 BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173; BAG v. 18.11.2009 – 4 AZR 514/08, NZA 2010, 170. 2 BAG v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, NZA 2007, 809. 3 BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, NZA 2009, 428; BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 1/08, NZA-RR 2009, 576. 4 So auch Bieder, RdA 2011, 142 (153). 5 So im Ergebnis auch Bergwitz, Anm. zu BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, AP BGB § 308 Nr. 1. 6 Linck in FS Bauer (2010), S. 645 (657 f.). 7 BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, DB 2010, 1943. 8 Zust. Coester in FS Löwisch (2007), S. 57 (69 ff.). 9 BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, NZA 2011, 796. 10 Vgl. die Nachweise bei Uffmann, Anm. zu BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, AP BGB § 308 Nr. 9; ablehnend Roloff in HWK, § 310 BGB Rz. 9.
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit 7. § 308 Nr. 5 BGB (Fingierte Erklärungen) a) Allgemeines 117 Nach § 308 Nr. 5 BGB sind fingierte Erklärungen in Bestimmungen unwirksam,
wenn eine Erklärung des Vertragspartners des Verwenders bei Vornahme oder Unterlassung einer bestimmten Handlung als von ihm abgegeben oder nicht abgegeben gilt, es sei denn, dass dem Vertragspartner eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt ist und der Verwender sich verpflichtet, den Vertragspartner bei Beginn der Frist auf die vorgesehene Bedeutung seines Verhaltens besonders hinzuweisen. Arbeitsvertragsklauseln, wonach kraft einer Fiktion oder einer unwiderlegbaren Vermutung eine Erklärung des Arbeitnehmers als abgegeben oder nicht abgegeben gilt, sind gefährlich, wenn sich damit für den Arbeitnehmer Nachteile verbinden.1 Dies gilt umso mehr, als Arbeitnehmer den Inhalt solcher Klauseln oft nicht zur Kenntnis nehmen und daher von den ihnen unterstellten Erklärungen nichts wissen.2 § 308 Nr. 5 BGB verbietet jedoch nicht generell Erklärungsfiktionen in vorformulierten Arbeitsverträgen. Die Vorschrift knüpft die Wirksamkeit der Fiktion nur an Mindestvoraussetzungen3 und untersagt die Fiktion für den Fall, dass dem Arbeitnehmer die drohende Fiktionswirkung nicht bewusst gemacht und ihm keine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt wird.4 In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte spielt die Norm bisher keine große Rolle. Weitaus verbreiteter als Erklärungsfiktionen sind hier Schriftformklauseln, die besonders strenge Formvoraussetzungen für eine Änderung des Arbeitsvertrags aufstellen, um den Arbeitgeber vor für ihn nachteiligen Vertragsänderungen zugunsten der Arbeitnehmer zu schützen (vgl. § 305b Rz. 18). b) Anwendungsbereich aa) Erklärungen des Arbeitnehmers
118 Die Vorschrift erfasst ausschließlich Erklärungsfiktionen, die an das Verhalten
des Verwendungsgegners und damit des Arbeitnehmers anknüpfen.5 Sie ist auf die unwiderlegliche Vermutung einer rechtsgeschäftlichen Erklärung des Arbeitnehmers anwendbar. Klauseln, wonach Erklärungen des Arbeitgebers als abgegeben oder nicht abgegeben gelten, können nach § 307 BGB unwirksam sein, unterfallen jedoch nicht § 308 Nr. 5 BGB.6 Für die Anwendung von § 308 Nr. 5 BGB ist ohne Bedeutung, ob die Klausel die Erklärungsfiktion an ein Untätigbleiben oder an ein positives Verhalten des Arbeitnehmers knüpft. Den Vorgaben
1 2 3 4 5 6
Vgl. H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 5 Rz. 2. Vgl. Coester-Waltjen in Staudinger, § 308 Nr. 5 Rz. 1. H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 5 Rz. 2. Wurmnest in MünchKommBGB, § 308 Nr. 5 Rz. 1. Becker in Bamberger/Roth, § 308 Nr. 5 Rz. 5. Vgl. H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 5 Rz. 6.
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des § 308 Nr. 5 BGB dürften daher Vertragsverlängerungsoptionen nicht entsprechen, die für den Fall der Abgabe einer Optionserklärung des Arbeitgebers binnen einer bestimmten Frist vor der Beendigung des Ausgangsvertrags zu einer befristeten Verlängerung des Vertrags führen, soweit die Vorgaben des § 308 Nr. 5 BGB nicht gewahrt werden. So enthalten die Verträge von Profifußballern eine Klausel, die ungefähr wie folgt lautet: „Verein UND Spieler haben die Option den bestehenden Vertrag um ein Jahr bis zum 30.6. zu verlängern. Voraussetzung hierfür ist der Einsatz des Spielers in mindestens 23 Bundesligaeinsätzen in der vorausgehenden Saison. Die Wahrnehmung der Option ist spätestens vier Wochen nach dem 23. Einsatz per Einschreiben oder gegen Empfangsquittung in schriftlicher Form mindestens von einer Partei (Spieler oder Verein) zu erklären.“1 Nach der Erklärung des Arbeitgebers würde dann die Zustimmung des Arbeitnehmers zur Vertragsverlängerung fingiert, ohne dass dem Arbeitnehmer hier eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt wäre und der Arbeitgeber sich verpflichtete, den Arbeitnehmer bei Beginn der Frist auf die vorgesehene Bedeutung seines Verhaltens besonders hinzuweisen. Darüber hinaus bestehen auch wegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzliche Bedenken gegen seine solche Bindung des Arbeitnehmers ohne Widerspruchsmöglichkeit. Allerdings müssten die Besonderheiten des Sportarbeitsrechts und die Verbandsstatuten als im Arbeitsrecht geltende Besonderheiten angemessene Berücksichtigung erhalten.2 Außerdem könnte man erwägen, die Verlängerungsoption wegen der spezielleren Befristungskontrolle oder als Hauptabrede nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle zu entziehen. bb) Schweigen als Willenserklärung Bei Erklärungsfiktionen geht es vor allem um Fälle, in denen ein Unterlassen 119 des Arbeitnehmers, insb. sein Schweigen, die Bedeutung haben soll, dass er eine Maßnahme des Arbeitgebers billigt oder sich mit einer ihm angetragenen Änderung des Arbeitsvertrags einverstanden erklärt.3 Der Grundsatz, dass Schweigen i.d.R. keine Willenserklärung ist, gehört jedoch zu den wesentlichen Prinzipien des Privatrechts.4 Der Grundsatz ist aber dispositiv. Den Arbeitsvertragsparteien steht es deshalb frei, von diesem Grundsatz abzuweichen und zu vereinbaren, welche Rechtsfolgen ein Schweigen des Arbeitnehmers hat.5 § 308 Nr. 5 BGB verbietet damit nicht eine Klausel, nach der das Schweigen des Arbeitnehmers zu einem Antrag des Arbeitgebers als Annahmeerklärung gilt.6 Das Erfordernis 1 Vgl. BAG v. 16.1.2018 – 7 AZR 312/16, NZA 2018, 703. 2 Vgl. grundlegend zur Befristung BAG v. 16.1.2018 – 7 AZR 312/16, NZA 2018, 703. 3 Stoffels in Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 25 Rz. 3; vgl. auch Coester-Waltjen in Staudinger, § 308 Nr. 5 Rz. 3. 4 Vgl. BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 281/08, NZA 2009, 601. 5 Hromadka in FS Richardi (2007), S. 257 (262); Hofmann, S. 156. 6 BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 281/08, NZA 2009, 601.
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit einer Abmachung, dass Schweigen als Willenserklärung gilt, ergibt sich nicht aus § 308 Nr. 5 BGB, sondern aus dem allgemeinen Zivilrecht.1 Nur eine Abrede über eine Erklärungsfiktion kann gegen § 308 Nr. 5 BGB verstoßen.2 120 Etwas anderes folgt auch nicht aus der Entscheidung des BAG vom 18.3.2009,3
mit der die Rechtsprechung zur gegenläufigen betrieblichen Übung aufgegeben wurde.4 Die Aufgabe dieser im arbeitsrechtlichen Schrifttum5 ganz überwiegend auf Ablehnung gestoßenen Rechtsprechung wurde nicht mit einer unmittelbaren Anwendung des § 308 Nr. 5 BGB begründet. Vielmehr wurde auf den Schutzzweck dieser Vorschrift abgestellt.6 Mit diesem ist die Annahme nicht zu vereinbaren, durch eine dreimalige widerspruchslose Entgegennahme einer vom Arbeitgeber ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Freiwilligkeit gezahlten Gratifikation werde eine bestehende Verpflichtung des Arbeitgebers zur Gratifikationszahlung beendet.7 Haben die Arbeitsvertragsparteien schon nicht vereinbart, dass das Schweigen des Arbeitnehmers eine Fiktionswirkung auslöst, kann aus dem Schweigen des Arbeitnehmers erst recht keine Annahme eines Antrags des Arbeitgebers abgeleitet werden, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht darauf hinweist, welche Bedeutung er seinem Schweigen beimisst.8 cc) Widerspruchslose Fortsetzung der Tätigkeit
121 § 308 Nr. 5 BGB erfasst nicht konkludente Erklärungen des Arbeitnehmers,
die aus seinem Verhalten, insbesondere einer widerspruchslosen Fortsetzung seiner Tätigkeit nach einem Änderungsangebot des Arbeitgebers, abgeleitet werden.9 In diesem Fall ist das Verhalten des Arbeitnehmers i.V.m. den sonstigen Umständen als Ausdruck seines zwar nicht ausdrücklich, jedoch konkludent geäußerten rechtsgeschäftlichen Willens anzusehen. Der Vertragsschluss folgt hier nicht aus einer Fiktion.
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Bonin in DBD, § 308 Nr. 5 Rz. 1. Vgl. H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 5 Rz. 6. BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 281/08, NZA 2009, 601. Zur gegenläufigen betrieblichen Übung vgl. BAG v. 26.3.1997 – 10 AZR 612/96, NZA 1997, 1007; BAG v. 4.5.1999 – 10 AZR 290/98, NZA 1999, 1162. Vgl. nur Henssler in FS 50 Jahre Bundesarbeitsgericht (2004), S. 643 (704 ff.); Thüsing in HWK, § 611a BGB Rz. 389; Koch in Schaub, § 110 Rz. 32; Preis in ErfK, § 611a BGB Rz. 225; Speiger, NZA 1998, 510; Kettler, NJW 1998, 435; Franzen, Anm. zu BAG v. 26.3.1997 – 10 AZR 612/96, SAE 1997, 344 (346 ff.); Goertz, AuR 1999, 463; Waltermann, RdA 2006, 257 (268 f.); kritisch auch Bepler, RdA 2004, 226 (238 ff.). Zutr. H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 5 Rz. 6; a.A. Roeder, NZA 2009, 883 und Bonin in DBD, § 308 Nr. 5 Rz. 1. So auch Waltermann, SAE 2010, 193 (194). Vgl. Preis in ErfK, § 611a BGB Rz. 225. Vgl. dazu BAG v. 1.8.2001 – 4 AZR 129/00, NZA 2003, 924; Becker in Bamberger/Roth, § 308 Nr. 5 Rz. 11.
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c) Anforderungen an Erklärungsfiktionen aa) Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung Soll eine an ein Schweigen geknüpfte Fiktionswirkung eintreten, muss dies in 122 einer Klausel ausdrücklich vereinbart worden sein. Ist dies der Fall, knüpft § 308 Nr. 5 Buchst. a BGB den Eintritt der Fiktion daran, dass dem Arbeitnehmer eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt ist. Diese Frist muss schon bei der Abrede über die Fiktionswirkung vorgeschrieben werden, jedoch nicht schon dort konkret beziffert werden.1 Ob die Dauer der Frist angemessen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab2 und richtet sich nach einer objektiv generalisierenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung der bei Vereinbarungen der vorliegenden Art typischen Umstände.3 Da im Arbeitsverhältnis im Interesse einer schnell herzustellenden Rechts- 123 sicherheit relativ kurze Fristen üblich sind, z.B. eine Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 Abs. 2 BGB nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen kann und der Arbeitnehmer nach § 4 Satz 1 KSchG innerhalb von drei Wochen Kündigungsschutzklage erheben muss, wird in der Regel eine Frist von zwei Wochen angemessen sein, bei Erklärungen, die einiger Überlegung bedürfen, eine Frist von drei Wochen.4 Ist die Frist zu kurz bemessen, wird nicht eine angemessene Frist in Lauf gesetzt.5 Vielmehr tritt die Erklärungsfiktion nicht ein.6 Um angemessen zu sein, muss nicht nur die Länge der Frist angemessen sein, sondern auch ihre Ausgestaltung.7 Fristbeginn und Fristende müssen so gelegt und bestimmt werden, dass der Arbeitnehmer ohne Schwierigkeiten den Eintritt der Fiktion abwenden kann. bb) Hinweispflicht Weitere Voraussetzung des Eintritts der Fiktionswirkung ist nach § 308 Nr. 5 124 Buchst. b BGB, dass der Arbeitgeber sich verpflichtet, bei Beginn der Frist den Arbeitnehmer auf die vorgesehene Bedeutung seines Verhaltens besonders hinzuweisen. Dieser Hinweis muss auch tatsächlich in einer Form erfolgen, die unter normalen Umständen eine Kenntnisnahme des Arbeitnehmers verbürgt.8 1 Stoffels in Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 25 Rz. 5; H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 5 Rz. 11; Coester-Waltjen in Staudinger, § 308 Nr. 5 Rz. 13; a.A. Becker in Bamberger/Roth, § 308 Nr. 5 Rz. 17. 2 Bonin in DBD, § 308 Nr. 5 Rz. 5. 3 Stoffels in Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 25 Rz. 6. 4 H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 5 Rz. 11. 5 A.A. Hromadka in FS Richardi (2007), S. 257 (262), der bei der Änderung umfangreicher Klauselwerke annimmt, dass sich die Frist von drei Wochen verlängert. 6 H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 5 Rz. 14. 7 Dammann in WLP, § 308 Nr. 5 Rz. 42. 8 BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 281/08, NZA 2009, 601.
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit Gibt der Arbeitgeber den Hinweis, hat er sich dazu aber vertraglich nicht verpflichtet, tritt die Erklärungsfiktion nicht ein.1 cc) Verwenderinteresse 125 Die Vorgaben des § 308 Nr. 5 BGB sind nicht abschließend, um eine Zumutbar-
keit der Klausel zu begründen. Der Verwender muss überdies ein berechtigtes Interesse an der Fiktion der Erklärung haben, § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.2 Das kann bei Geschäften im Massenverkehr der Fall sein. Ein berechtigtes Interesse fehlt allerdings, wenn der Verwender mit der Fiktion einer Zustimmung Vertragsanpassungen im Vertrag absichern will, die er nur mit Zweifeln mithilfe anderer Anpassungsklauseln durchsetzen könnte.3 Nach § 307 Abs. 1 BGB unangemessene Preisanpassungsklauseln können bei Dauerschuldverhältnissen nicht im Wege von Zustimmungsfiktionen geheilt und Vertragsbestandteil werden.4
8. § 308 Nr. 6 BGB (Fiktion des Zugangs) a) Allgemeines 126 § 308 Nr. 6 BGB begründet die Unwirksamkeit von AGB, die vorsehen, dass
eine Erklärung des Verwenders von besonderer Bedeutung dem anderen Vertragsteil als zugegangen gilt. Die Vorschrift erfasst vor allem Klauseln, die nicht auf den tatsächlichen Zugang einer Willenserklärung des Arbeitgebers abstellen, sondern den Zugang fingieren, und damit von der Regelung in § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB abweichen. Sie findet nicht nur bei Willenserklärungen, sondern auch bei anderen Erklärungen des Arbeitgebers Anwendung, z.B. bei Mitteilungen oder Hinweisen.5 Die Erklärung muss nicht vom Arbeitgeber selbst, sondern kann auch von einem Dritten stammen. Es reicht aus, wenn sie dem Arbeitgeber zuzurechnen ist oder der Arbeitgeber aus ihrem Zugang für sich günstige Rechtsfolgen ableiten will.6
127 Die Zugangsfiktion ist eine besondere Art der Tatsachenfiktion.7 § 308 Nr. 6
BGB verbietet zum Schutz des Verwendungsgegners, dass der Verwender sich bei bestimmten Erklärungen von dem ihm obliegenden Nachweis des Zugangs entlastet. Die Norm schließt Klauseln, die eine Zugangsfiktion oder eine ver-
1 Becker in Bamberger/Roth, § 308 Nr. 5 Rz. 19; Wurmnest in MünchKommBGB, § 308 Nr. 5 Rz. 14. 2 BGH v. 28.1.2014 – XI ZR 424/12, BGHZ 200, 121; H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 5 Rz. 7. 3 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 655; H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 5 Rz. 7. 4 H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 5 Rz. 7. 5 Vgl. Becker in Bamberger/Roth, § 308 Nr. 6 Rz. 9; H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 6 Rz. 4. 6 Vgl. Becker in Bamberger/Roth, § 308 Nr. 6 Rz. 9. 7 H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 6 Rz. 1.
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gleichbare widerlegbare oder unwiderlegbare Vermutung des Zugangs einer Erklärung des Verwenders beinhalten, jedoch nicht generell aus. Als Sonderregelung zu § 309 Nr. 12 BGB1 erfasst sie nur Erklärungen von besonderer Bedeutung. b) Anwendungsfälle § 308 Nr. 6 BGB ist auch im Arbeitsverhältnis von Bedeutung. In den Anwen- 128 dungsbereich der Vorschrift fallen Klauseln, nach denen Erklärungen des Arbeitgebers mit ihrer Bekanntmachung am Schwarzen Brett oder an einem anderen Ort, z.B. in sog. Hausmitteilungen, als dem Arbeitnehmer zugegangen gelten.2 Auch die Abrede, dass eine Erklärung des Arbeitgebers dem Arbeitnehmer bereits mit der Aufgabe zur Post zugeht,3 wird von der Vorschrift erfasst sowie die Klausel, dass die Erklärung als zugegangen gilt, wenn sie an die letzte bekannte Adresse des Arbeitnehmers versandt wurde, auch wenn sie als unzustellbar zurückkommt, bzw. wenn als Zugangszeitpunkt derjenige festgelegt wird, der bei nicht geänderter Adresse gegolten hätte.4 c) Erklärungen von besonderer Bedeutung Die Beurteilung, ob eine Erklärung besonderer Bedeutung vorliegt, hängt we- 129 sentlich davon ab, welche Folgen sie für den Arbeitnehmer hat. Einigkeit besteht, dass Kündigungserklärungen oder Abmahnungen des Arbeitgebers Erklärungen von besonderer Bedeutung sind.5 Auch andere Erklärungen, wie z.B. Erklärungen aufgrund Freiwilligkeits- oder Widerrufsvorbehalts, können aber diese Voraussetzung erfüllen. Von besonderer Bedeutung sind i.d.R. auch Erklärungen, die Pflichten des Arbeitnehmers begründen sollen.6 Auch die Ausübung des Direktionsrechts dürfte hierzu zählen. Nicht allen Erklärungen, die sich nur mittelbar nachteilig auswirken, kommt 130 aber besondere Bedeutung zu. So kann der Hinweis des Arbeitgebers, welche Mitarbeiter Personalvollmacht haben, zwar eine spätere Zurückweisung einer Kündigung nach § 174 BGB ausschließen. Dies macht diesen Hinweis aber noch nicht zu einer Erklärung von besonderer Bedeutung. 1 H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 6 Rz. 5; Bonin in DBD, § 308 Nr. 6 Rz. 2. 2 Stoffels in Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 25 Rz. 7; Bonin in DBD, § 308 Nr. 6 Rz. 6; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 101; Roloff in HWK, § 308 BGB Rz. 7. 3 So im Fall des BAG v. 13.10.1976 – 5 AZR 638/75, DB 1977, 638; Roloff in HWK, § 308 BGB Rz. 7. 4 Roloff in HWK, § 308 BGB Rz. 7; Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rz. 294. 5 Bonin in DBD, § 308 Nr. 6 Rz. 4; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 101; Roloff in HWK, § 308 BGB Rz. 7. 6 Becker in Bamberger/Roth, § 308 Nr. 6 Rz. 17.
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit d) Unwirksamkeit 131 Bezieht sich eine Fiktionsklausel auf alle oder eine Vielzahl von Erklärungen
des Arbeitgebers, ist sie insgesamt unwirksam, wenn sie sich aufgrund ihrer pauschalen Formulierung auch auf Erklärungen des Arbeitgebers von besonderer Bedeutung erstreckt.1 Klauseln, die eine generelle Zugangsfiktion formulieren und diesen lediglich durch den Zusatz „soweit es sich nicht um Erklärungen von besonderer Bedeutung handelt“ einschränken, können dem Bestimmtheitsgebot genügen.2 Es handelt sich um einen Begriff des Gesetzgebers, der jedenfalls durch eine beispielhafte Aufzählung besonderer Erklärungen in der Klausel hinreichend bestimmt würde.3 Der Verwender muss den Zugang – im Fall der Unwirksamkeit der Klausel – beweisen.
9. § 308 Nr. 7 BGB (Abwicklung von Verträgen) a) Allgemeines 132 § 308 Nr. 7 BGB untersagt Klauseln, nach denen der Verwender für den Fall,
dass eine Vertragspartei vom Vertrag zurücktritt oder den Vertrag kündigt, eine unangemessen hohe Vergütung für die Nutzung oder den Gebrauch einer Sache oder eines Rechts oder für erbrachte Leistungen oder einen unangemessen hohen Ersatz von Aufwendungen verlangen kann. Die Vorschrift ergänzt § 309 Nr. 5 BGB und schützt dessen Regelungsgehalt vor Umgehungsversuchen.4 Sie betrifft Rückabwicklungsansprüche, die, wie z.B. die Regelungen in § 628 BGB,5 dispositiv und damit grundsätzlich auch durch vorformulierte Vertragsbedingungen abdingbar sind. Werden zugunsten des Verwenders Rückabwicklungsansprüche großzügig pauschaliert, kommen sie Schadensersatzansprüchen sehr nahe.
133 Durch die Angemessenheitskontrolle soll verhindert werden, dass sich die
Rückabwicklung des Vertrags für den Verwender als die wirtschaftlich günstigere Alternative darstellt und so für ihn ein Anreiz besteht, sich vom Vertrag zu lösen.6 § 308 Nr. 7 BGB bezweckt darüber hinaus, dass der Verwendungsgegner infolge der Ausübung der ihm zustehenden Rücktritts- oder Kündigungsrechte keine wirtschaftlichen Nachteile erleidet, die de facto zu einer empfind-
1 H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 6 Rz. 8. 2 Roloff in Erman, § 308 Rz. 56; H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 6 Rz. 8; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 669; a.A. Becker in Bamberger/Roth, § 308 Nr. 6 Rz. 20; Wurmnest in MünchKommBGB, § 308 Nr. 6 Rz. 5. 3 Vgl. zu dieser Technik bei Ausschlussfristen Roloff in FS Willemsen (2018), S. 407 (415 ff.). 4 Coester-Waltjen in Staudinger, § 308 Nr. 7 Rz. 1; Roloff in Erman, § 308 Rz. 60. 5 BGH v. 16.10.1986 – III ZR 67/85, NJW 1987, 315; Müller-Glöge in ErfK, § 628 BGB Rz. 47. 6 Becker in Bamberger/Roth, § 308 Nr. 7 Rz. 2; Roloff in HWK, § 308 BGB Rz. 8.
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lichen Einschränkung der Beendigungsfreiheit bei Schuldverhältnissen führen würden.1 Die Bedeutung der Vorschrift für Arbeitsverhältnisse ist gering. Ein in Vollzug 134 gesetztes Arbeitsverhältnis wird nicht durch Rücktritt in ein Abwicklungsverhältnis umgestaltet. Für die Dauer des vollzogenen Arbeitsverhältnisses gelten grundsätzlich auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis nicht wirksam begründet oder der Arbeitsvertrag wirksam angefochten wurde, die gleichen Rechte und Pflichten wie bei einem wirksamen Arbeitsvertrag.2 b) Anwendungsbereich aa) Ansprüche des Arbeitgebers bei Kündigung Die Vorschrift erfasst nur Klauseln, die Vergütungs- oder Aufwendungsersatz- 135 ansprüche des Arbeitgebers infolge der Vertragsauflösung regeln.3 Nach verbreiteter Ansicht soll § 308 Nr. 7 BGB über den Wortlaut hinaus in allen Fällen einer vorzeitigen Vertragsbeendigung durch Rechtsgeschäft gelten, also z.B. auch bei einer Anfechtung des Vertrags.4 Abreden über Vergütungs- oder Aufwendungsersatzansprüche für den Fall des Nichtzustandekommens des Vertrags soll die Vorschrift dagegen nicht erfassen.5 Umstritten ist, ob sich § 308 Nr. 7 BGB nur auf Klauseln bezieht, die gesetzlich 136 geregelte Ansprüche betreffen6 oder auch auf gesetzlich nicht vorgesehene, durch Vertrag begründete Vergütungs- und Aufwandsersatzansprüche.7 Das BAG8 kontrolliert vertragliche Aufwandsersatzansprüche des Arbeitgebers aufgrund einer mit dem Arbeitnehmer getroffenen Rückzahlungsvereinbarung über Ausbildungskosten nicht am Maßstab des § 308 Nr. 7 Buchst. b BGB, sondern des § 307 Abs. 1 BGB.9 Das ist auch aus einem anderen Grund zutreffend: Bei den Ausbildungskosten, deren Rückzahlung verlangt wird, geht es regelmäßig nicht um erbrachte Leistungen des Arbeitgebers selbst oder um einen Ersatz von Aufwendungen des Arbeitgebers, sondern um die Kosten für die Ausbildung durch einen Dritten. Die Wertungen des § 308 Nr. 7 BGB sind ange1 2 3 4 5 6 7 8 9
BAG v. 27.7.2010 – 3 AZR 777/08, NZA 2010, 1237. Preis in ErfK, § 611a BGB Rz. 147. BAG v. 27.7.2010 – 3 AZR 777/08, NZA 2010, 1237. Wurmnest in MünchKommBGB, § 308 Nr. 7 Rz. 4; Coester-Waltjen in Staudinger, § 308 Nr. 7 Rz. 14; H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 7 Rz. 6. Wurmnest in MünchKommBGB, § 308 Nr. 7 Rz. 5; Coester-Waltjen in Staudinger, § 308 Nr. 7 Rz. 14. So H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 7 Rz. 1a; Bonin in DBD, § 308 Nr. 7 Rz. 3. So Grüneberg in Palandt, § 308 Rz. 36. BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666; BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 173/08, NZA 2009, 342. Vgl. Roloff in HWK, Anh. §§ 305–310 BGB Rz. 37 f.
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§ 308 | Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit sichts der vergleichbaren Interessenlage heranzuziehen, wenn ein Vergütungsoder Aufwendungsersatzanspruch des Arbeitgebers nicht an die Vertragsauflösung geknüpft ist1 oder ein Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers ausschließlich auf einer vertraglichen Abrede beruht. bb) Arten der Abwicklungsansprüche (1) Vergütungsansprüche 137 Klauseln, die dem Arbeitgeber nach § 308 Nr. 7 Buchst. a BGB das Recht einräu-
men, eine unangemessen hohe Vergütung für die Nutzung oder den Gebrauch einer Sache oder eines Rechts oder für erbrachte Leistungen einräumen, sind kaum denkbar. In Betracht kommen Fälle, in denen der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Sachen, z.B. ein Fahrzeug oder Wohnraum, überlassen hat. Die Fälle, die der Gesetzgeber mit dem Begriff „Vergütung für erbrachte Leistungen“ im Auge gehabt hat, orientieren sich bei Dienstverträgen zwar an § 628 BGB. Jedoch wird die Dienstleistung vom Arbeitnehmer erbracht und nicht vom Arbeitgeber, dessen Ansprüche die Vorschrift ausschließlich erfasst. (2) Aufwendungsersatzansprüche des Arbeitgebers
138 Etwas häufiger dürften Klauseln sein, die einen Anspruch des Arbeitgebers auf
eine Ablösungsentschädigung regeln. Hat der Arbeitgeber im Rahmen der Durchführung des Arbeitsvertrags z.B. Räume in der Wohnung des Arbeitnehmers mit Betriebsmitteln ausgestattet,2 zu deren Rückgabe der Arbeitnehmer nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 812 Abs. 1 BGB verpflichtet ist, findet § 308 Nr. 7 Buchst. b BGB auf eine vorformulierte Klausel Anwendung, in der dem Arbeitgeber ein Anspruch auf eine Ablösungsentschädigung eingeräumt wird. Das BAG3 hält zu Recht die Vereinbarung eines pauschalierten Aufwendungsersatzes ungeachtet der Höhe der Pauschale für unwirksam, wenn dem Arbeitnehmer nicht der Nachweis gestattet wird, dass Aufwendungen gar nicht getätigt wurden oder wesentlich niedriger waren als die Pauschale.
10. § 308 Nr. 8 BGB (Nichtverfügbarkeit der Leistung) 139 § 308 Nr. 8 BGB untersagt Klauseln, die nach § 308 Nr. 3 BGB zulässig sind und
einen Vorbehalt des Verwenders enthalten, sich von der Verpflichtung zur Erfüllung des Vertrags bei Nichtverfügbarkeit der Leistung zu lösen, wenn sich der 1 BAG v. 27.7.2010 – 3 AZR 777/08, NZA 2010, 1237. 2 So im Fall des BAG v. 27.7.2010 – 3 AZR 777/08, NZA 2010, 1237. 3 BAG v. 27.7.2010 – 3 AZR 777/08, NZA 2010, 1237.
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Verwender nicht verpflichtet, den Vertragspartner unverzüglich über die Nichtverfügbarkeit zu informieren und Gegenleistungen des Vertragspartners unverzüglich zu erstatten. Die Voraussetzungen für die Wirksamkeit müssen kumulativ vorliegen.1 Die Vorschrift beinhaltet für eine Gruppe von Lösungsrechten – systematisch unglücklich – eine Ergänzungsregelung zu § 308 Nr. 3 BGB.2 Da sich ihr Anwendungsbereich auf Vereinbarungen beschränkt, die dem Verwender ein Lösungsrecht nach § 308 Nr. 3 BGB einräumen, findet sie aufgrund der Ausnahme von Dauerschuldverhältnissen aus dem Anwendungsbereich des § 308 Nr. 3 BGB wegen dessen Halbs. 2 BGB auf Dauerschuldverhältnisse3 und damit auch auf Arbeitsverträge keine Anwendung.4
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Coester-Waltjen in Staudinger, § 308 Nr. 8 Rz. 2. Coester-Waltjen in Staudinger, § 308 Nr. 8 Rz. 2. H. Schmidt in UBH, § 308 Nr. 8 Rz. 1. Bonin in DBD, § 308 Nr. 8 Rz. 1.
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§ 309 Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit Auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist, ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam 1. (Kurzfristige Preiserhöhungen) eine Bestimmung, welche die Erhöhung des Entgelts für Waren oder Leistungen vorsieht, die innerhalb von vier Monaten nach Vertragsschluss geliefert oder erbracht werden sollen; dies gilt nicht bei Waren oder Leistungen, die im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen geliefert oder erbracht werden; 2. (Leistungsverweigerungsrechte) eine Bestimmung, durch die a) das Leistungsverweigerungsrecht, das dem Vertragspartner des Verwenders nach § 320 zusteht, ausgeschlossen oder eingeschränkt wird oder b) ein dem Vertragspartner des Verwenders zustehendes Zurückbehaltungsrecht, soweit es auf demselben Vertragsverhältnis beruht, ausgeschlossen oder eingeschränkt, insbesondere von der Anerkennung von Mängeln durch den Verwender abhängig gemacht wird; 3. (Aufrechnungsverbot) eine Bestimmung, durch die dem Vertragspartner des Verwenders die Befugnis genommen wird, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung aufzurechnen; 4. (Mahnung, Fristsetzung) eine Bestimmung, durch die der Verwender von der gesetzlichen Obliegenheit freigestellt wird, den anderen Vertragsteil zu mahnen oder ihm eine Frist für die Leistung oder Nacherfüllung zu setzen; 5. (Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen) die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung, wenn a) die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt oder b) dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale; 6. (Vertragsstrafe) eine Bestimmung, durch die dem Verwender für den Fall der Nichtabnahme oder verspäteten Abnahme der Leistung, des Zahlungsverzugs oder für den Fall, dass der andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst, Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen wird; 440
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7. (Haftungsausschluss bei Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und bei grobem Verschulden) a) (Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit) ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen; b) (Grobes Verschulden) ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für sonstige Schäden, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen; die Buchstaben a und b gelten nicht für Haftungsbeschränkungen in den nach Maßgabe des Personenbeförderungsgesetzes genehmigten Beförderungsbedingungen und Tarifvorschriften der Straßenbahnen, Obusse und Kraftfahrzeuge im Linienverkehr, soweit sie nicht zum Nachteil des Fahrgastes von der Verordnung über die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Obusverkehr sowie den Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen vom 27.2.1970 abweichen; Buchstabe b gilt nicht für Haftungsbeschränkungen für staatlich genehmigte Lotterie- oder Ausspielverträge; 8. (Sonstige Haftungsausschlüsse bei Pflichtverletzung) a) (Ausschluss des Rechts, sich vom Vertrag zu lösen) eine Bestimmung, die bei einer vom Verwender zu vertretenden, nicht in einem Mangel der Kaufsache oder des Werkes bestehenden Pflichtverletzung das Recht des anderen Vertragsteils, sich vom Vertrag zu lösen, ausschließt oder einschränkt; dies gilt nicht für die in der Nummer 7 bezeichneten Beförderungsbedingungen und Tarifvorschriften unter den dort genannten Voraussetzungen; b) (Mängel) eine Bestimmung, durch die bei Verträgen über Lieferungen neu hergestellter Sachen und über Werkleistungen aa) (Ausschluss und Verweisung auf Dritte) die Ansprüche gegen den Verwender wegen eines Mangels insgesamt oder bezüglich einzelner Teile ausgeschlossen, auf die Einräumung von Ansprüchen gegen Dritte beschränkt oder von der vorherigen gerichtlichen Inanspruchnahme Dritter abhängig gemacht werden; Schlewing
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§ 309 | Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit bb) (Beschränkung auf Nacherfüllung) die Ansprüche gegen den Verwender insgesamt oder bezüglich einzelner Teile auf ein Recht auf Nacherfüllung beschränkt werden, sofern dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich das Recht vorbehalten wird, bei Fehlschlagen der Nacherfüllung zu mindern oder, wenn nicht eine Bauleistung Gegenstand der Mängelhaftung ist, nach seiner Wahl vom Vertrag zurückzutreten; cc) (Aufwendungen bei Nacherfüllung) die Verpflichtung des Verwenders ausgeschlossen oder beschränkt wird, die zum Zweck der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen nach § 439 Absatz 2 und 3 oder § 635 Absatz 2 zu tragen oder zu ersetzen; dd) (Vorenthalten der Nacherfüllung) der Verwender die Nacherfüllung von der vorherigen Zahlung des vollständigen Entgelts oder eines unter Berücksichtigung des Mangels unverhältnismäßig hohen Teils des Entgelts abhängig macht; ee) (Ausschlussfrist für Mängelanzeige) der Verwender dem anderen Vertragsteil für die Anzeige nicht offensichtlicher Mängel eine Ausschlussfrist setzt, die kürzer ist als die nach dem Doppelbuchstaben ff zulässige Frist; ff) (Erleichterung der Verjährung) die Verjährung von Ansprüchen gegen den Verwender wegen eines Mangels in den Fällen des § 438 Abs. 1 Nr. 2 und des § 634a Abs. 1 Nr. 2 erleichtert oder in den sonstigen Fällen eine weniger als ein Jahr betragende Verjährungsfrist ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn erreicht wird; 9. (Laufzeit bei Dauerschuldverhältnissen) bei einem Vertragsverhältnis, das die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen durch den Verwender zum Gegenstand hat, a) eine den anderen Vertragsteil länger als zwei Jahre bindende Laufzeit des Vertrags, b) eine den anderen Vertragsteil bindende stillschweigende Verlängerung des Vertragsverhältnisses um jeweils mehr als ein Jahr oder c) zu Lasten des anderen Vertragsteils eine längere Kündigungsfrist als drei Monate vor Ablauf der zunächst vorgesehenen oder stillschweigend verlängerten Vertragsdauer; dies gilt nicht für Verträge über die Lieferung als zusammengehörig verkaufter Sachen sowie für Versicherungsverträge; 442
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Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit | § 309
10. (Wechsel des Vertragspartners) eine Bestimmung, wonach bei Kauf-, Darlehens-, Dienst- oder Werkverträgen ein Dritter anstelle des Verwenders in die sich aus dem Vertrag ergebenden Rechte und Pflichten eintritt oder eintreten kann, es sei denn, in der Bestimmung wird a) der Dritte namentlich bezeichnet oder b) dem anderen Vertragsteil das Recht eingeräumt, sich vom Vertrag zu lösen; 11. (Haftung des Abschlussvertreters) eine Bestimmung, durch die der Verwender einem Vertreter, der den Vertrag für den anderen Vertragsteil abschließt, a) ohne hierauf gerichtete ausdrückliche und gesonderte Erklärung eine eigene Haftung oder Einstandspflicht oder b) im Falle vollmachtsloser Vertretung eine über § 179 hinausgehende Haftung auferlegt; 12. (Beweislast) eine Bestimmung, durch die der Verwender die Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragsteils ändert, insbesondere indem er a) diesem die Beweislast für Umstände auferlegt, die im Verantwortungsbereich des Verwenders liegen, oder b) den anderen Vertragsteil bestimmte Tatsachen bestätigen lässt; Buchstabe b gilt nicht für Empfangsbekenntnisse, die gesondert unterschrieben oder mit einer gesonderten qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind; 13. (Form von Anzeigen und Erklärungen) eine Bestimmung, durch die Anzeigen oder Erklärungen, die dem Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben sind gebunden werden a) an eine strengere Form als die schriftliche Form in einem Vertrag, für den durch Gesetz notarielle Beurkundung vorgeschrieben ist oder b) an eine strengere Form als die Textform in anderen als den in Buchstabe a genannten Verträgen oder c) an besondere Zugangserfordernisse; 14. (Klageverzicht) eine Bestimmung, wonach der andere Vertragsteil seine Ansprüche gegen den Verwender gerichtlich nur geltend machen darf, nachdem er eine gütliche Einigung in einem Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung versucht hat; Schlewing
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§ 309 | Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit 15. (Abschlagszahlungen und Sicherheitsleistung) eine Bestimmung, nach der der Verwender bei einem Werkvertrag a) für Teilleistungen Abschlagszahlungen vom anderen Vertragsteil verlangen kann, die wesentlich höher sind als die nach § 632a Absatz 1 und § 650m Absatz 1 zu leistenden Abschlagszahlungen, oder b) die Sicherheitsleistung nach § 650m Absatz 2 nicht oder nur in geringerer Höhe leisten muss. I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . II. Praktische Bedeutung des § 309 BGB für das Arbeitsrecht . . . . III. Vorrang der Auslegung vor der Inhaltskontrolle . . . . . . . . IV. Besonderheiten des Arbeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die einzelnen Klauselverbote des § 309 BGB . . . . . . . . . . . . . 1. § 309 Nr. 1 BGB (Kurzfristige Preiserhöhungen) . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 1 BGB . . b) Bedeutung des § 309 Nr. 1 BGB im Arbeitsrecht . . . . . . c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 1 BGB . . . . . 2. § 309 Nr. 2 BGB (Leistungsverweigerungsrechte) . . . . . . . . a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 2 BGB . . b) Bedeutung des § 309 Nr. 2 BGB im Arbeitsrecht . . . . . . c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 2 BGB . . . . . 3. § 309 Nr. 3 BGB (Aufrechnungsverbot) . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 3 BGB . . b) Bedeutung des § 309 Nr. 3 BGB im Arbeitsrecht . . . . . . c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 3 BGB . . . . . 4. § 309 Nr. 4 BGB (Mahnung, Fristsetzung) . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 4 BGB . .
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_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 1 4 5 8
10 10 11 12 14 15 16 17 22 27 28 31 33 40 41
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b) Bedeutung des § 309 Nr. 4 BGB im Arbeitsrecht . . . . . . 43 c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 4 BGB . . . . . 45 5. § 309 Nr. 5 BGB (Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 5 BGB . . 52 aa) Pauschalierung von Schadensersatz- und Wertminderungsansprüchen . 54 bb) Höhe der Pauschale . . . . 61 cc) Ausdrückliche Zulassung des Gegenbeweises . . . . . 63 b) Bedeutung des § 309 Nr. 5 BGB im Arbeitsrecht . . . . . . 65 c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 5 BGB . . . . . 70 6. § 309 Nr. 6 BGB (Vertragsstrafe) 74 a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 6 BGB . . 75 b) Bedeutung des § 309 Nr. 6 BGB im Arbeitsrecht . . . . . . 79 c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 6 BGB . . . . . 84 7. § 309 Nr. 7 BGB (Haftungsausschluss bei Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und bei grobem Verschulden) . . . . . 89 a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 7 BGB . . 90 b) Bedeutung des § 309 Nr. 7 BGB im Arbeitsrecht . . . . . . 99 aa) Ausschluss und Begrenzung der Haftung für Personenschäden i.S.d. § 309 Nr. 7a BGB . . . . . . 100
I. Einführung | § 309
8.
9. 10.
11.
bb) Ausschluss und Begrenzung der Haftung für sonstige Schäden i.S.d. § 309 Nr. 7b BGB . . . . . cc) Global gefasste Ausschlussklauseln . . . . . . c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 7 BGB . . . . § 309 Nr. 8 BGB (Sonstige Haftungsausschlüsse bei Pflichtverletzung) . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 8 BGB . b) Bedeutung des § 309 Nr. 8 BGB im Arbeitsrecht . . . . . § 309 Nr. 9 BGB (Laufzeit bei Dauerschuldverhältnissen) . . . § 309 Nr. 10 BGB (Wechsel des Vertragspartners) . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 10 BGB b) Bedeutung des § 309 Nr. 10 BGB im Arbeitsrecht . . . . . § 309 Nr. 11 BGB (Haftung des Abschlussvertreters) . . . . . . . . a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 11 BGB aa) Verbot der formularmäßigen Mithaftung, § 309 Nr. 11a BGB . . . .
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. 102 . 105
12.
. 109 . 114 . 115 . 117 . 119 . 120
13.
. 121 . 124 . 131 . 132
14. 15.
. 133
bb) Abbedingung des § 179 BGB, § 309 Nr. 11b BGB b) Bedeutung des § 309 Nr. 11 BGB im Arbeitsrecht . . . . . § 309 Nr. 12 BGB (Beweislast) . a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 12 BGB aa) Das spezielle Klauselverbot des § 309 Nr. 12a BGB . . . . . . . . . . . . . . bb) Das spezielle Klauselverbot des § 309 Nr. 12b BGB . . . . . . . . . . . . . . b) Bedeutung des § 309 Nr. 12 BGB im Arbeitsrecht . . . . . c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 12 BGB . . . § 309 Nr. 13 BGB (Form von Anzeigen und Erklärungen) . . a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 13 BGB b) Bedeutung des § 309 Nr. 13 BGB im Arbeitsrecht . . . . . c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 13 BGB . . . § 309 Nr. 14 BGB (Klageverzicht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 309 Nr. 15 BGB (Abschlagszahlungen und Sicherheitsleistung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. 136 . 137 . 138 . 139 . 142 . 143 . 147 . 152 . 153 . 154 . 161 . 164 . 171 . 172
I. Einführung § 309 BGB entspricht im Wesentlichen dem ehemaligen § 11 AGBG. Abgesehen 1 von einigen sprachlichen Änderungen, die auf die Schuldrechtsreform zurückzuführen sind, wurde allerdings auch der Einleitungssatz geändert. Durch den Hinweis, „auch soweit eine Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften zulässig ist“, wurde klargestellt, dass die Kontrolle nach § 309 BGB nur dort eingreift, wo das Gesetz die privatautonome Gestaltung grundsätzlich zulässt.1 Wurmnest2 hat zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass dieser Hinweis in § 309 BGB deplaziert ist, da er nicht nur für § 309 BGB, sondern ebenso für §§ 307 und 308 BGB gilt. 1 BT-Drucks. 14/6040, S. 154 f. 2 Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Rz. 1.
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§ 309 | Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit 2 § 309 BGB ergänzt den Katalog des § 308 BGB um eine Reihe typischer Klau-
seln, die wegen ihrer besonders benachteiligenden Wirkung für den Vertragspartner des Verwenders „ohne Wertungsmöglichkeit“ unwirksam sind.1 Dies darf jedoch nicht zu der Annahme verleiten, dass im Rahmen des § 309 BGB auf Wertungen völlig verzichtet werden könnte.2 § 309 BGB enthält zwar – anders als die in § 308 aufgeführten „Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit“ – grundsätzlich keine unbestimmten Rechtsbegriffe, die Raum für eine richterliche Wertung lassen. Dieser Grundsatz wird jedoch in der Regelung selbst mehrfach durchbrochen, wie die Begriffe „wesentlich“ in Nr. 5b, „erforderlich“ in Nr. 8b cc und „unverhältnismäßig“ in Nr. 8b dd belegen.3 Richterliche Wertungen sind zudem unumgänglich, soweit es um die Konkretisierung der einzelnen Klauselverbote im Wege der Auslegung geht. Damit geht der Zweck des § 309 BGB dahin, richterliche Wertentscheidungen bei seiner Auslegung und Anwendung so weit wie möglich entbehrlich zu machen.
3 Vor diesem Hintergrund ist es nicht nur unzulässig, die Spezialtatbestände des
§ 309 BGB „mittels einer Interessenabwägung einzuschränken, obwohl im Bereich dieser Vorschrift eine Wertungsmöglichkeit nicht eröffnet ist“.4 Zugleich darf einer Klausel, die wegen Verstoßes gegen § 309 BGB unwirksam ist, nicht über eine Prüfung am Maßstab des § 307 Abs. 1 und 2 BGB zur Wirksamkeit verholfen werden. Folgt die Unwirksamkeit einer Klausel bereits aus einem speziellen Klauselverbot des § 309 BGB, findet § 307 BGB keine Anwendung mehr.5 Eine Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 BGB kommt jedoch dort in Betracht, wo die besonderen Klauselverbote des § 309 BGB nicht eingreifen6. Da § 309 BGB – ebenso wie § 308 BGB – keinen abschließenden Charakter hat, behält die Generalklausel des § 307 Abs. 1 und 2 BGB auch gegenüber dieser Bestimmung die Funktion einer Auffangvorschrift.7 Der Rückgriff auf den Auffangtatbestand hat allerdings im Lichte des § 309 BGB zu erfolgen; er darf nicht dazu führen, dass die in den Klauselverboten des § 309 BGB enthaltenen Wertungen konterkariert werden.8 Eine Klausel in AGB, die nach ihrem Regelungsgehalt in den Anwendungsbereich der Klauselverbote fällt, mit dem in Betracht kommenden Einzelverbot aber nicht kollidiert, kann deshalb nur aus besonderen, vom Einzelverbot nicht erfassten Gründen nach § 307 BGB unwirksam sein.9
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Rz. 1. Dammann in WLP, Vor §§ 308, 309 Rz. 4. Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Rz. 2. BGH v. 8.7.1998 – VIII ZR 1/98, NJW 1998, 3119 zu § 11 Nr. 3 AGBG, der Vorgängerbestimmung zu § 309 Nr. 3 BGB. Fuchs in UBH, Vorb. v. § 307 BGB Rz. 8; Roloff in Erman, Vor §§ 307–309 Rz. 2. Vgl. etwa BGH v. 7.6.2018 – III ZR 351/17, ZIP 2018, 1449 = MDR 2018, 979. Fuchs in UBH, Vorb. v. § 307 BGB Rz. 8. Fuchs in UBH, Vorb. v. § 307 BGB Rz. 9. Vgl. etwa BGH v. 14.7.2016 – III ZR 387/15, NJW 2016, 2800 = BB 2016, 2955 = VersR 2017, 1340; BGH v. 4.12.1996 – XII ZR 193/95, NJW 1997, 739.
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III. Vorrang der Auslegung vor der Inhaltskontrolle | § 309
II. Praktische Bedeutung des § 309 BGB für das Arbeitsrecht Ein Blick in den Katalog des § 309 BGB zeigt, dass die meisten Klauselverbote 4 auf Kauf- und Werkverträge ausgerichtet sind.1 Dennoch sollte die praktische Bedeutung der Bestimmung für arbeitsvertragliche Abreden keinesfalls unterschätzt werden. So betreffen insbesondere das Aufrechnungsverbot (§ 309 Nr. 3 BGB), die Schadenspauschalierungen (§ 309 Nr. 5), die Vertragsstrafenabreden (§ 309 Nr. 6), der Haftungsausschluss bei Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und bei grobem Verschulden (§ 309 Nr. 7) und schließlich die Beweislaständerungen und Formerfordernisse (§ 309 Nr. 12 und Nr. 13) das gesamte Vertragsrecht und haben nicht nur Relevanz für bestimmte Vertragstypen.
III. Vorrang der Auslegung vor der Inhaltskontrolle Ob vorformulierte Vertragsbedingungen den in § 309 BGB aufgeführten Klau- 5 selverboten unterfallen, kann erst beurteilt werden, wenn der Inhalt der Bestimmungen geklärt ist. Aus diesem Grund hat der Kontrolle nach § 309 BGB – ebenso wie der Kontrolle nach den §§ 307 und 308 BGB – eine sorgfältige Auslegung vorauszugehen. Die Auslegung bestimmt den Prüfungsgegenstand der Inhaltskontrolle2 und entscheidet damit maßgeblich mit über „Wohl“ und „Wehe“ einer Klausel.3 Daran ändert die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB nichts. Nach dieser 6 Bestimmung gehen Zweifel bei der Auslegung von AGB zu Lasten des Verwenders. Zwar bedeutet dies nach herrschender Meinung, dass in einem ersten Schritt unter verschiedenen Auslegungsvarianten die kundenfeindlichste, also diejenige zugrunde zu legen ist, die einer Rechtskontrolle nicht standhält, etwa weil sie gegen §§ 307–309 BGB verstößt und sich erst in einem zweiten Schritt, wenn nämlich keine der möglichen Auslegungsvarianten der Rechtskontrolle zum Opfer gefallen ist, diejenige Variante durchsetzt, die den „Kunden“ am meisten begünstigt.4 Allerdings stellt § 305c Abs. 2 BGB den Vorrang der Auslegung nicht in Abrede. Die Unklarheitenregel ist kein „Instrument“, das bereits dann zur Anwendung kommt, wenn der Vertragswortlaut nicht eindeutig ist 1 Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, I C Rz. 95. 2 So ausdrücklich Lindacher/Hau in WLP, § 305c Rz. 102; vgl. auch BGH v. 6.4.2016 – XII ZR 30/15, ZMR 2016, 609. 3 Vgl. hierzu Schlewing, NZA-Beilage 2/2012, 33 (34). 4 Vgl. BAG v. 12.12.2006 – 3 AZR 388/05, AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 67; st. Rspr. des BGH, vgl. BGH v. 29.4.2008 – KZR 2/07, NJW 2008, 2172; BGH v. 9.6.2009 – VIII ZR 284/09, NJW 2010, 2877; BGH v. 16.6.2009 – XI ZR 145/08, NJW 2009, 3422; BGH v. 23.9.2009 – VIII ZR 344/08, NJW 2009, 3716; BGH v. 14.7. 2010 – VIII ZR 246/08, NJW 2011, 50; Basedow in MünchKommBGB, § 305c Rz. 35 m.w.N.; Ulmer/Schäfer in UBH, § 305c Rz. 64.
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§ 309 | Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit oder sich die Auslegung schwierig gestaltet.1 § 305c Abs. 2 BGB enthält keine Auslegungsmethode, sondern eine subsidiäre Entscheidungsregel.2 Diese Entscheidungsregel kommt erst dann zur Anwendung, wenn nach Ausschöpfung aller Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel verbleibt,3 was wiederum voraussetzt, dass die Auslegung einer einzelnen Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen erhebliche Zweifel an der richtigen Auslegung bestehen.4 Damit kann auf die Unklarheitenregel erst dann zurückgegriffen werden, wenn die Auslegung abgeschlossen ist. 7 Der Vorrang der Auslegung ist auch bei global gefassten Klauseln, also bei sol-
chen Klauseln zu beachten, die ihrem Wortlaut nach auch Fallgestaltungen erfassen, deren formularmäßige Regelung nach § 309 BGB unwirksam wäre. Hier sind insb. Ausschlussklauseln zu erwähnen, die einen Verfall sämtlicher Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis vorsehen, die nicht binnen einer bestimmten Frist geltend gemacht wurden.5 Sind derartige Bestimmungen sprachlich nicht teilbar, was bei generell gefassten Vertragsklauseln die Regel ist, könnte ein Verstoß nur einer der von der Bestimmung erfassten Fallgestaltungen gegen eines der Klauselverbote des § 309 BGB die (Total)Unwirksamkeit der gesamten Bestimmung zur Folge haben. Zwar ist die Prävention eines der grundlegenden Ziele des AGB-Kontrollrechts,6 der Klauselverwender soll dazu anzuhalten werden, von vornherein angemessene Bedingungen zu formulieren, der Rechtsverkehr soll von unangemessenen AGB freigehalten werden; auch würde dieser Zweck durch eine Nichtigkeit der gesamten Bestimmung unzweifelhaft erreicht.7 Allerdings ist die Lösung über die Totalnichtigkeit dann nicht überzeugend, wenn die Fallgestaltung, die die Unwirksamkeit der gesamten Klausel auslöst, eine Ausnahmesituation beschreibt, die von den Parteien nicht bedacht oder nicht für regelungsbedürftig gehalten wurde. Hier drängt sich die Frage auf, ob man nicht 1 Schlewing in FS Höfer (2011), S. 246. 2 Ulmer/Schäfer in UBH, § 305c Rz. 61 sprechen von „Entscheidungshilfe“. 3 Vgl. BAG v. 29.4.2008 – 3 AZR 266/06, NZA 2008, 1417; BAG v. 2.7.2009 – 3 AZR 501/07, NZA-RR 2010, 205; BAG v. 18.5.2010 – 3 AZR 373/08, NZA 2010, 935. 4 Vgl. BAG v. 18.10.2017 – 10 AZR 330/16, BAGE 160, 296 = NZA 2017, 1452 = AP GewO § 106 Nr. 38; BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, BAGE 147, 322 = NZA 2014, 595 = AP BGB § 315 Nr. 113; BAG v. 23.2.2011 – 10 AZR 101/10, AP BGB § 305c Nr. 15. 5 Vgl. dazu BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111. 6 St. Rspr. des BGH seit der grundlegenden Entscheidung v. 17.5.1982 – VII ZR 316/81, NJW 1982, 2309; vgl. auch BGH v. 25.1.2006 – VIII ZR 3/05, NJW 2006, 1059. Dem hat sich das BAG angeschlossen, vgl. grundlegend BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 728; seitdem st. Rspr., vgl. BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; BAG v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149; BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042; BAG v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, NZA 2007, 809; BAG v. 24.10. 2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40; BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666. 7 Vgl. Lindacher/Hau in WLP, § 305c Rz. 120.
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IV. Besonderheiten des Arbeitsrechts | § 309
über das Ziel der AGB-Kontrolle hinausschießt, wenn man bei der Auslegung nach dem Wortlaut halt macht und vom Klauselverwender verlangt, dass er jede denkbare Ausnahmesituation in der Weise berücksichtigt, dass er sie ausdrücklich aus der Bestimmung herausnimmt. Der Informationsgewinn für den Ausnahmefall würde mit einer erheblichen Beeinträchtigung der Lesbarkeit und Verständlichkeit des Gesamtklauselwerks u.U. sehr teuer erkauft,1 der Zugewinn an materieller Transparenz würde zu einer deutlichen Einbuße an formeller Transparenz führen.2 Vor diesem Hintergrund hat der BGH in einer Reihe von Entscheidungen erkannt, dass fernliegende Auslegungsmöglichkeiten, von denen eine Gefährdung des Rechtsverkehrs ernsthaft nicht zu befürchten ist, bei der Auslegung keine Berücksichtigung finden, die Klausel also so verstehen ist, dass sie trotz ihrer globalen Fassung den Tatbestand, auf den sie ersichtlich nicht zugeschnitten ist oder der erkennbar nicht bedacht wurde, oder, so klingt es in anderen Entscheidungen an, in dem die Berufung auf die Klausel schlechthin treuwidrig wäre, nicht erfasst.3 Auch ein großer Teil des Schrifttums befürwortet für diese Ausnahmefälle eine einschränkende Auslegung der Bestimmung in diesem Sinne.4
IV. Besonderheiten des Arbeitsrechts Nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB finden die Bestimmungen des Abschnitts 2 des 8 Buches 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, also die §§ 305 ff. BGB, keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Nach § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB sind bei der Anwendung auf Arbeitsverträge die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen. Dabei zählen zu diesen im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nach inzwischen als gefestigt anzusehender Rechtsprechung des BAG mit guten Gründen nicht nur 1 Vgl. Lindacher/Hau in WLP, § 305c Rz. 120. 2 Vgl. Lindacher/Hau in WLP, § 305c Rz. 120. 3 Vgl. BGH v. 25.3.1987 – VIII ZR 71/86, NJW 1987, 2506; BGH v. 9.7.1991 – XI ZR 72/90, WM 1991, 1452; BGH v. 11.2.1992 – XI ZR 151/91, WM 1992, 395; BGH v. 20.10.1992 – X ZR 74/91, NJW 1993, 657; BGH v. 10.2.1993 – XII ZR 74/91, NJW 1993, 1133; BGH v. 10.5.1994 – XI ZR 65/93, NJW 1994, 1798; BGH v. 23.11.2005 – VIII ZR 154/04, NJW 2006, 1056; BGH v. 17.2.2011 – III ZR 35/10, NJW 2011, 2122; BGH v. 9.6.2011 – III ZR 157/10, WM 2011, 1678; BGH v. 28.7.2015 – XI ZR 434/14, BGHZ 206, 305 = NJW 2015, 3025 = DB 2015, 2073; BGH v. 25.7.2017 – XI ZR 260/15, NJW 2017, 3222 = DB 2017, 2093 = MDR 2017, 1132; so auch BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738. 4 Vgl. Lindacher/Hau in WLP, § 305c Rz. 120; Basedow in MünchKommBGB, § 306 Rz. 15, 16; Grüneberg in Palandt, § 306 Rz. 9; Schmidt in UBH, § 306 Rz. 15a.
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§ 309 | Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit rechtliche, sondern auch tatsächliche Besonderheiten des Arbeitslebens.1 Gefordert ist nämlich die Beachtung aller dem Arbeitsverhältnis innewohnenden Besonderheiten. Im Übrigen ist eine Abgrenzung der rechtlichen von den tatsächlichen Umständen häufig nicht möglich; sie wäre vor dem Hintergrund, dass zwischen den rechtlichen und tatsächlichen Umständen regelmäßig nur ein schmaler Grad liegt, auch wenig sinnvoll.2 9 Im Schrifttum umstritten ist, ob und in welchem Umfang die im Arbeitsrecht
geltenden Besonderheiten i.S.v. § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB auch bei den Klauselverboten „ohne Wertungsmöglichkeit“ nach § 309 BGB zu berücksichtigen sind.3 Das BAG vertritt seit der grundlegenden Entscheidung des 8. Senats vom 4.3.20044 in ständiger Rechtsprechung5 die Auffassung, dass auch bei der Inhaltskontrolle nach § 309 BGB die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen Berücksichtigung finden. Dem steht der Wortlaut der Überschrift „ohne Wertungsmöglichkeit“ bereits deshalb nicht entgegen, weil auch § 309 BGB, wie die Begriffe „wesentlich“ in Nr. 5b, „erforderlich“ in Nr. 8b cc und „unverhältnismäßig“ in Nr. 8b dd belegen,6 unbestimmte Rechtsbegriffe enthält und richterliche Wertungen zudem insoweit erforderlich sind, als es um die Konkretisierung der einzelnen Klauselverbote im Wege der Auslegung geht (vgl. Rz. 2). Dass § 309 BGB einen Rückgriff auf § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB nicht sperrt, folgt im Übrigen nicht nur aus dem Wortlaut des § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB, wonach der gesamte Abschnitt 2 des Buches 2 des BGB, mithin auch § 309 BGB in Bezug genommen wird, sondern auch aus der Entstehungsgeschichte. Die Bundesregierung, auf deren Intervention hin – entgegen der ursprünglichen Absicht – die Bereichsausnahme für das Arbeitsrecht aufgegeben wurde, hat in ihrem Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts7 ausdrücklich da-
1 So ausdrücklich BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149; BAG v. 13.3.2007 – 9 AZR 433/06, AP BGB § 307 Nr. 26; BAG v. 14.8.2007 – 9 AZR 18/07, NZA 2008, 1194; BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666; BAG v. 29.9.2010 – 3 AZR 557/08, NZA 2011, 206. 2 So Fuchs/Bieder in UBH, Anh. § 310 Rz. 38; vgl. auch Morgenroth/Leder, NJW 2004, 2797 ff. 3 Vgl. Nachweise bei Fuchs/Bieder in UBH, Anh. § 310 Rz. 36 und bei BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727; in dieser Entscheidung hatte der 8. Senat es noch ausdrücklich offengelassen, ob gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB nur rechtliche, oder auch tatsächliche Besonderheiten Berücksichtigung finden. 4 BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727. 5 Vgl. etwa BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34; BAG v. 25.9.2008 – 8 AZR 717/07, NZA 2009, 370; BAG v. 18.12. 2008 – 8 AZR 81/08, NZA-RR 2009, 519; BAG v. 28.5.2009 – 8 AZR 896/07, AP BGB § 306 Nr. 6; BAG v. 19.8.2010 – 8 AZR 645/09, AP BGB § 307 Nr. 49; BAG v. 23.10.2010 – 8 AZR 897/08, NZA 2011, 89; BAG v. 17.3.2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 945 = AP BGB § 309 Nr. 6; BAG v. 28.9.2017 – 8 AZR 67/15, NZA 2018, 589 = AP BGB § 611 Nr. 6. 6 Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Rz. 2. 7 BT-Drucks. 14/6857, S. 54.
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V. Die einzelnen Klauselverbote des § 309 BGB | § 309
rauf hingewiesen, dass „vor allem die besonderen Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit im Arbeitsrecht nicht zwingend uneingeschränkt zur Anwendung kommen“ sollen. „Vielmehr sollen“ gerade „hier die besonderen Bedürfnisse eines Arbeitsverhältnisses berücksichtigt werden können“. Damit kann die Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten dazu führen, dass ein Klauselverbot des § 309 BGB überhaupt nicht zur Anwendung kommt.1
V. Die einzelnen Klauselverbote des § 309 BGB 1. § 309 Nr. 1 BGB (Kurzfristige Preiserhöhungen) Nach § 309 Nr. 1 BGB ist in AGB unwirksam eine Bestimmung, welche die Er- 10 höhung des Entgelts für Waren oder Leistungen vorsieht, die innerhalb von vier Monaten nach Vertragsschluss geliefert oder erbracht werden sollen; dies gilt nicht bei Waren oder Leistungen, die im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen geliefert oder erbracht werden. a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 1 BGB § 309 Nr. 1 BGB untersagt Klauseln, mit denen sich der Verwender die Möglich- 11 keit einer Erhöhung des vom Vertragspartner zu zahlenden Entgelts vorbehält. Diese Regelung dient auf der einen Seite dem Schutz des Kunden; dieser soll Klarheit über den von ihm zu zahlenden Preis haben und vor für ihn nicht absehbaren Preissteigerungen bewahrt werden.2 Auf der anderen Seite werden auch die Interessen der Allgemeinheit geschützt, indem die Möglichkeit eines Preisvergleichs im Markt als Voraussetzung für einen funktionierenden Wettbewerb gesichert wird.3 § 309 Nr. 1 BGG greift nur bei kurzfristig abzuwickelnden Verträgen ein. Es muss sich um Verträge handeln, bei denen die vertragliche Hauptleistung, für die das Entgelt zu zahlen ist, innerhalb von vier Monaten zu erbringen ist. Abzustellen ist hier nur auf den Zeitpunkt, bis zu dem der Verwender seine Leistung spätestens zu erbringen hat; darauf, wann tatsächlich geleistet wurde, kommt es demgegenüber nicht an. Aus diesem Grund bleibt § 309 Nr. 1 BGB anwendbar, wenn die Lieferung erst nach Ablauf von vier Monaten erfolgt, aber früher geschuldet war.4 Ausgenommen vom Verbot des § 309 Nr. 1 BGB sind alle Dauerschuldverhältnisse. Hierzu zählen in erster Linie regelmäßig5 Miet-, 1 2 3 4 5
Fuchs/Bieder in UBH, Anh. § 310 Rz. 38. Fuchs in UBH, § 309 Nr. 1 Rz. 1. Fuchs in UBH, § 309 Nr. 1 Rz. 1 m.w.N. Coester-Waltjen in Staudinger, § 309 Nr. 1 Rz. 11. Miet- und Versicherungsverträge werden jedoch von § 309 Nr. 1 BGB erfasst, wenn sie auf eine Abwicklung in kurzer Zeit angelegt sind, vgl. Grüneberg in Palandt, § 309 Rz. 6.
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§ 309 | Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit Pacht- und Versicherungsverträge sowie Dienst- und Darlehensverträge und – selbstverständlich – Arbeitsverhältnisse. Aber auch Wiederkehrschuldverhältnisse sowie alle Bezugs- und Sukzessivlieferungsverträge sind Dauerschuldverhältnisse i.S.d. § 309 Nr. 1 BGB.1 Mit der Beschränkung des Klauselverbots auf kurzfristig abzuwickelnde Verträge und dem Ausschluss der Dauerschuldverhältnisse hat der Gesetzgeber berücksichtigt, dass der Verwender bei längerfristigen Vertragsbeziehungen ein berechtigtes Interesse an einer Preisanpassung wegen zwischenzeitlich (erheblich) gestiegener Kosten haben kann.2 b) Bedeutung des § 309 Nr. 1 BGB im Arbeitsrecht 12 Auf Arbeitsverträge findet § 309 Nr. 1 BGB schon deshalb keine Anwendung,
da im Arbeitsverhältnis der Verwender, also der Arbeitgeber zur Zahlung des Entgelts verpflichtet ist.
13 Neben dem Arbeitsvertrag können zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer je-
doch weitere Verträge bestehen (sog. Parallelverträge3), die der Kontrolle nach § 309 Nr. 1 BGB unterliegen. § 309 Nr. 1 BGB kann vor allen Dingen Bedeutung haben bei Einkäufen mit Personalrabatt und den sog. Jahreswagen.4 Kauft also der Arbeitnehmer beim Arbeitgeber gegen Gewährung eines Personalrabatts ein, so darf sich der Arbeitgeber eine Erhöhung des zu zahlenden Entgelts dann nicht vorbehalten, wenn die Lieferung innerhalb von vier Monaten nach Vertragsschluss erfolgen soll. Unerheblich ist dabei, ob die Klausel eine Preiserhöhung in der Gestalt eines geringeren Rabatts oder vorsieht, dass eine Preiserhöhung bei Veränderung bestimmter Rahmenbedingungen oder Referenzwerte automatisch eintritt.5 Indirekte Verteuerungen, etwa durch den Vorbehalt, bei gleich bleibenden Preisen eine geringere Leistung als ursprünglich vereinbart zu erbringen, fallen hingegen nicht unter § 309 Nr. 1 BGB, sondern unter § 308 Nr. 4 BGB. Verträge, die auf der einen Seite zwar keine Dauerschuldverhältnisse begründen, auf der anderen Seite jedoch keine Erfüllung innerhalb von vier Monaten, sondern eine längerfristige Abwicklung vorsehen, werden vom absoluten Klauselverbot des § 309 Nr. 1 BGB nicht erfasst, sondern unterliegen einer Kontrolle nach § 307 BGB. Hierbei sind die Wertungen des § 309 Nr. 1 BGB zu beachten (s. Rz. 3).
1 Fuchs in UBH, § 309 Nr. 1 Rz. 26. 2 Fuchs in UBH, § 309 Nr. 1 Rz. 1. 3 So die Bezeichnung von Däubler in DBD, s. dort beispielsweise § 309 Nr. 1 Rz. 2, § 309 Nr. 5 Rz. 11. 4 Däubler in DBD, § 309 Nr. 1 Rz. 2. 5 Däubler in DBD, § 309 Nr. 1 Rz. 2; Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Nr. 1 Rz. 12; Fuchs in UBH, § 309 Nr. 1 Rz. 19.
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V. Die einzelnen Klauselverbote des § 309 BGB | § 309
c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 1 BGB Verstößt eine Klausel gegen § 309 Nr. 1 BGB, so führt dies zu ihrem Wegfall un- 14 ter Aufrechterhaltung des Vertrages im Übrigen (§ 306 Abs. 1 BGB). Gemäß § 306 Abs. 2 BGB greift sodann der Grundsatz „pacta sunt servanda“ ein. Damit wird der ursprünglich vereinbarte Preis bzw. der für den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestimmbare Preis geschuldet. Vor diesem Hintergrund ist für eine ergänzende Vertragsauslegung von vornherein kein Raum.
2. § 309 Nr. 2 BGB (Leistungsverweigerungsrechte) Nach § 309 Nr. 2 BGB ist in AGB eine Bestimmung unwirksam, durch die a) das 15 Leistungsverweigerungsrecht, das dem Vertragspartner des Verwenders nach § 320 BGB zusteht, ausgeschlossen oder eingeschränkt wird oder b) ein dem Vertragspartner des Verwenders zustehendes Zurückbehaltungsrecht, soweit es auf demselben Vertragsverhältnis beruht, ausgeschlossen oder eingeschränkt, insbesondere von der Anerkennung von Mängeln durch den Verwender abhängig gemacht wird. a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 2 BGB § 309 Nr. 2 BGB verbietet den Ausschluss und die Einschränkung der Leistungs- 16 verweigerungsrechte nach den §§ 320, 273 BGB in AGB. Für das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB gilt dies allerdings nur insoweit, als dieses „auf demselben Vertragsverhältnis“ beruht. Der Begriff „desselben Vertragsverhältnisses“ in § 309 Nr. 2 BGB ist enger als der Begriff „desselben Rechtsverhältnisses“ i.S.d. § 273 BGB. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH setzt „dasselbe Rechtsverhältnis“ i.S.d. § 273 BGB lediglich Konnexität voraus und ist bereits dann zu bejahen, wenn beiden Forderungen ein inhaltlich zusammengehöriges, einheitliches Lebensverhältnis zugrunde liegt, wofür ein solcher natürlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang genügt, dass es gegen Treu und Glauben verstieße, wenn der Anspruch ohne Rücksicht auf den anderen geltend gemacht werden könnte.1 Damit werden frühere und laufende Geschäfte aus laufender Geschäftsverbindung zwar von § 273 BGB, nicht jedoch von § 309 Nr. 2b BGB erfasst. Ausweislich der Gesetzesbegründung erschien es dem Gesetzgeber überzogen, den Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts des § 273 BGB in AGB generell zu verbieten.2 § 309 Nr. 2 BGB trägt dem Grundgedanken Rechnung, dass eine Leistung regelmäßig um der Gegenleistung willen erbracht wird3 und sichert so 1 BGH v. 27.9.1984 – IX ZR 53/83, NJW 1985, 189; BGH v. 3.7.1991 – VIII ZR 190/90, NJW 1991, 2645; BGH v. 3.7.1997 – IX ZR 244/96, NJW 1997, 2944. 2 BT-Drucks. 7/3919, S. 28 f.; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 830; Schäfer in UBH, § 309 Nr. 2 Rz. 9. 3 Vgl. Schäfer in UBH, § 309 Nr. 2 Rz. 1.
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§ 309 | Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit den Standard des dispositiven Rechts.1 Vor diesem Hintergrund kann es dahinstehen, ob eine Klausel wirksam ist, wenn der Vertragspartner des Verwenders sich bereits nach den allgemeinen Regeln, insbesondere nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) auf das Leistungsverweigerungsrecht i.S.d. § 309 Nr. 2 BGB nicht berufen kann.2 b) Bedeutung des § 309 Nr. 2 BGB im Arbeitsrecht 17 Da der Arbeitnehmer nach § 614 BGB zur Vorleistung verpflichtet ist, ist § 309
Nr. 2a BGB regelmäßig nicht einschlägig. Von großer praktischer Bedeutung ist hingegen § 309 Nr. 2b BGB, wonach ein dem Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis zustehendes Zurückbehaltungsrecht in AGB nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern auch nicht eingeschränkt werden darf. Dabei ist von einer Einschränkung des Zurückbehaltungsrechts immer dann auszugehen, wenn die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht wird oder das Zurückbehaltungsrecht sich nur auf bestimmte Ansprüche beziehen soll.
18 Ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung nach § 273 Abs. 1 BGB
kann einem Arbeitnehmer insbesondere zustehen, wenn der Arbeitgeber seine aus dem Arbeitsverhältnis resultierenden Haupt- oder Nebenpflichten schuldhaft nicht erfüllt.3 Dies kann während des laufenden Arbeitsverhältnisses, aber auch nach dessen Beendigung im Rahmen der Abwicklung der Fall sein.
19 So hat der Arbeitnehmer nach § 273 BGB ein Zurückbehaltungsrecht an seiner
Arbeitsleistung, wenn der Arbeitgeber seine Lohnzahlungspflicht nicht erfüllt.4 Allerdings muss der Arbeitnehmer dieses Zurückbehaltungsrecht gemäß § 242 BGB unter Beachtung der Grundsätze von Treu und Glauben und der Verhältnismäßigkeit ausüben.5 Deshalb darf er u.a. die Arbeit nicht verweigern, wenn der Lohnrückstand verhältnismäßig geringfügig ist, nur eine kurzfristige Verzögerung der Lohnzahlung zu erwarten ist, wenn dem Arbeitgeber ein unverhältnismäßig hoher Schaden entstehen kann oder wenn der Lohnanspruch auf andere Weise gesichert ist.6 Ebenso kann der Arbeitnehmer berechtigt sein, seine Arbeitsleistung zu verweigern, wenn der Arbeitgeber seine vertraglich geschuldete Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB dadurch verletzt, dass er oder einer seiner Repräsentanten (§ 278 BGB) die Gesundheit des Arbeitneh1 2 3 4
Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 102. Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 102. BAG v. 13.3.2008 – 2 AZR 88/07, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 87. BAG v. 25.10.2007 – 8 AZR 917/06, NZA-RR 2008, 367; BAG v. 9.5.1996 – 2 AZR 387/95, NZA 1996, 1085; BAG v. 25.10.1984 – 2 AZR 417/83, NZA 1985, 355. 5 Vgl. BAG v. 22.10.2015 – 2 AZR 569/14, BAGE 153, 111 = NZA 2016, 417 = AP BGB § 626 Nr. 256; BAG v. 26.9.2007 – 5 AZR 870/06, NZA 2008, 1063. 6 BAG v. 25.10.1984 – 2 AZR 417/83, NZA 1985, 355.
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V. Die einzelnen Klauselverbote des § 309 BGB | § 309
mers oder dessen Persönlichkeitsrecht in erheblicher Weise verletzt und mit weiteren Verletzungen zu rechnen ist.1 Allerdings gilt auch hier, dass das Zurückbehaltungsrecht nicht rechtsmissbräuchlich ausgeübt werden darf.2 Ein Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers kann auch im Zusammenhang 20 mit der Abwicklung eines Arbeitsverhältnisses nach dessen Beendigung oder während des Laufs der Kündigungsfrist in Betracht kommen. Praktisch bedeutsam sind hier die Fälle, dass der Arbeitnehmer die Herausgabe ihm vom Arbeitgeber überlassener Gegenstände, wie beispielsweise Unterlagen, Dienstwagen,3 Handy oder Laptop verweigert.4 Hier ist vor der Kontrolle der Klausel nach § 309 Nr. 2b BGB stets sorgfältig zu prüfen, ob dem Arbeitnehmer ein Zurückbehaltungsrecht überhaupt zusteht.5 Nicht unter § 309 Nr. 2 BGB fallen hingegen Konstellationen, in denen der Ar- 21 beitgeber ohne die erforderliche Mitbestimmung des Betriebsrats einseitig eine Maßnahme, beispielsweise eine Versetzung, durchführt oder dem Arbeitnehmer eine Stelle unter Überschreitung seines Direktionsrechts zuweist.6 Zwar ist die Maßnahme in einem solchen Fall gegenüber dem Arbeitnehmer unwirksam mit der Folge, dass er der Weisung oder Versetzung nicht nachkommen muss.7 Ebenso hat der Arbeitnehmer das Recht, die unter Überschreitung des Direktionsrechts ihm zugewiesene Arbeit zu verweigern. Das Zurückbehaltungsrecht i.S.d. § 309 Nr. 2 BGB setzt – wie das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB – jedoch voraus, dass sich – wie bei der Aufrechnung – zwei Forderungen gegenüberstehen: die Forderung des Gläubigers (Arbeitgebers) gegen den Schuldner (Arbeitnehmer), der gegenüber das Zurückbehaltungsrecht ausgeübt wird, und die Forderung des Schuldners (Arbeitnehmers) gegen den Gläubiger (Arbeitgeber), auf die das Zurückbehaltungsrecht gestützt wird.8 Hieran fehlt es in den zuvor beschriebenen Fällen. Hier ist das Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers nicht Folge einer eigenen Forderung des Arbeitnehmers, sondern ergibt sich vielmehr daraus, dass bereits die Maßnahme des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer unwirksam ist. Eine Klausel, die ein solches Leistungsverweigerungsrecht ausschließt oder einschränkt, ist deshalb nicht am Maßstab des § 309 Nr. 2 BGB, sondern allein am Maßstab des § 307 BGB zu messen. 1 Vgl. BAG v. 19.1.2016 – 2 AZR 449/15, NZA 2016, 1144 = ZTR 2016, 591 = AP BGB § 626 Nr. 257; BAG v. 19.2.1997 – 5 AZR 982/94, NZA 1997, 821; vgl. auch BAG v. 8.5.1996 – 5 AZR 315/95, NZA 1997, 86; BAG v. 2.2.1994 – 5 AZR 273/92, NZA 1994, 610. 2 BAG v. 13.3.2008 – 2 AZR 88/07, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 87. 3 Vgl. hierzu BAG v. 24.4.1970 – 3 AZR 324/69, DB 1970, 1645. 4 Vgl. hierzu Däubler in DBD, § 309 Nr. 2 Rz. 7. 5 Vgl. hierzu BAG v. 25.2.2009 – 7 AZR 954/07. 6 A.A. wohl Däubler in DBD, § 309 Nr. 2 Rz. 6. 7 Vgl. BAG v. 5.4.2001 – 2 AZR 580/99, NZA 2001, 893. 8 Vgl. Grüneberg in Palandt, § 273 Rz. 6.
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§ 309 | Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 2 BGB 22 Ist eine Klausel wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 2 BGB unwirksam, so führt
dies zu ihrem Wegfall unter Aufrechterhaltung des Vertrages im Übrigen (§ 306 Abs. 1 BGB). Sodann kommen entsprechend dem Zweck des § 309 Nr. 2 BGB, den Standard des dispositiven Rechts zu sichern, gemäß § 306 Abs. 2 BGB die §§ 320, 273 BGB zur Anwendung.1 Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt wegen ihrer Subsidiarität gegenüber der Lückenfüllung nach § 306 Abs. 2 BGB nicht in Betracht (vgl. dazu § 306 Rz. 55 und 56). Einstweilen frei.
23–26
3. § 309 Nr. 3 BGB (Aufrechnungsverbot) 27 Nach § 309 Nr. 3 BGB ist in AGB eine Bestimmung unwirksam, durch die dem
Vertragspartner des Verwenders die Befugnis genommen wird, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung aufzurechnen.
a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 3 BGB 28 Nach § 389 BGB bewirkt die unter den Voraussetzungen des § 387 BGB erklärte
Aufrechnung, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erlöschen, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind. Damit hat die Aufrechnung eine doppelte Funktion:2 Sie bewirkt die Tilgung der Hauptforderung und ist Erfüllungssurrogat.3 Sie gibt dem Schuldner aber auch die Möglichkeit, seine Gegenforderung im Wege der Selbsthilfe ohne das Risiko eines von ihm zu führenden Aktivprozesses durchzusetzen und ermöglicht einen der Zwangsvollstreckung ähnlichen Zugriff auf die Hauptforderung. Insoweit dient sie der Befriedigung der Gegenforderung.4 Diese Funktion der Aufrechnung ist vor allem in der finanziellen Krise des Aufrechnungsgegners von Bedeutung.5 Hier vermeidet die Aufrechnung nicht nur einen vom Vertragspartner des Verwenders andernfalls zu führenden Aktivprozess, sondern zudem, dass der Aufrechnende ggf. etwas leisten müsste, wegen absehbarer Insolvenz seines Vertragspartners aber seinerseits leer ausgehen würde.6
29 Nach § 309 Nr. 3 BGB ist nicht jeglicher Ausschluss der Aufrechnung in AGB
unwirksam; nur die Aufrechnung mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderungen kann formularmäßig nicht ausgeschlossen werden. Un1 2 3 4 5 6
Vgl. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 839. Grüneberg in Palandt, § 387 Rz. 1; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 844. Vgl. auch Schäfer in UBH, § 309 Nr. 3 Rz. 1. So BGH v. 16.8.2007 – IX ZR 63/06, ZIP 2007, 1717. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 844. Däubler in DBD, § 309 Nr. 3 Rz. 1.
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V. Die einzelnen Klauselverbote des § 309 BGB | § 309
bestritten sind Forderungen, die nach Grund und Höhe außer Streit stehen, der Schlüssigkeit der Forderung darf kein erhebliches Gegenvorbringen mehr entgegenstehen. Dabei stellt der BGH hohe Anforderungen an das Gegenvorbringen des Verwenders. Will sich der Verwender gegen die Aufrechnung erfolgreich verteidigen, so muss er die zur Aufrechnung gestellte Forderung seinerseits durch substantiierte Einwendungen bestreiten.1 Rechtskräftig festgestellt ist eine Forderung, wenn ein entsprechender Titel in formelle und materielle Rechtskraft erwachsen ist (§§ 704, 794 ZPO). Da eine rechtskräftig festgestellte Forderung nicht mehr rechtswirksam bestritten werden kann, ist sie nichts anderes als ein Unterfall der unbestrittenen Forderung.2 Über seinen Wortlaut hinaus findet § 309 Nr. 3 BGB aber auch Anwendung auf entscheidungsreife Forderungen,3 d.h. auf solche Forderungen, die im Rechtsstreit ohne Beweisaufnahme zugesprochen werden können. Eine in diesem Sinne entscheidungsreife und begründete Gegenforderung muss als unbestritten gelten. Das Klauselverbot in § 309 Nr. 3 BGB wurzelt in dem Grundverständnis von 30 Treu und Glauben.4 Bei dem Ausschluss der Aufrechnung in den in § 309 Nr. 3 BGB genannten Fällen handelt es sich um eine besonders schwerwiegende Verkürzung der Rechte des Vertragspartners.5 Ein Ausschluss der Aufrechnung mit Forderungen i.S.d. § 309 Nr. 3 BGB wäre rechtsmissbräuchlich6 und stellt vor diesem Hintergrund eine unangemessene Benachteiligung dar. b) Bedeutung des § 309 Nr. 3 BGB im Arbeitsrecht Das an den Verwender gerichtete Klauselverbot des § 309 Nr. 3 BGB, dem Ver- 31 tragspartner die Befugnis zu nehmen, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftigen Forderung aufzurechnen, gilt auch im Arbeitsrecht. Zwar sind bei der Anwendung des § 309 BGB gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; im Hinblick auf § 309 Nr. 3 BGB sind indes keine Besonderheiten des Arbeitsrechts erkennbar, die zu einer von den allgemeinen Grundsätzen abweichenden Anwendung dieser Bestimmung führen könnten.7 Im laufenden Arbeitsverhältnis kann sich unter unterschiedlichsten Aspekten 32 eine Aufrechnungslage ergeben. So kann insbesondere dem auf Zahlung gerich1 BGH v. 26.1.1984 – VIII ZR 217/83, NJW 1985, 1556. 2 BGH v. 18.4.1989 – X ZR 31/88, NJW 1989, 3215. 3 BGH v. 17.2.1986 – II ZR 285/84, NJW 1986, 1757; v. 18.6.2002 – XI ZR 160/01, NJW 2002, 2779; Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Nr. 3 Rz. 7; Grüneberg in Palandt, § 309 Rz. 17; Schäfer in UBH, § 309 Nr. 3 Rz. 4; Dammann in WLP, § 309 Nr. 3 Rz. 33. 4 So BGH v. 16.1.2003 – IX ZR 171/00, NJW 2003, 1521 zur Vorgängervorschrift des § 309 Nr. 3 BGB, § 11 Nr. 3 AGBG. 5 So BGH v. 6.4.2016 – XII ZR 30/15, ZMR 2016, 609. 6 Schäfer in UBH, § 309 Nr. 3 Rz. 3. 7 Dammann in WLP, § 309 Nr. 3 Rz. 65–69.
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§ 309 | Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit teten Anspruch des Arbeitgebers (z.B. auf Schadens- oder Aufwendungsersatz oder auf Rückzahlung überzahlter Vergütung oder von Aus- bzw. Fortbildungskosten) ein Entgeltzahlungsanspruch des Arbeitnehmers gegenüberstehen. Praktische Bedeutung hat § 309 Nr. 3 BGB vor allem in Verträgen mit Mitarbeitern, die zum Inkasso berechtigt sind.1 Mit dem Aufrechnungsausschluss soll diesen die Möglichkeit genommen werden, ihre noch ausstehenden Entgeltansprüche dadurch zu befriedigen, dass sie gegen den Anspruch des Arbeitgebers auf Herausgabe der vereinbarten Summen aufrechnen. c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 3 BGB 33 Wird die Aufrechnung in AGB in vollem Umfang ausgeschlossen, ohne die Mög-
lichkeit der Aufrechnung mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung ausdrücklich auszunehmen, so führt dieser Verstoß gegen § 309 Nr. 3 BGB nicht nur zur Möglichkeit der Aufrechnung mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung, sondern zur uneingeschränkten Zulässigkeit der Aufrechnung.2 Die Klausel entfällt insgesamt bei Aufrechterhaltung des Vertrages im Übrigen (§ 306 Abs. 1 BGB). Eine derart global gefasste Klausel kann weder einschränkend dahin ausgelegt werden, dass sie die in § 309 Nr. 3 BGB angeführten Verbotstatbestände nicht erfasst. Dass ein global gefasster Aufrechnungsausschluss sich auch auf unbestrittene und rechtskräftig festgestellte Forderungen erstreckt, ist keinesfalls eine nur fernliegende Möglichkeit.3 Die Klausel lässt sich zudem nicht in mehrere sprachlich und inhaltlich abtrennbare Teile teilen (zur Teilbarkeit von AGB s. § 306 BGB Rz. 20–39).
34 Problematisch ist, wie Klauseln zu behandeln sind, die nur eine der in § 309 Nr. 3
BGB genannten Varianten vom Aufrechnungsausschluss ausdrücklich ausnehmen. Der BGH hat mit Urteil vom 18.4.19894 entschieden, dass eine Bestimmung in AGB, die nach ihrem Wortlaut nur die Aufrechnung mit unbestrittenen Forderungen zulässt, sinngemäß auch die Zulässigkeit der Aufrechnung mit rechtskräftig festgestellten Forderungen erfasst. Diese Entscheidung hat er damit begründet, dass rechtskräftig festgestellte Forderungen nur einen Unterfall der unbestrittenen Forderungen darstellen, weil sie mit präkludierten Einwendungen nicht mehr 1 Däubler in DBD, § 309 Nr. 3 Rz. 2; Stoffels in Preis, Der Arbeitsvertrag, II A 110 Rz. 18. 2 BGH v. 31.10.1985 – IX ZR 175/84, NJW-RR 1986, 1281. 3 Zum Ausschluss fernliegender Auslegungsmöglichkeiten bei der Auslegung vgl. BGH v. 25.3.1987 – VIII ZR 71/86, NJW 1987, 2506; BGH v. 9.7.1991 – XI ZR 72/90, WM 1991, 1452; BGH v. 11.2.1992 – XI ZR 151/91, WM 1992, 395; BGH v. 20.10.1992 – X ZR 74/91, NJW 1993, 657; BGH v. 10.2.1993 – XII ZR 74/91, NJW 1993, 1133; BGH v. 10.5.1994 – XI ZR 65/93, NJW 1994, 1798; BGH v. 23.11.2005 – VIII ZR 154/04, NJW 2006, 1056; BGH v. 17.2.2011 – III ZR 35/10, NJW 2011, 2122; BGH v. 9.6.2011 – III ZR 157/10, WM 2011, 1678; so auch BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; BAG v. 13.12. 2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738. 4 BGH v. 18.4.1989 – X ZR 31/88, NJW 1989, 3215.
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bestritten werden können. Für den anderen Fall, in dem die Klausel nur die rechtskräftig festgestellten Forderungen vom Aufrechnungsausschluss ausnimmt, kann jedoch nicht das gleiche gelten. Die ausdrückliche Ausnahme der rechtskräftig festgestellten Forderungen vom Aufrechnungsausschluss kann der Vertragspartner des Verwenders typischerweise nur so verstehen, er müsse seine Forderung – auch wenn sie unbestritten ist – erst noch titulieren lassen.1 Unschädlich ist es demgegenüber, wenn die Klausel nicht ausdrücklich die entscheidungsreifen Forderungen vom Aufrechnungsausschluss ausnimmt. § 309 Nr. 3 BGB findet über seinen Wortlaut hinaus Anwendung auf entscheidungsreife Forderungen.2 Wenn der Verwender die Klausel aber in Anlehnung an den Gesetzeswortlaut formuliert, so darf ihm daraus kein Nachteil erwachsen.3 Auf der anderen Seite muss ein wirksamer Aufrechnungsausschluss in AGB nicht notwendig dem Wortlaut des § 309 Nr. 3 BGB entsprechen und ausdrücklich unbestrittene und rechtskräftig festgestellte Forderungen vom Aufrechnungsausschluss ausnehmen. Es reicht vielmehr aus, wenn eine Fassung gewählt wird, wonach die Aufrechnung mit bestrittenen Forderungen unzulässig ist.4 Unwirksam ist jedoch eine Klausel, die zwar die rechtskräftig festgestellten Forderungen vom Aufrechnungsausschluss ausnimmt, zugleich aber bestimmt, dass die Aufrechnung mit unbestrittenen Forderungen nur zulässig sein soll, wenn der Verwender zustimmt.5 Die Unwirksamkeit der Klausel hängt im Übrigen nicht davon ab, ob die Gegen- 35 forderung unbestritten oder rechtskräftig festgestellt ist.6 Die gesetzlichen Vorschriften der §§ 305 ff. BGB missbilligen bereits das Stellen inhaltlich unangemessener ABG, nicht erst den unangemessenen Gebrauch einer Klausel im konkreten Einzelfall. Die Rechtsfolge der Unwirksamkeit tragen demnach auch solche Klauseln, die in ihrem Übermaßteil in zu beanstandender Weise ein Risiko regeln, das sich im Entscheidungsfalle nicht realisiert hat.7 Einstweilen frei.
36–39
1 So auch Schäfer in UBH, § 309 Nr. 3 Rz. 11; a.A. BGH v. 27.1.1993 – XII ZR 141/91, NJW-RR 1993, 519, wonach es sinnwidrig wäre anzunehmen, dass hinsichtlich unstreitiger Forderungen die Aufrechnung ausgeschlossen sein soll, da insoweit Einwendungen nicht nur durch die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung abgeschnitten sind, sondern gar nicht erhoben werden. Der Fall der unbestrittenen Forderungen werde daher sinngemäß mitumfasst; vgl. auch Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Nr. 3 Rz. 8; Grüneberg in Palandt, § 309 Rz. 18; Dammann in WLP, § 309 Nr. 3 Rz. 50. 2 BGH v. 15.2.1978 – VIII ZR 242/76, WM 1978, 620; vgl. auch Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Nr. 3 Rz. 7; Grüneberg in Palandt, § 309 Rz. 17; Schäfer in UBH, § 309 Nr. 3 Rz. 4; Dammann in WLP, § 309 Nr. 3 Rz. 33. 3 So auch Stoffels, AGB-Recht, Rz. 853. 4 Vgl. BGH v. 18.4.1989 – X ZR 31/88, NJW 1989, 3215. 5 BGH v. 27.6.2007 – XII ZR 54/05, NJW 2007, 3421. 6 BGH v. 16.1.2003 – IX ZR 171/00, NJW 2003, 1521. 7 Vgl. BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738 = DB 2012, 1155 = AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 45; BAG v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, NZA 2011, 634.
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§ 309 | Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit 4. § 309 Nr. 4 BGB (Mahnung, Fristsetzung) 40 Mit § 309 Nr. 4 BGB hat der Gesetzgeber einen wichtigen Beitrag zur Wieder-
herstellung der vom BGB aufgestellten Ordnungsgrundsätze geleistet.1 Danach ist in AGB unwirksam eine Bestimmung, durch die der Verwender von der gesetzlichen Obliegenheit freigestellt wird, den anderen Vertragsteil zu mahnen oder ihm eine Frist für die Leistung oder Nacherfüllung zu setzen. a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 4 BGB
41 § 309 Nr. 4 BGB hat nicht nur Bedeutung für den Anspruch des Verwenders auf
Ersatz des Verzögerungsschadens nach den §§ 280, 286 Abs. 1 BGB, sondern auch für seine Rechte aus §§ 280, 281, 321, 323 etc. BGB.2 Der Ersatz des Verzögerungsschadens setzt voraus, dass der Schuldner mit seiner Leistung in Verzug geraten ist, § 280 Abs. 1 und 2 BGB. Nach § 286 Abs. 1 BGB kommt der Schuldner in Verzug, wenn er trotz Fälligkeit und grundsätzlich erforderlicher Mahnung des Gläubigers nicht leistet. Nach den §§ 280, 281, 321 und 323 BGB kann der Verwender nur dann vom Vertrag zurücktreten oder Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er seinem Vertragspartner die erforderliche Frist für die Leistung oder Nacherfüllung gesetzt hat und diese Frist abgelaufen ist, ohne dass der Vertragspartner geleistet hat. Von beiden Obliegenheiten, der Mahnung und der Fristsetzung, kann sich der Verwender nach § 309 Nr. 4 BGB nicht formularmäßig befreien. Ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 11 Nr. 4 AGBG3 sind Mahnung und Fristsetzung nicht nur „formalrechtlicher Natur, sondern dienen in besonderer Weise dem Schutz des Schuldners“. Dieser sei auch im Falle seiner Säumnis schutzbedürftig. Deshalb müsse er vor den Folgen der Säumnis ausdrücklich gewarnt werden und Gelegenheit erhalten, diese Folgen durch Nachholen der geschuldeten Leistung abzuwenden. Damit dient § 309 Nr. 4 BGB in erster Linie dem Erhalt der Warnfunktion von Mahnung und Fristsetzung und bewahrt den Vertragspartner des Verwenders davor, dass er allein durch Fristablauf schadensersatz- und zinspflichtig wird.4
42 § 309 Nr. 4 BGB setzt nicht voraus, dass die Klausel den Verwender ausdrück-
lich vom Erfordernis der Abmahnung oder Fristsetzung befreit.5 Die Freistellung kann auch konkludent6 bzw. verdeckt7 geschehen, indem der Verwender
1 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 876; Schäfer in UBH, § 309 Nr. 4 Rz. 1. 2 Neben §§ 280, 281, 321 und 323 BGB fallen auch die Fristsetzungen nach § 250 Satz 1, § 637 Abs. 1 Satz 1, § 651c Abs. 3 Satz 1 und § 651e Abs. 2 Satz 1 unter § 309 Nr. 4 BGB, vgl. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 876; Schäfer in UBH, § 309 Nr. 4 Rz. 7; Dammann in WLP, § 309 Nr. 4 Rz. 20. 3 BT-Drucks. 7/3919, S. 29. 4 Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Nr. 4 Rz. 2; Dammann in WLP, § 309 Nr. 4 Rz. 1. 5 BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 342/81, NJW 1983, 1320. 6 Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Nr. 4 Rz. 7. 7 Schäfer in UBH, § 309 Nr. 4 Rz. 8.
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für sich eine Rechtsfolge in Anspruch nimmt, die nach dem Gesetz erst aufgrund Mahnung oder Fristsetzung eintritt.1 Deshalb verbietet § 309 Nr. 4 BGB z.B. auch sog. Verzugszinsklauseln, wonach der Vertragspartner des Verwenders bei bloßer Fristüberschreitung bankübliche Zinsen schuldet oder sich dazu verpflichtet, auch die Kosten des ersten Mahnschreibens zu tragen.2 Demgegenüber fallen nach Auffassung des BGH sog. Fälligkeitszinsklauseln nicht unter § 309 Nr. 4 BGB, sondern sind am Maßstab des § 307 BGB zu messen.3 b) Bedeutung des § 309 Nr. 4 BGB im Arbeitsrecht § 309 Nr. 4 BGB ist auch im Arbeitsrecht uneingeschränkt anwendbar. Dem ste- 43 hen im Arbeitsrecht geltende Besonderheiten nicht entgegen. Da die Arbeitspflicht Fixschuldcharakter hat und es vor diesem Hintergrund 44 keiner Mahnung oder Fristsetzung durch den Arbeitgeber bedarf, kommt § 309 Nr. 4 BGB praktische Bedeutung vor allem in den Fällen zu, in denen der Arbeitnehmer etwas anderes als die Arbeitsleistung schuldet.4 Hier kommen Schadensersatz- und Herausgabeverpflichtungen des Arbeitnehmers in Betracht. c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 4 BGB Verstößt eine Klausel gegen § 309 Nr. 4 BGB, so führt dies zu ihrem Wegfall 45 und es verbleibt bei der Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen, die die Mahnung und Fristsetzung erfordern. Die Folgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 4 BGB sind demnach eindeutig. Nicht so einfach zu beantworten ist demgegenüber, ob jede Freistellung vom 46 Mahnungs- oder Fristsetzungserfordernis die o.g. Folgen zeitigt, also zur Unwirksamkeit der Klausel führt. Die Anwendung des § 309 Nr. 4 BGB setzt voraus, dass den Verwender eine gesetzliche Obliegenheit zur Mahnung oder Fristsetzung trifft. Ist dies nicht der Fall, weil Mahnung und/oder Fristsetzung im konkreten Fall aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung, z.B. nach §§ 286 Abs. 2, 281 Abs. 2, 323 Abs. 2, 321 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. 323 Abs. 2 BGB entbehrlich sind, findet eine AGB-Kontrolle am Maßstab des § 309 Nr. 4 BGB nicht statt.5 § 309 Nr. 4 BGB lässt eine gesetzliche Regelung, nach der Abmahnung und/oder Fristsetzung ausnahmsweise nicht erforderlich sind, unberührt.6 1 BGH v. 8.10.1987 – VII ZR 185/86, NJW 1988, 258. 2 BGH v. 11.12.1997 – IX ZR 46/97, NJW 1998, 991; BGH v. 31.10.1984 – VIII ZR 226/83, NJW 1985, 320. 3 BGH v. 11.12.1997 – IX ZR 46/97, NJW 1998, 991. 4 Däubler in DBD, § 309 Nr. 4 Rz. 2. 5 Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Nr. 4 Rz. 9. 6 Vgl. zur Entbehrlichkeit des Abmahnungserfordernisses: BGH v. 19.11.1991 – X ZR 28/90, NJW 1992, 1628.
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§ 309 | Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit Damit gibt eine Klausel, die den Verwender nur in den vom Gesetz genannten Fällen vom Erfordernis der Abmahnung oder Fristsetzung befreit, lediglich den Gesetzestext wieder und ist nicht gemäß § 309 Nr. 4 BGB zu beanstanden. Davon zu unterscheiden sind indes die Fälle, in denen eine Klausel, die Mahnung bzw. Fristsetzung für entbehrlich erklärt, auch solche Fälle zu erfassen geeignet ist, in denen Mahnung bzw. Fristsetzung nicht nach dem Gesetz entbehrlich sind.1 Das bedeutet, dass auch dann, wenn aufgrund der Umstände des Einzelfalls Mahnung und/oder Fristsetzung ausnahmsweise entbehrlich sind, eine zu weit gefasste – weil sich nicht nur auf diesen Fall beschränkende – Klausel gegen § 309 Nr. 4 BGB verstößt und unwirksam ist.2 Dasselbe gilt für eine Klausel, die die Ausnahmen vom Erfordernis von Abmahnung und Fristsetzung erweitert.3 Einstweilen frei.
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5. § 309 Nr. 5 BGB (Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen) 51 Häufig anzutreffen sind in AGB Bestimmungen, durch die Schadensersatz-
ansprüche des Verwenders, die ihm im Fall der Nicht- oder Schlechterfüllung des Vertrages durch seinen Vertragspartner zustehen, im Voraus auf eine bestimmte Höhe festgelegt werden, ohne dass es darauf ankommen soll, ob der Verwender die Entstehung eines konkreten Schadens nachweisen kann. Den Gefahren, die mit derartigen Klauseln verbunden sind, wirkt § 309 Nr. 5 BGB entgegen. Diese Regelung verbietet die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz der Wertminderung, wenn die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt oder dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale. § 309 Nr. 5 BGB entspricht im Wesentlichen der Vorgängerregelung in § 11 Nr. 5 AGBG, verschärft jedoch im Hinblick auf Buchst. b) die Anforderungen an eine wirksame Klausel insoweit, als dem anderen Teil, also dem Vertragspartner des Verwenders „ausdrücklich“ der Nachweis gestattet sein muss, das Fehlen des Schadens/der Wertminderung oder das Vorliegen eines geringeren Schadens/einer geringeren Wertminderung nachzuweisen.4
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Dammann in WLP, § 309 Nr. 4 Rz. 12. BGH v. 26.1.1983 – VIII ZR 342/81, NJW 1983, 1320; Schäfer in UBH, § 309 Nr. 4 Rz. 10. Vgl. BGH v. 15.2.1995 – VIII ZR 93/94, NJW 1995, 1488. Däubler in DBD, § 309 Nr. 5 Rz. 1.
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a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 5 BGB § 309 Nr. 5 BGB will Schadens- und Wertminderungspauschalierungen nicht 52 generell verbieten, sondern insoweit zulassen, als dafür ein berechtigtes Bedürfnis besteht. § 309 Nr. 5 BGB berücksichtigt zum einen, dass die Pauschalierung derartiger Ansprüche einem praktischen Bedürfnis nach vereinfachter und Kosten sparender Durchsetzung dient, trägt auf der anderen Seite aber zugleich dem Umstand Rechnung, dass Schadens- und Wertminderungspauschalierungen für den Schuldner die Gefahr bergen, dass dieser in Bezug auf den tatsächlich eingetretenen Schaden bzw. die tatsächlich eingetretene Wertminderung unverhältnismäßig in Anspruch genommen wird und setzt deshalb der Pauschalierung in zweierlei Hinsicht Grenzen:1 Zum einen darf die Pauschale nicht generell überhöht sein, zum anderen soll dem Vertragspartner des Verwenders die Möglichkeit des Beweises erhalten bleiben, dass in seinem Fall ein Schaden oder eine Wertminderung überhaupt nicht entstanden ist oder wesentlich niedriger ist als die Pauschale.2 Ausweislich der Gesetzesbegründung3 lehnt sich die Bindung der Pauschalierung an den gewöhnlichen Lauf der Dinge mit der Möglichkeit des Gegenbeweises an die Regelung des § 252 Satz 2 BGB an.4 § 309 Nr. 5 BGB erfasst nur solche Klauseln, die Ansprüche auf Schadensersatz 53 oder Ersatz einer Wertminderung regeln. Dabei führt nicht bereits die ausdrückliche Bezeichnung als Schadens- oder Wertminderungsersatz zur Anwendung der Bestimmung. Vielmehr ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob die Ansprüche tatsächlich auf Schadensersatz oder Wertminderung gerichtet sind oder ob die Klausel – entgegen ihrem ausdrücklichen Wortlaut – auf den Ersatz anderer Ansprüche abzielt.5 aa) Pauschalierung von Schadensersatz- und Wertminderungsansprüchen Unter § 309 Nr. 5 BGB fallen Schadensersatzansprüche aller Art, insb. die aus 54 den §§ 280 und 281 BGB, nicht aber Klauseln, mit denen eine Pauschalierung der gemäß § 818 Abs. 1 BGB herauszugebenden Nutzungen begründet werden soll.6 Hier kommt vielmehr § 308 Nr. 7 BGB zur Anwendung. Auf die Rückabwicklung in Folge einer Kündigung oder eines Rücktritts ist deshalb § 308 Nr. 7 BGB anwendbar. Soweit der Rücktritt oder die Kündigung eine Schadensersatzpflicht begründet, gilt hingegen § 309 Nr. 5 BGB.7 1 2 3 4 5
Vgl. BT-Drucks. 7/3919, S. 29 f. Vgl. BT-Drucks. 7/3919, S. 30. Vgl. BT-Drucks. 7/3919, S. 30. Dammann in WLP, § 309 Nr. 5 Rz. 2. Vgl. hierzu BGH v. 8.10.1998 – III ZR 278/97, NJW-RR 1999, 125; Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Nr. 5 Rz. 2. 6 BGH v. 8.10.1987 – VII ZR 185/86, NJW 1988, 258; Fuchs in UBH, § 309 Nr. 5 Rz. 17. 7 Grüneberg in Palandt, § 309 Rz. 25.
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§ 309 | Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit 55 Seinem Wortlaut nach erfasst § 309 Nr. 5 BGB sowohl im Gesetz vorgesehene
als auch von den Parteien neu geschaffene Ansprüche auf Schadensersatz. Damit findet § 309 Nr. 5 BGB nicht nur Anwendung auf Klauseln, die einen nach dem Gesetz gegebenen Anspruch lediglich im Hinblick auf seine Höhe regeln, indem sie eine Pauschale vorsehen, sondern auch auf AGB, die einen nach dem Gesetz gegebenen Anspruch im Hinblick auf seine Tatbestandsvoraussetzungen modifizieren, indem der Anspruch vom Vorliegen weniger strenger Voraussetzungen abhängig gemacht wird, als dies im Gesetz vorgesehen ist. Dies ist beispielsweise der Fall bei Klauseln, die eine Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz auch bei schuldloser Verletzung bestimmter Nebenpflichten vorsehen. Darüber hinaus ist § 309 Nr. 5 BGB seinem Wortlaut nach anwendbar auf Klauseln, mit denen über das dispositive Gesetzesrecht hinausgehende Ansprüche zunächst geschaffen und sodann pauschaliert werden.
56 Da eine Schadensersatzpauschale i.S.d. § 309 Nr. 5 BGB jedoch voraussetzt, dass
überhaupt ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach bestehen kann,1 ist bei all denjenigen Klauseln, die nicht einen nach dem Gesetz gegebenen Anspruch lediglich im Hinblick auf dessen Höhe regeln, zudem zu prüfen, ob die erweiterte Schadensersatzhaftung des Vertragspartners einer Inhaltskontrolle – regelmäßig am Maßstab des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB – standhält.2
57 Wie bereits unter Geltung des AGBG ist auch unter Geltung der §§ 305 ff. BGB die
Abgrenzung der Schadenspauschalierung von der Vertragsstrafe von großer praktischer Bedeutung. Der Gesetzgeber hat auch im „neuen Recht“, nämlich durch die in § 309 Nr. 5 und Nr. 6 BGB getroffenen Regelungen zum Ausdruck gebracht, dass Schadenspauschalierungen und Vertragsstrafeversprechen unterschiedliche Rechtsinstitute sind,3 für deren AGB-Kontrolle unterschiedliche Maßstäbe gelten.
58 Nach ständiger Rechtsprechung des BGH erfolgt die Abgrenzung (in erster Li-
nie) nach dem Zweck der Klausel: So soll die Schadenspauschalierung lediglich der einfacheren Durchsetzung eines als bestehend vorausgesetzten Schadensersatzanspruchs dienen. Demgegenüber sei die Vertragsstrafe vom Gesetzgeber mit einer doppelten Zweckrichtung geschaffen worden: Sie solle einmal als Zwangsmittel den Schuldner zur Erbringung der geschuldeten Leistung anhalten, zum anderen aber auch dem Gläubiger im Verletzungsfalle die Möglichkeit einer erleichterten Schadloshaltung eröffnen. Dabei stehe die Sicherung der Vertragserfüllung und die Ausübung eines wirkungsvollen Drucks auf den Vertragspartner, sich vertragstreu zu verhalten, allerdings im Vordergrund.4 Zwar 1 BGH v. 8.3.2005 – XI ZR 154/04, NJW 2005, 1645; Grüneberg in Palandt, § 309 Rz. 24. 2 Roloff in Erman, § 309 Rz. 44; Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Nr. 5 Rz. 8; Fuchs in UBH, § 309 Nr. 5 Rz. 17. 3 Vgl. Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Nr. 5 Rz. 5. 4 BGH v. 6.11.1967 – VIII ZR 81/65, BGHZ 49, 84; BGH v. 27.11.1974 – VIII ZR 9/73, BGHZ 63, 256; BGH v. 25.11.1982 – III ZR 92/81, NJW 1983, 1542; BGH v. 30.6.1987 – KZR 7/86, NJW-RR 1988, 39.
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ist nicht von der Hand zu weisen, dass auch von einer Schadenspauschalierung ein mittelbarer Erfüllungsdruck und damit ein gewisser Druck zu vertragsgerechtem Verhalten ausgehen kann; das ändert jedoch nichts daran, dass bei der Schadenspauschalierung der Rationalisierungszweck und beim Vertragsstrafeversprechen der Erfüllungsdruck, und damit jeweils andere Zwecke im Vordergrund stehen. Ob das eine oder das andere gewollt ist, ist durch Auslegung der Klausel nach 59 den für die Auslegung von AGB geltenden Kriterien zu ermitteln.1 Danach sind Allgemeine Geschäftsbedingungen – anders als Individualvereinbarungen – nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Ausgangspunkt der Auslegung ist und bleibt selbstverständlich der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis ist aber auch der von den Vertragsparteien intendierte typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Regelungszweck.2 Ebenso eine Rolle spielt die typische Interessenlage der Beteiligten.3 Bei der Auslegung sind sämtliche Umstände einschließlich der den Vertragsschluss begleitenden Umstände, die nicht ausschließlich die konkrete Vertragsabschlusssituation betreffen, heranzuziehen und zu würdigen. Zwar ist es eine Folge der objektiven, typisierten Auslegung, dass Umstände, die allein den konkreten Vertragspartnern bekannt waren oder die den besonderen Einzelfall kennzeichnen, bei der Auslegung von AGB keine Berücksichtigung finden dürfen. Dies findet seine Bestätigung in § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB, wonach die den Vertragsschluss begleitenden Umstände nur bei der Prüfung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB zu berücksichtigen sind. Ausgeschlossen ist danach allerdings nur die Heranziehung konkret-individueller Umstände. Demgegenüber sind Begleitumstände des Vertragsschlusses, die nicht ausschließlich die konkrete Vertragsabschlusssituation betreffen, sondern den Abschluss einer jeden vergleichbaren Abrede begleiten, bei der Auslegung zu berücksichtigen.4 Danach wird es für die Abgrenzung im wesentlichen darauf ankommen, ob eine vorweggenommene Schadensschätzung vorliegt, mithin ein bestehender Anspruch nur ausgestaltet wird (dann Pauschalierung nach § 309 Nr. 5 BGB) oder ob die Verpflichtung zur Zahlung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach im wesentlichen unabhängig von der Entstehung des Schadens sein soll, also eine neue Anspruchsgrundlage geschaffen wird (dann Vertrags1 Zur Kritik an den Abgrenzungskriterien des BGH und den Lösungsvorschlägen in der Literatur vgl. nur Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Nr. 5 Rz. 6; Fuchs in UBH, § 309 Nr. 5 Rz. 11 f.; Dammann in WLP, § 309 Nr. 5 Rz. 33 ff. 2 Vgl. BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 935. 3 Vgl. BAG v. 18.11.2008 – 3 AZR 277/07, NZA-RR 2009, 153; BAG v. 18.5.2010 – 3 AZR 373/08, NZA 2010, 935; BAG v. 15.6.2010 – 3 AZR 334/06, NZA-RR 2011, 260. 4 BAG v. 15.2.2011 – 3 AZR 35/09, NZA-RR 2011, 541; BAG v. 4.8.2011 – 6 AZR 436/10, DB 2011, 2552.
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§ 309 | Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit strafe nach § 309 Nr. 6 BGB).1 Im ersten Fall steht der Rationalisierungszweck, im zweiten Fall der Erfüllungsdruck im Vordergrund. 60 Auch die formularmäßige Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs auf Er-
satz einer Wertminderung unterliegt der Kontrolle nach § 309 Nr. 5 BGB. Im Hinblick auf die Pauschalierung von Wertminderungsansprüchen dürfte der Anwendungsbereich des § 309 Nr. 5 BGB allerdings gering sein. Der Pauschalierung zugängliche Wertersatzansprüche dürften insb. nach § 357 Abs. 7 BGB bei der Vertragsabwicklung nach Ausübung eines Widerrufs- oder Rückgaberechts durch den Verbraucher entstehen.2
bb) Höhe der Pauschale 61 Die Pauschale darf den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden
Schaden bzw. die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge eintretende Wertminderung nicht übersteigen. Dies erfordert eine generalisierende, von den Umständen des konkreten Falles unabhängige3 Betrachtung. Das bedeutet, dass der in der Klausel festgesetzte Betrag mit dem Durchschnittsschaden zu vergleichen ist, der nach der Schätzung eines informierten Beobachters in der betreffenden Branche normalerweise entsteht, wenn die Voraussetzungen, an die die Zahlungspflicht des Vertragspartners des Verwenders geknüpft ist, erfüllt sind (branchenüblicher Durchschnittsschaden).4 Für den Fall der Pauschalierung einer Wertminderung ist Vergleichsgröße die im Durchschnitt der Fälle eintretende Wertminderung.5
62 Im Rahmen des § 309 Nr. 5a BGB liegt die Darlegungs- und Beweislast für die
Umstände, die für die Frage des Verhältnisses von Pauschalbetrag und gewöhnlich zu erwartendem Schaden bzw. gewöhnlich zu erwartender Wertminderung von Bedeutung sind, beim Verwender.6 Zwar ist die in § 309 Nr. 5a BGB getroffene Regelung an § 252 Satz 2 BGB orientiert und eröffnet dem Klauselverwender eine entsprechende Beweiserleichterung dahin, dass der Schaden nicht in jedem konkreten Fall erreicht werden muss. Allerdings muss der Klauselverwender nachweisen, dass der vereinbarte Betrag dem typischen Schadensumfang
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Däubler in DBD, § 309 Nr. 5 Rz. 2. Fuchs in UBH, § 309 Nr. 5 Rz. 19. Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Nr. 5 Rz. 12. BGH v. 7.10.1981 – VIII ZR 229/80, NJW 1982, 331; BGH v. 16.1.1984 – II ZR 100/83, NJW 1984, 2093. 5 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 891. 6 So BGH v. 18.2.2015 – XII ZR 199/13, NJW-RR 2015, 690 = MDR 2015, 651 = WM 2016, 376; so wohl BGH v. 10.11.1976 – VIII ZR 115/75, NJW 1977, 381; so auch Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Nr. 5 Rz. 16; Grüneberg in Palandt, § 309 Rz. 29; differenzierend Fuchs in UBH, § 309 Nr. 5 Rz. 22; Dammann in WLP, § 309 Nr. 5 Rz. 85; offengelassen in BGH v. 7.10.1981 – VIII ZR 229/80, NJW 1982, 331 und BGH v. 3.11.1999 – VIII ZR 35/99, NJW-RR 2000, 719.
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entspricht.1 Vor diesem Hintergrund hat der Klauselverwender die Tatsachen darzutun und ggfls. zu beweisen, aus denen das Gericht die Überzeugung gewinnen kann, dass der Pauschalbetrag den branchenüblichen Durchschnittsschaden bzw. die branchenübliche Wertminderung nicht wesentlich übersteigt, also angemessen ist. cc) Ausdrückliche Zulassung des Gegenbeweises Nach § 309 Nr. 5b BGB muss die Pauschalierungsabrede, um wirksam zu sein, 63 dem anderen Vertragsteil ausdrücklich den Nachweis gestatten, ein Schaden oder eine Wertminderung sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale.2 Mit dem Erfordernis der „ausdrücklichen“ Gestattung hat § 11 Nr. 5b AGBG im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung eine Klarstellung erfahren, die die Rechtsanwendung erleichtern dürfte.3 Erforderlich ist ein klarer, für den rechtsunkundigen Vertragspartner des Verwenders ohne weiteres verständlicher Hinweis, dass ihm der Nachweis offensteht, es sei kein oder ein geringerer Schaden oder keine oder eine geringere Wertminderung eingetreten.4 Der vom Vertragspartner des Verwenders darzulegende und ggf. zu beweisende 64 Schaden bzw. die von ihm darzulegende und ggf. zu beweisende Wertminderung muss wesentlich niedriger sein als die in den AGB festgelegte Pauschale. Hiervon ist regelmäßig bei einer Abweichung in Höhe von 10 % auszugehen.5 Bei sehr niedrigen Pauschalbeträgen oder sehr hohen Pauschalen kann allerdings auch eine andere Bewertung in Betracht kommen.6 b) Bedeutung des § 309 Nr. 5 BGB im Arbeitsrecht Die in § 309 Nr. 5 BGB formulierten Vorgaben für die Pauschalierung von Scha- 65 densersatz- und Wertminderungsansprüchen sind auch im Arbeitsrecht anzuwenden.7 Arbeitsrechtliche Besonderheiten stehen dem nicht entgegen. Dennoch dürfte die praktische Bedeutung des § 309 Nr. 5 BGB im Arbeitsrecht eher gering sein. Erbringt der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung über- 66 haupt nicht und beruht die Nichtleistung auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit, so haf1 So ausdrücklich BGH v. 18.2.2015 – XII ZR 199/13, NJW-RR 2015, 690 = MDR 2015, 651 = WM 2016, 376. 2 Vgl. BGH v. 23.11.2005 – VIII ZR 154/04, NJW 2006, 1056. 3 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 892. 4 Vgl. Grüneberg in Palandt, § 309 Rz. 30. 5 Roloff in Erman, § 309 Rz. 49; Grüneberg in Palandt, § 309 Rz. 31; Fuchs in UBH, § 309 Nr. 5 Rz. 29. 6 Fuchs in UBH, § 309 Nr. 5 Rz. 29. 7 Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 99.
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§ 309 | Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit tet er nach den allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen auf Schadensersatz. Eine Klausel, die für diesen Fall eine Pauschale vorsieht, dürfte häufig nicht an den Maßstäben des § 309 Nr. 5 BGB, sondern an denen des § 309 Nr. 6 BGB zu messen sein. In vielen Fällen dürfte die Auslegung der Bestimmung nämlich ergeben, dass in Ermangelung eines konkret greifbaren Schadens1 die Sicherung der Vertragserfüllung und die Ausübung eines wirkungsvollen Drucks auf den Vertragspartner, sich vertragstreu zu verhalten, im Vordergrund steht und deshalb keine Schadenspauschalierung, sondern eine Vertragsstrafe vereinbart ist.2 Anders kann es sich in den Fällen verhalten, in denen der zu ersetzende Schaden in der Klausel näher spezifiziert wird, so z.B. als Ersatz für die an andere Arbeitnehmer geleisteten Überstundenzuschläge3 und diesbezüglich eine Pauschale vereinbart wird. 67 Hat der Arbeitnehmer in Folge einer sonstigen Vertragspflichtverletzung beim
Arbeitgeber einen Schaden verursacht, ist zu berücksichtigen, dass in diesem Fall die von der Rechtsprechung des BAG entwickelten und nunmehr in § 619a BGB vorausgesetzten Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung Anwendung finden. Danach hat ein Arbeitnehmer, sofern das Handeln betrieblich veranlasst war, vorsätzlich verursachte Schäden in vollem Umfang zu tragen, bei leichtester Fahrlässigkeit haftet er dagegen nicht. Bei normaler Fahrlässigkeit ist der Schaden in aller Regel zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu verteilen, bei grober Fahrlässigkeit hat der Arbeitnehmer in aller Regel den gesamten Schaden zu tragen, jedoch können Haftungserleichterungen, die von einer Abwägung im Einzelfall abhängig sind, in Betracht kommen. Dabei ist die Beteiligung des Arbeitnehmers an den Schadensfolgen durch eine Abwägung der Gesamtumstände zu bestimmen. Hierbei spielen insbesondere Schadensanlass, Schadensfolgen sowie Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkte eine Rolle. Eine möglicherweise vorliegende Gefahrgeneigtheit der Arbeit ist ebenso zu berücksichtigen wie die Schadenshöhe, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes Risiko, eine Risikodeckung durch eine Versicherung, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe der Vergütung, die möglicherweise eine Risikoprämie enthalten kann. Auch die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers und die Umstände des Arbeitsverhältnisses, wie die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Familienverhältnisse und sein bisheriges Verhalten können zu berücksichtigen sein.4 Da die Regeln über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung nach der Rechtsprechung des BAG einseitig zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht sind,5 folgt die Unwirksamkeit einer allgemein gehaltenen Pauschalierungsabrede bereits aus den allgemeinen Grundsätzen. Sieht eine 1 2 3 4 5
Vgl. LAG Düsseldorf v. 8.1.2003 – 12 Sa 1301/02, NZA 2003, 382. Vgl. Däubler in DBD, § 309 Nr. 5 Rz. 5. S. Beispiel bei Däubler in DBD, § 309 Nr. 5 Rz. 5. BAG v. 22.3.2018 – 8 AZR 779/16; BAG v. 28.10.2010 – 8 AZR 418/09, NZA 2011, 345. BAG v. 17.9.1998 – 8 AZR 175/97, NZA 1999, 141; BAG v. 2.12.1999 – 8 AZR 386/98, NZA 2000, 715.
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Klausel demgegenüber ausdrücklich eine Pauschalierung eines Schadens vor, der nicht aufgrund einer betrieblich veranlassten Handlung entstanden ist, so z.B., dass der Arbeitnehmer bei erlaubter Privatnutzung eine Sache des Arbeitgebers beschädigt, ist die Klausel nicht von vornherein nach den allgemeinen Grundsätzen unwirksam, sondern an den Maßstäben des § 309 Nr. 5 BGB zu messen. Demgegenüber spricht viel dafür, dass eine Mankoabrede,1 nach der der Arbeit- 68 nehmer nur bis zur Höhe einer vereinbarten Mankovergütung haften soll, auf ihre Vereinbarkeit mit § 309 Nr. 5 BGB zu überprüfen sein kann.2 Nach der Rechtsprechung des BAG ist die Begründung einer Haftung des Arbeitnehmers für Fehlbeträge in einer Kasse oder einem Warenlager nämlich nur zulässig, wenn die Haftung auf die Höhe einer vereinbarten Mankovergütung begrenzt ist und der Arbeitnehmer daher im Ergebnis allein die Chance einer zusätzlichen Vergütung für die erfolgreiche Verwaltung eines Waren- oder Kassenbestandes erhält. In einem solchen Fall tritt eine Verschärfung der beschränkten Arbeitnehmerhaftung nicht ein.3 Die Vereinbarung einer so begrenzten Mankohaftung führt im Ergebnis nicht zu einer Schlechterstellung des Arbeitnehmers und berührt nicht das Privileg des Arbeitnehmers auf beschränkte Haftung bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten.4 Sieht eine so begrenzte Mankoabrede beispielsweise vor, dass ein Fehlbetrag mit einem bestimmten Prozentsatz zu verzinsen ist, so muss die Abrede den Anforderungen des § 309 Nr. 5 BGB standhalten. Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer Schadenspauschalierungen in Ver- 69 einbarungen, die neben dem Arbeitsverhältnis bestehen, so z.B. in einem Kauf-, Darlehens- oder Mietvertrag (Parallelverträge), so kommt auf derartige Vereinbarungen § 309 Nr. 5 BGB ohne weiteres zur Anwendung. Als Vertragspartner derartiger Verträge hat der Arbeitnehmer dieselbe Stellung wie jeder andere Käufer, Darlehensnehmer oder Mieter.5 c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 5 BGB Im Fall eines Verstoßes einer Pauschalierungsabrede gegen § 309 Nr. 5 BGB ist 70 die Klausel insgesamt unwirksam.6 Eine zu hohe Pauschale kann nicht auf eine angemessene Höhe zurückgeführt werden. Ebenso wenig kann die Klausel mit der Möglichkeit des Gegenbeweises aufgefüllt werden. Eine solche Rechtsfolge 1 Zur Mankohaftung im Einzelnen vgl. Stoffels in Preis, Der Arbeitsvertrag, II M 10. 2 So Däubler in DBD, § 309 Nr. 5 Rz. 7. 3 BAG v. 2.12.1999 – 8 AZR 386/98, NZA 2000, 715; BAG v. 5.2.2004 – 8 AZR 91/03, NZA 2004, 649. 4 BAG v. 5.2.2004 – 8 AZR 91/03, NZA 2004, 649. 5 Vgl. Däubler in DBD, § 309 Nr. 5 Rz. 11, der von sog. Parallelverträgen spricht. 6 Allg. Meinung, vgl. nur Däubler in DBD, § 309 Nr. 5 Rz. 12; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 893; Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Nr. 5 Rz. 26; Grüneberg in Palandt, § 309 Rz. 26; Fuchs in UBH, § 309 Nr. 5 Rz. 32; Dammann in WLP, § 309 Nr. 5 Rz. 110–119.
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§ 309 | Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit sieht § 306 BGB nicht vor. Auch eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet aus. Die infolge der Unwirksamkeit der Klausel entstandene Vertragslücke ist nicht ergänzungsbedürftig,1 da der Arbeitgeber seinen materiellen Schadensersatzanspruch nicht verliert und diesen nach den allgemeinen Regeln verfolgen kann. 71–73
Einstweilen frei.
6. § 309 Nr. 6 BGB (Vertragsstrafe) 74 Nach § 309 Nr. 6 BGB, der wörtlich mit § 11 Nr. 6 AGBG übereinstimmt, ist in
AGB (ohne Wertungsmöglichkeit) unwirksam, eine Bestimmung, durch die dem Verwender für den Fall der Nichtabnahme oder verspäteten Abnahme der Leistung, des Zahlungsverzugs oder für den Fall, dass der andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst, die Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen wird.
a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 6 BGB 75 Mit § 309 Nr. 6 BGB hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung getragen,
dass vorformulierte Vertragsstrafevereinbarungen erhebliche Gefahren für den Versprechenden bergen: Zum einen sind Vertragsstrafen von der Entstehung eines tatsächlichen Schadens unabhängig und können deshalb dazu missbraucht werden, dem Verwender einen nicht gerechtfertigten Gewinn zu verschaffen; zum anderen können bei einseitiger Festlegung durch den Verwender die Voraussetzungen für die Verwirkung einer Vertragsstrafe zu Lasten des Vertragspartners des Verwenders denkbar niedrig gehalten werden. Es kommt hinzu, dass mit vorformulierten Vertragsstrafeversprechen in der Regel nur die Verletzung von Pflichten des Vertragspartners des Verwenders unter Strafe gestellt wird.2 Dennoch hat der Gesetzgeber sich nicht veranlasst gesehen, Vertragsstrafeversprechen in AGB generell zu verbieten; er hat sie nur in den in § 309 Nr. 6 BGB ausdrücklich aufgeführten Fällen der Nichtabnahme oder der verspäteten Abnahme der Leistung, des Zahlungsverzugs und der Lösung vom Vertrag untersagt. Nur in diesen Fällen sei ein anerkennenswertes Interesse des Verwenders für ihre formularmäßige Vereinbarung von vornherein nicht ersichtlich; zudem sei die Vertragsstrafe in den Fällen der Nichtabnahme oder der verspäteten Abnahme der Leistung sowie im Falle des Zahlungsverzugs nicht notwendig, um den Kunden zum vertragsgemäßen Verhalten anzuhalten. Derartige Vertragsverletzungen lösten, sofern sie vom Vertragspartner des Verwenders schuldhaft begangen wurden, Schadensersatzansprüche des Verwenders aus. Die Durchsetzung solcher Ansprüche könne sich der Verwender zudem durch eine Pauscha1 Zu der Voraussetzung der ausfüllungsbedürftigen Lücke vgl. Schlewing, RdA 2011, 92 (94). 2 BT-Drucks. 7/3919, S. 30.
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lierung in den Grenzen des § 309 Nr. 5 BGB erleichtern (zur Abgrenzung der Vertragsstrafe von der Schadenspauschalierung s. Rz. 57 ff.).1 Wird eine Vertragsstrafe für Pflichtverletzungen vorgesehen, die inhaltlich nicht dem Vertragsstrafenverbot des § 309 Nr. 6 BGB unterfallen (sonstige Pflichtverletzungen), so ist diese zwar nicht gemäß § 309 Nr. 6 BGB verboten, ihre Unwirksamkeit kann sich jedoch aus § 307 BGB ergeben. Dabei ist zum Schutz des Arbeitnehmers ein strenger Maßstab anzulegen.2 § 309 Nr. 6 BGB hat den Regelfall im Auge, dass der Verwender eine Sachleistung 76 schuldet und der Vertragspartner des Verwenders dafür zu zahlen hat, wie dies beim Kauf von Waren zutrifft. Stört der Vertragspartner des Verwenders die Vertragsabwicklung dadurch, dass er die Leistung nicht oder verspätet abnimmt, so darf er nicht formularmäßig mit einer Vertragsstrafe belegt werden.3 Auf den Grund für die Nichtabnahme oder verspätete Abnahme kommt es nicht an.4 § 309 Nr. 6 BGB untersagt auch solche Vereinbarungen, die eine Vertragsstrafe 77 für den Fall des Zahlungsverzugs, d.h. des Verzugs mit einer Geldschuld5 vorsehen. § 309 Nr. 6 BGB ist deshalb bereits seinem Wortlaut nach auf Vertragsstrafen wegen Leistungspflichten, die nicht auf die Zahlung von Geld gerichtet sind, nicht anwendbar.6 In diesem Fall kommt eine AGB-Kontrolle am Maßstab des § 307 BGB in Betracht. Nach § 309 Nr. 6 BGB sind allerdings nicht nur solche Klauseln verboten, die die Verwirkung der Vertragsstrafe ausdrücklich vom Eintritt des Verzugs abhängig machen. Vielmehr reicht es für die Anwendung des § 309 Nr. 6 BGB aus, dass die Klausel die Vertragsstrafe von einer nicht fristgemäßen Zahlung abhängig macht.7 Dies folgt bereits daraus, dass eine Bestimmung in AGB, wonach die Vertragsstrafe schon bei bloßer Verspätung verwirkt sein soll, für den Vertragspartner des Verwenders belastender ist als eine Klausel, die an den Verzug anknüpft. Gleiches gilt, wenn die Bestimmung nicht auf den Verzug, sondern auf die schlichte Nichtzahlung abstellt.8 Nicht anwendbar ist § 309 Nr. 6 BGB hingegen auf Bestimmungen in AGB, die nicht den Zahlungsverzug oder die nicht fristgerechte Zahlung mittels einer Vertragsstrafe sanktionieren, sondern auf anderen Motiven beruhen. Dies gilt z.B. für das erhöhte Beförderungsentgelt, das dem „Schwarzfahrer“ mit den Beförderungs1 BT-Drucks. 7/3919, S. 30. 2 BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34 m.w.N. auch auf abweichende Meinungen in der Literatur, wonach über den Wortlaut des § 309 Nr. 6 BGB hinaus im Arbeitsrecht sämtliche Vertragsstrafenabreden unwirksam sind. 3 Fuchs in UBH, § 309 Nr. 6 BGB Rz. 21. 4 Grüneberg in Palandt, § 309 Rz. 34. 5 Grüneberg in Palandt, § 309 Rz. 35. 6 Dammann in WLP, § 309 Nr. 6 Rz. 37. 7 BGH v. 29.3.1994 – XI ZR 69/93, NJW 1994, 1532; Dammann in WLP, § 309 Nr. 6 Rz. 38. 8 Grüneberg in Palandt, § 309 Rz. 35; Fuchs in UBH, § 309 Nr. 6 BGB Rz. 22.
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§ 309 | Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit bedingungen auferlegt wird. Grund dieser Vertragsstrafe ist nicht der Zahlungsverzug, sondern das Erschleichen der Fahrleistung.1 78 Von der „Lösung vom Vertrag“ werden all die Fälle erfasst, in denen der Ver-
tragspartner des Verwenders ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringt, dass er nicht mehr an den Vertrag gebunden sein will oder dass er nicht mehr zur Erfüllung des Vertrages bereit ist. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob dies ausdrücklich als Rücktritt, Kündigung, Widerruf oder Abstandnehmen vom Vertrag etc. bezeichnet wird, oder ob der Verwendungsgegner anderweitig zum Ausdruck bringt, dass er nicht mehr zur Erfüllung des Vertrages bereit ist.2 Vor diesem Hintergrund hat das BAG eine Lösung vom Vertrag auch in den Fällen angenommen, dass der Arbeitnehmer seine Arbeit gar nicht erst antritt.3 Nach dem Wortlaut von § 309 Nr. 6 BGB kommt es nicht darauf an, ob eine berechtigte oder unberechtigte Lösung vom Vertrag vorliegt.4 Dass nicht nur die unberechtigte, sondern auch die berechtigte Lösung vom Vertrag in den Anwendungsbereich des § 309 Nr. 6 BGB fällt,5 entspricht auch den Vorstellungen des Gesetzgebers. Dieser wollte in erster Linie Klauseln verhindern, nach denen der Vertragspartner des Verwenders gegen Zahlung einer „Abstandssumme“ oder dergleichen aus dem Vertrag entlassen wird.6 Vor diesem Hintergrund hat das BAG eine Lösung vom Vertrag auch in dem Fall angenommen, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber durch beharrliche Arbeitsverweigerung zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung veranlasste.7 b) Bedeutung des § 309 Nr. 6 BGB im Arbeitsrecht
79 Vertragsstrafenabreden sind im Arbeitsrecht weit verbreitet. Häufig soll eine
Vertragsstrafe das Bedürfnis des Arbeitgebers sichern, eine arbeitsvertragswidrige und schuldhafte Nichtaufnahme oder Beendigung der Arbeitstätigkeit seitens des Arbeitnehmers zu vermeiden. Ebenso soll die fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§ 626 BGB) verhindert werden. Auch kann es darum gehen, Wettbewerbsverstöße oder Verletzungen der Verschwiegenheitspflicht durch den Arbeitnehmer zu vermeiden. Dennoch kommt § 309 Nr. 6 BGB im Arbeitsrecht keine Bedeutung zu. 1 BT-Drucks. 7/5422, S. 6; Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Nr. 6 Rz. 11; Grüneberg in Palandt, § 309 Rz. 35; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 906; Fuchs in UBH, § 309 Nr. 6 Rz. 23 m.w.N.; Dammann in WLP, § 309 Nr. 6 Rz. 39–40. 2 Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Nr. 6 Rz. 12; Grüneberg in Palandt, § 309 Rz. 36; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 907; Fuchs in UBH, § 309 Nr. 6 Rz. 24 m.w.N.; Dammann in WLP, § 309 Nr. 6 Rz. 42. 3 Vgl. BAG v. 19.8.2010 – 8 AZR 645/09, AP BGB § 307 Nr. 49. 4 BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 344/03. 5 So auch Dammann in WLP, § 309 Nr. 6 Rz. 43; a.A. wohl Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Nr. 6 Rz. 12; Coester-Waltjen in Staudinger, § 309 Nr. 6 Rz. 14. 6 BT-Drucks. 7/3919, S. 30. 7 BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 344/03.
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Abgesehen davon, dass für arbeitsvertragliche Abreden ohnehin allein das Tat- 80 bestandsmerkmal der „Lösung vom Vertrag“ relevant sein dürfte, vertritt das BAG in inzwischen ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass Vertragsstrafenvereinbarungen in vorformulierten Arbeitsbedingungen, sofern sie dem Anwendungsbereich des § 309 Nr. 6 BGB überhaupt unterfallen, nicht bereits nach dieser Bestimmung unwirksam sind, da insoweit die nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB im Arbeitsrecht geltenden, angemessen zu berücksichtigenden Besonderheiten entgegenstünden. Dies führe zur grundsätzlichen Zulässigkeit von Vertragsstrafenabreden. Eine Unwirksamkeit einer Vertragsstrafenabrede könne sich allenfalls aus § 307 BGB ergeben.1 Begründet hat das BAG seine Auffassung zum einen mit der Regelung des § 888 81 Abs. 3 ZPO, die es ausschließt, die Verpflichtung zur Arbeitsleistung zu vollstrecken.2 Im Gegensatz zu anderen Gläubigern fehle dem Arbeitgeber die Möglichkeit, seinen vertraglichen Primäranspruch auf Leistung der Arbeit durchzusetzen. Vor diesem Hintergrund bestehe ein Bedürfnis an Sanktionsinstrumenten, um den Arbeitnehmer zur Erfüllung seiner vertraglichen Hauptpflicht anzuhalten. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber bei einer Vertragslösung durch den Arbeitnehmer regelmäßig erheblichen Schwierigkeiten ausgesetzt sei, die Kausalität der Pflichtverletzung für den Schaden und dessen Höhe nachzuweisen. Diesen und den speziell arbeitsrechtlichen Umstand mangelnder Vollstreckungsmöglichkeiten hatte das BAG im Übrigen bereits unter Geltung der alten Rechtslage zur Begründung der grundsätzlichen Wirksamkeit von formularmäßigen Vertragsstrafenabreden herangezogen.3 Zwar ist die Literatur dem BAG keineswegs uneingeschränkt gefolgt;4 allerdings 82 dürfte der insoweit bestehende Meinungsstreit deutlich dadurch entschärft worden sein, dass das BAG Vertragsstrafenabreden an den Maßstäben des § 307 1 BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727; BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 344/03; BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 328/03; BAG v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053; BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34; BAG v. 25.9.2008 – 8 AZR 717/07, NZA 2009, 370; BAG v. 19.8.2010 – 8 AZR 645/09, AP BGB § 307 Nr. 49; BAG v. 23.9.2010 – 8 AZR 897/08, NZA 2011, 89; BAG v. 23.1.2014 – 8 AZR 130/13, NZA 2014, 777 = DB 2014, 1321 = AP BGB § 309 Nr. 5; BAG v. 17.3.2016 – 8 AZR 665/14, NZA 2016, 945 = JR 2017, 492 = AP BGB § 309 Nr. 6; BAG v. 24.8.2017 – 8 AZR 378/16, NZA 2018, 100 = NJW 2018, 418 = AP BGB § 309 Nr. 7; BAG v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08, NZA-RR 2009, 2269, in dieser Entscheidung spricht das BAG davon, dass § 309 Nr. 6 BGB „gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB nicht anwendbar“ sei, „weil die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten dem entgegenstehen“; ebenso BAG v. 28.5.2009 – 8 AZR 896/07, AP BGB § 306 Nr. 6. 2 Auf die Problematik der unterschiedlichen Behandlung von Dienstverträgen und von Verträgen mit arbeitnehmerähnlichen Personen auf der einen Seite und von Arbeitsverträgen auf der anderen Seite hat zutreffend Oetker, AcP 2012, 202 (243) hingewiesen. 3 Vgl. insb. BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727 m.w.N. 4 Vgl. Däubler in DBD, § 309 Nr. 6 Rz. 9 und 10 sowie 6 m.w.N.
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§ 309 | Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit BGB misst und der Vereinbarung von Vertragsstrafen in diesem Rahmen deutliche Grenzen gezogen hat (s. hierzu im Einzelnen § 307 Rz. 267).1 83 Da § 309 Nr. 6 BGB allerdings auf vorformulierte Vertragsstrafeversprechen An-
wendung findet, auf die sich die Besonderheiten des Arbeitsrechts nicht auswirken oder die nicht im Zusammenhang mit der Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Leistung der Arbeit stehen, bleibt die Bestimmung für sog. „Parallelverträge“ weiterhin von Bedeutung. Hier kommen insb. Kauf- und Mietverträge zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Betracht
c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 6 BGB 84 Verstößt eine Vertragsstrafenabrede gegen § 309 Nr. 6 BGB, so ist sie grundsätz-
lich insgesamt unwirksam. Eine Ausnahme von der Gesamtunwirksamkeit kommt nach § 306 Abs. 1 BGB nur in Betracht, wenn die Klausel inhaltlich und sprachlich teilbar ist. Dann beschränkt sich die Unwirksamkeit auf den gegen § 309 Nr. 6 BGB verstoßenden Teil der Bestimmung. Die Darlegungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 309 Nr. 6 BGB trifft den Vertragspartner des Verwenders.2
85–88
Einstweilen frei.
7. § 309 Nr. 7 BGB (Haftungsausschluss bei Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und bei grobem Verschulden) 89 Während § 276 Abs. 3 BGB für individuelle Vertragsabreden einen Haftungs-
ausschluss nur für Vorsatz des Schuldners verbietet, wobei § 278 Satz 2 BGB im Falle des Verschuldens des Erfüllungsgehilfen und des gesetzlichen Vertreters sogar eine Freizeichnung für Vorsatz zulässt, setzen die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 BGB der Zulässigkeit vorformulierter Haftungsbeschränkungen und Haftungsausschlüsse engere Grenzen. Dabei differenzieren sie nach dem Haftungsmaßstab, nach der Person, die den Schaden verursacht hat und nach den betroffenen Rechtsgütern:3 Geht es um die Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit, so ist ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für Schäden unwirksam, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder auf einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen (§ 309 Nr. 7a BGB). Geht es um sonstige Schäden, so ist ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für Schäden unwirksam, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des 1 Vgl. Däubler in DBD, § 309 Nr. 6 Rz. 6 m.w.N. und Rz. 12 ff.; Fuchs/Bieder in UBH, Anh. § 310 Rz. 80 ff. 2 Fuchs in UBH, § 309 Nr. 6 Rz. 26. 3 Vgl. Dammann in WLP, § 309 Nr. 7 Rz. 1.
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Verwenders oder auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen (§ 309 Nr. 7b BGB). a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 7 BGB Die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 BGB beruhen auf dem Gedanken, dass die 90 Durchsetzbarkeit der vom Verwender übernommenen Leistungspflichten unangemessen geschwächt würde, wenn man es ihm gestatten würde, sich von den Folgen etwaiger Pflichtverletzungen ohne erhebliche Haftungsrisiken formularmäßig freizuzeichnen.1 Zudem soll der Vertragspartner des Verwenders, sofern es zu einer Vertragspflichtverletzung durch den Verwender kommt, hinsichtlich seiner Sekundäransprüche vor einer erheblichen Verschiebung der Risiken zu seinen Lasten bewahrt werden.2 § 309 Nr. 7 BGB betrifft nur Klauseln, die sich mit der Haftung für Schäden, 91 also mit Schadensersatzverpflichtungen befassen. Erfasst werden alle Arten schuldhafter Leistungsstörungen, aus denen Schadensersatzansprüche erwachsen.3 Hierzu zählen zunächst die positive Vertragsverletzung, der Verzug und die anfängliche oder nachträgliche Unmöglichkeit (§§ 280–284, 286, 311a BGB). § 309 Nr. 7 BGB gilt zwar auch für Ansprüche aus c.i.c. (§ 311 Abs. 2 BGB). Für derartige Ansprüche scheitert der Haftungsausschluss regelmäßig allerdings schon deshalb, weil sie bereits entstanden sind, wenn der Vertrag unter Einbeziehung der AGB zustande kommt.4 Da der mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz neu eingeführte Begriff der „Pflichtverletzung“ ohne inhaltliche Änderung an den der „Vertragsverletzung“ des § 11 Nr. 7 AGBG anknüpft,5 findet § 309 Nr. 7 BGB auf Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung keine (direkte) Anwendung. Dies ist unproblematisch, sofern die Auslegung der Freizeichnungsklausel ergibt, dass diese sich nicht auf die Haftung des Verwenders aus unerlaubter Handlung bezieht.6 Andernfalls, sollen also durch die Bestimmung auch deliktsrechtliche Ansprüche des Vertragspartners des Verwenders ausgeschlossen oder beschränkt werden, so ist § 309 Nr. 7 BGB auf die Haftung aus unerlaubter Handlung, welche bei Gelegenheit der Vertragsabwicklung begangen wird, zumindest entsprechend anwendbar.7 § 309 Nr. 7 BGB greift 1 2 3 4
Vgl. BT-Drucks. 7/3919, S. 31. Christensen in UBH, § 309 Nr. 7 Rz. 2. Christensen in UBH, § 309 Nr. 7 Rz. 11. Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Nr. 7 Rz. 7; Grüneberg in Palandt, § 309 Rz. 40; BGH v. 13.9.2004 – II ZR 276/02, NJW 2004, 3706. 5 BT-Drucks. 14/6040, S. 156. 6 Vgl. BGH v. 5.5.1992 – VI ZR 188/91, NJW 1992, 2016. 7 BGH v. 15.2.1995 – VIII ZR 93/84, NJW 1995, 1488; für eine Anwendung darüber hinaus Grüneberg in Palandt, § 309 Rz. 40; Christensen in UBH, § 309 Nr. 7 Rz. 15; Dammann in WLP, § 309 Nr. 7 Rz. 16–19.
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§ 309 | Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit demgegenüber nicht, auch nicht analog ein, wenn durch die Freizeichnungsklausel nicht der Verwender selbst, sondern seine Arbeitnehmer oder andere sozial abhängige Hilfspersonen von deliktsrechtlicher Haftung freigestellt werden sollen, die Freizeichnungsklausel also einen Haftungsausschluss zugunsten Dritter enthält.1 92 § 309 Nr. 7a BGB verbietet die Begrenzung und den Ausschluss der Haftung für
Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers und der Gesundheit,2 die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen. Damit kann sich der Verwender insoweit selbst für einfachste Fahrlässigkeit nicht freizeichnen. Im Hinblick auf Schäden an sonstigen Rechtsgütern verbietet § 309 Nr. 7 BGB demgegenüber lediglich Haftungsbegrenzungen für vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzungen. Eine formularmäßige Freizeichnung von der Haftung für einfache Fahrlässigkeit ist damit zwar unter der Voraussetzung, dass sie sich nicht auf die Haftung für Schäden an den in § 309 Nr. 7a BGB genannten Rechtsgütern erstreckt, nach § 309 Nr. 7 BGB nicht zu beanstanden. Sie ist jedoch an den Maßstäben des § 307 BGB zu messen.3
93 § 309 Nr. 7 BGB will in seinem Anwendungsbereich die volle gesetzliche Scha-
densersatzhaftung sichern.4 Folgerichtig verbietet die Regelung nicht nur den Haftungsausschluss, sondern auch die Haftungsbegrenzung.
94 § 307 Nr. 7 BGB erfordert keinen ausdrücklichen Haftungsausschluss. Viel-
mehr reicht es aus, dass die Klausel nach ihrem Sinn und Zweck den Eindruck eines Haftungsausschlusses erweckt. Ein Haftungsausschluss i.S.d. § 309 Nr. 7 BGB liegt deshalb auch dann vor, wenn die objektive Pflicht, die Grundlage der Haftung ist, ausgeschlossen und ein bestimmtes Risiko allein dem Vertragspartner auferlegt wird.5
95 Der Begriff der Haftungsbegrenzung ist nach Sinn und Zweck des § 309 Nr. 7
BGB weit auszulegen.6 Eine Haftungsbegrenzung i.S.d. § 309 Nr. 7 BGB liegt ohne weiteres vor, wenn die dem Vertragspartner des Verwenders zustehenden Schadensersatzansprüche durch die Klausel eine inhaltliche Schmälerung erfahren.7 Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn ein bestimmter Höchstbetrag der
1 Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Nr. 7 Rz. 10. 2 Die Begriffe „Leben“, „Körper“ und „Gesundheit“ sind ebenso auszulegen wie in § 823 BGB, vgl. Grüneberg in Palandt, § 309 Rz. 43. 3 Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Nr. 7 Rz. 25 m.w.N.; Christensen in UBH, § 309 Nr. 7 Rz. 32; Dammann in WLP, § 309 Nr. 7 Rz. 82 m.w.N. 4 Christensen in UBH, § 309 Nr. 7 Rz. 26. 5 BGH v. 12.12.2000 – XI ZR 138/00, NJW 2001, 751 m.w.N. 6 Roloff in Erman, § 309 Rz. 68. 7 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 974 m.w.N.
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Haftung festgelegt wird, sondern auch dann, wenn bestimmte Schäden, z.B. mittelbare Schäden, Folgeschäden, unvorhersehbare Schäden oder Schäden an bestimmten Sachen ausgeschlossen werden.1 Ferner kann eine unzulässige Haftungsbegrenzung darin liegen, dass eine Klausel positiv die Fälle umschreibt, in denen der Verwender haftet und hierdurch der Eindruck erweckt wird, in anderen Fällen hafte der Verwender selbst dann nicht, wenn ihn grobe Fahrlässigkeit trifft.2 Vor dem Hintergrund, dass den Klauselverboten des § 309 Nr. 7 BGB der Ge- 96 danke zugrunde liegt, dass die Durchsetzbarkeit der vom Verwender übernommenen Leistungspflichten unangemessen geschwächt würde, wenn man es ihm gestatten würde, sich von den Folgen etwaiger Pflichtverletzungen ohne erhebliche Haftungsrisiken formularmäßig freizuzeichnen und der Vertragspartner des Verwenders hinsichtlich seiner Sekundäransprüche vor einer erheblichen Verschiebung der Risiken zu seinen Lasten bewahrt werden soll,3 unterfallen auch Klauseln, die die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs erschweren oder zeitlich begrenzen, dem Anwendungsbereich des § 309 Nr. 7 BGB.4 Deshalb ist auch die zeitliche Begrenzung der Durchsetzbarkeit entsprechender Schadensersatzansprüche durch Abkürzung der gesetzlichen Verjährungsfristen eine Begrenzung bzw. eine Beschränkung der Haftung i.S.d. § 309 Nr. 7 BGB.5 Gleiches dürfte für eine Subsidiaritätsklausel gelten, mit welcher der Vertragspartner des Verwenders darauf verwiesen wird, die Schadensersatzansprüche i.S.d. § 309 Nr. 7 BGB zunächst bei anderen, evtl. mithaftenden Personen geltend machen zu müssen.6 Es spricht viel dafür, dass auch vorformulierte Ausschlussklauseln, die ausdrück- 97 lich die in § 309 Nr. 7 BGB geregelten Tatbestände in Bezug nehmen und bestimmen, dass Ansprüche verfallen, wenn sie vom Vertragspartner des Verwenders nicht innerhalb der in der Klausel geregelten Frist geltend gemacht werden, nach § 309 Nr. 7 BGB unwirksam sind.7 Einzelvertragliche Ausschlussfristen sind nicht nur einer Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, sondern auch 1 2 3 4 5
Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Nr. 7 Rz. 23 m.w.N. BGH v. 14.7.1987 – X ZR 38/86, NJW 1987, 2818. Vgl. BT-Drucks. 7/3919, S. 31. Vgl. Roloff in Erman, § 309 Rz. 69; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 975 m.w.N. BGH v. 15.11.2006 – VIII ZR 3/06, NJW 2007, 674; BGH v. 26.2.2009 – Xa ZR 141/07, NJW 2009, 1486; BGH v. 29.5.2013 – VIII ZR 174/12, MDR 2013, 774; BGH v. 19.6.2013 – VIII ZR 183/12, NJW 2014, 211 = MDR 2013, 1094 = ZIP 2013, 1674; BGH v. 22.9.2015 – II ZR 341/14; vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 156 (159). 6 Vgl. BGH v. 15.5.1991 – VIII ZR 123/90, NJW-RR 1991, 1120; BGH v. 19.11.2009 – III ZR 108/08, NJW 2009, 1277; a.A. Roloff in Erman, § 309 Rz. 69. 7 Vgl. BGH v. 21.1.1999 – III ZR 289/97, NJW 1999, 1031; BGH v. 2.12.1999 – III ZR 132/ 98, NJW-RR 2000, 648; Däubler in DBD, § 309 Nr. 7 Rz. 6a; Roloff in Erman, § 309 Rz. 69; Matthiesen, NZA 2007, 361 (364); Preis/Roloff, RdA 2005, 144 (146); Stoffels, AGB-Recht, Rz. 975; Christensen in UBH, § 309 Nr. 7 Rz. 28; a.A. BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NJW 2005, 3305; BAG v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, NJW 2006, 795, wo-
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§ 309 | Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB, §§ 308 und 309 BGB zu unterziehen, denn sie stellen von Rechtsvorschriften abweichende bzw. diese ergänzende Regelungen i.S.d. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB dar. Gesetzlich gilt nämlich nur das Verjährungsrecht.1 Zwar unterscheiden sich Ausschlussfristen und Verjährungsfristen in ihrer Rechtswirkung; während die Verjährung dem Schuldner eine Einrede gibt und damit die Durchsetzung einer rechtlich fortbestehenden Forderung hindert, hat der – zudem von Amts wegen zu berücksichtigende – Ablauf der Ausschlussfrist rechtsvernichtende Wirkung. Ausschlussfristen betreffen demnach den zeitlichen Bestand einer Forderung und haben im Verhältnis zur Verjährung für den Betroffenen eine nachteiligere Wirkung.2 98 In der Praxis finden sich nicht selten global gefasste Klauseln, die ihrem Wort-
laut nach auch Fallgestaltungen erfassen, deren formularmäßige Regelung unwirksam wäre. Das gilt auch für Ausschlussklauseln, die einen Verfall sämtlicher Ansprüche aus dem Rechtsverhältnis vorsehen, die nicht binnen einer bestimmten Frist geltend gemacht wurden. Sind derartige Bestimmungen sprachlich nicht teilbar, was bei generell gefassten Vertragsklauseln die Regel ist, könnte ein Verstoß nur einer der von der Bestimmung erfassten Fallgestaltungen gegen § 309 Nr. 7 BGB zur (Total)Unwirksamkeit der gesamten Klausel führen. Diese Rechtsfolge könnte der Verwender nur dadurch vermeiden, dass er die nach § 309 Nr. 7 BGB zu missbilligenden Fallgestaltungen ausdrücklich aus der Klausel herausnimmt. Allerdings ist auch bei global gefassten Klauseln der Vorrang der Auslegung und bei der Auslegung selbst sodann zu beachten, dass fernliegende Auslegungsmöglichkeiten, von denen eine Gefährdung des Rechtsverkehrs ernsthaft nicht zu befürchten ist, bei der Auslegung keine Berücksichtigung finden, die Klausel also so verstehen ist, dass sie trotz ihrer globalen Fassung den Tatbestand, auf den sie ersichtlich nicht zugeschnitten ist oder der vom Verwender erkennbar nicht bedacht wurde oder in dem die Berufung auf die Klausel schlechthin treuwidrig wäre, nicht erfasst3 (zum Vorrang der Ausnach die Obliegenheit einer schriftlichen Geltendmachung keinen Haftungsausschluss und keine Haftungsbegrenzung i.S.d. § 309 Nr. 7 BGB enthält. Von derartigen, konkret die in § 309 Nr. 7 BGB genannten Ansprüche betreffenden Verfallklauseln zu unterscheiden sind die Ausschlussklauseln, wonach sämtliche Ansprüche verfallen sollen und bei denen erst durch Auslegung zu ermitteln ist, ob sie die in § 309 Nr. 7 BGB aufgeführten Ansprüche überhaupt erfassen, siehe dazu Rz. 98. 1 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NJW 2005, 3305. 2 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NJW 2005, 3305; Fuchs/Bieder in UBH, Anh. § 310 Rz. 97. 3 Vgl. BGH v. 25.3.1987 – VIII ZR 71/86, NJW 1987, 2506; BGH v. 9.7.1991 – XI ZR 72/90, WM 1991, 1452; BGH v. 11.2.1992 – XI ZR 151/91, WM 1992, 395; BGH v. 20.10.1992 – X ZR 74/91, NJW 1993, 657; BGH v. 10.2.1993 – XII ZR 74/91, NJW 1993, 1133; BGH v. 10.5.1994 – XI ZR 65/93, NJW 1994, 1798; BGH v. 23.11.2005 – VIII ZR 154/04, NJW 2006, 1056; BGH v. 17.2.2011 – III ZR 35/10, NJW 2011, 2122; BGH v. 9.6.2011 – III ZR 157/10, WM 2011, 1678; so auch BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111.
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legung und zur Eliminierung fernliegender Auslegungsergebnisse s. Erl. Rz. 5–7; zu global gefassten Ausschlussklauseln im Arbeitsrecht s. Rz. 105 ff.). Das bedeutet, dass in jedem Fall zunächst durch Auslegung zu ermitteln ist, ob die Klausel die in § 309 Nr. 7 BGB aufgeführten Tatbestände überhaupt erfasst. b) Bedeutung des § 309 Nr. 7 BGB im Arbeitsrecht § 309 Nr. 7 BGB findet auch im Arbeitsverhältnis Anwendung. Besonderheiten 99 des Arbeitsrechts, die einer Anwendung der Bestimmung entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich.1 Allerdings liegt der praktische Anwendungsbereich des § 309 Nr. 7 BGB im Arbeitsrecht nicht bei der Haftung des Arbeitgebers für Personenschäden nach § 309 Nr. 7a BGB, sondern bei seiner Haftung für sonstige Schäden i.S.d. § 309 Nr. 7b BGB.2 aa) Ausschluss und Begrenzung der Haftung für Personenschäden i.S.d. § 309 Nr. 7a BGB Geht es um die Haftung für Personenschäden i.S.d. § 309 Nr. 7a BGB, wirkt sich 100 aus, dass der Arbeitnehmer nach §§ 104 ff. SGB VII grundsätzlich keinen Ersatzanspruch gegen den Arbeitgeber hat.3 Nach § 104 Abs. 1 SGB VII sind Unternehmer den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nämlich nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1–4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben. Ein Forderungsübergang nach § 116 des SGB X findet nicht statt. Ebenso sind nach § 105 Abs. 1 SGB VII Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebs verursachen, diesen sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1–4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben. Für einen Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung unterhalb der Schwelle des Vorsatzes besteht für den Arbeitgeber im Hinblick auf die von §§ 104 ff. SGB VII erfassten Versicherungsfälle deshalb in der Regel von vornherein kein Bedürfnis. Anders verhält es sich hingegen mit einem Haftungsausschluss oder einer Haf- 101 tungsbegrenzung für Personenschäden, die nicht aus einem Versicherungsfall 1 Vgl. Däubler in DBD, § 309 Nr. 7 Rz. 4 m.w.N.; Dammann in WLP, § 309 Nr. 7 Rz. 134. 2 Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 84; Gotthardt, ZIP 2002, 277 (284); Fuchs/Bieder in UBH, Anh. § 310 Rz. 87. 3 Linck in Schaub, § 61 Rz. 11 ff.
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§ 309 | Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit i.S.d. §§ 104 ff. SGB VII resultieren. Dies gilt insbesondere für arbeitsbedingte gesundheitliche Beeinträchtigungen, die nicht als Berufskrankheit anerkannt sind. Hier sind in erster Linie Ansprüche auf Schadensersatz wegen übermäßiger Inanspruchnahme der Arbeitskraft1 und wegen Mobbings zu erwähnen.2 bb) Ausschluss und Begrenzung der Haftung für sonstige Schäden i.S.d. § 309 Nr. 7b BGB 102 Sonstige Schäden i.S.d. § 309 Nr. 7b BGB können dem Arbeitnehmer insbeson-
dere an ihm gehörenden Sachen entstehen, die dieser in den Betrieb bzw. auf das Betriebsgelände mitbringt.3 Denn der Arbeitgeber ist aufgrund seiner Fürsorgepflicht verpflichtet, die berechtigterweise in den Betrieb bzw. auf das Betriebsgelände mitgebrachten Sachen des Arbeitnehmers durch zumutbare Maßnahmen vor Verlust und Beschädigungen zu schützen. Sonstige Vermögensnachteile kann der Arbeitnehmer beispielsweise dadurch erleiden, dass der Arbeitgeber ihn treffende Aufklärungspflichten verletzt oder die Sozialversicherungsbeiträge nicht ordnungsgemäß abführt4 oder über den Arbeitnehmer eine nicht zutreffende Auskunft gegenüber der Bank gibt.5
103 § 309 Nr. 7b BGB hat ferner Bedeutung im Rahmen sog. Parallelverträge,6 also
innerhalb von Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die neben dem Arbeitsverhältnis bestehen. Hier kommen insbesondere Kauf- und Mietverträge in Betracht.
104 Zwar ist nach § 309 Nr. 7b BGB ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haf-
tung für sonstige Schäden, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam. Allerdings kann die Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nach § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB dazu führen, dass gleichwohl kein Verstoß gegen § 309 Nr. 7b BGB vorliegt7. Obgleich § 309 Nr. 7b BGB nur den Ausschluss und die Begrenzung der Haftung für Schäden verbietet, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Arbeitgebers und auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Arbeitgebers beruhen, bedeutet dies nicht, dass die Haftung für Schäden, die auf
1 Vgl. hierzu BAG v. 27.2.1970 – 1 AZR 258/69, AP BGB § 618 Nr. 16. 2 Däubler in DBD, § 309 Nr. 7 Rz. 5. 3 Däubler in DBD, § 309 Nr. 7 Rz. 7; vgl. auch BAG v. 25.5.2000 – 8 AZR 518/99, NZA 2000, 1052. 4 Stoffels in Preis, Der Arbeitsvertrag, II H 10 Rz. 1. 5 Däubler in DBD, § 309 Nr. 7 Rz. 7. 6 So die Bezeichnung von Däubler in DBD, beispielsweise § 309 Nr. 5 Rz. 11. 7 Vgl. hierzu BAG v. 28.9.2017 – 8 AZR 67/15, NZA 2018, 589 = AP BGB § 611 Nr. 6.
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einfacher Fahrlässigkeit beruhen, jederzeit unproblematisch abbedungen oder beschränkt werden könnte. Hier greift vielmehr als Kontrollmaßstab § 307 Abs. 1 BGB ein.1 cc) Global gefasste Ausschlussklauseln Problematisch ist, ob global gefasste Ausschlussklauseln, die einen Verfall 105 sämtlicher Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis vorsehen, die nicht binnen einer bestimmten Frist geltend gemacht wurden und die die in § 309 Nr. 7 BGB aufgeführten Tatbestände nicht ausdrücklich ausnehmen, nach § 309 Nr. 7 BGB unwirksam sind.2 Das BAG hat in seiner Entscheidung vom 25.5.20053 betont, eine an Sinn und Zweck orientierte Auslegung ergebe, dass die Klausel die in § 309 Nr. 7 BGB aufgeführten besonderen Ansprüche nicht erfasse. Die Parteien hätten die in § 309 Nr. 7 BGB genannten Ansprüche nicht eigens erwähnt und offenbar auch nicht bedacht. Zudem liege es nahe, dass sie Ansprüche aus vorsätzlichen Vertragsverstößen und vorsätzlichen unerlaubten Handlungen nicht einbezogen hätten. Diese Rechtsprechung überzeugt. Da generell gefasste Ausschlussklauseln im Hinblick auf die von ihr erfassten 106 Tatbestände nicht teilbar sind,4 hätte ein Verstoß nur einer der von der Bestimmung erfassten Fallgestaltungen gegen das Klauselverbot des § 309 Nr. 7 BGB die (Total)Unwirksamkeit der gesamten Bestimmung zur Folge. Auch für global gefasste Ausschlussklauseln gilt indes, dass die Auslegung den Prüfungsgegenstand der Inhaltskontrolle bestimmt.5 Ob vorformulierte globale Ausschlussklauseln dem Klauselverbot des § 309 Nr. 7 BGB unterfallen, kann demnach erst beurteilt werden, wenn der Inhalt der Bestimmungen durch Auslegung geklärt ist (zum Vorrang der Auslegung im Einzelnen vgl. Rz. 5–7). Dabei darf nicht bei der Auslegung nach dem Wortlaut „sämtliche Ansprüche“ halt gemacht und vom Arbeitgeber gefordert werden, dass er die Fallgestaltungen, die gegen das Klauselverbot des § 309 Nr. 7 BGB verstoßen, ausdrücklich aus der Bestimmung herausnimmt. Beschreibt die Fallgestaltung, die die Unwirksamkeit der gesamten Klausel auslöst, lediglich eine Ausnahmesituation, die von den Parteien erkennbar nicht bedacht und nicht für regelungsbedürftig gehalten wurde bzw. in dem die Berufung auf die Klausel schlechthin treuwidrig wäre, so findet diese Auslegungsmöglichkeit als fernliegend bei der Auslegung nach Sinn und Zweck keine Berücksichtigung.6 1 Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 84; Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Nr. 7 Rz. 2. 2 Für eine Unwirksamkeit z.B.: Däubler in DBD, § 309 Nr. 7 Rz. 6a; Matthiesen, NZA 2007, 361 (364); Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, II A 150 Rz. 18. 3 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, BAGE 115, 19. 4 Anders wohl BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, BAGE 115, 19. 5 So ausdrücklich Lindacher/Hau in WLP, § 305c Rz. 102. 6 Vgl. BGH v. 25.3.1987 – VIII ZR 71/86, NJW 1987, 2506; BGH v. 9.7.1991 – XI ZR 72/90, WM 1991, 1452; BGH v. 11.2.1992 – XI ZR 151/91, WM 1992, 395; BGH v. 20.10.1992 –
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§ 309 | Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit 107 So liegt der Fall bei pauschal gefassten Ausschlussklauseln, nach denen sämtliche
Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, die nicht binnen einer bestimmten Frist geltend gemacht wurden: Der Arbeitgeber hat aufgrund des Haftungsprivilegs der §§ 104 ff. SGB VII (s. hierzu Rz. 100) – für den Arbeitnehmer typischerweise erkennbar – regelmäßig kein Interesse daran, die Haftung für Personenschäden i.S.d. § 309 Nr. 7a BGB in die Ausschlussklausel einzubeziehen. Die Haftungsprivilegierung des Arbeitgebers rechtfertigt sich nicht nur durch seine alleinige Beitragspflicht zur gesetzlichen Unfallversicherung, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des Betriebsfriedens. Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen gerade vermieden werden.1 Für einen Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung unterhalb der Schwelle des Vorsatzes besteht für den Arbeitgeber im Hinblick auf die von §§ 104 ff. SGB VII erfassten Versicherungsfälle deshalb in der Regel von vornherein kein Bedürfnis. Ebenso kann nicht angenommen werden, die Parteien hätten Ansprüche aus vorsätzlichen Vertragsverstößen und vorsätzlichen unerlaubten Handlungen in die Ausschlussklausel einbeziehen wollen. Eine Klausel mit einem solchen Inhalt wäre, da § 202 Abs. 1 BGB nicht nur auf Vereinbarungen über die Verjährung, sondern auch auf solche über Ausschlussfristen Anwendung findet,2 bereits nach § 202 Abs. 1 BGB unwirksam. Danach kann die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden. Damit ist die Gefahr, ein Arbeitgeber werde sich außergerichtlich gegenüber rechtsunkundigen Arbeitnehmern auf den Ausschluss der in § 309 Nr. 7 BGB angeführten Tatbestände berufen, zu fernliegend, um die Gesamtunwirksamkeit der Klausel wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 7 BGB rechtfertigen zu können.
108 Aus dem Urteil des BGH vom 15.11.20063 kann bereits deshalb nichts anderes
abgeleitet werden, weil der BGH sich in dieser Entscheidung nicht mit einer arbeitsvertraglichen Ausschlussklausel, sondern mit einer Bestimmung zu befassen hatte, die u.a. vorsah, dass die Gewährleistungsrechte des Käufers innerhalb von 12 Monaten nach Gefahrübergang verjähren. Des ungeachtet ist die Entscheidung des BGH aus anderen Gründen kritisch zu sehen. Nicht überzeugend ist nicht nur, dass der BGH die einschränkende Auslegung einer Klausel von ihrer sprachlichen Teilbarkeit abhängig gemacht und so den Vorrang der Auslegung missachtet hat. Ebenso massiven Bedenken ausgesetzt ist das Urteil insoweit, als sich danach das sog. „Verbot der geltungserhaltenden Reduktion“ als Grenze X ZR 74/91, NJW 1993, 657; BGH v. 10.2.1993 – XII ZR 74/91, NJW 1993, 1133; BGH v. 10.5.1994 – XI ZR 65/93, NJW 1994, 1798; BGH v. 23.11.2005 – VIII ZR 154/04, NJW 2006, 1056; BGH v. 17.2.2011 – III ZR 35/10, NJW 2011, 2122; BGH v. 9.6.2011 – III ZR 157/10, WM 2011, 1678; so auch BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111; BAG v. 13.12.2011 – 3 AZR 791/09, NZA 2012, 738. 1 Rapp in LPK-SGB VII, § 104 Rz. 3; Schmitt, § 104 Rz. 2. 2 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111. 3 BGH v. 15.11.2006 – VIII ZR 3/06, NJW 2007, 647.
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der Auslegung darstellen soll, was zur Folge hätte, dass bei pauschal gefassten AGB der Wortlaut das alleinige Auslegungskriterium wäre.1 c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 7 BGB Verstößt eine Vertragsbestimmung gegen § 309 Nr. 7 BGB, so ist sie grundsätz- 109 lich im Ganzen unwirksam.2 Eine Ausnahme von der Gesamtunwirksamkeit kommt nach § 306 Abs. 1 BGB nur in Betracht, wenn die Klausel inhaltlich und sprachlich teilbar ist. Dann beschränkt sich die Unwirksamkeit auf den gegen § 309 Nr. 7 BGB verstoßenden Teil der Bestimmung.3 Ist eine Klausel nicht inhaltlich und sprachlich teilbar, weil nur eine einzige homogene Regelung vorliegt, so verbleibt es bei der Unwirksamkeit der gesamten Klausel. An ihre Stelle tritt gemäß § 306 Abs. 2 BGB die gesetzliche Regelung der §§ 276, 278 BGB.4 Eine Rückführung der inkriminierten Klausel auf einen Inhalt, der der Kontrolle am Maßstab des § 309 Nr. 7 BGB standhält, ist im Rechtsfolgensystem des § 306 BGB nicht vorgesehen.5 Einstweilen frei.
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8. § 309 Nr. 8 BGB (Sonstige Haftungsausschlüsse bei Pflichtverletzung) Zwar ist § 309 Nr. 8 BGB mit „Sonstige Haftungsausschlüsse bei Pflichtverlet- 114 zungen“ überschrieben. Dennoch geht es bei dieser Regelung nicht nur um Haftungsausschlüsse, sondern allgemein um Beschränkungen der Ansprüche und Rechte, die dem Kunden bei Pflichtverletzungen des Verwenders zustehen.6 a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 8 BGB § 309 Nr. 8a BGB bezweckt, dem Vertragspartner im Falle einer Pflichtverlet- 115 zung durch den Verwender die Möglichkeit zu erhalten, sich vom Vertrag zu lösen.7 Verboten sind deshalb Klauseln, die das gesetzliche Rücktritts- und das gesetzliche Kündigungsrecht ausschließen oder Einschränkungen unterwerfen. 1 Siehe hierzu im Einzelnen Schlewing, NZA-Beilage 2/2012, 33 (35 ff.). 2 Vgl. BGH v. 20.1.1983 – VII ZR 105/81, NJW 1983, 1322; BGH v. 24.9.1985 – VI ZR 4/84, NJW 1986, 1610; BGH v. 19.2.1998 – I ZR 233/95, NJW-RR 1998, 1426; BGH v. 21.1. 1999 – III ZR 289/97, NJW 1999, 1031; BGH v. 14.11.2000 – X ZR 211/98, NJW-RR 2001, 342; BGH v. 12.12.2000 – XI ZR 138/06, NJW 2001, 751. 3 Grüneberg in Palandt, § 309 Rz. 54. 4 Vgl. Roloff in Erman, § 309 Rz. 71. 5 Vgl. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 985. 6 Grüneberg in Palandt, § 309 Rz. 58. 7 Roloff in Erman, § 309 Rz. 80.
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§ 309 | Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit Das muss nicht ausdrücklich geschehen, sondern kann auch in der Form erfolgen, dass eine Haftung für die Erfüllung der Pflicht ausgeschlossen wird.1 Erschwert wird die Ausübung des Rücktritts- bzw. Kündigungsrechts durch Klauseln, die die Voraussetzungen für den Rücktritt bzw. die Kündigung abweichend von den gesetzlichen Bestimmungen regeln.2 116 Der Regelungszweck des § 309 Nr. 8b BGB besteht demgegenüber darin, den
Vertragspartner des Verwenders vor dem Ausschluss oder der Einschränkung seiner Mängelansprüche zu schützen. Das Verbot gilt nur für Verträge über Lieferung neu hergestellter Sachen und über Werkleistungen. Dabei sind unter Lieferungsverträgen nicht nur Kaufverträge zu verstehen, sondern auch sonstige atypische und gemischte Verträge, die die Übereignung von Sachen zum Gegenstand haben. Voraussetzung ist lediglich, dass dem Vertragspartner des Verwenders Mängelansprüche überhaupt zustehen können.3 Zudem muss sich die Lieferung auf neu hergestellte Sachen beziehen. Diese Einschränkung trägt dem Umstand Rechnung, dass der Zustand gebrauchter Sachen individuellen Unterschieden unterliegt und der Verwender deshalb ein anerkennenswertes Interesse daran haben kann, sich durch Ausschluss oder Einschränkung seiner Gewährleistung – in der Regel verbunden mit einem Preisnachlass – von seiner Haftung jedenfalls teilweise zu befreien.4 b) Bedeutung des § 309 Nr. 8 BGB im Arbeitsrecht
117 § 309 Nr. 8a BGB kommt in den Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmer und
Arbeitgeber eine völlig untergeordnete Rolle zu. Dies hat seinen Grund darin, dass § 626 BGB, der das Recht zur außerordentlichen Kündigung regelt, beiden Vertragsparteien das unverzichtbare Recht garantiert, sich bei Vorliegen eines wichtigen Grundes aus dem Arbeitsverhältnis lösen zu können. Das außerordentliche Kündigungsrecht ist unabdingbar. Es kann weder einzelvertraglich noch kollektivvertraglich ausgeschlossen oder eingeschränkt werden.5 Deshalb ist die Vereinbarung einer Abfindung, Vertragsstrafe o.ä. Leistung für den Fall der außerordentlichen Kündigung bereits nach § 134 BGB unwirksam, weil sie das Recht zur Kündigung des Vertrags aus einem wichtigen Grund unzumutbar einschränkt.6
118 § 309 Nr. 8b BGB, der einen Vertrag über die Lieferung neu hergestellter Sachen
oder einen Werkvertrag voraussetzt, ist bereits aufgrund seiner tatbestandlichen Voraussetzungen auf ein Arbeitsverhältnis nicht anwendbar.7 Bedeutung kann
1 2 3 4 5 6 7
BGH v. 20.3.2003 – I ZR 225/00, NJW-RR 2003, 1056. Roloff in Erman, § 309 Rz. 82. Roloff in Erman, § 309 Rz. 86; Christensen in UBH, § 309 Nr. 8 Rz. 22. Christensen in UBH, § 309 Nr. 8 Rz. 23. Niemann in ErfK, § 626 BGB Rz. 1 und 194. Vgl. BGH v. 17.3.2008 – II ZR 239/06, NJW-RR 2008, 1488. Däubler in DBD, § 309 Nr. 8 Rz. 2.
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§ 309 Nr. 8b BGB lediglich bei den sog. Parallelverträgen haben. Bei Personaleinkäufen wirkt sich allerdings aus, dass diese regelmäßig einen Verbrauchsgüterkauf nach den §§ 474 ff. BGB zum Gegenstand haben, so dass die Gewährleistungsansprüche bereits nach § 475 Abs. 1 BGB grundsätzlich zwingend sind.1
9. § 309 Nr. 9 BGB (Laufzeit bei Dauerschuldverhältnissen) Anders als es die Überschrift der Bestimmung „Laufzeit von Dauerschuldver- 119 hältnissen“ vermuten lässt, betrifft § 309 Nr. 9 BGB nicht alle Dauerschuldverhältnisse, sondern setzt nur für bestimmte Dauerschuldverhältnisse zeitliche Höchstgrenzen für die Laufzeit der Verträge, für stillschweigende Vertragsverlängerungen sowie für Kündigungsfristen, wobei von § 309 Nr. 9c BGB nur solche Kündigungsfristen erfasst werden, die eingehalten werden müssen, damit es nicht zu einer (stillschweigenden) Verlängerung des Vertrags kommt.2 Es muss sich um ein Vertragsverhältnis handeln, das die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen durch den Verwender zum Gegenstand hat. Damit werden die typischen Dauerschuldverhältnisse wie Miete, Pacht und Leasing nicht erfasst.3 Aber auch das Arbeitsverhältnis fällt nicht unter § 309 Nr. 9 BGB, da hier nicht der Arbeitgeber, sondern der Arbeitnehmer die „Dienste“ schuldet. Bedeutung kann § 309 Nr. 9 BGB daher nur bei den sog. Parallelverträgen, so beispielsweise dann haben, wenn zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer längerfristige Lieferpflichten vereinbart wurden. Dies dürfte in der Praxis allerdings nur selten der Fall sein.
10. § 309 Nr. 10 BGB (Wechsel des Vertragspartners) § 309 Nr. 10 BGB ordnet in seinem ersten Halbsatz die Unwirksamkeit einer Be- 120 stimmung an, die dem Verwender das Recht gibt, seine Pflichten aus einem Kauf-, Darlehens, Dienst- oder Werkvertrag auf einen Dritten zu übertragen und normiert in seinem 2. Halbsatz sodann hiervon zwei Ausnahmen. Unwirksam ist die Klausel dann nicht, wenn in ihr a) der Dritte namentlich bezeichnet oder b) dem anderen Vertragsteil das Recht eingeräumt wird, sich vom Vertrag zu lösen. Hierdurch verliert das Klauselverbot des § 309 Nr. 10 BGB deutlich an Schärfe.4
1 2 3 4
Däubler in DBD, § 309 Nr. 8 Rz. 2. BGH v. 7.6.2018 – III ZR 351/17, ZIP 2018, 1449 = MDR 2018, 979. Christensen in UBH, § 309 Nr. 9 Rz. 6. Vgl. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 741 m.w.N.
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§ 309 | Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 10 BGB 121 § 309 Nr. 10 BGB soll es dem Betroffenen in erster Linie ermöglichen, sich vor
Vertragsabschluss oder doch jedenfalls innerhalb einer ihm etwa zustehenden Widerrufsfrist über die Zuverlässigkeit und Solvenz des Dritten Gewissheit zu verschaffen.1 Die Regelung will verhindern, dass dem Vertragspartner des Verwenders ein neuer, unbekannter Vertragspartner aufgezwungen werden kann.2 Das Klauselverbot erfasst Kauf-, Darlehens-, Dienst- und Werkverträge. Dem Kaufvertrag gleichzustellen ist der in § 651 geregelte Werklieferungsvertrag.3 Zum Dienstvertrag i.S.d. § 309 Nr. 10 BGB rechnet auch der Arbeitsvertrag.4
122 § 309 Nr. 10 BGB erfasst von seinem Wortlaut die Übertragung der Rechte und
Pflichten aus dem Vertrag, mithin die volle Ersetzung des Verwenders durch einen Dritten und damit in erster Linie die befreiende Vertragsübernahme.5 Die Regelung ist jedoch ebenso anwendbar auf die befreiende Schuldübernahme nach §§ 414, 415 Abs. 1 BGB.6 Aus dem Zweck des § 309 Nr. 10 BGB folgt, dass die Regelung nicht eingreift, wenn die Schuldnerstellung des Verwenders nicht berührt wird. Bereits aus diesem Grund wird der Vorbehalt der Abtretung einzelner Ansprüche des Verwenders nicht vom Klauselverbot des § 309 Nr. 10 BGB erfasst, zumal die Abtretung auch nach der gesetzlichen Regelung des § 398 BGB nicht an eine Zustimmung des Vertragspartners des Verwenders geknüpft ist.7 Ebenso wenig hindert das Klauselverbot des § 309 Nr. 10 BGB den Einsatz von Subunternehmern und Erfüllungsgehilfen zur Vertragserfüllung.8 Da es auch bei einem Schuldbeitritt und einer Erfüllungsübernahme, §§ 329, 415 Abs. 1 BGB, nicht zu einem Wechsel des Vertragspartners kommt, werden weder der Schuldbeitritt noch die Erfüllungsübernahme von § 309 Nr. 10 BGB erfasst. Streitig ist, ob § 309 Nr. 10 BGB nur dann zur Anwendung kommt, wenn der Wechsel des Vertragspartners nicht die Vertragsstellung im Ganzen betrifft, sondern nur hinsichtlich einzelner Leistungspflichten aus dem Vertrag erfolgen soll.9
123 § 309 Nr. 10 BGB setzt voraus, dass der Vertragspartnerwechsel auf dem Vertrag
beruht, die Klausel mithin konstitutiven Charakter hat.10 Folgt der Vertragspartnerwechsel hingegen aus dem Gesetz, so zum Beispiel aus § 613a BGB oder 1 2 3 4 5 6
7 8 9 10
Vgl. BGH v. 11.6.1980 – VIII ZR 174/79, NJW 1980, 2511. Grüneberg in Palandt, § 309 Rz. 97. Habersack in UBH, § 309 Nr. 10 Rz. 5 m.w.N. Habersack in UBH, § 309 Nr. 10 Rz. 5. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 744; Habersack in UBH, § 309 Nr. 10 Rz. 6. Grüneberg in Palandt, § 309 Rz. 98; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 745; Habersack in UBH, § 309 Nr. 10 Rz. 6. Vgl. z.B. Roloff in Erman, § 309 Rz. 135; Grüneberg in Palandt, § 309 Rz. 98. Vgl. z.B. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 745 m.w.N. Vgl. hierzu Habersack in UBH, § 309 Nr. 10 Rz. 7 m.w.N. Habersack in UBH, § 309 Nr. 10 Rz. 8.
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dem Umwandlungsrecht, und beschränkt sich die Klausel darauf, die gesetzliche Bestimmung zu wiederholen, so findet § 309 Nr. 10 BGB bereits aufgrund der in § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB getroffenen Regelung keine Anwendung.1 b) Bedeutung des § 309 Nr. 10 BGB im Arbeitsrecht Zwar ist § 309 Nr. 10 BGB auf Dienstverträge und damit grundsätzlich auch auf 124 Arbeitsverträge anwendbar; regelmäßig scheitert eine Kontrolle vorformulierter Vertragsbedingungen am Maßstab des § 309 Nr. 10 BGB allerdings an den nach § 310 Abs. 4 BGB zu beachtenden Besonderheiten des Arbeitsrechts. Die in § 309 Nr. 10 BGB normierten Anforderungen an die Wirksamkeit einer Klausel (namentliche Bezeichnung des Dritten nach § 309 Nr. 10a BGB und Einräumung eines Lösungsrechts nach § 309 Nr. 10b BGB) sind mit grundlegenden Wertungen des Arbeitsrechts unvereinbar. Würde schon die namentliche Bezeichnung des neuen Arbeitgebers nach § 309 Nr. 10a BGB ausreichen, um der Klausel zur Wirksamkeit zu verhelfen, so stünde dies im Widerspruch zum zwingenden Kündigungsrecht hinsichtlich des Vertrags mit dem alten Arbeitgeber. Und die Einräumung eines Lösungsrechts vom Vertrag nach § 309 Nr. 10b BGB ist mit dem Bestandsschutzbedürfnis des Arbeitnehmers, wie es auch in § 613a BGB zum Ausdruck gekommen ist, nicht vereinbar. Aus diesem Grund findet das Klauselverbot auf sog. „Konzernversetzungsklau- 125 seln“, die auf einen Wechsel des Arbeitgebers abzielen, wegen arbeitsrechtlicher Besonderheiten i.S.d. § 310 Abs. 4 BGB keine Anwendung. Solche Klauseln sind vielmehr an den Maßstäben der § 305c Abs. 1, § 307 BGB zu messen.2 Hierfür spricht im Übrigen auch, dass Versetzungsklauseln und damit auch Konzernversetzungsklauseln für den Arbeitnehmer nicht nur Nachteile, sondern auch Vorteile mit sich bringen können3 und eine sachgerechte Kontrolle daraufhin, ob die Klausel zu einer unangemessenen Benachteiligung für den Arbeitnehmer führt, ohnehin nur am Maßstab der Generalklausel des § 307 BGB erfolgen kann. Da § 613a BGB einen Übergang von Verbindlichkeiten gegenüber solchen Ar- 126 beitnehmern, die bereits aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Veräußerer ausgeschieden sind, nicht vorsieht, geht auch ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot dann nicht gemäß § 613a BGB auf den Betriebserwerber über, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bereits ausgeschieden war, das Wettbewerbsverbot zu diesem Zeitpunkt also bereits in Kraft getreten war. Da ein Verbleib des Wettbewerbsverbots beim Veräußerer nicht nur für diesen, 1 Dammann in WLP, § 309 Nr. 10 Rz. 19. 2 Däubler in DBD, § 309 Nr. 10 Rz. 2; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 86; Roloff in HWK, § 309 BGB Rz. 10; Müller-Glöge in MünchKommBGB, § 611 Rz. 438; Fuchs/ Bieder in UBH, Anh. § 310 Rz. 54; a.A. Dammann in WLP, § 309 Nr. 10 Rz. 50; offengelassen in BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 36/09, DB 2010, 2805. 3 Vgl. hierzu im Einzelnen Lingemann, NZA 2002, 181 (191 m.w.N.).
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§ 309 | Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit sondern insbesondere für den Erwerber nachteilig sein kann, sehen die Vertragsbedingungen von Arbeitgebern nicht selten vor, dass ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot auf einen künftigen Betriebsübernehmer übergeht. Ähnliche Bestimmungen werden auch für den Fall vereinbart, dass es zu Umstrukturierungen innerhalb eines Konzerns kommt.1 Hier stellt sich die Frage, ob derartige Klauseln den Anforderungen des § 309 Nr. 10 BGB genügen müssen. Bejaht man eine analoge Anwendung von § 613a BGB auf nachvertragliche Wettbewerbsabreden, wofür die besseren Argumente sprechen,2 so sind die Klauseln bereits deshalb nicht am Maßstab des § 309 Nr. 10 BGB, sondern allein an § 307 BGB zu messen, weil sie insoweit keinen konstitutiven Charakter haben (zum Erfordernis des konstitutiven Charakters s. Rz. 123). Aber auch dann, wenn man eine analoge Anwendung von § 613a BGB auf nachvertragliche Wettbewerbsabreden ablehnt, scheitert eine AGB-Kontrolle am Maßstab des § 309 Nr. 10 BGB. Dies folgt aus den im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten, die gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB bei der Anwendung des § 309 Nr. 10 BGB auf Arbeitsverträge angemessen zu berücksichtigen sind. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote sind übliche Erscheinungen des Arbeitslebens. Sie werden regelmäßig bei Abschluss eines Arbeitsvertrages oder im Verlaufe des Arbeitsverhältnisses, also zu einem Zeitpunkt vereinbart, zu dem der spätere Betriebserwerber noch nicht feststeht und deshalb namentlich nicht benannt werden kann. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass das nachvertragliche Wettbewerbsverbot gerade für den Fall vereinbart wird, dass das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beendet ist, mithin ein Dienstvertrag i.S.d. § 309 Nr. 10 BGB nicht mehr besteht.3 127–130
Einstweilen frei.
11. § 309 Nr. 11 BGB (Haftung des Abschlussvertreters) 131 Wer im Namen eines anderen mit Vertretungsmacht eine Willenserklärung ab-
gibt, verpflichtet nicht sich, sondern den Vertretenen. Nur diesen treffen die Wirkungen des Rechtsgeschäfts. Handelt der Vertreter ohne Vertretungsmacht, so richtet sich seine Haftung nach § 179 BGB.
a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 11 BGB 132 Für den Verwender kann ein berechtigtes Bedürfnis nach einer Mitverpflichtung
bzw. Mithaftung des Vertreters seines Vertragspartners bestehen. Ein solches Bedürfnis ist insbesondere dann anzuerkennen, wenn der Vertretene – was der
1 Vgl. Bauer/Diller, NJW 2002, 1609 (1615). 2 Vgl. Müller-Glöge in MünchKommBGB, § 613a Rz. 102 m.w.N. 3 Bauer/Diller, NJW 2002, 1609 (1615); a.A. Dammann in WLP, § 309 Nr. 10 Rz. 51–59.
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Verwender weiß – minderjährig und/oder vermögens- oder einkommenslos ist.1 Eine formularmäßige Begründung einer solchen Mitverpflichtung bzw. Mithaftung ist jedoch nur in den Grenzen des § 309 Nr. 11 BGB möglich. Dabei unterscheidet § 309 Nr. 11 BGB zwei Fallgruppen: Während es in § 309 Nr. 11a BGB um die Haftung bzw. Einstandspflicht des Vertreters mit Vertretungsmacht geht, betrifft § 309 Nr. 11b BGB die Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht. aa) Verbot der formularmäßigen Mithaftung, § 309 Nr. 11a BGB Der Verbotstatbestand des § 309 Nr. 11a BGB setzt das Handeln eines Vertre- 133 ters mit Vertretungsmacht voraus. Dabei kann die Vertretungsmacht sowohl rechtsgeschäftlichen als auch gesetzlichen Ursprungs sein. Vom Anwendungsbereich des § 309 Nr. 11a BGB erfasst wird auch der Vertreter ohne Vertretungsmacht, sofern der Vertretene die Vertretung nachträglich genehmigt hat, § 177 BGB.2 Unter § 309 Nr. 11a BGB fallen nicht nur Bestimmungen, die eine Mithaftung des Vertreters begründen, sondern auch solche, die die Begründung einer Einstandspflicht zum Inhalt haben. Mit dem Merkmal „Einstandspflicht“ hat das Gesetz zum Ausdruck gebracht, dass jegliche Eigenverpflichtung des Vertreters vom Klauselverbot erfasst werden soll, so z.B. auch der Schuldbeitritt, die Garantie oder Bürgschaft.3 § 309 Nr. 11a BGB ist eine besondere Ausprägung des Verbots überraschender Klauseln. Es ist Sinn und Zweck der Vorschrift, den Vertreter davor zu schützen, dass er durch eine Mithaftungserklärung „gewissermaßen übertölpelt“ wird.4 Aus diesem Grund kann sich der Verwender die Haftung des Abschlussvertreters oder dessen Einstandspflicht nicht ohne weiteres formularmäßig ausbedingen. Vielmehr sind die Erfordernisse des § 309 Nr. 11a BGB zu wahren. Danach bedarf es einer auf eine entsprechende Haftung oder Einstandspflicht gerichteten ausdrücklichen und gesonderten Erklärung des Vertreters. Der Begriff der „gesonderten Erklärung“ entspricht dem der „gesonderten Un- 134 terschrift“ in § 309 Nr. 12 letzter Halbs. BGB; er ist einheitlich auszulegen, weil damit jeweils eine erhöhte Aufmerksamkeit für den Inhalt des Formulars bewirkt und dem anderen Teil auf diese Weise Inhalt und Bedeutung des Rechtsgeschäfts klar vor Augen geführt werden sollen.5 Die mit § 309 Nr. 11a BGB bezweckte Warnung des Abschlussvertreters erfordert es zwar nicht, dass die Erklärung des Vertreters zur eigenen Haftung oder Einstandspflicht in einer vom Hauptvertrag getrennten Urkunde abgegeben wird; allerdings müssen der Text der Haftungserklärung6 sowie die sich darauf beziehende Unterschrift deutlich 1 2 3 4 5 6
Vgl. Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Nr. 11 Rz. 1. Roloff in Erman, § 309 Rz. 141; Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Nr. 11 Rz. 3. Vgl. BGH v. 19.7.2001 – IX ZR 411/00, NJW 2001, 3186. BGH v. 26.10.2005 – VIII ZR 48/05, NJW 2006, 996. Roloff in Erman, § 309 Rz. 142; BGH v. 19.7.2001 – IX ZR 411/00, NJW 2001, 3186. Dass die gesonderte Erklärung schriftlich abzugeben ist, ergibt sich demnach von selbst, vgl. Habersack in UBH, § 309 Nr. 11 Rz. 10.
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§ 309 | Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit von dem Wortlaut des Vertrages abgesetzt sein, um dem Vertreter Inhalt und Wirkung seiner eigenen Erklärung deutlich zu machen.1 Deshalb ist die Urkunde äußerlich so zu gestalten, dass sie dem Vertreter die Rechtslage unübersehbar vor Augen führt. Bereits aus dem äußeren Aufbau der Urkunde muss der Doppelcharakter der Verpflichtung – Rechtsgeschäft für den Vertretenen auf der einen Seite und eigene Haftungserklärung auf der anderen Seite – klar hervortreten. Deshalb muss der Vertreter, da zwei Rechtsgeschäfte vorliegen, auch zweimal unterschreiben, wobei auch die Unterschriften klar und unmissverständlich voneinander abgesetzt sein müssen.2 135 § 309 Nr. 11a BGB erfordert ein Handeln eines Vertreters. Hat der Handelnde
den Vertrag im eigenen Namen abgeschlossen, so findet § 309 Nr. 11a BGB grundsätzlich keine Anwendung.3 Schließt der Vertreter den Vertrag sowohl im eigenen als auch im fremden Namen ab, so ist zu differenzieren: Liegt ein Fall einer gesamtschuldnerischen Haftung nach § 427 BGB vor, greift der über § 309 Nr. 11a BGB vermittelte Schutz bereits deshalb nicht ein, weil die die Mithaftung begründende Klausel nur das wiedergibt, was kraft Gesetzes ohnehin gilt. Eine solche Klausel ist gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle entzogen und nur darauf zu überprüfen, ob sie den Transparenzanforderungen des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB genügt. Ist der Handelnde zwar nicht zusammen mit dem Vertretenen Vertragspartner geworden, haftet er jedoch für die Verbindlichkeit des Vertretenen aus einem zusätzlichen, im eigenen Namen abgeschlossenen Vertrag, z.B. einem Garantievertrag, so findet ebenfalls keine Kontrolle der Klausel am Maßstab des § 309 Nr. 11a BGB statt.4 In einem solchen Fall bedarf der Vertreter nicht des Schutzes nach dieser Bestimmung. bb) Abbedingung des § 179 BGB, § 309 Nr. 11b BGB
136 Nach § 309 Nr. 11b BGB ist jede formularmäßige Erweiterung der Haftung des
Vertreters ohne Vertretungsmacht über den durch § 179 BGB gesteckten Rahmen hinaus unwirksam. Das bedeutet, dass die dem Vertreter ohne Vertretungsmacht zugutekommenden Haftungsgrenzen des § 179 Abs. 2 und 3 BGB formularmäßig nicht abbedungen werden können. Derartige Klauseln sind unwirksam. An ihre Stelle tritt das Gesetzesrecht, mithin § 179 BGB. b) Bedeutung des § 309 Nr. 11 BGB im Arbeitsrecht
137 § 309 Nr. 11 BGB findet grundsätzlich auch beim Abschluss von Arbeitsverträ-
gen Anwendung. Arbeitsrechtliche Besonderheiten, die dem entgegenstehen
1 2 3 4
BGH v. 19.7.2001 – IX ZR 411/00, NJW 2001, 3186. Roloff in Erman, § 309 Rz. 142; Habersack in UBH, § 309 Nr. 11 Rz. 11. Dammann in WLP, § 309 Nr. 11 Rz. 12. Dammann in WLP, § 309 Nr. 11 Rz. 12; BGH v. 26.10.2005 – VIII ZR 48/05, NJW 2006, 996.
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V. Die einzelnen Klauselverbote des § 309 BGB | § 309
könnten, sind nicht ersichtlich. Da Arbeitnehmer beim Abschluss arbeitsvertraglicher Vereinbarungen regelmäßig nicht vertreten werden, sondern den Vertrag selbst abschließen und auch in anderen Fällen regelmäßig kein Arbeitgeberinteresse an einer Mithaftung besteht, wird § 309 Nr. 11 BGB im Arbeitsrecht praktisch nur selten zum Tragen kommen.1
12. § 309 Nr. 12 BGB (Beweislast) Nach § 309 Nr. 12 BGB ist eine Bestimmung unwirksam, wonach der Verwen- 138 der die Beweislast zum Nachteil des anderen Vertragspartners ändert, insbesondere indem er a) diesem die Beweislast für Umstände auferlegt, die im Verantwortungsbereich des Verwenders liegen, oder b) den anderen Teil bestimmte Tatsachen bestätigen lässt. a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 12 BGB Ob Ansprüche erfolgreich geltend gemacht werden können, hängt oftmals ent- 139 scheidend von der Verteilung der Beweislast ab. § 309 Nr. 12 BGB liegt die Erwägung zugrunde, dass sowohl die gesetzlich verankerten als auch die von der Rechtsprechung entwickelten Beweislastregeln nicht nur Ausdruck formal-verfahrensrechtlicher Zweckmäßigkeitserwägungen, sondern „typische Ausprägungen“ materieller Gerechtigkeitsgebote sind.2 Deshalb verbietet § 309 Nr. 12 BGB alle beweisrechtlichen Abreden, die den Vertragspartner im Vergleich zur gesetzlichen oder richterrechtlichen Regelung schlechter stellen. § 309 Nr. 12 BGB will verhindern, dass späteres gegenteiliges Vorbringen des Verwendungsgegners „erschwert oder unmöglich“ gemacht wird.3 Die Regelung nennt zwar unter den Buchstaben a) und b) zwei Fälle unzulässiger Beweislastvereinbarungen; dabei handelt es sich jedoch, wie aus dem Wort „insbesondere“ folgt, lediglich um Beispielsfälle, die der Gesetzgeber für typisch und wichtig gehalten hat.4 Der Begriff der „Änderung der Beweislast“ in § 309 Nr. 12 BGB ist weit zu ver- 140 stehen. Erfasst werden nicht nur alle Abweichungen von den gesetzlichen und von der Rechtsprechung entwickelten Regeln zur Verteilung der objektiven Beweislast sowie subjektiven Beweisführungslast.5 Für die Anwendung des § 309 Nr. 12 BGB genügt vielmehr schon der „Versuch des Verwenders, die Beweisposition des Kunden zu verschlechtern“.6 Deshalb sind auch Klauseln, die ledig1 2 3 4 5 6
Däubler in DBD, § 309 Nr. 11 Rz. 1. Roloff in Erman, § 309 Rz. 145; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 1034; BT-Drucks. 7/3919, S. 38. BT-Drucks. 7/3919, S. 39. Vgl. BGH v. 28.1.1987 – IVa ZR 173/85, ZIP 1987, 448. Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Nr. 12 Rz. 1. Dammann in WLP, § 309 Nr. 12 Rz. 10–12. Vgl. BGH v. 28.1.1987 – IVa ZR 173/85, ZIP 1987, 448.
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§ 309 | Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit lich eine Änderung der Darlegungslast vorsehen, am Maßstab des § 309 Nr. 12 BGB zu messen.1 Auch Klauseln, die die Grundsätze über den Beweis des ersten Anscheins ändern,2 die die Anforderungen an die Beweisführung verschärfen, die die Beweisführung faktisch – durch Tatsachenbestätigungen mit Indizwirkung – erschweren oder die dem Verwendungsgegner den Nachweis einer ihm günstigen Tatsache durch unwiderlegliche Vermutungen oder Fiktionen im engeren Sinne gänzlich versperren, fallen unter das Verbot des § 309 Nr. 12 BGB.3 Nach Auffassung des BGH ist § 309 Nr. 12 BGB allerdings nur dann anwendbar, wenn der Inhalt der Klausel noch Raum für eine den Vertragspartner des Verwenders treffende Beweislast lässt. Alle durch einen (Gegen-)Beweis nicht mehr änderbaren inhaltlichen Interessenverschiebungen durch AGB sind deshalb nicht am Maßstab des § 309 Nr. 12 BGB zu überprüfen, sondern im Rahmen der Kontrolle nach § 307 BGB zu würdigen.4 Demgegenüber ist es für die Anwendung des § 309 Nr. 12 BGB unerheblich, ob der Verwender die Möglichkeit gehabt hätte, seine Haftung vollständig auszuschließen und stattdessen lediglich die Beweislast umgekehrt hat. Eine teleologische Reduktion des § 309 Nr. 12 BGB kommt in derartigen Fällen nicht in Betracht.5 141 Nicht unter § 309 Nr. 12 BGB fallen das formularmäßige abstrakte Schuldaner-
kenntnis und das formularmäßige abstrakte Schuldversprechen.6 Durch das abstrakte Schuldversprechen bzw. das abstrakte Schuldanerkenntnis wird neben der originären Verbindlichkeit ein selbständiger materieller Schuldgrund geschaffen. Wird der Anspruch aus dem Schuldanerkenntnis bzw. dem Schuldversprechen geltend gemacht, muss zwar der Schuldner im Wege der Bereicherungseinrede das Nichtentstehen oder Erlöschen seiner Schuld beweisen. Diese Beweislastverteilung beruht jedoch nicht auf einer die Beweislast zum Nachteil des Schuldners abändernden Klausel, sondern ist Folge der rechtlich möglichen Vereinbarung eines abstrakten Schuldgrundes und damit gesetzlichen Ursprungs. Keine verbotene Beweislaständerung ist ebenso anzunehmen bei der Abgabe eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses.7 Beim deklaratorischen Schuldanerkenntnis liegt die Anerkenntniswirkung allein in der Feststellung des Ausgangsschuldverhältnisses. Damit hat sich keine Beweislast der Parteien ver1 2 3 4 5
Dammann in WLP, § 309 Nr. 12 Rz. 13 m.w.N. BGH v. 8.10.1987 – VII ZR 185/86, NJW 1988, 258. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 1039; Dammann in WLP, § 309 Nr. 12 Rz. 14–20 m.w.N. BGH v. 8.10.1987 – VII ZR 185/86, NJW 1988, 258. Vgl. Roloff in Erman, § 309 Rz. 148a m.w.N.; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 1045 m.w.N.; Dammann in WLP, § 309 Nr. 12, Rz. 21; a.A. Grüneberg in Palandt, § 309 Rz. 107 m.w.N. 6 BGH v. 18.12.1986 – IX ZR 11/86, NJW 1987, 904; BGH v. 5.3.1991 – XI ZR 75/90, NJW 1991, 1677; Roloff in Erman, § 309 Rz. 148; Grüneberg in Palandt, § 309 Rz. 107; Habersack in UBH, § 309 Nr. 12 Rz. 13; Dammann in WLP, § 309 Nr. 12 Rz. 23. 7 BGH v. 3.4.2003 – IX ZR 113/02, NJW 2003, 2386; BAG v. 15.3.2005 – 9 AZR 502/03, NJW 2005, 3164; BAG v. 21.4.2016 – 8 AZR 474/14, NZA 2016, 1409 = AP BGB § 781 Nr. 8 = BB 2016, 2427; Dammann in WLP, § 309 Nr. 12 Rz. 26.
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lagert, sondern es sind mögliche Beweisfragen durch das materielle Recht beseitigt worden. aa) Das spezielle Klauselverbot des § 309 Nr. 12a BGB Nach § 309 Nr. 12a BGB sind ausdrücklich Klauseln untersagt, die dem Ver- 142 tragspartner die Beweislast für Umstände auferlegen, die im „Verantwortungsbereich des Verwenders“ liegen, soweit darin eine Abweichung von den Beweislastregeln des dispositiven Rechts liegt. Deshalb muss es sich um Umstände handeln, die im alleinigen Verantwortungsbereich des Verwenders liegen. Dies ist beispielsweise nicht der Fall, wenn eine schadensursächliche Tätigkeit des Verwenders sich öffentlich und wahrnehmbar abspielt.1 bb) Das spezielle Klauselverbot des § 309 Nr. 12b BGB Von großer praktischer Bedeutung sind die in § 309 Nr. 12b BGB besonders er- 143 wähnten Tatsachenbestätigungen. Dabei sind nach dem Schutzzweck des § 309 Nr. 12 BGB Tatsachenbestätigungen nicht nur in dem praktisch äußerst seltenen Fall unzulässig, dass sie die Beweislast umkehren, sondern bereits dann, wenn sie die Beweislast faktisch zum Nachteil des Kunden verschieben. Nach § 309 Nr. 12 BGB reicht für eine Änderung der Beweislast schon der Versuch des Verwenders aus, die Beweisposition des Kunden zu verschlechtern. Bereits dann, wenn die formularmäßige Klausel zur Folge haben kann, dass der Richter die Anforderungen an den Beweis zum Nachteil des Kunden erhöht – bei dessen Beweislast – oder aber ermäßigt – bei Beweislast des Verwenders –, liegt eine für § 309 Nr. 12 BGB maßgebliche Änderung des Anwendungsbereichs der Beweislast vor.2 Hierzu zählen insbesondere Tatsachenbestätigungen, die rechtlich relevante Umstände beschreiben (z.B. die Aushandelnsbestätigung oder die Erklärung des Einverständnisses der Eltern durch den Minderjährigen), Wissenserklärungen, wenn sie sich zum Nachteil des Kunden auswirken können und Erklärungen über tatsächliche Vorgänge.3 Zu den Erklärungen über tatsächliche Vorgänge gehört auch das Empfangs- 144 bekenntnis. Erteilt eine Person bei Empfang einer Leistung ein schriftliches Empfangsbekenntnis (Quittung, § 368 BGB), so muss sie fortan beweisen, dass sie die Leistung nicht empfangen hat, dass die Quittung also unrichtig ist. Damit wäre ein vorformuliertes Empfangsbekenntnis als beweislaständernde Tatsachenbestätigung i.S.d. § 309 Nr. 12b BGB stets unwirksam. Diese Rechtsfolge hat der Gesetzgeber mit § 309 Nr. 12 BGB indes nicht angeordnet. Ihm erschien 1 Roloff in Erman, § 309 Rz. 149; Habersack in UBH, § 309 Nr. 12 Rz. 16. 2 BGH v. 28.1.1987 – IVa ZR 173/85, NJW 1987, 1634; BGH v. 9.11.1989 – IX ZR 269/87, NJW 1990, 761. 3 Vgl. auch BGH v. 15.5.2014 – III ZR 368/13, NJW 2014, 2857 = DB 2014, 1366 = WM 2014, 1146.
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§ 309 | Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit es vielmehr ausreichend, den Vertragspartner des Verwenders vor den Folgen vorformulierter Empfangsbekenntnisse nur dann zu schützen, wenn sich diese in den AGB des Verwenders an versteckter Stelle befinden.1 Deshalb nimmt § 309 Nr. 12b BGB in seinem letzten Halbsatz Empfangsbekenntnisse dann vom strikten Klauselverbot aus, wenn sie gesondert unterschrieben oder mit einer gesonderten elektronischen Signatur versehen sind. 145 Dass das Empfangsbekenntnis „gesondert“ zu unterschreiben ist, bedeutet nicht,
dass hierüber eine gesonderte Urkunde erstellt werden müsste; es genügt vielmehr, dass es getrennt vom sonstigen Vertragstext erteilt wird, räumlich und drucktechnisch vom sonstigen Vertragstext deutlich abgehoben ist und sich die Unterschrift bzw. elektronische Signatur erkennbar nur auf das Empfangsbekenntnis bezieht2 (zur gesonderten Unterschrift s. auch Rz. 134).
146 Zwar ist eine Klausel, wonach mündliche Abreden nicht getroffen sind, eine
Tatsachenbestätigung i.S.d. § 309 Nr. 12b BGB.3 Dennoch wird sie nicht von der in der Bestimmung angeordneten Unwirksamkeitsfolge erfasst. Eine Bestimmung, wonach mündliche Nebenabreden nicht bestehen, gibt nämlich lediglich die ohnehin eingreifende Vermutung der Vollständigkeit der Vertragsurkunde wieder und lässt dem AGB-Kunden den Gegenbeweis offen.4
b) Bedeutung des § 309 Nr. 12 BGB im Arbeitsrecht 147 § 309 Nr. 12 BGB gilt grundsätzlich auch im Arbeitsrecht. Zwar sind nach § 310
Abs. 4 Satz 2 BGB bei der Anwendung auf Arbeitsverträge die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen. Soweit es um die Beweislastverteilung geht, sind solche Besonderheiten aber gerade nicht zu erkennen.5 Sowohl die gesetzlich verankerten als auch die von der Rechtsprechung entwickelten Beweislastregeln sind nicht nur Ausdruck formal-verfahrensrechtlicher Zweckmäßigkeitserwägungen, sondern „typische Ausprägungen“ materieller Gerechtigkeitsgebote.6 Vor diesem Hintergrund besteht im Arbeitsrecht kein geringeres Schutzbedürfnis der Betroffenen als im sonstigen Zivilrecht.7
148 Von besonderer Bedeutung im Arbeitsrecht sind Klauseln, die die Beweislast im
Zusammenhang mit der Arbeitnehmerhaftung abweichend von § 619a BGB regeln. Hier gilt Folgendes:
1 Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Nr. 12 Rz. 19. 2 BGH v. 24.3.1988 – III ZR 21/87, NJW 1988, 2106; Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Nr. 12 Rz. 20; Habersack in UBH, § 309 Nr. 12 Rz. 24; Dammann in WLP, § 309 Nr. 12 Rz. 62. 3 Vgl. BT-Drucks. 7/3919, S. 39. 4 BGH v. 14.10.1999 – III ZR 203/98, NJW 1987, 1634. 5 Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 80; Dammann in WLP, § 309 Nr. 12 Rz. 82. 6 Roloff in Erman, § 309 Rz. 145; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 1034; BT-Drucks. 7/3919, S. 38. 7 Dammann in WLP, § 309 Nr. 12 Rz. 82.
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V. Die einzelnen Klauselverbote des § 309 BGB | § 309
Geht man mit der Rechtsprechung und dem überwiegenden Teil des Schrifttums davon aus, dass die Regeln über die Haftung des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis einseitig zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht sind, von denen weder einzel- noch kollektivvertraglich zu Lasten der Arbeitnehmer abgewichen werden kann und erstreckt den einseitig zwingenden Charakter nicht nur auf die Elemente dieses spezifischen Haftungssystems, sondern auch auf die nunmehr in § 619a BGB niedergelegte Verteilung der Beweislast, so folgt die Unwirksamkeit einer zu Lasten des Arbeitnehmers abweichenden Bestimmung bereits aus § 619a BGB selbst.1 Andernfalls wäre die Klausel an den Maßstäben des § 309 Nr. 12 BGB zu messen, was allerdings ebenfalls deren Unwirksamkeit zur Folge hätte. In der Praxis finden sich nicht selten Mankoklauseln,2 die mit Blick auf die Haf- 149 tung für Fehlbestände die Beweislast zu Lasten des Arbeitnehmers verändern. Beschränkt sich die Mankoabrede auf die Begründung einer Garantiehaftung ge- 150 gen Gewährung des Mankogeldes, so hat zunächst der Arbeitgeber den behaupteten Fehlbetrag oder Fehlbestand substantiiert darzulegen und zu beweisen. Ferner trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast für die haftungsbegründende Kausalität.3 Zuweilen verzichten Mankoabreden aber auch auf eine generelle Haftungsüberwälzung auf den Arbeitnehmer, unterwerfen diesen jedoch hohen Beweislastanforderungen.4 Insoweit sehen die Klauseln regelmäßig vor, dass der Arbeitnehmer sich zu entlasten habe. Das BAG hat derartige Klauseln vor der Schuldrechtsreform grundsätzlich für zulässig erachtet, sofern sie eine sinnvolle, den Eigenarten des Betriebes und der Beschäftigung angepasste Beweislastverteilung enthielten.5 Ob an dieser Rechtsprechung auch unter Geltung der §§ 305 ff. BGB festgehalten werden kann oder ob derartige Mankoklauseln nach § 309 Nr. 12 BGB unwirksam sind, wird unterschiedlich beurteilt.6 Obgleich der Arbeitnehmer durch eine vollständige Haftungsüberwälzung stärker betroffen wird als durch eine Beweislastabrede zu seinen Lasten, spricht alles für eine Unwirksamkeit einer solchen Bestimmung nach § 309 Nr. 12 BGB. Die Voraussetzung für die Anwendbarkeit von § 309 Nr. 12 BGB, dass der Inhalt der Klausel noch Raum für eine den Vertragspartner des Verwenders treffende Beweislast lässt, 1 Vgl. BAG v. 17.9.1998 – 8 AZR 175/97, NZA 1999, 141; BAG v. 2.12.1999 – 8 AZR 386/98, NZA 2000, 715; Däubler in DBD, § 309 Nr. 12, Rz. 5; vgl. auch Dammann in WLP, § 309 Nr. 12 Rz. 81. 2 Zur Mankohaftung allgemein vgl. Stoffels in Preis, Der Arbeitsvertrag, II M 10. 3 Stoffels in Preis, Der Arbeitsvertrag, II M 10 Rz. 13. 4 Stoffels in Preis, Der Arbeitsvertrag, II M 10 Rz. 14. 5 BAG v. 13.2.1974 – 4 AZR 13/73, AP BGB § 611 Haftung des Arbeitnehmers Nr. 77; BAG v. 29.1.1985 – 3 AZR 570/82, NJW 1986, 856. 6 Für eine Unwirksamkeit nach § 309 Nr. 12 BGB z.B.: Deinert, RdA 2000, 22 (35); Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 90; Stoffels in Preis, Der Arbeitsvertrag, II M 10 Rz. 14 und 15; Dammann in WLP, § 309 Nr. 12 Rz. 83; a.A. Schwirtzek, NZA 2005, 437 (442).
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§ 309 | Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit ist hier ohne weiteres erfüllt. Zudem ist es für die Anwendung des § 309 Nr. 12 BGB gerade unerheblich, dass der Verwender die Möglichkeit gehabt hätte, seine Haftung vollständig auszuschließen und er stattdessen lediglich die Beweislast umgekehrt hat. Eine teleologische Reduktion des § 309 Nr. 12 BGB kommt in derartigen Fällen nicht in Betracht.1 Hintergrund ist, dass die Risiken, die mit einer Änderung der Beweislast einhergehen, für den Vertragspartner des Verwenders bei Vertragsschluss häufig schwerer einzuschätzen sind als die Gefahren, die mit einer Änderung des materiellen Rechts im engeren Sinne verbunden sind. Deshalb wird sich der Vertragspartner bei einer Bestimmung, die lediglich die Beweislast ändert, eher zu einem erfolglosen und daher kostspieligen Rechtsstreit entschließen.2 151 Dass Empfangsbekenntnisse, um der Unwirksamkeitsfolge nach § 309 Nr. 12
BGB zu entgehen, gesondert unterschrieben werden müssen, gilt auch im Arbeitsrecht. Das BAG hat diese Frage vor der Schuldrechtsreform zwar nicht ausdrücklich entschieden; in seinem Urteil vom 16.3.1994,3 in dem es um die Rückzahlung von Ausbildungskosten ging, hat es jedoch in der Bestätigung des Arbeitnehmers, ihm sei bekannt, dass die Ausbildung teurer sei als der Betrag, den der Arbeitgeber zurückfordere, eine unzulässige Beweislaständerung gesehen und sich dabei ausdrücklich auf den Rechtsgedanken der Vorgängerregelung des § 309 Nr. 12 BGB (§ 11 Nr. 15 AGBG) bezogen. Allgemein wird deshalb für die Praxis empfohlen, Empfangsbekenntnisse vom übrigen Vertragstext deutlich abzugrenzen und sie vom Vertragspartner gesondert unterzeichnen zu lassen.
c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 12 BGB 152 Klauseln, die die Beweislast i.S.d. § 309 Nr. 12 BGB ändern, sind unwirksam und
entfallen ersatzlos. Gemäß § 306 Abs. 2 BGB richtet sich die Beweislast nun nach der gesetzlichen Beweislastverteilung und den von der Rechtsprechung entwickelten Beweislastgrundsätzen. Eine unwirksame Klausel darf auch nicht im Rahmen der Beweiswürdigung als Indiz zu Lasten des Vertragspartners des Verwenders verwertet werden.4
13. § 309 Nr. 13 BGB (Form von Anzeigen und Erklärungen) 153 § 309 Nr. 13 BGB erklärt Klauseln in AGB für unwirksam, durch die Anzeigen
oder Erklärungen, die dem Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben sind, an eine strengere Form als die Schriftform (§ 309 Nr. 13a BGB) bzw. die 1 Vgl. Stoffels, AGB-Recht, Rz. 1045 m.w.N.; Dammann in WLP, § 309 Nr. 12, Rz. 21 m.w.N.; a.A. Grüneberg in Palandt, § 309 Rz. 107 m.w.N. 2 So ausdrücklich Dammann in WLP, § 309 Nr. 12 Rz. 21. 3 BAG v. 16.3.1994 – 5 AZR 339/92, NJW 1994, 937. 4 Roloff in Erman, § 309 Rz. 153.
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Textform (§ 309 Nr. 13b BGB) oder an besondere Zugangserfordernisse (§ 309 Nr. 13c BGB) gebunden werden. a) Anwendungsbereich und Zweck des § 309 Nr. 13 BGB § 309 Nr. 13 BGB lässt sich als „Gegenstück“ zu § 309 Nr. 6 BGB begreifen.1 154 Während § 309 Nr. 6 BGB Nachweiserleichterungen für den Zugang von Erklärungen des Verwenders in Form von Zugangsfiktionen einschränkt, betrifft § 309 Nr. 13 BGB gerade den umgekehrten Fall und will verhindern, dass Erklärungen des Vertragspartners des Verwenders gegenüber dem Verwender erschwert werden und der Vertragspartner des Verwenders hierdurch Rechtsnachteile erleidet.2 Die Vorschrift soll den Vertragspartner vor Klauseln schützen, die ihm die Durchsetzung seiner Rechte durch Bindung von Anzeigen oder Erklärungen an übersteigerte Form- oder Zugangserfordernisse erschweren.3 Von § 309 Nr. 13 BGB werden alle Arten von Erklärungen des Kunden erfasst, 155 die die Abwicklung, Durchführung und Beendigung des Vertragsverhältnisses betreffen. Damit fallen nicht nur Willenserklärungen, wie Anfechtungs-, Rücktritts- und Kündigungserklärungen unter die Bestimmung, sondern auch Erklärungen geschäftsähnlicher oder tatsächlicher Art, die für die Rechtsausübung oder Rechtswahrnehmung bedeutsam sind, wie Mahnung, Mängelanzeigen, Schadensmeldungen und Abtretungsanzeigen.4 Es muss sich um Erklärungen des Vertragspartners des Verwenders handeln. 156 Hierzu gehören nicht nur Erklärungen, die der Kunde selbst abgibt, sondern auch solche, die dem Vertragspartner des Verwenders zugerechnet werden. Nicht von § 309 Nr. 13 BGB erfasst werden demnach Erklärungen des Verwenders. Ebenso fallen vertragliche Abreden zwischen den Parteien nicht unter das Klauselverbot. Dies folgt schon aus dem Wortlaut der Norm, wonach die Erklärungen vom Vertragspartner des Verwenders „abzugeben sind“. Bestätigt wird dieses Verständnis der Bestimmung auch durch die Entstehungsgeschichte. Das im Regierungsentwurf zum AGB-Gesetz5 noch enthaltene Verbot eines Schriftformerfordernisses für alle vertraglichen Abreden ist nach den Beratungen des Bundestagsrechtsausschusses nicht Gesetz geworden.6 Die Erklärungen müssen gegenüber dem Vertragspartner des Verwenders oder 157 einem Dritten gegenüber abzugeben sein. Damit kommen als Erklärungsemp1 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 672 m.w.N. 2 Roloff in Erman, § 309 Rz. 156; Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Nr. 13 Rz. 1; Grüneberg in Palandt, § 309 Rz. 111; Habersack in UBH, § 309 Nr. 13 Rz. 1; Dammann in WLP, § 309 Nr. 13 Rz. 1. 3 So zu § 11 Nr. 16 AGBG: BGH v. 24.3.1999 – IV ZR 90/98, NJW 1999, 2279. 4 Habersack in UBH, § 309 Nr. 13 Rz. 4; Dammann in WLP, § 309 Nr. 13 Rz. 10. 5 BT-Drucks. 7/3919, § 9 Nr. 17. 6 Habersack in UBH, § 309 Nr. 13 Rz. 1.
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§ 309 | Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit fänger nicht nur der Verwender sowie seine Vertreter und andere Hilfspersonen, sondern auch Dritte in Betracht. Praktisch bedeutsam wird letzteres insbesondere dann, wenn ein Dritter den Vertrag übernimmt (§ 309 Nr. 10a BGB) oder nach § 309 Nr. 8b bb BGB vorrangig haftet. 158 § 309 Nr. 13a BGB erklärt eine strengere Form als die Schriftform für unwirk-
sam. Eine von § 309 Nr. 13a BGB verbotene strengere Form als die Schriftform ist in jeder Anforderung zu sehen, die über die in §§ 126, 127 BGB aufgestellten Anforderungen hinausgehende Vorgaben enthält.1 Damit verstößt ein einfaches Schriftformerfordernis nicht gegen dieses Klauselverbot. Unwirksam sind demgegenüber Vorgaben, die für Erklärungen des Vertragspartners des Verwenders die notarielle Beurkundung (§ 128 BGB) oder die öffentliche Beglaubigung (§ 129 BGB) vorsehen.2 Aber auch sonstige Erschwerungen sind verboten. Damit stellt sich auch die Beschränkung auf bestimmte Übermittlungsarten, z.B. Telefax oder die Pflicht zur Verwendung bestimmter Formulare als Verschärfung der gewöhnlichen Schriftform dar.3
159 § 309 Nr. 13b BGB, der durch das Gesetz zur Verbesserung der zivilrechtlichen
Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts mit Wirkung zum 1.10.2016 neu gefasst wurde4 und nur auf ein Schuldverhältnis anzuwenden ist, das nach dem 30.9.2016 entstanden ist, erklärt in anderen als den in § 309 Nr. 13a BGB genannten Verträgen die Vereinbarung einer strengeren Form als der Textform für unwirksam. Eine solche strengere Form ist in jeder Anforderung zu sehen, die über die in § 126b BGB bestimmten Anforderungen hinausgeht. Damit kann der Verwender weder die Abgabe einer Erklärung durch Telegramm, Telefax, Fernschreiben oder E-Mail, noch in elektronischer Form (§ 126a BGB) vorschreiben.5
160 Eine Klausel ist auch dann gemäß § 309 Nr. 13 BGB, nämlich nach § 309 Nr. 13c
BGB unwirksam, wenn der Verwender in AGB besondere Zugangserfordernisse für Erklärungen und Anzeigen seines Vertragspartners aufstellt. Als besondere Zugangserfordernisse sind dabei solche anzusehen, die über die allgemeinen Zugangsvoraussetzungen für empfangsbedürftige Willenserklärungen (§§ 130, 131 BGB) hinausgehen.6 Vor diesem Hintergrund darf der Verwender nicht den Zugang per Post, per Einschreiben7 oder gar gegen Quittung fordern. Nach § 309 Nr. 13 i.V.m. § 130 BGB muss es zudem genügen, dass eine Erklärung in
1 Stoffels, AGB-Recht, Rz. 674. 2 Dammann in WLP, § 309 Nr. 13 Rz. 23, 24. 3 Roloff in Erman, § 309 Rz. 157; Grüneberg in Palandt, § 309 Rz. 112; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 674 m.w.N. 4 BGBl. I 2016, 233. 5 Roloff in Erman, § 309 Rz. 157. 6 BGH v. 10.2.1999 – IV ZR 324/97, NJW 1999, 1633. 7 BGH v. 28.2.1985 – IX ZR 92/84, NJW 1985, 2585.
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den Machtbereich des Verwenders gelangt. Die Vorgabe einer bestimmten Stelle oder Verwaltungseinheit aus diesem Bereich (z.B. Vorstand, Geschäftsleitung, Kundendienststelle, Personalbüro) ist demzufolge nicht möglich.1 Demgegenüber fallen Regelungen der Empfangsbevollmächtigung nicht unter § 309 Nr. 13 BGB.2 Derartige Regelungen gestalten und bestimmen erst den Zugangsbereich des Adressaten und schaffen deshalb grundsätzlich noch kein „besonderes“ Zugangserfordernis im Sinne des § 309 Nr. 13 BGB. b) Bedeutung des § 309 Nr. 13 BGB im Arbeitsrecht § 309 Nr. 13 BGB findet auch auf Arbeitsverträge grundsätzlich Anwendung. 161 Deshalb sind auch im Arbeitsrecht Bestimmungen, die Anzeigen oder Erklärungen, die gegenüber dem Arbeitgeber oder einem Dritten abzugeben sind, an eine strengere Form als die Textform oder an besondere Zugangserfordernisse binden, grundsätzlich unzulässig.3 Mithin darf der eingeschriebene Brief nicht zur Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung gemacht werden. Auf der anderen Seite folgt aus § 309 Nr. 13b BGB, dass der Arbeitgeber die wirksame Geltendmachung von Ansprüchen im Rahmen von Ausschluss- oder Verfallfristen auf der ersten Stufe nicht mehr von der Schriftform abhängig machen darf.4 Häufig finden sich in arbeitsvertraglichen Abreden sog. doppelte Schriftform- 162 klauseln, wonach Änderungen und Ergänzungen des Vertrages, auch wenn sie bereits mündlich getroffen wurden, nur wirksam sind, wenn sie schriftlich festgelegt und von beiden Parteien unterzeichnet wurden und dass dies auch für den Verzicht auf das Schriftformerfordernis gelten soll. Da nicht nur Änderungen und Ergänzungen des Vertrages, sondern auch der Verzicht auf das Schriftformerfordernis nur durch Verzichtserklärung durch die eine Partei und Annahme der Verzichtserklärung durch die andere Partei zustande kommen und vertragliche Abreden zwischen den Parteien nicht unter das Klauselverbot des § 309 Nr. 13 BGB fallen (s. hierzu Rz. 156), werden doppelte Schriftformklauseln nicht von § 309 Nr. 13 BGB erfasst. Ein doppeltes Schriftformerfordernis kann allerdings nach § 307 BGB unwirksam sein.5 Umstritten ist, ob § 309 Nr. 13 BGB der Wirksamkeit von in Arbeitsverträgen 163 verwendeten Ausschlussklauseln entgegensteht, die vom Arbeitnehmer eine 1 Dammann in WLP, § 309 Nr. 13 Rz. 31–39 m.w.N. 2 H.M., vgl. nur BGH v. 10.2.1999 – IV ZR 324/97, NJW 1999, 1633; BGH v. 24.3.1999 – IV ZR 90/98, NJW 1999, 2279; Roloff in Erman, § 309 Rz. 158; Grüneberg in Palandt, § 309 Rz. 113; Stoffels, AGB-Recht, Rz. 676; kritisch Dammann in WLP, § 309 Nr. 13 Rz. 31–39; a.A. wohl Wurmnest in MünchKommBGB, § 309 Nr. 13 Rz. 5. 3 Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 83; Reinecke, NZA-Beilage 3/2000, 23 (27); Reinecke, DB 2002, 583 (586). 4 Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 83. 5 Vgl. Fuchs/Bieder in UBH, Anh. § 310 Rz. 100.
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§ 309 | Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit fristgerechte gerichtliche Geltendmachung verlangen.1 Die Befürworter der Unwirksamkeit einer solchen Klausel argumentieren überwiegend damit, dass die Klage als eine Erklärung des Arbeitnehmers zu werten sei, die an eine strengere Form als die Schriftform bzw. an besondere Zugangserfordernisse gebunden werde. Das BAG hat es in seinem Urteil vom 25.5.20052 nicht nur dahinstehen lassen, ob mit dem Erfordernis der gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche eine strengere Form als die Schriftform oder ein besonderes Zugangserfordernis verbunden ist; ebenso offengelassen hat es der 5. Senat des BAG in der Entscheidung, ob die Klage überhaupt eine Erklärung oder Anzeige darstellt, die dem Arbeitgeber als Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben ist. Jedenfalls gebiete es die angemessene Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB), zweistufige Ausschlussfristen zuzulassen. Ausschlussklauseln seien im Arbeitsleben weit verbreitet. Sie dienten der seit langem dort anerkanntermaßen raschen Klärung von Ansprüchen und der Bereinigung offener Streitpunkte. Es spricht viel dafür, dass Ausschlussklauseln, die eine gerichtliche Geltendmachung zwingend vorsehen, von vornherein nicht unter § 309 Nr. 13 BGB fallen. Zum einen wird die Erklärung oder Anzeige des Arbeitnehmers nicht an eine bestimmte Form gebunden; vielmehr wird das Schicksal des Anspruchs mit der gerichtlichen Geltendmachung verknüpft.3 Es kommt hinzu, dass der Arbeitnehmer stets gezwungen sein kann, Klage zu erheben4 und dass nach § 253 ZPO Klagen stets schriftlich zu erheben sind und insofern keine weitergehende Anforderung bestimmt wird. Im Übrigen – und das dürfte entscheidend sein – kommt es dem Arbeitgeber nicht darauf an, die Klageschrift zugestellt zu erhalten.5 Dem Arbeitgeber geht es vielmehr darum, eine endgültige Klärung offener Ansprüche innerhalb einer Frist herbeizuführen, die kürzer ist als die Verjährungsfrist. Im Hinblick auf die Verjährung ist in § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB geregelt, dass die Verjährung u.a. durch die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs gehemmt wird. c) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 13 BGB 164 Eine AGB-Klausel, die eine strengere Form als die Schrift- bzw. Textform oder
ein besonderes Zugangserfordernis vorsieht, ist unwirksam. An ihre Stelle treten nach § 306 Abs. 2 BGB die gesetzlichen Regeln. Sofern das Gesetzesrecht spezi-
1 Für eine Unwirksamkeit z.B. Annuß, BB 2002, 458 (463); Däubler, NZA 2001, 1329 (1336); Däubler in DBD, § 309 Nr. 13 Rz. 6 m.w.N.; Hönn, ZfA 2003, 325 (340); Lakies, NZA 2004, 569 (575); Singer, RdA 2003, 194 (201); gegen eine Anwendung von § 309 Nr. 13 BGB z.B. Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 83 und §§ 194–218 BGB Rz. 45; Preis/Roloff, RdA 2005, 144 (145); Dammann in WLP, § 309 Nr. 13 Rz. 60–69. 2 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111. 3 Preis in ErfK, §§ 194–218 BGB Rz. 45. 4 Dammann in WLP, § 309 Nr. 13 Rz. 60–69. 5 Preis in ErfK, §§ 194–218 BGB Rz. 45.
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elle Formerfordernisse enthält, gelten diese. Andernfalls können Erklärungen und Anzeigen des Vertragspartners des Verwenders formfrei abgegeben werden. Ob die Klausel stets insgesamt unwirksam ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Ist 165 der unwirksame Teil inhaltlich und sprachlich vom Rest der Klausel teilbar, so kann der Fall eintreten, dass nicht nur der Vertrag im Übrigen, sondern auch der nicht zu beanstandende Klauselteil erhalten bleibt, § 306 Abs. 1 BGB. Sieht eine AGB-Bestimmung beispielsweise eine Vertragsverlängerung für den Fall vor, dass der Vertrag „nicht mindestens 3 Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist … durch Einschreibebrief gekündigt wird“, so kann die Klausel nach Streichung des Teils „durch Einschreibebrief“ als Verlängerungsklausel dann aufrechterhalten werden, wenn eine reine Verlängerungsklausel mit entsprechendem Inhalt zulässig ist.1 Einstweilen frei.
166–170
14. § 309 Nr. 14 BGB (Klageverzicht) Nach § 309 Nr. 14 BGB ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Bestim- 171 mung unwirksam, wonach der andere Vertragsteil seine Ansprüche gegen den Verwender gerichtlich nur geltend machen darf, nachdem er eine gütliche Einigung in einem Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung versucht hat. Dieses Klauselverbot, das durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten und zur Durchführung der Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten vom 19.2.20162 mit Wirkung vom 26.2.2016 in § 309 BGB eingefügt wurde, soll eine Beschränkung des Wahlrechts zwischen außergerichtlicher Streitbeilegung und der Klage bei einem staatlichen Gericht vermeiden und damit verhindern, dass der Vertragspartner des Verwenders von der Beschreitung des Rechtswegs abgehalten wird3. Dadurch soll zugleich einem etwaigen Missbrauch, z.B. durch verfahrensverzögerndes Vorschalten eines erfolglosen Streitbeilegungsverfahrens vorgebeugt werden.4 § 309 Nr. 14 BGB zielt bereits auf Klauseln ab, die zu einem nur vorübergehenden, dilatorischen Klageverzicht führen sollen. Nach Sinn und Zweck der Bestimmung muss § 309 Nr. 14 BGB aber erst recht zur Unwirksamkeit führen, wenn die Klausel zu einem endgültigen, dauerhaften Verzicht auf eine gerichtliche Anspruchsgeltendmachung führen und den Rechtsweg von vornherein auf eine außergerichtliche Streitbeilegung beschränken soll (peremptorischer Klageverzicht).5 Nicht von § 309 1 2 3 4 5
Beispiel nach Dammann in WLP, § 309 Nr. 13 Rz. 50, 51. BGBl. I 2016, 254. Vgl. Roloff in Erman, § 309 Rz. 160. BT-Drucks 18/6904, S. 74; Grüneberg in Palandt, § 309 Rz. 115. Schmidt in UBH, § 309 Nr. 14 Rz. 2.
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§ 309 | Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit Nr. 15 BGB erfasst werden demgegenüber Klauseln, die die Durchführung eines Verfahrens der außergerichtlichen Streitbeilegung für den Vertragspartner des Verwenders auf freiwilliger Basis ermöglichen. § 309 Nr. 14 BGB gilt grundsätzlich auch im Arbeitsrecht. Zwar sind nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB bei der Anwendung auf Arbeitsverträge die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen. Soweit es um einen Klageverzicht geht, sind solche Besonderheiten aber gerade nicht zu erkennen.
15. § 309 Nr. 15 BGB (Abschlagszahlungen und Sicherheitsleistung) 172 § 309 Nr. 15 BGB, der durch das Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts vom
28.4.20171 mit Wirkung zum 1.1.2018 in das BGB eingefügt wurde, soll verhindern, dass die dem Schutz des Bestellers dienenden Vorschriften des § 632a und § 650m BGB über Abschlagszahlungen und Sicherheiten bei Verbraucherverträgen zu Lasten des Verbrauchers unangemessen eingeschränkt werden2. Nach § 309 Nr. 15a BGB ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Bestimmung unwirksam, nach der der Verwender bei einem Werkvertrag für Teilleistungen Abschlagszahlungen vom anderen Vertragsteil verlangen kann, die wesentlich höher sind als die nach § 632a Abs. 1 und § 650m Abs. 1 BGB zu leistenden Abschlagszahlungen. Nach § 309 Nr. 15b BGB ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Bestimmung unwirksam, nach der der Verwender bei einem Werkvertrag die Sicherheitsleistung nach § 650m Abs. 2 BGB nicht oder nur in geringerer Höhe leisten muss. Da § 309 Nr. 15 BGB nur Klauseln in Werkverträgen erfasst, findet die Bestimmung auf Arbeitsverträge keine Anwendung und kann deshalb nur für sog. Parallelverträge Bedeutung haben.
1 BGBl. I 2017, 969. 2 BT-Drucks. 18/8486, S. 37.
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§ 310 Anwendungsbereich (1) § 305 Absatz 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 8 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. § 307 Abs. 1 und 2 findet in den Fällen des Satzes 1 auch insoweit Anwendung, als dies zur Unwirksamkeit von in § 308 Nummer 1, 2 und § 309 genannten Vertragsbestimmungen führt; auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ist angemessen Rücksicht zu nehmen. In den Fällen des Satzes 1 finden § 307 Absatz 1 und 2 sowie § 308 Nummer 1a und 1b auf Verträge, in die die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt einbezogen ist, in Bezug auf eine Inhaltskontrolle einzelner Bestimmungen keine Anwendung. (2) Die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf Verträge der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser aus dem Versorgungsnetz, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser abweichen. Satz 1 gilt entsprechend für Verträge über die Entsorgung von Abwasser. (3) Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträge) finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit folgenden Maßgaben Anwendung: 1. Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden; 2. § 305c Abs. 2 und die §§ 306 und 307 bis 309 dieses Gesetzes sowie Artikel 46b des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche finden auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte; 3. bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen. (4) Dieser Abschnitt findet keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebsund Dienstvereinbarungen. Bei der Anwendung auf Arbeitsverträge sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; Kreft
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§ 310 | Anwendungsbereich § 305 Abs. 2 und 3 ist nicht anzuwenden. Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen stehen Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 gleich. I. Allgemeines, Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Einschränkungen in § 310 Abs. 1 und Abs. 2 BGB . . . . . III. Verbraucherverträge nach § 310 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . 1. Arbeitnehmer als Verbraucher . 2. Rechtsfolgen der Verbrauchereigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Fiktion des „Stellens“ der Vertragsbedingungen . . b) „Einmalige Verwendung“ . . c) „Berücksichtigung der Begleitumstände“ . . . . . . . . IV. Bereichsausnahme für Kollektivverträge . . . . . . . . . . . . . . 1. Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen . . . . . . . 2. Richtlinien nach dem Sprecherausschussgesetz, Regelungsabreden . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtskontrolle der Kollektivverträge . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . .
_ _ __ _ __ _ _ _ _ _ _ 1
10 13 14 21 22 25 38 41 42 46 47 48
V. Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten . . . . . . . . . . 1. „Arbeitsverträge“ . . . . . . . 2. „Im Arbeitsrecht geltende Besonderheiten“ . . . . . . . . 3. Kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien im Besonderen .
... ... ... ...
VI. Ausschluss der Anwendung von § 305 Abs. 2 und Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Die Gleichstellung von Kollektivverträgen mit Rechtsvorschriften, § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB . . . . . . . . . . . . . 1. Globalverweisungen . . . . . . . 2. Verweisung auf einzelne tarifliche Regelungen . . . . . . . . . 3. Verweisung auf abgrenzbare tarifliche Teilkomplexe . . . . . 4. Verweisung auf Betriebs- und Dienstvereinbarungen . . . . . . VIII. Kollektivverträge als eigener Maßstab der Inhaltskontrolle?
. . . . .
__ _ _ _ __ _ _ _ _ 49 50 51 59
63
67 69 75 76 78 80
I. Allgemeines, Entstehungsgeschichte 1 Aufgrund ihrer Einbeziehung in die Regelungen des Allgemeinen Teils des
Schuldrechts gelten die §§ 305 ff. BGB grundsätzlich für alle privatrechtlichen Schuldverhältnisse. § 310 Abs. 1, Abs. 2 BGB schränkt den damit eröffneten Anwendungsbereich hinsichtlich bestimmter Vorschriften für Verträge zwischen bestimmten Parteien ein. Abs. 3 der Bestimmung sieht für Verträge zwischen einem Unternehmer und Verbraucher bestimmte Modifikationen vor. Abs. 4 nimmt bestimmte Rechtsgebiete – das Erb-, das Familien- und das Gesellschaftsrecht – sowie private Rechtssetzung durch bestimmte Kollektivverträge – Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen – von einer Anwendung der §§ 305 ff. BGB gänzlich aus. Die genannten Kollektivverträge werden in Abs. 4 Satz 3 außerdem Rechtsvorschriften i.S.v. § 307 Abs. 3 BGB gleichgestellt. Eine besondere Modifikation enthält § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB: Bei der Anwendung der §§ 305 ff. BGB auf Arbeitsverträge „sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen“. 504
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I. Allgemeines, Entstehungsgeschichte | § 310
Abs. 1 und Abs. 2 der Bestimmung haben Vorbilder in § 23 Abs. 2 und § 24 2 AGBG. § 310 Abs. 3 BGB deckt sich weitgehend mit dem bisherigen § 24a AGBG. Die Herausnahme der Rechtsgebiete in § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB entspricht § 23 Abs. 1 AGBG. Dort war allerdings auch das Gebiet des Arbeitsrechts noch aufgeführt. Die Bereichsausnahme für das Arbeitsrecht ist mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11. 20011 am 1.1.2002 entfallen. Für Arbeitsverträge, die vor diesem Datum geschlossen worden waren, galt der alte Rechtszustand gemäß Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB ein Jahr lang übergangsweise weiter. Seit dem 1.1.2003 sind nach Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB auch solche „Altverträge“ der Geltung der §§ 305 ff. BGB unterworfen.2 Zu den damit verbundenen Übergangsproblemen vgl. Einf. Rz. 116 ff. Im Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 11.5.20013 lautete § 310 Abs. 4 3 BGB noch: „Dieser Abschnitt findet keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Arbeits-, Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts“. Dies entsprach der durch § 23 Abs. 1 AGBG geschaffenen, bestehenden Rechtslage (vgl. Einf. Rz. 15 ff.). In der Begründung des Gesetzesentwurfs4 heißt es dazu lapidar: „Abs. 4 entspricht wörtlich dem bisherigen § 23 Abs. 1 AGBG“. Auch soweit sich das Schrifttum seinerzeit mit den Auswirkungen der geplanten Schuldrechtsreform auf das Arbeitsverhältnis befasste, wurde die Herausnahme des Arbeitsrechts aus dem Geltungsbereich der §§ 305 ff. BGB nicht thematisiert.5 Dagegen empfahlen der Rechts- und der Wirtschaftsausschuss des Bundesrats 4 diesem, darum zu bitten, im weiteren Gesetzgebungsverfahren „zu prüfen, ob die Ausnahme für das Arbeitsrecht in § 310 Abs. 4 BGB-E … noch sachgerecht ist“.6 Zur Begründung heißt es: „§ 23 Abs. 1 AGB-Gesetz bestimmt gegenwärtig, dass das AGB-Gesetz insgesamt auf Arbeitsverträge keine Anwendung findet. Das bedeutet, dass sowohl die Vorschriften des AGB-Gesetzes über die Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen als auch die Vorschriften über ihre Kontrolle nicht auf Arbeitsvertragsbedingungen anzuwenden sind. Hieraus ist aber nicht der Schluss zu ziehen, dass eine AGB-Kontrolle im Bereich des Arbeitsrechts nicht stattfindet. § 23 Abs. 1 AGB-Gesetz wird nämlich einhellig so ausgelegt, dass die Vorschrift nur speziell die Anwendung des AGB-Gesetzes, nicht aber die Vornahme einer AGB-Kontrolle an sich untersage. Das Bundesarbeitsgericht geht deshalb 1 BGBl. I 2001, 3138. 2 Zur Problematik eines möglichen Verstoßes gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot vgl. BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, EzA BGB 2002 § 308 Nr. 1 mit Anm. Herresthal. 3 BR-Drucks. 338/01, S. 30. 4 BR-Drucks. 388/01, S. 369. 5 Vgl. etwa Löwisch, NZA 2001, 465; Joussen, NZA 2001, 745. 6 BR-Drucks. 338/01, S. 32.
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§ 310 | Anwendungsbereich derzeit so vor, wie der Bundesgerichtshof vor Schaffung des AGB-Gesetzes. Auf der Grundlage von §§ 242 und 315 BGB werden Arbeitsvertragsbedingungen im Prinzip so überprüft, als fände jedenfalls § 9 ABG-Gesetz auf sie Anwendung. Damit stellt sich die Frage, ob die Herausnahme des Arbeitsgerichts insgesamt aus dem Anwendungsbereich des AGB-Gesetzes und der dieses insoweit ersetzenden §§ 305 ff. BGB-E sachlich gerechtfertigt ist.“ 5 In der Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf der Bundesregierung sind
Bitte und Begründung der beiden Ausschüsse wortgleich aufgeführt.1
6 Die Bundesregierung ist den Anregungen des Bundesrats gefolgt. Sie legte eine
Neufassung des § 310 Abs. 4 mit folgendem Wortlaut vor:2
„(4) Dieser Abschnitt findet keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Bei Arbeitsverträgen sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; § 305 Abs. 2 und 3 ist nicht anzuwenden. Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen stehen Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 gleich.“
7 Zur Begründung heißt es:3 „Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die Bereichsausnahme des Arbeitsrechts hinsichtlich des AGB-Gesetzes im Grundsatz aufzuheben ist. Trotz des Schutzes durch zwingende gesetzliche Vorschriften und kollektive Vereinbarungen besteht auch im Arbeitsrecht ein Bedürfnis nach richterlicher Kontrolle der einseitig vom Arbeitgeber festgesetzten Arbeitsbedingungen; dies ist gerade vor dem Hintergrund des existentiellen Angewiesenseins auf einen Arbeitsplatz von besonderer Bedeutung. Das Fall-Material der Rechtsprechung des BAG zu den Arbeitsvertragsmodalitäten zeigt, dass eine „sich selbst überlassene“ Vertragsfreiheit nicht in der Lage war, insgesamt einen ausreichenden Schutz der Arbeitnehmer vor unangemessenen Vertragsbedingungen zu gewährleisten. … Die aus dieser uneinheitlichen Rechtsprechung entstehende Rechtsunsicherheit sollte durch die Streichung der Bereichsausnahme beseitigt werden. Dadurch wird auch dafür gesorgt, dass das Schutzniveau der Vertragsinhaltskontrolle im Arbeitsrecht nicht hinter demjenigen des Zivilrechts zurückbleibt. Allerdings sollten vor allem die besonderen Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit im Arbeitsrecht nicht zwingend uneingeschränkt zur Anwendung kommen. Vielmehr sollten hier die besonderen Bedürfnisse eines Arbeitsverhältnisses berücksichtigt werden können.“
8 Der Rechtsausschuss des Bundestags folgte wiederum bis auf eine – Gesetz ge-
wordene – redaktionelle Präzisierung dem Vorschlag der Bundesregierung. In seinem Bericht heißt es:4 „Die teilweise Zurücknahme der Ausnahme für Arbeitsverträge entspricht der Gegenäußerung der Bundesregierung zu Nr. 50 der Stellungnahme des Bundesrates. Die dort dargestellten Gründe teilt der Ausschuss. Klarzustellen war in redaktioneller Hinsicht, dass 1 2 3 4
BR-Drucks. 338/01 (Beschluss), S. 28. BT-Drucks. 14/6857, S. 53. BT-Drucks. 14/6857, S. 53. BT-Drucks. 14/7052, S. 189.
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II. Die Einschränkungen in § 310 Abs. 1 und Abs. 2 BGB | § 310 sich Satz 2 nicht unmittelbar auf Arbeitsverträge beziehen und deren besondere Ausgestaltung fördern soll, sondern auf die Anwendung der Vorschriften auf Arbeitsverträge. Der Ausschuss verbindet mit der vorgesehenen Formulierung die Erwartung, dass den Besonderheiten spezifischer Bereiche des Arbeitsrechts, wie z.B. dem kirchlichen Arbeitsrecht, angemessen Rechnung getragen werden kann. Der Ausschuss ist darüber hinaus der Ansicht, dass mit der Ausweitung der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle auf dem Gebiet des Arbeitsrechts nicht gleichermaßen eine Ausweitung im Verfahrensrecht einhergehen sollte, sondern dass im Unterlassungsklagengesetz eine Ausnahme vom Anwendungsbereich für das Arbeitsrecht vorgesehen werden sollte … Das System der Unterlassungsansprüche erscheint nämlich im Bereich des Arbeitsrechts in der im Unterlassungsklagengesetz vorgesehenen Form in zweierlei Hinsicht nicht zweckmäßig zu sein: … Daher soll das Gesetz nicht für das Arbeitsrecht gelten. Dass ändert an dem Bestehen der Klagemöglichkeiten der Gewerkschaften nichts und steht auch der richterlichen Rechtsfortbildung nicht entgegen.“
Der Bundestag folgte dem Vorschlag des Rechtsausschusses in materiell-recht- 9 licher und verfahrensrechtlicher Hinsicht. Gemäß § 15 seiner Vorschriften findet das Unterlassungsklagengesetz „auf das Arbeitsrecht keine Anwendung“.1
II. Die Einschränkungen in § 310 Abs. 1 und Abs. 2 BGB § 310 Abs. 1 BGB ist für das Arbeitsrecht ohne Bedeutung. Satz 1 der Vor- 10 schrift modifiziert die Geltung der §§ 305 ff. BGB für Allgemeine Geschäftsbedingungen, „die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden“. Der Arbeitnehmer ist kein Unternehmer. Unternehmer ist nach § 14 Abs. 1 BGB eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Der Arbeitnehmer handelt bei Abschluss eines Arbeitsvertrags nicht in Ausübung einer „selbständigen beruflichen Tätigkeit“. Der Arbeitsvertrag begründet vielmehr definitionsgemäß – gesetzlich normiert in § 611a BGB – eine Privatrechtsbeziehung, innerhalb derer sich der eine Teil zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter und gerade nicht selbständiger, sondern in persönlicher Abhängigkeit zu erbringender Arbeit verpflichtet. Dies steht einem Status als Unternehmer entgegen. Zwar ist der Arbeitnehmer bei Abschluss des Arbeitsvertrags noch „frei“ und in diesem Sinne „selbständig“. Es kann jedoch nicht davon gesprochen werden, der Abschluss von Arbeitsverträgen sei Gegenstand der „beruflichen Tätigkeit“ des Arbeitnehmers. Arbeitnehmer- und Unternehmerstatus schließen sich aus. 1 Zur Frage, ob auch in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten seit dem 1.11.2018 eine Musterfeststellungsklage nach dem Gesetz zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage v. 12.7.2018 (BGBl. I 2018, 1151) geführt werden kann, vgl. Zimmer/ Weigl, BB 2019, 183 f.; Heinzelmann, AA 2018, 597 f.; zu Vorstellungen einer gewerkschaftlichen Verbandsklage vgl. Greiner, ArbuR 2016, 92 (97 f.).
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§ 310 | Anwendungsbereich 11 Arbeitnehmerähnliche Personen sind dagegen weisungsunabhängige Selb-
ständige, wenn auch in wirtschaftlicher Abhängigkeit und vergleichbar einem Arbeitnehmer schutzbedürftig (§ 12a Abs. 1 TVG, § 5 Satz 2 ArbGG). Sie schließen keine Arbeitsverträge. Auf sie fand deshalb schon das AGB-Gesetz Anwendung.1 Gehen arbeitnehmerähnliche Personen die als Grundlage für ihr Tätigwerden typische Rechtsbeziehung – Dienstvertrag oder Werkvertrag – ein, handeln sie in Ausübung selbständiger beruflicher Tätigkeit2 und sind – jedenfalls formal – als Unternehmer i.S.v. § 14 BGB anzusehen. Nach § 310 Abs. 1 BGB finden damit § 305 Abs. 2, Abs. 3 BGB – dies gilt gem. § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 BGB freilich auch für Arbeitnehmer – sowie § 308 Nrn. 1, 2 bis 8 BGB und § 309 BGB auf Verträge mit arbeitnehmerähnlichen Personen keine Anwendung.3 Im Rahmen von § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB ist allerdings auf die besondere soziale Schutzbedürftigkeit dieser „Unternehmer“-Gruppe zu achten.4 Auch die „im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten“ sind nicht zu berücksichtigen, weil arbeitnehmerähnliche Personen keine „Arbeitsverträge“ i.S.v. § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 1 BGB schließen. Im Ergebnis wird deshalb für Arbeitnehmer und arbeitnehmerähnliche Personen ein annähernd gleiches Schutzniveau bestehen.5
12 § 310 Abs. 2 BGB nimmt Verträge auf dem Gebiet der Energie- und Wasserver-
sorgung mit „Sonderabnehmern“ von der Anwendung der §§ 308, 309 BGB aus. Konsequenzen für Arbeitsverträge folgen daraus nicht.
III. Verbraucherverträge nach § 310 Abs. 3 BGB 13 Für Verträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher gelten ge-
mäß § 310 Abs. 3 BGB zum Schutz des Letzteren bestimmte Besonderheiten. Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten regelmäßig als vom Unternehmer gestellt; § 305c Abs. 2, § 306, §§ 307, 308, 309 BGB und Art. 46b EGBGB finden in der Regel auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind; schließlich sind im Rahmen von § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen.
1 Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 55 m.w.N. 2 Roloff in HWK, § 310 BGB Rz. 1. 3 Däubler in DBD, Einleitung Rz. 75; demgegenüber geht Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 10 offenbar von der Geltung des § 305 Abs. 2, Abs. 3 BGB für die Verträge mit arbeitnehmerähnlichen Personen aus, ohne auf den Unternehmerbegriff und § 310 Abs. 1 BGB einzugehen. 4 Vgl. Fuchs/Bieder in UBH, Anh. § 310 BGB Rz. 7. 5 So auch Basedow in MünchKommBGB, § 310 Rz. 105; Schlosser in Staudinger, § 310 Rz. 90; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 10.
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III. Verbraucherverträge nach § 310 Abs. 3 BGB | § 310
1. Arbeitnehmer als Verbraucher Mit Blick auf das Arbeitsrecht stellte sich bei Inkrafttreten der §§ 305 ff. BGB 14 von Beginn an die Frage, ob Arbeitnehmer bei Abschluss von Arbeitsverträgen als „Verbraucher“ i.S.v. § 310 Abs. 3 BGB handeln. Gemäß § 13 BGB ist „Verbraucher … jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugeordnet werden kann“. Da die Bestimmung nicht den Ausdruck „berufliche Tätigkeit“ verwendet, sondern von „selbständiger beruflicher Tätigkeit“ spricht, und da der Zweck des Arbeitsvertrags nicht darin besteht, die Grundlage für eine selbständige berufliche Tätigkeit zu schaffen, werden Arbeitnehmer – anders als arbeitnehmerähnliche Personen – von ihrem Wortlaut erfasst. Auf diese Weise weitet § 13 BGB den Verbraucherbegriff über den der ihm zu- 15 grunde liegenden Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen1 in ihrer Fassung durch die Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über die Rechte der Verbraucher und – u.A. – zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG vom 25.10. 20112 aus. Nach Art. 2 Nr. 1 Richtlinie 2011/83/EU ist Verbraucher „jede natürliche Person, die bei von dieser Richtlinie erfassten Verträgen zu Zwecken handelt, die außerhalb ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit liegen“. Danach sind Arbeitnehmer keine Verbraucher. Ihrer (unselbständigen) beruflichen Tätigkeit kann der Abschluss eines Arbeitsvertrags allemal zugerechnet werden – aber eben nicht einer „selbständigen“ beruflichen Tätigkeit. Die Erweiterung des Verbraucherbegriffs und damit des Verbraucherschutzes über das Mindestmaß der Richtlinie hinaus ist dabei – schon wegen Art. 8 der Richtlinie 93/13/EWG selbst – unionsrechtlich unbedenklich.3 War trotz des Wortlauts von § 13 BGB mit dem Wegfall der Bereichsausnahme 16 der AGB-Kontrolle für das Arbeitsrecht anfangs hoch umstritten, ob Arbeitnehmer bei Abschluss von Arbeitsverträgen zugleich als Verbraucher handeln,4 so kann die Diskussion nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25.5.20055 als mehr oder weniger beendet angesehen werden. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts hat sich der Gesetzgeber mit der Definition in § 13 BGB vom allgemeinen Sprachgebrauch gelöst und einen rechtstechnischen Oberbegriff geschaffen, der einen konsumtiven Geschäftszweck nicht voraussetzt und den Abschluss von Arbeitsverträgen erfasst.6 In der Entstehungsgeschichte von § 13 und § 310 Abs. 3 BGB sieht das Bundesarbeitsgericht mit Recht klare 1 2 3 4 5 6
ABl. Nr. L 95 v. 21.4.1993, S. 29 ff. ABl. Nr. L 304 v. 22.11.2011, S. 64 ff. Däubler in DBD, Einleitung Rz. 69; Roloff in Erman, § 310 Rz. 11. Vgl. die rund 60 Schrifttumsnachweise bei Däubler in DBD, Einleitung Rz. 61, 62. BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 3. So auch Preis, NZA-Beilage 16/2003, S. 19 (22 f. m.w.N.).
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§ 310 | Anwendungsbereich Hinweise darauf, dass dies dem Gesetzgeber bewusst gewesen ist. In der Begründung zum Regierungsentwurf des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes heißt es mit Blick auf den Verbrauchsgüterkauf:1 „(Die) Definition (in § 13) deckt sich mit derjenigen in Art. 1 Abs. II Buchstabe a der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nahezu vollständig, weicht allerdings in einem Punkt hiervon ab: Anders als nach der Richtlinie nimmt § 13 nur die selbständige berufliche Tätigkeit aus dem Verbraucherbegriff aus. Das ist sachlich gerechtfertigt. Die Erwähnung der beruflichen neben der gewerblichen Tätigkeit hat in erster Linie den Zweck, auch die freien Berufe zu erfassen, die traditionell nicht als Gewerbe angesehen werden (Rechtsanwälte, Steuerberater usw.). Es sollen aber nicht die Personen aus dem Verbraucherbegriff ausgenommen werden, die als abhängig Beschäftigte eine Sache zu einem Zweck kaufen, der (auch) zu ihrer beruflichen Tätigkeit dient, z.B. der Lehrer, der sich einen Computer anschafft, um damit Klassenarbeiten zu entwerfen, oder der Angestellte, der eine Kaffeemaschine für sein Büro kauft. Das gilt auch für die Rechtsbeziehungen des Arbeitnehmers zu seinem Arbeitgeber. Solche Fälle sind nicht mit denjenigen vergleichbar, in denen selbständig als Unternehmer am Wirtschaftsleben Beteiligte Verträge abschließen. Sie sollen deshalb den besonderen Vorschriften über Verbrauchergeschäfte unterstellt werden.“
17 Für das Bundesarbeitsgericht bedeutet die Verbrauchereigenschaft des Arbeit-
nehmers gleichwohl nicht, dass unbesehen sämtliche Schutzvorschriften zugunsten des Verbrauchers auch auf den Arbeitnehmer Anwendung fänden. Es ist für jede einzelne dieser Vorschriften zu prüfen, ob ihr telos eine Erstreckung auf Arbeitnehmer verlangt.2 So hat das BAG in seinen Entscheidungen vom 27.11. 2003 und 23.2.2005 noch dahinstehen lassen, ob der Arbeitnehmer als Verbraucher anzusehen ist. Selbst wenn dies zu bejahen sein sollte, bestehe ein Recht zum Widerruf eines am Arbeitsplatz geschlossenen Aufhebungsvertrags nach § 312 Abs. 1 BGB nicht,3 und selbst wenn dies zu verneinen sein sollte, sei ein Arbeitsvertrag angesichts des Zwecks der Vorschrift kein „Rechtsgeschäft“ i.S.v. § 288 Abs. 2 BGB, so dass der Verzugszinssatz für Geldforderungen aus einem Arbeitsverhältnis nicht acht – mittlerweile wären es neun –, sondern gemäß § 288 Abs. 1 BGB nur fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz betrage.4 Das BAG hat entschieden, dass auch § 288 Abs. 5 BGB und die dort vorgesehene Pauschalforderung des Gläubigers des säumigen Schuldners i.H.v. 40,00 Euro im Arbeitsverhältnis keine Anwendung findet – nicht etwa weil der säumige Arbeitgeber seinerseits als Verbraucher anzusehen wäre, sondern weil § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG als spezielle arbeitsrechtliche Regelung nicht nur einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch wegen erstinstanzlich entstandener Beitreibungskosten ausschließt, sondern auch einem entsprechenden materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch und damit zugleich dem Anspruch auf Pauschalen nach § 288 Abs. 5 BGB entgegensteht.5 1 2 3 4 5
BT-Drucks. 14/6050, S. 241. BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 3. BAG v. 27.11.2003 – 2 AZR 135/03, AP BGB § 312 Nr. 1. BAG v. 23.2.2005 – 10 AZR 602/03, EzA InsO § 209 Nr. 4. BAG v. 25.9.2018 – 8 AZR 26/18, EzA BGB 2002 § 288 Nr. 2.
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III. Verbraucherverträge nach § 310 Abs. 3 BGB | § 310
Der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist zuzustimmen. Zwar verlangen 18 nicht etwa die Richtlinien 93/13/EWG, 2011/83/EU nach der Unterstellung von Arbeitnehmern unter den Verbraucherbegriff – dies hätte ansonsten spätestens zum 1.1.1995 und nicht erst zum 1.1.2002 geschehen müssen. Erwägungsgrund Nr. 10 spricht vielmehr ausdrücklich davon, dass die Vorschriften der Richtlinie „für alle Verträge zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern gelten (sollten) und von ihr (daher) ausgenommen sind insbesondere Arbeitsverträge sowie Verträge auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Wirtschaftsrechts“. Der Gesetzgeber des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes ging aber – unionsrechtlich unbedenklich – ersichtlich weiter. Die Rechtsprechung des BAG hat sich seit dem Jahr 2005 verfestigt. Sämtliche 19 Senate sind der Entscheidung des Fünften Senats vom 25.5.20051 gefolgt.2 Im Schrifttum sind nur wenige Stimmen weiterhin anderer Ansicht.3 Die überwiegende Anzahl hat sich dem BAG angeschlossen.4 Von der Verbrauchereigenschaft des Arbeitnehmers ist deshalb zumindest für die Rechtspraxis als feststehend auszugehen. Als Verbraucher handelt der Arbeitnehmer zudem nicht nur bei Abschluss des Arbeitsvertrags, sondern auch bei vertraglicher Aufhebung des Arbeitsverhältnisses und Vereinbarungen über die Bedingungen seiner Beendigung.5 Mangels Selbständigkeit ist zumindest auch der Fremdgeschäftsführer einer 19a GmbH Verbraucher i.S.v. § 310 Abs. 3, § 13 BGB,6 selbst wenn er – wie im Regelfall – als Dienstnehmer nach § 611 BGB und nicht ausnahmsweise ohnehin als Arbeitnehmer nach § 611a BGB anzusehen ist – letzteres ist nach der Recht1 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 3. 2 Vgl. BAG v. 15.2.2007 – 6 AZR 286/06, AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 35; dazu BVerfG v. 23.11.2006 – 1 BvR 1909/06, AP BGB 307 Nr. 21, zu II 2b aa (1) der Gründe; BAG v. 8.8.2007 – 7 AZR 855/06, EzA TzBfG § 14 Nr. 42; BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, EzA BGB 2002 § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 12; BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 28; BAG v. 18.3.2008 – 9 AZR 186/07, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 36; BAG v. 23.9.2010 – 8 AZR 897/98, EzA BGB 2002 § 309 Nr. 6; BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 347/14, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 71; BAG v. 24.2.2016 – 7 AZR 253/14, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 74; BAG v. 26.10.2017 – 6 AZR 155/16, EzA BGB 2002 § 622 Nr. 14. 3 So Basedow in MünchKommBGB, § 310 Rz. 33; für die Vertreter der Gegenansicht vor der Entscheidung des BAG vgl. die Nachw. bei Fuchs/Bieder in UHB, Anh. § 310 Rz. 49. 4 Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 23; Berger in PWW, § 310 Rz. 7; Schlosser in Staudinger, § 310 Rz. 48, 92; K. Schmidt, JuS 2006, 1 ff.; Lapp/Salamon in jurisPK-BGB, § 310 Rz. 48; Thüsing, AGB-Kontrolle Rz. 46 ff.; Fuchs/Bieder in UBH, Anh. § 310 Rz. 14; Deinert in DBD, § 310 Rz. 3; Roloff in HWK, § 310 BGB Rz. 2; Hümmerich/Ebeling in AnwK, § 310 BGB Rz. 4 f.; Lakies in Vertragsgestaltung, 1 Rz. 89. 5 BAG v. 26.10.2017 – 6 AZR 158/16, EzA BGB 2002 § 622 Nr. 14; BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 347/14, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 71. 6 BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10.
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§ 310 | Anwendungsbereich sprechung des BAG1 und des EuGH2 durchaus möglich. Weder der Abschluss des Anstellungsvertrags – sei dieses ein Dienst-, sei es ein Arbeitsvertrag – noch die tatsächliche Führung der Geschäfte einer GmbH stellt eine gewerbliche oder selbständige Tätigkeit dar.3 Die Geschäftsführung für eine GmbH ist keine selbständige, sondern eine „angestellte“, d.h. unselbständige berufliche Tätigkeit.4 Eine berufliche Tätigkeit ist nur dann als selbständig anzusehen, wenn sie nicht nur weitgehend frei von Weisungen erbracht, sondern im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und im eigenen Verantwortungsbereich ausgeübt wird.5 Das wirtschaftliche Risiko der Tätigkeit muss unmittelbar vom Selbständigen selbst getragen werden. Das ist beim Geschäftsführer einer GmbH nicht der Fall. Er übt seine Tätigkeit im Namen und auf Rechnung der Gesellschaft aus. Überdies unterliegt er im Innenverhältnis den Weisungen der Gesellschafter. Wenn demnach die tatsächliche Führung der Geschäfte einer GmbH keine selbständige Tätigkeit nach § 13 BGB darstellt, so gilt dies erst recht für den Abschluss des ihr zugrunde liegenden Anstellungsvertrags, jedenfalls dann, wenn der Geschäftsführer nicht zugleich Gesellschafter ist und als solcher zumindest über eine Sperrminorität verfügt und Leitungsmacht über die Gesellschaft ausüben kann.6 Verbraucher ist auch das Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft bei Abschluss seines Anstellungsvertrags, jedenfalls dann, wenn es nicht zugleich in erheblichem Umfang Aktien „seiner“ Gesellschaft besitzt.7 19b Auch ein „Volontariatsvertrag“, in dem sich der „Volontär“ gegen Gewährung
einer „Ausbildungsvergütung“ verpflichtet, an den Vorlesungen und Prüfungen seines Studiengangs teilzunehmen und in der vorlesungsfreien Zeit die ihm übertragenen Aufgaben zu erfüllen, ist ein Verbrauchervertrag i.S.v. § 310 Abs. 3 BGB; er regelt die unselbständige berufliche Tätigkeit des „Volontärs“.8 Für Praktikanten i.S.v. § 26 BBiG, § 22 Abs. 1 MiLoG gilt nichts anderes, unabhängig davon, ob sie ohnehin Arbeitnehmer sind, zumindest als solche gelten (§ 22 Abs. 1 Satz 2 MiLoG) oder nicht als solche anzusehen sind; sie sind allemal Verbraucher i.S.v. § 13 BGB, sofern sie sich überhaupt rechtsgeschäftlich gebunden haben und dies zu – im weitesten Sinne – beruflichen Zwecken. 1 Vgl. BAG v. 26.5.1999 – 5 AZR 664/98, EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 76. 2 EuGH v. 11.11.2010 – C-232/09, EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 92/85 Nr. 5; zum möglichen Arbeitnehmerstatus des Fremdgeschäftsführers vgl. Kreft, NZA-Beilage 9/2012, S. 60. 3 BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10. 4 BGH v. 5.6.1996 – VIII ZR 151/95, BGHZ 133, 71; BGH v. 15.7.2004 – III ZR 315/03, NJW 2004, 3039; Hümmerich, NZA 2006, 710. 5 BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10. 6 BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10; Hümmerich, NZA 2006, 710 ff.; zur (Un)Selbständigkeit des Fremdgeschäftsführers in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht vgl. BSG v. 14.3.2018 – B 12 KR 13/17 R, ZIP 2018, 2366. 7 OLG Hamm v. 18.7.2007 – 8 Sch 2/07, MDR 2007, 1438. 8 BAG v. 18.3.2008 – 9 AZR 186/07, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 36.
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III. Verbraucherverträge nach § 310 Abs. 3 BGB | § 310
Ein Verbrauchervertrag nach § 310 Abs. 3 BGB verlangt freilich nicht nur, dass 20 der eine Vertragspartner Verbraucher, sondern auch, dass der andere Vertragsteil „Unternehmer“ ist. Als solcher wird ein Arbeitgeber bei Eingehung eines Arbeitsvertrags zwar in der Regel anzusehen sein. Zwingend ist dies jedoch nicht. Unternehmer- und Arbeitgeberbegriff sind nicht synonym. Ein Arbeitgeber handelt, anders als in § 14 BGB verlangt, z.B. dann nicht „in Ausübung seiner gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit“, wenn er mit einem Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag zum Zweck privater Haushaltshilfe schließt.1
2. Rechtsfolgen der Verbrauchereigenschaft Nach § 310 Abs. 3 BGB finden die §§ 305 ff. BGB bei Verbraucherverträgen mit 21 bestimmten Maßgaben Anwendung. Diese sind ohne Einschränkung auch für Arbeitsverträge zu beachten. Es gibt keinen sachlichen Grund, die besonderen gesetzlichen Maßgaben für Verbraucherverträge mit Blick auf Arbeitsverträge generell zu modifizieren. a) Die Fiktion des „Stellens“ der Vertragsbedingungen Nach § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB „gelten“ Allgemeine Geschäftsbedingungen bei 22 Verbraucherverträgen „als vom Unternehmer gestellt“, wenn sie nicht der Verbraucher selbst in den Vertrag eingeführt hat. Die Bestimmung erleichtert dem Verbraucher auf diese Weise den gemäß § 305 Abs. 1 BGB grundsätzlich von ihm zu führenden Nachweis,2 dass die andere Vertragspartei die für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Bedingungen bei Abschluss des Vertrags „gestellt“ hat.3 Damit sind zwei Aspekte verbunden. Zum einen gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch dann als „vom Unternehmer“ gestellt, wenn sie auf Veranlassung eines Dritten in den Vertrag einbezogen wurden. Zum anderen gelten sie allemal als „gestellt“, d.h. mit derjenigen Intensität in den Vertrag eingebracht, wie § 305 Abs. 1 BGB sie verlangt.4 Etwas anderes gilt gem. § 310 Abs. 3 Nr. 1 Halbs. 2 BGB nur, wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen – die für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen – durch den Verbraucher eingeführt wurden. Für das Arbeitsverhältnis ist § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB damit ohne große prakti- 23 sche Bedeutung.5 Es ist weder üblich – wenn auch immerhin denkbar –, dass nicht der Arbeitgeber, sondern ein Dritter – etwa ein Rechtsberater – den Ein1 Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, I C Rz. 74. 2 BGH v. 14.5.1992 – VII ZR 204/90, BGHZ 118, 229 = NJW 1992, 2160; Ulmer/Habersack in UBH, § 305 Rz. 60. 3 BGH v. 15.4.2008 – X ZR 126/06, BGHZ 176, 140 = NJW 2008, 2250. 4 Vgl. BAG v. 26.10.2017 – 6 AZR 158/16, EzA BGB 2002 § 622 Nr. 14. 5 So auch Deinert in DBD, § 310 Rz. 5; ähnlich schon Preis, NZA-Beilage 16/2003, S. 26.
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§ 310 | Anwendungsbereich bezug vorformulierter Vertragsbedingungen veranlasst, noch ist es üblich, dass der Arbeitnehmer seinerseits Allgemeine Geschäftsbedingungen in den Vertrag einführt. Im Regelfall dürfte deshalb der Arbeitnehmer auch ohne die Fiktion des „Stellens“ der Vertragsbedingungen keine Schwierigkeiten haben nachzuweisen, dass der Arbeitgeber diese Bedingungen „gestellt“ hat. Das nämlich ist nach herrschender Meinung schon dann der Fall, wenn einer der Vertragspartner deren Einbezug vorgeschlagen und verlangt hat, ohne dass er sie gegenüber dem anderen Vertragspartner kraft Verhandlungsstärke und ohne wirkliche Verhandlungsbereitschaft einseitig durchgesetzt haben müsste.1 § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB enthebt den Arbeitnehmer jedenfalls jeglichen Nachweises. Er hat ggf. nur die Voraussetzungen für das Eingreifen der Fiktion – das Vorliegen vorformulierter Vertragsbedingungen2 und die Unternehmereigenschaft des Arbeitgebers – darzulegen und zu beweisen. Bei letzterem kommt ihm § 344 Abs. 1 HGB zugute. Danach gelten die von einem Kaufmann vorgenommenen Rechtsgeschäfte im Zweifel als zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehörig. Beim Nachweis der Vorformulierung kommen dem Arbeitnehmer Beweiserleichterungen zustatten, die sich insbesondere aus dem äußeren Gesamteindruck des Vertragstextes ergeben können; vgl. im Einzelnen die Erläuterungen zu § 305 Rz. 22. 24 Kann der Arbeitgeber demnach nicht mit Erfolg vorbringen, die Allgemeinen
Geschäftsbedingungen seien ohne Aktivitäten seinerseits Vertragsinhalt geworden, so bleibt ihm die Möglichkeit unbenommen darzulegen, dass die Klausel im Einzelnen ausgehandelt und damit gemäß § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht vorformuliert wurde. Dies hat nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB schon wegen Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Richtlinie 93/13/EWG allerdings der Arbeitgeber zu beweisen.3 Für ein „Aushandeln“ genügt dabei nicht, dass der Inhalt der fraglichen Klausel erläutert und erörtert wurde. Vielmehr muss der Verwender/Arbeitgeber die Klausel ernsthaft zur Disposition gestellt und seinem Vertragspartner Gestaltungsmöglichkeiten zur Wahrnehmung der eigenen Interessen eingeräumt haben. Der Verbraucher/Arbeitnehmer muss die reale Möglichkeit besessen haben, die fragliche Vertragsbedingung inhaltlich mitzugestalten.4 Der Verwender muss sich also deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären. In der Regel schlägt sich eine solche Bereitschaft in erkennbaren Änderungen des vorformulierten ursprünglichen Textes 1 BGH v. 22.7.2009 – IV ZR 74/08, NJW-RR 2010, 39 = NZG 2009, 1224; BGH v. 24.5.1995 – XII ZR 172/94, BGHZ 130, 50 = NJW 1995, 2034; Ulmer/Habersack in UBH, § 305 Rz. 26, 27 m.w.N.; Ulmer/Schäfer in UBH, § 310 Rz. 70. 2 Roloff in HWK, § 310 BGB Rz. 2; Roloff in Erman § 310 Rz. 19; Hümmerich/Ebeling in AnwK § 310 Rz. 8; zum Merkmal „für eine Vielzahl von Verträgen“ vgl. unten Rz. 25. 3 Basedow in MünchKommBGB, § 310 Rz. 55; Ulmer/Schäfer in UBH, § 310 Rz. 77. 4 BGH v. 22.11.2012 – VII ZR 222/12, NJW 2013, 856; BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 48 m.w.N.; vgl. ferner die Erläuterungen zu § 305 Rz. 46 ff.; zu den – ähnlich hohen – Anforderungen des BGH an ein Fehlen des „Stellens“ der AGB vgl. die Ausführungen und Nachweise bei Graf von Westphalen, NJW 2017, 2237 f.
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III. Verbraucherverträge nach § 310 Abs. 3 BGB | § 310
nieder. Nur unter besonderen Umständen kann eine Vertragsklausel auch dann als Ergebnis eines Aushandelns angesehen werden, wenn es schließlich nach gründlicher Erörterung bei dem gestellten Entwurf verbleibt.1 Im Fall des § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB i.V.m. § 305 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 BGB trägt demnach der Verbraucher/Arbeitnehmer die Beweislast dafür, dass die fraglichen Klauseln für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert wurden, der Unternehmer/Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Vertragsklauseln, obwohl vorformuliert, im Einzelnen ausgehandelt wurden.2 b) „Einmalige Verwendung“ Voraussetzung für die Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB ist wegen § 305 Abs. 1 25 Satz 1 BGB grundsätzlich, dass der anderen Vertragspartei Vertragsbedingungen gestellt worden sind, die „für eine Vielzahl von Verträgen“ – nach allgemeiner Meinung also für mindestens drei Verträge3 – vorformuliert wurden. Bei Verbraucherverträgen wird auf dieses Erfordernis verzichtet. Gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB finden bei Verbraucherverträgen die Vorschriften des § 305c Abs. 2, des § 306, der §§ 307, 308, 309 BGB und des Art. 46b EGBGB auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind. Das gilt jedenfalls soweit, wie der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. Der gesetzliche Verzicht auf das Kriterium der Verwendung für eine Vielzahl 26 von Verträgen, das eine „Allgemeine“ Geschäftsbedingung eigentlich ausmacht, ist in gewisser Weise systemfremd. Er ist gleichwohl nötig. Andernfalls stünde die Richtlinienkonformität des deutschen Verbraucherschutzrechts in Frage. Die Richtlinie 93/13/EWG kennt das Kriterium der „Vielzahl“ als konstitutive Voraussetzung für die Kontrolle missbräuchlicher Vertragsklauseln nicht. Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie ist Voraussetzung einer Kontrolle nur, dass die fragliche Vertragsklausel „nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde“. Schon § 24a Nr. 2 AGBG 1996 sah deshalb eine § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB entsprechende Regelung vor. Im Übrigen impliziert auch die Absicht der nur einmaligen Verwendung nicht, dass die Vertragsbedingungen „ausgehandelt“ worden sein müssen. Sie wären deshalb – so wie vor dem Jahr 2002 – auch ohne die Regelung in § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB jedenfalls einer Inhaltskontrolle gem. §§ 138, 242 BGB unterworfen. Ob vorformulierte Vertragsbedingungen nur zur einmaligen Verwendung be- 27 stimmt sind, hängt nicht von der Absicht des konkreten Verwenders, sondern von der Absicht desjenigen ab, der die Bedingungen formuliert hat. Deshalb liegen „für eine Vielzahl von Verträgen“ vorformulierte Vertragsbedingungen vor, 1 BGH v. 22.11.2012 – VII ZR 222/12, NJW 2013, 856. 2 BGH v. 15.4.2008 – X ZR 126/06, NJW 2008, 2250. 3 BAG v. 1.3.2006 – 5 AZR 363/05, EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 48; BGH v. 11.12. 2003 – VII ZR 31/03, NJW 2004, 1454.
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§ 310 | Anwendungsbereich wenn zwar der konkrete Arbeitgeber nur dieses eine Mal von ihnen Gebrauch machen will, dazu aber etwa den vom Arbeitgeberverband formulierten Standardvertragstext benutzt.1 28 Erforderlich für die Anwendung der in § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB aufgezählten Be-
stimmungen ist aber auch bei der nur für einen Fall beabsichtigten Verwendung, dass die fraglichen Vertragsbedingungen vom Unternehmer/Arbeitgeber „vorformuliert“ wurden. Dafür gelten dieselben Anforderungen wie in § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB; zu diesen vgl. § 305 Rz. 20 ff. Eine Vertragsbedingung ist danach „vorformuliert“, wenn sie schon vor dem Vertragsabschluss in einer vom Unternehmer/Arbeitgeber oder einem Dritten hergestellten fertigen sprachlichen Fassung vorliegt, ohne dass auf sie bezogene Vorverhandlungen mit dem Verbraucher/Arbeitnehmer stattgefunden hätten.2 Es genügt, dass sie vom Unternehmer/Arbeitgeber vor Vertragsschluss aufgezeichnet oder in sonstiger Weise fixiert wurden.3
29 Der Verbraucher/Arbeitnehmer darf überdies „auf Grund der Vorformulierung
auf (den) Inhalt (der Vertragsbedingungen) keinen Einfluss“ haben nehmen können. Einfluss hat der Verwendungsgegner nehmen können, wenn die Einbeziehung der vorformulierten Vertragsbedingungen sich als das Ergebnis seiner entsprechenden freien Entscheidung darstellt, nachdem er vom anderen Vertragsteil mit dem Verwendungsvorschlag konfrontiert worden war. Dazu muss er Gelegenheit erhalten haben, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlungen einzubringen.4 Nach Auffassung des BAG entspricht die Möglichkeit eines „Einflussnehmens“ in § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB der eines „Aushandelns“ in § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB. Auch die Möglichkeit einer Einflussnahme setzt danach voraus, dass der Verwender die Vertragsbedingungen ernsthaft zur Disposition stellt und dem Vertragspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung von dessen eigenen Interessen einräumt.5 Der Verwender muss sich deutlich und ernsthaft zu gewünschten Änderungen der zu treffenden Vereinbarung bereit erklären, was für den Vertragspartner bei Vertragsschluss erkennbar gewesen sein muss.6 Demgegenüber wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, an die Möglichkeit der Einfluss1 Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 22; BGH v. 16.11.1990 – V ZR 217/89, NJW 1991, 843. 2 Vgl. Basedow in MünchKommBGB, § 310 Rz. 69; Schlosser in Staudinger, § 310 Rz. 62; Roloff in Erman, § 310 Rz. 19. 3 BAG v. 26.10.2017 – 6 AZR 158/16, EzA BGB 2002 § 622 Nr. 14; BAG v. 12.12.2013 – 8 AZR 829/12, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 64. 4 BGH v. 17.2.2010 – VIII ZR 67/09, NJW 2010, 1131; vgl. dazu Graf von Westphalen, ZIP 2010, 1110. 5 BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10; so auch Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 24; Roloff in HWK, § 310 BGB Rz. 3; Becker in Bamberger/Roth, § 310 Rz. 17; Roloff in Erman, § 310 Rz. 20; Grünberg in Palandt, § 310 Rz. 17. 6 BAG v. 26.10.2017 – 6 AZR 158/16, EzA BGB 2002 § 622 Nr. 14; BAG v. 24.2.2016 – 5 AZR 258/14, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 75; BAG v. 19.8.2015 – 5 AZR 500/14, EzA BGB 2002 § 138 Nr. 12.
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III. Verbraucherverträge nach § 310 Abs. 3 BGB | § 310
nahme seien geringere Anforderungen als an ein Aushandeln zu stellen. Es müsse ausreichen, dass der Unternehmer die ernsthaft gemeinte Bereitschaft signalisiere, auf Änderungswünsche des Verbrauchers einzugehen, auch wenn der Verbraucher von ihr keinen Gebrauch mache.1 Soweit damit eine Differenzierung zu § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB verlangt wird, 30 überzeugt das nicht. Zum einen sind die praktischen Unterschiede zwischen „Einfluss nehmen können“ und „aushandeln können“ kaum auszumachen. Zwischen einer Haltung, bei der der Verwender die Vertragsbedingungen ernsthaft zur Disposition stellt und dem Vertragspartner Gestaltungsfreiheit einräumt, und einer solchen, bei der der Verwender die ernsthafte Bereitschaft zu erkennen gibt, auf Änderungswünsche einzugehen, lassen sich empirisch fassbare Unterschiede schwerlich feststellen.2 Zum anderen ist nach Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Richtlinie 93/13/EWG „eine Vertragsklausel … immer (schon) dann als nicht im Einzelnen ausgehandelt zu betrachten, wenn sie im Voraus abgefasst wurde und der Verbraucher deshalb insbesondere im Rahmen eines vorformulierten Standardvertrags keinen Einfluss auf ihren Inhalt nehmen konnte“. Die Richtlinie setzt folglich „nicht aushandeln“ gleich mit „wegen Vorformulierung keinen Einfluss nehmen können“. Positiv formuliert bedeutet dann „Einfluss nehmen können“ das gleiche wie „aushandeln können“. Folglich verlangt auch ein richtlinienkonformes Verständnis von § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB mit dem Bundesarbeitsgericht, an die Möglichkeit der Einflussnahme die gleichen Anforderungen wie an ein „Aushandeln“ i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB zu stellen.3 Die Möglichkeit der Einflussnahme muss dabei für gerade die Klausel bestanden haben, um deren Kontrolle es geht. Das folgt aus dem Gebrauch des Ausdrucks „soweit“ in § 310 Abs. 3 Nr. 2, § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB.4 Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Tatbestandsvorausset- 31 zungen des § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB, d.h. für die Vorformulierung und das Fehlen einer auf ihr beruhenden Möglichkeit zur Einflussnahme, trägt der Verbraucher/Arbeitnehmer.5 Das folgt daraus, dass er es ist, der sich auf die für ihn günstige Anwendbarkeit der aufgeführten Vorschriften beruft, obwohl die Vertragsbedingungen entgegen § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und damit das Fehlen der Möglichkeit einer Einfluss1 Ulmer/Schäfer in UBH, § 310 Rz. 85. 2 Ähnlich Schlosser in Staudinger, § 310 Rz. 64; Pfeiffer in WLP, § 310 Abs. 3 Rz. 21; Deinert in DBD, § 310 Rz. 13. 3 So auch Roloff in Erman, § 310 Rz. 20; Pfeiffer in WLP, § 310 Abs. 3 Rz. 20. 4 BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10; BGH v. 12.6.1985 – IVa ZR 261/83, BB 1986, 21; Stoffels, AGB-Recht § 6 Rz. 149; Deinert in DBD, § 310 Rz. 13. 5 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 3; BAG v. 18.12.2008 – 8 AZR 81/08, AP BGB § 309 Nr. 4; Roloff in Erman, § 310 Rz. 21; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 23; Roloff in HWK, § 310 BGB Rz. 3; Ulmer/Schäfer in UBH, § 310 Rz. 89; Basedow in MünchKommBGB, § 310 Rz. 72.
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§ 310 | Anwendungsbereich nahme nicht im gleichen Maße indiziert ist wie bei der Vielfach-Verwendung.1 Bei der Vorformulierung von Vertragsbestimmungen für einen einzelnen Verbrauchervertrag fehlt zum einen das für das Massengeschäft charakteristische Rationalisierungsinteresse des Unternehmers und kann zum anderen nicht in gleicher Weise davon ausgegangen werden, dass der Vertragsinhalt durch ein Ungleichgewicht zwischen den Vertragsparteien und die einseitige Berücksichtigung der Interessen des Verwenders geprägt ist wie im Falle des Stellens Allgemeiner Geschäftsbedingungen. Das rechtfertigt es, im Rahmen von § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB die allgemeinen Beweisregeln anzuwenden und die Beweislast für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen, abweichend von den für Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB geltenden Regeln und abweichend von § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB, dem sich hierauf berufenden Verbraucher aufzuerlegen.2 Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Richtlinie 93/13/EWG steht dem nicht entgegen. Danach trägt der Unternehmer die Beweislast dafür, dass eine Vertragsbedingung ausgehandelt wurde, nur bei einer „Standardvertragsklausel“, d.h. bei einer Klausel in einem vorformulierten Standardvertrag.3 Ein Standardvertrag ist ein Vertrag zur Mehrfachverwendung durch den konkreten Unternehmer selbst, wie sich aus Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Richtlinie 93/13/EWG ergibt.4 Allerdings gilt zu Gunsten des Verbrauchers/Arbeitnehmers eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast.5 Der Verbraucher/Arbeitnehmer genügt seiner Darlegungslast in einem ersten Schritt dadurch, dass er die Vorformulierung der Vertragsbedingungen und das Fehlen einer Einflussmöglichkeit – ggf. unter Angabe entsprechender Indizien – behauptet. Es ist dann Sache des Verwenders/Arbeitgebers, im Einzelnen und substantiiert darzulegen, dass es keine vorformulierten Bedingungen und/oder sehr wohl Möglichkeiten der Einflussnahme gab. Der Verwender muss deshalb auf das Bestreiten des Verbrauchers/ Verwendungsgegners hin konkret darlegen, wie er die Klausel zur Disposition gestellt hat und aus welchen Umständen auf ein freiwilliges Akzeptieren des Verwendungsgegners geschlossen werden kann.6 Dem muss der Verbraucher/ Verwendungsgegner substantiiert entgegentreten. Letztlich hat er die Richtigkeit seiner Version zu beweisen. Soweit demgegenüber im Schrifttum zu Gunsten des Verbrauchers auf die Figur des Anscheinsbeweises verwiesen wird,7 führt dies in der Regel zwar zum gleichen Ergebnis, stellt aber wohl an die Darle1 2 3 4 5
Ähnlich Deinert in DBD, § 310 Rz. 14. BGH v. 15.4.2008 – X ZR 126/06, NJW 2008, 2250. BGH v. 15.4.2008 – X ZR 126/06, NJW 2008, 2250. So auch Basedow in MünchKommBGB, § 310 Rz. 72. BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 3; BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, EzA BGB 2002 § 310 Nr. 10. 6 BAG v. 26.10.2017 – 6 AZR 158/16, EzA BGB 2002 § 622 Nr. 14; BAG v. 24.2.2016 – 5 AZR 258/14, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 75; BAG v. 19.8.2015 – 5 AZR 500/14, EzA BGB 2002 § 310 Nr. 2. 7 Vgl. Ulmer/Schäfer in UBH, § 310 Rz. 86 f.; Deinert in DBD, § 310 Rz. 15.
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III. Verbraucherverträge nach § 310 Abs. 3 BGB | § 310
gungslast des Verbrauchers/Verwendungsgegners jedenfalls im ersten Schritt höhere Anforderungen. Die im Arbeitsrecht auch im Zusammenhang mit Informationsdefiziten des Arbeitnehmers geläufige Figur der abgestuften Darlegungsund Beweislast trägt den Schwierigkeiten der Darlegung und des Beweises negativer Tatsachen – dem Fehlen einer Einflussmöglichkeit – besser Rechnung. Rechtsfolge bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB ist 32 die Anwendbarkeit der in der Bestimmung genannten Vorschriften. Nach der in Bezug genommenen Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB gehen Zweifel bei der Auslegung der vorformulierten Vertragsbedingungen zu Lasten des Verwenders/Arbeitgebers. Bei nicht auszuräumenden Verständnisproblemen gilt deshalb die für den Verbraucher/Arbeitnehmer günstigste Version. Ferner gelten die Regelungen des § 306 BGB über die Rechtsfolgen von (Teil-)Unwirksamkeit oder (teilweise) fehlgeschlagener Einbeziehung der Vertragsbedingungen. Vor allem aber finden die §§ 307 bis 309 BGB Anwendung. Auch die nur zur einmaligen Verwendung bestimmten Vertragsbedingungen unterliegen damit der uneingeschränkten Inhaltskontrolle. Kollisionsrechtlich ist außerdem Art. 46b EGBGB zu beachten. Die Bestimmung unterstellt einen Vertrag, der auf Grund einer Rechtswahl nicht dem Recht eines Mitgliedstaats der EU oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum unterliegt, aber einen engen Zusammenhang mit dem Gebiet eines dieser Staaten aufweist, den im Gebiet dieses Staates geltenden Bedingungen zur Umsetzung der Verbraucherschutz-Richtlinien, also u.a. der Richtlinie 93/13/EWG. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB verweist nicht auf § 305 BGB. Das ist hinsichtlich des 33 § 305 Abs. 1 BGB unproblematisch. Dort geht es um die Definition der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Dass solche nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht vorliegen, soweit die Vertragsbedingungen ausgehandelt worden sind, kehrt in § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB mit dem Erfordernis des Fehlens einer Einflussmöglichkeit wieder. Problematischer erscheint – auch für das allgemeine Zivilrecht – das Ausbleiben einer Verweisung auf § 305 Abs. 2 BGB. Die Bestimmung regelt, wie Allgemeine Geschäftsbedingungen Bestand des Vertrags werden. Zwar wird das Erfordernis der dortigen Nr. 1 bei der Einmalverwendung regelmäßig erfüllt sein. Die in Nr. 2 verlangte Möglichkeit, in zumutbarer Weise vom Inhalt der Vertragsbedingungen Kenntnis zu nehmen, ist aber auch bei einer Einmalverwendung nicht notwendig gegeben. Manche Stimmen halten deshalb eine analoge Anwendung von § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB auch im Rahmen von § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB1 oder dessen entsprechende „richtlinienkonforme Auslegung“2 für geboten. Soweit sie sich dabei auf das Transparenzgebot in Art. 5 Satz 1 Richtlinie 93/13/EWG beziehen, erscheint dies freilich nicht naheliegend. Art. 5 der Richtlinie bestimmt, dass Klauseln, falls sie schriftlich niedergelegt worden sind, „stets klar und verständlich abgefasst sein (müssen)“. Dem 1 So Ulmer/Schäfer in UBH, § 310 Rz. 91. 2 So Deinert in DBD, § 310 Rz. 9; Roloff in Erman, § 310 Rz. 21.
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§ 310 | Anwendungsbereich entspricht § 307 Abs. 1 BGB. Dass die Klauseln überhaupt Vertragsinhalt geworden sind, ist dabei in der gesamten Richtlinie vorausgesetzt. Der Weg dorthin ist dagegen nicht ihr Gegenstand.1 Allerdings heißt es in Erwägungsgrund 20 immerhin, der Verbraucher müsse „tatsächlich die Möglichkeit haben, von allen Vertragsklauseln Kenntnis zu nehmen“. 34 Für das Arbeitsrecht ist das Fehlen der Verweisung auf § 305 Abs. 2 BGB inso-
fern ohne Bedeutung, als § 310 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 BGB ohnehin ausdrücklich bestimmt, dass „§ 305 Abs. 2 und 3 (auf Arbeitsverträge) nicht anzuwenden ist“. Freilich ist damit das sachliche Problem als solches nicht gelöst; dazu Rz. 63 ff. Es dürfte sich aber auch im Arbeitsrecht in der Regel durch strikte Anwendung der Rechtsgeschäftslehre nach §§ 145 ff. BGB klären.
35 Das Fehlen einer Verweisung auf § 305b BGB – Vorrang der Individualabrede
– hat in der Sache keine Auswirkungen, weil dieser Vorrang auch ohne die – nur klarstellende – Regelung des § 305b BGB gilt.2
36 Weiter fehlt eine Verweisung auf § 305c Abs. 1 BGB. Im Regierungsentwurf zur
Anpassung des AGB-Gesetzes an das Unionsrecht3 war sie noch enthalten, wurde aber vom Rechtsausschuss gestrichen, weil die Richtlinie 93/13/EWG die Einbeziehung von Vertragsbedingungen nicht regele.4 Das ist richtig, gilt aber auch mit Blick auf Klauseln zur Mehrfach-Verwendung. Plausibler ist die Begründung, dass es bei § 305c Abs. 1 BGB um inhaltlich ungewöhnliche und überraschende Klauseln geht, die danach zwar bei Bestimmung zur MehrfachVerwendung schon gar nicht erst Vertragsbestandteil werden, die aber auch bei nur einmaliger Verwendung zwanglos als unklar i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB angesehen werden können. So hat etwa das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 31.8.20055 bei der Beurteilung der Angemessenheit eines Nachtzuschlags gemäß § 6 Abs. 5 ArbZG die Vorschrift des § 305c Abs. 1 BGB auf eine Klausel zur Mehrfach-Verwendung angewendet und zugleich geprüft, ob die fragliche Klausel – „wäre sie Vertragsinhalt geworden“ – dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB standhielte – um dies sodann zu verneinen.6 Die Nichterwähnung von § 305c Abs. 1 BGB in § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB dürfte sich deshalb im Ergebnis nicht gravierend auswirken.7 Das BAG hat die Frage, 1 Insoweit zutreffend Roloff in Erman, § 310 Rz. 21; vgl. auch Michalski, DB 1999, 677. 2 BAG v. 24.8.2016 – 5 AZR 129/16, EzA BGB 2002 § 305b Nr. 1; Schlosser in Staudinger, § 310 Rz. 67; Deinert in DBD, § 310 Rz. 18. 3 BT-Drucks. 13/2713, S. 7. 4 BT-Drucks. 13/4699, S. 6. 5 BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, EzA ArbZG § 6 Nr. 6. 6 Vgl. auch BAG v. 28.5.2009 – 8 AZR 896/07, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 45. 7 Vgl. auch Ulmer/Schäfer in UBH, § 310 Rz. 91, Deinert in DBD, § 310 Rz. 20 und Roloff in Erman, § 310 Rz. 21, die sämtlich – soweit die Transparenzkontrolle nach § 307 BGB „nicht ausreichen“ sollte – eine analoge Anwendung bzw. richtlinienkonforme Auslegung von § 305c Abs. 1 bzw. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB befürworten.
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III. Verbraucherverträge nach § 310 Abs. 3 BGB | § 310
ob § 305c Abs. 1 BGB trotz der Nichterwähnung in § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB auch auf Vertragsbedingungen zur nur einmaligen Verwendung anzuwenden ist, immerhin ausdrücklich gestellt, aber bislang offengelassen.1 Das Fehlen einer Verweisung auf § 306a BGB – Umgehungsverbot – ist syste- 37 matisch konsequent. § 306a BGB gilt auch mit Blick auf Vertragsbedingungen zur einmaligen Verwendung ohnehin. Die Regelung bestimmt, dass „die Vorschriften dieses Abschnitts … auch Anwendung (finden), wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden“. Nach § 310 Abs. 3 BGB wiederum finden bei Verbraucherverträgen „die Vorschriften dieses Abschnitts mit folgenden Maßgaben Anwendung: …“. Das bedeutet, dass diejenigen Vorschriften, die nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB auf vorformulierte Vertragsbedingungen trotz nur einmaliger Verwendung Anwendung finden, wegen § 306a BGB auch dann anzuwenden sind, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden (a.A. oben Hoefs, § 306a Rz. 5). c) „Berücksichtigung der Begleitumstände“ Nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB sind bei der Beurteilung der unangemessenen Be- 38 nachteiligung gemäß § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB „auch die den Vertragsschluss begleitenden Umständen zu berücksichtigen“. Die darin liegende Erweiterung des im Rahmen von § 307 BGB ansonsten geltenden abstrakt-generellen Beurteilungsmaßstabs bei Verbraucherverträgen beruht auf der Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 93/13/EWG. Nach dieser Bestimmung wird die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel u.a. unter Berücksichtigung „aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände“ beurteilt. Die Erweiterung des Prüfungsmaßstabs gilt dabei nicht nur bei Vertragsbedingungen zur einmaligen Verwendung i.S.v. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB, sondern für alle Verbraucherverträge.2 § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB gilt wiederum nur für die Wirksamkeitskontrolle anhand von § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB und nicht auch für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen und die mögliche Beseitigung verbleibender Zweifel im Rahmen von 305c Abs. 2 BGB.3 AGB sind vielmehr nach ganz herrschender Meinung grundsätzlich nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen 1 BAG v. 9.12.2015 – 7 AZR 68/14, EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 15 m.w.N. zum Meinungsstand im Schrifttum; vgl. ferner BAG v. 24.2.2016 – 5 AZR 258/14, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 75, wo es die Frage erneut offenließ, weil eine Einbeziehung der fraglichen Klausel selbst bei Mehrfachverwendung nicht an § 305c Abs. 1 BGB gescheitert wäre. 2 Roloff in Erman, § 310 Rz. 23; Basedow in MünchKommBGB, § 310 Rz. 81; Fuchs in UBH, § 307 Rz. 405; Deinert in DBD, § 307 Rz. 83. 3 BAG v. 8.12.2915 – 3 AZR 267/14, EzA BGB 2002 § 305c Nr. 27; BAG v. 9.12.2015 – 7 AZR 68/14, EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 15; BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, EzA TzBfG § 12 Nr. 2.
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§ 310 | Anwendungsbereich der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Es sind gerade nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen.1 Ansatzpunkt für die am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung darauf an, wie der Vertragszweck aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten.2 Umstände, die allein den konkreten Vertragspartnern bekannt sind oder die den besonderen Einzelfall kennzeichnen, dürfen deshalb nicht schon bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen herangezogen werden. Das ergibt sich nicht zuletzt aus § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB, wo es heißt, die den Vertragsschluss begleitenden Umstände seien – nur – „bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2“ BGB zu berücksichtigen.3 Dies hat gleichwohl nicht zur Folge, dass jegliche Begleitumstände für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen unbedeutend wären. Ausgeschlossen sind nur konkret-individuelle Umstände. Sonstige Begleitumstände, die nicht ausschließlich die konkrete Situation bei Vertragsabschluss betreffen, sondern den Abschluss einer jeden vergleichbaren vertraglichen Abrede begleiten, können zur Auslegung herangezogen werden.4 Die Formulierung von § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB, der zufolge die konkreten Begleitumstände „auch“ zu berücksichtigen sind, legt dabei eine zweistufige Prüfung nahe. Die Prüfung einer unangemessenen Benachteiligung ist zunächst anhand des abstrakt-generellen Maßstabs vorzunehmen. Ist bei dessen Anwendung eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers/Arbeitnehmers nicht festzustellen, sind die den Vertragsabschluss begleitenden Umstände in den Blick zu nehmen. 39 Fraglich ist, ob die Einzelumstände nur zugunsten oder auch zu Lasten des Ver-
brauchers/Arbeitnehmers Berücksichtigung finden können. Die wohl überwiegende Auffassung bejaht eine Korrekturmöglichkeit in beide Richtungen. Die Berücksichtigung der den Vertragsschluss begleitenden Umstände könne sowohl zur Unwirksamkeit einer nach generell-abstrakter Betrachtung wirksamen Klausel als auch zur Wirksamkeit einer nach typisierter Inhaltskontrolle unwirk1 So die st. Rspr, vgl. zuletzt nur BAG v. 24.5.2018 – 6 AZR 116/17, EzA GewO § 106 Nr. 25 m.w.N. 2 BAG v. 15.2.2017 – 7 AZR 291/15, EzA TzBfG § 3 Nr. 1; BAG v. 15.11.2016 – 3 AZR 582/15, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 80. 3 BAG v. 15.2.2017 – 7 AZR 291/15, EzA TzBfG § 3 Nr. 1; BAG v. 15.11.2016 – 3 AZR 582/15, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 80; BAG v. 9.12.2015 – 7 AZR 68/14, EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 15. 4 BAG v. 15.2.2017 – 7 AZR 291/15, EzA TzBfG § 3 Nr. 1; BAG v. 15.11.2016 – 3 AZR 582/15, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 80; BAG v. 12.8.2014 – 3 AZR 492/12.
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III. Verbraucherverträge nach § 310 Abs. 3 BGB | § 310
samen Klausel führen (so auch § 307 Rz. 46).1 Das überzeugt nicht. Die Vorstellung, dass eine Klausel, die im Rechtsverkehr zweier Unternehmer nach § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB unwirksam wäre, im Verhältnis von Unternehmer und Verbraucher anhand von den Vertragsschluss begleitenden Umständen als wirksam anzusehen ist, verträgt sich nicht mit dem Grundanliegen des Verbraucherschutzes.2 Dieses geht dahin, die Rechtsstellung des Verbrauchers gegenüber dem Unternehmer zu verbessern, nicht sie im Vergleich zu der eines anderen Unternehmers zu relativieren. Ein solches Ergebnis wäre mit Blick auf Art. 4 Abs. 1, Art. 8 Richtlinie 93/13 nicht zuletzt unionsrechtlich bedenklich.3 Auch wenn die Richtlinie nach ihrem Selbstverständnis auf Arbeitsverträge keine Anwendung findet, gilt sie jedenfalls für Verbraucher. Unterstellt der nationale Gesetzgeber Arbeitnehmer dem Verbraucherbegriff, gilt sie auch für diese. Im Übrigen spricht auch die Anlehnung des Wortlauts von § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB an den des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB gegen ein solches Ergebnis. In der letztgenannten Regelung heißt es, eine unangemessene Benachteiligung könne sich „auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist“. § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB formuliert in gewisser Weise parallel dazu, dass „bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 … auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen (sind)“. In § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich das, was „auch“ in den Blick zu nehmen ist, nur zum Nachteil des Unternehmers auswirken. Der Umstand, dass nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB die den Vertragsschluss begleitenden Umstände „auch zu berücksichtigen“ sind und das gerade in Richtung auf die Beurteilung „der unangemessenen Benachteiligung“, spricht dafür, dass sich auch diese nur zu Lasten des Unternehmers auswirken können. Dafür, was die den Vertragsschluss begleitenden Umstände sein können, gibt 40 die Richtlinie 93/13/EWG einige Anhaltspunkte. Nach ihrem Erwägungsgrund 16 ist u.a. „besonders zu berücksichtigen, welches Kräfteverhältnis zwischen den Verhandlungspositionen der Parteien bestand (und) ob auf den Verbraucher in irgendeiner Weise eingewirkt wurde, seine Zustimmung zu der Klausel zu geben“. Auch wenn erneut zu beachten ist, dass die Richtlinie laut ihrem Erwägungsgrund 10 gar nicht davon ausgeht, dass sie Arbeitsverträge erfasst, kann 1 BAG v. 28.9.2017 – 8 AZR 67/15, EzA BGB 2002 § 309 Nr. 8; BAG v. 15.11.2016 – 3 AZR 582/15, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 80; BAG v. 21.8.2012 – 3 AZR 698/10, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 58; BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 28; BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, EzA ArbZG § 6 Nr. 6; Roloff in Erman, § 310 Rz. 24; Basedow in MünchKommBGB, § 310 Rz. 81; Pfeiffer in WLP, § 310 Abs. 3 Rz. 34; Roloff in HWK, § 310 BGB Rz. 6; Schlosser in Staudinger, § 310 Rz. 70; Berger in PWW, § 310 Rz. 12; Deinert in DBD, § 307 Rz. 87, Rz. 92; Fuchs in UBH, § 307 Rz. 410; Preis, NZA-Beilage Heft 16/2003, S. 27; Lakies, Vertragsgestaltung, 1 Rz. 98, Rz. 332. 2 Ähnlich Michalski, DB 1999, 679 f. 3 Ähnlich Becker in Bamberger/Roth, § 310 Rz. 20: teleologische Reduktion von § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB zugunsten des Verbrauchers.
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§ 310 | Anwendungsbereich daraus für § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB mit Blick auf die Parteien des Arbeitsvertrags gefolgert werden, dass neben der stets zu berücksichtigenden strukturellen Unterlegenheit des Arbeitnehmers die geschäftliche Erfahrenheit des konkreten Arbeitnehmers, die Besonderheiten der konkreten Situation bei Vertragsschluss, etwa in Form von „Überrumpelung“1 oder (Falsch)Belehrung, und mögliche Sonderinteressen der Vertragsparteien von Bedeutung sein können.2
IV. Bereichsausnahme für Kollektivverträge 41 Nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB finden §§ 305 ff. BGB keine Anwendung bei
Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts. Dies entspricht dem Erwägungsgrund 10 der Richtlinie 93/13/EWG und galt gleichermaßen bereits nach § 23 Abs. 1 AGBG. Die ursprüngliche Herausnahme auch des gesamten Arbeitsrechts aus dem Anwendungsbereich des AGB-Gesetzes ist mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz zum 1.1.2002, für seinerzeit schon bestehende Verträge zum 1.1.2003 weggefallen. Geblieben ist der Anwendungsausschluss für Tarifverträge, für Betriebsvereinbarungen nach dem BetrVG und für Dienstvereinbarungen nach den Personalvertretungsgesetzen. Auf Dienstvereinbarungen nach den kirchlichen Mitarbeitervertretungsgesetzen findet § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB dagegen keine Anwendung. Diese gelten für die dem staatlichen Recht unterliegenden Arbeitsverhältnisse ohnehin nicht normativ, selbst wenn ihnen die Kirchengesetze eine solche unmittelbare Wirkung zusprechen sollten.3
1. Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen 42 Die im Gesetz aufgeführten Arten der Kollektivvereinbarungen zeichnen sich
dadurch aus, dass sie nicht von Unternehmens-/Arbeitgeberseite einseitig vor-
1 Preis, NZA-Beilage 16/2003, S. 27. 2 BAG v. 23.8.2012 – 8 AZR 804/11, EzA B GB 2002 § 307 Nr. 60; BAG v. 21.8.2012 – 3 AZR 698/10, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 58; BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 173/08, EzA BGB 2002 § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 13; BAG v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04, EzA ArbZG § 6 Nr. 6; Roloff in HWK, § 310 BGB Rz. 6; Fuchs in UBH, § 307 Rz. 407, § 310 Rz. 181; Deinert in DBD, § 307 Rz. 89 f.; Lakies, Vertragsgestaltung, 1 Rz. 98; zu einem möglichen außergewöhnlichen Umstand, der zur Unangemessenheit der Befristung einer Arbeitszeiterhöhung i.S.v. § 307 Abs. 3 Nr. 3, § 307 Abs. 1 BGB hätte führen können, vgl. BAG v. 2.9.2009 – 7 AZR 233/08, EzA TzBfG § 14 Nr. 61. 3 BAG v. 23.11.2017 – 6 AZR 683/16, EzA BGB 2002 § 613a Nr. 177; BAG v. 20.11.2012 – 1 AZR 179/11, EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 148, mit Anm. Czycholl; Schliemann, NZA 2005, 976 (977); offengelassen dagegen in BAG v. 22.3.2018 – 6 AZR 835/16, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 44 mit ausführlicher Darstellung des Meinungsstands; BAG v. 29.9.2011 – 2 AZR 523/10, EzA KSchG § 2 Nr. 83.
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IV. Bereichsausnahme für Kollektivverträge | § 310
formuliert wurden, sondern in der Regel nach durchaus langwierigen Verhandlungen zweier gleichermaßen durchsetzungsmächtiger Parteien zustande kommen.1 Wegen der damit verbundenen „Richtigkeitsgewähr“ spricht das Gesetz Tarifverträgen bei Tarifbindung in § 4 Abs. 1 TVG und Betriebs- und Dienstvereinbarungen in § 77 Abs. 4 BetrVG bzw. personalvertretungsrechtlichen Bestimmungen unmittelbare – normative – Wirkung in den Arbeitsverhältnissen zu. Ihre Regelungen werden deshalb auch nicht „gestellt“, sondern gelten bei beidseitiger Tarifbindung bzw. bei Belegschaftsangehörigkeit von Gesetzes wegen.2 Es besteht damit schon vom Ansatz her ein grundlegender Unterschied zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB, der eine Herausnahme dieser Kollektivverträge aus der Vertragskontrolle nach §§ 305 ff. BGB wenn nicht geradezu verlangt, so doch jedenfalls nahelegt und rechtfertigt. Es besteht kein Bedürfnis nach Schutz durch eine Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB.3 Hinzu kommt, dass die Überprüfung von Tarifverträgen nach den Maßstäben des AGB-Rechts sich wie eine Tarifzensur auswirken und deshalb in Konflikt mit der in Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Tarifautonomie geraten könnte.4 Das ändert freilich nichts daran, dass vorformulierte Vertragsbedingungen, auch 43 wenn sie vor ihrer Verwendung kollektiv – etwa von den Betriebsparteien – ausgehandelt worden sind, Allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen.5 Gelten sie nicht normativ und stehen auch § 310 Abs. 4 Satz 3, § 307 Abs. 3 BGB dem nicht entgegen, sind sie deshalb einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB durchaus zugänglich (vgl. Rz. 48).6 Erst recht gilt dies für vom Arbeitgeber einseitig aufgestellte Regelungen in einer „Arbeitsordnung“ o.Ä. Sie sind weder Tarifvertrag noch Betriebs- oder Dienstvereinbarung, sondern in jeder Hinsicht „normale“ Allgemeine Geschäftsbedingungen. Sie fallen weder unter § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB noch unter Satz 3 der Bestimmung.7 Voraussetzung für den Anwendungsausschluss nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB 44 ist, dass die betreffenden Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen 1 Ähnlich zu Recht Richardi in FS Picker (2010), S. 1105. 2 Zutreffend Witt, NZA 2004, 136. 3 BAG v. 25.4.2007 – 6 AZR 622/06, EzA InsO § 113 Nr. 19; vgl. auch I. Schmidt in FS Kreutz (2009), S. 461 f. 4 Vgl. die Äußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats in BTDrucks. 14/6867, S. 53 (54); vgl. ferner Witt, NZA 2004, 137. 5 BAG v. 19.10.2011 – 7 AZR 672/10, EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 10; BAG v. 19.3.2009 – 6 AZR 557/07, EzA BGB 2002 § 305c Nr. 17; BAG v. 25.4.2007 – 6 AZR 622/06, EzA InsO § 113 Nr. 19; Richardi, NZA 2002, 1058; Willemsen/Mehrens in FS Bepler (2012), S. 624; Deinert, ZTR 2005, 474. 6 BAG v. 21.6.2018 – 6 AZR 38/17, EzA BGB 23002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 46; BAG v. 15.11.2016 – 3 AZR 582/15, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 80 zu nicht normativ wirkenden Dienstvereinbarungen; BAG v. 19.3.2009 – 6 AZR 557/07, EzA BGB 2002 § 305c Nr. 17; BAG v. 25.4.2007 – 6 AZR 622/06, EzA InsO § 113 Nr. 19. 7 Vgl. etwa BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, EzA BGB 2002 § 308 Nr. 9.
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§ 310 | Anwendungsbereich normative Geltung für das Arbeitsverhältnis der Arbeitsvertragsparteien nach § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG bzw. § 77 Abs. 4 BetrVG und dem Personalvertretungsrecht besitzen.1 Das ist bei Betriebs- und Dienstvereinbarungen die Regel, weil auf Arbeitnehmerseite dafür die Zugehörigkeit zur Belegschaft des Betriebs bzw. der – staatlichen, nicht einer kirchlichen – Dienststelle ausreicht. Zu Betriebsvereinbarungen im Sinne der Bestimmung zählen dabei sowohl solche, die auf einem erzwingbaren Mitbestimmungsrecht beruhen, als auch freiwillige Betriebsvereinbarungen i.S.v. § 88 BetrVG.2 Beide Arten gelten nach § 77 Abs. 4 BetrVG normativ. Unerheblich ist auch, ob sie vom örtlichen Betriebsrat, vom Gesamt- oder vom Konzernbetriebsrat geschlossen wurden. Da der Sozialplan wegen § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG „die Wirkung einer Betriebsvereinbarung“ hat, unterliegen auch dessen Regelungen gem. § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB keiner Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB.3 44a Bei Tarifverträgen tritt deren normative Wirkung dagegen nur bei gleichzeiti-
ger Tarifbindung beider Arbeitsvertragsparteien ein, wenn nicht der betreffende Tarifvertrag nach § 5 TVG für allgemeinverbindlich erklärt worden ist. Auf Arbeitnehmerseite setzt dies zwingend die Mitgliedschaft in gerade der Gewerkschaft voraus, die den fraglichen Tarifvertrag geschlossen hat, auf Arbeitgeberseite die Mitgliedschaft im entsprechenden Arbeitgeberverband oder den Status als eigene Partei des Tarifvertrags, § 3 Abs. 1, § 2 Abs. 1 TVG. Die Bereichsausnahme von § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB gilt deshalb auch für Haus-/Firmentarifverträge, die nicht vom Arbeitgeberverband für ein bestimmtes Mitgliedsunternehmen, sondern von der Gewerkschaft und einem Unternehmen selbst geschlossen worden sind.4 Zu den kontrollfreien Tarifnormen zählen auch Protokollnotizen, soweit sie ihrerseits eigenständige Regelungen enthalten.5
44b Sind Tarifverträge für das Arbeitsverhältnis der Arbeitsvertragsparteien nicht
normativ verbindlich, sondern nur kraft einzelvertraglichen Einbezugs, folgt ein Ausschluss der Inhaltskontrolle nicht aus § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB, sondern allenfalls aus Satz 3 der Bestimmung (dazu Rz. 67 ff.)6. Missverständlich ist in diesem Zusammenhang deshalb eine Entscheidung des BAG vom 27.6.2018, in der es zwar jeweils heißt, „Tarifverträge [stünden] nach § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB Rechtsvorschriften i.S.v. § 307 Abs. 3 BGB gleich“, wo sodann aber formuliert wird, falls nur einzelne Vorschriften eines Tarifvertrags in Bezug genommen
1 Roloff in HWK, § 310 BGB Rz. 10; Basedow in MünchKommBGB, § 310 Rz. 95; Fuchs/ Bieder in UBH, Anh. § 310 Rz. 15. 2 BAG v. 13.10.2015 – 1 AZR 853/13, EzA BetrVG 2001 § 75 Nr. 12. 3 Schmidt in FS Kreutz (2010), S. 451, 461. 4 BAG v. 26.4.2006 – 5 AZR 403/05, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 185; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 13. 5 BAG v. 24.1.2008 – 6 AZR 96/07, EzA BGB 2002 § 242 Kündigung Nr. 7. 6 A.A. offenbar BAG v. 18.9.2012 – 9 AZR 1/11, EzA BGB 2002 § 310 Nr. 12, obwohl vom BAG auch in dieser Entscheidung der Ausschluss der Inhaltskontrolle aus § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB abgeleitet wird.
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IV. Bereichsausnahme für Kollektivverträge | § 310
würden, „[entfalle] die durch § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB erzeugte Privilegierung“.1 Demgegenüber gilt es zu differenzieren: Auf normativ geltende Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen findet gem. § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB der Abschnitt des Gesetzes über die Gestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen, finden also §§ 305 ff. BGB schlechthin keine Anwendung; dafür bedarf es des Satzes 3 der Bestimmung nicht. Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen, deren Geltung nur schuldrechtlich vereinbart wird, sind dagegen „eigentlich“ Allgemeine Geschäftsbedingungen, die dem Regime der §§ 305 ff. BGB unterliegen. Sie werden – zur Vermeidung einer andernfalls möglichen Tarifzensur – der AGB-Kontrolle erst durch die Gleichsetzung mit Rechtsvorschriften in § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB entzogen; dafür wiederum bedarf es des Satzes 1 der Bestimmung nicht. Das gilt damit auch für den gewiss seltenen Fall, dass eine Betriebs- oder Dienstvereinbarung nicht bereits normative Wirkung besitzt, sondern allein kraft einzelvertraglichen Einbezugs zu beachten ist. In diesem Zusammenhang ist etwa vorstellbar, dass der Arbeitgeber in einem seiner betriebsratslosen Betriebe auf die in einem anderen Betrieb geltenden Betriebsvereinbarungen verweist.2 Im Übrigen kann eine Verweisung auf die jeweils geltenden Betriebsvereinbarungen (des eigenen Betriebs) dahin auszulegen sein, dass der Arbeitsvertrag insoweit auch in Richtung auf eine Verschlechterung der bestehenden Vertragsbedingungen als „betriebsvereinbarungsoffen“ verstanden werden soll, etwa was bestimmte Vergütungsbestandteile oder die Lage der Arbeitszeit angeht.3 Die Vorschrift des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB gilt dabei nur für Tarifverträge sowie 45 Betriebs- und Dienstvereinbarungen als solche, nicht auch für individual-vertragliche Klauseln, die auf sie Bezug nehmen (vgl. Rz. 72 ff.).4 Einer Inhaltskontrolle sind vielmehr auch formularmäßig verwendete Klauseln in Arbeitsverträgen zu unterziehen, die auf einen Tarifvertrag Bezug nehmen.5 Ob auch sog. 1 BAG v. 27.6.2018 – 10 AZR 290/17, EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 44, mit Verweis auf BAG v. 6.5.2009 – 10 AZR 390/08, EzA BGB 2002 § 310 Nr. 8. 2 Richardi, NZA 2002, 1058. 3 Vgl. dazu BAG v. 5.3.2013 – 1 AZR 417/12, EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 35, mit ablehnender Anm. Adam; kritisch zur Betriebsvereinbarungsoffenheit von Regelungen in AGB neuerdings BAG v. 11.4.2018 – 4 AZR 119/17, EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 73; kritisch ebenso Preis/Ulber, NZA 2014, 6 f.; Creutzfeld, NZA 2018, 1111 f.; vgl. ferner Thüsing, AGB-Kontrolle Rz. 224; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 19a; Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, II O 10; Hromadka, NZA 2013, 1061 f.; Säcker, BB 2013, 2677 f.; Straube/Rasche, DB 2016, 51 f. 4 BAG v. 11.7.2018 – 4 AZR 533/17, EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 74; BAG v. 15.4.2008 – 9 AZR 159/07, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 38 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 21; BAG v. 9.5.2007 – 4 AZR 319/06, EzA BGB 2002 § 305c Nr. 12; Lapp/Salamon in jurisPK-BGB, § 310 Rz. 45. 5 BAG v. 17.7.2012 – 1 AZR 476/11, EzA BetrVG 2001 § 75 Nr. 7; BAG v. 20.4.2012 – 9 AZR 504/10; BAG v. 3.4.2007 – 9 AZR 283/06, AP BAT SR 2l § 2 Nr. 21; BAG v. 14.3.2007 – 5 AZR 630/06, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 18.
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§ 310 | Anwendungsbereich schuldrechtliche Koalitionsvereinbarungen1 – etwa zwischen einem oder mehreren Arbeitgebern und einer Gewerkschaft –, die nicht-normativ wirkende Vergünstigungen für die Arbeitnehmer i.S.v. § 328 BGB vorsehen, unter die Bestimmung des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB fallen, hat das Bundesarbeitsgericht bislang offengelassen.2 Immerhin hat es ihnen aber wie Tarifverträgen eine materielle Richtigkeitsgewähr zugesprochen, „weil beide Seiten jederzeit inhaltsgleiche Tarifverträge fordern können“.3
2. Richtlinien nach dem Sprecherausschussgesetz, Regelungsabreden 46 In § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB sind weder Richtlinien nach § 28 Abs. 1, Abs. 2
Satz 1 SprAuG noch bloße Regelungsabreden der Betriebsparteien genannt. Letzteres ist systematisch konsequent. Bloße Regelungsabreden zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat entfalten keine normative Wirkung im Arbeitsverhältnis nach § 77 Abs. 4 BetrVG. Sie binden nur die Betriebsparteien selbst. Da § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB die Überprüfung des Inhalts von Kollektivverträgen gerade insoweit ausschließen will, wie dieser kraft normativer Wirkung der Kollektivverträge Inhalt des Arbeitsverhältnisses geworden ist – das Verhältnis der Parteien des Kollektivvertrags zueinander steht nicht im Fokus4 –, bedarf es keiner Erwähnung von Regelungsabreden; sie unterliegen der Kontrolle anhand von §§ 305 ff. BGB.5 Die Nichterwähnung von normativ wirkenden – nicht die von „unverbindlichen“ – Richtlinien nach § 28 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 SprAuG ist dagegen sachlich nicht begründet.6 Auch sie sind deshalb in analoger Anwendung von § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB einer Anwendung von §§ 305 ff. BGB entzogen.7
1 Zum Begriff BAG v. 5.11.1997 – 4 AZR 872/95, BAGE 87, 45; vgl. ferner BAG v. 26.1. 2011 – 4 AZR 159/09, EzA TVG § 1 Betriebsnorm Nr. 6. 2 BAG v. 13.6.2012 – 7 AZR 669/10; BAG v. 19.10.2011 – 7 AZR 743/10; BAG v. 9.2.2011 – 7 AZR 91/10, EzA BGB 2002 § 311a Nr. 2; bejahend dagegen Däubler in DBD, § 310 Rz. 30. 3 BAG v. 14.8.2007 – 9 AZR 58/07, NZA-RR 2008, 129. 4 Missverständlich deshalb Coester in Staudinger, § 310 Rz. 87. 5 BAG v. 21.6.2018 – 6 AZR 38/17, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 46. 6 So auch Löwisch in FS Canaris Bd. I (2007), S. 1403 f. 7 Fuchs/Bieder in UBH, Anh. § 310 Rz. 15; Albicker/Wiesenecker, BB 2008, 2631 (2633); so wohl auch Basedow in MünchKommBGB, § 310 Rz. 95; a.A. – ohne freilich zwischen Richtlinien nach § 28 Abs. 1 und solchen nach § 28 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 SprAuG zu differenzieren – Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 9; a.A. wegen Fehlens der „Richtigkeitsgewähr“ solcher Richtlinien auch Däubler in DBD, § 310 Rz. 36.
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IV. Bereichsausnahme für Kollektivverträge | § 310
3. Kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien Kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien sind in § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB ebenso we- 47 nig erwähnt. Auch dies ist systematisch konsequent. Kirchliche Arbeitsvertragsregelungen sind zwar Kollektivvereinbarungen, entfalten aber keine normative Wirkung.1 Sie sind auch insoweit Tarifverträgen i.S.v. § 1, § 4 Abs. 1 TVG nicht gleichzustellen. Sie können nur kraft einzelvertraglicher Bezugnahme auf ein Arbeitsverhältnis Anwendung finden.2 Unbeschadet der Frage, inwieweit eine auf dem „Dritten Weg“ zustande gekommene Regelung die Gewähr inhaltlicher „Richtigkeit“ bietet, wäre deshalb der gänzliche Ausschluss der Anwendung von §§ 305 ff. BGB auf kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht gerechtfertigt.3 Sie sind im Verhältnis der Parteien des Arbeitsvertrags im Fall ihrer wirksamen Einbeziehung Allgemeine Geschäftsbedingungen.4 Da der Gesetzgeber kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Fehlen ihrer Tarifvertragsqualität5 nicht in den Katalog des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB aufgenommen hat, hat er zu erkennen gegeben, dass solche Richtlinien grundsätzlich der Kontrolle nach Maßgabe von §§ 305 ff. BGB nicht entzogen sein sollen.6 Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3
1 Vgl. nur BAG v. 24.5.2018 – 6 AZR 308/17, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 45 m.w.N.; BAG v. 11.11.2015 – 10 AZR 719/14, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 35; BAG v. 24.6.2014 – 1 AZR 1044/12, AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 74; anders noch BAG v. 19.6.2007 – 1 AZR 340/06, EzA KSchG § 1a Nr. 2; offengelassen in BAG v. 29.9.2011 – 2 AZR 523/10, EzA KSchG § 2 Nr. 83; zur Diskussion und anderen Meinungen im Schrifttum – etwa von Richardi, NZA 2002, 1063 – vgl. Willemsen/Mehrens in FS Bepler (2012), S. 619 ff.; Thüsing/Mathy, Anm. zu BAG v. 22.3.2018 – 6 AZR 835/16, in AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 90; vgl. zudem Fischermeier in FS Bepler (2012), S. 160 f. 2 BAG v. 22.3.2018 – 6 AZR 835/16, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 44; BAG v. 23.11 2017 – 6 AZR 683/16, EzA BGB 2002 § 613a Nr. 177; BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 217/11, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 23; BAG v. 16.2.2012 – 6 AZR 573/10, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 22; BAG v. 24.2.2011 – 6 AZR 634/09, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 18 m.w.N.; BAG v. 22.7. 2010 – 6 AZR 847/07, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 15; BAG v. 8.6. 2005 – 4 AZR 412/04, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 6; Fischermeier in FS Bepler (2012), S. 160 f. 3 Roloff in HWK, § 310 BGB Rz. 10; Däubler in DBD, § 310 Rz. 40; Coester in Staudinger, § 310 Rz. 89; für eine analoge Anwendung von § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB dagegen van Endern, Kirchliche Arbeitsrechtsregelungen, 2011, S. 133 ff. 4 BAG v. 4.8.2016 – 6 AZR 129/15, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 37; BAG v. 21.10.2009 – 10 AZR 786/08, NZA 2010, 528. 5 BAG v. 6.11.1996 – 5 AZR 334/95, EzA BGB 2002 § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 16. 6 BAG v. 17.11.2005 – 6 AZR 160/05, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 7.
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§ 310 | Anwendungsbereich WRV ist dadurch nicht in Frage gestellt. Es ist vielmehr im Rahmen der „im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten“ zu berücksichtigen.1
4. Rechtskontrolle der Kollektivverträge 48 Die Unanwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB auf normativ wirkende Tarifverträge,
Betriebs- und Dienstvereinbarungen und verbindliche Richtlinien nach dem Sprecherausschussgesetz führt nicht dazu, dass diese Kollektivverträge außerhalb einer Inhaltskontrolle stünden. Eine solche Kontrolle ist vielmehr als Rechtskontrolle – nicht als „Billigkeitskontrolle“ i.S.v. § 315 BGB2 – durchzuführen: für Tarifverträge anhand des nicht-dispositiven Gesetzesrechts und Art. 3 GG,3 für Betriebs- und Dienstvereinbarungen anhand von § 75 Abs. 1 BetrVG4 bzw. vergleichbaren personalvertretungsrechtlichen Bestimmungen und für Richtlinien nach dem Sprecherausschussgesetz anhand von § 27 Abs. 1 SprAuG. Dabei können sich in Betriebsvereinbarungen mit Blick auf § 75 Abs. 1 BetrVG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG durchaus unangemessene Benachteiligungen der Arbeitnehmer herausstellen.5 Die mögliche Unwirksamkeit kann von den Betriebsparteien selbst, kann aber auch von jedem Betroffenen im Individualprozess geltend gemacht werden.6 Daneben zählt es zu den gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, die in Formulararbeitsverträgen enthaltenen Bestimmungen auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Nachweisgesetzes sowie mit dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu überwachen. Das Überwachungsrecht besteht in Gestalt einer Rechtskontrolle der in den Formulararbeitsverträgen enthaltenen Vertragsklauseln.7 Dabei mag sich durchaus beobachten lassen, dass das Bundesarbeitsgericht auf der Basis 1 BAG v. 17.11.2005 – 6 AZR 160/05, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 7; vgl. auch BT-Drucks. 14/7052, S. 189, wo das kirchliche Arbeitsrecht als Beispiel für arbeitsrechtliche Besonderheiten ausdrücklich genannt wird. 2 BAG v. 16.7.1996 – 3 AZR 398/95, AP BetrAVG § 1 Ablösung Nr. 21; Richardi, NZA 2002, 1057 (1060). 3 BAG v. 27.5.2004 – 6 AZR 129/03, EzA GG Art. 3 Nr. 101. 4 BAG v. 13.10.2015 – 1 AZR 853/13, EzA BetrVG 2001 § 75 Nr. 12; BAG v. 9.12.2014 – 1 AZR 102/13, EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 52; BAG v. 17.7.2012 – 1 AZR 476/11, EzA BetrVG 2001 § 75 Nr. 7; BAG v. 7.6.2011 – 1 AZR 807/09, EzA BetrVG 2001 § 88 Nr. 3; BAG v. 12.4.2011 – 1 AZR 412/09, EzA BetrVG 2001 § 88 Nr. 2. 5 Vgl. etwa BAG v. 12.4.2011 – 1 AZR 412/09, EzA BetrVG 2001 § 88 Nr. 2 für das Erfordernis, dass zur Auszahlung einer variablen Erfolgsvergütung das Arbeitsverhältnis noch einige Zeit über den Bezugszeitraum hinaus ungekündigt bestehen müsse; BAG v. 12.12. 2006 – 1 AZR 96/06, EzA BetrVG 2001 § 88 Nr. 1 für Ausschlussfristen; BAG v. 18.7. 2006 – 1 AZR 578/05, EzA BetrVG 2001 § 75 Nr. 4 für die Überbürdung der Kosten von Lohn- und Gehaltspfändungen. 6 Vgl. für einen Sozialplan BAG v. 9.12.2014 – 1 AZR 102/13, EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 52. 7 BAG v. 16.11.2005 – 7 ABR 12/05, EzA BetrVG 2001 § 80 Nr. 4.
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V. Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten | § 310
von § 75 Abs. 1 BetrVG Betriebsvereinbarungen einer Rechts-/Inhaltskontrolle unterzieht, „die in ihrer Intensität derjenigen nach § 307 BGB gleichkommt“.1
V. Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten Nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB sind bei der Anwendung der §§ 305 ff. BGB „auf 49 Arbeitsverträge … die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen“.
1. „Arbeitsverträge“ Für den Begriff „Arbeitsvertrag“ gilt zunächst die allgemeine Definition. Arbeits- 50 verträge sind Dienstverträge i.S.v. § 611 BGB zwischen einem Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienst eines Anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist.2 Danach sind arbeitnehmerähnliche Personen keine Arbeitnehmer, weil es an der persönlichen – nicht wirtschaftlichen – Abhängigkeit vom Vertragspartner fehlt. Für sie gelten §§ 305 ff. BGB ohne Modifikation, sie sind auch nicht „Verbraucher“ i.S.v. § 310 Abs. 3 BGB (s. Rz. 11, Rz. 14). „Arbeitsverträge“ im Sinne der Bestimmung sind nicht nur Verträge, die ein Arbeitsverhältnis (erstmals) begründen. Zu ihnen zählen vielmehr alle vertraglichen Absprachen und (Gesamt-)Zusagen, die die Vertragsparteien gerade in ihrer Rolle als Arbeitgeber und Arbeitnehmer treffen. Dazu gehören grundsätzlich auch Änderungs- und Aufhebungsverträge (vgl. zu Einzelheiten Einf. Rz. 104 ff.).3 Bei der Inhaltskontrolle solcher Verträge nach §§ 305 ff. BGB sind also – soweit diese Kontrolle denn reicht4 – ebenfalls die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten zu beachten. Dabei ist die Überprüfung eines in einem Abwicklungsvertrag enthaltenen Klageverzichts am Maßstab des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB ausgeschlossen. Unabhängig davon, ob es sich bei dem Verzicht um eine Haupt- oder eine Nebenabrede des Abwicklungsvertrags handelt, schiede eine Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nur dann aus, wenn in der Ver1 So Preis, Arbeitsrecht – Kollektivarbeitsrecht, 3. Aufl. 2012, § 152 I 9 (S. 686). 2 BAG v. 16.2.2000 – 5 AZB 71/99, EzA ArbGG 1979 § 2 Nr. 49 m.w.N. 3 BAG v. 26.10.2017 – 6 AZR 158/16, EzA BGB 2002 § 622 Nr. 14; Hümmerich/Ebeling in AnwK BGB § 310 Rz. 30. 4 Für die Begrenzung bei Aufhebungsverträgen – keine Kontrolle des Synallagma und der „essentialia negotii“ – vgl. BAG v. 27.11.2003 – 2 AZR 135/03, EzA BGB 2002 § 312 Nr. 1 mit zust. Anm. Krause; Reinecke, NZA-Beilage 18/2004, S. 36; Preis, NZA-Beilage 16/2003, S. 31.
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§ 310 | Anwendungsbereich zichtsabrede keine von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelung läge. Jedenfalls mit einem vor Ablauf von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklärten Klageverzicht ist eine solche Abweichung von Rechtsvorschriften jedoch verbunden. Abgewichen wird von § 4 Satz 1 KSchG ggf. i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG. Nach diesen Bestimmungen sollen dem Arbeitnehmer drei Wochen Zeit für die Überlegung zur Verfügung stehen, ob er Kündigungsschutzklage erheben will. Diese Zeit wird ihm durch einen vorher erklärten Klageverzicht genommen.1 Ein vor Ablauf von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklärter formularmäßiger Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage ist deshalb ohne eine ihn kompensierende Gegenleistung des Arbeitgebers wegen unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.2 Dagegen enthalten einseitige Rechtsgeschäfte des Verwenders – etwa dessen standardisierte, ausführliche Kündigungserklärungen – keine AGB und sind auch keine „Arbeitsverträge“.3
2. „Im Arbeitsrecht geltende Besonderheiten“ 51 Was unter den im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten zu verstehen ist, liegt
nicht unmittelbar auf der Hand. In der Begründung zum Regierungsentwurf des § 310 Abs. 4 BGB4 heißt es in diesem Zusammenhang, zwar solle die aus der uneinheitlichen Rechtsprechung entstandene Rechtsunsicherheit im Arbeitsrecht durch die Streichung der Bereichsausnahme beseitigt und dadurch auch dafür gesorgt werden, dass das Schutzniveau der Vertragsinhaltskontrolle im Arbeitsrecht nicht hinter dem des Zivilrechts zurückbleibe. Es sollten aber
„vor allem die besonderen Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit im Arbeitsrecht nicht zwingend uneingeschränkt zur Anwendung kommen. Vielmehr sollten hier die besonderen Bedürfnisse eines Arbeitsverhältnisses berücksichtigt werden können“.
52 Im Bericht des Rechtsausschusses zum Gesetzesvorschlag der Bundesregierung5
heißt es dazu, der Ausschuss verbinde mit der vorgesehenen Formulierung die Erwartung,
„dass den Besonderheiten spezifischer Bereiche des Arbeitsrechts wie z.B. des kirchlichen Arbeitsrechts angemessen Rechnung getragen werden kann“.
1 BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 347/14, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 71; BAG v. 25.9.2014 – 2 AZR 788/13, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 65. 2 BAG v. 24.9.2015 – 2 AZR 347/14, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 71; BAG v. 25.9.2014 – 2 AZR 788/13, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 65. 3 Vgl. BAG v. 20.1.2016 – 6 AZR 782/14, EzA BGB 2002 § 622 Nr. 13; BAG v. 20.6.2013 – 6 AZR 805/11, EzA BGB 2002 § 622 Nr. 9; BAG v. 14.4.2011 – 6 AZR 727/09, EzA BGB 2002 § 174 Nr. 6. 4 BT-Drucks. 14/6857, S. 53. 5 BT-Drucks. 14/7052, S. 189.
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V. Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten | § 310
Daraus wurde im Schrifttum teilweise geschlossen, die Besonderheiten des Ar- 53 beitsrechts seien nur innerhalb der in den Materialien genannten Unterbereiche des Rechtsgebiets zu berücksichtigen, etwa im kirchlichen Arbeitsrecht, oder es seien – wie aus der Formulierung der „im“ Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten folge – nur spezielle Gegebenheiten innerhalb des Arbeitsrechts gemeint, etwa Befristungen, Arbeitsverhältnisse mit Tendenzunternehmen und Ähnliches.1 Zudem wurde aus der Formulierung, es sei auf die „im Arbeitsrecht geltenden“ Besonderheiten Bedacht zu nehmen, abgeleitet, dass nur rechtliche, nicht auch tatsächliche Spezifika, die das Arbeitsrecht von anderen Rechtsgebieten unterschieden, Berücksichtigung finden könnten.2 Diesen Einschränkungen des Verständnisses der im Arbeitsrecht geltenden Be- 54 sonderheiten ist das Bundesarbeitsgericht nicht gefolgt. Weder aus dem Wortlaut noch aus der Entstehungsgeschichte ergebe sich, dass die spezifischen Besonderheiten nur in Teilbereichen des Arbeitsrechts oder bei speziellen Gegebenheiten innerhalb des Gesamtbereichs zu berücksichtigen seien.3 Im Übrigen seien – inhaltlich betrachtet – arbeitsrechtliche Besonderheiten solche Regelungen, die von den Grundsätzen des Bürgerlichen Rechts und des Prozessrechts abwichen. Das sei nicht nur dann der Fall, wenn die abweichenden Regelungen ausschließlich auf Arbeitsverhältnisse Anwendung fänden. Dass sie – wie etwa § 888 Abs. 3 ZPO – auch für Dienstverträge mit freien Mitarbeitern gälten, schließe ihre Berücksichtigung als Besonderheit des Arbeitsrechts nicht aus; es genüge, dass sich die abweichende Regelung besonders auf dem Gebiet des Arbeitsrechts auswirke.4 Auch der Berücksichtigung von (tatsächlichen) Besonderheiten auf dem Gebiet des Betriebsrentenrechts stehe nicht entgegen, dass sich betriebsrentenrechtliche Fragen auch im allgemeinen Dienstvertragsrecht stellten.5 Umgekehrt ist es nicht etwa aufgrund von im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten geboten, auf arbeitsrechtliche allgemeine Geschäftsbedingungen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion aus § 306 Abs. 2 BGB nicht anzuwenden. Der Umstand, dass es sich bei Arbeitsverträgen um Dauerschuldverhältnisse handelt, ist schon mit Blick auf das Mietrecht, wo dieses Verbot allemal gilt6, keine arbeitsrechtliche Besonderheit.7 Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts sind außerdem neben rechtlichen 55 auch tatsächliche Besonderheiten des Arbeitsrechts zu berücksichtigen. Es gehe 1 Vgl. Hümmerich/Holthausen, NZA 2002, 178; Birnbaum, NZA 2003, 944. 2 Thüsing, NZA 2002, 592; anders in AGB-Kontrolle Rz. 109; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 11; umfassend Deinert in DBD, § 310 Rz. 64–86. 3 BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, EzA BGB 2002 § 309 Nr. 1 mit insoweit zust. Anm. Thüsing/Leder; so auch Coester in Staudinger, § 310 Rz. 103. 4 BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, EzA BGB 2002 § 309 Nr. 1; so auch Becker in Bamberger/Roth, § 310 Rz. 37; Reichenbach, NZA 2003, 311; Deinert in DBD, § 310 Rz. 71. 5 BAG v. 29.9.2010 – 3 AZR 557/08, EzA BetrAVG § 6 Nr. 29. 6 BGH v. 10.9.1997 – VIII ARZ 197, BGHZ 136, 314. 7 BAG v. 23.9.2010 – 8 AZR 897/08, EzA BGB 2002 § 309 Nr. 6.
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§ 310 | Anwendungsbereich um die Beachtung der dem Arbeitsverhältnis innewohnenden Besonderheiten.1 Dies wird im Schrifttum kritisiert.2 Dem BAG ist indessen auch insoweit zuzustimmen. Zum einen spricht die Begründung zum Regierungsentwurf3 davon, dass „die besonderen Bedürfnisse eines Arbeitsverhältnisses“ berücksichtigt werden sollen. Dies schließt tatsächliche Gesichtspunkte zwanglos ein. Zum anderen ist zwischen normativen und tatsächlichen Besonderheiten im Einzelfall schwer zu unterscheiden: Ist es ein rechtlicher oder ein tatsächlicher Umstand, dass der Unternehmer/Arbeitgeber einen durch den Nichtantritt der Arbeit entstandenen Schaden schwerlich genau darlegen kann oder die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens schwer vorhersehbar ist?4 Es erscheint nicht gerechtfertigt, die Berücksichtigung dieser Umstände von ihrer denkbaren begrifflichen Einordnung als normative oder empirische Besonderheiten abhängig zu machen.5 Zwar können tatsächliche Umstände nicht eigentlich „gelten“, wie § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB von den Besonderheiten im Arbeitsrecht verlangt, sondern sind gegeben oder nicht. Der Gesetzgeber hat jedoch auch in § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB auf diese semantische Feinheit keine Rücksicht genommen. Dort ist die Rede von „geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen“ – und damit empirischen Umständen –, auf die Rücksicht zu nehmen sei. Umgangssprachlich können tatsächliche Besonderheiten ohnehin nicht nur „gegeben sein“ oder „bestehen“, sondern auch „gelten“.6 Neben rechtlichen Besonderheiten gegenüber dem allgemeinen Zivilrecht sind deshalb auch spezifische Interessenlagen und Bedürfnisse, die mit der Rolle des Unternehmers/Arbeitgebers auf der einen und des Arbeitnehmers auf der anderen Seite einhergehen, bei der Anwendung von §§ 305 ff. BGB angemessen zu berücksichtigen.7 1 BAG v. 23.8.2012 – 8 AZR 804/11, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 60; BAG v. 29.9.2010 – 3 AZR 557/08, EzA BetrAVG § 6 Nr. 29; BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, EzA BGB 2002 § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 12; BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 3; so auch Joost in FS Ulmer (2003), S. 1203 f.; Roloff in Erman, § 310 Rz. 34; Basedow in MünchKommBGB, § 310 Rz. 100; Lapp/Salamon in jurisPK-BGB, § 310 Rz. 49; Jesgarzewski, ArbuR 2011, 13; Becker in Bamberger/Roth, § 310 Rz. 37. 2 Deinert in DBD, § 310 Rz. 64 f., Rz. 86; Preis in ErfK, BGB §§ 305–310 Rz. 11; Stoffels in WLP, Anhang zu § 310 Rz. 17; Lakies, Vertragsgestaltung, 1 Rz. 391; wohl auch Hümmerich/Ebeling in AnwK BGB, § 310 Rz. 38. 3 BT-Drucks. 14/6857, S. 53. 4 Vgl. dazu BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, EzA BGB 2002 § 309 Nr. 1; Coester in Staudinger, § 310 Rz. 103; Herresthal, Anm. zu BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, EzA BGB 2002 § 308 Nr. 1. 5 So i.E. wohl auch Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 109. 6 So auch Herresthal, Anm. zu BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, EzA BGB 2002 § 308 Nr. 1; kritisch Deinert in DBD, § 310 Rz. 64 f. 7 Ähnlich auch Coester in Staudinger, § 310 Rz. 103; Fuchs/Bieder in UBH, Anh. § 310 Rz. 38 f.; Becker in Bamberger/Roth, § 310 Rz. 37; Morgenroth/Leder, NJW 2004, 2797 f.; ausführlich Herresthal, Anm. zu BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, EzA BGB 2002 § 308 Nr. 1.
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V. Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten | § 310
Dabei ist allerdings zwischen „tatsächlichen Besonderheiten“ im dargelegten 56 Sinn einerseits und bloßen kautelarvertraglichen „Üblichkeiten“ und verbreiteten „Usancen“ des Arbeitslebens andererseits zu unterscheiden. Letztere sind gerade Gegenstand der Inhaltskontrolle und rechtfertigen nicht etwa unbesehen ihre Fortgeltung als arbeitsrechtliche „Besonderheiten“.1 „Angemessen“ ist die Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Beson- 57 derheiten, wenn sie ein mit diesen einhergehendes, sachlich nachvollziehbares Verlangen nach einer Aufrechterhaltung der fraglichen Vertragsbedingung in einen sachgerechten Ausgleich mit den allgemeinen Grundsätzen der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB bringt. Dies kann – selbstverständlich – dazu führen, dass sich die fragliche Klausel trotz der Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten im Ergebnis als unwirksam erweist. So hat etwa das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 25.9.20082 die seit der Entscheidung vom 4.3.20043 trotz des Klauselverbots in § 309 Nr. 6 BGB wegen § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB für grundsätzlich zulässig erachtete Vereinbarung einer Vertragsstrafe im konkreten Fall wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB für unwirksam gehalten, weil die für jeden Fall der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgesehene Höhe der Vertragsstrafe von drei Brutto-Monatsgehältern die Arbeitnehmerin wegen „Übersicherung“ des Arbeitgebers unangemessen benachteilige.4 Dagegen hat es eine Vertragsklausel, der zufolge „alle beiderseitigen Ansprüche 57a aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden“, die davon wiederum „Ansprüche wegen Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit und … (aufgrund) vorsätzlicher Pflichtverletzungen“ ausnahm, trotz ihres Verstoßes gegen § 309 Nr. 7 Buchst. b BGB unter Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten für wirksam gehalten.5 Diese Besonderheiten liegen darin, dass sonstige Schäden, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung i.S.v. § 309 Nr. 7 Buchst. b BGB beruhen könnten, typischerweise nicht Schäden sind, die der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber – also gegen den Verwender der AGB – geltend machen könnte, sondern Schäden sind, die Ansprüche des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer begründen könnten. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Haftung des Arbeitnehmers für Sachschäden bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten. Es gehört zu den im Arbeitsrecht geltenden rechtlichen Besonderheiten, dass bei allen im Arbeitsverhältnis 1 2 3 4 5
Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 11; Preis, NZA-Beilage 16/2003, S. 26. BAG v. 25.9.2008 – 8 AZR 717/07, EzA BGB 2002 § 310 Nr. 7. BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, EzA BGB 2002 § 309 Nr. 1. Vgl. dazu auch BAG v. 17.3.2016 – 8 AZR 665/14, EzA BGB 2002 § 309 Nr. 7. BAG v. 28.9.2017 – 8 AZR 67/15, EzA BGB 2002 § 309 Nr. 8; zur Problematik vgl. auch Bayreuther, DB 2017, 487 (489).
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§ 310 | Anwendungsbereich vom Arbeitnehmer verursachten Schäden, die bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten entstehen, eine Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung durch eine entsprechende Anwendung von § 254 BGB erfolgt. Die fragliche Vertragsklausel begünstigt den Arbeitnehmer bei der Haftung aufgrund betrieblich veranlasster Tätigkeiten sogar zusätzlich, weil nicht nur etwaige Ansprüche des Arbeitgebers bei normaler Fahrlässigkeit, sondern auch solche bei grober Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers der Ausschlussklausel unterfallen. Demgegenüber besteht im Bereich grober Fahrlässigkeit in Bezug auf sonstige Schäden typischerweise keine besondere Haftungsgefahr für den Arbeitgeber als Haftungsschuldner und Verwender der AGB. Kommt die Klausel im Einzelfall dennoch auch ihm zugute – etwa hinsichtlich offener Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers –, vermag er sich deshalb durchaus auf sie zu berufen.1 58 Bei der Berücksichtigung der arbeitsrechtlichen Besonderheiten ist folglich in
drei Stufen vorzugehen. In einem ersten Schritt ist die fragliche Vertragsbedingung an den allgemeinen Grundsätzen zu messen. Sodann ist die Interessenlage der Vertragsparteien im allgemeinen Zivilrecht mit derjenigen im Arbeitsrecht zu vergleichen und zu prüfen, ob eine Abweichung im Arbeitsrecht (noch) gerechtfertigt ist. Abschließend ist zu fragen, wie eine solche Besonderheit, die nach einer Abweichung verlangt, „angemessen“ berücksichtigt werden kann.2
3. Kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien im Besonderen 59 Bei der grundsätzlich eröffneten und gebotenen Inhaltskontrolle kirchlicher Ar-
beitsvertragsregelungen (vgl. Rz. 47) ist als im Arbeitsrecht geltende Besonderheit zu berücksichtigen, dass diese Regelungen auf dem „Dritten Weg“ entstehen und von einer paritätisch und mit weisungsunabhängigen Mitgliedern besetzten Kommission beschlossen werden.3 Dies kann dazu führen, dass in ihnen Gestaltungen zulässig sind, die von allgemeinen Grundsätzen abweichen.4
60 Wird auf die kirchlichen Arbeitsvertragsregelungen – wie zu deren Beachtlich-
keit im Arbeitsverhältnis erforderlich (vgl. Rz. 47) – im Arbeitsvertrag Bezug genommen, unterliegt zunächst diese Bezugnahmeklausel selbst der Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB, falls es sich denn um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB, ggf. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB handelt – wovon regelmäßig 1 Vgl. BAG v. 28.9.2017 – 8 AZR 67/15, EzA BGB 2002 § 309 Nr. 8. 2 Vgl. Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, I C Rz. 92; Preis, NZA 2004, 1015; Roloff in HWK, § 310 BGB Rz. 6, der die Stufen zwei und drei zusammenfasst; Coester in Staudinger, § 310 Rz. 7; Jesgarzewski, ArbuR 2011, 13; Tödtmann/Kaluza, DB 2011, 114. 3 BAG v. 19.11.2009 – 6 AZR 561/08, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 12. 4 BAG v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 15.
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V. Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten | § 310
auszugehen ist1 – und nachdem ihr genauer Inhalt durch Auslegung geklärt ist.2 Bei der Auslegung wiederum ist von der allgemeinen Funktion der Verweisungsklauseln im kirchlichen Arbeitsverhältnis auszugehen. Diese besteht darin, dem kirchlichen Arbeitsrecht im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis möglichst umfassend Geltung zu verschaffen.3 Die Verweisungsklausel muss klar und verständlich i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und darf nicht überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB sein4 – soweit diese Vorschrift Anwendung findet. Sieht eine Klausel eine statische Verweisung auf die kirchlichen Regelungen (oder ein anderes Regelwerk) vor, unterliegt sie freilich keiner Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 308, § 309 BGB, weil sie keine von Rechtsvorschriften abweichende oder sie ergänzenden Regelungen enthält (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB). Sie beschränkt sich auf die Verweisung als solche und damit auf die Einbeziehung des betreffenden Regelungswerks.5 Etwas anderes gilt bei einer dynamischen Verweisung. Hier ist eine Kontrolle der Klausel grundsätzlich eröffnet. Sieht eine Klausel eine dynamische Verweisung auf die „jeweils geltenden“ kirchlichen Regelungen oder auf ein bestimmtes Regelungswerk „nebst Änderungen oder Ergänzungen“ vor, ist dies nach Auffassung des BAG allerdings weder überraschend noch liege darin eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB oder ein unwirksamer Änderungsvorbehalt i.S.v. § 308 Nr. 4 BGB.6 Vielmehr liege es typischerweise im beidseitigen Interesse, dass das kirchliche Arbeitsrecht durch eine dynamische Inbezugnahme in seiner jeweiligen Fassung zur Geltung gebracht werde.7 Durch eine entsprechende Klausel können auch das kirchliche Mitarbeitervertretungsrecht und auf dessen Grundlage geschlossene Dienstvereinbarungen in Bezug genommen werden.8 Zwar stellt ein Änderungsvorbehalt eine von „Rechtsvorschriften“ i.S.v. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB abweichende Regelung dar, weil zu diesen Vorschriften auch allgemeine Grundsätze – wie etwa das Prinzip des „pacta sunt servanda“ – 1 BAG v. 22.3.2018 – 6 AZR 835/16, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 44; BAG v. 25.6.2015 – 6 AZR 383/14, BAGE 152, 82. 2 Vgl. BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 217/11, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 23; BAG v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 15; Willemsen/Mehrens in FS Bepler (2012), S. 622; Fischermeier in FS Bepler (2012), S. 161. 3 BAG v. 22.3.2018 – 6 AZR 835/16, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 44; BAG v. 16.2.2012 – 6 AZR 573/10, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 22. 4 BAG v. 8.12.2015 – 3 AZR 267/14, EzA BGB 2002 § 305c Nr. 27. 5 BAG v. 18.9.2012 – 3 AZR 415/10, EzA BetrAVG § 17 Nr. 12; BAG v. 18.11.2009 – 4 AZR 493/08, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 13. 6 BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 217/11, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 23; vgl. dazu Fischermeier in FS Bepler (2012), S. 162 ff. 7 BAG v. 24.5.2018 – 6 AZR 308/17, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 45; BAG v. 22.3.2018 – 6 AZR 835/16, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 44; BAG v. 23.11.2017 – 6 AZR 683/16, BGB 2002 § 613a Nr. 177. 8 BAG v. 22.3.2018 – 6 AZR 835/16, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 44.
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§ 310 | Anwendungsbereich zählen,1 mit denen eine „Jeweiligkeitsklausel“ oder ein Einbezug künftiger Änderungen nicht vereinbar ist. Wenn Jeweiligkeitsklausel und/oder Änderungsvorbehalt sich aber auf kirchlich-diakonische Arbeitsvertragsregelungen des Dritten Weges beziehen, die paritätisch ausgehandelt wurden, stellt dies keine unzumutbare Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB bzw. einen zumutbaren Änderungsvorbehalt i.S.v. § 308 Nr. 4 BGB dar. Es wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis nach einer Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen verlangen kann, ohne dass die vertraglichen Rechte des Arbeitnehmers so eingeschränkt würden, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wäre und damit gegen § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB verstoßen würde.2 Wenn eine Verweisungsklausel dagegen nicht nur auf paritätisch zustande gekommene, sondern auch auf einem Letztentscheidungsrecht von Synode oder Bischof beruhende Regelungen des Dritten Wegs Bezug nimmt, gilt diese Bewertung nicht. Vielmehr spricht Einiges dafür, dass eine solche Klausel unwirksam ist, wenn sie auch einem „blue-pencil-Test“ nicht standhält.3 61 Generell ist mit dem Bundesarbeitsgericht festzuhalten, dass die Berücksichti-
gung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nicht von der Notwendigkeit befreit, Gründe für eine Abänderung vertraglicher Bedingungen zu nennen und diese ggf. inhaltlich zu überprüfen. Auch wenn grundsätzlich Bezugnahmen auf andere Regelungswerke in Arbeitsverträgen möglich und zulässig sind und insbesondere Klauseln mit dynamischer Bezugnahme einer üblichen Regelungstechnik im Arbeitsvertrag entsprechen und den Interessen beider Parteien dienen können,4 sind sie nicht ohne Weiteres der Inhaltskontrolle entzogen. Stets ist zu prüfen, ob die Interessen beider Vertragspartner angemessen berücksichtigt werden. Soweit es sich dabei um kollektiv ausgehandelte Vereinbarungen handelt, wird dies bei Parität der Verhandlungspartner allerdings weitgehend der Fall sein.5 Ist eine Verweisung auf die kirchlichen AVR in ihrer jeweiligen Fassung wirksamer Vertragsbestandteil geworden, ist an die AVR auch
1 BAG v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04, EzA TzBfG § 12 Nr. 2; Reinecke, JbArbR 43 (2006), 31; a.A. offenbar BAG v. 18.11.2009 – 4 AZR 493/08, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 13. 2 BAG v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 15. 3 BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 217/11, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 23 – dort auch zur ergänzenden Vertragsauslegung für diesen Fall; BAG v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 15; kritisch dazu Willemsen/Mehrens in FS Bepler (2012), S. 623; vgl. aber Fischermeier in FS Bepler (2012), S. 164 ff. 4 BAG v. 14.3.2007 – 5 AZR 630/06, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 45 = EzA § 307 BGB 2002 Nr. 18. 5 BAG v. 24.9.2008 – 6 AZR 76/07, EzA BGB 2002 § 305c Nr. 15; BAG v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08, EzA BGB 2002 § 308 Nr. 9.
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V. Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten | § 310
ein nicht-kirchlicher Betriebs(teil)erwerber gebunden, wenn dies nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde.1 Die Vertragsklausel unterliegt allein dem Regime von § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB, die Regelungen in § 613a Abs. 1 Sätze 2 bis 4 BGB finden keine Anwendung.2 Auch unionsrechtlich stehen einer dynamischen Weitergeltung vertraglich in Bezug genommener kollektiver Regelungen beim Betriebs(teil)erwerber Hindernisse nicht entgegen.3 Hat umgekehrt ein kirchlicher Arbeitgeber entgegen der ihn eindeutig verpflichtenden kirchengesetzlichen Bestimmungen mit einem Arbeitnehmer gerade nicht die uneingeschränkte Geltung der AVR, sondern diesen benachteiligende Abweichungen vertraglich vereinbart – ohne dass dies seinerseits überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB wäre –, berührt das gleichwohl nicht die Wirksamkeit der entsprechenden vertraglichen Vereinbarung. Die von einem kirchlichen Arbeitgeber abgeschlossenen Arbeitsverträge sind nicht (teil-)unwirksam, wenn sie die Vorgabe missachten, die kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen in Bezug zu nehmen, und eigenständige Regelungen vorsehen. Das staatliche Recht ordnet die Unwirksamkeit einer vertraglichen Regelung aus diesem Grund nicht an. Die kirchengesetzlichen Vorgaben wiederum können eine Anwendung der einschlägigen Arbeitsrechtsregelungen nicht erzwingen, weil die Kirchen nicht die Rechtsmacht haben, eine normative Wirkung dieser Regelungen im privaten Arbeitsverhältnis anzuordnen.4 Ein Arbeitnehmer, mit dem eine nicht den kirchlichen Regelungen entsprechende Vereinbarung geschlossen wird, kann sich deshalb nicht darauf berufen, die Kirche habe sich durch die Einrichtung des Arbeitsrechtsregelungssystems darauf festgelegt, dass nicht zu seinem Nachteil von der kirchlichen Arbeitsvertragsordnung abgewichen werden dürfe. Die staatliche Arbeitsgerichtsbarkeit hat nicht die Aufgabe, im Urteilsverfahren für die Aufrechterhaltung der kirchlichen Ordnung zu sorgen. Dies bleibt den nach Kirchenrecht zuständigen kirchlichen Stellen vorbehalten.5 Von der Kontrolle der Bezugnahmeklausel ist die Kontrolle der in Bezug ge- 62 nommenen Regelungen zu unterscheiden. Hat das Bundesarbeitsgericht, was diese betrifft, die kirchlichen Arbeitsvertragsregelungen als solche im Änderungsfall auch nach Inkrafttreten der §§ 305 bis 310 BGB zunächst anhand von §§ 317 ff. BGB gemessen und die Änderung daraufhin überprüft, ob sie offenbar 1 BAG v. 21.6.2018 – 6 AZR 38/17, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 46; BAG v. 23.11.2017 – 6 AZR 739/15, EzA BGB 2002 § 613a Nr. 174. 2 BAG v. 23.11.2017 – 6 AZR 739/15, EzA BGB 2002 § 613a Nr. 174. 3 Vgl. EuGH v. 27.4.2017 – C-680/15, C-681/15 (Asklepios)], EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2001/23 Nr. 12. 4 BAG v. 24.5.2018 – 6 AZR 308/17, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 45 m.w.N.; zum kirchlichen Mitarbeitervertretungsrecht vgl. BAG v. 22.3.2018 – 6 AZR 835/16, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 44; a.A. Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 7. Aufl. 2015, § 15 Rz. 69, 70. 5 BAG v. 24.5.2018 – 6 AZR 308/17, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 45; Eder, ZTR 2018, 191 f.
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§ 310 | Anwendungsbereich unbillig i.S.v. § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB ist,1 hält es neuerdings die §§ 305 ff. BGB für allein einschlägig.2 Anders als noch in der Entscheidung vom 19.11.20093 überprüft es mittlerweile paritätisch zustande gekommene kirchenrechtliche Vertragsbedingungen ebenso wie kirchliche Dienstvereinbarungen wegen der in dieser Genese liegenden arbeitsrechtlichen Besonderheit außerdem auch dann nur noch an Verfassung, höherrangigem zwingenden Recht und den guten Sitten4, wenn sie nicht lediglich einschlägige tarifliche Regelungen für den öffentlichen Dienst ganz oder mit im Kern gleichem Inhalt übernehmen.5 Vorauszugehen hat der Kontrolle der kirchenrechtlichen Regelungen – wie stets (vgl. Vor § 307 Rz. 25) – die Feststellung ihres genauen Inhalts. Dabei sind kirchliche Arbeitsrechtsregelungen – obwohl keine Tarifverträge – nach den Grundsätzen der Gesetzes- und Tarifinterpretation auszulegen.6 Erläuterungen in den Rundschreiben der Geschäftsführung der Arbeitsrechtlichen Kommission sind dabei kein Bestandteil der AVR.7 Bislang hatte das BAG noch nicht darüber zu entscheiden, ob die – einseitig erlassene – Grundordnung der Katholischen Kirche, wenn auf sie arbeitsvertraglich Bezug genommen wird, einer Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB unterliegt.8
1 BAG v. 19.8.2008 – 3 AZR 383/06, NZA 2009, 1275; BAG v. 10.12.2008 – 4 AZR 801/07, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 10. 2 BAG v. 22.3.2018 – 6 AZR 835/16, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 44; BAG v. 22.7.2010 – 6 AZR 847/07, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 15; BAG v. 24.3.2011 – 6 AZR 796/09, NZA 2011, 698; vgl. Fischermeier in FS Bepler (2012), S. 166 ff. 3 BAG v. 19.11.2009 – 6 AZR 561/08, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 12. 4 BAG v. 22.3.2018 – 6 AZR 835/16, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 44. 5 BAG v. 22.3.2018 – 6 AZR 835/16, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 44; vgl. auch Thüsing/Mathy, Anm. zu BAG v. 22.3.2018 – 6 AZR 835/16, in AP BGB § 611 Kirchendienst Nr. 90; BAG v. 4.8.2016 – 6 AZR 129/15, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 38; BAG v. 24.3.2011 – 6 AZR 796/09, NZA 2011, 698; BAG v. 22.7. 2010 – 6 AZR 847/07, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 15; so wohl auch Coester in Staudinger, § 310 Rz. 89. 6 BAG v. 4.8.2016 – 6 AZR 129/15, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 37; BAG v. 15.1.2014 – 10 AZR 403/13, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 29; BAG v. 28.6.2012 – 6 AZR 217/11, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 23; BAG v. 16.2.2012 – 6 AZR 573/10, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 22; BAG v. 11.11.2015 – 10 AZR 719/14, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 35; zu diesen Auslegungsgrundsätzen BAG v. 3.5.2006 – 1 ABR 2/05, EzA BetrVG 2001 § 99 Umgruppierung Nr. 3. 7 BAG v. 4.8.2016 – 6 AZR 129/15, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 37. 8 Zur gerichtlichen Diskriminierungskontrolle kirchlicher Anforderungen auf Basis der Grundordnung vgl. EuGH v. 11.9.2018 – C-68/17 – [IR vs. JQ] EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 32c.
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VI. Ausschluss der Anwendung von § 305 Abs. 2 und Abs. 3 BGB | § 310
VI. Ausschluss der Anwendung von § 305 Abs. 2 und Abs. 3 BGB Der – in der Sache überraschende – Ausschluss der Anwendbarkeit von § 305 63 Abs. 2 und Abs. 3 BGB auf Allgemeine Geschäftsbedingungen im Arbeitsrecht bedeutet, dass der Unternehmer/Arbeitgeber als Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen weder den Arbeitnehmer ausdrücklich oder durch deutlich sichtbaren Aushang auf diese hinweisen noch ihm die Möglichkeit verschaffen muss, in zumutbarer Weise vom Inhalt der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Kenntnis zu nehmen, damit diese Vertragsbestandteil werden. Auch das in § 305 Abs. 2 letzter Halbs. BGB verlangte Einverständnis der anderen Vertragspartei mit der Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist damit auf den ersten Blick für das Arbeitsrecht entfallen. Auf den zweiten Blick zeigt sich freilich, dass dieses Erfordernis in § 305 Abs. 2 letzter Halbs. BGB über § 147 BGB – das erforderliche Einverständnis mit dem Angebot nach § 145 BGB – nicht hinausgeht, welches seinerseits selbstverständlich auch für den Abschluss des Arbeitsvertrags gilt. § 305 Abs. 3 BGB schafft, was die Annahmeerklärung als solche angeht, kein Sonderrecht.1 In der Regierungsbegründung zum Entwurf des § 310 BGB heißt es zur Erläute- 64 rung: „Des Weiteren sind die Erfordernisse des § 305 Abs. 2 und 3 BGB-E bei Arbeitsverträgen nicht einzuhalten. Insoweit bestimmt nämlich § 2 Abs. 1 Satz 1 des Nachweisgesetzes vom 20.7.1995 …, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die wesentlichen Vertragsbestimmungen auszuhändigen hat. Dies kann durch einen entsprechenden Hinweis auf die einschlägigen Tarifverträge, Betriebsoder Dienstvereinbarungen und ähnliche für das Arbeitsverhältnis geltende Regelungen ersetzt werden (§ 2 Abs. 3 des Nachweisgesetzes).“ Die Begründung verfängt ersichtlich nicht. Das Nachweisgesetz regelt nicht, wie 65 bestimmte Bedingungen zum Vertragsinhalt werden, sondern nur, dass der Arbeitgeber die wesentlichen Bedingungen, die – auf dem Weg der §§ 145 ff. BGB – zum Vertragsinhalt geworden sind, spätestens einen Monat nach Vertragsbeginn schriftlich niederzulegen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen hat. Dem Anliegen von § 305 Abs. 2 und Abs. 3 BGB, nämlich einen lediglich konkludenten Einbezug von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und deren Geltung ohne die – schon bei Vertragsschluss gegebene – praktikable Möglichkeit, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen, auszuschließen,2 wird § 2 NachwG nicht gerecht. Gleichwohl scheidet angesichts des unmissverständlichen Wortlauts des Geset- 66 zes eine Auslegung von § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB, die ein anderes Ergebnis zur Folge hätte, aus. Angesichts des ebenso klaren – wenn auch irrig gebildeten – 1 BGH v. 1.3.1982 – VIII ZR 63/81, WM 1982, 445 zu § 2 AGBG; Ulmer/Habersack in UBH, § 305 Rz. 161. 2 Vgl. Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 83.
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§ 310 | Anwendungsbereich Willens des Gesetzgebers scheidet auch eine analoge Anwendung von § 305 Abs. 2, Abs. 3 BGB auf Arbeitsverträge aus.1 Inwieweit sich dieses Versäumnis des Gesetzgebers in der Praxis zu Lasten des Arbeitnehmers auswirkt, ist allerdings nicht ausgemacht. Zum einen bleibt es bei der Geltung von §§ 145 ff. BGB auch für Arbeitsverträge. Danach ist ein übereinstimmender entsprechender Wille beider Vertragsparteien Voraussetzung für die Geltung des Vertragsinhalts.2 Nach §§ 133, 157 BGB ist deshalb genau zu prüfen, ob die fraglichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen tatsächlich wirksam in den Vertrag einbezogen worden sind. So muss es auch für einen konkludenten Einbezug erkennbare Anhaltspunkte geben. Zum anderen sind vertragliche Verweisungen auf andere Regelungswerke als Tarifverträge oder kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien eher die Ausnahme. Die Regelungen solcher kollektiv ausgehandelter Vereinbarungen wiederum sind in der Regel – falls denn wirksam vertraglich einbezogen – nicht unangemessen, soweit sie überhaupt überprüfbar sind. Falls die fraglichen Bedingungen im Vertragstext selbst enthalten sind – wie in Arbeitsverträgen recht häufig –, sind die Voraussetzungen von § 305 Abs. 2, Abs. 3 BGB ohnehin erfüllt.
VII. Die Gleichstellung von Kollektivverträgen mit Rechtsvorschriften, § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB 67 Nach § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB stehen Tarifverträge, Betriebs- und Dienstver-
einbarungen den „Rechtsvorschriften“ i.S.v. § 307 Abs. 3 BGB gleich. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs wird dadurch „klargestellt, dass Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen Rechtsvorschriften im Sinne des § 307 Abs. 3 BGB-RE gleichstehen. Daraus folgt, dass auch Einzelarbeitsverträge, die Bezug auf einen Tarifvertrag nehmen, ohne dass eine beiderseitige Tarifbindung besteht, oder die mit Kollektivverträgen übereinstimmen und lediglich deren gesamten Inhalt wiedergeben, ebenfalls nicht der Inhaltskontrolle unterliegen, sondern nur am Transparenzgebot zu messen sind“.
68 § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB ergänzt damit Satz 1 der Bestimmung, weil sonst – je-
denfalls bei deren nicht-normativer Geltung – mittelbar doch eine Inhaltskontrolle von Tarifverträgen und der übrigen Kollektiverträge anhand von §§ 305 ff. BGB stattfinden könnte.3 Dies wird durch ihre Gleichstellung mit Rechtsvorschriften i.S.v. § 307 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung un-
1 BAG v. 19.3.2014 – 5 AZR 252/12 (B), EzA BGB 2002 § 305c Nr. 25; BAG v. 29.8.2012 – 10 AZR 385/11, EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 33; BAG v. 6.5.2009 – 10 AZR 390/08, EzA BGB 2002 § 310 Nr. 8; BAG v. 14.3.2007 – 5 AZR 630/06, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 18; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 26; Deinert in DBD, § 305 Rz. 40 m.w.N.; Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 84; Basedow in MünchKommBGB, § 310 Rz. 96. 2 BAG v. 29.8.2012 – 10 AZR 385/11, EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 33. 3 Joost in FS Ulmer (2003), S. 1199; Witt, NZA 2004, 137.
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VII. Gleichstellung von Kollektivverträgen mit Rechtsvorschriften | § 310
terliegen nur solche Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1, Abs. 2, §§ 308, 309 BGB, „die von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen“, nicht aber solche, die inhaltlich dem Gesetz entsprechen. Die Gleichstellung der Kollektivverträge mit Rechtsvorschriften bewirkt nunmehr, dass auch Allgemeine Geschäftsbedingungen, die den einschlägigen Tarifverträgen, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen entsprechen, keiner Inhaltskontrolle am Maßstab der §§ 307 ff. BGB unterzogen werden können. Unabhängig davon, ob auf die Regelungen der Kollektivverträge individualrechtlich Bezug genommen wird oder ob diese ausformuliert in den Arbeitsvertrag übernommen werden, sind sie in ihrem materiellen Inhalt als bloß „rechtsdeklaratorische“ Klauseln einer solchen Kontrolle entzogen.1 Auch eine Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB findet deshalb nicht statt.2 Das entspricht zugleich dem hinter der Bezugnahme liegenden Standardisierungsinteresse des Arbeitgebers, der die Tarifverträge, an die er gegenüber gewerkschaftsangehörigen Belegschaftsmitgliedern normativ gebunden ist, auch im Verhältnis zu nichtorganisierten Arbeitnehmern in gleicher Weise anwenden können will. Unterlägen die nur schuldrechtlich geltenden Tarifregelungen der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB, wäre dies zumindest nicht garantiert. Außerdem wären nicht-organisierte Arbeitnehmer dann wegen der Überprüfung der vertraglich in Bezug genommenen Tarifregelungen anhand von §§ 307 ff. BGB möglicherweise besser gestellt als organisierte.3
1. Globalverweisungen Werden mit einer ihrerseits wirksamen – d.h. nicht überraschenden und trans- 69 parenten4 – Vertragsklausel jeweils in toto sämtliche Tarifverträge in den Arbeitsvertrag einbezogen, die auf das Arbeitsverhältnis normativ Anwendung fänden, wenn beide Vertragsparteien Mitglieder der betreffenden Tarifvertragsparteien wären, findet damit wegen § 310 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB keine Inhaltskontrolle der – nur schuldrechtlich geltenden – einbezogenen tariflichen Regelungen statt. Darüber besteht Einigkeit.5 Das Transparenzgebot 1 BAG v. 6.5.2009 – 10 AZR 390/08, EzA BGB 2002 § 310 Nr. 8; Däubler in DBD, § 310 Rz. 45 m.w.N.; Witt, NZA 2004, 136. 2 BAG v. 20.6.2018 – 5 AZR 377/17, EzA § 3 MiLoG Nr. 2. 3 Däubler in DBD, § 310 Rz. 44. 4 BAG v. 20.6.2018 – 7 AZR 698/16, EzA TzBfG § 17 Nr. 23; vgl. dazu Zwanziger in FS Düwell (2011), S. 105; vgl. ferner oben Rz. 60 – dort für den Einbezug kirchlicher Arbeitsvertragsrichtlinien. 5 BAG v. 28.6.2007 – 6 AZR 750/06, EzA BGB 2002 § 310 Nr. 5; BAG v. 25.4.2007 – 10 AZR 634/06, NZA 2007, 875; BAG v. 6.5.2009 – 10 AZR 390/08, EzA BGB 2002 § 310 Nr. 8; Roloff in HWK, § 310 BGB Rz. 13; Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, I C Rz. 63; Hümmerich/Ebeling in AnwK, BGB § 310 Rz. 24; Richardi, NZA 2002, 1062; Witt, NZA 2004, 138; Fuchs/Bieder in UBH, Anh. § 310 Rz. 30; Thüsing, AGB-Kontrolle,
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§ 310 | Anwendungsbereich des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB bezieht sich dementsprechend nur auf die Vertragsklausel mit der Bezugnahme, nicht auf die Regelungen eines in Bezug genommenen Tarifvertrags.1 Es ist verletzt, wenn etwa aus der Bezug nehmenden Klausel nicht erkennbar wird, welches von mehreren in Bezug genommen tariflichen Regelwerken bei sich widersprechenden Regelungen den Vorrang haben soll.2 Ebensowenig findet eine Inhaltskontrolle statt, wenn zwar nicht auf sämtliche bei normativer Bindung einschlägigen Tarifwerke, aber jedenfalls auf einen einzelnen einschlägigen Tarifvertrag in Gänze verwiesen wird. Dessen Regelungen verlieren nicht dadurch ihre „Richtigkeitsgewähr“, dass nur auf sie und nicht auch auf die Regelungen in anderen Tarifverträgen der Branche verwiesen wird – selbst wenn nicht auszuschließen ist, dass bestimmte Regelungen im Tarifwerk A mit Rücksicht auf bestimmte Regelungen im Tarifwerk B getroffen worden sind. Es käme vielmehr auch dann einer Tarifzensur gleich, wenn die Bestimmungen des als solchen komplett einbezogenen Tarifvertrags nur deshalb einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB unterzogen würden, weil nicht sämtliche anderen einschlägigen Tarifverträge vertraglich ebenfalls für anwendbar erklärt worden sind.3 Ist der Arbeitgeber über § 3 TVG an mehrere Tarifverträge unterschiedlicher Gewerkschaften gebunden, kommen im Betrieb, wenn sich die Geltungsbereiche der nicht inhaltsgleichen, kollidierenden Tarifverträge überschneiden, nach § 4a Abs. 2 TVG – in das TVG eingefügt durch das Tarifeinheitsgesetz vom 3.7.2015 – nur die Rechtsnormen des Tarifvertrags derjenigen Gewerkschaft zur Anwendung, welche zum Zeitpunkt des Abschlusses des zuletzt geschlossenen kollidierenden Tarifvertrags die meisten in einem Arbeitsverhältnis stehenden Mitglieder im Betrieb hat. Daran hat die Verfassungswidrigkeit von Teilen des Gesetzes4 nichts geändert. Der verdrängte Tarifvertrag gälte folglich selbst bei Tarifbindung beider Arbeitsvertragsparteien im Betrieb nicht normativ. Das nimmt ihm jedoch nicht die Gewähr seiner inhaltlichen
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Rz. 189; Lapp/Salamon in jurisPK-BGB, § 310 Rz. 45; Däubler in DBD, § 310 Rz. 44; Lakies in Vertragsgestaltung, 1 Rz. 200. BAG v. 13.10.2017 – 1 AZR 717/15, EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 44; Schaub, PersV 2010, 95 (98 f.); zu den Anforderungen an die Transparenz des Inhalts von AGB bei Abschluss des Vertrags – „Abschlusstransparenz“ im Unterschied zur „Abwicklungstransparenz“ – und das mit ihr gesetzliche verfolgte Ziel der Information des Arbeitnehmers über die Umstände, die es ihm ermöglichen, die Vor- und Nachteile der beabsichtigten vertraglichen Regelungen zu beurteilen, vgl. BAG v. 24.5.2018 – 6 AZR 308/17, EzA BGB 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 45; BAG v. 26.1.2017 – 6 AZR 671/15, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 81. BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, EzA AÜG § 10 Nr. 16. So die vorstehend zitierten Stimmen, auch wenn sie insoweit überwiegend nicht differenzieren; anders Däubler in DBD § 310 Rz. 46, der offenbar sogar die Regelungen eines isoliert in Bezug genommenen Entgelttarifvertrags (!) für überprüfbar hält, wenn dessen Vorläufer höhere Vergütungen vorsah, deren Absenkung die gewerkschaftliche „Gegenleistung“ für den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen im nicht in Bezug genommenen Manteltarifvertrag war. Dazu BVerfG v. 11.7.2017 – 1 BvR 1571/15, EzA TVG § 4a Nr. 1.
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VII. Gleichstellung von Kollektivverträgen mit Rechtsvorschriften | § 310
„Richtigkeit“. Auch er wurde von tarifzuständigen Tarifvertragsparteien für (u.A.) diesen Betrieb geschlossen. Eine Kontrolle seiner Regelungen findet deshalb trotz der gesetzlichen Verdrängung durch § 4a Abs. 2 TVG nicht statt, § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB gilt auch für ihn.1 Etwas anderes gilt, wenn auf einen nicht einschlägigen, also das Arbeitsverhält- 70 nis selbst bei unterstellter Tarifbindung örtlich, fachlich oder personell nicht erfassenden Tarifvertrag verwiesen wird. Das ist in Wahrnehmung der Vertragsfreiheit ohne Weiteres möglich.2 In diesem Fall greift auch bei einer Bezugnahme auf den gesamten Tarifvertrag weder der Gedanke der Richtigkeitsgewähr noch das Verbot der Tarifzensur, um eine Inhaltskontrolle auszuschließen. Die institutionelle Vermutung der „Angemessenheit“ und materialen „Richtigkeit“ ist vielmehr mit Blick auf Tarifregelungen nur insoweit berechtigt, wie diese – im Rahmen der Tarifzuständigkeit der Beteiligten – auf diejenigen Arbeitsverhältnisse Anwendung finden, für die sie sich selbst Geltung beimessen. (Nur) in eben diesem Umfang garantiert die Sachkunde und Sachnähe der Tarifvertragsparteien die Ausgewogenheit der tariflichen Bestimmungen und ist deshalb eine Angemessenheitskontrolle unter dem Regime von Art. 9 Abs. 3 GG ausgeschlossen.3 Tarifverträge i.S.v. § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB sind deshalb nur solche, denen das Arbeitsverhältnis bei Tarifbindung der Arbeitsvertragsparteien unterfallen würde.4 Das folgt zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut. Es ergibt sich aber aus dem dargelegten Sinn und Zweck von § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB und aus der systematischen Gleichstellung von Tarifverträgen mit „Rechtsvorschriften“ i.S.v. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Rechtsvorschriften gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind – selbstredend – nur solche Gesetze und allgemeine Rechtsgrundsätze, die auf das fragliche Rechtsverhältnis Anwendung finden.5 Das spricht dafür, 1 So im Ergebnis – noch ohne Auseinandersetzung mit § 4a Abs, 2 TVG – auch Fuchs/ Bieder in UBH, Anh. § 310 BGB Rz. 32; Däubler in DBD, § 310 Rz. 45. 2 BAG v. 11.7.2018 – 4 AZR 533/17, EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 74. 3 Fuchs/Bieder in UBH, Anh § 310 Rz. 30; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 14; Roloff in HWK, § 310 BGB Rz. 13; Däubler in DBD, § 310 Rz. 50; Richardi, NZA 2002, 1062; Witt, NZA 2004, 137. 4 BAG v. 27.6.2018 – 10 AZR 290/17, EzA BGB 29002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 44; wohl auch schon BAG v. 6.5.2009 – 10 AZR 390/08, EzA BGB 2002, § 310 Nr. 8; Richardi, NZA 2002, 1062; Thüsing in AGB-Kontrolle, Rz. 186; mit Blick auf die Regelung in § 77 Abs. 4 Satz 4 BetrVG, der zufolge Ausschlussfristen für die Erhebung von Ansprüchen aus einer Betriebsvereinbarung nur insoweit zulässig sind, „als sie in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbart werden“, ebenso Koch in FS Klebe (2018), S. 211, 214: Ein nicht einschlägiger Tarifvertrag könne kein solcher im Sinne der Bestimmung sein, weil er selbst bei Tarifgebundenheit der Arbeitsvertragsparteien nicht gelte. 5 BGH v. 10.5.1979 – VII ZR 30/78, BGHZ 74, 258, 269 = NJW 1979, 2207: kein Ausschluss der Inhaltskontrolle, wenn ein Werkvertrag nach Kaufrecht behandelt werden soll; BGH v. 23.10.1996 – XII ZR 55/95, NJW 1997, 193: keine Kontrollfreiheit bei Anwendung von mietvertraglichen Regelungen zur Zahlungspflicht auch bei unterbliebener Nutzung auf Mitgliedschaft in einem Fitness-Studio; Fuchs in UBH, § 307 Rz. 29.
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§ 310 | Anwendungsbereich auch Tarifverträge nur dann als Rechtsvorschriften im Sinne der Bestimmung anzusehen, wenn sie bei unterstellter Tarifbindung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung fänden. 71 Ist das nicht der Fall, unterliegen sie als Allgemeine Geschäftsbedingungen der
Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB. Dabei ist es unerheblich, aus welchem Grund sie keine Anwendung fänden. Auch wenn sie nur örtlich nicht einschlägig sind, schließt das eine Inhaltskontrolle nicht aus.1 Das Gleiche gilt, wenn auf einen nur zeitlich nicht mehr einschlägigen Tarifvertrag verwiesen wird (a.A. Klumpp, § 307 Rz. 166). War der örtlich, fachlich und personell durchaus einschlägige Tarifvertrag im Zeitpunkt des Vertragsschlusses durch einen nachfolgenden Tarifvertrag bereits abgelöst, hätte er selbst bei Tarifbindung beider Arbeitsvertragsparteien seine normative Geltung verloren. Mit ihm als nunmehr bloßer Vorläuferregelung ist deshalb gerade nicht mehr die Vermutung materialer Richtigkeit verbunden, seine Regelungen sind nicht mehr Ausdruck der aktualisierten Tarifautonomie i.S.v. Art. 9 Abs. 3 GG. Sie sind einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB damit nicht mehr entzogen.2 Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Tarifvertrag, nachdem er wegen Zeitablaufs geendet hat, schon durch eine neue Tarifvereinbarung abgelöst worden ist. Auch wenn ein neuer Tarifabschluss noch nicht zustande gekommen ist, hat der bisherige Tarifvertrag seine – zeitlich befristete – Richtigkeitsgewähr verloren; mit einer möglichen Kontrolle ist ein Verstoß gegen die Tarifautonomie nicht verbunden, wie schon § 4 Abs. 5 TVG zeigt. Da außerdem tarifliche Nachfolgeregelungen häufig rückwirkend bis zum Ablauf der Vorgängerregelung in Kraft gesetzt werden, ist auch ein in der Zwischenzeit vertraglich in Bezug genommener, zeitlich abgelaufener Tarifvertrag der Inhaltskontrolle nicht entzogen.3
71a Das BAG meint demgegenüber, eine Angemessenheitskontrolle einzelner Re-
gelungen eines global in Bezug genommener Tarifvertrags finde auch dann nicht statt, wenn der in Bezug genommene Tarifvertrag von einer Tarifvertragspartei gekündigt und noch kein neuer Tarifvertrag abgeschlossen worden sei.4 Die Vermutung der Angemessenheit ende nicht mit der Kündigung des Tarifvertrags. Das folge seinerseits aus § 4 Abs. 5 TVG, der die Nachwirkung des gekündigten Regelwerks anordne. Es seien keine Gründe ersichtlich, weshalb eine solche Geltung nicht auch ohne Angemessenheitsprüfung durch einen Formulararbeitsvertrag sollte herbeigeführt werden können.5 Diese Auffassung vermag nicht zu überzeugen. Die Vermutung seiner Angemessenheit 1 Roloff in HWK, § 310 BGB Rz. 13; Witt, NZA 2004, 137; Fuchs/Bieder in UBH, Anh. § 310 Rz. 30; Annuß, BB 2002, 460; Däubler in DBD, § 310 Rz. 50. 2 Däubler in DBD, § 310 Rz. 50; Witt, NZA 2004, 137; Diehn, NZA 2004, 131. 3 So auch Thüsing in AGB-Kontrolle, Rz. 186; im Ergebnis ebenso Witt, NZA 2004, 137. 4 BAG v. 18.9.2012 – 9 AZR 1/11, BGB 2002 § 310 Nr. 12. 5 BAG v. 18.9.2012 – 9 AZR 1/11, BGB 2002 § 310 Nr. 12; in diesem Fall zust. Däubler in DBD, § 310 Rz. 47; Fuchs/Bieder in UBH, Anh. § 310 BGB Rz. 32.
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VII. Gleichstellung von Kollektivverträgen mit Rechtsvorschriften | § 310
endet gerade mit Ablauf des Tarifvertrags. § 4 Abs. 5 TVG dient lediglich dazu, Regelungslücken in den schon bestehenden Arbeitsverhältnissen zu vermeiden; dass die Regelungen (noch) angemessen sind, ist damit nicht belegt. Aus der gesetzlichen Anordnung der Weitergeltung des abgelaufenen, beendeten Tarifvertrags lässt nichts für seine Richtigkeitsgewähr herleiten, die zumindest eine der Tarifvertragsparteien – wenn nicht, wie im Fall der Befristung, gar beide – ja doch ersichtlich verneint hat. Das gilt insbesondere dann, wenn (auch) die ggf. zu kontrollierende Regelung – etwa über (kurze) Ausschlussfristen – diejenige gewesen sein sollte, welche den Anlass zur Kündigung des Tarifvertrags gegeben hat. Sollte zudem der Nachfolge-Tarifvertrag rückwirkend unmittelbar im Anschluss an das Ende des abgelaufenen Tarifvertrags in Kraft gesetzt werden und eine geänderte Regelung vorsehen, entstünde auf der Grundlage der Rechtsprechung des BAG ein Wertungswiderspruch. Für den Fall des vereinbarten Ausschlusses der Nachwirkung durch die Tarifvertragsparteien stellt das BAG zudem seine Ansicht selbst in Frage. Das zeigt, dass die Richtigkeitsgewähr des abgelaufenen Tarifvertrags nicht davon abhängt, ob dieser nach § 4 Abs. 5 TVG nachwirkt oder nicht. Sie hat vielmehr in beiden Fällen geendet, weil zumindest eine Tarifvertragspartei das Regelwerk gerade nicht mehr für angemessen hält.1 Ob auf einen bei Vertragsschluss in jeder Hinsicht einschlägigen Tarifvertrag 72 statisch oder dynamisch, d.h. auch in seiner jeweils geltenden künftigen Fassung verwiesen wird – beides ist grundsätzlich zulässig –, ist durch Auslegung der einzelvertraglichen Verweisungsklausel zu ermitteln. Handelt es sich bei dieser um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB, ist sie nach den dafür in ständiger Rechtsprechung angewandten Grundsätzen auszulegen (vgl. Rz. 38; s.a. § 305c Rz. 55, 63).2 Ergibt die Auslegung – ggf. über die Zweifelsregelung in § 305c Abs. 2 BGB3 – dass auf die fraglichen Tarifregelungen in dynamischer Weise Bezug genommen wurde, ist zu prüfen, ob diese Bezugnahme als solche einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB, insbesondere nach dem Transparenzgebot in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, standhält.4 Das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass arbeitsvertragliche Verweisungen auf Tarifverträge einer im Arbeitsrecht gebräuchlichen Regelungstechnik entsprechen, die Dynamisierung wegen des Zukunftsbezugs des Arbeitsverhältnisses den Interessen beider Seiten entspricht, die einbezogenen künftigen Regelungen hinreichend bestimmbar sind und all dies für einen wirksamen Einbezug ge1 So i.E. auch Thüsing/Lambrich, NZA 2002, 1361, 1362 f. 2 Vgl. zu diesen Grundsätzen nur BAG v. 24.5.2018 – 6 AZR 116/17, GewO § 106 Nr. 25; BAG v. 20.4.2012 – 9 AZR 504/10, NZA 2012, 982; BAG v. 19.10.2011 – 7 AZR 672/10, EzA KSchG § 1 Wiedereinstellungsanspruch Nr. 10 und BAG v. 8.12.2010 – 10 AZR 671/09, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 51. 3 Vgl. dazu etwa BAG v. 9.11.2005 – 5 AZR 128/05, AP BGB § 305c Nr. 4. 4 Vgl. dazu Zwanziger in FS Düwell (2011), S. 105.
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§ 310 | Anwendungsbereich nügt.1 Hält die dynamische Bezugnahme auf den jeweils geltenden Tarifvertrag als solche der Inhaltskontrolle stand, sind in Bezug genommene örtlich, fachlich und personell einschlägige Tarifverträge ihrerseits der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB entzogen, weil sie dann stets auch in zeitlicher Hinsicht einschlägig sind. 73 Bei einer statischen Bezugnahme auf den bei Vertragsschluss in jeder Hinsicht
einschlägigen Tarifvertrag entfällt dagegen mit dessen Ablösung durch eine Nachfolgeregelung seine normative Wirkung auch bei unterstellter Tarifbindung der Arbeitsvertragsparteien. Der Arbeitsvertrag nimmt nunmehr auf einen in zeitlicher Hinsicht nicht mehr einschlägigen Tarifvertrag Bezug. Damit ist die Inhaltskontrolle eröffnet. Es kann dafür keinen Unterschied machen, ob ein Tarifvertrag schon bei Vertragsschluss nicht mehr galt oder ob er seine Geltung während der Vertragslaufzeit verloren hat.2
74 Eine andere Frage ist es, ob nicht nur die Verweisungsklausel, sondern auch die
in Bezug genommenen einschlägigen Tarifregelungen zwar wegen § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht materiell nach §§ 307 ff. BGB zu überprüfen, aber – obwohl es sich um Bestimmungen handelt, die nicht von Rechtsvorschriften abweichen – über § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB am Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu messen sind. Der Wortlaut der Bestimmungen und die Begründung zum Regierungsentwurf3 legen dies nahe.4 Das Bundesarbeitsgericht hat eine solche Transparenzkontrolle zumindest für den Fall der Tarifbindung des Arbeitgebers gleichwohl abgelehnt. Da in diesem Fall der Tarifvertrag gegenüber tarifgebundenen Arbeitnehmern wegen § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB jeglicher Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB – also auch der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB – entzogen ist, hätte eine solche Kontrolle im Verhältnis zu nicht-tarifgebundenen Arbeitnehmern die mögliche Folge, dass einzelne Vorschriften desselben Tarifvertrags bei demselben Arbeitgeber gegenüber tarifgebundenen Arbeitnehmern zur Anwendung kommen, gegenüber nicht-tarifgebundenen bei Intransparenz dagegen nicht. Das sei mit Sinn und Zweck des
1 BAG v. 20.6.2018 – 7 AZR 698/16, EzA TzBfG § 17 Nr. 23; BAG v. 13.3.2013 – 5 AZR 954/11, EzA AÜG § 10 Nr. 16; BAG v. 18.9.2012 – 3 AZR 415/10, EzA BetrAVG § 17 Nr. 12; BAG v. 20.4.2012 – 9 AZR 504/10, NZA 2012, 982; BAG v. 23.3.2011 – 10 AZR 831/09, NZA 2012, 396; BAG v. 15.3.2007 – 5 AZR 630/06, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 18; zustimmend Roloff in HWK, § 310 BGB Rz. 12; Lakies, Vertragsgestaltung, Rz. 152; vgl. ferner Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 40 Rz. 77, 78, 90 und – eingrenzend – Rz. 80. 2 Däubler in DBD, § 310 Rz. 50a; a.A. offenbar Witt, NZA 2004, 137. 3 BT-Drucks. 14/6857, S. 54. 4 Bejahend deshalb Witt, NZA 2004, 138; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 15; Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, II V 40 Rz. 85 – ohne dann zwischen Transparenzkontrolle der Vertragsklausel und Transparenzkontrolle der in Bezug genommenen Tarifregelungen klar zu unterscheiden; Stoffels, ZfA 2009, 861; Fuchs/Bieder in UBH, Anh. § 310 Rz. 31; Lakies, Vertragsgestaltung 1, Rz. 163 ff., Rz. 207.
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VII. Gleichstellung von Kollektivverträgen mit Rechtsvorschriften | § 310
§ 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht zu vereinbaren.1 Soweit das Bundesarbeitsgericht andernfalls eine mittelbare Tarifzensur befürchtet, überzeugt dies zwar nicht, weil die betreffenden Regelungen nicht auf ihre materiale Angemessenheit, sondern auf ihre Bestimmtheit und Verständlichkeit hin überprüft würden. Das Argument der gespaltenen Anwendbarkeit derselben Tarifbestimmung ist dagegen nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen; allerdings verlangt eine auf den ersten Blick möglicherweise unklare Tarifregelung für ihre Anwendbarkeit auch gegenüber tarifgebundenen Arbeitnehmern zuvor nach einer Auslegung, die Klarheit schafft. Die Frage, ob eine Transparenzkontrolle stattzufinden hat, wenn in dem Arbeitsvertrag mit einem nicht-tarifgebundenen Arbeitgeber auf einen einschlägigen Tarifvertrag in Gänze verwiesen wird, hat das Bundesarbeitsgericht offen gelassen.2 Sie ist angesichts von Wortlaut und gesetzgeberischer Begründung von § 310 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 307 Abs. 3 BGB zu bejahen. Verweist die Vertragsklausel allerdings nicht auf einen Tarifvertrag, sondern auf 74a vom (öffentlichen) Arbeitgeber einseitig aufgestellte „Eingruppierungsrichtlinien“, fehlt es durchaus an der notwendigen „Abschlusstransparenz“, wenn die Richtlinien für die zutreffende Eingruppierung auf Begriffe abstellen – etwa auf ein für die auszuübende Unterrichtstätigkeit „geeignetes“ abgeschlossenes Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule –, die dem Arbeitnehmer mangels näherer Definition nicht erlauben zu erkennen, ob er die entsprechenden Anforderungen, von denen die Höhe seiner Vergütung abhängt, erfüllt.3 Das bedeutet wiederum nicht, dass der Klauselverwender jede Allgemeine Geschäftsbedingung gleichsam „kommentieren“ müsste. Auch darf er sehr wohl gesetzliche, auslegungsbedürftige und „unbestimmte“ Rechtsbegriffe verwenden.4 Zu bedenken ist jedoch bei allem, dass sich nur bei ausreichender Abschlusstransparenz die gesetzlich normierte Kontrollfreiheit der Hauptleistungspflichten sachlich rechtfertigen lässt. Die dieser Kontrollfreiheit zugrundeliegende Annahme vom bewusst handelnden Vertragspartner trifft nur dann zu, wenn die vom Arbeitgeber als wirtschaftlich Stärkerem gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen die von ihm geschuldete Gegenleistung möglichst klar und durchschaubar darstellen. Der Arbeitnehmer kann seine Verhandlungsmöglichkeiten und Marktchancen nur dann interessengerecht wahrnehmen, wenn er genügend informiert ist. Er muss bei Vertragsschluss erkennen können, „was auf ihn zukommt“.5
1 BAG v. 26.1.2017 – 6 AZR 671/15, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 81; BAG v. 28.6.2007 – 6 AZR 750/06, EzA BGB 2002 § 310 Nr. 5. 2 BAG v. 28.6.2007 – 6 AZR 750/06, EzA BGB 2002 § 310 Nr. 5. 3 BAG v. 26.1.2017 – 6 AZR 671/15, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 81. 4 BAG v. 26.1.2017 – 6 AZR 671/15, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 81. 5 BAG v. 26.1.2017 – 6 AZR 671/15, EzA BGB 2002 § 307 Nr. 81; BAG v. 15.12.2016 – 6 AZR 478/15, BAGE 157, 284 = NZA-RR 2017, 305.
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§ 310 | Anwendungsbereich 2. Verweisung auf einzelne tarifliche Regelungen 75 Wird im Arbeitsvertrag nur auf einzelne Bestimmungen des einschlägigen Ta-
rifvertrags verwiesen, liegt ein Fall des § 310 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht vor. Weder die Richtigkeitsvermutung noch das Verbot der Tarifzensur greifen ein, wenn nicht das gesamte Ensemble der Tarifregelungen, sondern nur einzelne Vorschriften – etwa die Regelung über Ausschlussfristen – in Bezug genommen werden.1 Erst die Gesamtheit der Regelungen eines Tarifvertrags begründet die Vermutung, dass diese die divergierenden Interessen der ihnen Unterworfenen angemessen ausgleichen.2 Zumindest setzt eine solche Vermutung die vollständige Übernahme eines abgrenzbaren Sachbereichs des einschlägigen Tarifvertrags voraus.3 Das bedeutet nicht etwa, dass nicht einzelne Regelungen eines Tarifvertrags – die sich z.B. nach Maßgabe von § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG über die Erweiterung der Möglichkeiten des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG verhalten – wirksam vertraglich in Bezug genommen werden könnten, wenn die betreffende Vertragsklausel weder i.S.v. § 305c BGB überraschend ist – falls denn diese Vorschrift zur Anwendung kommt (vgl. dazu Rz. 36) –, noch das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verletzt.4 Das bedeutet vielmehr nur, dass die Klausel inhaltlich nicht an dem Privileg der Kontrollfreiheit des § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB teilhat.
3. Verweisung auf abgrenzbare tarifliche Teilkomplexe 76 Weniger eindeutig ist die Rechtslage deshalb bei Verweisungen nicht auf nur ein-
zelne Regelungen, sondern auf bestimmte abgrenzbare Teilkomplexe eines einschlägigen Tarifwerks, etwa auf sämtliche Bestimmungen zum Urlaubsanspruch der Arbeitnehmer oder zu Kündigungsfristen und Unkündbarkeiten. Teilweise wird aus den Regelungen etwa in § 622 Abs. 4 BGB, § 14 Abs. 2 Satz 4 TzBfG, § 4 Abs. 4 EFZG, § 13 Abs. 1 BUrlG, § 7 Abs. 3 ArbZG, in denen Abweichungen vom gesetzlichen Regelungskomplex durch Tarifvertrag und in dessen Geltungsbereich wiederum auch für nicht-tarifgebundene Arbeitgeber zugelassen werden, geschlossen, dass der Inhaltskontrolle entzogene Verweisungen auf solche Teilkomplexe zulässig sein müssen.5 Das Gesetz erlaubt in diesen Fällen zwar in der Tat die einzelvertragliche Übernahme bestimmter Teilregelungen aus Ta-
1 BAG v. 27.6.2018 – 10 AZR 290/17, EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 44; offengelassen noch in BAG v. 27.1.2004 – 1 AZR 148/03, EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 7; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 16; Fuchs/Bieder in UBH, Anh. § 310 Rz. 33; Thüsing, AGB-Kontrolle, Rz. 189; Witt, NZA 2004, 138; Däubler in DBD, § 310 Rz. 50a; Diehn, NZA 2004, 130; Henssler, RdA 2002, 136; Lakies, Vertragsgestaltung, 1 Rz. 212. 2 BAG v. 6.5.2009 – 10 AZR 390/08, EzA BGB 2002 § 310 Nr. 8. 3 BAG v. 15.7.2009 – 5 AZR 867/08, EzA ArbzG § 6 Nr. 7. 4 Vgl. nur BAG v. 21.3.2018 – 7 AZR 428/16, EzA TzBfG § 14 Tarifvertrag Nr. 2. 5 So wohl Diehn, NZA 2004, 131; Witt, NZA 2004, 138; Henssler, RdA 2002, 136.
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rifverträgen und entzieht diese damit der Angemessenheitskontrolle. Dabei ist ersichtlich auch nicht etwa vorausgesetzt, dass nicht nur der betreffende Teilkomplex, sondern darüber hinaus jeweils der gesamte Tarifvertrag einzelvertraglich in Bezug genommen wird – besonders deutlich ablesbar in § 4 Abs. 4 Satz 2 EFZG.1 Dennoch lässt sich aus dieser gesetzlichen Gestattung nicht ableiten, dass ein sachlich in sich geschlossener Teilbereich eines einschlägigen Tarifvertrags einzelvertraglich einbezogen werden könnte, ohne auch nur vom Ansatz her einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB zu unterliegen. Die „Richtigkeit“ der Regelungen des betreffenden Teilkomplexes lässt sich bedenkenfrei nur bei Geltung auch der übrigen Regelungen des Tarifwerks vermuten. Weniger günstige Regelungen im Bereich A mögen erst durch gleichzeitig zur Anwendung gelangende Zugeständnisse der Gegenseite im Bereich B „ausgewogen“ sein, nicht aber ohne diese. Ein Verweis bloß auf Sachbereich A würde dieses Gleichgewicht womöglich unterlaufen. Hinzu kommt die Schwierigkeit, einen Sachbereich und Teilkomplex inhaltlich exakt zur bloßen Einzelverweisung abzugrenzen. Auch bei vollständiger Verweisung auf in sich abgeschlossene Teilbereiche des einschlägigen Tarifvertrags ist deshalb eine Inhaltskontrolle der betreffenden Regelungen nicht wegen § 310 Abs. 4 Satz 3, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB von vornherein ausgeschlossen.2 Dies liegt auf der Linie der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur nicht vollständigen Übernahme der Regelungen der VOB-B.3 In den erwähnten Fällen einer gesetzlichen Gestattung der vertraglichen Über- 77 nahme tariflicher Regelungen zu Teilkomplexen ist aber im Rahmen der grundsätzlich eröffneten Inhaltskontrolle von der Angemessenheit der betreffenden Regelungen i.S.v. § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB ohne weitere Prüfung auszugehen. Eben dies ist der Inhalt und die Folge der gesetzlichen Gestattung.4 In den anderen Fällen der Übernahme von Teilkomplexen ist dagegen zwar eine sachliche Prüfung anhand von § 307 Abs. 1, Abs. 2, §§ 308, 309 BGB prinzipiell möglich, wird aber aufgrund der Parität der Verhandlungspartner in der Regel nicht zu Beanstandungen führen.5 1 Zu § 14 Abs. 2 Satz 4 TzBfG vgl. BAG v. 21.3.2018 – 7 AZR 428/16, TzBfG § 14 Tarifvertrag Nr. 2. 2 So auch Fuchs/Bieder in UBH, Anh. § 310 Rz. 34; wohl auch Roloff in HWK, § 310 BGB Rz. 13; Däubler in DBD, § 310 Rz. 51, Rz. 52; Lapp/Salamon in jurisPK-BGB, § 310 Rz. 77; Lakies in Vertragsgestaltung, 1 Rz. 218 f.; wohl auch Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 18; offengelassen in BAG v. 27.6.2018 – 10 AZR 290/17, EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 44 und BAG v. 6.5.2009 – 10 AZR 390/08, EzA BGB 2002 § 310 Nr. 8, dort wegen des Sonderfalls, dass der in Bezug genommene Teil sämtliche die fragliche Personengruppe betreffenden Regelungen enthielt. 3 BGH v. 20.1.2004 – VII ZR 419/02, BGHZ 157, 346 = NJW 2004, 1597. 4 So wohl auch Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 18; Roloff in HWK, § 310 BGB Rz. 13; Fuchs/Bieder in UBH, Anh. § 310 Rz. 34. 5 Ähnlich Däubler in DBD, § 310 Rz. 53; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 18, Rz. 19; Schaub, PersV 2010, 95 (99).
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§ 310 | Anwendungsbereich 4. Verweisung auf Betriebs- und Dienstvereinbarungen 78 Für die vertragliche Bezugnahme auf Betriebs- oder Dienstvereinbarungen gel-
ten dieselben Grundsätze wie bei Verweisungen auf Tarifverträge. Bei der Verweisung auf eine „einschlägige“ Betriebsvereinbarung, d.h. auf eine den Betrieb erfassende (Gesamt-, Konzern-)Betriebsvereinbarung, gelten deren Regelungen aber gemäß § 77 Abs. 4 BetrVG ohnehin normativ; die vertragliche Inbezugnahme hat deshalb regelmäßig nur deklaratorische Wirkung.1 Die Bestimmungen der normativ wirkenden Betriebsvereinbarungen sind damit bereits wegen § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB einer Inhaltskontrolle entzogen. Das gilt für Betriebsvereinbarungen auch dann, wenn sie vom Gesamt- oder Konzernbetriebsrat aufgrund einer Mandatierung durch den örtlichen Betriebsrat nach § 50 Abs. 2 BetrVG bzw. durch den Gesamtbetriebsrat nach § 58 Abs. 2 BetrVG abgeschlossen wurden. Für ihre normative Wirkung nach § 77 Abs. 4 BetrVG ist das unerheblich.
78a Wird dagegen in den Arbeitsverträgen mit Arbeitnehmern eines betriebsrats-
losen Betriebs auf Betriebsvereinbarungen mit dem örtlichen Betriebsrat eines anderen Betriebs verwiesen, sind diese Betriebsvereinbarungen nicht „einschlägig“ und unterliegen damit der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB. Etwas Anderes gilt, wenn im betriebsratslosen Betrieb auf Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarungen mit dem für den Betrieb zuständigen Gesamt- bzw. Konzernbetriebsrat verwiesen wird. Diese Gesamt- und Konzernbetriebsvereinbarungen gelten wegen § 50 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2, § 58 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BetrVG auch dort mit normativer Wirkung – allerdings nur dann, wenn das betreffende Gremium (auch) im Rahmen seiner gesetzlichen, originären Zuständigkeit nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BetrVG bzw. § 58 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BetrVG gehandelt hat. Die bloße Mandatierung des Gesamtbetriebsrats durch örtliche Betriebsräte anderer Betriebe nach § 50 Abs. 2 BetrVG vermag eine (normative) Wirkung der betreffenden Regelungen im betriebsratslosen Betrieb nicht herbeizuführen.2 Dies folgt daraus, dass es sich bei den Vereinbarungen, für die der Gesamtbetriebsrat allein aufgrund einer solchen Delegation zuständig ist, in der Sache weiterhin um Einzel-Betriebsvereinbarungen (nur) für die Betriebe der delegierenden Betriebsräte handelt. Mandatiert der nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BetrVG originär zuständige Gesamtbetriebsrat den Konzernbetriebsrat gemäß § 58 Abs. 2 BetrVG, wirkt dagegen diese (Konzern-)Betriebsvereinbarung wegen § 50 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BetrVG auch im betriebsratslosen Betrieb normativ – nicht so, wenn der Gesamtbetriebsrat eines anderen Konzernunternehmens den Konzernbetriebsrat mandatiert hat.
78b Ob einer vertraglichen Bezugnahme auf eine betrieblich einschlägige, normativ
wirkende Betriebsvereinbarung mehr als nur deklaratorische Wirkung zu1 BAG v. 11.7.2018 – 4 AZR 533/17, EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 75; BAG v. 13.3.2012 – 1 AZR 659/10, EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 33. 2 Däubler in DBD, § 310 Rz. 55a.
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VIII. Kollektivverträge als eigener Maßstab der Inhaltskontrolle? | § 310
kommt, ist erst dann von Interesse, wenn der Betrieb – etwa anlässlich eines Teilerwerbs durch einen Dritten – gespalten oder er umgekehrt mit einem weiteren Betrieb zusammengeführt wird und dabei jeweils seine Identität verliert: Unter dieser Voraussetzung verlieren die bestehenden Betriebsvereinbarungen ihre normative Geltung, weil das betriebliche Substrat, auf das sie sich beziehen, nicht mehr existiert.1 Dann kann sich die Frage stellen, ob ihre Regelungen wegen des vertraglichen Einbezugs schuldrechtlich – sei es gegenüber dem ohnehin identisch gebliebenen bisherigen Arbeitgeber, sei es gegenüber dem Betriebs (teil)erwerber als neuem Arbeitgeber – weitergelten. Wird von vorneherein eine nicht-einschlägige Betriebsvereinbarung in Bezug 79 genommen – eine Betriebsvereinbarung für einen anderen Betrieb, eine bereits abgelaufene oder eine in personeller Hinsicht nicht anwendbare Betriebsvereinbarung – liegt ein Fall von § 310 Abs. 4 Satz 3, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht vor, so dass sie der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB unterfällt.2 Dabei wird sich aber auch hier der Umstand, dass ihre Regelungen kollektiv ausgehandelt worden sind, bei der Angemessenheitskontrolle regelmäßig zu Gunsten ihrer Wirksamkeit auswirken.3
VIII. Kollektivverträge als eigener Maßstab der Inhaltskontrolle? Von der Frage, ob Tarifverträge sowie Betriebs- und Dienstvereinbarungen über 80 § 310 Abs. 4 Satz 3, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB einer Inhaltskontrolle entzogen sind, ist die Frage zu unterscheiden, ob sie wegen ihrer Gleichsetzung mit „Rechtsvorschriften i.S.v. § 307 Abs. 3“ ihrerseits als Maßstab für die Inhaltskontrolle arbeitsvertraglicher Regelungen in Betracht kommen.4 Die Frage ist trotz des dies zulassenden Wortlauts von § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB zu verneinen. § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB soll nach der Begründung zum Regierungsentwurf verhindern, dass Kollektivverträge beim Fehlen normativer Geltung mittelbar dennoch einer Inhaltskontrolle unterzogen werden. Dazu wurde aus rechtstechnischen Gründen die Gleichstellung mit Rechtsvorschriften i.S.v. § 307 Abs. 3 BGB gewählt. Die wegen dieser Gleichsetzung dem Wortlaut nach nicht ausgeschlossene Möglichkeit, die Kollektivverträge nicht nur als Objekt vor der Inhaltskontrolle zu schützen, sondern selbst zum Maßstab und Subjekt der Inhaltskontrolle zu machen, ist angesichts dessen völlig überschießend. An keiner 1 Für eine mangels Identitätsverlusts normative Weitergeltung von (Gesamt)Betriebsvereinbarungen nach einem Betriebs(teil)übergang vgl. BAG v. 24.1.2017 – 1 ABR 24/15, EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 42; BAG v. 5.5.2015 – 1 AZR 763/13, EzA BGB 2002 § 613a Nr. 164; BAG v. 18.9.2002 – 1 ABR 54/01, EzA BGB 2002 § 613a Nr. 5. 2 Diehn, NZA 2004, 131; Däubler in DBD, § 310 Rz. 55, Rz. 56. 3 Vgl. nur BAG v. 25.4.2007 – 6 AZR 622/06, AP InsO § 113 Nr. 23. 4 Dies bejahend Däubler, NZA 2001, 1334 f.; Däubler in DBD, § 307 Rz. 279 f.; Lakies, NZA-RR 2002, 344; etwas unklar Lakies, Vertragsgestaltung, 1 Rz. 342.
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§ 310 | Anwendungsbereich Stelle geben die Gesetzesmaterialien zu erkennen, dass eine solche brisante Verkürzung der vertraglich zulässigen Regelungsbandbreite beabsichtigt worden wäre. Aus der intendierten Verhinderung von Tarifzensur wäre in gewisser Weise eine Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen ganz außerhalb des Verfahrens nach § 5 TVG geworden. Zudem wäre gerade das vertragliche Synallagma und als dessen Teil die Höhe der Vergütung des Arbeitnehmers – obwohl über § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB „eigentlich“ einer Kontrolle gerade entzogen – einer Angemessenheitsprüfung zu unterziehen, nicht am Maßstab von § 138 BGB, sondern am durchaus engeren Maßstab des einschlägigen Tariflohns. Ein solches Ergebnis war von den am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten ersichtlich nicht gewollt. Es hätte anderenfalls auch nahegelegen, Tarifverträge sowie Betriebs- und Dienstvereinbarungen den (gesetzlichen) Rechtsvorschriften nicht nur „i.S.v. § 307 Abs. 3“, sondern generell „i.S.v. § 307“ gleichzustellen. Diese Überlegungen gelten erst recht mit Blick auf Betriebs- und Dienstvereinbarungen als möglichen Maßstab der Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen. 81 § 310 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB ist deshalb dahin auszulegen
oder – bei Annahme eines dies nicht zulassenden eindeutigen Textsinns – teleologisch zu reduzieren, dass die genannten Kollektivverträge Rechtsvorschriften nur insofern gleichgestellt sind, als vertragliche Regelungen, die von ihnen nicht abweichen, keiner Inhaltskontrolle unterliegen. Die Gleichstellung bedeutet dagegen nicht, dass sich eine Abweichung Allgemeiner Geschäftsbedingungen von den Regelungen eines einschlägigen Kollektivvertrags nach §§ 307 ff. BGB nunmehr nicht nur an Gesetz und allgemeinen Rechtsgrundsätzen, sondern gerade auch an diesen kollektiven Regelungen zu messen lassen hätte.1
1 So die ganz h.M., vgl. nur Preis, NZA-Beilage 16/2003, S. 31, 32; Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 39; Henssler, RdA 2002, 136; Fuchs/Bieder in UBH, Anh. § 310 Rz. 44 f.; Basedow in MünchKommBGB, § 310 Rz. 103; Annuß, BB 2002, 460; Coester in Staudinger, § 310 Rz. 110; Reinecke, NZA-Beilage 18/2004, S. 29; Roloff in HWK, § 310 BGB Rz. 12; Diehn, NZA 2004, 135; Tschöpe, DB 2002, 1830.
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Anhang Besondere Regelwerke Besondere Vergütungssysteme I. II. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
III. 1. 2. 3. 4. 5. IV. V. 1. 2. 3. 4.
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . Bonuszahlungen . . . . . . . . . . . Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bonus auf Basis von Zielen . . b) Ermessensbonus . . . . . . . . . Freiwilligkeitsvorbehalt . . . . . . . Widerrufsvorbehalt . . . . . . . . . Kürzung bei Fehl- und Ruhenszeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stichtagsklauseln . . . . . . . . . . . Rückzahlungsklauseln . . . . . . . . Besondere Bonusformen . . . . . . a) Halteprämien/Retention Bonus . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Transaktionsbonus . . . . . . . . Tantiemen . . . . . . . . . . . . . . . Maßgebliche Berechnungsparameter . . . . . . . . . . . . . . . . Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . Kürzung bei Fehl- und Ruhenszeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stichtagsklauseln . . . . . . . . . . . Rückzahlungsklauseln . . . . . . . . Provisionen . . . . . . . . . . . . . . . Aktienbasierte Vergütung . . . . Mitarbeiteraktien . . . . . . . . . . . Aktienoptionen . . . . . . . . . . . . Restricted Stock/Restricted Stock Units . . . . . . . . . . . . . . . Phantom Shares/Stock Appreciation Rights . . . . . . . . . . . . . . . .
__ __ __ __ __ __ __ _ _ _ __ __ __ _ _ _ 1 3 4 6 7 8 10 11 12 15 18 20 21 22 23 23 26 27 28 29 31 34 35 36 38 39
VI. Managementbeteiligungsprogramme/Carried Interest . . VII. Besonderheiten bei Banken und Versicherungen . . . . . . . . 1. Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorgaben für Bonusziele . . . b) Begrenzung der Höhe der variablen Vergütung . . . . . . c) Auszahlungsvoraussetzungen d) Garantierte variable Vergütung/Sign-On Bonus . . . . . . e) Halteprämien/Retention Bonus . . . . . . . . . . . . . . . . f) Verbot der Einschränkung oder Aufhebung der Risikoadjustierung . . . . . . . . . . . . g) Aufschub und Verfall von variabler Vergütung . . . . . . h) Rückzahlungspflicht von variabler Vergütung/ Claw-Back . . . . . . . . . . . . . 2. Versicherungen . . . . . . . . . . . . a) Vorgaben für Bonusziele . . . b) Begrenzung der Höhe der variablen Vergütung . . . . . . c) Auszahlungsvoraussetzungen d) Garantierte variable Vergütung/Sign-On Bonus . . . . . . e) Verbot der Einschränkung oder Aufhebung der Risikoadjustierung . . . . . . . . . . . . f) Aufschub und Verfall von variabler Vergütung . . . . . . g) Rückzahlungspflicht von variabler Vergütung/Claw-Back .
_ __ _ __ _ _ _ _ __ _ __ _ _ _ _ 41 43 44 45 49 51 52 53 54 55 59 60 61 63 64 65 66 67 69
I. Einführung In diesem Abschnitt werden die AGB-rechtlichen Aspekte beleuchtet, die bei be- 1 sonderen Vergütungssystemen zu berücksichtigen sind, also bei den Systemen für besondere variable Vergütungsbestandteile, die die Arbeitnehmer zusätzHoefs
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Anh. Vergü | Besondere Vergütungssysteme lich zum Festgehalt sowie etwaigen regelmäßigen Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld erhalten können. Dabei geht es um Bonuszahlungen (Rz. 3 ff.), Tantiemen (Rz. 23 ff.), Provisionen (Rz. 31 ff.), aktienbasierte Vergütungsleistungen (Rz. 34 ff.) sowie Managementbeteiligungs- und Carried Interest Programme (Rz. 41 f.). Im Nachgang zur Finanzkrise der Jahre 2008/2009 hat der Gesetzgeber für die Gewährung von derartigen variablen Vergütungsbestandteilen durch Banken und Versicherungen zudem besondere aufsichtsrechtliche Vergütungsanforderungen aufgestellt, auf die am Ende dieses Abschnitts (Rz. 43 ff.) eingegangen wird. 2 Für die verschiedenen Formen von variablen Vergütungsbestandteilen hat sich
in den letzten Jahren in der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte eine umfangreiche, zum Teil nicht immer konsistent erscheinende Kasuistik entwickelt, bei der unter anderem nach dem Zweck des jeweiligen Vergütungsbestandteils, dem prozentualen Anteil an der Gesamtvergütung des Arbeitnehmers und der rechtlichen Ausgestaltung unterschieden wird. Dabei haben sich die Anforderungen der Rechtsprechung innerhalb kurzer Zeit zum Teil nicht unwesentlich geändert, wobei die Position der Arbeitnehmer vielfach gestärkt wurde, insbesondere indem den Arbeitnehmern ein Anspruch auf die variable Vergütung eingeräumt wurde, auch wenn die vertragliche Regelung einen Freiwilligkeitsvorbehalt enthält oder die Leistung in das Ermessen des Arbeitgebers gestellt wird. Die folgende Darstellung bemüht sich um eine klare, typologische Einteilung der verschiedenen variablen Vergütungsbestandteile mit einer typbezogenen Lösung der sich im AGB-Kontext stellenden Probleme:
II. Bonuszahlungen 3 Bonuszahlungen sind Sonderzahlungen, bei denen es für das Ob und die kon-
krete Höhe der Zahlung typischerweise jedenfalls auch auf die individuelle Leistung des jeweiligen Arbeitnehmers – oder, seltener, auf die Leistung des Teams, dem der Arbeitnehmer angehört, oder auf die Leistung des Betriebes oder Unternehmens – ankommt. Ihre Auszahlung erfolgt in der Regel jährlich, ist aber auch in kürzeren oder längeren Zeitabschnitten denkbar. Während nicht leistungsabhängige Jahressonderzahlungen üblicherweise einen Betrag von ein bis zwei Bruttomonatsgehältern nicht überschreiten, fallen Bonuszahlungen häufig (deutlich) höher aus.
1. Zwecke 4 Mit Bonuszahlungen können verschiedene Zwecke verfolgt werden:1 Zum einen
kann ein Bonus ausschließlich als Gegenleistung für die individuelle Leistung
1 Krause in MHdB ArbR, § 66 Rz. 3; Roggel/Neumann, BB 2014, 1909.
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II. Bonuszahlungen | Anh. Vergü
des Arbeitnehmers dienen („reiner Entgeltcharakter“). Zum anderen kann eine Bonuszahlung „Mischcharakter“ haben, d.h. sowohl eine Gegenleistung für die individuelle Leistung des Arbeitnehmers darstellen als auch zusätzlich der Honorierung der Betriebstreue des Arbeitnehmers dienen.1 Sobald der Bonus Bezug zur individuellen Leistung des Arbeitnehmers hat, was jedenfalls in aller Regel der Fall sein wird, ist es demgegenüber ausgeschlossen, dass eine Bonuszahlung keinen Entgeltcharakter hat, sondern ausschließlich der Honorierung der Betriebstreue dient („Gratifikation“). Welchen Zweck der Arbeitgeber mit einer Bonuszahlung verfolgt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Wenn der Arbeitgeber andere Zwecke als die Vergütung der Arbeitsleistung verfolgen will, muss sich der andere Zweck deutlich aus der zu Grunde liegenden Vereinbarung ergeben.2 Im Zweifel ist davon auszugehen, dass der Arbeitgeber die Arbeitsleistung honorieren will.3 Auch in AGB ist es zulässig, eine Bonuszusage so auszugestalten, dass ein An- 5 spruch auf Bonuszahlung neben der Erreichung der persönlichen Ziele voraussetzt, dass das Unternehmen in dem maßgeblichen Geschäftsjahr Gewinn macht.4
2. Modelle Ob und in welcher Höhe ein Bonus gezahlt wird, richtet sich entweder nach der 6 Erreichung von Zielen oder wird vom Arbeitgeber nach billigem Ermessen festgelegt: a) Bonus auf Basis von Zielen Bei der Festlegung der für die Ermittlung der Bonuszahlung relevanten Ziele ist 7 zwischen Systemen zu unterscheiden, bei denen die Ziele turnusgemäß einseitig vom Arbeitgeber festgelegt (Zielvorgabe) oder zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart werden (Zielvereinbarung).5 Während einseitige Zielvorgaben nur im Rahmen des § 315 Abs. 3 BGB auf die Einhaltung billigen Ermessens hin überprüft werden können, handelt es sich bei Zielvereinbarungen, so1 Das BAG behandelt Zahlungen mit Mischcharakter inzwischen allerdings weitestgehend genauso wie Zahlungen mit reinem Entgeltcharakter, vgl. BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 612/10, NJW 2012, 1532 (1533 f.); BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, NJW 2014, 1466 (1468 f.). 2 BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992 (993). 3 BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 612/10, NZA 2012, 561 ff.; Preis/Deutzmann, NZA-Beilage 3/2017, S. 101 (102). 4 LAG Hessen v. 1.2.2010 – 7 Sa 923/09, NZA-RR 2010, 401 (402) mit zust. Anm. Becker; ohne überzeugende Begründung ablehnend Wensing/Boensch, BB 2014, 2358 (2360). 5 Vgl. Preis/Lindemann in Preis, Der Arbeitsvertrag, Teil II Z 5, Rz. 2; Linck in Schaub, § 77 Rz. 2 f.
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Anh. Vergü | Besondere Vergütungssysteme weit sie nicht individuell ausgehandelt sind, um AGB. Als Entgeltregelung unterliegt eine Zielvereinbarung zwar keiner allgemeinen Billigkeits- oder Inhaltskontrolle gem. §§ 307 ff. BGB, ist aber gem. § 307 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 BGB am Maßstab des Transparenzgebots zu messen, muss also klar und verständlich sein.1 Insbesondere muss in einer Zielvereinbarung klar geregelt sein, welches die für den Arbeitnehmer maßgeblichen Ziele sind, wie diese gewichtet sind und in welcher Höhe dem Arbeitnehmer bei welcher Zielerreichung ein Bonus zusteht. Etwaige Zweifel gehen gem. § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Arbeitgebers als Verwender.2 Neben der Vereinbarung sog. „harter“, also objektiv messbarer Ziele (z.B. Verkaufszahlen, Gewinnbeitrag, etc.), ist auch eine Vereinbarung sog. „weicher“, also der subjektiven Beurteilung durch den Arbeitgeber unterliegender Ziele (z.B. Führungsverhalten, Teamgeist, etc.), zulässig, ohne dass hierin ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegen würde.3 Auch die Vereinbarung von Team- oder Gruppenzielen ist möglich, soweit dies klar und verständlich geschieht.4 Nach Ablauf der Bonusperiode hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Information darüber, ob und in welchem Umfang die maßgeblichen Ziele erreicht worden sind. b) Ermessensbonus 8 Bei einem Ermessensbonus verspricht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die
Zahlung eines Bonus oder stellt die Zahlung eines Bonus in Aussicht, dessen Höhe der Arbeitgeber nach billigem Ermessen gem. § 315 BGB festlegt. Eine solche Regelung ist grundsätzlich zulässig und wirksam.5 Eines ausdrücklichen Hinweises auf § 315 BGB bedarf es dabei nicht, sondern es genügt, wenn sich aus der Regelung ergibt, dass die Entscheidung über den Bonus durch den Arbeitgeber erfolgt.6 Vorteil eines Ermessensbonus ist die relativ weitgehende Fle-
1 BAG v. 12.12.2007 – 10 AZR 97/07, NZA 2008, 409 (411); Löw, DB 2017, 1904; Linck in Schaub, § 77 Rz. 2. 2 LAG Hessen v. 29.1.2002 – 7 Sa 836/01; Salamon, NZA 2010, 314 (315 f.). 3 Bittmann/Mujan, AUA 2010, 366 f.; a.A. Däubler in DBD, Anhang Rz. 411. Gem. § 19 Abs. 2 Satz 1 InstitutsVergV ist die Vereinbarung qualitativer Ziele für Risikoträger bedeutender Institute sowie gem. Art. 275 Abs. 2 (d) Solvabilität II-VO die Vereinbarung nicht-finanzieller Ziele für den dort erfassten Personenkreis sogar zwingend erforderlich. 4 LAG Hamm v. 30.8.2011 – 9 Sa 259/11. 5 BAG v. 20.3.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 (972 f.); vgl. auch BAG v. 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, NZA 2013, 1150 (1154 f.). Zustimmend Bauer/Heimann, NZA-Beilage 2014, 114 (117 f.); Kössel, DB 2016, 2963 (2964); Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65 (67 f.); Salamon/Wessels, BB 2017, 885 (886 f.); Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071 (1072); Wensing/Boensch, BB 2014, 2358 (2360). 6 Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65 (66 f.). Aufgrund unangemessener Benachteiligung unwirksam wäre es, wenn der Arbeitgeber sich eine Entscheidung nach freiem Ermessen vorbehalten würde, BAG v. 3.8.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334 (1337); Kössel, DB 2016, 2963 (2964); Salamon/Wessels, BB 2017, 885.
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II. Bonuszahlungen | Anh. Vergü
xibilität des Arbeitgebers, was die heranzuziehenden Kriterien und deren Gewichtung sowie die Festlegung der Höhe des Bonus angeht.1 Ob bei einem Ermessensbonus vorab (generelle) Kriterien für die Bemessung des Bonus benannt werden müssen, ist umstritten. Nach richtiger Ansicht ist dies nicht der Fall,2 zumal der Arbeitnehmer über seinen Anspruch auf Auskunft über die für die Bonusentscheidung herangezogenen Kriterien hinreichend geschützt ist. Selbst wenn man aber die Angabe von Kriterien für erforderlich hält, reichen abstrakte Angaben wie z.B. „individuelle Zielerreichung, Teamverhalten und Unternehmenserfolg“.3 Nachteil eines Ermessensbonus ist der damit einhergehende Auskunfts- 9 anspruch des Arbeitnehmers, mit dem der Arbeitnehmer Auskunft über die für die Ermessensausübung maßgeblichen Kriterien verlangen kann. Dieser Nachteil wird durch die neue Rechtsprechung des BAG noch verstärkt, wonach die Arbeitsgerichte die Höhe der Bonuszahlung auf der Grundlage des gesamten Prozessstoffs im Wege richterlicher Ersatzleistungsbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB festlegen können, wenn der Arbeitgeber nicht hinreichend darlegt, dass seine Bonusfestsetzung billigem Ermessen entspricht.4
3. Freiwilligkeitsvorbehalt Mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt bezweckt der Arbeitgeber, das Entstehen ei- 10 nes Rechtsanspruchs auf eine künftige Leistung zu verhindern. Nach der Rechtsprechung des BAG ist ein klar und verständlich formulierter Freiwilligkeitsvorbehalt in einem Arbeitsvertrag auch in AGB möglich und führt grundsätzlich dazu, dass kein Rechtsanspruch auf die Leistung entsteht.5 Diese Rechtsprechung hat – trotz vieler Zweifler in der Literatur6 – weiterhin grundsätzlich Bestand. Das BAG hat seine ursprünglich recht großzügige Rechtsprechung jedoch 1 Pfrogner, BB 2018, 757 (758 ff.). 2 So auch Bauer/Heimann, NZA-Beilage 2014, 114 (118); Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400 (2402); Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65 (67 f.); Salamon/Wessels, BB 2017, 885 (886 f.); Simon/Hidalgo/Koschker, NZA 2012, 1071 (1072); Wensing/Boensch, BB 2014, 2358 (2360). A.A. Stoffels, RdA 2015, 276 ff. sowie Pfrogner, BB 2018, 757 (759). 3 Vgl. Pfrogner, BB 2018, 757 (759) unter Hinweis auf BAG v. 20.3.2013 – 10 AZR 8/12, NZA 2013, 970 ff. 4 BAG v. 3.8.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334 (1338); Salamon/Wessels, BB 2017, 885 (889). 5 BAG v. 21.1.2009 – 10 AZR 219/08, NZA 2009, 310 (311 f.); BAG v. 8.12.2010 – 10 AZR 671/09, NZA 2011, 628 (630); BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81 (83 f.). Niebling, NJW 2013, 3011 ff. geht demgegenüber davon aus, dass Freiwilligkeitsvorbehalte nicht der AGB-Inhaltskontrolle unterliegen. 6 Preis in ErfK, §§ 305–310 BGB Rz. 69 ff.; Preis/Sagan, NZA 2012, 1077 ff.; vgl. auch Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400 (2401 f.).
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Anh. Vergü | Besondere Vergütungssysteme in mehrerlei Hinsicht eingeschränkt: Erstens ist ein Freiwilligkeitsvorbehalt in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur wirksam, wenn die Regelungen des Vertrages transparent und widerspruchsfrei sind. Aus der Formulierung muss sich klar ergeben, dass dem Arbeitnehmer kein Anspruch auf die Leistung zustehen soll. Der bloße Hinweis, dass es sich um eine „freiwillige Leistung“ handelt, genügt hierfür ebenso wenig1 wie der Hinweis, die Zahlung erfolge „ohne jede rechtliche Verpflichtung“.2 Auch wenn ein Freiwilligkeitsvorbehalt mit dem Hinweis auf das Nichtbestehen eines Anspruchs klar gefasst ist, ist er gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, wenn er in Widerspruch zu anderen Regelungen des Vertrages steht, z.B. wenn dem Arbeitnehmer an anderer Stelle ein Anspruch auf die Leistung oder ein Teilnahmerecht eingeräumt wird3 oder wenn ein Freiwilligkeitsvorbehalt und ein Widerrufsvorbehalt kombiniert werden.4 Und zweitens hält das BAG Freiwilligkeitsvorbehalte für eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und damit für unwirksam, wenn sie sich uneingeschränkt auf alle künftigen Leistungen beziehen.5 Trotz der Einschränkungen des BAG ist davon auszugehen, dass ein Freiwilligkeitsvorbehalt jedenfalls dann weiterhin möglich ist, wenn er sich lediglich auf eine konkrete Leistung (und nicht auf alle künftigen Leistungen) bezieht und bei der Gewährung der Leistung jeweils wiederholt wird.6 Vgl. ausführlich zu Freiwilligkeitsvorbehalten § 307 BGB Rz. 193 ff. sowie § 308 BGB Rz. 56 ff.
4. Widerrufsvorbehalt 11 Mit einem Widerrufsvorbehalt will sich der Arbeitgeber die Möglichkeit offen
halten, eine Leistung, auf die der Arbeitnehmer zunächst unbefristet einen Anspruch haben soll, zu einem späteren Zeitpunkt einseitig zu widerrufen. Nach der Rechtsprechung des BAG ist ein Widerrufsvorbehalt auch in einem Formulararbeitsvertrag wirksam, wenn Art und Höhe der widerruflichen Leistung eindeutig geregelt sind, der widerrufliche Teil der Gesamtvergütung unter 25 bis 30 % der Gesamtvergütung liegt und in der Vertragsklausel bereits die Gründe 1 BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173 (1178); vgl. bereits BAG v. 23.10. 2002 – 10 AZR 48/02, NZA 2003, 557 (558 f.). 2 BAG v. 8.12.2010 – 10 AZR 671/09, NZA 2011, 628 (630 f.). 3 BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40 (42); BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173 (1178). 4 BAG v. 8.12.2010 – 10 AZR 671/09, NZA 2011, 628 (631); BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81 (83). 5 BAG v. 14.9.2011 – 10 AZR 526/10, NZA 2012, 81 (83 f.); zu Recht ablehnend Crisolli/ Zaumseil, BB 2012, 1281 f. sowie Hromadka, DB 2012, 1037 (1040 f.). 6 So auch Bauer/von Medem, NZA 2012, 894 (895); vgl. auch Roloff in HWK, Anh. §§ 305– 310 BGB Rz. 31 ff. Enger Kössel, DB 2016, 2963, der Freiwilligkeitsvorbehalte nur noch bei echten Gratifikationen, die keinen Entgeltcharakter haben, für zulässig hält.
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II. Bonuszahlungen | Anh. Vergü
angegeben sind, aus denen ein Widerruf möglich sein soll.1 Wie genau der Widerrufsgrund in der Vertragsklausel angegeben sein muss, ist nicht abschließend geklärt.2 Vgl. ausführlich zu Widerrufsvorbehalten § 308 BGB Rz. 29 ff., 79 ff.
5. Kürzung bei Fehl- und Ruhenszeiten Wenn ein Arbeitnehmer nicht während des gesamten Jahres seine Arbeitsleis- 12 tung erbringt, sondern vorübergehend krankheitsbedingt ausfällt oder es zu einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses kommt, stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber zu einer Kürzung der Bonuszahlung berechtigt ist. Bestehen und Voraussetzungen einer Kürzungsmöglichkeit hängen davon ab, welcher Zweck mit der Bonuszahlung verfolgt wird: Bei Bonuszahlungen mit Entgeltcharakter handelt es sich um eine Leistung, die 13 im synallagmatischen Austauschverhältnis mit der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers steht. Erbringt der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht und besteht auch kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung, kann die Sonderzahlung für die Fehlzeiten auf Basis der §§ 275, 326 Abs. 1 BGB anteilig gekürzt werden. Eine solche Kürzung ist ohne ausdrückliche Kürzungsvereinbarung möglich,3 und zwar auch, wenn es sich bei der Zusage der Sonderzahlung um AGB handelt.4 Dasselbe gilt für Zeiten des Ruhens des Arbeitsverhältnisses.5 Eine Kürzung für Fehltage, an denen ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem EFZG besteht, ist bei einer Sonderzahlung mit Entgeltcharakter nicht möglich, da dies dem Entgeltcharakter und den Vorschriften des EFZG widerspräche. § 4a EFZG ist insofern nicht einschlägig, da es sich bei einer Sonderzahlung mit Entgeltcharakter nicht um eine Sondervergütung i.S.d. § 4a EFZG handelt.6 1 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465 (467 f.); BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87 (89); Kössel, DB 2016, 2963 (2964 f.); Roloff in HWK, Anh. §§ 305– 310 BGB Rz. 57. 2 Nach BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465 (468) und BAG v. 20.4.2011 – 5 AZR 191/10, NZA 2011, 796 ist es zumindest nötig, die Richtung anzugeben, aus der die möglichen Widerrufsgründe stammen müssen (wirtschaftliche Gründe, Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers). Demgegenüber lässt z.B. BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, NZA-RR 2010, 457 (459) für den Widerruf der Dienstwagennutzung einen bloßen Hinweis auf wirtschaftliche Gründe nicht genügen, sondern verlangt, dass der Sachgrund in der Klausel in einer Weise konkretisiert ist, die für den Arbeitnehmer deutlich macht, was ggf. auf ihn zukommt. Vgl. auch Stoffels, NZA 2017, 1217 ff. 3 BAG v. 21.3.2001 – 10 AZR 28/00, NZA 2001, 785 (786); Schliemann/Vogelsang in HWK, § 4a EFZG Rz. 5; Krause in MHdB ArbR, § 66, Rz. 9; Vossen, NZA 2005, 734 (735 f.); vgl. auch Reinartz, NZA 2015, 83. 4 Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, Teil II S 40, Rz. 68. 5 BAG v. 19.4.1995 – 10 AZR 49/94, NZA 1995, 1098 (1099 f.); Thüsing in HWK, § 611a BGB Rz. 254 f. 6 Vgl. Reinhard in ErfK, § 4a EFZG Rz. 8 sowie Reinartz, NZA 2015, 83.
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Anh. Vergü | Besondere Vergütungssysteme 14 Hat die Bonuszahlung Mischcharakter ist eine anteilige Kürzung für Fehlzeiten,
für die kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht, ebenso wie für Ruhenszeiten zulässig, aber nur wenn ausdrücklich eine Kürzung vereinbart worden ist.1
6. Stichtagsklauseln 15 Stichtagsklauseln, die das Bestehen des Arbeitsverhältnisses zu einem be-
stimmten Zeitpunkt zur Voraussetzung für die Zahlung des Bonus machen, unterliegen einer Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB. Dabei legte das BAG ursprünglich eine differenzierte Betrachtung zugrunde: Bei Bonuszusagen, deren ausschließlicher Zweck es ist, die individuelle Leistung des jeweiligen Mitarbeiters zu belohnen, wurden Stichtagsklausel als unzulässig angesehen.2 Demgegenüber sah das BAG Stichtagsklauseln bei Bonuszusagen mit Mischcharakter, die also nicht ausschließlich die individuelle Leistung des Mitarbeiters belohnen sollen, sondern zumindest auch die Bindung des Mitarbeiters an das Unternehmen bezwecken, ursprünglich auch auf Basis des AGB-Rechts als wirksam an, wenn der maßgebliche Stichtag, an dem das Arbeitsverhältnis für eine Bonusberechtigung noch bestehen muss, innerhalb des Zeitraums liegt, der für die Ermittlung des Bonus relevant ist.3 Zwar durfte dabei nicht der ungekündigte Bestand, sondern nur der Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Ende des für die Bonusermittlung maßgeblichen Zeitpunkts verlangt werden. Dies galt unabhängig von der Höhe der Bonuszahlung und ihres Anteils an der Gesamtvergütung des Mitarbeiters, also insbesondere auch, wenn der Bonus mehr als 25 % der Gesamtvergütung des Mitarbeiters ausmachte.4 Das BAG war ursprünglich sogar bereit, eine Klausel, die einen ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnis am Ende des maßgeblichen Bezugszeitraums verlangte, unter Anwendung des „Blue-Pencil-Tests“ mittels Streichung des Wortes „ungekündigt“ teilweise gem. § 306 Abs. 1 BGB aufrechtzuerhalten, mit der Folge, dass weiterhin der Bestand des Arbeitsverhältnisses an dem Ende des Bezugszeitraums erforderlich war.5
16 Diese differenzierte Sichtweise hat das BAG inzwischen aufgegeben:6 Nach
neuerer Rechtsprechung sind Stichtagsklauseln sowohl bei Bonuszahlungen, 1 Krause in MHdB ArbR, § 66, Rz. 27; Preis in Preis, Der Arbeitsvertrag, Teil II S 40, Rz. 66. 2 BAG v. 28.3.2007 – 10 AZR 261/06, NZA 2007, 687 (688). 3 BAG v. 6.5.2009 – 10 AZR 443/08, NZA 2009, 783 (784 f.); bestätigt von BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 667/10, NZA 2012, 620 (621); LAG Köln v. 8.2.2010 – 5 Sa 1204/09. Ebenso Baeck/Winzer, NZG 2012, 657 (659), die allerdings bereits Zweifel äußerten, ob das BAG an dieser Rechtsprechung festhalten würde. 4 Vgl. BAG v. 6.5.2009 – 10 AZR 443/08, NZA 2009, 783 (784 f.) zu einem Fall, in dem der Bonus des Mitarbeiters deutlich mehr als 25 % der Gesamtvergütung ausmachte. Zustimmend Henssler, FS Bepler (2012), 207 (217 f.) sowie Salamon, NZA 2010, 314 (318). 5 BAG v. 6.5.2009 – 10 AZR 443/08, NZA 2009, 783 (784). 6 Zu Recht kritisch zu der unvermittelten Rechtsprechungsänderung Spielberger, ArbRAktuell 2014, 373 ff.
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II. Bonuszahlungen | Anh. Vergü
die ausschließlich als Gegenleistung für erbrachte Arbeit anzusehen sind, als auch bei Bonuszahlungen mit Mischcharakter unwirksam, da die Bonuszahlung in beiden Fällen Gegenleistung für erbrachte Arbeit sei. Dies gilt nicht nur für Stichtage, die außerhalb des Bemessungszeitraums für die Bonuszahlung liegen,1 sondern auch bei innerhalb des Bemessungszeitraums liegenden Stichtagen, da in beiden Fällen die Ausübung des Kündigungsrechts für den Arbeitnehmer erschwert und damit die gem. Art. 12 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers beeinträchtigt werde.2 Auch eine Unterscheidung danach, ob der ungekündigte Bestand oder nur der Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Stichtag verlangt wird, erfolgt nicht mehr und die in diesem Zusammenhang früher erfolgte Anwendung des „Blue-Pencil-Tests“ wurde explizit aufgehoben.3 Konsequenz der geänderten Rechtsprechung ist, dass Arbeitnehmer trotz einer etwaigen Stichtagsregelung bei unterjährigem Ausscheiden einen pro rata temporis ermittelten zeitanteiligen Anspruch auf Zahlung des Bonus für den Zeitraum bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses haben.4 Möglich und zulässig sind Stichtagsklausel nach Ansicht des BAG aber weiter- 17 hin, wenn die Arbeitsleistung in einem bestimmten Zeitraum vor dem Stichtag besonderen Wert für den Arbeitgeber hat oder wenn die Erreichung eines bestimmten Erfolgs oder Ziels erst zu einem bestimmten Stichtag festgestellt werden kann.5
7. Rückzahlungsklauseln Mit einer Rückzahlungsklausel will der Arbeitgeber erreichen, dass der Arbeit- 18 nehmer einen ihm gewährten Bonus zurückzuzahlen hat, wenn er in einem bestimmten Zeitraum nach Erhalt der Sonderzahlung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Ähnlich wie Stichtagsklauseln können Rückzahlungsklauseln Arbeitnehmer vom Ausspruch einer Kündigung abhalten und damit die gem. Art. 12 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers beeinträchtigen. Vor 1 BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 612/10, NJW 2012, 1532 (1533 f.); BAG v. 3.8.2016 – 10 AZR 710/14, NZA 2016, 1334 (1337). 2 BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, NJW 2014, 1466 (1468 f.); BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992 (993); zustimmend Ceruti, DB 2014, 2167 (2170); Freckmann/Grillo, BB 2014, 1914 (1915 f.); Kössel, DB 2016, 2963 (2965). 3 BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, NJW 2014, 1466 (1468); Freckmann/Grillo, BB 2014, 1914 (1915); Roggel/Neumann, BB 2014, 1909 (1911). 4 BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, NJW 2014, 1466 (1469); BAG v. 13.5.2015 – 10 AZR 266/14, NZA 2015, 992 (993); Preis/Deutzmann, NZA-Beilage 3/2017, S. 101 (102). 5 BAG v. 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, NJW 2014, 1466 (1469); Heins/Leder, NZA 2014, 520 (521 f.); Preis/Deutzmann, NZA-Beilage 3/2017, S. 101 (102); Roggel/Neumann, BB 2014, 1909 (1912 f.); Spielberger, ArbRAktuell 2014, 373 (375); zweifelnd bezüglich dieser Ausnahmen Ceruti, DB 2014, 2167 (2170 f.).
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Anh. Vergü | Besondere Vergütungssysteme dem Hintergrund der neueren Rechtsprechung des BAG, wonach Stichtagsklauseln nicht nur bei Bonuszahlungen mit reinem Entgeltcharakter, sondern auch bei Bonuszahlungen mit Mischcharakter als unwirksam angesehen werden, ist davon auszugehen, dass auch Rückzahlungsklauseln sowohl bei Bonuszahlungen mit reinem Entgeltcharakter,1 als auch bei Bonuszahlungen mit Mischcharakter unabhängig von der Höhe der Zahlung und dem Rückzahlungszeitraum unwirksam sind.2 19 Von Rückzahlungsklauseln für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses
zu unterscheiden sind Klauseln, die eine Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers für den Fall vorsehen, dass sich innerhalb eines bestimmten Zeitraums herausstellen sollte, dass die Voraussetzungen für die Zahlung tatsächlich gar nicht vorlagen (sog. „Claw-Back Klauseln“). Das gilt insbesondere für den Fall, dass sich im Nachhinein zeigt, dass die Leistung des Arbeitnehmers schlechter war als sie ursprünglich beurteilt worden war (z.B. weil vom Arbeitnehmer verantwortete Geschäfte mit Kunden später rückabgewickelt werden müssen oder weil ein Kunde aufgrund eines erst nachträglich erkannten Fehlverhaltens des Arbeitnehmers einen Gewährleistungs- oder Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber hat). Solche Claw-Back Klauseln sind auch in AGB zulässig, wenn sie die Voraussetzungen und den Umfang der Rückzahlungspflicht klar und verständlich regeln3 und die Rückzahlungspflicht nicht über den vom Arbeitnehmer zu verantwortenden Schaden des Arbeitgebers hinausgeht. Im Bankenbereich ist eine solche Rückzahlungsverpflichtung für Risikoträger bedeutender Institute gem. § 20 Abs. 6 InstitutsVergV sogar zwingend erforderlich, vgl. Rz. 59.
8. Besondere Bonusformen 20 Neben den regelmäßigen Bonuszahlungen, die typischerweise jährlich erfolgen,
gibt es auch einmalige Bonuszahlungen, die im Zusammenhang mit bestimmten Sondersituationen zugesagt werden:
a) Halteprämien/Retention Bonus 21 Von Bedeutung ist insbesondere die Zusage sog. Halteprämien oder Retention
Boni, bei denen wichtigen Mitarbeitern eine Sonderzahlung zugesagt wird,
1 So bereits BAG v. 13.9.1974 – 5 AZR 48/74, NJW 1975, 278 f.; Thüsing in HWK, § 611a BGB Rz. 264; Reiserer/Fallenstein, DStR 2011, 1572 (1573). 2 So auch Preis in ErfK, § 611a BGB Rz. 548a. 3 So auch Thum, NZA 2017, 1577 (1580 f.) sowie Dzida/Naber, BB 2011, 2613 (2615 f.), wobei letztere allerdings zu Unrecht von einer Beschränkung der Rückzahlungsverpflichtung auf 25 % der Gesamtvergütung, die in dem maßgeblichen Auszahlungszeitraum von dem Arbeitnehmer bezogen worden ist, ausgehen. Vgl. auch Raitzsch, ZIP 2019, 104 ff. zu Claw-Back Klauseln in Vorstandsdienstverträgen.
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III. Tantiemen | Anh. Vergü
wenn sie an einem bestimmten zukünftigen Zeitpunkt noch bei dem Arbeitgeber beschäftigt sind. Für Retention Boni gelten die allgemeinen Regelungen für Stichtags- und Rückzahlungsklauseln nicht.1 Retentionzahlungen werden zusätzlich zur üblichen Vergütung des Arbeitnehmers zugesagt. Ihr Sinn und Zweck ist es gerade, den Mitarbeiter für einen bestimmten, teilweise mehrjährigen Zeitraum an das Unternehmen zu binden. Dem Arbeitnehmer würde im Fall der vorzeitigen Eigenkündigung kein Anspruch genommen, von dem er nicht von Anfang an wusste, dass der Anspruch vor allem von dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abhängig ist. In der langfristigen Bindung des Arbeitnehmers liegt daher keine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB, jedenfalls wenn in der Zusage geregelt ist, dass dem Arbeitnehmer auch dann ein Anspruch auf einen (zeitanteiligen) Retention Bonus zusteht, wenn er auf Veranlassung des Arbeitgebers aus Gründen, die nicht in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, vor Ablauf der Retentionperiode aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers liegt auch dann nicht vor, wenn für das Ob und die Höhe des Retention Bonus neben dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses an einem bestimmten Stichtag auch auf die individuelle Leistung des Arbeitnehmers abgestellt wird, jedenfalls wenn bei der Zusage erkennbar der Zweck der Bindung des Arbeitnehmers im Vordergrund steht. b) Transaktionsbonus Eine weitere Sonderform ist der sog. Transaktionsbonus, bei dem einem Arbeit- 22 nehmer für den Fall der erfolgreichen Durchführung eines Unternehmenskaufs oder Unternehmensverkaufs eine einmalige Sonderzahlung zugesagt wird. Bei derartigen Transaktionsboni ist es zur Wahrung des Transparenzgebots erforderlich, konkret festzulegen, unter welchen Voraussetzungen der Transaktionsbonus in welcher Höhe ausgezahlt wird. So kann z.B. danach unterschieden werden, ob das Unternehmen im Wege eines Anteilsverkaufs (Share Deal) oder durch Verkauf aller wesentlichen Vermögensgegenstände (Asset Deal) veräußert wird.2
III. Tantiemen 1. Maßgebliche Berechnungsparameter Bei einer Tantieme handelt es sich um eine Gewinnbeteiligung, also eine Zah- 23 lung, die an einen bestimmten Gewinn des Unternehmens anknüpft, z.B. in 1 Preis/Deutzmann, NZA-Beilage 3/2017, S. 101 (102 f.). 2 Vgl. LAG Baden-Württemberg v. 27.1.2016 – 14 Sa 31/15 zur Wirksamkeit einer Klausel, die eine Beteiligung in Form von virtuellen Geschäftsanteilen nur für den Fall eines Share Deals, nicht aber für den Fall eines Asset Deals vorsah.
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Anh. Vergü | Besondere Vergütungssysteme Form eines bestimmten Prozentsatzes des Gewinns oder eines bestimmten Betrages bei Erreichen eines bestimmten Gewinns. Anstelle einer Anknüpfung an den Gewinn des Unternehmens kann für die Ermittlung einer Tantieme z.B. auch an die Höhe der an die Aktionäre ausgeschütteten Dividende angeknüpft werden.1 In der Praxis wird der Begriff Tantieme – unpräzise – zum Teil auch für andere Vergütungsformen verwendet, z.B. für Sonderzahlungen, die (auch) von der Erreichung bestimmter individueller Ziele abhängig sind. In einem solchen Fall handelt es sich nicht um eine Tantieme im eigentlichen Sinn, sondern um einen Bonus (vgl. Rz. 3 ff.). Bei der Zusage einer Tantieme handelt es sich um eine Festlegung eines Teils der Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers, die gem. § 307 Abs. 3 BGB keiner Inhaltskontrolle unterliegt.2 Eine Inhaltskontrolle erfolgt jedoch für Bedingungen und andere Nebenregelungen, die im Zusammenhang mit der Tantiemezusage stehen. Mit dem BAG ist davon auszugehen, dass es keine unangemessene Benachteiligung darstellt, wenn die Auszahlung der Tantieme von der Ausschüttung einer Dividende an die Gesellschafter abhängig gemacht wird.3 24 Auch Tantiemeregelungen unterliegen gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB einer
Transparenzkontrolle. Für eine transparente Tantiemeregelung ist insbesondere eine klare Festlegung der folgenden Aspekte erforderlich: Welcher Gewinn ist maßgeblich (Konzern- oder Unternehmensgewinn, vor oder nach Steuern, vor oder nach Abschreibungen, nach welchen (Bilanzierungs-)Regeln ermittelt)? Wie werden Sondereffekte behandelt (z.B. Kauf oder Verkauf eines Unternehmens, Betriebes oder Betriebsteils während des Bemessungszeitraums)? Welcher Betrag oder Prozentsatz des maßgeblichen Gewinns steht dem Arbeitnehmer als Tantieme zu? Regelt der Arbeitgeber lediglich, dass dem Arbeitnehmer „bei einem guten Ergebnis“ eine Tantieme zusteht, handelt es sich um eine unklare Regelung, die gem. § 305c Abs. 2 BGB zugunsten des Arbeitnehmers auszulegen ist.4
25 Ist einem Arbeitnehmer eine bestimmte Mindesttantieme zugesagt, ist durch
Auslegung zu ermitteln, ob der Arbeitgeber die Zahlung der Mindesttantieme auch dann schuldet, wenn das Unternehmen keinen Gewinn macht. Etwaige Unklarheiten gehen bei dieser Auslegung gem. § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Arbeitgebers, so dass die Mindesttantieme im Zweifel auch dann geschuldet ist, wenn kein Gewinn gemacht wird.5 1 Vgl. BAG v. 12.2.2003 – 10 AZR 392/02, NZA-RR 2003, 459 f., wonach in einem solchen Fall eine zusätzlich zur Dividende an die Aktionäre erfolgte Sonderausschüttung nicht für die Berechnung der Tantieme maßgeblich sein soll. 2 Däubler in DBD, Anhang Rz. 234. 3 BAG v. 18.1.2012 – 10 AZR 670/10, NZA 2012, 499 (500); Löw, DB 2017, 1904 (1908). 4 LAG Hamm v. 23.2.2001 – 15 Sa 1572/00, NZA-RR 2001, 525 (526). 5 LAG Berlin v. 7.12.1975 – 4 Sa 62/75, DB 1976, 636; kritisch Däubler in DBD, Anhang Rz. 235.
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III. Tantiemen | Anh. Vergü
2. Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt Für Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalte gelten bei Tantiemezahlungen die- 26 selben Regeln wie bei Bonuszahlungen,1 vgl. Rz. 10, 11.
3. Kürzung bei Fehl- und Ruhenszeiten Bei einer Tantieme handelt es sich um eine Erfolgsvergütung. Der Anspruch auf 27 Zahlung der Tantieme erlischt gem. §§ 275, 326 Abs. 1 BGB für Zeiträume, in denen der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist und keine Entgeltfortzahlung beanspruchen kann, sowie für Zeiten, in denen das Arbeitsverhältnis ruht.2 Dies folgt aus den allgemeinen Regelungen über Leistungsstörungen, ohne dass es einer besonderen Regelung in der Tantiemezusage bedarf. Einer Regelung bedarf es für eine Kürzung nur, wenn die Tantiemezusage Mischcharakter hat, weil sie auch die Honorierung der Betriebstreue des Mitarbeiters bezweckt.
4. Stichtagsklauseln Für die (Un-)Wirksamkeit von Stichtagsklauseln gelten bei Tantiemezahlungen 28 dieselben Regeln wie bei Bonuszahlungen,3 vgl. Rz. 15 ff.
5. Rückzahlungsklauseln Bezüglich der Verpflichtung zur Rückzahlung von Tantiemen ist nach dem 29 Grund für die Rückzahlung zu unterscheiden: Ist eine vollständige oder teilweise Rückzahlung vorgesehen, weil der Arbeitnehmer innerhalb eines bestimmten Zeitraums aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, sind Rückzahlungsklauseln aus denselben Gründen unwirksam wie Verpflichtungen zur Rückzahlung von Bonuszahlungen, siehe Rz. 18 f. Zulässig sind demgegenüber Rückzahlungsklauseln, die eine Rückzahlung für 30 den Fall vorsehen, dass sich zu einem späteren Zeitpunkt herausstellt, dass der der Tantiemezahlung zugrunde gelegte Unternehmensgewinn nachträglich nach unten korrigiert werden muss. In diesem Fall besteht ohnehin ein gesetzlicher Rückzahlungsanspruch gegen den Arbeitnehmer gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, Satz 2 BGB. Jedenfalls wenn die Rückzahlungsverpflichtung auf den Fall einer 1 Vgl. auch LAG Berlin-Brandenburg v. 31.8.2010 – 16 Sa 491/10. 2 So für krankheitsbedingte Fehlzeiten auch BAG v. 8.9.1998 – 9 AZR 273/97, NZA 1999, 824 f., jedenfalls wenn der Arbeitnehmer das gesamte Geschäftsjahr über erkrankt ist; kritisch Däubler in DBD, Anhang zu § 307 Rz. 49. 3 Vgl. auch LAG Berlin-Brandenburg v. 31.8.2010 – 16 Sa 491/10.
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Anh. Vergü | Besondere Vergütungssysteme nachträglich erforderlich werdenden Korrektur des Unternehmensergebnisses beschränkt ist, stellt der in der vertraglichen Rückzahlungsverpflichtung enthaltene Ausschluss des Einwands der Entreicherung gem. § 818 Abs. 3 BGB keine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers dar,1 so dass eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung auch in AGB wirksam vereinbart werden kann.
IV. Provisionen 31 Eine Provisionsvereinbarung liegt vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer
für jedes von ihm während des Anstellungsverhältnisses abgeschlossene oder vermittelte Geschäft einen bestimmten Betrag oder einen bestimmten Prozentsatz vom Wert des Geschäftes zusagt. Wird demgegenüber an das Ergebnis oder den Umsatz des Unternehmens oder einer Teileinheit angeknüpft, handelt es sich nicht um eine Provisionsvereinbarung, sondern um eine Tantiemevereinbarung.2
32 Bei Provisionsvereinbarungen geht es um eine Festlegung einer Hauptleistungs-
pflicht, die gem. § 307 Abs. 3 BGB keiner Inhaltskontrolle unterliegt. Eine Inhaltskontrolle erfolgt jedoch für Bedingungen und andere Nebenregelungen, die im Zusammenhang mit der Provisionszusage stehen. Zudem unterliegt die Provisionsvereinbarung einer Transparenzkontrolle. Aus der Provisionsvereinbarung muss insbesondere klar hervorgehen, (i) auf welche Art von Geschäften in welcher Region sich die Provisionszusage bezieht, (ii) ob es um eine Vermittlungs- oder Abschlussprovision geht, (iii) wie der für die Ermittlung der Provision maßgebliche Wert des Geschäftes ermittelt wird und (iv) wie hoch die Provision betragsmäßig oder prozentual ist.
33 Ist arbeitsvertraglich eine Garantieprovision vereinbart, ist eine Regelung in den
allgemeinen Provisionsbedingungen des Arbeitgebers, die eine Saldoverrechnung mit dem nachfolgenden Abrechnungszeitraum vorsieht, eine überraschende Klausel im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB, die nicht Bestandteil der Vereinbarung wird.3 Demgegenüber ist eine Vereinbarung, die die Rückzahlung eines nicht verdienten Provisionsvorschusses vorsieht, auch in AGB nicht zu beanstanden.4
1 Ob der generelle Ausschluss des Einwands der Entreicherung in allgemeinen, für den Fall der Lohnüberzahlung vorgesehenen Rückzahlungsklauseln wirksam ist, hat das BAG offengelassen, vgl. BAG v. 13.10.2010 – 5 AZR 648/09, NZA 2011, 219. 2 Vgl. LAG Berlin-Brandenburg v. 31.8.2010 – 16 Sa 491/10. 3 ArbG Düsseldorf v. 29.11.2011 – 2 Ca 4258/11. 4 BAG v. 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, NZA 2015, 871 (874 f.); LAG Berlin-Brandenburg v. 26.3.2010 – 13 Sa 321/10; LAG Schleswig-Holstein v. 6.12.2011 – 1 Sa 13a/11.
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V. Aktienbasierte Vergütung | Anh. Vergü
V. Aktienbasierte Vergütung Aktienbasierte Vergütungen sind alle Vergütungen, die unmittelbar – wenn auch 34 nicht notwendigerweise ausschließlich – an den Aktienkurs eines Unternehmens anknüpfen. Häufigste Formen aktienbasierter Vergütung sind die Gewährung von Mitarbeiteraktien, Aktienoptionen, Restricted Stock oder Restricted Stock Units sowie sog. Phantom Shares. Bei aktienbasierter Vergütung ist in einem ersten Schritt zu prüfen, wer der Schuldner der Vergütung ist, der Arbeitgeber oder die Konzernobergesellschaft bzw. eine andere Konzerngesellschaft. Hat der Arbeitnehmer den Vertrag über die aktienbasierte Vergütung mit einem anderen Konzernunternehmen als seinem Arbeitgeber geschlossen, kommt ein direkter Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber ausdrücklich oder konkludent der Leistungsverpflichtung beigetreten ist.1
1. Mitarbeiteraktien Wenn für die Gewährung von Mitarbeiter- oder Belegschaftsaktien an alle Ar- 35 beitnehmer oder eine Gruppe von Arbeitnehmern allgemeine Planbedingungen aufgestellt werden, handelt es sich um AGB, die am Maßstab der §§ 305 ff. BGB zu prüfen sind. Von Bedeutung sind dabei insbesondere der Ausschluss überraschender Klauseln gem. § 305c Abs. 1 BGB, die Auslegung mehrdeutiger Bestimmungen zu Lasten des Arbeitgebers gem. § 305c Abs. 2 BGB sowie das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Für den Mitarbeiter muss aus den Planbedingungen klar erkennbar sein, wie viele Mitarbeiteraktien er zu welchem Zeitpunkt und zu welchen Konditionen erwerben kann und ob die Aktien Restriktionen unterliegen.
2. Aktienoptionen Auch die für eine Vielzahl von Fällen vorformulierten Ausübungsbedingungen 36 von Aktienoptionen, also dem Recht, Aktien des begebenden Unternehmens unter bestimmten Voraussetzungen zu einem bestimmten Kurs zu erwerben, unterliegen der AGB-Kontrolle.2 Das bedeutet – neben einer Prüfung anhand von § 305c Abs. 1 und Abs. 2 BGB3 – insbesondere, dass auch die Regelungen zur Ausübung von Aktienoptionen hinreichend transparent im Sinne des § 307 1 Zu Aktienoptionen: BAG v. 12.2.2003 – 10 AZR 299/02, BAGE 104, 324; BAG v. 16.1. 2008 – 7 AZR 887/06, NZA 2008, 836; vgl. auch BAG v. 20.3.2018 – 1 ABR 15/17, NZA 2018, 1017 (1018). Zu Restricted Stock/Restricted Stock Units: ArbG Wiesbaden v. 8.3. 2017 – 11 Ca 1812/16. Zu einem Cash Bonus Plan: ArbG Ulm v. 13.1.2015 – 9 Ca 19/14. 2 BAG v. 28.5.2008 – 10 AZR 351/07, AP BGB § 307 Nr. 34; Mauroschat, Aktienoptionsprogramme, S. 167 f.; Reim, ZIP 2006, 1075 f. 3 Vgl. dazu Reim, ZIP 2006, 1075 (1076 ff.).
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Anh. Vergü | Besondere Vergütungssysteme Abs. 1 Satz 2 BGB sein müssen. Für den Begünstigten muss vor allem klar erkennbar sein, wann und unter welchen Voraussetzungen er wie viele Optionen zu welchem Preis ausüben kann.1 37 Nach der Rechtsprechung des BAG gelten für Aktienoptionen aber nicht die
für andere Sondervergütungen entwickelten Grundsätze für Bindungs- und Verfallklauseln, sondern Bindungs- und Verfallklauseln sind bei der Gewährung von Aktienoptionen in weitergehendem Umfang zulässig. Insbesondere ist es zulässig, für eine wirksame Ausübung des Optionsrechts zu verlangen, dass im Zeitpunkt des Ablaufs der Wartezeit und bei Ausübung des Bezugsrechts noch ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht. Eine Differenzierung nach der Art und Weise der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist nicht erforderlich. Entscheidend für diese Unterscheidung gegenüber anderen, nicht aktienbasierten Sondervergütungen sind nach Ansicht des BAG vor allem der im Gegensatz zu anderen Sondervergütungen spekulativere Charakter von Aktienoptionen und die gesetzliche Regelung des § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG, die eine Mindestwartezeit für das Recht zur erstmaligen Ausübung von Aktienoptionen vorsieht.2 An dieser Argumentation ändert auch die inzwischen erfolgte Änderung des § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG, mit der die Mindestwartezeit von zwei auf vier Jahre verlängert wurde, nichts.3 Eine Höchstfrist für Wartezeiten und Verfallklauseln gibt es bei Aktienoptionsprogrammen nach richtiger Ansicht nicht, insbesondere auch nicht in analoger Anwendung von § 624 BGB.4
3. Restricted Stock/Restricted Stock Units 38 Insbesondere in deutschen Tochtergesellschaften von US-amerikanischen Ge-
sellschaften ist auch die Gewährung von Restricted Stock (also Aktien, die verschiedenen Restriktionen wie insbesondere Veräußerungsbeschränkungen und Verfallregelungen unterliegen) sowie Restricted Stock Units (konzeptionell vergleichbar mit Optionen) gebräuchlich. Soweit es sich bei den Planbedingungen für Restricted Stock und Restricted Stock Units um AGB handelt, auf die deutsches Recht anwendbar ist, gelten auch für sie das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und die weiteren Regelungen der §§ 305 ff. BGB. Auch wenn § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG auf Restricted Stock und Restricted Stock Units an US-
1 Vgl. auch Reim, ZIP 2006, 1075 (1076). 2 BAG v. 28.5.2008 – 10 AZR 351/07, AP BGB § 307 Nr. 34, allerdings noch auf Basis der Altfassung des § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG, der eine Mindestwartezeit von zwei Jahren vorsah. 3 LAG München v. 17.4.2018 – 7 Sa 752/17. 4 So auch Staake, NJOZ 2010, 2494 (2499 f.); a.A. z.B. Baeck/Diller, DB 1998, 1405 (1408), Maletzky, NZG 2003, 715 (716 f.) sowie Schanz, NZA 2000, 626 (634), die sich in entsprechender Anwendung des § 624 BGB für eine maximal zulässige Wartefrist von fünf Jahren aussprechen.
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VI. Managementbeteiligungsprogramme/Carried Interest | Anh. Vergü
amerikanischen Gesellschaften nicht anwendbar ist, sind der Zweck und die Interessenlage mit denen bei der Gewährung von Aktienoptionen vergleichbar. Daher lässt sich die Rechtsprechung des BAG zur Zulässigkeit von Wartezeiten und Verfallklauseln bei Aktienoptionen auf Restricted Stock und Restricted Stock Units übertragen.1
4. Phantom Shares/Stock Appreciation Rights Anstelle von Aktienoptionen oder anderen unmittelbar auf Aktien ausgerichte- 39 ten Vergütungsbestandteilen gibt es auch Vergütungsbestandteile, die Aktienoptionen oder Aktienbezugsrechten schuldrechtlich nachgebildet sind (häufig als Phantom Shares oder Stock Appreciation Rights bezeichnet). Die Vergütung erfolgt bei diesen Modellen nicht in Aktien, sondern in bar, die Höhe der Vergütung richtet sich aber – zumindest auch – nach der Entwicklung des Aktienkurses. Nach Ansicht des BAG gelten für derartige schuldrechtliche Nachbildungen die- 40 selben Grundsätze für Bindungs- und Verfallregelungen wie für Aktienoptionen, da sie ebenso wie Aktienoptionen eine sich im Aktienkurs widerspiegelnde Wertsteigerung bezwecken und dieselben Ziele bezüglich der Motivation und Bindung der bezugsberechtigten Mitarbeiter verfolgen.2 Dieser Rechtsprechung ist im Grundsatz zuzustimmen. Allerdings ist im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob tatsächlich ein Vergütungsmodell vorliegt, das Aktienoptionen oder ähnlichen aktienbasierten Rechten nachgebildet ist. Das ist der Fall, wenn die Gewährung der Vergütung ausschließlich oder zumindest im Wesentlichen von der Entwicklung des Aktienkurses des Unternehmens (ggf. zusätzlich gemessen an der Entwicklung von Vergleichsindizes) abhängt. Ist die Entwicklung des Aktienkurses demgegenüber nur eines von mehreren Kriterien für die Festlegung der Vergütung, kann das Vergütungssystem auch als Bonussystem einzustufen sein, für das die (strengeren) Maßstäbe für nicht-aktienbasierte Bonussysteme gelten.
VI. Managementbeteiligungsprogramme/Carried Interest Beim Erwerb von Unternehmensbeteiligungen durch Finanzinvestoren ist es üb- 41 lich, dem Management des erworbenen Unternehmens (typischerweise der Geschäftsführung und der ersten und ggf. zweiten Führungsebene unterhalb der Geschäftsführung) die Möglichkeit einzuräumen, sich durch den Erwerb von 1 Vgl. zur Vergleichbarkeit von Restricted Stock Units mit Aktienoptionen auch LAG München v. 12.2.2009 – 3 Sa 833/08, NZG 2009, 1238 f., allerdings nicht zur Zulässigkeit von Verfallklauseln, sondern zur Ermittlung der verpflichteten Partei. 2 BAG v. 28.5.2008 – 10 AZR 351/07, AP BGB § 307 Nr. 34; zustimmend Schniepp/Giesecke, NZG 2017, 128 (131 f.).
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Anh. Vergü | Besondere Vergütungssysteme (echten oder virtuellen) Gesellschaftsanteilen indirekt über eine Beteiligungsgesellschaft an dem Unternehmen zu beteiligen und im Falle eines erfolgreichen Börsengangs oder einer erfolgreichen Veräußerung der Gesellschaft an dem Erlös beteiligt zu werden (sog. Managementbeteiligungsprogramme). Auch den Mitarbeitern des Finanzinvestors wird regelmäßig die Möglichkeit eingeräumt, Gesellschafter einer separaten Beteiligungsgesellschaft zu werden, zum Teil sogar mit einer potentiell überproportionalen Ausschüttung im Falle der erfolgreichen Veräußerung (sog. Carried Interest). Managementbeteiligungsprogrammen und Carried Interest ist gemein, dass sich die Ansprüche nicht aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, sondern aus der Gesellschafterstellung, die den Arbeitnehmern in der separaten Beteiligungsgesellschaft eingeräumt worden ist. Diese Aufteilung in verschiedene, voneinander unabhängige Rechtsverhältnisse ist rechtlich nicht zu beanstanden.1 42 Die rechtliche Unabhängigkeit von Arbeitsverhältnis und Gesellschafterstellung
wird insofern durchbrochen, als das rechtliche Schicksal der Gesellschafterstellung und seine wirtschaftliche Bewertung typischerweise vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und der Art seiner Beendigung abhängt. Diese so genannten Leaver-Klauseln, die je nach Art und Zeitpunkt des Ausscheidens zwischen Good Leaver (z.B. Tod, Alter, Berufsunfähigkeit, Kündigung durch die Gesellschaft ohne wichtigen oder verhaltensbedingten Grund) und Bad Leaver (insbesondere Eigenkündigung des Mitarbeiters) unterscheiden, sind rechtlich nicht zu beanstanden, wenn sie klar und verständlich ausgestaltet sind, selbst wenn man sie trotz des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB einer AGB-Kontrolle unterziehen würde.
VII. Besonderheiten bei Banken und Versicherungen 43 Im Nachgang zur Finanzkrise der Jahre 2008/2009 hat der Gesetzgeber beson-
dere Vergütungsanforderungen für Mitarbeiter von Banken und Versicherungen aufgestellt, um zu verhindern, dass durch eine verfehlte Vergütungspolitik Risiken für die Stabilität einzelner Unternehmen oder sogar für die Finanzstabilität im Allgemeinen entstehen.2 Dabei enthält die für Banken geltende Institutsvergütungsverordnung (InstitutsVergV) deutlich weitergehende und strengere Vorgaben als die von Versicherungen einzuhaltenden Regelungen, die sich aus der Versicherungs-Vergütungsverordnung (VersVergV) bzw. aus Art. 275 Solvabilität II-VO ergeben. Diese aufsichtsrechtlichen Vorgaben gelten, wie sich auch aus § 14 InstitutsVergV und § 6 VersVergV ergibt, grundsätzlich nicht 1 So im Ergebnis auch BAG v. 3.5.2006 – 10 AZR 310/05, NZA-RR 2006, 582 ff. für einen Carried-Interest-Plan; Hohenstatt/Stamer, BB 2006, 2413 (2414); Mengel in Hümmerich/ Reufels, Rz. 1846 f. 2 Besondere Vergütungsvorgaben bestehen auch für AIFM-Kapitalverwaltungsgesellschaften sowie für OGAW-Kapitalverwaltungsgesellschaften, vgl. § 37 Abs. 2 KAGB.
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VII. Besonderheiten bei Banken und Versicherungen | Anh. Vergü
automatisch im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sondern bedürfen der vertraglichen Umsetzung:1
1. Banken Die auf der Grundlage von § 25a Abs. 6 KWG erlassene InstitutsVergV enthält 44 insbesondere folgende Regelungen, die einer ordnungsgemäßen arbeitsvertraglichen Umsetzung bedürfen: a) Vorgaben für Bonusziele Gem. § 4 InstitutsVergV müssen die für die Ermittlung der Bonuszahlungen 45 maßgeblichen Vergütungsparameter i.S.v. § 2 Abs. 9 InstitutsVergV, also die für die Bonusbemessung maßgeblichen Ziele, an den Strategien der Bank ausgerichtet sein und das Erreichen der strategischen Ziele unterstützen. Die Ziele sollen hinreichend ambitioniert, aber erreichbar sein.2 Sie müssen gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 InstitutsVergV so ausgestaltet sein, dass sie keine Anreize für den Arbeitnehmer schaffen, unverhältnismäßig hohe Risiken einzugehen. Zudem muss gem. § 5 Abs. 2 InstitutsVergV sichergestellt sein, dass negative Erfolgsbeiträge i.S.v. § 2 Abs. 10 InstitutsVergV zu einer Reduzierung des Betrages der variablen Vergütung führen. Bei Geschäftsleitern soll gem. § 10 Abs. 2 InstitutsVergV die Bemessungsgrundlage für die Bemessung der Erreichung der maßgeblichen Ziele mehrjährig sein, worunter die BaFin eine mindestens dreijährige Bemessungsgrundlage versteht.3 Zudem soll bei Geschäftsleitern gem. § 10 Abs. 2 InstitutsVergV eine Begrenzungsmöglichkeit für außerordentliche Entwicklungen vereinbart werden. In bedeutenden Instituten i.S.d. § 17 InstitutsVergV müssen für die Vergütung 46 von Risikoträgern i.S.d. § 2 Abs. 8 InstitutsVergV zusätzliche Vorgaben beachtet werden. Insbesondere müssen gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 InstitutsVergV als Ziele für die Bonusermittlung erstens der Gesamterfolg der Bank (oder ggf. der Unternehmensgruppe), zweitens der Erfolgsbeitrag der Organisationseinheit und drittens der individuelle Erfolgsbeitrag des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigt werden, wobei die Ziele im Regelfall annährend gleich gewichtet werden sollten.4 Der Bemessungszeitraum für die Ermittlung der Ziele muss gem. § 19 1 Kuhn, CCZ 2017, 171 (172); Löw, NZA 2017, 1365 (1368); vgl. auch Auslegungshilfe zur InstitutsVergV, Stand 15.2.2018, S. 35. 2 Auslegungshilfe zur InstitutsVergV, Stand 15.2.2018, S. 13 sowie S. 54; vgl. auch Herz, NZG 2018, 1050 (1053). 3 Auslegungshilfe zur InstitutsVergV, Stand 15.2.2018, S. 31. 4 Auslegungshilfe zur InstitutsVergV, Stand 15.2.2018, S. 52; kritisch, da sich dieses Erfordernis nicht aus dem Text der InstitutsVergV ergibt, Fischbach, WM 2018, 1491 (1496) sowie Hinrichs/Tacou, BKR 2018, 313 (317 f.).
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Anh. Vergü | Besondere Vergütungssysteme Abs. 1 Satz 2 InstitutsVergV mindestens ein Jahr betragen, für Risikoträger, die Geschäftsleiter sind, mindestens drei Jahre. Für die Ermittlung des individuellen Erfolgsbeitrages bedarf es gem. § 19 Abs. 2 InstitutsVergV einer Zielvereinbarung, in der sowohl quantitative als auch qualitative Ziele angemessen (d.h. grundsätzlich je zur Hälfte1) berücksichtigt werden müssen und bei der sichergestellt ist, dass sitten- oder pflichtwidriges Verhalten nicht durch positive Erfolgsbeiträge ausgeglichen werden kann, sondern zu einer Verringerung der variablen Vergütung führt. Die Ziele müssen so festgelegt werden, dass der Grad der Zielerreichung festgestellt werden kann. Reine Ermessenstantiemen sind daher in bedeutenden Instituten – anders als in nicht bedeutenden Instituten – aufsichtsrechtlich unzulässig.2 47 Aufsichtsrechtlich zulässig ist es, wenn die Bank sich für die Feststellung der Er-
reichung der vereinbarten Ziele einen so genannten Modifier vorbehält, mit dem sie den Wert der Zielerreichung in ihrem Ermessen um bis zu 20 % erhöhen oder reduzieren kann, wenn die Nichterreichung oder die Übererfüllung eines vereinbarten Ziels ausschließlich und vollständig auf eine unvorhersehbare und nicht beeinflussbare oder beherrschbare Veränderung des wirtschaftlichen Umfelds zurückzuführen ist.3 Ein solcher einseitiger Anpassungsvorbehalt ist aufgrund der Beschränkung des Veränderungsumfangs auf 20 % arbeitsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn er klar und verständlich vereinbart worden ist.
48 Zudem ist gem. § 18 Abs. 5 InstitutsVergV in bedeutenden Instituten erforder-
lich, dass eine negative Abweichung eines Erfolgsbeitrags für einen Risikoträger zu einer Reduzierung oder zum vollständigen Verlust der variablen Vergütung führen muss. Dabei muss ein vollständiger Verlust in jedem Fall eintreten, wenn der Arbeitnehmer an einem Verhalten, dass für das Institut zu erheblichen Verlusten oder einer wesentlichen regulatorischen Sanktion geführt hat, maßgeblich beteiligt oder dafür verantwortlich war oder relevante externe oder interne Regelungen in Bezug auf Eignung und Verhalten in schwerwiegendem Maß verletzt hat. Die BaFin verlangt insofern, dass die Bank klare schriftliche Bestimmungen festlegt, mit denen ein Raster geschaffen wird, in das sich die relevanten Sachverhalte einsortieren lassen.4 Eine solche schriftliche Bestimmung muss nicht notwendigerweise im Arbeitsvertrag des jeweiligen Arbeitnehmers erfolgen, sondern kann auch in der Vergütungsordnung oder anderen Richtlinien der Bank enthalten sein. Für die arbeitsvertragliche Umsetzung von § 18 Abs. 5 InstitutsVergV bestehen daher grundsätzlich folgende Möglichkeiten: Entweder es wird eine abstrakte Herangehensweise gewählt, bei der in den Arbeitsvertrag vorzugsweise eine dem Wortlaut des § 18 Abs. 5 Satz 3 InstitutsVergV entsprechende Regelung aufgenommen wird. Oder es erfolgt eine konkrete Heran1 2 3 4
Auslegungshilfe zur InstitutsVergV, Stand 15.2.2018, S. 52. Herz, NZG 2018, 1050 (1053); Rubner/Raible, NZG 2017, 1052 (1054). Auslegungshilfe zur InstitutsVergV, Stand 15.2.2018, S. 55 f. Auslegungshilfe zur InstitutsVergV, Stand 15.2.2018, S. 51.
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gehensweise, bei der im Arbeitsvertrag Regelbeispiele für die beiden Fallgruppen von § 18 Abs. 5 Satz 3 InstitutsVergV vereinbart werden. Die beiden Herangehensweisen können auch miteinander kombiniert werden, d.h. eine abstrakte Regelung wird mit einer nicht abschließenden Benennung von Regelbeispielen verbunden. Vorteil der abstrakten Herangehensweise ist, dass mangels Abweichung von der gesetzlichen Regelung gem. § 307 Abs. 3 BGB keine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 2 BGB vorliegen kann. Zudem kann es trotz der zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffe in § 18 Abs. 5 Satz 3 InstitutsVergV nicht als intransparent i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB angesehen werden, wenn der Arbeitgeber die gesetzlichen Pflichten aus § 18 Abs. 5 Satz 3 InstitutsVergV eins zu eins im Arbeitsvertrag umsetzt. b) Begrenzung der Höhe der variablen Vergütung Die Zahlung variabler Vergütungen ist durch § 25a Abs. 5 KWG und die Insti- 49 tutsVergV der Höhe nach begrenzt: Zum einen sind Banken gem. § 6 Abs. 1, Abs. 2 InstitutsVergV verpflichtet, ein angemessenes Verhältnis zwischen fixer und variabler Vergütung sicherzustellen und eine angemessene Obergrenze für die variable Vergütung im Verhältnis zur fixen Vergütung festzulegen. Zum anderen darf die variable Vergütung eines Arbeitnehmers nicht 100 % seiner fixen Vergütung übersteigen, wobei diese Obergrenze durch einen Beschluss der Gesellschafter der Bank auf bis zu 200 % der fixen Vergütung erhöht werden kann. Die maßgebliche Obergrenze muss – statisch oder flexibel – durch vertragliche Vereinbarung in das Arbeitsverhältnis eingeführt werden. Bei Arbeitnehmern, die in Kontrolleinheiten i.S.v. § 2 Abs. 11 InstitutsVergV 50 beschäftigt sind, ist gem. § 9 Abs. 2 InstitutsVergV die variable Vergütung noch weiter beschränkt, da die Bank sicherzustellen hat, dass der Schwerpunkt auf dem fixen Vergütungsbestandteil liegt. Die BaFin versteht dies so, dass die maximal erreichbare variable Vergütung im Regelfall nicht mehr als ein Drittel, in keinem Fall aber mehr als die Hälfte der Gesamtvergütung des jeweiligen Mitarbeiters ausmachen darf.1 c) Auszahlungsvoraussetzungen Voraussetzung für die Auszahlung eines Bonus ist, selbst wenn die für den Bonus 51 maßgeblichen Ziele im Übrigen vollständig erreicht worden sind, dass die Bank im Zeitraum der Erdienung sowie im Zeitpunkt der Ermittlung und der Auszahlung der variablen Vergütung die Kapitalisierungsanforderungen gem. § 7 Abs. 1 Satz 3 InstitutsVergV erfüllt. Eine entsprechende Bedingung muss in den Arbeitsvertrag bzw. die Bonuszusage aufgenommen werden. Zudem muss gem. § 45 Abs. 2 Satz 11 KWG arbeitsvertraglich vereinbart werden, dass eine Auszahlung 1 Auslegungshilfe zur InstitutsVergV, Stand 15.2.2018, S. 30.
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Anh. Vergü | Besondere Vergütungssysteme der variablen Vergütung nur erfolgt, soweit es keine Anordnung der BaFin gem. § 45 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a oder Nr. 6 KWG gibt, die der Auszahlung entgegensteht.1 d) Garantierte variable Vergütung/Sign-On Bonus 52 Die InstitutsVergV stellt besondere Voraussetzungen für eine garantierte variable
Vergütung auf. Das ist in der Praxis insbesondere bei so genannten Sign-On Bonuszahlungen zu berücksichtigen, die häufig gewährt werden, um den Arbeitnehmer für den Verlust von aufgeschobenen Vergütungsbestandteilen bei seinem Vorarbeitgeber zu kompensieren.2 Gem. § 5 Abs. 5 InstitutsVergV darf eine variable Vergütung nur für die ersten 12 Monate des Arbeitsverhältnisses garantiert werden und die Zahlung der variablen Vergütung muss unter der Bedingung stehen, dass die Bank im Auszahlungszeitpunkt die Kapitalisierungsanforderungen gem. § 7 Abs. 1 Satz 3 InstitutsVergV erfüllt. Eine entsprechende Bedingung muss in den Arbeitsvertrag bzw. die Bonuszusage aufgenommen werden. e) Halteprämien/Retention Bonus
53 Auch für eine Halteprämie (Retention Bonus), also eine Sonderzahlung mit dem
Zweck der Bindung eines Arbeitnehmers an den Arbeitgeber für einen bestimmten Zeitraum, stellt § 5 Abs. 7 InstitutsVergV besondere Anforderungen auf: Die Bank muss ein berechtigtes Interesse an der Gewährung der Halteprämie begründen können und im Auszahlungszeitpunkt die Kapitalisierungsanforderungen gem. § 7 Abs. 1 Satz 3 InstitutsVergV erfüllen. Eine entsprechende Bedingung muss in den Arbeitsvertrag bzw. in die Zusage der Halteprämie aufgenommen werden. Bei Risikoträgern bedeutender Institute müssen zusätzlich die Anforderungen der §§ 20, 22 InstitutsVergV eingehalten werden.3
f) Verbot der Einschränkung oder Aufhebung der Risikoadjustierung 54 Gem. § 8 InstitutsVergV müssen Banken sicherstellen, dass die Risikoadjustie-
rung der variablen Vergütung nicht durch Absicherungs- oder sonstige Gegenmaßnahmen eingeschränkt wird. Um dies sicherzustellen, muss u.a. der jeweilige Arbeitnehmer verpflichtet werden, keine persönlichen Absicherungs- oder sonstigen Gegenmaßnahmen zu treffen, um die Risikoorientierung seiner Vergütung einzuschränken oder aufzuheben. Risikoträger i.S.v. § 2 Abs. 8 InstitutsVergV müssen zudem verpflichtet werden, der Bank ihre privaten Depotkonten anzuzeigen. Beide Verpflichtungen sind durch eine entsprechende Vereinbarung im Arbeitsvertrag oder in einer Zusatzvereinbarung umzusetzen.
1 Lindemann in Boos/Fischer/Schulte-Mattler,, § 45 KWG Rz. 124. 2 Vgl. zu Sign-On Boni auch Löw/Glück, NZA 2015, 137 (139). 3 Vgl. zu Halteprämien auch Fischbach, WM 2018, 1491 (1494 f.) sowie Hinrichs/Kock/ Langhans, DB 2018, 1921 (1925 f.).
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g) Aufschub und Verfall von variabler Vergütung In bedeutenden Instituten muss gem. § 20 Abs. 1 InstitutsVergV mindestens 55 40 % der variablen Vergütung eines Risikoträgers, wenn sie 50 000 Euro überschreitet (vgl. § 18 Abs. 1 InstitutsVergV), über einen Zurückbehaltungszeitraum von mindestens drei Jahren gestreckt werden. Abhängig von der Stellung, den Aufgaben und den Tätigkeiten des Risikoträgers sowie von der Höhe der variablen Vergütung und der Risiken, die der Risikoträger begründen kann, erhöht sich die Untergrenze des Zurückbehaltungszeitraums auf bis zu fünf Jahre und die Untergrenze des zurückzubehaltenden Anteils der variablen Vergütung auf bis zu 60 %. Gem. § 20 Abs. 2 InstitutsVergV betragen die Untergrenzen für Risikoträger, die Geschäftsleiter sind oder der nachgelagerten Führungsebene angehören, fünf Jahre und 60 %. Dabei müssen gem. § 20 Abs. 5 InstitutsVergV mindestens 50 % der zurückbehaltenen und der nicht zurückbehaltenen variablen Vergütung in Aktien bzw. aktienbasiert oder in Form gleichwertiger Instrumente gewährt werden. Die Aktien oder gleichwertigen Instrumente müssen gem. § 20 Abs. 5 Satz 2 InstitutsVergV mit einer Sperrfrist von mindestens einem Jahr versehen sein, vor deren Ablauf nicht über sie verfügt werden darf. Diese Vorgaben sind arbeitsvertraglich umzusetzen, wobei insbesondere die Einhaltung der Vorgaben von § 20 Abs. 4 InstitutsVergV vertraglich sicherzustellen ist, d.h. dass der Anspruch bzw. die Anwartschaft auf die variable Vergütung während des Zurückbehaltungszeitraums nicht schneller als zeitanteilig entsteht, dass lediglich ein Anspruch auf fehlerfreie Ermittlung der variablen Vergütung, nicht aber auf die Vergütung selbst besteht und dass eine nachträgliche Überprüfung der Ermittlung der variablen Vergütung und, im Fall einer negativen Abweichung, eine entsprechende Reduzierung der variablen Vergütung möglich ist: Die Vorgabe, dass der Anspruch bzw. die Anwartschaft auf die variable Ver- 56 gütung nicht schneller als zeitanteilig entstehen darf, wird durch die Definition von Unverfallbarkeitszeitpunkten („Vesting“) erreicht, wobei zwei verschiedene Umsetzungsmöglichkeiten bestehen: Entweder es wird ein so genanntes Pro Rata Vesting vereinbart, bei dem der Anspruch auf die aufgeschobene variable Vergütung anteilig nach Ablauf bestimmter Zeitabschnitte (typischerweise jährlich) entsteht. Oder es wird ein so genanntes Cliff Vesting vereinbart, bei dem der gesamte Anspruch erst am Ende des Zurückbehaltungszeitraums entsteht. Beide Modelle sind arbeitsrechtlich zulässig,1 wobei eine transparente Vereinbarung erforderlich ist, ob der Anspruch zeitanteilig entsteht oder insgesamt erst nach vollständigem Ablauf des Zurückbehaltungszeitraums. Während des Zurückbehaltungszeitraums muss vor dem jeweiligen Unverfall- 57 barkeitszeitpunkt erstens eine nachträgliche Überprüfung der Ermittlung der variablen Vergütung erfolgen, d.h. eine Überprüfung, ob die Feststellung der Zielerreichung nach wie vor als richtig anzusehen ist oder ob aufgrund nachträgli1 Herz, NZG 2018, 1050 (1052).
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Anh. Vergü | Besondere Vergütungssysteme cher oder nachträglich bekannt gewordener Umstände eine Anpassung erforderlich ist (negative Abweichung des Erfolgsbeitrags). Zweitens muss vor dem jeweiligen Unverfallbarkeitszeitpunkt geprüft werden, dass kein Fall des § 18 Abs. 5 Satz 3 InstitutsVergV vorliegt (negativer Erfolgsbeitrag).1 Diese Überprüfungsmöglichkeiten und die sich daraus ergebenden Konsequenzen, also eine Verringerung oder ein vollständiger Verlust der variablen Vergütung im Fall einer negativen Abweichung des Erfolgsbeitrags sowie ein vollständiger Verlust der variablen Vergütung im Fall eines negativen Erfolgsbeitrags, müssen in klarer und verständlicher Weise im Arbeitsvertrag geregelt werden. 58 § 20 InstitutsVergV regelt und verlangt nicht, dass eine Beendigung des Arbeits-
verhältnisses zu einem Verfall des noch nicht ausgezahlten Teils der variablen Vergütung führen muss. In der Praxis sind aber Regelungen, wonach der noch nicht ausgezahlte Teil der variablen Vergütung verfällt, wenn der Arbeitnehmer vor dem jeweiligen Unverfallbarkeitsdatum aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, weit verbreitet. Die Wirksamkeit derartiger Verfallklauseln ist bislang noch ungeklärt. Unter Berücksichtigung der jüngeren Rechtsprechung des BAG zur Unwirksamkeit von Stichtagsklauseln (vgl. Rz. 15 ff.) spricht viel dafür, dass derartige Verfallklauseln mit Blick auf den in Geld zu gewährenden Anteil der aufgeschobenen Vergütung unwirksam sind. Bezüglich des in Aktien zu gewährenden Anteils der aufgeschobenen Vergütung spricht die Rechtsprechung des BAG zu Aktienoptionen (vgl. Rz. 37) für eine Wirksamkeit der Verfallklausel.2
h) Rückzahlungspflicht von variabler Vergütung/Claw-Back 59 Gem. § 20 Abs. 6 InstitutsVergV müssen bedeutende Institute mit Risikoträgern
vertraglich vereinbaren, dass eine bereits ausgezahlte variable Vergütung in den Fällen des § 18 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 und Nr. 2 InstitutsVergV – also wenn der Arbeitnehmer an einem Verhalten, dass für das Institut zu erheblichen Verlusten oder einer wesentlichen regulatorischen Sanktion geführt hat, maßgeblich beteiligt oder dafür verantwortlich war oder relevante externe oder interne Regelungen in Bezug auf Eignung und Verhalten in schwerwiegendem Maß verletzt hat – von dem Arbeitnehmer zurückzuzahlen ist, und zwar mindestens für eine Zeitraum bis zum Ablauf von zwei Jahren nach der Zurückbehaltungsfrist für den zuletzt gem. § 20 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 InstitutsVergV erdienten Vergütungsbestandteil („Claw-Back“). Auch insofern besteht für die arbeitsvertragliche Umsetzung die Möglichkeit einer abstrakten oder einer konkreten Herangehensweise:3 Bei der abstrakten Herangehensweise wird in den Arbeitsvertrag eine dem Wortlaut 1 Herz, NZG 2018, 1050 (1052); Rubner/Raible, NZG 2017, 1052 (1055). 2 Von der generellen Wirksamkeit von Verfallklauseln für den Fall des Ausscheidens des Arbeitnehmers während des Zurückbehaltungszeitraums gehen Löw/Glück, NZA 2015, 137 (141) aus. 3 Thum, NZA 2017, 1577 (1580); anders Hinrichs/Tacou, BKR 2018, 313 (318), die eine Konkretisierung für zwingend erforderlich halten.
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von § 20 Abs. 6, § 18 Abs. 5 Satz 3 InstitutsVergV entsprechende Regelung aufgenommen, wohingegen bei der konkreten Herangehensweise im Arbeitsvertrag Regelbeispiele für die beiden Fallgruppen von § 20 Abs. 6, § 18 Abs. 5 Satz 3 InstitutsVergV vereinbart werden, wobei sich eine Orientierung an den Vorgaben auf Seiten 49 ff. der Auslegungshilfe zur InstitutsVergV empfiehlt.1 Vorteil der abstrakten Herangehensweise ist, dass mangels Abweichung von der gesetzlichen Regelung entweder gem. § 307 Abs. 3 BGB schon keine ABG-Kontrolle der Klausel möglich ist2 oder jedenfalls keine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 2 BGB vorliegen kann.3 Zudem kann es trotz der zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffe in § 20 Abs. 6, § 18 Abs. 5 Satz 3 InstitutsVergV nicht als intransparent i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB angesehen werden, wenn der Arbeitgeber die gesetzlichen Pflichten aus § 20 Abs. 6, § 18 Abs. 5 Satz 3 InstitutsVergV eins zu eins im Arbeitsvertrag umsetzt.4 Dabei ist klar zu regeln, ob sich die Verpflichtung zur Rückzahlung auf den Brutto- oder den Nettobetrag der variablen Vergütung bezieht.5 Möglich ist auch, eine Verpflichtung zur Rückzahlung des Nettobetrages mit der Pflicht des Arbeitnehmers zur Abtretung von Steuer- und Sozialabgabenerstattungsansprüchen zu verbinden. Einer klaren Regelung bedarf ebenfalls, wie die Rückerstattung der aktienbasierten Vergütung (Rückübertragung der Aktien oder Wertausgleich) zu erfolgen hat.6
2. Versicherungen Im Versicherungssektor finden sich besondere Vergütungsregelungen in § 25 60 VAG sowie für Solvency II-Unternehmen in der Solvabilität II-VO und für Nicht-Solvency II-Unternehmen in der auf der Grundlage von § 34 Abs. 2 VAG erlassenen VersVergV. Sowohl Art. 275 Solvabilität II-VO als auch die VersVergV enthalten zum Teil ähnliche, insgesamt jedoch deutlich weniger strenge 1 Für eine Orientierung an der Auslegungshilfe zur InstitutsVergV auch Herz, NZG 2018, 1050 (1052). Eine Kombination beider Herangehensweisen empfiehlt Fischbach, WM 2018, 1491 (1499). 2 So Thum, NZA 2017, 1577 (1580); zweifelnd Fischbach, WM 2018, 1491 (1499). 3 So zutreffend auch Fischbach, WM 2018, 1491 (1499). 4 So im Ergebnis auch Fischbach, WM 2018, 1491 (1499) sowie Thum, NZA 2017, 1577 (1580). Auch Annuß/Sappa, BB 2017, 2612 (2615) gehen offenbar davon aus, dass Rückzahlungsklauseln auf Basis von § 20 Abs. 6 InstitutsVergV wirksam vereinbart werden können. Kritisch Löw, NZA 2017, 1365 (1370), der von einer weitgehenden Unwirksamkeit von Rückforderungsklauseln gem. § 20 Abs. 6 InstitutsVergV ausgeht. Ähnlich kritisch schon Löw/Glück, NZA 2015, 137 (140). Skeptisch zur Wirksamkeit von Claw-Back Klauseln auch Johnson, CCZ 2018, 9 (11 f.); Kuhn, CCZ 2017, 171 (173) sowie Tusch/ Schuster/Herzberg, WM 2017, 2289 (2290 ff.). 5 Vgl. zu den steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Aspekten der Rückzahlungsklauseln Fischbach, WM 2018, 1491 (1499 f.) sowie Löw, NZA 2017, 1365 (1369). 6 Vgl. dazu Fischbach, WM 2018, 1491 (1500).
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Anh. Vergü | Besondere Vergütungssysteme Vorgaben als die InstitutsVergV. Insbesondere folgende Regelungen bedürfen einer ordnungsgemäßen arbeitsvertraglichen Umsetzung: a) Vorgaben für Bonusziele 61 Gem. § 3 Abs. 1a VersVergV müssen die für die Ermittlung der Bonuszahlungen
maßgeblichen Ziele an den Strategien des Unternehmens ausgerichtet sein und negative Anreize vermeiden.1 Bei Geschäftsleitern soll gem. § 3 Abs. 2 VersVergV die Bemessungsgrundlage für die Erreichung der maßgeblichen Ziele mehrjährig sein und eine Begrenzungsmöglichkeit für außerordentliche Entwicklungen vereinbart werden.
62 In Versicherungen, bei denen es sich um bedeutende Unternehmen i.S.v. § 1
Abs. 3 VersVergV handelt, müssen für die Vergütung von Geschäftsleitern und solchen Arbeitnehmern, deren Tätigkeit einen wesentlichen Einfluss auf das Gesamtrisikoprofil hat, gem. § 4 Abs. 3 VersVergV folgende zusätzliche Vorgaben beachtet werden: Als Ziele für die Bonusermittlung müssen erstens der Gesamterfolg des Unternehmens (oder ggf. der Unternehmensgruppe), zweitens der Erfolgsbeitrag der Organisationseinheit und drittens der individuelle Erfolgsbeitrag des Arbeitnehmers berücksichtigt werden, wobei eine Berücksichtigung des individuellen Erfolgsbeitrags nur erforderlich ist, wenn er mit vertretbarem Aufwand bestimmt werden kann. Bei den Zielen müssen insbesondere solche Vergütungsparameter verwendet werden, die dem Ziel eines nachhaltigen Erfolgs Rechnung tragen. Nach Art. 275 Abs. 2 (b) Solvabilität II-VO muss in Solvency II-Unternehmen für die Ermittlung der variablen Vergütung der von Art. 275 Abs. 1 (c) Solvabilität II-VO erfassten Personen die Bewertung der Leistungen des Einzelnen sowie des Geschäftsbereichs einerseits und das Gesamtergebnis des Unternehmens bzw. der Gruppe andererseits herangezogen werden. Dabei müssen gem. Art. 275 Abs. 2 (d) Solvabilität II-VO für die Bewertung der Leistung des Einzelnen sowohl finanzielle als auch nicht-finanzielle Kriterien berücksichtigt werden. b) Begrenzung der Höhe der variablen Vergütung
63 Anders als im KWG und in der InstitutsVergV ist weder im VAG noch in der
Solvabilität II-VO oder der VersVergV eine maximale Obergrenze für die variable Vergütung von Arbeitnehmern einer Versicherung vorgesehen. In Versicherungen, bei denen es sich um bedeutende Unternehmen i.S.v. § 1 Abs. 3 VersVergV handelt, müssen allerdings gem. § 4 Abs. 2 VersVergV die fixe und variable Vergütung der Geschäftsleiter und der Arbeitnehmer, deren Tätigkeit einen wesentlichen Einfluss auf das Gesamtrisikoprofil hat, in einem angemessenen 1 Vgl. § 3 Abs. 1b VersVergV zu den Sonderregelungen für Pensionskassen und Pensionsfonds.
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Verhältnis zueinander stehen. Ähnlich fordert Art. 275 Abs. 2 (a) Solvabilität IIVO, dass die feste und die variable Vergütung der von Art. 275 Abs. 1 (c) Solvabilität II-VO erfassten Personen in einem ausgewogenen Verhältnis stehen.1 c) Auszahlungsvoraussetzungen Gem. § 25 Abs. 4 Satz 3 VAG muss arbeitsvertraglich vereinbart werden, dass es 64 keine Anordnung der BaFin gem. § 25 Abs. 4 Satz 1 oder Satz 2 VAG gibt, die der Auszahlung der variablen Vergütung entgegensteht.2 d) Garantierte variable Vergütung/Sign-On Bonus In Versicherungen, bei denen es sich um bedeutende Unternehmen i.S.v. § 1 65 Abs. 3 VersVergV handelt, ist eine garantierte variable Vergütung für Geschäftsleiter und für Arbeitnehmer, deren Tätigkeit einen wesentlichen Einfluss auf das Gesamtrisikoprofil hat, gem. § 4 Abs. 2 Satz 3 VersVergV in der Regel nur im Rahmen der Aufnahme eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses und längstens für ein Jahr zulässig. Dies ist bei der vertraglichen Vereinbarung von Garantieboni zu beachten. Anders als im Bankensektor sind jedoch in Ausnahmefällen auch darüberhinausgehende Zusagen möglich. e) Verbot der Einschränkung oder Aufhebung der Risikoadjustierung Gem. § 4 Abs. 4 VersVergV müssen Versicherungen, bei denen es sich um be- 66 deutende Unternehmen i.S.v. § 1 Abs. 3 VersVergV handelt, für ihre Geschäftsleiter und für Arbeitnehmer, deren Tätigkeit einen wesentlichen Einfluss auf das Gesamtrisikoprofil hat, sicherstellen, dass die Risikoadjustierung der variablen Vergütung nicht durch Absicherungs- oder sonstige Gegenmaßnahmen eingeschränkt wird. Auch Art. 275 Abs. 2 (g) Solvabilität II-VO fordert, dass keine persönlichen Hedging-Strategien verfolgt werden. Um dies zu erreichen, müssen die erfassten Personen verpflichtet werden, keine persönlichen Absicherungsoder sonstigen Gegenmaßnahmen zu treffen, um die Risikoorientierung ihrer Vergütung einzuschränken oder aufzuheben. Diese Verpflichtung ist durch eine entsprechende Vereinbarung im Arbeitsvertrag oder in einer Zusatzvereinbarung umzusetzen. f) Aufschub und Verfall von variabler Vergütung In Versicherungen, bei denen es sich um bedeutende Unternehmen i.S.v. § 1 67 Abs. 3 VersVergV handelt, ist zudem für die Vergütung von Geschäftsleitern 1 Vgl. zur Bedeutung eines ausgewogenen Verhältnisses Dreher/Gerigk, WM 2018, 1433 (1434 ff.). 2 Schlierenkämper in Brand/Baroch Castellvi, VAG § 25 Rz. 26.
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Anh. Vergü | Besondere Vergütungssysteme und solchen Arbeitnehmern, deren Tätigkeit einen wesentlichen Einfluss auf das Gesamtrisikoprofil hat, gem. § 4 Abs. 3 Nr. 3 VersVergV sicherzustellen, dass mindestens 40 % der variablen Vergütung nicht vor dem Ablauf eines angemessenen Zurückbehaltungszeitraums (in der Regel drei Jahre) unter Berücksichtigung des geschäftlichen Erfolgs ausgezahlt werden. 50 % der zurückbehaltenen Beträge der variablen Vergütung sollen von einer nachhaltigen Wertentwicklung des Unternehmens abhängig sein. Zudem muss sich gem. § 4 Abs. 3 Nr. 4 VersVergV die Höhe der variablen Vergütung verringern, wenn ein negativer individueller Erfolgsbeitrag, ein negativer Erfolgsbeitrag der maßgeblichen Organisationseinheit oder ein negativer Gesamterfolg des Unternehmens oder der Gruppe gegeben ist. Demgegenüber verlangt Art. 275 Abs. 2 (c) Solvabilität II-VO für die von Art. 275 Abs. 1 (c) Solvabilität II-VO erfassten Personen in unbestimmterer Weise, dass die Zahlung eines wesentlichen Teils der variablen Vergütung eine flexible, aufgeschobene Komponente enthält, wobei der Zeitaufschub mindestens drei Jahre betragen muss. Um einen wesentlichen Teil der variablen Vergütung soll es sich nach Ansicht der BaFin handeln, wenn bei Vorstandsmitgliedern mindestens 60 % der variablen Vergütung und bei Personen unterhalb des Vorstands mindestens 40 % der variablen Vergütung erfasst sind.1 Die Zurückbehaltungs- und Verringerungsanforderungen bedürfen einer transparenten Umsetzung im Arbeitsvertrag oder in der entsprechenden Bonuszusage. 68 Für die Wirksamkeit von Verfallklauseln, die die Auszahlung an den Bestand
des Arbeitsverhältnisses zum Ende des Zurückbehaltungszeitraums anknüpfen, gelten dieselben Erwägungen wie für entsprechende Regelungen im Bankensektor, vgl. Rz. 58. g) Rückzahlungspflicht von variabler Vergütung/Claw-Back
69 Eine aufsichtsrechtliche Pflicht, mit Mitarbeitern von Versicherungsunterneh-
men einen Claw-Back zu vereinbaren, besteht nicht.2
1 Auslegungsentscheidung zu Aspekten der Vergütung im Rahmen der Vorgaben des Art. 275 Solvabilität II-VO v. 20.12.2016. Eine gestreckte Auszahlung soll aber nicht erforderlich sein, wenn der wesentliche Teil der variablen Vergütung 35 000 Euro oder 20 % der Festvergütung, bezogen auf eine 100 %ige Erfüllung der Zielvereinbarung, nicht überschreitet. Vgl. auch de Raet/Dörfler, CCZ 2017, 253 (262 f.). 2 de Raet/Dörfler, CCZ 2017, 253 (263).
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Betriebliche Altersversorgung I. Versorgungszusage . . . . . . . . . 1. Begriff der Versorgungszusage . . 2. Versorgungszusagen als AGB . . a) Individualrechtliche Zusagen b) Kollektivrechtliche Zusagen . 3. Auslegung und Unklarheitenregel 4. Überraschende Klauseln (§ 305c Abs. 1 BGB) . . . . . . . . . 5. Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Regelungen . . . . aa) Verweisung/Bezugnahmeklausel . . . . . . . . . . . . . bb) Änderungsvorbehalt/ Widerrufsvorbehalt/ Reduzierungsvorbehalt . . cc) Änderungsvereinbarungen b) Regelungen zur Altersversorgung . . . . . . . . . . . . . c) Regelungen zur Hinterbliebenenversorgung . . . . . . aa) Gewährung und Umfang der Hinterbliebenenversorgung . . . . . . . . . . bb) Altersabstandsklauseln . . cc) Spätehenklausel . . . . . . . dd) Mindestehedauerklausel . ee) Mindestaltersklausel . . . . ff) Wiederverheiratungsklauseln . . . . . . . . . . . . gg) Scheidungsklausel/ Getrenntlebensklausel . . hh) Haupternährerklausel . . . d) Regelungen zur Versorgung bei Invalidität . . . . . . . . . . . aa) Rente nur bei unbefristeter Gewährung gesetzlicher Erwerbsminderungsrente . . . . . . . . . . . bb) Leistungsbeginn mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses . . . . . . . . . cc) Mindestaltersgrenze . . . . dd) Antragserfordernis . . . . . 6. Unwirksamkeit und ergänzende Vertragsauslegung . . . . . . . . . .
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II. Durchführungsweg Direktzusage 40c III. Durchführungsweg Direktversicherung . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Rechtsverhältnisse bei Durchführungsweg Direktversicherung 42 a) Versorgungsverhältnis (Valutaverhältnis) . . . . . . . . 43 b) Versicherungsverhältnis (Deckungsverhältnis) . . . . . . 44 c) Bezugsrechtsverhältnis . . . . . 45 2. Auslegung des Versicherungsvertrags im Deckungs- und im Bezugsrechtsverhältnis . . . . . . . 47 a) Auslegung . . . . . . . . . . . . . . 48 b) Unklarheitenregel . . . . . . . . 49 3. Inhaltskontrolle des Versicherungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . 50 IV. Durchführungsweg Pensionskasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 1. Rechtsverhältnisse bei Durchführungsweg Pensionskasse . . . . 52 a) Versorgungsverhältnis . . . . . 52 b) Verhältnis Arbeitgeber und Pensionskasse . . . . . . . . . . . 53 c) Verhältnis Arbeitnehmer und Pensionskasse . . . . . . . . . . . 55 2. Auslegung und Inhaltskontrolle von Satzung und Versicherungsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . 56 V. Durchführungsweg Pensionsfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 1. Rechtsverhältnisse bei Durchführungsweg Pensionsfonds, Eröffnung AGB-Kontrolle . . . . . 60 a) Versorgungsverhältnis . . . . . 60 b) Deckungsverhältnis . . . . . . . 61 c) Verhältnis Arbeitnehmer und Pensionsfonds . . . . . . . . 62 2. Auslegung und Inhaltskontrolle des Pensionsplans . . . . . . . . . . . 63 VI. Durchführungsweg Unterstützungskasse . . . . . . . . . . . . 65 1. Rechtsverhältnisse bei Durchfüh66 rungsweg Unterstützungskassen
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Anh. BetrAV | Betriebliche Altersversorgung 2. Eröffnung der AGB-Kontrolle im Begünstigungsverhältnis . . . 3. Auslegung und Inhaltskontrolle von Regelungen der Unterstützungskasse . . . . . . . . . . . . . . . VII. Vereinbarung von Entgeltumwandlung . . . . . . . . . . . . .
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VIII. Versorgung im Öffentlichen Dienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Versorgung im Konditionenkartell . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Versorgungszusage 1 Das Recht der betrieblichen Altersversorgung ist im Betriebsrentengesetz (Betr-
AVG) geregelt. Grundlage der betrieblichen Altersversorgung ist die Versorgungszusage über Leistungen betrieblicher Altersversorgung. Die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung i.S.d. BetrAVG erfolgt entweder unmittelbar durch den Arbeitgeber selbst oder über einen Versorgungsträger auf einem der mittelbaren Durchführungswege, die das Gesetz in § 1b BetrAVG enumerativ aufzählt. Für die AGB-Kontrolle der Regelungen ist streng zwischen den einzelnen Rechtsverhältnissen zu unterscheiden.
1. Begriff der Versorgungszusage 2 Das BetrAVG definiert die betriebliche Altersversorgung in § 1 Abs. 1 Satz 1
BetrAVG. Betriebliche Altersversorgung i.S.d. BetrAVG liegt danach vor, wenn ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses zusagt. Zu den Zusagen betrieblicher Altersversorgung gehören auch die beitragsorientierte Leistungszusage, die Beitragszusage mit Mindestleistung sowie die Entgeltumwandlung (§ 1 Abs. 2 BetrAVG).
3 Die Versorgungszusage bestimmt die Verpflichtung über Leistungen der betriebli-
chen Altersversorgung im Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, d.h. im Versorgungs- oder Valutaverhältnis. Sie liegt in diesem Verhältnis stets auch der Zusage mittelbarer Versorgung über externe Versorgungsträger zu Grunde. Bei den mittelbaren Versorgungswegen ist die Versorgungszusage im Valutaverhältnis daher zu unterscheiden von den Regelungen zwischen Arbeitgeber und Versorgungsträger im Deckungsverhältnis und dem Rechtsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Versorgungsträger. Diese Unterscheidung ist von wesentlicher Bedeutung, da Vereinbarungen im Rahmen der Versorgungszusage im Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht ohne Weiteres auf die Verhältnisse zwischen Versorgungsträger und Arbeitgeber sowie Versorgungsträger und Arbeitnehmer übertragen werden können. Die Versorgungszusage ist in ihrem Bestand unabhängig von Regelungen in den weiteren Rechtsverhältnissen und verpflichtet den Arbeitgeber auch bei einer mittelbaren Versorgung ohne Rücksicht auf eine korrespondierende Deckung der zugesagten Versorgung durch einen Versorgungsträger. 584
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I. Versorgungszusage | Anh. BetrAV
2. Versorgungszusagen als AGB Eine Versorgungszusage beruht stets auf einem Rechtsbegründungsakt.1 Dabei 4 sind individualrechtliche Zusagen und kollektivrechtliche Zusage zu unterscheiden. Besonderheiten gelten für individualrechtliche Zusagen, die auf kollektivrechtliche Regelungen verweisen. a) Individualrechtliche Zusagen Zu den individualrechtlichen Zusagen gehören die Zusagen aus Einzelvertrag 5 (Einzelzusage), aus Gesamtzusage und vertraglicher Einheitsregelung. Diesen stehen Zusagen gleich, die auf betrieblicher Übung oder dem Grundsatz der Gleichbehandlung beruhen (vgl. § 1b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG). Nur die Einzelzusage bezieht sich auf einen einzelnen Arbeitnehmer. Die weiteren Zusagen erstrecken sich gleichförmig auf eine Gruppe von Arbeitnehmern. Ob es sich bei einer Versorgungszusage um AGB i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB han- 6 delt, bestimmt sich nach den allgemeinen Regeln (vgl. insoweit § 305 Rz. 3 ff.). Für das Betriebsrentenrecht gelten insoweit keine Besonderheiten. Aufgrund der Komplexität der betriebsrentenrechtlichen Materie dürfte es sich allerdings im Regelfall um AGB handeln. b) Kollektivrechtliche Zusagen Kollektivrechtliche Zusagen sind Versorgungszusagen aufgrund von normativ 7 geltenden Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen.2 Für derartige Regelungen ist der Anwendungsbereich der AGB-Kontrolle gemäß § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht eröffnet (vgl. § 310 Rz. 42).3 Die Rechtsprechung schließt auch eine Kontrolle von Regelungen aus, die auf Tarifregelungen beruhen, sofern damit indirekt eine Kontrolle des zugrunde liegenden Tarifvertrags anhand der dafür nicht vorgesehenen Maßstäbe des AGB-Rechts erfolgte.4 Von der Inhaltskontrolle sind außerdem kollektivrechtliche Versorgungsregeln 8 ausgenommen, auf die die Versorgungszusage individualrechtlich ohne Einschränkungen verweist.5 Die Verweisungsklausel selbst bleibt dabei kontrollfähige Vertragsbedingung (vgl. § 307 Rz. 154).
1 Höfer, BetrAVG, Kap. 4 Rz. 1 ff. 2 Höfer, BetrAVG, Kap. 3 Rz. 57 ff., 84 ff. 3 BGH v. 14.11.2007 – IV ZR 74/06, BGHZ 174, 127; BAG v. 27.6.2006 – 3 AZR 255/05, BAGE 118, 326. 4 Zur KZVK: BAG v. 20.8.2013 – 3 AZR 959/11, NZA 2014, 36. 5 BAG v. 27.6.2006 – 3 AZR 255/05, BAGE 118, 326.
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Anh. BetrAV | Betriebliche Altersversorgung 3. Auslegung und Unklarheitenregel 9 Die Auslegung der Versorgungszusage, die als AGB erteilt worden ist, folgt den
allgemeinen Bestimmungen. Grundsätzlich sind Versorgungsregeln als AGB nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sind.1 Zur Auslegung können, wie sich auch aus § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB ergibt, auch Begleitumstände herangezogen werden, die Anhaltspunkte für eine bestimmte Auslegung des Vertrages geben, sofern es Umstände sind, die nicht ausschließlich den individuellen Vertragsabschluss betreffen, sondern den Abschluss einer jeden vergleichbaren Abrede; dies gilt etwa für allgemeine Informationsschreiben.2
10 Die Rechtsprechung wendet die Unklarheitenregel (§ 305c Abs. 2 BGB) bei
Versorgungsregeln, die vom Arbeitgeber vorgegeben sind, seit jeher, also auch vor Erstreckung der AGB-Kontrolle auf das Arbeitsrecht an.3 Sie gilt daher ohne Weiteres auch für „Altregelungen“. Auf die Unklarheitenregel ist zurückzugreifen, wenn trotz der Ausschöpfung anerkannter Auslegungsmethoden nicht behebbare Zweifel verbleiben.4 Etwaige, den Vertragsschluss begleitende Umstände bleiben bei der Prüfung, ob eine Regelung unklar ist, unberücksichtigt; § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB sieht ihre Berücksichtigung nur für die Wirksamkeitskontrolle nach § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB vor.5 Gerade im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung können die Regelungen zur Berechnung einer Betriebsrente sehr komplex und abstrakt sein. Dieser Umstand allein führt allerdings noch nicht dazu, dass von einer Unklarheit ausgegangen werden kann.6
11 Der Arbeitgeber muss in der Versorgungsregelung grundsätzlich nicht auf gel-
tendes Gesetzesrecht hinweisen. Mögliche Irrtümer, die auf der Unkenntnis des Gesetzes beruhen, machen die Versorgungsregeln nicht unklar. So bedarf es keines Hinweises, dass ein Arbeitnehmer bei vorzeitigem Ausscheiden keinen Vollanspruch erwirbt, sondern seine Anwartschaft einer zeitratierlichen Berechnung nach § 2 Abs. 1 BetrAVG unterliegt. Dies gilt auch dann, wenn die Versorgungs1 BAG v. 8.3.2011 – 3 AZR 666/09, NZA-RR 2011, 591; BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 173/08, NZA 2010, 342. 2 BAG v. 12.8.2014 – 3 AZR 492/12, n.v.; BAG v. 15.2.2011 – 3 AZR 35/09, BB 2011, 3068. 3 BAG v. 12.12.2006 – 3 AZR 388/05, AP Nr. 67 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen; BAG v. 18.11.2008 – 3 AZR 277/07, DB 2009, 294. 4 BAG v. 21.2.2017 – 3 AZR 297/15, BAGE 158, 154; BAG v. 11.2.2008 – 3 AZR 719/06, AP Nr. 6 zu § 308 ZPO. 5 BAG v. 8.12.2015 – 3 AZR 267/14, AP Nr. 57 zu § 1 BetrAVG Auslegung. 6 BAG v. 18.11.2008 – 3 AZR 277/07, DB 2009, 294.
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I. Versorgungszusage | Anh. BetrAV
regelung vorsieht, dass die Betriebsrente bei Erreichung eines bestimmten Steigerungsfaktors nicht weiter anwächst.1 Mehrdeutige Begriffe in Versorgungsregelungen können zu einer Unklarheit 12 i.S.d. § 305c BGB führen. Auslegungsbedürftig sind Regelungen, die bei Berechnung einer Betriebsrente verschiedene Vergütungsbestandteile unter einem Oberbegriff einbeziehen. So können bei den Begriffen „Gehalt“,2 „Monatsgehalt“,3 „Bruttoverdienst“,4 „Bruttomonatsverdienst“5, „Bruttomonatsgehalt“6, „Zuwendung“7 oder „Jahresbruttoarbeitsverdienst ohne außertarifliche Sondervergütungen“8 im konkreten Zusammenhang ihrer Verwendung Zweifel bestehen, ob damit die Einbeziehung von Sachbezügen, verschiedenartigen Zulagen oder variablen Bestandteilen ausgeschlossen ist. Auslegungsbedürftig kann auch sein, ob der Begriff des „vorzeitigen Ruhestands“ das endgültige Ausscheiden aus dem Erwerbsleben voraussetzt oder das Ausscheiden beim Arbeitgeber genügt.9 Soweit der Begriff des „Ausscheidens“ als unklar bewertet worden ist,10 kann dies angesichts der Terminologie des Gesetzes etwa in § 2 Abs. 1 BetrAVG, das diesen Begriff klar mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verknüpft, nicht überzeugen. Auch die Definition der versorgungsberechtigten Hinterbliebenen kann unklar sein. Das BAG hat den Begriff des „Lebensgefährten“ im Zusammenhang einer Hinterbliebenenversorgung jedenfalls insoweit als hinreichend klar ausgelegt, als ein Anspruchsteller dann nicht Lebensgefährte des Verstorbenen sein kann, wenn der Anspruchsteller selbst mit einem eigenen Ehepartner in ehelicher Lebensgemeinschaft lebt.11 Ebenso wie einzelne Begrifflichkeiten können grammatikalisch mehrdeutige 13 Sätze12 oder systematische Widersprüche der Versorgungsregelung zu Unklarheiten führen. Systematische Widersprüche können entstehen, wenn die Versorgungsregelung teilweise auf Abschnitte anderer Versorgungsordnungen verweist, die nicht auf die Ausgangsregelung zugeschnitten sind, etwa bei Anrechnungsbestimmungen.
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LAG Köln v. 14.7.2000 – 11 Sa 582/00, NZA-RR 2001, 546. BAG v. 14.8.1990 – 3 AZR 321/89, DB 1991, 343; LAG Köln v. 9.2.2006 – 10 Sa 1027/05. LAG Hessen v. 8.9.2004 – 8 Sa 2110/03. BAG v. 21.8.2001 – 3 AZR 746/00, NZA 2002, 394. ArbG Frankfurt v. 13.11.2007 – 4 Ca 4708/07; LAG Hessen v. 12.11.2008 – 8 Sa 188/08, NZA-RR 2009, 444. BAG v. 13.11.2012 – 3 AZR 557/10, AP Nr. 39 zu § 1 BetrAVG Auslegung. BAG v. 8.12.2015 – 3 AZR 433/14, n.v. OLG Oldenburg v. 30.4.1996 – 12 U 1/96, OLGR Oldenburg 1996, 205. BAG v. 17.4.2012 – 3 AZR 380/10, AP Nr. 35 zu § 1 BetrAVG Auslegung. ArbG Berlin v. 6.11.2015 – 28 Ca 10279/15, BB 2016, 564. BAG v. 18.11.2008 – 3 AZR 277/07, DB 2009, 294. LAG Köln v. 8.5.2006 – 2 Sa 940/05, AE 2006, 242.
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Anh. BetrAV | Betriebliche Altersversorgung 4. Überraschende Klauseln (§ 305c Abs. 1 BGB) 14 Überraschend ist eine objektiv ungewöhnliche Klausel, mit der der Arbeitneh-
mer subjektiv nicht zu rechnen brauchte.1 Überraschend sind daher Regelungen in Versorgungszusagen, die dem Versorgungscharakter als dem definitorischen Wesensmerkmal einer Betriebsrente erheblich zuwider laufen. Daher können weit reichende Vorbehalte des zusagenden Arbeitgebers, die Versorgung zu reduzieren, überraschend sein; sie widersprechen der Versorgungserwartung des Rentenanwärters.2 Gleiches kann für Klauseln in Verträgen gelten, die den vom Arbeitgeber durch Begleitschreiben oder andere Informationen begründeten Erwartungen deutlich widersprechen, etwa eine überraschende Einschränkung der Versorgung in einem Änderungsvertrag.3
15 Klauseln einer Versorgungszusage sind hingegen grundsätzlich nicht ungewöhn-
lich, wenn das BetrAVG sie ohne Weiteres zulässt. Dazu gehörte bis zum 31.12. 2004 eine Regelung zur Abfindung der Betriebsrente.4 Auch längere Wartezeiten sind nicht überraschend;5 etwas anderes kann gelten, wenn die Wartezeiten einen Anspruch des Arbeitnehmers von vorneherein ausschließen, weil er sie nicht erfüllen kann. Verbreitete Klauseln, die eine Hinterbliebenenversorgung einschränken (z.B. Altersabstandsklauseln, Spätehenklauseln), sind nicht ungewöhnlich.6
16 Eine Überraschung kann sich nach allgemeinen Grundsätzen durch die ver-
steckte oder widersprüchliche Position einer Regelung im Text der Versorgungszusage ergeben.7 Dies gilt insbesondere dann, wenn die Versorgungszusage insgesamt unübersichtlich ist und die fragliche Regelung außerhalb ihres Sachzusammenhangs im Text positioniert ist.8
5. Inhaltskontrolle 17 AGB unterliegen grundsätzlich der Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB.
Nicht der Inhaltskontrolle unterworfen sind dabei die jeweiligen Hauptleistungspflichten der Parteien. Für die betriebliche Altersversorgung bedeutet dies, dass der Arbeitgeber frei ist, bestimmte Teilbereiche einer möglichen betrieblichen Altersversorgung von vorneherein nicht zu gewähren, etwa eine Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung,9 oder nur Teile des Gehalts als versor-
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BAG v. 15.11.2016 – 3 AZR 582/15, BAGE 157, 164. BAG v. 23.9.2003 – 3 AZR 551/02, AP Nr. 93 zu § 77 BetrVG 1972. Im konkreten Fall verneint: BAG v. 15.11.2016 – 3 AZR 582/15, BAGE 157, 164. LAG Rheinland-Pfalz v. 12.9.2007 – 11 Sa 78/07, n.v. Schaub in GS Blomeyer (2003), S. 334 (343). BAG v. 11.12.2018 – 3 AZR 400/17. BAG v. 11.12.2018 – 3 AZR 400/17; BAG v. 15.11.2016 – 3 AZR 582/15, BAGE 157, 164. BAG v. 23.9.2003 – 3 AZR 551/02, AP Nr. 93 zu § 77 BetrVG 1972. BAG v. 18.11.2008 – 3 AZR 277/07, DB 2009, 294.
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I. Versorgungszusage | Anh. BetrAV
gungsfähig zu charakterisieren.1 Kontrollfrei bleibt auch die Höhe der betrieblichen Altersversorgung.2 Inhaltlich zu prüfen sind allerdings Klauseln, die ihrerseits das Versorgungsversprechen als Hauptleistung einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren und damit von Rechtsvorschriften i.S.d. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB abweichen (vgl. § 307 Rz. 30).3 Zu den Rechtsvorschriften nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB gehören neben dem 17a dispositiven Gesetzesrecht auch anerkannte, ungeschriebene Rechtsgrundsätze und Prinzipien sowie die Gesamtheit der wesentlichen Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben.4 Das BAG prüft für die betriebliche Altersversorgung entsprechend Abweichungen von der „Vertragstypik“, die sich aus dem BetrAVG ergibt, und stellt nur sehr geringe Anforderungen an die Eröffnung der Inhaltskontrolle.5 Der Arbeitgeber soll danach z.B. zwar frei sein, überhaupt eine Hinterbliebenenversorgung zuzusagen, und diese auch kontrollfrei auf bestimmte „Kategorien“ von Personen beschränken dürfen, die in einem abgrenzbaren Näheverhältnis zum Versorgungsberechtigten stehen. Eine Differenzierung innerhalb einer solchen „Kategorie“ des Näheverhältnisses wiederum unterliege aber der Inhaltskontrolle, etwa die Beschränkung der Hinterbliebenenversorgung statt auf Ehegatten generell auf die „jetzige“ Ehefrau.6 Dieser sehr weitgehende Eingriff der Rechtsprechung in die Vertragsfreiheit, der – außerhalb der Kategorien des AGG – die Definition des Kreises der durch die Hinterbliebenenversorgung letztlich Begünstigten betrifft, ist kritisch zu sehen. Das Kriterium der Abweichung von der „Vertragstypik“ trägt angesichts der offenen Regelungen des BetrAVG zu dieser Frage nicht. Es ist anerkannt, dass der Arbeitgeber bei Leistungen der betrieblichen Alters- 18 versorgung als freiwillige zusätzliche Leistungen einen von den Gerichten zu respektierenden Spielraum bei der Ausgestaltung hat.7 Bei einer Inhaltskontrolle der Versorgung ist daher insbesondere auch dem Interesse des Arbeitgebers Rechnung zu tragen, die Versorgungsrisiken nach sachlichen Kriterien zu begrenzen.8 Dies betrifft z.B. die Begrenzung von Steigerungsbeträgen oder Grenzen der Hinterbliebenenversorgung. Bei der Beurteilung von Klauseln im Kontext der betrieblichen Altersversorgung 19 ist den Besonderheiten dieses Rechtsgebiets Rechnung zu tragen. Zu berücksichtigen ist insbesondere, dass im Regelfall der betrieblichen Altersversorgung 1 2 3 4 5 6 7
LAG Rheinland-Pfalz v. 4.11.2011 – 9 Sa 319/11. BAG v. 30.11.2010 – 3 AZR 798/08, BAGE 136, 222. BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 17/09, NZA 2010, 164. BAG v. 15.11.2016 – 3 AZR 582/15, BAGE 157, 164. BAG v. 21.2.2017 – 3 AZR 297/15, BAGE 158, 154. BAG v. 21.2.2017 – 3 AZR 297/15, BAGE 158, 154. BAG v. 19.8.2008 – 3 AZR 194/07, BAGE 127, 260; BAG v. 18.9.2001 – 3 AZR 656/00, BAGE 99, 53; BAG v. 22.12.1970 – 3 AZR 52/70, DB 1971, 729. 8 BAG v. 17.6.2006 – 3 AZR 352/05 (A), BAGE 118, 340.
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Anh. BetrAV | Betriebliche Altersversorgung Klauseln getroffen werden, die erst viele Jahre später ihre eigentliche Wirkung entfalten. Das BAG berücksichtigt diesen Umstand als eine Besonderheit des Arbeitsrechts nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB. Zu Recht nimmt es daher ein berechtigtes Grundinteresse des Arbeitgebers an, Regeln flexibel auszugestalten, etwa durch Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe.1 20 Versorgungszusagen an Dienstnehmer wie Geschäftsführer und Vorstände
können wie bei Tarifvertragsparteien Abweichungen von ansonsten zwingenden Vorschriften des BetrAVG vorsehen (vgl. § 19 Abs. 1 BetrAVG).2 Wenn es sich bei einer solchen Zusage an Dienstnehmer um kontrollfähige AGB handelt, ist zu beachten, dass die Regelungen des BetrAVG auch bei der ausnahmsweisen Zulässigkeit abweichender Regeln dennoch gesetzliches Leitbild bleiben. Wesentliche Abweichungen von den ansonsten zwingenden Regelungen des BetrAVG werden daher häufig eine unangemessene Benachteiligung bedeuten.
21 Unangemessen ist eine Regelung auch dann, wenn sie intransparent ist. Das
BAG prüft dabei, ob die Gefahr besteht, dass der Arbeitnehmer oder Betriebsrentner wegen der unklar gefassten Regelungen seine Rechte nicht wahrnimmt. Diese Gefahr soll noch nicht bestehen, wenn Begriffe verwendet werden, die der Konkretisierung bedürfen, wie etwa der Verweis auf versicherungsmathematische Grundsätze.3 Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt auch noch nicht vor, wenn sich der Inhalt der Klausel erst im Wege der Auslegung ermitteln lässt, etwa weil Begriffe verwendet werden, die bei der Arbeitgeberin im Kontext der Versorgung („Direktzusagen auf beamtenähnliche Versorgung“) üblich sind.4
a) Allgemeine Regelungen aa) Verweisung/Bezugnahmeklausel 22 Die dynamische Verweisung auf ein anderes Regelungswerk ist im Bereich der
betrieblichen Altersversorgung verbreitet. Im Regelfall sind solche Verweisungen sachgerecht als dynamisch auszulegen („Jeweiligkeitsklausel“),5 so dass es besonderer Anhaltspunkte bedarf, wenn ein Verweis dennoch statisch verstanden werden muss.6 Eine dynamische Verweisung ist nicht als Änderungsvor1 BAG v. 8.3.2011 – 3 AZR 666/09, NZA-RR 2011, 591; BAG v. 29.9.2010 – 2 AZR 557/08, BAGE 135, 334. 2 BGH v. 23.5.2017 – II ZR 6/16, DB 2017, 1769; BAG v. 21.4.2009 – 3 AZR 285/07, AP Nr. 20 zu § 1 BetrAVG Beamtenversorgung. 3 BAG v. 8.3.2011 – 3 AZR 666/09, NZA-RR 2011, 591; BAG v. 29.9.2010 – 2 AZR 557/08, BAGE 135, 334. 4 BAG v. 15.11.2016 – 3 AZR 582/15, BAGE 157, 164. 5 BAG v. 17.6.2014 – 3 AZR 529/12, n.v.; BAG v. 16.2.2010 – 3 AZR 181/08, BetrAV 2010, 691; BAG v. 27.6.2006 – 3 AZR 255/05, BAGE 118, 326. 6 BAG v. 18.9.2012 – 3 AZR 415/10, BAGE 143, 90.
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I. Versorgungszusage | Anh. BetrAV
behalt einzuordnen und unterliegt daher nicht dem Regime des § 308 Nr. 4 BGB, da sie nicht selbst Änderungen vorsieht, sondern auf die Geltung eines anderen Regelungswerks verweist.1 Als dynamische Verweisung entspricht die Klausel den Interessen der Parteien, eintretende Veränderungen angemessen zu berücksichtigen. Die Verweisungsklausel als solche unterliegt gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB re- 23 gelmäßig keiner weiteren Inhaltskontrolle, da sie nicht von Rechtsvorschriften abweicht oder diese ergänzt; maßgeblich sind vielmehr die Regelungen des in Bezug genommenen Regelungskomplexes, deren Änderungen den Grundsätzen von Verhältnismäßigkeit und Vertrauensschutz entsprechen müssen.2 Die Verweisung ist allerdings der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 BGB unterworfen. Eine Verweisung wird durch die dynamische Inbezugnahme anderer Regelungen nicht intransparent, solange der Inhalt des in Bezug genommenen Regelungswerks jeweils bestimmbar ist.3 Eine Intransparenz des in Bezug genommenen Regelungswerks wirkt sich nicht auf die Verweisung/Bezugnahmeklausel selbst aus.4 Eine Verweisungsklausel legitimiert selbst keinen Eingriff in die Versorgungs- 24 zusage. Sie kommt allerdings einem Änderungsvorbehalt gleich, wenn die Verweisung nicht auf ein drittes, sondern auf ein jeweiliges eigenes Regelungswerk des Arbeitgebers erfolgt, und ist daher in diesem Fall an § 308 Abs. 4 BGB zu messen. Unproblematisch ist hingegen die Verweisung auf eine Betriebsvereinbarung,5 deren Änderung einer Inhaltskontrolle nach den allgemeinen Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes unterliegt.6 Gleiches gilt für die dynamische Verweisung auf Tarifregeln, deren Änderung ebenfalls den Grundsätzen von Verhältnismäßigkeit und Vertrauensschutz unterliegt.7 Sofern bei einem Verweis auf Versorgungsbestimmungen aus Tarifvertrag oder 25 Betriebsvereinbarung eine Inhaltskontrolle nicht ohnehin bereits ausgeschlossen ist, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass diese die Interessen der Arbeitnehmer angemessen berücksichtigen.8 Zu beachten ist allerdings, dass ein Verweis auf Regelungen, die in einem wesentlich anderen, etwa anders gelagerten branchenspezifischen Zusammenhang stehen, eine unangemessene Benachteiligung darstellen kann. Gleiches gilt bei einem isolierten Verweis auf ein1 BAG v. 19.8.2008 – 3 AZR 383/06, NZA 2009, 221. 2 BAG v. 8.12.2015 – 3 AZR 267/14, AP Nr. 57 zu § 1 BetrAVG Auslegung; BAG v. 16.2. 2010 – 3 AZR 181/08, BetrAV 2010, 691. 3 BAG v. 16.2.2010 – 3 AZR 181/08, BetrAV 2010, 691. 4 BAG v. 8.12.2015 – 3 AZR 267/14, AP Nr. 57 zu § 1 BetrAVG Auslegung. 5 ArbG Dortmund v. 30.1.2008 – 5 Ca 4805/07, n.v. 6 BAG v. 21.4.2009 – 3 AZR 674/07, NZA-RR 2009, 548. 7 BAG v. 19.8.2008 – 3 AZR 383/06, NZA 2009, 221. 8 BAG v. 19.8.2008 – 3 AZR 383/06, NZA 2009, 221; BAG v. 27.6.2006 – 3 AZR 255/05, BAGE 118, 326.
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Anh. BetrAV | Betriebliche Altersversorgung zelne Bestimmungen aus Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung, die dadurch in einen anderen Kontext gestellt werden. bb) Änderungsvorbehalt/Widerrufsvorbehalt/Reduzierungsvorbehalt 26 Ein Änderungsvorbehalt ist den Regeln des § 308 Nr. 4 BGB unterworfen. Da-
nach ist die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Versorgungsleistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, grundsätzlich unwirksam. Etwas anderes gilt nur, wenn die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Änderungen einer Versorgungszusage sind nach der Rechtsprechung des BAG nur insoweit zulässig, „wie billigerweise mit einer Neuregelung gerechnet werden kann, diese sich also [ihrerseits] im Bereich des Angemessenen hält“.1 Dies konkretisiert sich in einem ausdifferenzierten Bestandsschutz für Versorgungszusagen nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit.2 Diese komplexen Regeln, die eine Vielzahl von potentiellen Sachverhalten erfassen, lassen sich in einem Änderungsvorbehalt kaum transparent abbilden. Zu berücksichtigen ist auch, dass sich derartige Vorbehalte, soweit sie nicht lediglich deklaratorisch Störungen der Geschäftsgrundlage umschreiben (§ 313 BGB), steuerschädlich auswirken (vgl. § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG).
27 Auch ein Widerrufsvorbehalt ist als Änderungsvorbehalt i.S.d. § 308 Nr. 4 BGB
zu behandeln.3 Demgemäß müssen die Widerrufsgründe in der Regelung selbst hinreichend konkretisiert sein.4 Relevant ist die exakte Umschreibung der Widerrufsgründe. Dies kann bei einer betrieblichen Altersversorgung in Form von Deputaten und Sachleistungen etwa der Wegfall der Eigenproduktion sein.5
28 Ohne Bedeutung ist § 308 Nr. 4 BGB hingegen für die bei Betriebsrenten weit
verbreiteten, sog. steuerunschädlichen Widerrufsvorbehalte, die nur den Wegfall der Geschäftsgrundlage umschreiben6 und damit deklaratorisch sind. Selbst wenn diese Widerrufsvorbehalte in ihrer Regelung nicht hinreichend konkretisiert sind, kann der Arbeitgeber auf die allgemeinen Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB zurückgreifen. Ebenso wenig ist § 308 Nr. 4 BGB auf Klauseln anwendbar, die den Inhalt der versprochenen Leistungen von vorneherein festlegen, indem sie etwa den Kreis der Hinterbliebenen einschränken.7 1 2 3 4 5 6 7
BAG BAG BAG BAG BAG BAG BAG
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v. 2.2.1988 – 3 AZR 115/86, DB 1988, 173. v. 16.2.2010 – 3 AZR 181/08, BetrAV 2010, 691. v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87. v. 19.8.2008 – 3 AZR 383/06, NZA 2009, 221. v. 19.2.2008 – 3 AZR 61/06, NZA-RR 2008, 597. v. 17.1.2012 – 3 AZR 555/09; BAG v. 17.6.2003 – 3 ABR 43/02, BAGE 106, 301. v. 15.10.2013 – 3 AZR 294/11, BAGE 146, 200.
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I. Versorgungszusage | Anh. BetrAV
cc) Änderungsvereinbarungen Im Gegensatz zu einem Änderungsvorbehalt unterliegt eine konkrete Ände- 28a rungsvereinbarung, die zwischen den Parteien zur Änderung von geltenden Versorgungsregelungen getroffen wird, keiner Kontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB. Die Änderungsvereinbarung ist als Rechtsgestaltung als solches grundsätzlich kontrollfrei. Wenn sich der Arbeitgeber im Vorfeld einer Vertragsänderung im Hinblick auf die geänderten Regelungen allerdings einer Rechtsposition berühmt, unterwirft die Rechtsprechung den Änderungsvertrag einer Kontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB nach dem Leitbild des § 779 BGB. Diese Vorschrift geht davon aus, dass ein im Hinblick auf ein Rechtsverhältnis bestehender Streit oder eine rechtliche Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt werden soll. Eine lediglich einseitigen Interessen des Arbeitgebers dienende Umgestaltung eines Rechtsverhältnisses bewertet das BAG daher auch im Zusammenhang der betrieblichen Altersversorgung als unangemessen.1 Regelmäßig unangemessen sind danach Vereinbarungen, mit denen – ohne Beseitigung einer bestehenden Unsicherheit oder andere sachliche Gründe – in erworbene Betriebsrentenanwartschaften oder Ansprüche eingegriffen und der Eingriff nicht durch eine korrespondierende Gegenleistung kompensiert wird.2 Nicht zu beanstanden sind hingegen Vereinbarungen, bei denen Ungewissheit über die Rechtslage besteht, ohne dass sich der Arbeitgeber dabei lediglich einer eindeutig nicht berechtigten Rechtsposition berühmt und diese Unsicherheit durch die Vereinbarung beseitigt wird. Eine solche Unsicherheit kann sich z.B. auf einseitige Eingriffsrechte des Arbeitgebers beziehen (z.B. wegen schlechter wirtschaftlicher Lage).3 b) Regelungen zur Altersversorgung Das BAG erlaubt bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Betriebsrente versiche- 29 rungsmathematische Abschläge, die die längere Bezugsdauer der Betriebsrente berücksichtigen. Eine Regelung verstößt dabei nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, wenn sie die Möglichkeit, einen versicherungsmathematischen Abschlag vorzunehmen, nicht aber dessen Höhe bestimmt.4 c) Regelungen zur Hinterbliebenenversorgung Durch das Verbot der Diskriminierung wegen Alters nach AGG rückt auch bei 30 der AGB-Kontrolle zunehmend die Hinterbliebenenversorgung in den Fokus, 1 2 3 4
BAG v. 15.11.2016 – 3 AZR 582/15, BAGE 157, 164. BAG v. 15.11.2016 – 3 AZR 582/15, BAGE 157, 164. BAG v. 15.11.2016 – 3 AZR 582/15, BAGE 157, 164. BAG v. 8.3.2011 – 3 AZR 666/09, NZA-RR 2011, 591; BAG v. 29.9.2010 – 3 AZR 557/08, BAGE 135, 334.
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Anh. BetrAV | Betriebliche Altersversorgung die häufig durch einschränkende Klauseln geprägt ist. Regelmäßig genügen Regelungen, die eine Benachteiligung wegen des Alters bewirken, aber nach § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG gerechtfertigt sind, auch den Anforderungen nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.1 So geht die jeweilige Abwägung von dem durch berechtigte Interessen unterlegten Ziel des Arbeitgebers aus. Dadurch sind die maßgeblichen Kriterien bei der Beurteilung einer Klausel stark angenähert. Die Prüfung nach § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG betrifft das legitime Ziel und die Frage, ob die Regelung angemessen und erforderlich ist, während unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB jede Benachteiligung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers ist, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird.2 Das AGG spielt von vorneherein keine Rolle, wenn Regeln der Hinterbliebenenversorgung nicht nach Alter oder Geschlecht differenzieren, sondern nach anderen Maßstäben Leistungen einschränken oder abgrenzen; in diesem Fall findet eine Kontrolle nur nach den §§ 305 ff. BGB statt.3 30a Bei der Prüfung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind die grundrechtlichen Wer-
tungen zu beachten, im Rahmen der Hinterbliebenenversorgung insbesondere Art. 6 GG und Art. 14 GG. Die Rechtsprechung geht bei der betrieblichen Altersversorgung allerdings nicht von dem Gebot einer Mindestleistung aus,4 so dass diese Maßstäbe nur in seltenen Fällen relevant werden können. So greift insbesondere der Schutz des Art. 14 GG nur soweit, wie Ansprüche bereits bestehen. aa) Gewährung und Umfang der Hinterbliebenenversorgung
31 Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, überhaupt eine Hinterbliebenenversor-
gung anzubieten.5 Deshalb kann er auch den Kreis der versorgungsberechtigten Hinterbliebenen einengen und etwa Geschwister ausnehmen.6 Damit weicht er nicht von den wesentlichen Grundgedanken des BetrAVG ab, da dieses den Umfang einer betrieblichen Altersversorgung nicht regelt. Das BAG lässt es allerdings nicht zu, innerhalb einer „Kategorie“ eines Näheverhältnisses (Geschwister, Ehegatten, Kinder etc.) kontrollfrei weiter zu differenzieren. Die Beschränkung der Versorgung auf die „jetzige“, also zum Zeitpunkt des Versorgungsvertrags maßgebliche Ehefrau soll daher unangemessen und unwirksam sein.7 Es fehlt nach Ansicht des BAG in diesem Fall an konkreten mit der Diffe-
1 BAG v. 20.2.2018 – 3 AZR 43/17, BB 2018, 1148. 2 BAG v. 21.2.2017 – 3 AZR 297/15, BAGE 158, 154. 3 Z.B. Versorgung nur der „jetzigen“ Ehefrau, BAG v. 21.2.2017 – 3 AZR 297/15, BAGE 158, 154. 4 BAG v. 15.10.2013 – 3 AZR 294/11, BAGE 146, 200. 5 BAG v. 28.7.2005 – 3 AZR 457/04, BAGE 115, 317. 6 BAG v. 18.11.2008 – 3 AZR 277/07, DB 2009, 294. 7 BAG v. 21.2.2017 – 3 AZR 297/15, BAGE 158, 154.
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renzierung verknüpften Risikoerwägungen oder sachlichen Anknüpfungspunkten für die Differenzierung. Statt dessen beruhe diese Abgrenzung auf Zufälligkeiten und privaten Gesichtspunkten, die eine Regelung nicht rechtfertigen könnten. Diese Erwägungen des BAG können abweichende Wertungen in besonderen Fallkonstellationen allerdings nicht ausschließen, insbesondere wenn die/der begünstigte Ehefrau/Ehegatte selbst eine besondere Position (etwa als Gesellschafter) einnimmt. In solchen Konstellationen steht regelmäßig nicht die Versorgung einer Person aus einer „Kategorie“ von Hinterbliebenen im Vordergrund, sondern die mittelbare Absicherung einer durch besondere Umstände konkretisierten Person durch die Hinterbliebenenversorgung. bb) Altersabstandsklauseln Der Arbeitgeber hat ein berechtigtes Interesse, die finanziellen Risiken einer 32 Versorgung von Hinterbliebenen nach sachlichen Kriterien zu begrenzen und so besser kalkulierbar zu machen. Eine Maßnahme zur Risikobegrenzung ist die Vereinbarung einer Altersabstandsklausel. Altersabstandsklauseln schließen Ansprüche von hinterbliebenen Ehegatten aus, die wesentlich jünger als ihr Ehepartner sind. Je größer der Altersabstand ist, desto länger ist statistisch auch der Zeitraum, in dem Versorgungsleistungen zu erbringen sind. Das BAG erkennt die Begrenzung des Altersabstands als sachgerechtes Mittel der Risikobegrenzung an, soweit davon kein zwischen Ehegatten „üblicher Altersabstand“ erfasst wird. Als „üblich“ sieht es jedenfalls nicht mehr einen Altersunterschied von 15 Jahren an,1 aber auch ein Altersabstand von zehn Jahren ist nicht mehr üblich.2 Regelungen, die ab einem Altersabstand von zehn Jahren nur zu schrittweisen Kürzungen führen, sind angemessen.3 Nicht angemessen wäre ein Altersabstandsklausel bei Kapitalleistungen, da hier anders als bei Rentenleistungen kein innerer Zusammenhang zwischen Altersabstand und finanziellem Risiko der Versorgung besteht. cc) Spätehenklausel Genau wie eine Altersabstandsklausel dient eine Spätehenklausel dem Interesse 33 des Arbeitgebers an einer Risikobegrenzung. Die Klausel verhindert die Entstehung eines Versorgungsrisikos zu einem späten Zeitpunkt.4 Verbreitet ist die Variante einer Spätehenklausel, die nur greift, wenn bei Eingehung der Ehe ein Höchstalter des Arbeitnehmers überschritten ist. Das BAG lässt die Anknüpfung an ein bestimmtes Alter als solches nicht genügen, sondern fordert für eine an1 BAG v. 16.10.2018 – 3 AZR 520/17, NZA 2019, 176; BAG v. 20.2.2018 – 3 AZR 43/17, BB 2018, 1148; BAG v. 27.6.2006 – 3 AZR 352/05, BAGE 118, 340. 2 BAG v. 11.12.2018 – 3 AZR 400/17. 3 BAG v. 11.12.2018 – 3 AZR 400/17. 4 BAG v. 28.7.2005 – 3 AZR 457/04, BAGE 115, 317.
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Anh. BetrAV | Betriebliche Altersversorgung gemessene Regelung den Bezug auf einen Umstand, der die Leistungspflichten des Arbeitgebers sachgerecht abgrenzt („Zäsur“).1 Angemessen ist danach eine Spätehenklausel, die die Versorgung von hinterbliebenen Ehegatten für den Fall ausschließt, dass die Ehe erst nach Beendigung des die Versorgung begründenden Arbeitsverhältnisses2 oder nach Eintritt des Versorgungsfalls geschlossen worden ist.3 dd) Mindestehedauerklausel 34 Die Klausel setzt eine bestimmte Mindestdauer der Ehe voraus. Dem liegt die
Erwägung zu Grunde, sowohl reine „Versorgungsehen“ auszuschließen, als auch in typisierender Weise zu honorieren, dass Ehegatten ihren Partner über eine nennenswerte Zeit begleitet haben. Das BAG bewertet Mindestehedauerklauseln von zehn Jahren als unangemessen und damit als unwirksam.4 Die Zeitspanne sei willkürlich gegriffen und stehe in keinem inneren Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis und zum mit der Leistung verfolgten Zweck. Tatsächlich stellt das BAG in seiner Rechtsprechung generell den Entgeltcharakter der Versorgung in den Vordergrund und lässt Umstände der privaten Lebensführung, die sich insbesondere nicht auch als spezifisch finanzielles Risiko des Arbeitgebers abbilden (wie es z.B. bei einem Altersabstand oder einer Spätehe der Fall ist), nicht als Differenzierungskriterium genügen.5 Dies zugrunde gelegt, beschränkte sich das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an einer Mindestehedauer auf einen typisierend geregelten Ausschluss von Versorgungsehen, wofür nur eine geringe Ehedauer von deutlich unter zehn Jahren anzusetzen wäre. ee) Mindestaltersklausel
35 Ebenfalls der Risikobegrenzung dienen Klauseln, die eine Hinterbliebenenver-
sorgung nur gewähren, wenn der hinterbliebene Ehepartner zum Zeitpunkt des Versorgungsfalls ein definiertes Mindestalter erreicht hat. Derartige Mindestaltersklauseln sind nach der bisherigen Rechtsprechung, die noch aus der Zeit vor der Schuldrechtsreform stammt, im Grundsatz zulässig, da sie sowohl das Interesse des Versorgungsberechtigten an der Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung, als auch die Interessen des Arbeitgebers an einer Risikobegren-
1 BAG v. 14.11.2017 – 3 AZR 781/16, DB 2018, 900; BAG v. 4.8.2015 – 3 AZR 137/13, BAGE 152, 164. 2 Im Wege ergänzender Vertragsauslegung: BAG v. 21.2.2017 – 3 AZR 297/15, BAGE 158, 154; BAG v. 15.10.2013 – 3 AZR 653/11, DB 2014, 846; BAG v. 20.4.2010 – 3 AZR 509/08, DB 2010, 2000; kritisch: Höfer, BetrAVG, Kap. 7 Rz. 105. 3 BAG v. 14.11.2017 – 3 AZR 781/16, DB 2018, 900; BAG v. 15.10.2013 – 3 AZR 294/11, BAGE 146, 200. 4 BAG v. 19.2.2019 – 3 AZR 150/18, PM 8/19. 5 BAG v. 21.2.2017 – 3 AZR 297/15, BAGE 158, 154.
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zung dieser Versorgung berücksichtigen. Eine Mindestaltersgrenze für eine Hinterbliebenenversorgung von 50 Jahren ist bisher anerkannt.1 Anders als Spätehen- oder Altersabstandsklauseln weist die Mindestaltersklausel 35a allerdings ein stark zufälliges Moment auf – Erleben eines bestimmten Mindestalters des Ehegatten durch den Arbeitnehmer –, das die Versorgung bis zum Erreichen dieses Moments für den Arbeitnehmer kaum kalkulierbar macht. Zugleich gibt es für den Arbeitgeber aber keine andere gleich geeignete Lösung, bei Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung als Rente die Versorgungsdauer und damit das finanzielle Risiko besser zu steuern, so dass eine solche Klausel genau wie Mindestaltersklauseln in der Versorgung bei Invalidität2 zulässig ist. Die Vereinbarung einer solchen Klausel wäre allerdings bei einer Kapitalleistung unangemessen, da hier kein innerer Zusammenhang zwischen dem Alter des Hinterbliebenen und dem Aufwand für die Versorgung besteht. ff) Wiederverheiratungsklauseln Anders als Altersabstandsklauseln, die primär das finanzielle Risiko des Arbeit- 36 gebers begrenzen und seine Kalkulation absichern, entfällt bei Wiederverheiratungsklauseln typischerweise das Versorgungsinteresse des Hinterbliebenen. Mit Wechsel des „Familienverbands“3 entfällt bei der gebotenen typisierenden Betrachtung der Versorgungsbedarf. gg) Scheidungsklausel/Getrenntlebensklausel Scheidungs- und Getrenntlebensklauseln lassen den Versorgungsanspruch des 37 Hinterbliebenen entfallen. Dies ist bei Scheidungsklauseln wenig problematisch, da bei Scheidung ein Versorgungsausgleich durchzuführen ist und der geschiedene Ehegatte selbst Anwartschaften erwirbt. Darüber hinaus steht in diesen Fällen zu vermuten, dass das Versorgungsinteresse des Arbeitnehmers für den geschiedenen Partner nicht mehr gegeben ist. Anders sind Getrenntlebensklauseln zu bewerten.4 Bei Trennung befindet sich 38 der Ehepartner in einer Art Zwischenstadium – er ist nicht mehr in der ehelichen Lebensgemeinschaft, die einen Hinterbliebenenanspruch begründen würde, aber auch noch nicht geschieden, so dass kein Versorgungsausgleich durchgeführt ist. Vor diesem Hintergrund ist die Wirksamkeit von Getrenntlebensklauseln jedenfalls dann in Zweifel zu ziehen, wenn nicht die gesetzliche Vermutung des Scheiterns der Ehe greift. Dieses gilt unwiderlegbar nach drei Jahren der Trennung (§ 1566 Abs. 2 BGB) oder bereits nach einem Jahr, wenn beide 1 2 3 4
BAG v. 19.2.2002 – 3 AZR 99/01, NZA 2002, 1286. BAG v. 10.12.2013 – 3 AZR 796/11, BAGE 147, 1. BAG v. 16.4.1997 – 3 AZR 28/96, DB 1997, 1575. A.A. Höfer, BetrAVG, Kap. 7 Rz. 131 ff.
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Anh. BetrAV | Betriebliche Altersversorgung Ehegatten die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt haben (§ 1566 Abs. 1 BGB). Das BAG sah ein Erfordernis für Härtefallregelungen.1 hh) Haupternährerklausel 38a Sog. „Haupternährerklauseln“ knüpfen die Hinterbliebenenversorgung daran,
dass der Versorgungsberechtigte den Unterhalt der Familie in einem bestimmten Zeitraum nach bestimmten Maßstäben „überwiegend“ bestritten hat. Die Möglichkeiten der Ausgestaltung sind vielfältig, in bestehenden Regelungen fehlt es allerdings angesichts der Verwendung unbestimmter Begriffe häufig an einer hinreichend transparenten Klausel. Erforderlich ist eine Regelung, die festlegt, in welchem Zeitraum der Arbeitnehmer „Haupternährer“ gewesen sein muss und nach welchen konkreten Kategorien der „Haupternährer“ zu bestimmen ist, insbesondere ob sich dies nach dem Unterhaltsrecht des BGB bestimmt und welche Einkünfte dabei zu berücksichtigen sind.2 Eine praktikable und hinreichend transparente Lösung ist insoweit die Anknüpfung an die sozialversicherungsrechtliche Terminologie, die zum Zeitpunkt der Versorgungszusage maßgeblich ist (heute § 303 SGB VI).
38b Die Wirksamkeit der Klausel ist AGB-rechtlich weiter von ihrer Angemessen-
heit nach § 307 Abs. 1 BGB abhängig. Zu beachten ist insoweit zunächst, dass die Hinterbliebenenversorgung Teil der vom Arbeitnehmer erdienten Altersversorgung ist. Anders als etwa eine Spätehenklausel oder Altersabstandsklausel adressiert eine Haupternährerklausel auch keine besonderen finanziellen Risiken der Hinterbliebenenversorgung. Auf der anderen Seite ist nicht zu verkennen, dass es im berechtigten Interesse des Arbeitgebers liegt und der betrieblichen Altersversorgung nicht fremd ist, einen – typisierten – Versorgungsbedarf zu berücksichtigen und die Versorgung darauf zu beschränken; diese Beschränkung hat mittelbar auch Auswirkungen auf die finanzielle Stabilität des Versorgungssystems. Der Gedanke, die Versorgung nach dem Bedarf auszurichten, findet sich bei Wiederverheiratungsklauseln, Mindestaltersgrenzen (Versorgung bei Invalidität) sowie, wenn auch in anderem Kontext, bei der Gesamtzusage, die bei zwei Versorgungsberechtigten unter im Übrigen identischen Bedingungen nur deshalb zu unterschiedlichen Leistungen führt, weil diese unterschiedlich hohe Sozialversicherungsrenten beziehen. Nicht zuletzt hat auch die gesetzliche Sozialversicherung den Gedanken von „Haupternährern“ lange Zeit anerkannt und sieht ihn im Rahmen des § 303 SBB VI immer noch vor. Haupternährerklauseln können daher, hinreichend transparente Regeln vorausgesetzt, wirksam vereinbart werden.
1 BAG v. 6.9.1979 – 3 AZR 358/78, AP Nr. 183 zu § 242 BGB Ruhegehalt; Höfer, BetrAVG, ART Rz. 643. 2 BAG v. 30.9.2014 – 3 AZR 930/12, BAGE 149, 200.
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d) Regelungen zur Versorgung bei Invalidität Genau wie die Hinterbliebenenversorgung ist die Invaliditätsversorgung kein 39 notwendiger Bestandteil einer betrieblichen Altersversorgung. Das BetrAVG regelt den Umfang der betrieblichen Altersversorgung nicht. Die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB ist daher nicht eröffnet, wenn keine Invaliditätsversorgung gewährt wird. Wenn der Arbeitgeber eine Rente wegen Invalidität zusagt, ist bei Bezugnahme auf Begriffe des Sozialversicherungsrechts wie Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder Erwerbsminderung von einer Anknüpfung an die Voraussetzungen des Sozialversicherungsrechts auszugehen; diese Anknüpfung bewertet das BAG als zulässig und hinreichend transparent.1 Während die Dimensionierung der Invaliditätsversorgung und damit auch die Definition eines Invaliditätsbegriffs nach medizinischen Kriterien grundsätzlich kontrollfrei zulässig ist, unterliegen Einschränkungen wiederum der Inhaltskontrolle; dies betrifft etwa die Ausnahme bestimmter Ursachen der Invalidität aus der Versorgung, z.B. die Ausnahme von Sportunfällen. aa) Rente nur bei unbefristeter Gewährung gesetzlicher Erwerbsminderungsrente Die Anknüpfung der Rente wegen Invalidität an die Gewährung einer unbefris- 39a teten Erwerbsminderungsrente hat mit der Regelung des § 102 SGB VI eine neue Bedeutung gewonnen. Renten wegen Erwerbsminderung werden nämlich grundsätzlich befristet für drei Jahre gewährt. Die Anknüpfung an die unbefristete Gewährung einer Erwerbsminderungsrente unterliegt allerdings nach § 307 Abs. 3 BGB nicht der AGB-Kontrolle. Denn die Versorgungszusage knüpft in diesem Fall an § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI und die dortige Voraussetzung an, wonach es unwahrscheinlich sein muss, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann. „Unwahrscheinlich“ i.S.d. § 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI ist dahingehend zu verstehen, dass schwerwiegende medizinische Gründe gegen eine Besserungsaussicht sprechen müssen, so dass ein Dauerzustand vorliegt.2 Die Anknüpfung an die unbefristete Rentengewährung stellt also höhere Anforderungen an die „Invalidität“, indem sie einen medizinisch schwerwiegenden Sachverhalt in Bezug nimmt; dies ist kontrollfrei möglich, da das BetrAVG keinen Invaliditätsbegriff vorgibt.3 bb) Leistungsbeginn mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses In der Rechtsprechung wird zum Teil die Angemessenheit der Voraussetzung 39b des „Ausscheidens“ aus dem Arbeitsverhältnis als Leistungsvoraussetzung für 1 BAG v. 11.10.2011 – 3 AZR 795/09; BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 83/99, EzA Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Invalidität. 2 BSG v. 29.3.2006 – B 13 RJ 31/05 R, BSGE 96, 147. 3 Vgl. Höfer, BetrAVG, Kap. 7 Rz. 84.
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Anh. BetrAV | Betriebliche Altersversorgung eine Betriebsrente wegen Invalidität infrage gestellt.1 Fraglich ist bereits, ob die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB eröffnet ist, da die Voraussetzung einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses für Leistungen betrieblicher Altersversorgung nicht von der Vertragstypik abweicht, sondern ihr im Gegenteil entspricht. Richtig ist im Übrigen, dass Erwerbsminderungsrenten nach § 102 Abs. 2 SGB VI regelmäßig als Zeitrente bewilligt werden und das Arbeitsverhältnis in dieser Zeit ruht, der Arbeitnehmer also zum Bezug der Rente das Arbeitsverhältnis selbst beenden müsste. Dennoch besteht ein relevanter Unterschied zum beendeten Arbeitsverhältnis allein dadurch, dass im Arbeitsverhältnis der gesetzliche Mindesturlaub weiter erworben wird und im Übrigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis lediglich suspendiert sind. Die Rechtsprechung berücksichtigt außerdem auch in anderen Zusammenhängen, etwa bei der Altersabstandsklausel mit festem Altersabstand, das Interesse des Arbeitgebers an einer klaren und wirksamen Regelung,2 die daher in angemessener Weise an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses anknüpfen darf.3 Dies gilt erst Recht, nachdem die Anknüpfung der Leistung an die Gewährung einer unbefristeten Erwerbsminderungsrente zulässig ist (siehe Rz. 39a). cc) Mindestaltersgrenze 39c Eine Mindestgrenze von 50 Jahren für den Bezug von Versorgungsleistungen
bei Berufsunfähigkeit hat das BAG als angemessen bewertet. Da die Invaliditätsrente regelmäßig über einen längeren Zeitraum erbracht werden muss, ist die finanzielle Belastung des Arbeitgebers umso höher, je jünger der Versorgungsberechtigte bei Eintritt des Versorgungsfalls ist. Der Arbeitgeber hat daher ein berechtigtes Interesse, die Leistung entsprechend zu beschränken.4 Das BAG knüpft bei Beurteilung der Frage, ob die Grenze von 50 Jahren sachgerecht ist, wie in seiner Rechtsprechung zur Altersabstandklausel bei der Hinterbliebenenversorgung an biometrische Daten an (hier: signifikant gesteigertes Risiko, mit 50 Jahren berufsunfähig zu sein). Dies ist daher auch für die Bewertung der Angemessenheit anderer, die Versorgung einschränkender Klauseln von Bedeutung. dd) Antragserfordernis
39d Ein Arbeitgeber oder mittelbarer Versorgungsträger wie eine Pensionskasse kann
zulässig bei Erwerbsminderungsrenten ein Antragserfordernis regeln, da sie als Schuldner ein berechtigtes Planungsinteresse daran haben, zeitnah zu erfahren, dass und in welchem Umfang der Versorgungsberechtigte Ansprüche erhebt. Allerdings dürfen für den Fall, dass der Leistungsbeginn an die Antragsstellung 1 2 3 4
ArbG Berlin v. 6.11.2015 – 28 Ca 10279/15, BB 2016, 564. BAG v. 20.2.2018 – 3 AZR 43/17, BB 2018, 1148. Auch Höfer, BetrAVG, Kap. 7 Rz. 67. BAG v. 10.12.2013 – 3 AZR 796/11, BAGE 147, 1.
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I. Versorgungszusage | Anh. BetrAV
geknüpft wird, an diese Antragstellung keine unangemessenen Anforderungen gestellt werden. Dies nimmt die Rechtsprechung für das Erfordernis an, dem Antrag Unterlagen beizufügen.1 Unzulässig soll es danach sein, den Nachweis einer Erwerbsminderung durch Vorlage des Rentenbescheides des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers oder eines amts- oder werksärztlichen Attestes schon mit dem Antrag zu fordern; der Beginn der Bezugsberechtigung werde damit nämlich davon abhängig gemacht, wie zügig und sorgfältig Dritte (Sachbearbeiter Rentenversicherung; Amts- oder Werksarzt) arbeiteten.2
6. Unwirksamkeit und ergänzende Vertragsauslegung AGB, die der Inhaltskontrolle nicht standhalten, sind unwirksam. Der Vertrag 40 im Übrigen bleibt – sofern die unwirksame Regelung abtrennbar ist – wirksam (§ 306 Abs. 1 BGB), sein Inhalt richtet sich insoweit nach den gesetzlichen Vorschriften (§ 306 Abs. 2 BGB). Ausnahmsweise ist eine ergänzende Vertragsauslegung möglich, wenn ein Fest- 40a halten am Vertrag auch für den Verwender eine unzumutbare Härte nach § 306 Abs. 3 BGB darstellt. Eine unzumutbare Härte kann bei Altregelungen aus der Zeit vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (1.1.2000) angenommen werden, wenn die Klauseln nach früherem Recht nicht offenkundig unwirksam waren und der Arbeitgeber bei Unwirksamkeit der Klausel deutlich erhöhten Risiken ausgesetzt wäre. Dies ist etwa bei einer unangemessenen Beschränkung der Hinterbliebenenversorgung auf die zum Zeitpunkt der Versorgungszusage mit dem Arbeitnehmer verheiratete („jetzige“) Ehefrau der Fall, da der Wegfall jeglicher Beschränkung für den Arbeitgeber Risiken durch die Versorgung von Hinterbliebenen aus Spätehen oder Ehen mit großem Altersabstand schaffen würde.3 Wenn unter diesen Voraussetzungen eine ergänzende Vertragsauslegung vorzu- 40b nehmen ist, tritt an die Stelle der lückenhaften Vertragsbestimmung die Gestaltung, die die Parteien bei einer angemessenen Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, falls sie die Lückenhaftigkeit des Vertrages gekannt hätten. Lassen sich hinreichende Anhaltspunkte für einen hypothetischen Parteiwillen nicht finden, etwa weil mehrere gleichwertige Möglichkeiten der Lückenschließung in Betracht kommen, scheidet eine ergänzende Vertragsauslegung grundsätzlich aus.4 1 BAG v. 21.02.2017 – 3 AZR 542/15, AP Nr. 75 zu § 1 BetrAVG Ablösung; LAG Düsseldorf v. 22.12.2017 – 6 Sa 983/16, BB 2018, 1012. 2 LAG Düsseldorf v. 22.12.2017 – 6 Sa 983/16, BB 2018, 1012. 3 BAG v. 21.2.2017 – 3 AZR 297/15, BAGE 158, 154. 4 BAG v. 23.4.2013 – 3 AZR 475/11, BAGE 145, 43; BAG v. 17.4.2012 – 3 AZR 380/10, AP Nr. 35 zu § 1 BetrAVG Auslegung.
Clemenz/Wortmann
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Anh. BetrAV | Betriebliche Altersversorgung II. Durchführungsweg Direktzusage 40c Die Direktzusage oder unmittelbare Versorgungszusage ist in Abgrenzung zur
mittelbaren Versorgungszusage der gesetzliche Grundfall einer Versorgungszusage gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG. Eine Direktzusage liegt vor, wenn sich der Arbeitgeber verpflichtet, die Versorgungsleistungen ohne Zwischenschaltung eines selbständigen Versorgungsträgers selbst an den Versorgungsberechtigten zu erbringen.1 Für die Direktzusage kann auf die Ausführungen zur Versorgungszusage verwiesen werden. Neben das Versorgungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer treten keine weiteren Rechtsverhältnisse zu einem dritten Versorgungsträger.
III. Durchführungsweg Direktversicherung 41 Die Versorgung über die Direktversicherung erfolgt nach § 1b Abs. 2 Satz 1 Betr-
AVG durch den Abschluss eines Versicherungsvertrags zwischen Arbeitgeber und Versicherungsunternehmen auf das Leben des Arbeitnehmers. Für die Leistungen aus dem Versicherungsvertrag müssen der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen ganz oder teilweise als bezugsberechtigt benannt sein. Der Versicherungsvertrag ist daher ein Vertrag zu Gunsten Dritter (§ 328 BGB).
1. Rechtsverhältnisse bei Durchführungsweg Direktversicherung 42 Bei der Zusage einer Direktversicherung sind mehrere Rechtsverhältnisse zu un-
terscheiden. Neben die Versorgungszusage des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer im Versorgungsverhältnis (Valutaverhältnis) tritt das Versicherungsverhältnis zwischen Arbeitgeber als Versicherungsnehmer und Versicherer (Deckungsverhältnis) sowie das Bezugsrechtsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer als versicherter Person und Versicherer. Die jeweiligen Rechtsverhältnisse unter den Beteiligten sind streng zu unterscheiden. So ist etwa die Zuordnung einer Forderung gegen das Versicherungsunternehmen auf Versicherungsleistungen zum Vermögen des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers nicht von den Regelungen der Versorgungszusage, sondern allein von der versicherungsrechtlichen Ausgestaltung des Anspruchs abhängig.2
a) Versorgungsverhältnis (Valutaverhältnis) 43 Wenn der Arbeitgeber eine Versorgungszusage im Durchführungsweg Direkt-
versicherung erteilt, nimmt er dazu im Regelfall die Versicherungsbedingungen
1 Höfer, BetrAVG, Kap. 3 Rz. 17. 2 LAG Berlin-Brandenburg v. 4.3.2009 – 23 Sa 2149/08, n.v.
602
| Clemenz/Wortmann
III. Durchführungsweg Direktversicherung | Anh. BetrAV
in Bezug, die für ihn im Verhältnis zum Versicherungsunternehmen gelten. Dies entspricht seinem Interesse an einem möglichst umfassenden Gleichlauf von Versorgungszusage und Deckungsgeschäft. Der Arbeitgeber wird bei einem solchen Verweis im Verhältnis zum Arbeitnehmer zum Verwender der Versicherungsbedingungen, die die zugesagte Versorgung abbilden. Dabei ist unerheblich, ob die Versicherungsbedingungen dem Arbeitgeber seinerseits vom Versicherungsunternehmen gestellt oder individuell ausgehandelt worden sind. Als Versorgungszusage unterliegen die in Bezug genommenen Versicherungsbedingungen im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den dazu dargestellten Maßstäben bei Auslegung und Inhaltskontrolle (Rz. 9 ff., 17 ff.). b) Versicherungsverhältnis (Deckungsverhältnis) Vom Versorgungsverhältnis ist das Versicherungsverhältnis zwischen Arbeit- 44 geber und Versicherungsunternehmen zu unterscheiden. In diesem Verhältnis tritt der Arbeitgeber dem Versicherungsunternehmen im Regelfall als Unternehmer gegenüber, was sich auf die Qualifizierung der Bedingungen als AGB sowie die Maßstäbe der Inhaltskontrolle auswirkt; insbesondere kommen in diesem Fall die §§ 308, 309 BGB nicht zur Anwendung. Denkbar ist es im Einzelfall auch, dass die Versicherungsbedingungen ausgehandelt werden. c) Bezugsrechtsverhältnis Aus dem Versicherungsvertrag zwischen Arbeitgeber und Versicherungsunter- 45 nehmen leitet sich das Forderungsrecht des Arbeitnehmers gegen das Versicherungsunternehmen ab. Im Bezugsrechtsverhältnis zum Versicherungsunternehmen kann sich der Arbeitnehmer daher nur auf das aus dem Versicherungsvertrag abgeleitete Forderungsrecht stützen, nicht auf Vereinbarungen zwischen ihm und dem Arbeitgeber. Nach der Rechtsprechung des BGH kommt es für die Qualifizierung der für die 46 Leistung maßgeblichen Regeln des Deckungsverhältnisses als AGB im Verhältnis von Versprechendem (hier: Versicherungsunternehmen) zum Bezugsberechtigten nicht zwingend darauf an, dass die Bedingungen auch im Deckungsverhältnis als AGB zu bewerten sind. Es kann genügen, wenn sich der Bezugsberechtigte den im Deckungsverhältnis zwischen Versprechendem und Versprechensempfänger noch ausgehandelten Bedingungen selbst wie bei einem unmittelbaren Vertragsschluss mit dem Versicherungsunternehmen ausgeliefert sieht. Dies soll bei einem echten Vertrag zu Gunsten Dritter allerdings wegen eines Gleichlaufs der Interessen von Versprechensempfänger und Bezugsberechtigtem typischerweise nicht der Fall sein.1 Es bedarf daher konkreter Anhaltspunkte, dass der Arbeitgeber als Versprechensempfänger – ggf. auch nur für einzelne 1 BGH v. 19.11.2009 – III ZR 108/08, DB 2009, 2778.
Clemenz/Wortmann
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Anh. BetrAV | Betriebliche Altersversorgung Klauseln – eine vom bezugsberechtigten Arbeitnehmer divergierende Interessenlage verfolgt. Im Regelfall decken sich die Interessen, da der Arbeitgeber erreichen will, dass die dem Arbeitnehmer zugesagten Leistungen von der Versicherung möglichst vollständig abgedeckt sind.
2. Auslegung des Versicherungsvertrags im Deckungs- und im Bezugsrechtsverhältnis 47 Die Auslegung des Versicherungsvertrags ist sowohl im Rechtsverhältnis zum
Arbeitgeber als Vertragspartner des Versicherers als auch im Verhältnis zum Arbeitnehmer als bezugsberechtigtem Dritten von Bedeutung.
a) Auslegung 48 Bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen kommt es darauf an, wie sie
aus Sicht eines verständigen und durchschnittlichen Versicherungsnehmers zu verstehen sind. Bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen im Deckungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Versicherer berücksichtigt das BAG1 in Anlehnung an den BGH2 neben den Interessen des Arbeitgebers von vornherein ganz wesentlich die Interessen des versicherten Arbeitnehmers, obwohl dieser nicht Vertragspartner des Versicherungsunternehmens, sondern nur versicherte Person ist. Regelmäßig ist nämlich davon auszugehen, dass der Arbeitgeber mit dem Abschluss des Versicherungsvertrags eine Parallelität von Versorgungsverhältnis und Versicherungsverhältnis erreichen will.3 Es liegt im gesteigerten Interesse des Arbeitgebers, die von ihm erteilte Zusage durch das Versicherungsverhältnis möglichst vollständig abzudecken, da er anderenfalls für die nicht gedeckten Leistungen eintreten müsste. Die beabsichtigte Parallelität setzt eine weitgehende Berücksichtigung der Wertungen voraus, die im Verhältnis zwischen Arbeitgeber zum Arbeitnehmer maßgeblich sind. Versicherungsverträge, die der Durchführung einer betrieblichen Altersversorgung dienen, sind daher maßgeblich nach den betriebsrentenrechtlichen Wertungen auszulegen.4 Dies gilt bei Bezugnahme auf den Eintritt gesetzlicher Unverfallbarkeit der Versorgungszusage5 genauso wie für die Frage, ob ein Arbeitsverhältnis im Sinne der Versicherungsbedingungen beendet ist.6
1 BAG v. 31.7.2007 – 3 AZR 446/05, NZA-RR 2008, 32; BAG v. 15.6.2010 – 3 AZR 334/06, BB 2010, 1659. 2 BGH v. 3.5.2006 – IV ZR 134/05, NJW-RR 2006, 1258. 3 BAG v. 31.7.2007 – 3 AZR 446/05, NZA-RR 2008, 32. 4 BAG v. 17.1.2012 – 3 AZR 776/09; BAG v. 15.6.2010 – 3 AZR 334/06, BB 2010, 1659. 5 BAG v. 17.1.2012 – 3 AZR 776/09. 6 BAG v. 15.6.2010 – 3 AZR 334/06, BB 2010, 1659.
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IV. Durchführungsweg Pensionskasse | Anh. BetrAV
b) Unklarheitenregel Unklarheiten können z.B. auftreten, wenn Regelungen des Versicherungsver- 49 trags wie etwa Anzeigepflichten nicht eindeutig nur den Arbeitgeber als Versicherungsnehmer, sondern möglicherweise auch den Arbeitnehmer als versicherte Person und Bezugsberechtigten betreffen.1 Bei Unklarheiten gilt im Zweifel die für den Arbeitgeber oder Arbeitnehmer als versicherte Person günstigere Auslegung; danach können etwa Anzeigeerfordernisse nur für den Arbeitgeber als Versicherungsnehmer gelten.2
3. Inhaltskontrolle des Versicherungsvertrags Da der Versicherungsvertrag den Regeln des VVG folgt, bilden dessen Regelun- 50 gen und nicht die Bestimmungen des BetrAVG den Maßstab der Kontrolle nach § 307 BGB. Bei der Inhaltskontrolle des Versicherungsvertrags ist aber zu berücksichtigen, dass der Versicherungsvertrag dazu bestimmt ist, die Verpflichtungen, die der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer eingegangen ist, zu erfüllen. Der danach regelmäßig bezweckte Gleichlauf zum Versorgungsverhältnis rechtfertigt nicht nur bei der Auslegung der Versicherungsbedingungen, sondern auch bei ihrer Inhaltskontrolle eine angemessene Berücksichtigung der Interessen der Arbeitnehmer. Zugleich ist es nicht unangemessen, spezifisch betriebsrentenrechtliche Regelungen im Versicherungsvertrag zu berücksichtigen und z.B. ein unwiderrufliches Bezugsrecht an den Eintritt gesetzlicher Unverfallbarkeit nach § 1b BetrAVG zu knüpfen.3
IV. Durchführungsweg Pensionskasse Die Pensionskassenversorgung nach § 1b Abs. 3 Satz 1 BetrAVG ist die Versor- 51 gung über eine rechtsfähige Versorgungseinrichtung, die dem Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf die Versorgungsleistung gewährt. Die grundsätzlichen Anforderungen an eine Pensionskasse werden in § 232 VAG definiert. Es ist weiter zwischen regulierten und deregulierten Pensionskassen zu unterscheiden. Erstere unterliegen als sog. „Firmenpensionskassen“ einer umfassenden Versicherungsaufsicht, genießen dafür aber Privilegien bei den Zinsvorschriften. Bei den durchweg als VVaG (vgl. §§ 171 ff. VAG) organisierten regulierten Pensionskassen (§ 233 VAG) begründet der Arbeitnehmer ein (evtl. fakultatives) Mitgliedschafts- und (zumeist) ein Versicherungsverhältnis, ist also selbst Versiche1 OLG Karlsruhe v. 1.6.2006 – 12 U 21/06, VersR 2007, 341. 2 OLG Karlsruhe v. 1.6.2006 – 12 U 21/06, VersR 2007, 341. 3 BGH v. 3.5.2006 – IV ZR 134/05, DB 2006, 1488; BAG v. 31.7.2007 – 3 AZR 446/05, NZA-RR 2008, 32; BAG v. 26.6.1990 – 3 AZR 641/88, NJW 1991, 717; LAG Baden-Württemberg v. 13.5.2009 – 10 Sa 37/08, n.v.
Clemenz/Wortmann
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Anh. BetrAV | Betriebliche Altersversorgung rungsnehmer und auch Versicherter. Bei den als AG betriebenen, nicht regulierten Pensionskassen (sog. „Wettbewerbspensionskassen“) fällt die Rolle des Versicherungsnehmers wie bei der Direktversicherung dem Arbeitgeber zu; der Versicherungsvertrag ist hier als Vertrag zu Gunsten Dritter zu qualifizieren.
1. Rechtsverhältnisse bei Durchführungsweg Pensionskasse a) Versorgungsverhältnis 52 Wie bei jeder Zusage von Leistungen betrieblicher Altersversorgung besteht auch
bei der Pensionskassenzusage zunächst ein Versorgungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es liegt deshalb auch bei diesem Durchführungsweg für den Arbeitgeber nahe, die Versicherungsbedingungen der Pensionskasse im Verhältnis zum Arbeitnehmer in Bezug zu nehmen, um einen Gleichlauf von Versorgungszusage und Deckungsgeschäft zu gewährleisten. Damit wird der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer zum Verwender der Versicherungsbedingungen als Versorgungszusage. Bleiben die von der Pensionskasse festgelegten Versicherungsbedingungen hinter der Verpflichtung des Arbeitgebers aus dem Versorgungsverhältnis zurück, hat der Arbeitgeber diese Deckungslücke zu schließen.1 b) Verhältnis Arbeitgeber und Pensionskasse
53 Das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und regulierter Pensionskasse wird
maßgeblich durch die Satzung der Pensionskasse, ggf. durch ergänzende schuldrechtliche Vereinbarungen bestimmt. Die Satzung der Pensionskasse in Form eines VVaG unterliegt der Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB, soweit sie nicht das gesellschaftsrechtlich zu qualifizierende Organisationsrecht des Vereins (§ 310 Abs. 4 Satz 1 BGB), sondern Versicherungsbedingungen enthält.2 Die satzungsmäßige Regelung von Versicherungsbedingungen ändert also nichts an ihrer grundsätzlichen Kontrollfähigkeit.
54 Bei deregulierten Pensionskassen ist der Arbeitgeber alleiniger Vertragspartner
und Versicherungsnehmer der Pensionskasse, der Vertrag ein Vertrag zu Gunsten des Arbeitnehmers (§ 328 BGB). Dies entspricht der Situation im Durchführungsweg „Direktversicherung“ (vgl. Rz. 44).
c) Verhältnis Arbeitnehmer und Pensionskasse 55 Bei der regulierten Pensionskasse ist der Arbeitnehmer regelmäßig sowohl Mit-
glied als auch Versicherungsnehmer. Der Arbeitnehmer wird üblicherweise mit 1 BAG v. 23.3.1999 – 3 AZR 631/97 (A), BAGE 91, 155; BAG v. 23.3.2004 – 3 AZR 279/03, NZA 2005, 375. 2 BAG v. 18.11.2008 – 3 AZR 970/06, DB 2009, 1414.
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V. Durchführungsweg Pensionsfonds | Anh. BetrAV
Aufnahme der Tätigkeit für den Arbeitgeber Mitglied der Pensionskasse in der Rechtsform der VVAG; die Mitgliedschaft endet oder wird – je nach Satzung – in eine außerordentliche Mitgliedschaft umgewandelt, wenn der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Soweit die Satzung des VVaG das Versicherungsverhältnis regelt, unterliegt sie der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle.1 Für die deregulierten Pensionskassen, in denen der Arbeitnehmer nicht Versicherungsnehmer ist, kann auf die Ausführungen zur Direktversicherung verwiesen werden (vgl. Rz. 45 f.).
2. Auslegung und Inhaltskontrolle von Satzung und Versicherungsbedingungen Da die Pensionskasse den Regeln von VVG und VAG folgt, sind diese Vor- 56 schriften Maßstab der Kontrolle des Versicherungsvertrags nach § 307 BGB. Bei regulierten Pensionskassen ist der Arbeitnehmer selbst Versicherungsnehmer, so dass es anders als bei der Direktversicherung und der deregulierten Pensionskasse keiner (nur) mittelbaren Beachtung seiner Interessen über ein gleichlaufendes Interesse des Arbeitgebers bedarf (siehe Rz. 48), sondern seine Interessen unmittelbar berücksichtigt werden. Es ist nicht unangemessen, dass ein Teil der einem Arbeitnehmer zufließenden 57 Leistungen von Überschüssen der Pensionskasse abhängt.2 Rechtlich unbedenklich ist auch, wenn Betriebsrentner kein Stimmrecht haben, weil die Mitgliedschaft in der regulierten Pensionskasse und damit die Möglichkeit, in der Mitgliederversammlung mitzustimmen, satzungsgemäß mit dem Versorgungsfall endet (§ 176 Satz 3 VAG). Für die Pensionskasse gilt nämlich das Gebot der Gleichbehandlung (§ 177 VAG), das sicherstellt, dass keine Benachteiligung der ausgeschiedenen gegenüber noch aktiven Mitgliedern erfolgt.3
V. Durchführungsweg Pensionsfonds Der Pensionsfonds (§§ 236 ff. VAG) ist eine rechtsfähige Versorgungseinrich- 58 tung in Gestalt einer Aktiengesellschaft oder eines Pensionsfondsvereins auf Gegenseitigkeit (PVaG), die über ihre Deckungspläne dem Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf Leistungen gewährt. Der Vertrag zum Pensionsfonds als AG kommt in der Regel mit dem Arbeit- 59 geber zu Stande und ist als Vertrag zu Gunsten Dritter (des Arbeitnehmers) zu 1 BGH v. 8.10.1997 – IV ZR 220/96, BGHZ 136, 394; BAG v. 18.11.2008 – 3 AZR 970/06, DB 2009, 1414. 2 BAG v. 18.11.2008 – 3 AZR 970/06, DB 2009, 1414. 3 BAG v. 18.11.2008 – 3 AZR 970/06, DB 2009, 1414.
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Anh. BetrAV | Betriebliche Altersversorgung qualifizieren.1 Etwas anderes gilt für den PVaG, in dem wie bei der regulierten Pensionskasse regelmäßig der Arbeitnehmer Mitglied und Vertragspartner ist.
1. Rechtsverhältnisse bei Durchführungsweg Pensionsfonds, Eröffnung AGB-Kontrolle a) Versorgungsverhältnis 60 Wie in den anderen Durchführungswegen besteht bei der Zusage einer Versor-
gung über einen Pensionsfonds zunächst das Versorgungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Eine Versorgungszusage in diesem Verhältnis ist unter den dargestellten Voraussetzungen als AGB zu qualifizieren. Es liegt nahe, dass der Arbeitgeber auf die bei der Pensionskasse geltenden Pensionspläne und die darin geregelten Allgemeinen Bestimmungen2 verweist, um einen Gleichlauf von Versorgungs- und Deckungsverhältnis zu gewährleisten. b) Deckungsverhältnis
61 Im Deckungsverhältnis ist der Pensionsfonds Vertragspartner des Arbeitgebers,
soweit es sich nicht um einen PVaG handelt. Für die AGB-Kontrolle gelten dann die Ausführungen zur Direktversicherung entsprechend (Rz. 44). Im PVaG kann der Arbeitnehmer regelmäßig Mitglied und damit auch Versicherungsnehmer werden. Dafür ist auf die Ausführungen zur regulierten Pensionskasse in Form des VVaG zu verweisen (Rz. 54). c) Verhältnis Arbeitnehmer und Pensionsfonds
62 Der Arbeitnehmer ist bezugsberechtigt, ihm steht also das Recht zu, Leistungen
im eigenen Namen zu fordern (§ 236 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VAG).3 Die Versorgungsvereinbarung des Arbeitgebers mit dem Pensionsfonds im Deckungsverhältnis, auf Grund derer sich das Forderungsrecht des Arbeitnehmers bestimmt, ist grundsätzlich maßgeblich dafür, ob es sich um AGB handelt; insoweit ist auf die Ausführungen zur Direktversicherung zu verweisen (vgl. Rz. 45 f.). Im PVaG gelten die Ausführungen zur regulierten Pensionskasse entsprechend (vgl. Rz. 55).
2. Auslegung und Inhaltskontrolle des Pensionsplans 63 Anders als Pensionskasse und Direktversicherung unterliegt der Pensionsfonds
nicht unmittelbar dem VVG, da es sich nicht um ein Versicherungsunterneh1 Rolfs in Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG, Anh § 1 Rz. 899. 2 Weigel in Prölss, VAG, § 226 Rz. 19. 3 Rolfs in Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG, Anh § 1 Rz. 904.
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| Clemenz/Wortmann
VI. Durchführungsweg Unterstützungskasse | Anh. BetrAV
men handelt. Es gelten allerdings die Regeln des VAG zum Pensionsfonds, die einen Maßstab der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB darstellen. Eine Beschränkung der Leistungen des Pensionsfonds auf Arbeitnehmer, die die 64 vereinbarte Altersgrenze als aktive Arbeitnehmer erleben, ist nach verbreiteter Auffassung inhaltlich unangemessen und daher unzulässig.1
VI. Durchführungsweg Unterstützungskasse Im Gegensatz zur Pensionskasse und zum Pensionsfonds gewährt die Unterstüt- 65 zungskasse, die in diversen Rechtsformen betrieben werden kann, qua definitionem keinen Rechtsanspruch auf ihre Leistung. Dieser gesetzliche Grundsatz ist durch die Rechtsprechung dazu allerdings weitgehend obsolet; der Ausschluss des Rechtsanspruchs ist danach nur als ein an sachliche Gründe gebundenes Widerrufsrecht zu verstehen.2
1. Rechtsverhältnisse bei Durchführungsweg Unterstützungskassen Bei der Unterstützungskasse besteht zunächst das Versorgungsverhältnis zwi- 66 schen Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit der Versorgungszusage. Wie schon zu den anderen mittelbaren Durchführungswegen ausgeführt, gilt auch bei der Unterstützungskasse, dass die Regelungen in diesem Verhältnis den Versorgungsanspruch des Arbeitnehmers definieren. Hinzu tritt das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Unterstützungskasse 67 (Deckungsverhältnis). Innerhalb dieses Verhältnisses hat der Arbeitgeber die Finanzierung der Unterstützungskasse sicherzustellen; es bestehen Ansprüche der Unterstützungskasse auf Vorschuss und Aufwendungsersatz (§§ 669, 670 BGB).3 Der Arbeitnehmer selbst steht in einem Begünstigungsverhältnis zur Unterstüt- 68 zungskasse, für das der Arbeitgeber aufgrund der Versorgungszusage auch bei Ausfall der Unterstützungskasse einzustehen hat.4 Ein eigenes Forderungsrecht der Arbeitnehmer gegen die Unterstützungskasse wird aus der Versorgungszusage des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer so lange abgeleitet, wie das Deckungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Unterstützungskasse intakt ist.5 1 Rolfs in Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG, § 1 Rz. 242. 2 BAG v. 17.5.1973 – 3 AZR 381/72, BAGE 25, 194; BAG v. 10.12.2002 – 3 AZR 3/02, BAGE 104, 205. 3 BAG v. 16.2.2010 – 3 AZR 216/09, NZA 2010, 701. 4 BAG v. 25.7.1969 – 3 AZR 73/69, DB 1970, 640; BAG v. 3.2.1987 – 3 AZR 208/85, BAGE 54, 176. 5 BAG v. 14.8.1980 – 3 AZR 437/79, AP Nr. 12 zu § 242 BGB Ruhegehalt-Unterstützungskassen.
Clemenz/Wortmann
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Anh. BetrAV | Betriebliche Altersversorgung 2. Eröffnung der AGB-Kontrolle im Begünstigungsverhältnis 69 Ob die AGB-Kontrolle im Verhältnis zum Arbeitnehmer für die Satzungs-
bestimmungen oder den Leistungsplan einer Unterstützungskasse eröffnet sind, bestimmt sich insbesondere danach, ob diese auf eine Betriebsvereinbarung beim Arbeitgeber verweisen (dann § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB) oder ohne solche Vorgaben Regelungen treffen. Keine Einschränkung der Inhaltskontrolle bedeutet es, wenn es sich nur um ein „kollektives Regelungswerk von Kassenmitgliedern“ handelt.1 Wenn der Leistungsplan der Unterstützungskasse die Versorgungsleistungen inhaltlich bestimmt und vom Arbeitgeber durch Verweis vorgegeben wird, unterliegt er ohne Weiteres der Inhaltskontrolle.
3. Auslegung und Inhaltskontrolle von Regelungen der Unterstützungskasse 70 Arbeitnehmer, denen eine Altersversorgung über eine Unterstützungskasse zu-
gesagt wird, müssen aufgrund des dort typischen Ausschlusses eines Rechtsanspruchs stets mit einer Abänderung der Versorgungsordnung rechnen. Ein solcher dynamischer Verweis ist weder überraschend, noch inhaltlich unangemessen oder intransparent.2 Der Verweis eröffnet dabei keine eigenständige Legitimation, Änderungen vorzunehmen.
71 Aufgrund der Nähe der Unterstützungskassen zum Arbeitgeber gelten die Aus-
führungen zur Direktzusage entsprechend (vgl. Rz. 40).
VII. Vereinbarung von Entgeltumwandlung 72 Der Entgeltumwandlung kommt eine Sonderstellung im Recht der betrieblichen
Altersversorgung zu. Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Entgeltumwandlung (§ 1a Abs. 1 Satz 1 BetrAVG), so dass der Arbeitgeber bei der Entscheidung, eine betriebliche Altersversorgung zu gewähren, nicht mehr frei ist. Der Anspruch ist durch Abschluss einer Vereinbarung über die Durchführung der Entgeltumwandlung zu erfüllen. Diese Vereinbarung ist eine Versorgungszusage, die den Arbeitgeber genau wie bei Zusage von Leistungen betrieblicher Altersversorgung ohne Entgeltumwandlung bindet. Die Versorgungszusage unterliegt keinen Besonderheiten, soweit es ihre Qualifizierung als AGB i.S.d. § 305 BGB betrifft. Auch für das Zusammenspiel der Versorgungszusage mit mittelbaren Durchführungswegen kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden (vgl. Rz. 41 ff.). 1 Anders: LAG Saarland v. 29.7.2009 – 1 Sa 29/09, n.v. 2 BAG v. 16.2.2010 – 3 AZR 181/08, BetrAV 2010, 691.
610
| Clemenz/Wortmann
VIII. Versorgung im Öffentlichen Dienst | Anh. BetrAV
Für die Entgeltumwandlung gelten verschiedene gesetzliche Besonderheiten, 73 die maßgeblich dadurch begründet sind, dass eigenes Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers in eine Altersversorgung umgewandelt wird. So ist eine Anwartschaft aus Entgeltumwandlung sofort unverfallbar (§ 1b Abs. 5 BetrAVG); es gilt außerdem eine besondere Ermittlung der Anwartschaft bei vorzeitigem Ausscheiden (§ 2 Abs. 5 BetrAVG), eine erhöhte Portabilität (§ 4 Abs. 3 BetrAVG) sowie eine Verpflichtung zu einer Mindestanpassung der Betriebsrente zum Kaufkrafterhalt (§ 16 Abs. 5 BetrAVG). Aus diesen Besonderheiten leitet das BAG ein gesetzliches Leitbild ab, wonach der Versorgungsberechtigte auch in Störfällen wie der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Versorgungsleistung von ausreichendem wirtschaftlichem Wert erhalten muss.1 Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB benachteiligen wesentliche Abweichungen von diesem gesetzlichen Leitbild den Versorgungsberechtigten unangemessen. Eine wesentliche Abweichung zum gesetzlichen Leitbild der Entgeltumwand- 74 lung kann bei der Zusage von Direktversicherungen mit gezillmerten Tarifen bestehen.2 Bei einer Zillmerung werden die bei Vertragsabschluss anfallenden Abschluss und Vertriebskosten mit den Sparanteilen der Versicherungsprämien verrechnet. Bei einem (voll) gezillmerten Tarif führt dies bei frühzeitiger Beitragsfreistellung, etwa wegen Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis, zu Nullleistungen oder sehr geringen Leistungen der Versicherung. Das BAG hält zwar eine Kostentragung durch den Arbeitnehmer für grundsätzlich zutreffend. Es befürwortet jedoch einen Zeitraum zur Verrechnung der Kosten von jedenfalls fünf Jahren, um den vorbezeichneten Effekt zu vermeiden.3 Die Zeitspanne orientiert sich in sachlich zutreffender Weise an § 169 Abs. 3 Satz 1 VVG. Auch andere Regelungen im Zusammenhang der Entgeltumwandlung werden sich am oben dargestellten gesetzlichen Leitbild messen lassen müssen.
VIII. Versorgung im Öffentlichen Dienst Die Versorgung im öffentlichen Dienst wird wesentlich über Pensionskassen, 75 sog. Zusatzversorgungskassen sichergestellt. Deren Leistungsbestimmungen sind als AGB zu qualifizieren, wie für das Statut der Emder Zusatzversorgungskasse für Sparkassen (EZVKS)4 und die Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBLS)5 bereits entschieden wurde. 1 2 3 4
BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 17/09, NZA 2010, 164; Deist/Lange, BetrAV 2008, 26, 31 f. BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 17/09, NZA 2010, 164. BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 17/09, NZA 2010, 164. BAG v. 27.3.2007 – 3 AZR 299/06, DB 2007, 2847; BAG v. 29.1.2008 – 3 AZR 214/06, NZA-RR 2008, 438. 5 BAG v. 27.3.2007 – 3 AZR 299/06, DB 2007, 2847.
Clemenz/Wortmann
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Anh. BetrAV | Betriebliche Altersversorgung 76 Grundsätzlich unterliegen EZVKS, VBLS und vergleichbare Regeln der Inhalts-
kontrolle nach den §§ 307 ff. BGB. Dies gilt nur insoweit nicht, als tarifvertragliche Regelung unverändert übernommen oder umgesetzt sind.1 Auch in diesem Fall sind aber im Rahmen eines abgeschwächten Kontrollmaßstabs die objektiven Wertentscheidungen des Grundgesetzes und die Grundrechte zu berücksichtigen.2
77 Von der Rechtsprechung sind mehrfach Satzungsänderungen der VBLS bewer-
tet und für angemessen befunden worden. Die Umstellung der Dynamik von einer Anpassung des gesamtversorgungsfähigen Entgelts nach der Entwicklung beamtenrechtlicher Versorgungsbezüge zu einer jährlichen Anpassung der Renten um 1 % ist nach Auffassung des BAG nicht unangemessen.3 Auch die Einführung einer nettoentgeltbezogenen Gesamtversorgungsobergrenze ist angemessen.4
IX. Versorgung im Konditionenkartell 78 Die Versorgung im Konditionenkartell betrifft den sog. Bochumer Verband, Es-
sener Verband und Mühlheimer Verband. Diese Verbände erbringen die Versorgung nicht selbst, koordinieren aber die Bedingungen der betrieblichen Altersversorgung. Sie legen insbesondere die Leistungsordnung fest, nach der die Versorgung in den Mitgliedsunternehmen erfolgt. In der Rechtsprechung spielte die Versorgung nach den Leistungsordnungen dieser Verbände eine größere Rolle.
79 Schon immer hat das BAG auf die Bestimmungen der Leistungsordnung sowie
auf Beschlüsse des Bochumer Verbandes, etwa zur Anpassung von Betriebsrenten, die Unklarheitenregel angewendet. Danach müssen etwa Einschränkungen und Modifizierungen einer Anpassungsentscheidung im Beschluss selbst oder in den vollzogenen Regelungen, d.h. Leistungsordnung oder Satzung, enthalten sein. Eine Kürzung des Anpassungssatzes bei vorzeitigem Ausscheiden des Arbeitnehmers muss deutlich zum Ausdruck gebracht werden; es ist auch anzugeben, auf welche Art und Weise gekürzt werden soll, anderenfalls kann keine Kürzung vorgenommen werden.5 Bei geteilten Anpassungsentscheidungen für Mitgliedsunternehmen, die unterschiedlichen Branchen angehören, muss erkennbar sein, welcher Gruppe die jeweiligen Unternehmen zuzuordnen sind; anderenfalls gilt für die Mitarbeiter im Zweifel der höhere Anpassungssatz.6 1 BGH v. 28.3.2007 – IV ZR 145/06, BetrAV 2007, 578; BGH v. 14.9.2005 – IV ZR 198/04, MDR 2006, 445. 2 BAG v. 27.3.2007 – 3 AZR 299/06, DB 2007, 2847. 3 BAG v. 27.3.2007 – 3 AZR 299/06, DB 2007, 2847. 4 BAG v. 29.1.2008 – 3 AZR 214/06, NZA-RR 2008, 438. 5 BAG v. 12.6.2007 – 3 AZR 83/06, BAGE 123, 91; BAG v. 21.8.2007 – 3 AZR 330/06, DB 2007, 2720. 6 BAG v. 19.2.2001 – 3 AZR 299/01, NZA-RR 2004, 368.
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| Clemenz/Wortmann
Stichwortverzeichnis Bearbeiterin: Heike Tillenburg Fette Zahlen verweisen auf die Paragraphen, die mageren Zahlen auf die Randziffern. Ferner verweisen Einf. auf die Einführung, Anh. BetrAV und Anh. Vergü auf die Abschnitte zur Betrieblichen Altersversorgung bzw. zu den Besonderen Vergütungssystemen im Anhang.
Abfindung
– Aufhebungsvertrag 307 132 Abführungsklausel – bei Nebentätigkeit 307 213 Abrufarbeit – BAG Vor 307 5 Abrufklausel – Inhaltskontrolle 307 100 ff. Abschlagszahlung – und Sicherheitsleistung 309 172 Abschlusstransparenz – Zivilrecht/Arbeitsrecht Einf. 56 Abschlussvertreterhaftung 309 131 ff. – Anwendungsbereich/§ 309 Nr. 11 BGB 309 132 ff. – Bedeutung im Arbeitsrecht 309 137 – Doppelcharakter der Urkunde 309 134 – eigener Name 309 135 – Gesamtschuldner 309 135 – gesonderte Erklärung 309 134 – Handeln eines Vertreters 309 135 – Verbot der formularmäßigen Mithaftung 309 133 – Vertreter ohne Vertretungsmacht 309 136 Absenkungsklausel – BAG 307 186 Abtretung – Vertragspartnerwechsel 309 122 Abtretungsverbotsklausel – Inhaltskontrolle 307 92 ff. – Wirksamkeit 307 39 Abwerben Einf. 5
Abwicklung von Verträgen 308 132 ff. – Angemessenheitskontrolle 308 133 – Anwendungsbereich 308 135 f. – Arten von Abwicklungsansprüchen 308 137 f. – Aufwendungsersatz des Arbeitgebers 308 138 – Inhaltskontrolle 307 130 ff. – Vergütungsansprüche 308 137 AG Vorstandsmitglied – Verbrauchereigenschaft 310 19a AGB siehe auch Formulararbeitsverträge – allgemeine Rechtsgedanken Einf. 17 – Auslegungsmaßstab 305 5 – beidseitiges Stellen 305 34 – Bereichsausnahme Einf. 19 – Betriebsvereinbarungsoffenheit 305 7 – Einbeziehung 305 3 – Einbeziehungsvoraussetzungen 305 57 f. – Flexibilität des Arbeitgebers Einf. 72 – Funktionen Einf. 7 ff. – geltungserhaltende Reduktion Einf. 21 – Haupt-/Nebenleistungspflichten 305 7 – Inhaltskontrolle siehe Inhaltskontrolle AGB – Legaldefinition 305 3 – Qualifikation als Norm Einf. 28 ff. – race to the bottom Einf. 39 – Rahmenvereinbarung 305 59 – salvatorische Klauseln 306 77 ff. – unwirksame 306 18 – Vermeidung von Reputationsgedanken Einf. 55 – Vertragsbedingungen 305 6 ff.
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Sachregister – Vertragstheorie Einf. 29 – Zwecksetzung 305 7 AGB-Gesetz Einf. 15 – vor Inkrafttreten Einf. 16 AGB-Kontrolle siehe Inhaltskontrolle AGB; siehe Transparenzkontrolle AGB-Recht – Durchsetzung Einf. 131 ff. Aktienbasierte Vergütung Anh. Vergü 34 ff. – Aktienoptionen Anh. Vergü 36 ff. – Konzernmutter/Inhaltskontrolle Einf. 109 – Mitarbeiteraktien Anh. Vergü 35 – Phantom Shares Anh. Vergü 39 – Restricted Stock Anh. Vergü 38 – Restricted Stock Units Anh. Vergü 38 – Stock Appreciation Rights Anh. Vergü 39 – Transparenzgebot Anh. Vergü 35 f. Allgemeinverbindlichkeit – Anwendungsausschluss 310 44 All-Klauseln – Stillschweigen 307 262 Altersabstandsklauseln Anh. BetrAV 32 Altersgrenze – überraschende Klauseln 305c 19 Altersteilzeitvereinbarung – überraschende Klauseln 305c 20 Altverträge – Anpassung an neue(s) Recht/Rechtsprechung Einf. 119 f. – ergänzende Vertragsauslegung 306 67 f. – Inhaltskontrolle AGB Einf. 115 ff. Änderungskündigung – Änderungsvorbehaltsklausel 308 36 – Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen 308 35 Änderungsvereinbarung Anh. BetrAV 28a – überraschende Klauseln 305c 21 Änderungsverträge – Formulararbeitsverträge Einf. 104
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Änderungsvorbehalt siehe auch Widerrufsvorbehalt – Abänderung/Abweichung von Leistungsänderung 308 60 f. – AGB-Kontrolle von Amts wegen 308 110 – Änderung der Arbeitgeberleistung 308 61 – Änderungskündigung 308 36 – Änderungszusammenhang 308 90 – Angemessenheitskontrolle 308 38, 73, 79 ff., 109 – Ankündigungsfrist 308 94, 106 – Anpassung der Klausel 308 116 – Arbeitgeberleistungen 308 46 ff. – Arbeitnehmerinteresse 308 105 – Ausübungskontrolle 308 99 ff., 109 – BAG 306 65 – Befugnis zu einseitiger Änderung 308 62 ff. – Begrenzung der Änderungsbefugnis 308 92 – Beweislast 308 110 ff. – Direktionsrecht 308 35 – dynamische Bezugnahme auf Arbeitsvertragsordnung 308 62 – dynamische Bezugnahme auf kirchliche Arbeitsvertragsregelungen 308 68 ff. – dynamische Bezugnahme auf Tarifverträge 308 64 – einseitige Leistungsänderung 308 62 ff. – Entkräftung der Unwirksamkeitsvermutung 308 111 – erfasste Klauseln 308 46 ff. – Erforderlichkeit 308 95 – flexible Gestaltung 308 32 ff. – Folgen der Unwirksamkeit 308 112 ff. – Freiwilligkeitsvorbehalt 308 56 ff. – Gestaltungskontrolle 308 38 – Inhalt des Vorbehalts 308 80 – Interessenabwägung 308 102 ff. – Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit 308 29 ff. – Kontrollgegenstand 308 101 – Leistung des Arbeitnehmers 308 89 f.
Sachregister – Leistungsänderungs-/Leistungsabweichungsklauseln 308 46 – ohne unmittelbare Gegenleistung 308 98 – pacta sunt servanda 308 57 – Schutzbereich der Vorschrift 308 44 f. – Schutzzweck der Norm 308 52 – Sinn/Zweck 308 37 ff. – Sondervergütungen 308 107 ff. – synallagmatische Leistung 308 97 – Tarifniveau als Untergrenze 308 50 ff. – Transparenzgebot 308 81 – typische Betrachtungsweise 308 96 – übertarifliche Leistungen 308 53 – Unwirksamkeitsfolgen 308 112 ff. – Unwirksamkeitsvermutung 308 110 – Vergütung 308 37 – Verhalten des Arbeitnehmers 308 89 f. – versprochene Leistungen 308 54 ff. – Vertragsinhaltsschutz 308 43 ff. – Vertrauensschutz des Arbeitgebers 308 115 – Vorrang der Arbeitgeberinteressen 308 103 – Wegfall des Leistungszwecks 308 91 – Widerrufsgrund 308 85 ff. – Widerrufsklausel 308 107 ff. siehe auch dort – Widerrufsvorbehalt 308 107 ff. siehe auch dort – wirtschaftliche Gründe 308 87 f., 104 – zeitlicher Umfang der Änderung 308 93 – Zumutbarkeit der Änderung 308 86, 100 Angemessenheit – Inhaltskontrolle AGB Einf. 14 – Leitgedanken im Arbeitsrecht Einf. 69 Angemessenheitskontrolle – Änderungsvorbehaltsklausel 308 38 – arbeitsrechtlicher Schwerpunkt Vor 307 4 ff. – Arbeitsvertragsregelungen, kirchliche 308 60 – gesetzliche Schutznorm Einf. 82 f. – Hauptleistung 307 28
– – – –
Kurzzeitkonten 308 16 Langzeitkonten 308 17 Regelwerke 307 165 ff. Spannungsverhältnis §§ 309/306 BGB Vor 307 8 – tarifvertragliche Wertungen Einf. 100 – Transparenzgebot 307 77 ff. – Verhältnis zu anderen Kontrollmechanismen Vor 307 1 ff. – Wertevorstellung Vor 307 6 Annahmefrist 308 8 ff. Anrechnungsvorbehalt – Inhaltskontrolle 307 97 – Transparenzgebot 307 89 – überraschende Klauseln 305c 49 Anscheinsbeweis – abgestufte Beweislast 310 31 Anscheins-/Duldungsvollmacht – Arbeitsvertragsabreden 305b 8 ff. Anschlussarbeitsverhältnis – Kündigung 307 144 Anspruchsverfall – Ausschlussklauseln, globale 309 105 ff. Anspruchsverzicht – Inhaltskontrolle 307 137 Antragsbindungsdauer 308 8 Anwendungsbereich AGB 310 1 ff. siehe auch Verbraucherverträge – arbeitnehmerähnliche Personen 310 11 – Arbeitsverträge 310 1 – Aushandeln 310 24, 29 – Bereichsausnahme für das Arbeitsrecht 310 2 – Berücksichtigung der Begleitumstände 310 38 ff. – Darlegungs-/Beweislast der Einflussnahme 310 31 – Einfluss nehmen/Aushandeln 310 30 – einmalige Verwendung 310 27 – Einschränkungen für das Arbeitsrecht 310 10 ff. – Energie-/Wasserversorgungsverträge 310 12 – Entstehung 310 3 ff.
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Sachregister – Haus-/Firmentarifverträge 310 44 ff. – internationaler Einf. 123 ff. – kirchliche Arbeitsvertragsregelungen 310 47 – Rechtsfolgen bei Verstoß 310 32 – Schutzbedürftigkeit 310 11 – Sozialplan 310 44 – Standardvertragstext 310 27 – Tarifverträge/Betriebs-/Dienstvereinbarungen 310 41 ff. – Unternehmer 305 3 – Verbraucher 310 14 ff. – Verbraucherschutz 310 39 – vorformulierte Bedingungen 310 28 – § 305 Abs. 2 und 3 BGB 310 63 ff. – § 305b BGB 305b 3 – § 306 BGB 306 12 ff. Anzeigen/Erklärungen 309 153 ff. – alle Erklärungsarten 309 155 – Anwendungsbereich 309 154 ff. – Anzeigepflichten 307 210 – Bedeutung im Arbeitsrecht 309 161 ff. – besondere Zugangserfordernisse 309 164 – doppelte Schriftform 309 162 – Empfängerkreis 309 157 – Empfangsvollmacht 309 160 – Rechtsfolgen bei Verstoß 309 164 f. – Schriftform 309 158 – Teilbarkeit 309 165 – Testform 309 159 – Vertragspartnererklärungen 309 156 – § 309 Nr. 13b BGB 309 159 Äquivalenzprinzip Einf. 72 – Störung 306 5 – unangemessene Benachteiligung 307 64 Arbeitgeberdarlehen 305c 74 Arbeitgeberinteressen – Nebentätigkeit 307 206 ff. Arbeitgeberleistung – Freiwilligkeitsvorbehalt 307 194 Arbeitgeberverbände – vorformulierte Regelungen Einf. 4
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Arbeitgeberwechsel – Anwendbarkeit/§ 309 Nr. 10 BGB 309 125 Arbeitnehmerähnliche Personen – Berufsausbildungsverhältnisse Einf. 113 Arbeitnehmerhaftung – Beweislast, § 309 Nr. 12 BGB 309 148 – eingeschränkte Vor 307 9 – Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen 309 67 – Schranken der Inhaltskontrolle 307 19 Arbeitnehmermitverschulden – Schadensersatz Vor 307 35 Arbeitnehmerschutz – Inhaltskontrolle 307 10 Arbeitsentgelt – Leistungszeit 308 14 – Stichtagsregelung 307 247 – Stillschweigen 307 263 Arbeitsort – Inhaltskontrolle 307 184 Arbeitsrecht – abgestufte Beweislast 310 31 – Angemessenheitskontrolle Vor 307 4 ff. – Anwendbarkeit von § 305b BGB 305b 4 – Einbeziehungskontrolle Einf. 62 ff. – Einbeziehungsvoraussetzungen 306 17 f. – Inhaltskontrolle AGB Einf. 44 ff. – Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen 309 65 ff. – Reichweite des zwingenden Rechts Vor 307 4 – Schadensersatz Vor 307 35 – Verbandsklageverfahren Vor 307 3 Arbeitsverhältnis – Annahmefrist 308 8 ff. – Kräfteverhältnis 307 11 – Laufzeit bei Dauerschuldverhältnissen 309 119 Arbeitsverträge – Abschlussstatut Einf. 123 ff.
Sachregister – Anwendungsbereich AGB 310 1 – Arbeitnehmer als Verbraucher 310 14 ff. – Aufhebung 307 33 – Begriff 310 50 – Bezugnahme auf Betriebsvereinbarung 307 173 ff. – doppelte Schriftform 309 162 – Flexibilität 307 11 – Individualabrede 305 46 ff. – Kontrolle Einf. 103 ff. – Rahmenvereinbarung 305 59 – richtlinienkonforme Auslegung 307 9 – verminderte Kontrolldichte Vor 307 33 Arbeitsverträge, kirchliche – Angemessenheitskontrolle 308 73 – Anwendungsbereich AGB 310 47 – Bedeutung 308 68 – Bezugnahme 308 68 ff. – dynamische Bezugnahmeklausel 310 60 – gesetzlicher Sonderfall 308 70 – gute Sitten 310 62 – Inhaltskontrolle/nach Schuldrechtsreform 308 72 – Inhaltskontrollmaßstab 308 72 ff. – Jeweiligkeitsklauseln 310 60 – Kontrolle der Bezugnahme 308 69 ff. – Letztentscheidungsrecht 308 70 f.; 310 60 – pacta sunt servanda 310 60 – Überprüfung an höherrangigem Recht 310 62 Arbeitszeit – Absenkungsumfang 307 107 – Arbeitszeitgrenzen 307 102 – Erhöhung, BAG 307 150 – Erhöhung, Flexibilität Einf. 77 – Inhaltskontrolle 307 99 – Kontingent 305c 22 – Lage, Betriebsrat 307 111 – Modelle, Leistungsfrist 308 15 ff. – Teilbarkeit vorformulierter Bedingungen 306 28 – Urlaubsverfall 307 258
Ärztliches Attest – überraschende Klauseln 305c 23 Auffangtatbestand – Inhaltskontrolle 307 14 Aufhebungsvereinbarung – Ausgleichsquittung 307 133 ff. – ergänzende Regelungen 307 133 – Inhaltskontrolle 307 130 ff.; Einf. 110 – Transparenzkontrolle 307 142 Aufrechnungsverbot 309 27 ff. – Anwendungsbereich 309 28 – Aus-/Fortbildungskosten 309 32 – Bedeutung im Arbeitsrecht 309 31 f. – Doppelfunktion 309 28 – entscheidungsreife Forderungen 309 34 – Inkasso 309 32 – Rechtsfolgen bei Verstoß 309 33 – rechtskräftige Forderungen 309 29 – Schadensersatz 309 32 – Teilbarkeit 309 33 – Treu und Glauben 309 30 – unbestrittene Forderungen 309 29 – Unwirksamkeit 309 35 Aus-/Fortbildungskosten – Art der Qualifikation 307 219 – BAG 306 64 – Dauer 307 218 – geldwerter Vorteil 307 217 – Inhaltskontrolle 307 216 f. – Nichterreichen des Ausbildungsziels 307 222 – Rückzahlung 307 215 ff. – Teilbarkeit 306 35 – verhaltensbedingte Kündigung 307 221 Ausgleichsklausel – BAG 307 138 – Inhaltskontrolle 307 134 ff. Ausgleichsquittung – überraschende Klausel 305c 40 – Zweigliederung 307 135 Aushandeln – Anwendungsbereich AGB 310 24, 29 – Verhandeln 305 51 ff.
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Sachregister Auslauffrist – Änderungsvorbehaltsklausel 308 94 Auslegung – Angemessenheitskontrolle Vor 307 25 – Auslegungsgrundsätze, AGB 305 5 – Möglichkeiten, BGH 306 76 – Zweifel 310 32 Auslösungsklausel siehe Aus-/Fortbildungskosten; siehe Rückzahlungsklauseln Ausnahmetatbestand – Umgehungsverbot, § 307 Abs. 3 BGB 306a 16 – § 306 Abs. 3 BGB 306 84 Ausschlussfristen 305c 75 – Anzeigen-/Erklärungsform 309 161 – Arbeitnehmerinteresse 307 119 – Diskrepanz BAG/BGH Einf. 21 – einseitige Einschränkung 307 123 f. – ein-/zweistufig 307 113 – Fristbeginn 307 120 f. – geltungserhaltende Reduktion 307 127 – Inhaltskontrolle 307 113 ff. – Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit 309 7 – Rechtsprechung 307 116 f. – Transparenzgebot 307 126 – überraschende Klauseln 305c 24 – unerlaubte Handlung 307 122 – Verjährungsregelungen 307 114 Ausschlussklauseln siehe auch Ausschlussfristen – Anspruchsverfall aus dem Arbeitsverhältnis 309 107 – Anzeigen-/Erklärungsform 309 163 – BAG 309 105 – BGH/Verjährung nach Gefahrübergang 309 108 – Frist 309 105 – Inhaltskontrolle 309 106 – Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit 309 7 – Teilbarkeit 309 106 – Totalunwirksamkeit 309 106 – zweistufige/Teilbarkeit 306 28
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Ausübungskontrolle – Bestimmungsrecht des Arbeitgebers Vor 307 21 – Inhaltskontrolle Vor 307 15 – Maßstab Vor 307 20 Außergerichtliche Streitbeilegung – Freiwilligkeitsvorbehalt 309 171
BAG
– – – – –
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
2/3-Grenze Vor 307 12 Abrufarbeit Vor 307 5 Abrufarbeit/Inhaltskontrolle 307 101 Absenkung des Entgelts 307 186 Aktienoptionen/-bezugsrechte Anh. Vergü 39 f. Änderungsvorbehalt 306 65 Arbeitszeit/Inhaltskontrolle 307 99 Aufgabe des Grundsatzes Tarifeinheit bei Tarifpluralität 307 161 Ausgleichsklausel 307 138 Aushandeln von Vertragsbedingungen 305 46 Ausschlussfristen 307 116 f. Ausübungs-/Inhaltskontrolle Vor 307 15, 22 befristete Arbeitszeiterhöhung 307 148 Bestandsklauseln 307 246 Billigkeitskontrolle Vor 307 18 ff. blue pencil test 307 277 eingeschränkte Arbeitnehmerhaftung Vor 307 9 Einheitsregelungen Vor 307 32 einseitige Ausschlussfristen Vor 307 6 Entwicklung der Inhaltskontrolle Einf. 15 f. ergänzende Vertragsauslegung für Altverträge 306 68 Freistellungsklauseln 307 190 Freiwilligkeitsvorbehalt 307 243 Gerechtigkeitsgebot 307 69 Globalverweisung 310 71a Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung 309 67 Inhaltskontrolle AGB Einf. 21 Inhaltskontrolle auch im Arbeitsrecht 310 16 ff.
Sachregister – Inhaltskontrolle von Amts wegen Einf. 131 ff. – Inhaltskontrolle/Hauptleistungspflicht 307 28 – kirchliche Arbeitsvertragsregelungen 308 69; 310 62 – Klageverzichtsvereinbarung 307 140 ff. – Klauseltypen Einf. 22 – Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit 308 1 – Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit 309 9 – Konkretisierung der Widerrufsgründe bei Vorbehaltsklausel 308 87 f. – Lebensgefährte/Hinterbliebenenversorgung Anh. BetrAV 12 – Megawiderrufsvorbehalt 308 62 – pacta sunt servanda 307 64 – pauschale Freiwilligkeitsvorbehalte 307 195 ff. – Probezeitregelung 307 25 – Prognoserisiko Einf. 95 ff. – rechtliche und tatsächliche Besonderheiten im Arbeitsrecht 310 53 ff. – Rückzahlung von Ausbildungskosten Einf. 21 – Rückzahlung von Fortbildungskosten 306 64 – Schuldrechtsmodernisierungsgesetz Einf. 20 ff. – Sondervergütungen Anh. Vergü 37 – Standardarbeitsverträge Vor 307 28 – Stichtagsklausel 306 65 – Systematik der Prüfungsreihenfolge bei Inhaltskontrolle Einf. 130 – Teilbarkeit von vorformulierten Bedingungen 306 20 ff. – Teilbarkeit/Nichtteilbarkeit 306 27 ff. – Teilzeit- und Befristungsgesetz Vor 307 5 – Transparenzgebot 307 84 – Transparenzkontrolle/Tarifbindung 310 74 – Überraschungsklauseln in Formulararbeitsverträgen 305c 2
– ungleiche Verhandlungsstärke Vor 307 29 – Unklarheitenregelung Anh. BetrAV 10 – unterschiedliche Kontrollmaßstäbe Vor 307 31 – Urlaubsklauseln 307 251 – Verbrauchereigenschaft des Arbeitnehmers 310 17 – Versetzungsklauseln Einf. 78 – vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt 308 59 – Zulässigkeit von Wartezeiten/Verfallklauseln Anh. Vergü 38 – Zweckmäßigkeitsnorm 307 69 Banken – Aufschub und Verfall variabler Vergütung Anh. Vergü 55 ff. – Auszahlungsvoraussetzungen der variablen Vergütung Anh. Vergü 51 – Bonusziele Anh. Vergü 45 – Claw-Back Anh. Vergü 59 – Einschränkung oder Aufhebung der Risikoadjustierung Anh. Vergü 54 – garantierte variable Vergütung Anh. Vergü 52 – Halteprämie Anh. Vergü 53 – Höhe der variablen Vergütung Anh. Vergü 49 – Retention Bonus Anh. Vergü 53 – Rückzahlungspflicht Anh. Vergü 59 – Sign-On Bonus Anh. Vergü 52 Beendigungsklausel – Inhaltskontrolle 307 130 ff. – überraschende Klauseln 305c 26 Befristung 305c 76 – Direktionsrecht des Arbeitgebers 307 151 – Erheblichkeitsschwelle 307 149 – Inhaltskontrolle 307 147 ff. – Sachgrund 307 149 – Teilzeit- und Befristungsgesetz 307 148 – überraschende Klauseln 305c 27 Begleitumstände – Anwendungsbereich AGB 310 38 – Richtlinie 93/13/EWG 310 38
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Sachregister Bereichsausnahme 305 1; Einf. 3, 132 – Anwendungsbereich AGB 310 2 – Aufgabe 307 6 – für Kollektivverträge 310 41 ff. – vor Schuldrechtsreform 308 43 Berichterstattungspflichtsklausel – private Belange 307 266 Berufsausbildungsverhältnisse – Inhaltskontrolle AGB Einf. 113 Berufsfreiheit – bei Inhaltskontrolle AGB 307 49 – Nebentätigkeit 307 206 Beschäftigungsrisiko – unangemessene Benachteiligung 307 52 Besonderheiten, arbeitsrechtliche – angemessen, sachgerecht 310 57 – BAG/Arbeitsvertragsregelungen, kirchliche 310 62 – Begriff 310 51 ff. – dreistufige Prüfung 310 58 – Dritter Weg 310 59 – dynamische Bezugnahmeklausel 310 60 – Inhaltskontrolle, § 310 BGB 310 49 ff. – Jeweiligkeitsklauseln 310 60 – kirchliche Besonderheiten 310 52, 59 ff. – Letztentscheidungsrecht 310 60 – rechtliche und tatsächliche 310 53 ff. – übliche, tatsächliche 310 56 Bestandsklauseln – Abgrenzungsschwierigkeiten 307 248 – Betriebstreue 307 245, 249 – Gratifikation 307 247 – Inhalt/Inhaltskontrolle 307 245 ff. – Synallagma 307 246 – Teilbarkeit 306 29 – ungekündigtes Arbeitsverhältnis 307 249 f. – Unwirksamkeit 307 249 – Vergütungsleistungen/Unternehmenserfolg 307 246 Bestimmtheitsgebot – Transparenzgebot 307 85
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Bestimmungsbefugnis – Arbeitgeber Vor 307 20 – Ausübung Vor 307 21 Betriebliche Altersversorgung Anh. BetrAV 1 ff. Betriebliche Mitbestimmung – Inhaltskontrolle Einf. 101 Betriebliche Übung – Freiwilligkeitsvorbehalt 307 194 – Individualabrede 305 17 f.; 305b 11 ff. – Inhaltskontrolle AGB 305 17 f. – Schriftformklauseln 307 243 Betriebs-/Dienstvereinbarungen siehe Betriebsvereinbarung Betriebsgeheimnis – Verschwiegenheitsklauseln 307 261 Betriebsrat – Arbeitszeitlage 307 111 – Leistungsverweigerungsrechte des Arbeitnehmers 309 21 – Rechtmäßigkeitskontrolle von Formulararbeitsverträgen Einf. 133 Betriebstreue – Bestandsklauseln 307 245 – Rückzahlungsklauseln 307 221 – Zusatzurlaub 307 255 Betriebsübergang – Anwendbarkeit/§ 309 Nr. 10 BGB 309 123 – nachvertragliches Wettbewerbsverbot 309 126 Betriebsvereinbarung – Angemessenheitskontrolle 307 173 – Bereichsausnahme 305 12 – dynamische Verweisung 307 175 – Günstigkeitsprinzip 307 175 – Inhaltskontrolle 307 173 ff. – konstitutive Bezugnahme 307 174 – Prüfungsmaßstab Vor 307 14 – unangemessene Benachteiligung 307 67 Betriebsvereinbarungsoffenheit 305c 77 BetrVG – Normsetzungskompetenz Einf. 29
Sachregister Beweislast siehe Darlegungs-/Beweislast Bezugnahmeklauseln – Bereichsausnahme 305 12 – Direktionsrechtserweiterung 307 182 ff. – Direktionsrechtsklauseln 307 178 – dynamische ~ 307 156 – dynamische Verweisung auf externe Regelwerke 307 164 – Einbeziehungs-/Transparenzkontrolle 308 69 – einzelne Bereiche eines Tarifvertrages 307 167 – externes Regelwerk 307 154 – große/kleine Dynamik 307 156 – Inhaltskontrolle 307 154 ff. – Intensität 307 156 – kirchliche Arbeitsbedingungen 307 177 – kirchliche Arbeitsvertragsregelungen 308 68 – kirchliche Besonderheiten 310 60 – Kontrolle 307 157 – Kontrolle des in Bezug genommenen Regelwerkes 307 165 ff. – örtlich nicht zuständiger Tarifvertrag 307 169 – Partizipation an dynamischer Entwicklung 307 155 – Richtlinien nach § 28 SprAuG 307 176 – Sanierungstarifverträge 307 171 – statische Bezugnahme 307 163 – Teilbarkeit 306 30 ff. – Teilbereichsbezugnahmen 307 168 – Transparenzgebot 307 160 – überraschende Klauseln 305c 29 ff. – unwirksames Regelwerk 307 162 – zeitlich ungültiger Tarifvertrag 307 170 – Zweck der Bezugnahme 307 155 BGH – Aushandeln von Vertragsbedingungen 305 46 – Ausschlussfristen 307 117 – bewusst abschließende Regelung 306 61 – Direktversicherung Anh. BetrAV 46 – Fristbeginn bei Ausschlussfrist 307 121 – Inhaltskontrolle AGB Einf. 21
– Schuldrechtsmodernisierungsgesetz Einf. 20 – Teilbarkeit von vorformulierten Bedingungen 306 21 – transparente Nebenbedingungen Einf. 50 – unangemessene Benachteiligung Vor 307 3 – Unzumutbarkeit bei § 306 Abs. 3 BGB 306 59 – Verjährungsklausel 306 75 – Verstöße gegen zwingendes Recht Vor 307 3 Billigkeitskontrolle 307 28 – Angemessenheitskontrolle Vor 307 18 ff. Blue pencil test 306 72 – Ausschlussfristen 307 127 – Teilbarkeit von vorformulierten Bedingungen 306 24 – Teilunwirksamkeit 306 21 – Vertragsstrafenklausel 307 277 Bonuszahlungen – allgemein Anh. Vergü 3 – besondere Formen Anh. Vergü 20 – Ermessensbonus Anh. Vergü 8 – Freiwilligkeitsvorbehalt Anh. Vergü 10 – Kürzungen Anh. Vergü 12 – Modelle Anh. Vergü 6 – Rückzahlungsklauseln Anh. Vergü 18 ff. – Stichtagsklauseln Anh. Vergü 15 ff. – ungekündigtes Arbeitsverhältnis 306 29 – Widerrufsvorbehalt Anh. Vergü 11 – Zielsetzung Anh. Vergü 7 – Zweck Anh. Vergü 4 Branche – Inhaltskontrolle Einf. 90 Bundesrahmentarifvertrag – Baugewerbe Einf. 1 Bundesurlaubsgesetz – Leitbild der Inhaltskontrolle 307 253 ff. Bürgschaften – BVerfG Einf. 58; Vor 307 28 f. – überraschende Klauseln 305c 33
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Sachregister BVerfG – Ausschlussfristen 307 121 – Bürgschafts-Entscheidung Einf. 58; Vor 307 28 f. – Entwicklung der Inhaltskontrolle Einf. 16 – Inhaltskontrolle Einf. 57 ff. – verfassungsrechtlich gebotene Inhaltskontrolle Einf. 58 f. – Vertragskontrolle Vor 307 33
C
arried Interest – besondere Vergütungsbestandteile Anh. Vergü 41 f. Claw-Back Klauseln 308 34; Anh. Vergü 19
Darlegungs-/Beweislast 309 138 ff.
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
abgestufte Beweislast 310 31 Änderung der Beweislast 309 140 Änderungsvorbehaltsklausel 308 110 ff. Anwendungsbereich des § 309 Nr. 12 BGB 309 139 ff. Arbeitnehmer 305 54 ff. Arbeitnehmerhaftung 309 148 des Aushandelns 305 48 Bedeutung des § 309 Nr. 12 BGB im Arbeitsrecht 309 147 ff. Empfangsbekenntnis 309 144 f. Individualabrede 305b 24 Klauselunwirksamkeit 307 91 Mankoabreden 309 149 f. mehrdeutige Klauseln 305c 71 mündliche Abreden 309 146 Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen 309 62 Rechtsfolgen bei Verstoß gegen § 309 Nr. 12 BGB 309 152 Rückkehrrecht 307 144 Schuldanerkenntnis 309 141 des Stellens in Arbeitsverträgen 305 34 ff. Tatsachenbestätigung 309 143 überraschende Klauseln 305c 17 Umgehungsverbot 306a 13
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– Verantwortungsbereich 309 142 – Verbot des § 309 Nr. 12a BGB 309 142 – Verbot des § 309 Nr. 12b BGB 309 143 – Vereinbarung, Inhaltskontrolle 307 153 – vorformulierte Bedingungen 310 31 Datenverarbeitung – überraschende Klauseln 305c 34 Dauerschuldverhältnisse – Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen 308 31 – Inhaltskontrolle AGB Einf. 117 – Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit 308 6 Deklaratorische Klauseln 307 17 – Befristungen 307 151 – Dienstwagen 307 178 ff. Dienstwagenübernahmevereinbarung – Inhaltskontrolle 307 146, 181 Direktionsrecht – Absenkung des Entgelts 307 186 – Änderungsvorbehalt 308 35 – Arbeitsort 307 184 f. – echte/konstitutive Erweiterung 307 183 – echte/unechte Erweiterung Einf. 76 f.; Vor 307 21 – geringwertige Tätigkeit 307 186 – höherwertige Tätigkeit 307 187 – Konzernversetzungsklausel 307 188 – Leistungsverweigerungsrechte des Arbeitnehmers 309 21 – unechte Erweiterung 307 182 – unwirksame Erweiterung 307 189 Direktversicherung – Bezugsrechtsverhältnis Anh. BetrAV 45 f. – Deckungsverhältnis Anh. BetrAV 44 – Durchführung Anh. BetrAV 41 ff. – Valutaverhältnis Anh. BetrAV 43 Direktzusage – Versorgungszusage Anh. BetrAV 40c Doppelverwertungsverbot Vor 307 15 Doppelzuständigkeit – zivilrechtliche/arbeitsrechtliche Rechtsprechung bei AGB Einf. 21
Sachregister Dritter Weg 308 70 f. – kirchliche Besonderheiten 310 59 Drittinteressen – Interessenabwägung 307 50 Drittwirkung – Grundrechte 307 49 Durchschnittsschaden – Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen 309 61 f.
EG-Klausel-Richtlinie 306 6 ff.
Einbeziehung – Arbeitsvertragsabschlussstatut Einf. 123 ff. – Inhaltskontrolle Einf. 126 ff. – Kontrolle 305 4; Einf. 62 ff. – überraschende Klauseln 306 18 – Voraussetzungen 305 57 f.; 306 17 f. Eingriffsrecht, einseitiges – Befristungsregelungen 307 151 Einheitsregelungen – BAG Vor 307 32 Einmalverwendung – Anwendungsbereich AGB 310 27 – Inhaltskontrolle 310 32 – Umgehungsverbot 310 37 Einzelverweisungen – abgrenzbare tarifliche Teilkomplexe 310 76 f. – Inhaltskontrolle 307 167 – tarifliche Regelungen 310 75 Empfängerhorizont – Vertragsinhalt 305 6 Empfangsbekenntnis – Beweislast, § 309 Nr. 12 BGB 309 144 f., 151 Entgelt – Absenkung, doppelt negativ 307 186 – Entgeltbereich, Transparenzkontrolle Einf. 79 ff. – Flexibilisierung 308 34
Entgeltumwandlung – gesetzliche Besonderheiten Anh. BetrAV 73 – Versorgungszusage Anh. BetrAV 72 ff. – Zillmerung Anh. BetrAV 74 Enthaltungsklausel 306 78 Entlastungsfunktion – AGB Einf. 7 Entsendungs-/Abordnungsklauseln – Inhaltskontrolle 307 188 Erfolgsvergütung siehe Tantiemen Erfüllungsgehilfen – Vertragspartnerwechsel 309 122 Erfüllungsübernahme – Vertragspartnerwechsel 309 122 Ergänzende Vertragsauslegung Anh. BetrAV 40 ff. – Altverträge 306 67 f. – fehlende Anhaltspunkte 306 65 – geltungserhaltende Reduktion 306 64 – intransparente Klausel 306 66 – Lücke 306 63 ff. – Maßstab 306 64 – Prognoserisiko Einf. 95 ff. – Schriftform 306 62 – Subsidiarität 306 55 ff. – unangemessene Benachteiligung 307 65 – unzumutbare Härte 306 60 – Voraussetzungen 306 54 ff. Erheblichkeitsschwelle – Befristungen 307 149 Erholungsurlaub – Nebentätigkeit 307 214 Erklärungsklauseln – Inhaltskontrolle 307 261 ff. Erlassvertrag – Ausgleichsklausel 307 134 Erlaubnisvorbehalt – absolut/eingeschränkt 307 211 – Transparenzgebot 307 212 Ersetzungsklauseln – salvatorische Klauseln 306 80
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Sachregister – Umgehungsverbot 306a 18 essentialia negotii – Vertragswirksamkeit 306 15 EuGH – missbräuchliche Klauseln 306 11 – Schutzsystem der Klausel-Richtlinie Einf. 42 – Trennungsklauseln 307 252 – Unionrechtskonformität von § 306 Abs. 3 BGB 306 10 – Urlaubsverfall 307 258 EU-Recht – Verbraucherbegriff 310 15 – Verbrauchervertragsrichtlinie siehe Richtlinie 93/13/EWG
F
ahrlässigkeit – Haftungsausschluss, § 309 Nr. 7b BGB 309 104 Fehlzeiten – Urlaubskürzungen 307 256 Fiktion des Zugangs 308 126 ff. – Anwendungsfälle im Arbeitsrecht 308 128 – Kündigung 308 129 – mittelbar nachteilig 308 130 – nachteilige Folgen 308 129 f. – Tatsachenfiktion 308 127 – Unwirksamkeit 308 131 Finanzkrise – Vergütung Bankangestellter/Versicherungs- Anh. Vergü 44 Fingierte Erklärungen – Abgabefrist für Erklärung 308 122 – allgemein 308 117 – Anforderungen an die Fiktion 308 122 f. – Anwendungsbereich 308 118 – Erklärungsfiktion 308 118 – Fiktion des Zugangs 308 126 ff. – Fortsetzung der Tätigkeit 308 121 – Hinweispflicht 308 124 – konkludente Erklärung des Arbeitnehmers 308 121
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– Schweigen als Willenserklärung 308 119 f. Flexibilisierung – Arbeitszeit 308 32 – Befristungsregelungen 307 151 – Inhaltskontrolle 307 99 – Vergütung 308 33 Flexibilität – Arbeitgeberseite Einf. 72 ff. – Freiwilligkeitsvorbehalt 307 199 – tarifliche/außertarifliche Angestellte Einf. 88 – auf Tätigkeitsebene Einf. 74 ff. Form – Anzeigen/Erklärungen 309 153 ff. Formulararbeitsverträge; Einf. 1 ff. siehe auch Inhaltskontrolle AGB – Altersteilzeitvereinbarung 305c 20 – Angemessenheitskontrolle Vor 307 13 – Anrechnungsvorbehalte 305c 49, 92 – Arbeit auf Abruf 305c 73 – Arbeitgeberdarlehen 305c 74 – Ausgleichsquittung 305c 40 – Ausschlussfristen 305c 75 – äußeres Erscheinungsbild 305c 12 – Beendigungsvereinbarungen 305c 26 – Befristungen 305c 27, 76 – betriebsorganisatorische Notwendigkeit Einf. 12 – Betriebsvereinbarungsoffenheit 305c 77 – Bezugnahmeklauseln 305c 29 ff., 78 – Bürgschaften 305c 33 – Datenverarbeitung 305c 34 – Freiwilligkeitsvorbehalt 305c 82 – Führungskräfte Einf. 2 – Funktionen Einf. 7 ff. – Geschäftsführervertrag 305c 83 – Gleichbehandlung Einf. 12 – Jeweiligkeitsklauseln 305c 35 – Klageverzicht 305c 84 – Kopplungsklauseln 305c 36 – Kündigungsfristen 305c 37 – Kurzarbeitsklauseln 305c 38 – Lückenausfüllfunktion Einf. 10 – mehrdeutige Klauseln 305c 51 ff.
Sachregister – Nebentätigkeit 305c 39 – Nettolohnvereinbarung 305c 85 – Nichteinbeziehung von Klauseln siehe Nichteinbeziehung – Probearbeitsverhältnis 305c 86 – Probezeit 305c 41 – Regelungsumfang Einf. 3 – Risikoverlagerungsfunktion Einf. 11 – Rückzahlungsklauseln 305c 42, 78 – Tarifbezugnahme 305c 30 – überraschende Klauseln 305c 3 ff. – Überstundenabgeltung 305c 44 – Urlaub/Urlaubsgeld 305c 88 – als Verhandlungsbasis Einf. 5 – Verheimlichungsfunktion Einf. 13 – Versetzungsklausel 305c 45 – Vertragsstrafe 305c 46, 89 – Vertraulichkeitspflicht 305c 47 – Verzichtserklärung 305c 40 – Wettbewerbsverbote 305c 48, 90 – Widerrufsrecht 305c 91 – Zielvereinbarungen 305c 50, 93 Fortbildungskosten siehe Aus-/Fortbildungskosten Freistellungsklauseln 307 190 ff. – inhaltliche Anforderungen 307 191 – Ruhensvereinbarungen 307 192 Freiwilligkeitsvorbehalt – Abgrenzung 307 199 – Abwägung 307 198 – Änderungsvorbehalt 308 56 ff. – außergerichtliche Streitbeilegung 309 171 – BAG 307 64, 195 ff., 243; Einf. 80, 84 ff. – Begrenzung durch Transparenzgebot 307 200 – betriebliche Übung 307 194 – Inhaltskontrolle 307 193 ff. – intransparenter ~ 307 202 – Kombination mit Widerrufsvorbehalt 307 201 – konkreter ~ 307 194 – laufende Arbeitgeberzahlungen 307 196 – pauschaler ~ 307 195
– – – –
Synallagma 307 199 Teilbarkeit 306 33 Umgehungsverbot 306a 17 Vermeidung von Wertungswidersprüchen 308 58 – vertraglicher ~/BAG 308 59 – Vertragsbedingung 305 8 ff. – Weihnachtsgratifikation 307 196 – wiederkehrende Arbeitgeberleistungen 307 194 Fremdgeschäftsführer 310 19a Führungskräfte – Formulararbeitsverträge Einf. 2 Fürsorgepflicht – Haftungsausschluss, § 309 Nr. 7b BGB 309 102
G
arantiehaftung – Mankoabreden 309 150 Geltungserhaltende Reduktion – ergänzende Vertragsauslegung 306 64 – inhaltliche Veränderung 306 75 – Inhaltskontrolle AGB Einf. 21, 116 – Kontrolle von Wettbewerbsverboten Vor 307 24 – Problematik 306 73 ff. – salvatorische Klauseln 307 234 f. – Teilbarkeit 306 76 – Unwirksamkeit 307 229 – Verbot 306 69 ff. – Verstoß gegen Verbotsgesetz Vor 307 8 – Vertragsstrafe Vor 307 23 Generalklausel – Abweichen von Rechtsvorschriften 307 16 – Anwendungsbereich 307 16 – Auffangtatbestand 307 14 – Benachteiligung 307 37 – Inhaltskontrolle AGB Einf. 58 – Interessenabwägung 307 36 – Rechtslagenvergleich 307 38 – Schuldanerkenntnis, konstitutives 307 244 – Unwirksamkeit 307 35 – Vor-/Nachteile 307 11
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Sachregister Gerechtigkeitsgebot – BAG 307 69 Gesamtschuldner – Abschlussvertreterhaftung 309 135 Gesamtunwirksamkeit – Teilunwirksamkeit Vor 307 8 – ultima ratio 306 5 – nach § 306 BGB 306 83 ff. Gesamtzusage – Inhaltskontrolle AGB Einf. 105 Geschäftsanteile – Managementbeteiligungsprogramme Anh. Vergü 41 f. Geschäftsgeheimnis – Freistellungsklauseln 307 191 – Verschwiegenheitsklauseln 307 261 Gesetzesverweisende Klauseln – Transparenzgebot 306 79 – Unwirksamkeit 307 236 Gesetzliche Verbote – Angemessenheitskontrolle Vor 307 1 ff. Getrenntlebensklausel Anh. BetrAV 38 Gewerkschaft – Tarifvertrag Einf. 6 Gewohnheitsrecht – Lückenschließung 306 4 Gleichbehandlung – Individualabreden Einf. 12 – Inhaltskontrolle AGB Einf. 91 ff. Globalverweisung – BAG 310 71a – Inhaltskontrolle 310 69 ff. – keine Angemessenheitskontrolle 307 22 – statische/dynamische Bezugnahme 310 72 f. – Transparenzgebot 310 72 – zeitliche Begrenzung 310 71 Gratifikation – Arbeitsentgelt 307 247 Grundrechte – Bestandsklauseln, Eingriff in ~ 307 245 – bei Inhaltskontrolle AGB 307 49 – Werte für Inhaltskontrolle Einf. 81
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Grundsatz der Privatautonomie Einf. 57 Günstigkeitsprinzip – Betriebsvereinbarung 307 175 – internationaler Anwendungsbereich Inhaltskontrolle AGB Einf. 124 – mehrdeutige Klauseln, Vergleich 305c 68
H
aftung – des Abschlussvertreters siehe Abschlussvertreterhaftung – verschuldensunabhängige 307 205 Haftungsausschluss – Anschlussklauseln 309 97 f. – Auslegung von Haftungsbegrenzung 309 95 – Begrenzung der Durchsetzbarkeit von Schadensersatzansprüchen 309 96 – Begrenzungsverbot 309 92 – Fahrlässigkeit 309 104 – global gefasste Klauseln 309 98 – grobe Fahrlässigkeit 309 104 – Haftungsbegrenzung 309 93 ff. – konkludent 309 94 – Mängelansprüche 309 116 – Parallelverträge 309 103 – Personenschäden, § 309 Nr. 7a BGB 309 100 f. – Rechtsfolgen bei Verstoß gegen § 309 Nr. 7 BGB 309 109 – Schadensersatzverpflichtungen 309 91 – Verjährung 309 97 – Vertragsinhalt 309 116 – § 309 Nr. 7 BGB 309 89 ff. – § 309 Nr. 7b BGB 309 102 ff. – § 309 Nr. 8 BGB 309 114 ff. Haftungsregelungen – Inhaltskontrolle 307 204 f. Handelsrecht – Kontrolle von Wettbewerbsverboten Vor 307 24 Haupternährerklausel Anh. BetrAV 38a f. Hauptleistung – Abgrenzung Nebenleistung 307 30 ff.
Sachregister – Arbeit auf Abruf 307 105 – Inhaltskontrolle 307 28 ff. – Überprüfung im Rahmen der Inhaltskontrolle 307 29 Haus-/Firmentarifverträge – Anwendungsausschluss 310 44 Hinterbliebenenversorgung – Versorgungszusage Anh. BetrAV 30 ff.
Individualabrede 305b 1 ff.
– – – –
Abweichen von AGB 305b 13 ff. Aufhebungsvertrag 307 131 f. aushandeln/verhandeln 305 51 ff. Befristung im laufenden Arbeitsverhältnis 307 151 – Begriff 305b 5 – Betriebliche Übung 305b 11 ff. – erschleichen/Umgehungsverbot 306a 15 – Inhaltskontrolle AGB 305 44 ff.; Vor 307 31 – Kontrolle Vor 307 27 ff. – qualifizierte Schriftformklausel 307 241 – Treu und Glauben Vor 307 14 – Verdrängung der konkurrierenden AGB 305b 16 ff. – Vorrang der ~ 310 35 – Wirksamkeit 305b 6 ff. Informationsasymmetrie Einf. 33 – Arbeitsrecht Einf. 47 ff. – BVerfG Einf. 59 Inhaltskontrolle AGB 305 4; siehe auch Überraschende Klauseln; siehe auch Unangemessene Benachteiligung – Abgrenzung zur ergänzenden Vertragsauslegung Vor 307 25 – Abgrenzung zur Rechtskontrolle §§ 134–138 BGB 307 10 – Abrufklausel 307 100 ff. – Abweichen/Ergänzen von Rechtsvorschriften 307 26 f. – allgemeiner Arbeitsbedingungen 307 6 ff. – Änderungs-/Abweichungsvorbehalte 308 46 ff.
– anhand Tarifvertrag 307 34 f. – Anpassungsleistung des Vertrages Einf. 71 – Anspruchsverzicht 307 137 – vor Anwendung der ~ 307 8 ff. – Äquivalenzprinzip Einf. 72 – Arbeitsort 307 184 – im Arbeitsrecht 310 16; Einf. 20 ff., 44 ff., 62 ff., 103 ff. – Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis Einf. 70 ff. – Arbeitsverträge 305 1, 29 – Arbeitsvertragsabschlussstatut Einf. 123 ff. – Art des Vertrages 307 48 – Auffangvorschrift 307 72 – Aufhebungsverträge Einf. 110 – Aus-/Fortbildungskosten 307 216 f. – ausgehandelte Arbeitsverträge Vor 307 29 – Aushandeln 305 46 – Aushandelnsbestätigungen/Ausgleichsquittungen 305 15 – Auslegungsvorrang 307 13 ff. – Ausschluss jeglicher ~ 308 65 – Ausübungskontrolle Vor 307 15 ff. – Bedeutung des Verfassungsrechts Einf. 57 ff. – Bedeutung für das Arbeitsrecht 307 6 ff. – Bedeutung gesetzlicher Schutznormen Einf. 82 f. – Befristungen 307 147 ff. – Bereichsausnahme 305 12 – Berücksichtigung arbeitsrechtlicher Besonderheiten siehe Besonderheiten, arbeitsrechtliche – Bestimmungsrecht des Arbeitgebers Vor 307 21 – Betriebliche Übung 305 17 f. – betriebliche Verbundenheit der Arbeitnehmer Einf. 92 – Betriebs-/Dienstvereinbarungen 307 173 ff.; 310 80 ff. – Bezugnahme auf einseitig gestellte Regelungen 305 14 f.
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Sachregister – Bezugnahme auf Tarifvertrag 310 45 – Bezugnahmeklauseln 307 154 ff.; 308 69 – Billigkeitskontrolle Vor 307 18 ff. – branchenspezifische Differenzierungen Einf. 90 – Dienstwagenübernahmevereinbarung 307 146 – Differenzierung nach Verkehrskreisen Einf. 87 ff. – Direktionsrechtsklauseln 307 178 – Doppelverwertungsverbot Vor 307 15 – Doppelzuständigkeit Einf. 21 – dreimalige Verwendung 305 28 – Dritter Weg 308 70 f. – Drittinteressen 307 50 – Einbeziehungskontrolle Einf. 126 ff. – Einbeziehungskontrolle/Inhaltskontrolle Einf. 62 ff. – Eingriffsschwelle 307 2 – einmalige Verwendung 310 32 – Einordnung einer Direktionsrechtsklausel 307 182 – einseitige Erklärungen des Verwenders 305 16 – einzelne Klauseln 307 92 ff. – Einzelverweisungen 310 75 ff. – Entwicklungen Einf. 14 ff. – Form/Art/Weise 305 21 – Freiwilligkeitsvorbehalt 307 193 ff.; 308 56; Einf. 80 – geltungserhaltende Reduktion Einf. 21 – Generalklauseln Einf. 58 – generell-typisierende Betrachtung 307 45 ff. – Gesamtzusage 305 19 – Gleichbehandlung Einf. 91 ff. – Globalverweis 307 22; 310 69 ff. – Grundlagen Einf. 62 ff. – Grundparameter für ~ 307 45 ff. – Grundrechtsbezug 307 49; Einf. 81 – Grundsatz der Privatautonomie Einf. 25 – Haftung 307 204 f. – Höhe der Leistungen 308 49 – Individualabrede 305 44 ff.
628
– individueller/überindividueller Schutzzweck Einf. 27 – Informationsasymmetrie Einf. 33, 38 – internationaler Anwendungsbereich Einf. 123 ff. – Kernbereich des Arbeitsvertrages Einf. 72 – kirchliche Arbeitsbedingungen 307 177 – kirchliche Arbeitsvertragsregelungen 310 47 – Klageverzichtsvereinbarung 307 139 ff. – Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit 308 1 ff. – kollektivrechtliche Wertungen Einf. 98 ff. – Kollektivvereinbarungen 305 1, 13; 310 48, 80 ff.; Vor 307 10 – Kombination von Freiwilligkeits-/Widerrufsvorbehalt 307 201 – Kontrolle von Wettbewerbsverboten Vor 307 24 – kontrollfreie Vertragspflichten 307 32 f. – Konventionalstrafe Vor 307 23 – Konzernversetzungsklausel 307 188 – Korrektiv für unangemessene Klauseln Einf. 35 – Leaver Klauseln Anh. Vergü 42 – Leitbild arbeitsvertraglicher Schutzregelungen 307 7 – Leitbildfunktion 307 59 – Leitgedanken Einf. 69 ff. – Machtungleichgewicht Einf. 32 – Mankoabreden 307 204 f. – materielle Anknüpfungspunkte 305 39 ff. – Maßstab 307 2 – nachvertragliches Wettbewerbsverbot 309 126 – Nebenbedingungen Einf. 32 – Nebentätigkeit 307 206 ff. – negative betriebliche Übung Einf. 106 – nicht bei Individualvereinbarung Vor 307 27 ff. – nichtarbeitsrechtliche Verträge Einf. 112 – normausfüllende Klauseln 307 25
Sachregister – Normentheorie Einf. 28 ff. – Organmitglieder Einf. 114 – pauschale Freiwilligkeitsvorbehalte 307 195 ff. – Pensionskasse Anh. BetrAV 56 ff. – Prozessökonomie Vor 307 17 – Rationalisierungsfunktion Einf. 91 ff. – Rechtsfolgen 307 2 – Rechtssicherheit/-klarheit Einf. 102 – rechtsverhältnisbezogen Einf. 30 – rechtsverhältnisüberschreitende Konzeption Einf. 37 ff. – Reichweite von Rechtsvorschriften 307 20 – Relativierung der generell-typisierenden Betrachtung 307 46 – Richterrecht 307 19 – Richtlinie 93/13/EWG Einf. 41 ff. – Richtlinien nach dem Sprecherausschussgesetz 307 176 – Richtlinien nach dem Sprecherausschussgesetz, Regelungsabreden 310 46 – Rückkehrrecht 307 144 – Rückzahlungsklauseln 307 215 ff. – sachlicher/persönlicher Anwendungsbereich Einf. 103 ff. – Sanierungstarifverträge 307 171 – Sanktionierung von Pflichtverletzungen Einf. 94 – Schranken 307 4 – Schriftform 305 42 f. – Schriftformklauseln 307 239 ff. – Schuldanerkenntnis, konstitutives 307 244 – seit Schuldrechtsmodernisierungsgesetz Einf. 20 ff. – vor Schuldrechtsmodernisierungsgesetz Einf. 18 f. – Schuldrechtsmodernisierungsgesetz/ Altverträge Einf. 115 ff. – Schutzzweck AGB-Kontrolle Einf. 25 ff.; Vor 307 26 – selbständige Sondertatbestände 307 57 ff. – serielle Verwendung 305 26 – situative Unterlegenheit Einf. 33
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
Sondertatbestände 307 3 Spezialitätenverhältnis Einf. 128 ff. Stellen als Fiktion 305 35 ff. Stichtagsregelung 307 245 ff. Stillschweigen über Arbeitseinkommen 307 263 Systematik Einf. 126 ff. Tarifautonomie 310 42 Tariflohn 307 34 Tarifniveau als Untergrenze 308 50 ff. Textbausteine 305 24 Transparenzgebot 307 3 Trennungsklauseln 307 252 Treu und Glauben 307 2 typisierbare Situationen Vor 307 16 Umgang mit Altverträgen Einf. 116 ff. Umgehungsfälle, einzelne 306a 14 ff. unangemessene Benachteiligung 307 35 ff. unerhebliche Umstände 305 39 ff. Urlaubsklauseln 307 251 ff. Verbot der geltungserhaltenden Reduktion Vor 307 19 verdeckte Inhaltskontrolle Vor 307 25 Verhältnis zu anderen Kontrollmechanismen Vor 307 1 ff. Versetzungsklauseln 308 35 Versorgungszusage Anh. BetrAV 17 ff. Vertragsgestaltungsmacht 305 30 f.; 307 130 Vertragsstrafe Vor 307 23 Vertragsstrafenklausel 307 267 ff. vertragstheoretischer Ansatz Einf. 29 Verwenderbeweislast 305 22 vorformuliert 305 20 ff. Weiterentwicklung durch das Verbraucherschutzrecht Einf. 41 ff. Wertungsgrundlagen Einf. 25 ff. zeitlicher Anwendungsbereich Einf. 115 ff. Zeitpunkt 305 37 Zentralkontrollnorm 307 1 ff. Zielvorgaben Anh. Vergü 7 Zivilrecht/Arbeitsrecht Einf. 56 ff. Zweckbestimmung 307 5 zwingendes Recht 307 12
629
Sachregister Interessenabwägung – Vertragslücke 306 61 Interessenausgleich – unangemessene Benachteiligung 307 41 ff. Interne Anweisungen – Umgehungsverbot 306a 19 Internet – Formulararbeitsverträge Einf. 4 Intransparenz – Klauselunwirksamkeit 307 80 ff. Invalidität – Erwerbsminderungsrente Anh. BetrAV 39a – Versorgungszusage Anh. BetrAV 39
Jeweiligkeitsklauseln 308 62
– kirchliche Arbeitsvertragsregelungen 310 60 – überraschende Klauseln 305c 35
Katalogtatbestände
– Generalklausel 307 15 Klageverzichtsklausel – Ausgleichsquittung 307 143 – dilatorische 309 171 – Inhaltskontrolle 307 139 ff. – isoliert 307 142 – Kompensation 307 141 – Kündigungsschutzgesetz 307 142 – Zeitpunkt 307 142 Klauseln siehe auch Mehrdeutige Klauseln – Klauselkombination 306 82 – Klauselverbote vor der Schuldrechtsreform Einf. 17 – normwiederholende 307 18 ff. – Typen, zulässige Einf. 22 Klauselrichtlinie siehe Richtlinie 93/13/ EWG Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit siehe auch Änderungsvorbehaltsklausel; siehe auch Arbeitsvertragsregelungen, kirchliche; siehe auch Fiktion des
630
Zugangs; siehe auch fingierte Erklärungen – Bedeutung für das Arbeitsrecht 308 5 f. – Einführung 308 1 – einzelne ~ 308 7 ff. – fingierte Erklärungen 308 117 ff. – Nichtverfügbarkeit der Leistung 308 139 – Rücktrittsvorbehalt 308 21 ff. – Spezialitätenverhältnis Einf. 128 ff. – unbestimmter Rechtsbegriff 308 1 – Vertragsabwicklung 308 132 ff. – Zugangsfiktion 308 126 ff. Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit siehe auch Abschlussvertreterhaftung; siehe auch Anzeigen-/Erklärungsform; siehe auch Aufrechnungsverbot; siehe auch Ausschlussklauseln, globale; siehe auch Beweislast, § 309 Nr. 12 BGB; siehe auch Haftungsausschluss; siehe auch Kurzfristige Preiserhöhung; siehe auch Leistungsverweigerungsrechte; siehe auch Mahnung, Fristsetzung; siehe auch Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen; siehe auch Vertragspartnerwechsel; siehe auch Vertragsstrafe – Auffangfunktion 307 15; 309 3 – Auslegung vor Inhaltskontrolle 309 5 ff. – Ausschlussklauseln 309 7 – BAG 309 9 – Bedeutung im Arbeitsrecht 309 4 – Besonderheiten im Arbeitsrecht 309 8 f. – BGH 309 7 – Einführung 309 1 ff. – einzelne Verbote 309 10 ff. – Prüfgegenstand 309 5 – richterliche Bewertung 309 2 – Spezialitätenverhältnis Einf. 128 ff. – Teilbarkeit 309 7 – unbestimmter Rechtsbegriff 309 9 – Unklarheitenregelung 309 6 – Ziel der AGB-Kontrolle 309 7 Klauselverwender – Schadensersatz Vor 307 34 ff. Kollektivnormen – Inhaltskontrolle 307 21
Sachregister Kollektivvereinbarungen – Angemessenheitskontrolle Vor 307 10 – Gleichstellung mit Rechtsvorschriften 310 67 ff. – Rechtskontrolle 310 48 – Verhandlung Gleichstarker 310 42 Kombination – von Klauseln bei § 306 BGB 306 82 Konditionenkartell – Unklarheitenregelung Anh. BetrAV 79 – Versorgungszusage Anh. BetrAV 78 f. Kontrolle – Hauptleistung 307 30 – Individualabrede Vor 307 27 ff. Konventionalstrafe – AGB Vor 307 23 Konzernversetzungsklausel – Inhaltskontrolle 307 188 Kopplungsklausel – überraschende Klauseln 305c 36 Kündigung – Klageverzicht 307 139 ff. – Kündigungsfrist, überraschende Klausel 305c 37 – Kündigungsschutz, Inhaltskontrolle Einf. 70 – Rückkehrrecht 307 144 – Rückzahlungsklauseln 307 221 Kurzarbeitsklausel – Inhaltskontrolle 307 106 f. – überraschende Klauseln 305c 38 Kurzfristige Preiserhöhung 309 10 ff. – Bedeutung im Arbeitsrecht 309 12 f. – Dauerschuldverhältnisse 309 11 – Kundenschutz 309 11 – kurzfristig abzuwickelnde Verträge 309 11 – pacta sunt servanda 309 14 – Parallelverträge 309 13 – Rechtsfolgen bei Verstoß 309 14 Kurzzeitkonten 308 16
Langzeitkonten 308 17
Laufzeit bei Dauerschuldverhältnissen – Anwendungsbereich 309 119 Leaver Klauseln Anh. Vergü 42 Lebensgefährte – BAG Anh. BetrAV 12 Leistung – Änderungsvorbehalt 308 46 – Arbeitszeitmodelle, Leistungszeit 308 15 – Leistungsfrist 308 7 ff. – Leistungsverweigerungsrechte 309 15 ff. Leistungsverweigerungsrechte 309 15 ff. – Abwicklung des Arbeitsverhältnisses 309 20 – Anwendungsbereich 309 15 – Bedeutung im Arbeitsrecht 309 17 ff. – Betriebsrat 309 21 – Direktionsrecht 309 21 – ergänzende Vertragsauslegung 309 22 – Rechtsfolgen bei Verstoß 309 22 – selbiges Vertragsverhältnis 309 16 – Vorleistungspflicht 309 17 – während Kündigungsfrist 309 20 – Zurückbehaltungsrecht an Arbeitsleistung 309 18 f. Leitbild – Tarifverträge 307 66 – vertraglich vorgegebene ~er 307 72 – Zweckmäßigkeitsnorm/Gerechtigkeitsgebot 307 69 Letztentscheidungsrecht 308 70 f. – kirchliche Arbeitsvertragsregelungen 310 60 Lohnabtretungsverbotsklausel – Inhaltskontrolle 307 92 ff. Lohnwucher – BAG Vor 307 12 Lösungsrecht – Arbeitgeberanforderungen 308 26 ff. – Interessenabwägung 308 28 – Rücktrittsvorbehalt 308 21
Mahnung, Fristsetzung 309 40 ff. – Anwendungsbereich 309 41 f.
631
Sachregister – Bedeutung im Arbeitsrecht 309 43 f. – Rechtsfolgen bei Verstoß 309 45 f. – verdeckte Freistellung 309 42 – Warnfunktion 309 41 Managementbeteiligungsprogramme – Carried Interest Anh. Vergü 41 – Leaver-Klauseln Anh. Vergü 42 Mängelansprüche – Haftungsausschluss, § 309 Nr. 8b BGB 309 116 Mankoabreden – Beweislast, § 309 Nr. 12 BGB 309 149 f. – Inhaltskontrolle 307 204 f. – Mankogeld 307 205 – Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen 309 68 – vorformuliert Vor 307 11 Mehrdeutige Klauseln – Anwendungsbereich 305c 52 – Auslegungsmaßstab 305c 51 ff. – Darlegungs-/Beweislast 305c 71 – einzelne Beispiele 305c 72 ff. – ergänzende Vertragsauslegung 305c 59 – Fachausdrücke 305c 57 – Grundsatz objektiver Auslegung 305c 54 ff. – Günstigkeitsvergleich 305c 68 – inhaltlich widersprüchlich 305c 63 – nicht behebbare Zweifel 305c 62 – Rechtsfolgen 305c 65 ff. – restriktive Vertragsauslegung 305c 60 – Verhältnis Bezugnahmeklauseln 305c 69 – Voraussetzungen 305c 53 – Wortlaut 305c 55 Mehrfachverwendung – Inhaltskontrolle AGB 305 22 f. – ungewöhnliche/überraschende Klauseln 310 36 Meinungsäußerungsfreiheit – Whistleblowing 307 264 Mindestaltersklausel Anh. BetrAV 35 Mindestehedauerklausel Anh. BetrAV 34
632
Mindesttantieme Anh. Vergü 25 Missbräuchliche Klauseln – keine Abänderungsbefugnis 306 11 Mitarbeiteraktien – aktienbasierte Vergütung Anh. Vergü 35 Musterverträge – Inhaltskontrolle AGB 305 23 ff. – kollektivrechtlich ausgehandelte Vertragsbedingungen 305 23
Nachfrist 308 19 f.
– Anwendungsbereich 308 20 – Bedeutung 308 19 Nationales Recht – Richtlinie 93/13/EWG Einf. 41 Nebenleistung – Abgrenzung/Hauptleistung 307 30 ff. – Auswirkung auf Hauptleistung 307 29 Nebentätigkeit – Abführungsklausel 307 213 – absolutes Verbot 307 208 – Anzeigepflichten 307 210 – Definition 307 206 – Erlaubnisvorbehalt 307 211 – Inhaltskontrolle 307 206 ff. – relatives Verbot 307 209 – überraschende Klauseln 305c 39 – Urlaub 307 214 – Verbot 307 206 ff. – Verbotsklausel 307 49 Nichtarbeitsrechtliche Verträge – Inhaltskontrolle AGB Einf. 112 Nichteinbeziehung – Überblick 306 1 ff. – überraschende Klauseln 306 18 Nichtigkeit – Angemessenheitskontrolle Vor 307 2 – Rechtsfolgen 307 10 Nichtverfügbarkeit von Leistungen 308 139 Normentheorie – Inhaltskontrolle AGB Einf. 28 ff.
Sachregister Normwiederholende Klauseln 307 18 ff.
Öffentlicher Dienst Einf. 1
– Versorgungszusage Anh. BetrAV 75 ff.
pacta sunt servanda
– BAG Einf. 80 – kirchliche Arbeitsvertragsregelungen 310 60 – kurzfristige Preiserhöhungen 309 14 – pauschale Freiwilligkeitsvorbehalte 307 195 ff. – unangemessene Benachteiligung 307 64 Parallelverträge – Haftungsausschluss, § 309 Nr. 7b BGB 309 103 – Haftungsausschluss, § 309 Nr. 8a BGB 309 118 – Laufzeit bei Dauerschuldverhältnissen 309 119 – Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen 309 69 – Vertragsstrafe 309 83 Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen 309 51 ff. – 10%ige Abweichung 309 64 – Abgrenzung zur Vertragsstrafe 309 57 – Anwendungsbereich 309 52 ff. – Auslegung 309 53, 59 – Bedeutung im Arbeitsrecht 309 65 ff. – berechtigtes Bedürfnis 309 52 – Darlegungs-/Beweislast 309 62 – ergänzende Vertragsauslegung 309 70 – Ersatz einer Wertminderung 309 60 – Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung 309 67 – Höhe der Pauschale 309 61 f. – Interessenabwägung 309 59 – Mankoabreden 309 68 – Parallelverträge 309 69 – Pauschale 309 56 – Rechtsfolgen bei Verstoß 309 70 – Schadensersatz jeglicher Art 309 54 ff. – sonstige Pflichtverletzung 309 67
– vertraglich geschuldete Arbeitsleistung 309 66 – vorweggenommene Schadensschätzung 309 59 – Zulassung des Gegenbeweises 309 63 f. – Zweck der Klausel 309 58 Pensionsfonds – Auslegung/Inhaltskontrolle des Pensionsplans Anh. BetrAV 63 f. – Deckungsverhältnis Anh. BetrAV 61 – Durchführung Anh. BetrAV 58 ff. – Verhältnis Arbeitnehmer und Pensionsfonds Anh. BetrAV 62 – Versorgungsverhältnis Anh. BetrAV 60 Pensionskasse – Auslegung/Inhaltskontrolle Anh. BetrAV 56 ff. – Verhältnis Arbeitgeber und Pensionskasse Anh. BetrAV 53 f. – Verhältnis Arbeitnehmer und Pensionskasse Anh. BetrAV 55 – Versorgungsverhältnis Anh. BetrAV 52 – Versorgungszusage Anh. BetrAV 51 ff. Personenschäden – Haftungsausschluss, § 309 Nr. 7a BGB 309 100 f. Persönlichkeitsrecht – Eingriff durch Nebentätigkeitsanzeigepflicht 307 210 Pfändungsverbotsklausel – Inhaltskontrolle 307 92 ff. Pflichtverletzungen – Inhaltskontrolle AGB Einf. 94 Praktikanten siehe auch Berufsausbildungsverhältnisse – Verbraucher 310 19b Präventionsinteresse – Vertragsstrafenklausel 307 268 Probearbeitsverhältnis – mehrdeutige Klauseln 305c 68 Probezeit – Inhaltskontrolle 307 25
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Sachregister – Kündigung 307 273 – überraschende Klauseln 305c 41 Prognoserisiko Einf. 95 ff. Provisionen Anh. Vergü 31 ff. – Zurückzahlungs des Vorschusses Anh. Vergü 33
Rahmenvereinbarung 305 59
Rangverhältnis – Arbeitsrecht/AGB-Kontrolle Vor 307 5 Rationalisierungsfunktion – AGB Einf. 7 Rechtsfolge – Gesamtunwirksamkeit 306 83 ff. Rechtskontrolle – Inhaltskontrolle 310 48 Rechtslagenvergleich – bei fraglicher Klausel 307 70 – Generalklausel 307 38 Rechtsordnung, ausländische – Wahl/Umgehungsverbot 306a 14 Rechtsprechung – Abgrenzungskriterien für Inhaltskontrolle 307 31 – einzelne vorformulierte Bedingungen 306 23 ff. – verdeckte Inhaltskontrolle Vor 307 25 Reduktionsklauseln – salvatorische Klauseln 306 81 Restvertragswirksamkeit 306 12 f. Retentionsbonus Anh. Vergü 21 Richterrecht – Angemessenheitskontrolle Vor 307 9 – Inhaltskontrolle 307 19 – Lückenschließung 306 4 – unangemessene Benachteiligung 307 62 f. Richtlinie 93/13/EWG 310 14 ff., 26 – Anwendungsbereich 310 41 – Berücksichtigung der Begleitumstände 310 38 ff.; Einf. 43 – Klausel-Richtlinie Einf. 41 ff. – Machtungleichgewicht Einf. 43
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– Missbräuchlichkeit einer Klausel Einf. 41 – Transparenzgebot 310 33 Risikoverteilung – unangemessene Benachteiligung 307 52 Rom-I-VO – Arbeitsvertragsabschlussstatut Einf. 123 ff. Rückabwicklungsansprüche – Inhaltskontrolle/Abwicklung von Verträgen 308 132 ff. Rückkehrrecht – Aufhebungsvertrag 307 144 – Konzernversetzungklausel 307 188 – Teilbarkeit 306 34 Rücksichtnahmepflicht – Schadensersatz Vor 307 34 Rücktrittsvorbehalt siehe auch Lösungsrecht – Arbeitsrecht 308 24 – Ausnahmeregelungen für Dauerschuldverhältnisse 308 21 – Bedeutung für das Arbeitsrecht 308 24 ff. – Vorvertrag 308 25 Rückzahlungsklauseln – Abschlusszeitpunkt 307 224 – Arbeitgeberkündigung 307 221 – Art der Qualifikation 307 219 – Aus-/Fortbildungskosten 307 215 ff. – Betriebstreue 307 221 – Claw Back-Klauseln Anh. Vergü 19 – Dauer 307 218 – geltungserhaltende Reduktion 307 226 – Höhe 307 220 – Kündigungsschutzgesetz 307 221 – Kürzungsklauseln 307 231 – salvatorische Klauseln 307 233 ff. – Selbstbehalt 305c 43 – sonstige 307 232 – Transparenz 307 225 – überbezahltes Entgelt 307 230 – überraschende Klauseln 305c 42 – Umzugskosten 307 227 ff.
Sachregister – unangemessene 307 223 – verschiedene 307 215 ff. Ruhensvereinbarungen – Inhaltskontrolle 307 192
S
alvatorische Klauseln 306 77 ff. – Enthaltungsklausel 306 78 – Ersetzungsklausel 307 80, 234 – gesetzesverweisende ~ 307 79, 236 – hypothetischer Parteiwille 307 237 – Kombination von Klauseln 306 82 – Rechtswirkungen 307 233 ff. – Reduktionsklausel 307 81, 234 – Teilunwirksamkeitsklausel 306 78 Schäden, sonstige – Haftungsausschluss, § 309 Nr. 7b BGB 309 102 ff. Schadensersatz – Anspruch, Nachfrist 308 19 – Schadensersatzpflicht Vor 307 35 – unwirksame AGB Vor 307 34 ff. – Vertragsstrafenklausel 307 268 Scheidungsklausel Anh. BetrAV 37 Schrankenregelung – deklaratorische Klauseln 307 17 ff. – Inhaltskontrolle 307 16 ff. – normwiederholende Klauseln 307 18 – Rechtslagenvergleich 307 26 f. – scheindeklaratorische Regelungen 307 23 Schriftformklauseln 305b 18 f. – doppelte Schriftform 309 162 – einfache Schriftform 307 239 – ergänzende Vertragsauslegung 306 62 – gewillkürte Schriftform 307 243 – Intransparenz 307 240 – Prüfschema 305b 20 ff. – qualifizierte 307 239 – Unwirksamkeit 307 242 – Wirkung 307 240 Schuldanerkenntnis – konstitutives, Generalklausel 307 244 – konstitutives, Transparenzgebot 307 244
– negatives 305c 40 Schuldbeitritt – Vertragspartnerwechsel 309 122 Schuldnerschutz – Mahnung, Fristsetzung 309 41 f. Schuldrechtsreform – BAG Einf. 20 ff. – BGH Einf. 21 – Inhaltskontrollnorm 307 1 ff. – Vertragsinhaltsschutz 308 43 ff. – Vertrauensschutz für Altverträge Einf. 120 ff. – zeitlicher Anwendungsbereich der AGB-Kontrolle Einf. 115 ff. Schuldübernahme, befreiende – Vertragspartnerwechsel 309 121 ff. Schuldversprechen – Beweislast, § 309 Nr. 12 BGB 309 141 – mit Einwendungsverzicht/Teilbarkeit 306 36 Schutznormen – Angemessenheitskontrolle Einf. 82 f. Schutzpflichten – Grundrechte 307 49 Schweigen – fingierte Erklärungen 308 119 f. Selbstbehalt – überraschende Klauseln 305c 43 Selbstbestimmungsrecht – Inhaltskontrolle AGB Vor 307 29 – vorformulierte Arbeitsverträge Einf. 61 Sicherheitsleistung – und Abschlagszahlung 309 172 Sittenwidrigkeit – Angemessenheitskontrolle Vor 307 11 ff. Sockelarbeitszeit – BAG 307 104 Sondervorschriften – Kontrolle von Wettbewerbsverboten Vor 307 24 Sonderzahlungen – Freiwilligkeitsvorbehalte Einf. 84 ff.
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Sachregister – Widerrufsvorbehalt 308 107 ff. Spätehenklausel Anh. BetrAV 33 Sprachrisiko – Transparenzgebot 307 90 Standardarbeitsverträge – Inhaltskontrolle AGB Vor 307 27 ff. Stichtagsregelung siehe auch Bestandsklauseln – BAG 306 65 Stillschweigen – All-Klauseln 307 262 – Arbeitsentgelt 307 263 – externes Whistleblowing 307 264 – internes Whistleblowing 307 266 – nachträgliche Verschwiegenheitspflicht 307 265 – private Belange 307 266 Strafhöhe – Pflichtverletzung 307 273 Subunternehmer – Vertragspartnerwechsel 309 122 Synallagma – Bestandsklauseln 307 246
Tantiemen
– allgemein Anh. Vergü 23 ff. – Berechnungsparameter Anh. Vergü 23 ff. – Freiwilligkeitsvorbehalt Anh. Vergü 26 – Rückzahlungsklauseln Anh. Vergü 29 – Stichtagsklauseln Anh. Vergü 28 – Transparenzgebot Anh. Vergü 24 – Widerrufsvorbehalt Anh. Vergü 26 Tarifbindung – Transparenzkontrolle 310 74 Tariflohn – Angemessenheitskontrolle 307 34 Tarifschutz – nachlassender Einf. 22 Tarifvertrag – Bezugnahmeklauseln 305c 30; 307 155 – dynamische Bezugnahmeklausel 307 158 ff.
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– – – – –
Einzelbezugnahmen 307 167 gesetzliches Leitbild 307 66 keine Zweiklassenkontrolle 307 165 Prüfungsmaßstab Vor 307 14 schuldrechtliche Absprachen der Tarifvertragsparteien außerhalb des ~ Einf. 6 – Tarifautonomie 310 42 f. – Tarifzensur 310 69, 80 – Teilbereichsbezugnahmen 307 168 – Werte für Inhaltskontrolle Einf. 100 Täuschungsverbot – Transparenzgebot 307 86 Teilunwirksamkeit 306 20 ff. – personale/BAG 306 26 – personale/BGH 306 23 – Rechtsfolgen 306 1 ff. – Teilbarkeit von vorformulierten Bedingungen 306 22 – Teilunwirksamkeitsklausel 306 78 Teilzeit- und Befristungsgesetz 307 148 – BAG Vor 307 5 Teleologische Reduktion – von § 310 Abs. 4 BGB 310 81 Torsovertrag – Wirksamkeit 306 16 Transaktionsbonus Anh. Vergü 22 Transparenzgebot 307 77 ff. – Aktienoptionen Anh. Vergü 36 – anderes Arbeitsgebiet 307 185 – Änderungsvorbehalt 308 81 – Anrechnungsklausel 307 89 – Arbeitsort 307 184 – Aufhebungsvereinbarung 307 142 – Aufhebungsvertrag 307 133 – Auslegung/Intransparenz 307 88 – Ausschluss überraschender Klauseln 305c 3 – Ausschlussklauseln 307 126 – Befristungsregelungen 307 152 – Bestimmtheitsgebot 307 85 – Beurteilungsmaßstab 307 83 – Bezugnahmeklauseln 307 160 – Direktionsrechtsklauseln 307 182
Sachregister – Eingruppierungsrichtlinie 310 74a – ergänzende Vertragsauslegung 306 66 – Erholungsurlaub/Nebentätigkeit 307 214 – Freistellungsklauseln 307 191 – Freiwilligkeitsvorbehalt 307 200 – gesetzesverweisende Klauseln 306 79 – Globalverweisung 310 74 – Grenzen 307 87 ff. – grundsätzliche Ausprägungen 307 84 – Höhe der Vertragsstrafe 307 276 – Inhaltskontrolle 307 3 – isolierte Ausgleichsregelung 307 136 – isolierte Klageverzichtsvereinbarung 307 143 – Kontrolle 305 4 – Kontrolle, Entgeltbereich Einf. 79 ff. – Mitarbeiteraktien Anh. Vergü 35 – Nebentätigkeit 307 212 – Richtlinie 93/13/EWG 310 33 – Rückzahlungsklauseln 307 225 – salvatorische Klauseln 307 235 f. – Schriftformklauseln 307 240 – Schuldanerkenntnis, konstitutives 307 244 – Sprachrisiko 307 90 – Systematik Einf. 130 – Tantiemenregelung Anh. Vergü 24 – tarifliche/außertarifliche Angestellte Einf. 88 – Tatbestand 307 81 ff. – Täuschungsverbot 307 86 – Übersichtlichkeit der Vertragsregelung 307 87 – Urlaub/Mehrurlaub 307 259 – vermeidbare Unklarheit 307 88 – Versorgungszusage Anh. BetrAV 23 – Vertragsstrafe 307 272 – Weihnachtsgratifikation 307 196 – Widerrufsklausel 307 89 – Zusatzurlaub 307 251 – Zweck 307 77 Trennungsklauseln – Inhaltskontrolle 307 252
Treu und Glauben 305 5 – Angemessenheitskontrolle Vor 307 14 ff. – Arbeitsrecht Vor 307 14 – Individualabrede Vor 307 31 – Vertragsgestaltungsmacht 307 10 – Vertragslücke 306 61 – zweiteiliger Prüfungsmaßstab bei Angemessenheitskontrolle Vor 307 28 Treueprämie – Stichtagsregelung 307 247
Übermaßverbot
– Aufrechnungsverbot 309 35 Überraschende Klauseln – allgemeine Voraussetzungen 305c 6 – Anwendungsbereich 305c 4 f. – Bewertungsmaßstab 305c 14 – Darlegungs-/Beweislast 305c 17 – einzelne Beispiele 305c 18 ff. – Entstehung 305c 1 ff. – Hinweis 305c 13 – objektiv ungewöhnlich 305c 7 ff. – Rechtsfolgen 305c 15 f. – subjektiv überraschend 305c 10 f. – Unbilligkeit 305c 9 – Versorgungszusage Anh. BetrAV 14 ff. – Verstecken 305c 12 – Zweck 305c 2 Überstunden – Abgeltung 305c 44 – Überstundenklausel, Inhaltskontrolle 307 108 ff. Umgehungsverbot 310 37 – Anwendungsbereich 306a 3 ff. – Darlegungs-/Beweislast 306a 13 – Einführung 306a 1 f. – Ersetzungsklausel 306a 18 – interne Regelungen 306a 19 – mögliche Umgehungsfälle 306a 14 ff. – Rechtsfolgen 306a 11 f. – Tarifverträge/Betriebs- und Dienstvereinbarungen 306a 6 – Umgehungsfälle 306a 14 ff. – Voraussetzungen 306a 7 ff.
637
Sachregister Umzugskosten – Rückzahlungsklauseln 307 227 ff. Unangemessene Benachteiligung siehe auch Transparenzgebot – Abweichen von wesentlichen Grundgedanken 307 69 ff. – allgemeine Rechtsgrundsätze 307 64 – angemessener Ausgleich 307 54 – Ausschlussfristen 307 124 – Betriebs-/Dienstvereinbarungen 307 67 – Bewertungszeitpunkt 307 44 – BGH Vor 307 3 – Darlegungs-/Beweislast 307 91 – Definition 307 37 – Einschränkung wesentlicher Rechte und Pflichten 307 75 – ergänzende Vertragsauslegung 307 65 – Erheblichkeit der Benachteiligung 307 40 – Fallgruppen des § 307 Abs. 2 BGB 307 58 ff. – Freistellungsklauseln 307 68 – gesetzliche Regelungen 307 60 ff. – gesetzliches Verbot 307 61 – Grundrechte 307 49 – Inhaltskontrolle 307 3, 35 ff. – Kompensation 307 54 – Kontrolle von Klausel und Gesamtvertrag 307 53 ff. – Rechtsgrundsätze 307 64 – Richterrecht 307 62 f. – Risikoverteilung 307 52 – sachlicher Zusammenhang 307 54 – Sondertatbestände 307 56 ff. – Summierung 307 55 – Tarifverträge 307 66 – Transparenzgebot 307 77 ff. – Treu und Glauben 307 41 ff. – Unangemessenheit 307 41 ff. – Unvereinbarkeit 307 71 – Verhältnismäßigkeit 307 42 – Verkehrssitte 307 43 – Vertragszweck 307 72 – Wertevorstellung Vor 307 6 Ungewöhnliche Klauseln siehe Überraschende Klauseln
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Unklarheitenregelung – BAG Anh. BetrAV 10 – Zweifel bei der Auslegung 310 32 Unmöglichkeit – ergänzende Vertragsauslegung 306 65 Unternehmereigenschaft 310 10, 23 Unterstützungskasse – Durchführungsweg Anh. BetrAV 65 ff. – Inhaltskontrolle AGB Anh. BetrAV 69 ff. – Rechtsverhältnisse Anh. BetrAV 66 ff. Unwirksamkeit – Änderungsvorbehaltsklausel, Folgen 308 112 ff. – Anzeigen-/Erklärungsform 309 164 f. – Aufrechnungsverbot 309 35 – Ausschlussfristen 307 127 – Fiktion des Zugangs 308 131 – Gründe des § 306 BGB 306 19 – Vermutung, Änderungsklausel 308 110 ff. Unzumutbare Härte – Festhalten am Vertrag 306 58 – Voraussetzungen 306 5 Urlaub 307 251 ff.; siehe auch Zusatzurlaub – Kürzungen 307 256 – Summierung 307 258
V
erbandsklageverfahren – Arbeitsrecht Vor 307 3 Verbot der geltungserhaltenden Reduktion 306 69 ff. – Abgrenzung zur ergänzenden Vertragsauslegung 306 72 – BAG/BGH 306 69 – Grundlagen 306 70 – Kritik 306 71 Verbot der Gesetzesumgehung 306a 1 ff. Verbotsgesetze – Angemessenheitskontrolle Vor 307 2 – geltungserhaltende Reduktion Vor 307 8
Sachregister Verbraucher – Arbeitnehmer als ~ 310 14 ff. – Fremdgeschäftsführer 310 19a – Rechtsfolgen 310 21 ff. – Verbrauchereigenschaft 310 15 – Verbraucherschutz 310 39 – Verbraucherschutz, Richtlinie 93/13/ EWG Einf. 41 ff. Verbraucherverträge 310 13 ff. – Aushandeln 310 24 – Auslegungsmaßstab 305 5 – Beweiserleichterung 310 23 – EG-Richtlinie 306 6 ff. – einmalige Verwendung 310 25 ff. – Gestaltungsmöglichkeiten 310 24 – Klauselverwendungsabsicht 310 27 – nicht einzeln ausgehandelt 310 26 – Restvertragswirksamtkeit 306 12 ff. – Richtlinie 93/13/EWG 310 26 – Stellen bei Vertragsschluss 310 22 – Unternehmereigenschaft 310 23 – Vielzahl von Verträgen 310 25 Verbrauchervertragsrichtlinie siehe Richtlinie 93/13/EWG Verfallklausel siehe Ausschlussfristen Verfassungsrecht – Fundament für Inhaltskontrolle Einf. 60 ff. Vergütung siehe auch Aktienbasierte Vergütung; siehe auch Bonuszahlungen; siehe auch Carried Interest; siehe auch Jahressonderzahlungen; siehe auch Managementbeteiligungsprogramme; siehe auch Provisionen; siehe auch Tantiemen – Überstunden 307 108 f. Verhältnismäßigkeitsprinzip – unangemessene Benachteiligung 307 64 Verhandeln – Aushandeln 305 51 ff. Verjährung – Anzeigen-/Erklärungsform 309 163 Verkehrssitte 305 5
Verschuldensgrundsatz – unangemessene Benachteiligung 307 64 Verschwiegenheitsklauseln – Inhaltskontrolle 307 261 ff. Versetzungsklauseln – BAG Einf. 78; Vor 307 22 – Inhaltskontrolle 308 35 – überraschende Klauseln 305c 45 Versicherungen – Aufschub und Verfall variabler Vergütung Anh. Vergü 67 f. – Auszahlungsvoraussetzungen der variablen Vergütung Anh. Vergü 64 – Bonusziele Anh. Vergü 61 f. – Claw-Back Anh. Vergü 69 – Einschränkung oder Aufhebung der Risikoadjustierung Anh. Vergü 66 – garantierte variable Vergütung Anh. Vergü 65 – Höhe der variablen Vergütung Anh. Vergü 63 – Rückzahlungspflicht Anh. Vergü 69 – Sign-On Bonus Anh. Vergü 65 Versicherungsvertrag – Auslegung Anh. BetrAV 47 ff. – Inhaltskontrolle Anh. BetrAV 50 – Unklarheitenregelung Anh. BetrAV 49 Versorgungszusage; Anh. BetrAV 30 ff. siehe auch Versicherungsvertrag; siehe auch Zusagen – als AGB Anh. BetrAV 4 ff. – Änderungsvorbehalt Anh. BetrAV 26 – Arbeitgeberinteresse an flexibler Gestaltung Anh. BetrAV 19 – Auslegung des Versicherungsvertrages Anh. BetrAV 47 ff. – Auslegung und Unklarheitenregel Anh. BetrAV 9 ff. – Begriff Anh. BetrAV 2 f. – Direktversicherung Anh. BetrAV 41 ff. – Direktzusage Anh. BetrAV 40c – dynamische Verweisung Anh. BetrAV 22 ff.
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Sachregister – Entgeltumwandlung Anh. BetrAV 72 ff. – Geschäftsführer/Vorstände Anh. BetrAV 20 – Hinterbliebenenversorgung Anh. BetrAV 30 ff. – Inhaltskontrolle Anh. BetrAV 17 ff. – Invalidität Anh. BetrAV 39 – Konditionenkartell Anh. BetrAV 78 f. – Leistungsbeginn Anh. BetrAV 39b – mehrdeutige Begriffe Anh. BetrAV 12 – Mindestaltersgrenze Anh. BetrAV 39c – Öffentlicher Dienst Anh. BetrAV 75 ff. – Pensionsfonds Anh. BetrAV 58 ff. – Pensionskasse Anh. BetrAV 51 ff. – Reduzierungsvorbehalt Anh. BetrAV 29 – spezielle Klauseln Anh. BetrAV 31 ff. – Transparenzkontrolle bei Verweisungen Anh. BetrAV 23 – überraschende Klauseln Anh. BetrAV 14 ff. – Widerrufsvorbehalt Anh. BetrAV 27 ff. Vertragsabschluss – Inhaltskontrolle Einf. 56 – Rationalisierungsfunktion Einf. 8 Vertragsauslegung – Angemessenheitskontrolle Vor 307 25 Vertragsbedingungen – Abgrenzung 305 6 ff. – Ausgleichsklausel 307 134 ff. – Teil-/Unwirksamkeit vorformulierter ~ 310 32 Vertragsbruch – Vertragsstrafenklausel 307 277 Vertragsdurchführung – Rationalisierungsfunktion Einf. 9 Vertragserhaltungsfunktion – § 306 BGB 306 3 Vertragsfreiheit – Inhaltskontrolle AGB Einf. 25 Vertragsgestaltungsmacht – fehlende Einf. 105
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– Inhaltskontrolle AGB 307 5; Vor 307 26 Vertragsimparität – Verwender 305 34 Vertragsinhalt – Freiwilligkeitsvorbehalt 305 8 ff. – kollektive Regelungen 305 13 – Prüfung nach § 306 BGB 306 17 f. – Schutz vor der Schuldrechtsreform 308 43 ff. – unwirksame AGB 306 20 – Widerrufsvorbehalt 305 11 – Widerrufsvorbehalt des Arbeitgebers 308 45 – Zwecksetzung 305 7 Vertragskontrolle – BVerfG Vor 307 33 – Rangverhältnis der Kontrollmechanismen Vor 307 5 Vertragslücke – Angemessenheit 306 61 – Ausfüllbedürftigkeit 306 57 – Ausfüllung 306 63 ff. – Interessenabwägung 306 61 – Schließung nach § 306 Abs. 2 BGB 306 49 ff. Vertragsparität – gestörte Einf. 16 – Wiederherstellung über § 306 Abs. 2 BGB 306 49 ff. Vertragspartnerwechsel 309 120 ff. – Anwendungsbereich 309 121 ff. – Bedeutung im Arbeitsrecht 309 124 ff. – Konzernversetzungsklausel 309 125 – nachvertragliches Wettbewerbsverbot 309 126 Vertragsstrafe 309 74 ff. – Abwägung 307 273 – Angemessenheitskontrolle Vor 307 23 ff. – Anwendungsbereich 309 75 ff. – Ausgleichsinteresse 307 268 – Bedeutung im Arbeitsrecht 309 79 ff. – Einkommensorientierung 307 273 – Formulierung 307 271
Sachregister – geltungserhaltende Reduktion Vor 307 23 – Globalvertragsstrafe 307 271 – Grenzen durch BAG 309 81 f. – Herabsetzung Vor 307 23 – Höchstgrenze 307 274 – Inhaltskontrolle 307 59, 267 ff. – Interessenabwägung 307 51, 268 – Leistungsabnahme verspätet oder gar nicht 309 76 – Lösung vom Vertrag 309 78, 80 – Parallelverträge 309 83 – Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen 309 57 – Rechtsfolgen bei Verstoß 309 84 – Reduktion auf das Wesentliche 307 277 – Schadensnachweis 307 269 – Teilbarkeit 306 37 – Transparenzgebot 307 272, 276 – überraschende Klauseln 305c 46 – Verletzung von Nebenpflichten 307 275 – Verschulden 307 272 – Vertragsstrafenversprechen Vor 307 23 – Vertragstreue 307 270 – Zahlungsverzug 309 77 Vertragstheorie – AGB Einf. 29 Vertragstreue – Vertragsstrafe 307 270 Vertragsübernahme – Vertragspartnerwechsel 309 121 ff. Vertragsunwirksamkeit – ultima ratio 306 83 ff. Vertrauensschutz – für Altverträge Einf. 120 Vertraulichkeitspflicht – ungewöhnliche Klauseln 305c 47 Vertreter ohne Vertretungsmacht – Abschlussvertreterhaftung 309 136 Vertriebsmitarbeiter – komplexe Vergütung Einf. 5
Verweisungsklauseln 306 79 – abgrenzbare tarifliche Teilkomplexe 310 76 f. – Bereichsausnahme 305 12 – Betriebs-/Dienstvereinbarungen 310 78 ff. – Gesamt-/Konzernbetriebsvereinbarung 310 78a – Versorgungszusage Anh. BetrAV 22 ff. Verwender siehe auch Klauselverwender – Verwenderrolle 305 32 ff. Verwendungsgegner – Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit 308 7 Verzichtserklärung – ungewöhnliche Klauseln 305c 40 Volontariat siehe auch Berufsausbildungsverhältnisse – Volontär als Verbraucher 310 19b Vorbehaltsklausel siehe Änderungsvorbehaltsklausel Vorformulierte Arbeitsvertragsbedingungen siehe AGB Vorrang – Individualabrede 310 35 Vorstandsmitglied – Verbraucher 310 19a Vorvertragspflichten – Schadensersatz Vor 307 34
Wechsel des Vertragspartners siehe
Vertragspartnerwechsel Weihnachtsgratifikation siehe auch Gratifikation – Transparenzgebot 307 196 Werklieferungsvertrag – Haftungsausschluss, § 309 Nr. 8b BGB 309 116 Wettbewerbsverbote 307 278 f. – Angemessenheitskontrolle Vor 307 24 – Anwendbarkeit/§ 309 Nr. 10 BGB 309 126 – Kontrolle von ~n Vor 307 24
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Sachregister – mehrdeutige Klauseln 305c 68 – überraschende Klauseln 305c 48 – Verschwiegenheitsklauseln 307 261 – Vertragsstrafenklausel 307 275 Whistleblowing 307 264 ff. – Whistleblowers-Hotline 307 266 Widerrufsvorbehalt 305 11 – Änderungsvorbehalt 308 29 – Arbeitsrecht 308 30 – Auslauffrist Vor 307 22 – Freiwilligkeitsvorbehalt 308 108 – Kombination mit Freiwilligkeitsvorbehalt 307 201 – Risikoverlagerung zuungunsten des Arbeitnehmers 308 96 – Sonderzahlungen 308 107 ff. – Teilbarkeit 306 33, 38 – transparente Fassung 308 108 – Transparenzgebot 307 89 – Vermeidung von Wertungswidersprüchen 308 58 – Wegfall des Leistungszwecks 308 91 Wiederverheiratungsklausel Anh. BetrAV 36 Wirksamkeit – mangelnde Bestimmbarkeit der essentialia negotii 306 15 – Restvertrag 306 15
Zeitpunkt
– Stellen der Vertragsbedingungen 305 37
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Zielvereinbarungen/-vorgaben – Inhaltskontrolle Anh. Vergü 7 – überraschende Klauseln 305c 50 Zugangserfordernis – Anzeigen-/Erklärungsform 309 164 f. Zusagen – Auslegung und Unklarheitenregel Anh. BetrAV 9 ff. – individualrechtliche Anh. BetrAV 5 f. – kollektivrechtliche Anh. BetrAV 7 f. Zusatzleistungen – Freiwilligkeitsvorbehalte Einf. 84 ff. Zusatzurlaub – BAG 307 251 – Betriebstreue 307 255 – Kürzungen 307 256 – Leitbild Bundesurlaubsgesetz 307 253 ff. – Quotenregelungen 307 254 – Trennungsklauseln 307 252 – Verwirkung 307 260 Zustimmungsfiktionen 308 117 ff. Zweckmäßigkeitsnorm – BAG 307 69 Zwingendes Recht – Angemessenheitskontrolle Vor 307 2 – Inhaltskontrolle 307 12 – Nichtigkeit Vor 307 3 – Reichweite Vor 307 4